EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 22.12.2021
COM(2021) 566 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
Die nächste Generation von Eigenmitteln für den EU-Haushalt
1.Vorbereitung auf ein Europa nach COVID-19
Als die beispiellose COVID-19-Krise begann, einigte sich die EU rasch auf eine entschlossene gemeinsame Reaktion. Am 27. Mai 2020 legte die Kommission einen ehrgeizigen, innovativen und außergewöhnlichen Aufbauplan vor, um die Union auf den Weg einer nachhaltigen und robusten Erholung zu bringen. Über das Aufbauinstrument der Europäischen Union (NextGenerationEU), das mit der Unterstützung des Europäischen Parlaments am 14. Dezember 2020 vom Rat förmlich gebilligt wurde, werden bis zu 750 Mrd. EUR mobilisiert, um die wirtschaftlichen und sozialen Schäden durch die Pandemie zu beheben. Zusammen mit dem langfristigen Haushalt der EU, dem mehrjährigen Finanzrahmen, tragen Mittel in einer Gesamthöhe von 1,8 Billionen EUR dazu bei, ein Europa nach COVID-19 aufzubauen.
Ziel von NextGenerationEU ist es, aus der Krise stärker und widerstandsfähiger hervorzugehen, indem wir unsere Volkswirtschaften auf den Weg eines nachhaltigen Wachstums bringen. NextGenerationEU dient diesem Ziel durch Angehen der drängendsten Herausforderungen, vor denen wir als Union stehen, insbesondere des grünen und des digitalen Wandels. Die Einnahmen aus neuen Eigenmitteln werden dazu beitragen, die für die Finanzierung von NextGenerationEU aufgenommenen Mittel zurückzuzahlen.
Der Europäische Rat erklärte in seinen Schlussfolgerungen vom 21. Juli 2020, die Union werde in den kommenden Jahren „auf eine Reform des Systems der Eigenmittel hinarbeiten und neue Eigenmittel einführen“. In der anschließenden Interinstitutionellen Vereinbarung vom 16. Dezember 2020 einigten sich das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission darauf, dass „die Rückzahlung des Kapitalbetrags dieser für Ausgaben des Aufbauinstruments der Europäischen Union verwendeten Mittel und die dafür fälligen Zinsen ... aus dem Gesamthaushaltsplan der Union finanziert werden [müssen], auch durch ausreichende Einnahmen aus neuen Eigenmitteln, die nach 2021 eingeführt werden“. Die drei Organe würdigen außerdem die Bedeutung des Kontexts des Aufbauinstruments der Europäischen Union und erklären, dass die im Zusammenhang mit der Rückzahlung des Aufbauinstruments der Europäischen Union zu tätigenden Ausgaben aus dem Unionshaushalt nicht zu einer unangemessenen Kürzung der Programmausgaben oder der Investitionsinstrumente im Rahmen des mehrjährigen Finanzrahmens führen sollten. Ferner sei wünschenswert, dass der Anstieg der BNE-Eigenmittel für die Mitgliedstaaten abgeschwächt werde. Die Kommission verpflichtete sich, 2021 neue Ressourcen vorzuschlagen, damit sie spätestens zum 1. Januar 2023 eingeführt werden können.
2.Die Vorschläge der Kommission
2.1.Ein Korb neuer Eigenmittelkategorien
Die Kommission schlägt vor, die Prioritäten der EU-Politik stärker auf der Einnahmenseite des EU-Haushalts zu verankern. Ein Emissionshandelssystem und ein CO2-Grenzausgleichssystem dienen als EU-weite Instrumente dem gemeinsamen Ziel einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen zu geringstmöglichen Kosten, indem sie die Emissionen begrenzen und ein CO2-Preissignal setzen. Die historische Einigung im inklusiven Rahmen der OECD/G20 gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS) über eine Zwei-Säulen-Lösung für die steuerlichen Herausforderungen der Digitalisierung der Wirtschaft vom 8. Oktober 2021
betrifft 137 Länder und Hoheitsgebiete, auf die über 90 % des weltweiten BIP entfallen. „Säule 1“ dieses Abkommens sieht die Neuzuweisung eines Anteils der Gewinne der weltweit größten und rentabelsten multinationalen Unternehmen an die teilnehmenden Länder aus der ganzen Welt vor und stellt so sicher, dass die Unternehmen dort, wo sie tätig sind und Gewinne erwirtschaften, einen gerechten Steueranteil zahlen. Diese Initiativen erfordern ein Tätigwerden der EU und stellen somit eine geeignete Grundlage für EU-Eigenmittel dar.
