EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 8.1.2021
COM(2021) 3 final
BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
ZWEITER AUSBLICK ZUR ENTWICKLUNG DER LUFTQUALITÄT
Zweiter Ausblick zur Entwicklung der Luftqualität
1.Einleitung
Laut dem europäischen Grünen Deal sind für eine schadstofffreie Umwelt zusätzliche Maßnahmen zur Vermeidung neuer Umweltverschmutzung sowie zur Bereinigung und Beseitigung bestehender Verschmutzung erforderlich. Um die Bürgerinnen und Bürger sowie die natürlichen Ökosysteme Europas zu schützen, muss die EU die Schadstoffbelastung von Luft, Wasser und Boden sowie Konsumgütern besser überwachen, erfassen, verhindern und beseitigen. Dadurch wird auch ein Beitrag zur Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung geleistet.
Aus dem im November 2020 veröffentlichten Bericht der EUA über die Luftqualität in Europa 2020 („Air quality in Europe – 2020 report“) geht hervor, dass die Emissionen der meisten Luftschadstoffe in der EU in den letzten Jahrzehnten zwar zurückgegangen sind (siehe Abbildung 1), die Luftverschmutzung jedoch nach wie vor ein erhebliches Problem darstellt. Als Folge der Luftverschmutzung werden in der EU insgesamt rund 400 000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr verzeichnet und sind etwa zwei Drittel der Ökosystemfläche in der EU der Eutrophierung ausgesetzt. Darüber hinaus verursacht Luftverschmutzung erhebliche wirtschaftliche Kosten, da sie höhere Ausgaben im medizinischen Bereich, verminderte Produktivität, beispielsweise durch Fehlzeiten am Arbeitsplatz, und geringere landwirtschaftliche Erträge zur Folge hat.
Die EU setzt sich seit Jahrzehnten durch die Kontrolle der Emissionen von Schadstoffen in die Atmosphäre sowie durch die Integration von Umweltschutzanforderungen in die Sektoren Verkehr, Industrie, Energie, Landwirtschaft und Bauwesen für eine bessere Luftqualität ein. Damit soll die Luftverschmutzung auf ein Niveau reduziert werden, bei dem die schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt in der gesamten EU minimiert werden.
Der Ansatz der EU zur Verbesserung der Luftqualität beruht auf drei Säulen. Die erste Säule umfasst die Luftqualitätsnormen, die in den Luftqualitätsrichtlinien für bodennahes Ozon, Partikel, Stickoxide, gefährliche Schwermetalle und eine Reihe weiterer Schadstoffe festgelegt sind. Bei Überschreitung der festgelegten Grenzwerte sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, Luftqualitätspläne mit einer detaillierten Beschreibung von Maßnahmen zu erstellen, mit deren Hilfe der Zeitraum, in dem die Grenzwerte überschritten werden, so kurz wie möglich gehalten wird.
Die zweite Säule umfasst die nationalen Emissionsreduktionsverpflichtungen, die im Rahmen der Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen (NEC-Richtlinie)
für die wichtigsten grenzübergreifenden Luftschadstoffe festgelegt wurden, nämlich für Schwefeloxide, Stickstoffoxide, Ammoniak, flüchtige organische Verbindungen außer Methan und Staub. Die Mitgliedstaaten mussten bis 2019 nationale Luftreinhalteprogramme (National Air Pollution Control Programmes – NAPCP) entwickeln, in denen die Maßnahmen dargelegt sind, die sie zur Erfüllung ihrer Emissionsreduktionsverpflichtungen ergreifen werden.
Die dritte Säule umfasst Emissionsnormen für die wichtigsten Verschmutzungsquellen, angefangen bei Fahrzeug- und Schiffsemissionen bis hin zu den Bereichen Energie und Industrie. Die Festlegung dieser Normen erfolgt in spezifischen EU-Rechtsvorschriften.
In dieser zweiten Ausgabe des Ausblicks zur Entwicklung der Luftqualität werden die Aussichten für die Erreichung der Ziele der NEC-Richtlinie für das Jahr 2030 und darüber hinaus bewertet; dabei werden das im europäischen Grünen Deal enthaltene Null-Schadstoff-Ziel sowie das Ziel des Programms „Saubere Luft für Europa“, die Auswirkungen der Luftverschmutzung auf die Gesundheit bis 2030 gegenüber 2005 zu halbieren, berücksichtigt. Mit diesem Zweiten Ausblick zur Entwicklung der Luftqualität werden die Analysen und Schlussfolgerungen des ersten Ausblicks, der 2018 veröffentlicht wurde, aktualisiert, wobei den zahlreichen Entwicklungen Rechnung getragen wird, die sich aus der NEC-Richtlinie und anderen einschlägigen Rechtsvorschriften und politischen Maßnahmen ergeben haben. Darüber hinaus wird in dieser Ausgabe aufgezeigt, wie sich die Klimaschutzpolitik auf die Verwirklichung dieser Ziele auswirkt; zudem wird festgestellt, dass durch die Erreichung des Klimaziels für 2030 ein entscheidender Beitrag dazu geleistet wird, die gesundheitlichen Auswirkungen der Luftverschmutzung bis 2030 um die Hälfte zu reduzieren.
Der Zweite Ausblick zur Entwicklung der Luftqualität stellt insofern eine Ergänzung zum im Juni 2020 veröffentlichten ersten Bericht der Kommission über die Umsetzung der NEC-Richtlinie dar, als er eine vorausschauende Bewertung der wahrscheinlichen Entwicklung der Luftverschmutzung enthält und aufzeigt, inwieweit diese Entwicklung voraussichtlich von den Verpflichtungen zur Verringerung der Luftverschmutzung für 2030 abweicht. Die Ergebnisse werden in den für 2021 geplanten Null-Schadstoff-Aktionsplan einfließen, mit dem die EU auf den Weg zur Verwirklichung des Null-Schadstoff-Ziels und einer schadstofffreien Umwelt gebracht werden soll, wie im europäischen Grünen Deal angekündigt wurde. Schließlich werden in dieser Ausgabe die Auswirkungen der Luftverschmutzung auf die Ökosysteme bewertet; in Verbindung mit der in der NEC-Richtlinie geforderten Überwachung der Ökosysteme werden die daraus gewonnenen Erkenntnisse in die Analyse einfließen, die der Umsetzung der Biodiversitätsstrategie zugrunde liegt, da Luftverschmutzung maßgeblich zum Verlust der biologischen Vielfalt beiträgt.
Im Zuge der für diesen Ausblick zur Entwicklung der Luftqualität durchgeführten Analyse konnte noch nicht berücksichtigt werden, wie sich die prognostizierte Konjunkturabschwächung aufgrund der COVID-19-Pandemie auf die Luftschadstoffe auswirken wird. Es ist jedoch anzumerken, dass in den Zeiträumen, in denen Ausgangsbeschränkungen galten, unterschiedliche Auswirkungen auf die Reduzierung bestimmter Schadstoffemissionen zu beobachten waren und dass die Gesamtemissionen wieder auf das frühere Niveau zurückkehren könnten, wenn sich die Wirtschaft erholt.
2.Der aktueller Stand in Bezug auf Luftschadstoffemissionen und die Luftqualität sowie die Fortschritte bei der Einhaltung der Grenzwerte
2.1.Bestandsaufnahme im Hinblick auf Luftschadstoffemissionen und auf die Luftqualität
Seit 2005 (dem Bezugsjahr für Emissionsminderungen gemäß der NEC-Richtlinie) und bereits davor sind die Emissionen von Luftschadstoffen in der EU dank der auf EU-Ebene und nationaler Ebene erlassenen Rechtsvorschriften deutlich zurückgegangen. So ist das BIP der EU seit 2000 um etwa 30 % gestiegen, während die Emissionen der wichtigsten Luftschadstoffe – je nach Schadstoff – um 10 % bis 70 % zurückgegangen sind.
Abbildung 1: Entwicklung der EU-28-Emissionen in den Jahren 2000–2018 (% der Werte von 2005) (Quelle: EUA)
Diesen rückläufigen Trend gilt es fortzusetzen, und zwar durch kontinuierliche Anstrengungen, insbesondere in Bezug auf die Schadstoffe, bei denen ein geringerer Rückgang zu verzeichnen ist. So sind beispielsweise die Ammoniak-Emissionen seit 2005 auf einem konstanten Niveau und haben in den letzten Jahren in einigen Mitgliedstaaten sogar zugenommen.