Die Kommission schlägt vor, den Eigenmittelbeschluss zu überarbeiten, sodass ein Teil der Einnahmen durch die Gesetzgebungsvorschläge vom 14. Juli 2021 über ein CO2-Grenzausgleichssystem und den Emissionshandel dem EU-Haushalt zufließt. Überdies schlägt die Kommission, aufbauend auf der historischen Einigung im inklusiven Rahmen der OECD/G20 gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung, die Einführung neuer Eigenmittel auf der Grundlage eines Anteils an den Residualgewinnen der größten und rentabelsten multinationalen Unternehmen, welche den EU-Mitgliedstaaten neu zugewiesen werden, vor. Diese Eigenmittel würden eingeführt, sobald sowohl das im inklusiven Rahmen gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung ausgehandelte multilaterale Übereinkommen als auch die damit verbundene EU-Richtlinie in Kraft getreten sind und wirksam angewendet werden. Die Einführung aller neuen Eigenmittel setzt die Annahme der zugrundliegenden sektoralen Vorschläge voraus.
Die Kommission schlägt vor, dass 25 % der Einnahmen aus dem EU-Emissionshandel Eigenmittel für den EU-Haushalt werden. Die Kommission hat ein umfassendes Legislativpaket zur weiteren Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2030 vorgeschlagen; Ziel ist es, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Das Paket umfasst insbesondere den Ausbau des bestehenden EU-Emissionshandelssystems (EHS)
und seine Ausdehnung auf den Seeverkehr, die verstärkte Versteigerung von Zertifikaten für den Luftverkehr sowie die Einrichtung eines neuen Emissionshandelssystems für Gebäude und den Straßenverkehr. Während die Einnahmen aus der Versteigerung von Emissionszertifikaten im Rahmen des derzeitigen EU-Emissionshandelssystems größtenteils in die nationalen Haushalte fließen, schlägt die Kommission vor, dass künftig ein Teil der Einnahmen aus dem EU-Emissionshandel dem EU-Haushalt zugeführt wird. Dieser Teil würde auch Erlöse für Zertifikate umfassen, die zwar zur Versteigerung zur Verfügung stehen, bei denen die Mitgliedstaaten sich jedoch entschlossen haben, von der im EU-Emissionshandelssystem vorgesehenen Flexibilität Gebrauch zu machen und sie nicht zu versteigern. Zertifikate, die von der Europäischen Investitionsbank zur Finanzierung des Innovationsfonds und der Anfangsdotierung des Modernisierungsfonds versteigert werden, sind vom Anwendungsbereich der neuen Eigenmittelkategorie ausgenommen. Die Einnahmen für den EU-Haushalt werden für den Zeitraum 2023 bis 2030 auf etwa 9 Mrd. EUR pro Jahr geschätzt; ein Teil davon wird die Finanzierung des Klima-Sozialfonds ermöglichen.
Die Kommission schlägt zusätzlich einen befristeten Mechanismus zur solidarischen Anpassung vor, damit alle Mitgliedstaaten einen gerechten Beitrag zu den Eigenmitteln auf Grundlage des Emissionshandels leisten. Insbesondere wird bis 2030 eine Ober- und Untergrenze für die Beiträge zu den Eigenmitteln auf Grundlage des EU-Emissionshandels abhängig vom Verteilungsschlüssel des Bruttonationaleinkommens gelten. Dadurch wird im Zeitraum des Übergangs zu nachhaltigeren Volkswirtschaften und Gesellschaften vermieden, dass die Beiträge einiger Mitgliedstaaten zum EU-Haushalt gegenüber der Größe ihrer Volkswirtschaft unverhältnismäßig hoch ausfallen, und es wird sichergestellt, dass alle einen gerechten Beitrag leisten.