Trotz dieses allgemeinen Rückgangs der Luftschadstoffemissionen wird die Lebensqualität in den meisten Mitgliedstaaten in bestimmten Hotspots nach wie vor dadurch beeinträchtigt, dass die Luftqualitätsnormen noch immer nicht eingehalten werden. Besonders ernst ist die Situation in städtischen Gebieten, in denen die Mehrzahl der Europäer lebt. Noch immer sind zu viele EU-Bürger Konzentrationen bestimmter Luftschadstoffe ausgesetzt, die über den in den Luftqualitätsrichtlinien festgelegten Grenzwerten oder Zielwerten liegen, und noch mehr Menschen in der EU sind Belastungen ausgesetzt, die über den in den Luftqualitätsleitlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Werten liegen. Im Jahr 2018 waren rund 4 % der städtischen Bevölkerung in den 28 EU-Mitgliedstaaten PM2,5-Konzentrationen ausgesetzt, die über dem EU-Jahresgrenzwert lagen, und mehr als 70 % waren Konzentrationen ausgesetzt, die über den Werten der Luftqualitätsleitlinien der WHO lagen.
Luftverschmutzung ist nach wie vor das größte umweltbedingte Gesundheitsrisiko in der EU; sie ist Ursache sowohl für chronische Erkrankungen als auch für schwere Krankheiten wie Asthma, Herz-Kreislauf-Probleme und Lungenkrebs und gibt den EU-Bürgern Anlass zu großer Besorgnis in Bezug auf ihre Gesundheit und die Umwelt. Gruppen mit niedrigerem sozioökonomischen Status, ältere Menschen, Kinder und Personen in schlechtem Gesundheitszustand sind tendenziell stärker von Luftverschmutzung betroffen als die Allgemeinbevölkerung.
2.2.Fortschritte bei der Einhaltung der Grenzwerte
Seit 2020 gelten die nationalen Emissionsreduktionsverpflichtungen gemäß der NEC-Richtlinie; dem Bericht der Kommission über die Umsetzung der NEC-Richtlinie ist jedoch zu entnehmen, dass fast alle Mitgliedstaaten die Emissionen zumindest einiger Schadstoffe unverzüglich und erheblich reduzieren müssen, um ihren Verpflichtungen nachzukommen. Dies gilt insbesondere für Ammoniak-Emissionen. Dies zeigt sich auch in der Analyse der Diskrepanz zwischen den zuletzt gemeldeten Emissionen (aus dem Jahr 2018) und dem gemäß der NEC-Richtlinie für den Zeitraum 2020–2029 zulässigen Emissionsniveau; diese Analyse hat gezeigt, dass viele Mitgliedstaaten ihre Emissionen in weniger als zwei Jahren um bis zu 10 % reduzieren müssen. Sechs Mitgliedstaaten müssen ihre PM2,5-Emissionen und fünf Mitgliedstaaten ihre NOX-Emissionen um jeweils bis zu 30 % oder mehr senken.
Die Mitgliedstaaten müssen ihre Anstrengungen sogar noch weiter verstärken, um die ehrgeizigeren Emissionsreduktionsverpflichtungen für 2030 gemäß der NEC-Richtlinie zu erfüllen. Im Vergleich zu ihren Emissionswerten im Jahr 2018 müssen fünf Mitgliedstaaten ihre PM2,5-Emissionen halbieren und 15 Mitgliedstaaten ihre NOX-Emissionen um mehr als 30 % senken; darüber hinaus müssen 15 Mitgliedstaaten ihre NMVOC-Emissionen und 13 Mitgliedstaaten ihre Ammoniak-Emissionen um jeweils bis zu 30 % oder mehr reduzieren. Die Kommission wird die nächsten Schritte zur Umsetzung der NEC-Richtlinie eingehend überwachen und die Umsetzungsbemühungen der Mitgliedstaaten weiterhin unterstützen; sie wird jedoch auch ihre rechtlichen Befugnisse nutzen, um die Durchsetzung der Rechtsvorschriften zu gewährleisten.