Die Kommission schlägt vor, dass 75 % der Einnahmen aus einem CO2-Grenzausgleichssystem Eigenmittel für den EU-Haushalt werden. Das CO2-Grenzausgleichssystem soll vor allem die Verringerung der weltweiten CO2-Emissionen durch Beseitigung des Verlagerungsrisikos unterstützen. Im Rahmen des Systems müssen Anmelder eine ausreichende Zahl von Zertifikaten erwerben, um die Emissionen abzudecken, die auf die von ihnen eingeführten Waren entfallen. Nach dem Vorschlag für eine Verordnung zur Einführung eines CO2-Grenzausgleichssystems wären die Mitgliedstaaten für die Erhebung der Einnahmen aus dem Verkauf von Zertifikaten im Rahmen des CO2-Grenzausgleichssystems zuständig. Die Einnahmen für den EU-Haushalt werden für den Zeitraum 2023 bis 2030 auf rund 0,5 Mrd. EUR pro Jahr geschätzt.
Die Kommission schlägt neue Eigenmittel in Höhe von 15 % des Anteils an den Residualgewinnen der größten und rentabelsten multinationalen Unternehmen, die den EU-Mitgliedstaaten gemäß dem Übereinkommen über die Reform des internationalen Steuerrahmens neu zugeteilt werden, vor. Am 8. Oktober 2021 einigten sich 137 Länder, die Mitglieder des inklusiven Rahmens der OECD/G20 gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung sind, auf eine Zwei-Säulen-Lösung zur Neuzuweisung der Gewinne multinationaler Unternehmen und einen weltweiten effektiven Mindeststeuersatz. „Säule 1“ dieses Übereinkommens sieht die Neuzuweisung eines Teils der Residualgewinne der größten und rentabelsten multinationalen Unternehmen an die Hoheitsgebiete vor, auf deren Märkten die Waren oder Dienstleistungen verwendet bzw. in Anspruch genommen werden. Die Arbeit an den Aspekten, die die praktische Umsetzung des Übereinkommens betreffen, sind noch nicht abgeschlossen. Die Kommission hat sich in ihrem Arbeitsprogramm für 2022 verpflichtet, einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Umsetzung des Übereinkommens im Einklang mit dem EU-Recht und entsprechend den Erfordernissen des Binnenmarkts vorzulegen. Gemäß dem Vorschlag der Kommission über die Eigenmittel würden die Mitgliedstaaten einen nationalen Beitrag zum EU-Haushalt auf der Grundlage des Anteils an den steuerpflichtigen Gewinnen multinationaler Unternehmen leisten, der den einzelnen Mitgliedstaaten im Rahmen der ersten Säule neu zugewiesen wird. Vorbehaltlich des Abschlusses des Übereinkommens könnten sich die Einnahmen für den EU-Haushalt auf etwa 2,5 bis 4 Mrd. EUR pro Jahr belaufen.
2.2.Änderung der Verordnung zur Festlegung des mehrjährigen Finanzrahmens für die Jahre 2021 bis 2027
Durch geeignete Bestimmungen im mehrjährigen Finanzrahmen wird die Rückzahlung von NextGenerationEU einem stabilen und vorhersehbaren Profil des Abbaus von Verbindlichkeiten folgen. Ein stetiger Fluss von Einnahmen aus neuen Eigenmitteln würde die Berechenbarkeit und Stabilität der Rückzahlung gewährleisten. Um der Möglichkeit Rechnung zu tragen, durch die Erlöse aus neuen Eigenmitteln die Rückzahlung von NextGenerationEU zu ermöglichen, schlägt die Kommission daher einen Mechanismus zur automatischen Anpassung der Obergrenzen des mehrjährigen Finanzrahmens auf der Grundlage der erhobenen Eigenmittelbeträge der neuen Kategorien vor.