Was die Luftqualität betrifft, so waren in den letzten zehn Jahren erhebliche Verbesserungen zu verzeichnen, dennoch bestehen weiterhin große Probleme, da die in den Luftqualitätsrichtlinien festgelegten Luftqualitätsgrenzwerte der EU überschritten werden. Für das Jahr 2019 meldeten 23 Mitgliedstaaten Überschreitungen von mindestens einer Luftqualitätsnorm für mindestens einen Schadstoff an mindestens einem Ort – konkret meldeten 17 Mitgliedstaaten Überschreitungen der EU-Luftqualitätsnormen für NO2, 14 Mitgliedstaaten Überschreitungen für PM10, vier Mitgliedstaaten Überschreitungen für PM2,5 und ein Mitgliedstaat Überschreitungen für SO2.
Zum 1. Dezember 2020 waren insgesamt 31 Vertragsverletzungsverfahren gegen 18 Mitgliedstaaten wegen Überschreitungen der Konzentrationswerte für PM10, PM2,5, NO2 oder SO2 oder wegen fehlerhafter Überwachung anhängig. Zehn dieser Fälle wurden dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt; von diesen erging in fünf Fällen ein Urteil. In ihrer Mitteilung mit dem Titel „Ein Europa, das schützt: Saubere Luft für alle“ vom Mai 2018 betonte die Kommission, wie wichtig fortgesetzte Durchsetzungsmaßnahmen sind.
2.3.Folgemaßnahmen zur Zweckmäßigkeitsprüfung der Luftqualitätsrichtlinien
Im November 2019 veröffentlichte die Kommission die Ergebnisse einer Zweckmäßigkeitsprüfung der beiden EU-Luftqualitätsrichtlinien. Darin gelangte sie zu dem Schluss, dass die EU-Luftqualitätsnormen zwar maßgeblich dazu beigetragen haben, die Zahl der Überschreitungen und die Exposition der Bevölkerung gegenüber diesen Überschreitungen zu verringern, die verbleibende Lücke zur Erfüllung der Luftqualitätsnormen jedoch in bestimmten Fällen nach wie vor zu groß ist. Darüber hinaus kam sie zu dem Schluss, dass die derzeitigen Luftqualitätsnormen für mehrere Schadstoffe nicht das Ambitionsniveau aufweisen, das in den Empfehlungen der WHO gefordert wird; dies gelte insbesondere für Feinstaub (PM2,5). In der Folge wurde im europäischen Grünen Deal angekündigt, dass sich die Kommission auf die Erkenntnisse aus der Zweckmäßigkeitsprüfung stützen und insbesondere vorschlagen werde, die Luftqualitätsnormen zu überarbeiten, um sie stärker an die Empfehlungen der WHO anzupassen. Außerdem werde die Kommission vorschlagen, die Bestimmungen für Überwachung‚ Modellierung und Luftqualitätspläne zu verschärfen, um die lokalen Behörden dabei zu unterstützen, die Vorgaben für sauberere Luft zu erreichen.
3.Umsetzung der NEC-Richtlinie und der unterstützenden EU-Rechtsvorschriften
3.1.Änderungen in der Gesetzgebung, die zur Luftreinhaltung beitragen
Seit der Veröffentlichung des ersten Ausblicks zur Entwicklung der Luftqualität hat es mehrere politische sowie legislative Änderungen gegeben. Insbesondere das Inkrafttreten von ambitionierteren Zielen im Dezember 2018 hat dazu geführt, dass die Bekämpfung des Klimawandels mit größerem Ehrgeiz vorangetrieben wird. Eine der Schlussfolgerungen des Ersten Ausblicks zur Entwicklung der Luftqualität lautete, dass Synergien zwischen Luftqualitäts- und Klimapolitik die Verwirklichung der Ziele beider Politikbereiche erleichtern; diese Erkenntnis gilt jetzt umso mehr. Damit jedoch diese Vorteile auch wirklich zum Tragen kommen, müssen die entsprechenden Rechtsvorschriften rechtzeitig umgesetzt werden. Ferner wurden zusätzliche EU-Rechtsvorschriften verabschiedet, mit denen Luftschadstoffe an der Quelle begrenzt werden sollen, etwa die Euro-6-Normen für Dieselfahrzeuge.
Darüber hinaus mussten die Mitgliedstaaten im April 2019 erstmals ihre nationalen Luftreinhalteprogramme einreichen, in denen sie die Strategien und Maßnahmen beschreiben, die sie zur Erfüllung ihrer Emissionsreduktionsverpflichtungen gemäß der NEC-Richtlinie einzuführen beabsichtigen. Diese Strategien und Maßnahmen wurden in dem Modellierungsrahmen, der der Analyse in diesem Ausblick zur Entwicklung der Luftqualität zugrunde liegt, möglichst umfassend berücksichtigt; ihre Detailtiefe ist jedoch je nach Mitgliedstaat sehr unterschiedlich, weshalb sie in einigen Fällen nicht in die quantitative Analyse einbezogen werden können.
Das von der Kommission im Jahr 2020 vorgelegte ehrgeizigere Klimaschutzziel einer Reduzierung der Treibhausgase um 55 % bis 2030, das noch immer Gegenstand interinstitutioneller Verhandlungen ist, ist nicht Teil des Basisszenarios für die Analyse im Zweiten Ausblick zur Entwicklung der Luftqualität, sondern wird als politisches Szenario berücksichtigt.
3.2.Aussichten für die Erfüllung der Emissionsreduktionsverpflichtungen gemäß der NEC-Richtlinie bis 2030 und darüber hinaus
Die Mitgliedstaaten haben sich im Dezember 2018 zu Klima- und Energiezielen für 2030 verpflichtet, für die geeignete Strategien und Maßnahmen eingeführt werden müssen. Würden diese Maßnahmen umgesetzt und die geltenden Rechtsvorschriften zur Bekämpfung der Luftverschmutzung an der Quelle angewandt, so würden die in der NEC-Richtlinie geforderten Reduktionsverpflichtungen für alle Luftschadstoffemissionen in der gesamten EU für den Zeitraum ab 2030 erfüllt, mit Ausnahme von Ammoniak. Dahinter verbergen sich jedoch Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten, was die Erfüllung ihrer nationalen Verpflichtungen anbelangt.
Die Reduktionsverpflichtung für 2030 für SO2 würde von allen Mitgliedstaaten bis auf einen erfüllt werden, wenn alle geltenden Rechtsvorschriften vollständig umgesetzt würden. Die in den nationalen Luftreinhalteprogrammen angekündigten Maßnahmen würden das Erreichen dieses Ziels erleichtern. Für NOX, PM2,5 und NMVOC würden zwei Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen auch mit den in ihren nationalen Luftreinhalteprogrammen angekündigten Maßnahmen nicht nachkommen und müssten daher weitere Maßnahmen einführen. Ein großes Problem bestünde in Bezug auf Ammoniak: Hier würden die geltenden Rechtsvorschriften für 22 Mitgliedstaaten nicht ausreichen, um ihre Reduktionsverpflichtungen für 2030 zu erfüllen. Wenngleich die Mitgliedstaaten in ihren nationalen Luftreinhalteprogrammen angekündigt haben, zusätzliche Maßnahmen zur Verringerung der Ammoniakemissionen einzuführen, würden diese für 15 Mitgliedstaaten noch immer nicht ausreichen, um ihre Verpflichtungen in Bezug auf Ammoniak für 2030 zu erfüllen.
Insgesamt müssen die Mitgliedstaaten alle geltenden Rechtsvorschriften und die von ihnen angekündigten Maßnahmen so schnell wie möglich vollständig umsetzen. Für die 15 Mitgliedstaaten, für die die Reduktionsverpflichtung in Bezug auf Ammoniak selbst dann Probleme aufwerfen wird, wenn sie die in ihren nationalen Luftreinhalteprogrammen geplanten Maßnahmen einführen, müssen dringend weitere Maßnahmen entwickelt werden. Dies wird auch in der NEC-Richtlinie verlangt, wenn abzusehen ist, dass ein Mitgliedstaat einer seiner Emissionsreduktionsverpflichtungen nicht nachkommen wird.