Abbildung 1 - Geplante Verringerung der Verbindlichkeiten für NGEU
Quelle: Europäische Kommission. Beträge zu jeweiligen Preisen
Die Kommission hat einen Vorschlag für einen Klima-Sozialfonds vorgelegt, um finanziell schwächere Haushalte vor zusätzlichen Belastungen durch die Einführung eines neuen Emissionshandelssystems für Gebäude und den Straßenverkehr in der EU zu schützen. Die Finanzausstattung des Fonds entspricht einem Betrag, der grundsätzlich etwa 25 % der erwarteten Einnahmen aus der Einbeziehung von Gebäuden und dem Straßenverkehr in den Emissionshandel der EU ausmacht. Diese zusätzliche Ausgabe war im ursprünglichen Vorschlag der Kommission für einen neuen mehrjährigen Finanzrahmen nicht vorgesehen. Die Kommission schlägt daher vor, mit der geplanten Änderung der Verordnung über den mehrjährigen Finanzrahmen Rubrik 3 aufzustocken und dementsprechend die Obergrenze der Mittel für Zahlungen anzuheben, um die Zusatzausgaben für den Fonds im Zeitraum 2025 bis 2027 abzudecken.
Ein entscheidender Vorteil der Abfederung der sozialen Auswirkungen des neuen Emissionshandelssystems mit Mitteln aus dem EU-Haushalt ist, dass der Klima-Sozialfonds dann den für den Gesamthaushaltsplan bereits bestehenden Kontrollbestimmungen unterliegt. Er steht unter der Aufsicht des Rechnungshofs, und es obliegt dem Europäischen Parlament, der Kommission auf Empfehlung des Rates Entlastung für die Verwaltung des Fonds zu erteilen. Damit werden bei den Fondsausgaben die Einhaltung des Grundsatzes der Rechenschaftspflicht und die Qualität gewährleistet.
3.Nächste Schritte
Die Interinstitutionelle Vereinbarung vom 16. Dezember 2020 sieht vor, dass die Organe die notwendigen Schritte unternehmen, um eine rasche Billigung des Rahmens für neue Eigenmittel zu erleichtern. Der Rat verpflichtete sich, über den ersten Korb neuer Eigenmittel bis zum 1. Juli 2022 zu beraten, damit sie zum 1. Januar 2023 eingeführt werden können. Überdies wird die Kommission angesichts der in der Interinstitutionellen Vereinbarung eingegangenen Verpflichtung und der Notwendigkeit, für einen angemessenen Betrag an neuen Eigenmitteln zur Rückzahlung des Aufbauinstruments der Europäischen Union zu sorgen, bis Ende 2023 einen Vorschlag für einen zweiten Korb neuer Eigenmittel vorlegen.
In diesem Zusammenhang wird die Kommission, wie sie in der Mitteilung „Eine Unternehmensbesteuerung für das 21. Jahrhundert“ vom Mai 2021 bekräftigt hat, zusätzliche neue Eigenmittel vorschlagen, welche eine Finanztransaktionssteuer und Eigenmittel in Verbindung mit dem Unternehmenssektor umfassen könnten. Dieses zweite Paket wird auf dem für 2023 vorgesehenen Vorschlag „Unternehmen in Europa: ein Rahmen für die Unternehmensbesteuerung“ aufbauen.
Eine rasche Einigung über die Vorschläge zur Änderung des Eigenmittelbeschlusses und der Verordnung zur Festlegung des mehrjährigen Finanzrahmens für die Jahre 2021 bis 2027 sowie eine rasche Billigung des geänderten Eigenmittelbeschlusses durch die Mitgliedstaaten gemäß ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften würde der Union die Mittel an die Hand geben, ihre Ziele – eine klimaneutrale, digitale, gerechte, inklusive und widerstandsfähige Gesellschaft für alle Europäerinnen und Europäer – zu erreichen.
Die Kommission wird das Annahmeverfahren laufend bewerten, um sicherzustellen, dass angemessene Mittel für die Rückzahlung des Aufbauinstruments der Europäischen Union vorhanden sind.