Durch die Modellierung im Rahmen dieses Ausblicks zur Entwicklung der Luftqualität wurden die kosteneffizientesten Luftreinhaltemaßnahmen ermittelt, die es allen Mitgliedstaaten ermöglichen würden, ihre Verpflichtungen gemäß der NEC-Richtlinie zu erfüllen, auch ohne Berücksichtigung möglicher Synergien mit Klimaschutzmaßnahmen. Für SO2, PM2,5 und NOX handelt es sich dabei meist um Maßnahmen im Hinblick auf industrielle Verfahren und industrielle Verbrennung. Um die NMVOC-Emissionen zu verringern, wäre die überwiegende Mehrheit der kosteneffizienten Maßnahmen darauf ausgerichtet, die Emissionen aus der Verbrennung von Biomasse für die Beheizung von Wohngebäuden und, in geringerem Maße, aus der Verwendung von Lösungsmitteln zu reduzieren. Die Maßnahmen, durch die sich die Ammoniak-Emissionen auf die kosteneffizienteste Weise reduzieren lassen würden, betreffen allesamt die Landwirtschaft und beziehen sich weitgehend auf Tierfütterungspraktiken, das Wirtschaftsdünger-Management und den Einsatz von Düngemitteln.
4.Aussichten für die Erreichung der langfristigen Ziele
In Bezug auf das Ziel, die Auswirkungen der Luftverschmutzung auf die Gesundheit bis 2030 gegenüber 2005 zu halbieren, lautete eine der Schlussfolgerungen des Ersten Ausblicks zur Entwicklung der Luftqualität, dass diese Auswirkungen (ausgedrückt in der Anzahl der vorzeitigen Todesfälle aufgrund von Luftverschmutzung) bis 2030 tatsächlich um mehr als 50 % reduziert würden, wenn die Mitgliedstaaten alle zwischen 2014 und 2017 verabschiedeten Rechtsvorschriften zur Verringerung der Luftschadstoffemissionen umsetzen würden; bei dieser Analyse wurden auch die Auswirkungen von Maßnahmen berücksichtigt, mit denen mehrere Schadstoffe gleichzeitig bekämpft werden können. Hinsichtlich der Auswirkungen auf die Ökosysteme gelangte der Erste Ausblick zur Entwicklung der Luftqualität jedoch zu einem weniger positiven Ergebnis, da keine der neuen Maßnahmen, die zwischen 2014 und 2017 eingeführt wurden, darauf ausgerichtet war, die Ammoniak-Emissionen aus der Landwirtschaft – der Hauptquelle für Luftverschmutzung mit Auswirkungen auf die Ökosysteme – zu bekämpfen.
Bei der für den Zweiten Ausblick zur Entwicklung der Luftqualität verwendeten Methodik wurden politische und legislative Entwicklungen seit 2018 (in Bezug auf die Klimapolitik der EU und die zusätzliche Schadstoffbegrenzung) sowie Informationen (wie bessere Emissionsinventare und ein besseres Verständnis der Auswirkungen von Emissionen auf die Gesundheit und ihres wirtschaftlichen Wertes) berücksichtigt, die im Ersten Ausblick zur Entwicklung der Luftqualität nicht berücksichtigt wurden. Daher ist es nicht möglich, einen direkten Vergleich zwischen den Ergebnissen der beiden Ausblicke zu ziehen. Es ist jedoch hilfreich, die jüngsten Ergebnisse bei der Erreichung der Ziele des Programms „Saubere Luft für Europa“ zu bewerten und daraus die Fortschritte abzuleiten, die auf dieser Grundlage erzielt wurden.
4.1.Hintergrundkonzentration von Schadstoffen
Würden die Mitgliedstaaten alle geltenden sektoralen Rechtsvorschriften zur Verringerung der Luftverschmutzung und die zur Erreichung der im Dezember 2018 vereinbarten Klima- und Energieziele für 2030 erforderlichen Maßnahmen umsetzen, würden die Luftschadstoffemissionen ausreichend reduziert werden, um die Anforderungen der NEC-Richtlinie auf EU-Ebene im Jahr 2030 für alle Schadstoffe mit Ausnahme von Ammoniak zu erfüllen. Darüber hinaus würde kein Luftqualitäts-Kontrollgebiet eine PM2,5-Hintergrundkonzentration von 25 Mikrogramm/m3 überschreiten; im Jahr 2019 gab es 14 solche Gebiete in vier Mitgliedstaaten.
Der Anteil der Gebiete, für die die berechneten Hintergrundkonzentrationen von PM2,5 dem aktuellen Richtwert der WHO von 10 µg/m³ entsprechen würden, dürfte von 41 % aller Zonen im Jahr 2015 auf 90 % im Jahr 2030 ansteigen – wiederum unter der Annahme, dass alle geltenden Rechtsvorschriften vollständig umgesetzt werden. Wenn alle technisch möglichen Luftreinhaltemaßnahmen ergriffen würden, würde dieser Anteil auf 98 % steigen. Würde sowohl die Luftqualitätspolitik als auch die Klimapolitik mit größtmöglichem Ehrgeiz verfolgt (unter anderem durch Änderungen des Lebensstils zur Eindämmung des Klimawandels und Einführung aller technisch möglichen Maßnahmen zur Eindämmung der Luftverschmutzung), würden die Hintergrundkonzentrationen in allen Gebieten im Jahr 2050 unter den aktuellen Richtwert der WHO sinken.
Dieser Trend lässt sich auch an der Entwicklung der Exposition der EU-Bevölkerung gegenüber Luftschadstoffen ablesen. Der Anteil der EU-Bevölkerung, der in Gebieten lebt, in denen die PM2,5-Hintergrundkonzentration unter dem Richtwert der WHO von 10 µg/m³ liegt, würde sich zwischen 2015 und 2030 mehr als verdoppeln, wenn alle verabschiedeten Luftreinhalte- und Klimaschutzgesetze umgesetzt würden (Abbildung 2). Damit wären aber 2030 noch immer 12 % der EU-Bevölkerung Feinstaubkonzentrationen ausgesetzt, die über dem Richtwert der WHO liegen. Würde die ehrgeizigste Luftreinhaltepolitik (mit allen technisch durchführbaren Minderungsmaßnahmen) umgesetzt, würde dieser Anteil auf 4 % sinken. Dieser Restanteil ist auf Luftverschmutzung, die ihren Ursprung außerhalb der EU hat (Nachbarländer und internationaler Schiffsverkehr), sowie auf Luftverschmutzung natürlichen Ursprungs zurückzuführen. Diese positiven Trends beziehen sich jedoch nur auf die Hintergrundkonzentration und umfassen nicht mögliche stark verschmutzte Gebiete („Hotspots“) – darunter solche, in denen die Verschmutzung über den von der WHO empfohlenen Werten liegt –, für die noch Maßnahmen zu ergreifen wären.
Abbildung 2: Verteilung der Exposition der Bevölkerung gegenüber PM2,5 für Schlüsselszenarien, EU-27 (Quelle: IIASA)
Hinweis: MTFR steht für „Maximum Technically Feasible Air Pollution Reduction Measures“ (Maximal technisch mögliche Maßnahmen zur Reduktion der Luftverschmutzung).
4.2.Auswirkungen auf die Gesundheit
Prognosen zufolge werden die vorzeitigen Todesfälle aufgrund von PM2,5 zwischen 2005 und 2030 um etwa 59 % zurückgehen, wenn alle politischen Maßnahmen, denen die Mitgliedstaaten bereits zugestimmt haben, vollständig umgesetzt werden; dies würde bedeuten, dass die geschätzte Anzahl dieser vorzeitigen Todesfälle zwischen 2020 und 2030 um 28 % sinkt. Mit den in den nationalen Luftreinhalteprogrammen angekündigten Maßnahmen würde dieser Rückgang zwischen 2020 und 2030 noch beschleunigt und eine Verringerung um 31 % erreicht. Würden maximale Luftreinhaltemaßnahmen umgesetzt, würden die vorzeitigen Todesfälle zwischen 2020 und 2030 um 44 % sinken. Damit gäbe es jedoch in der EU allein aufgrund der PM2,5-Belastung noch immer mehr als 130 000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr.
Betrachtet man das Thema unter dem Aspekt der Anzahl der durch die PM2,5-Belastung verlorenen Lebensjahre, ergibt sich das gleiche Gesamtbild (siehe Abbildung 3). Zusätzlich zu den bedeutenden positiven Nebeneffekten von Klimaschutzmaßnahmen werden auch von zusätzlichen Maßnahmen zur Luftreinhaltung erhebliche Vorteile erwartet.
Abbildung 3: Verlorene Lebensjahre aufgrund der Exposition gegenüber PM2,5 in der EU-27 (Quelle: IIASA)
Durch die Umsetzung der von den Mitgliedstaaten in ihren nationalen Luftreinhalteprogrammen angekündigten Strategien und Maßnahmen entstehen laut Schätzungen EU-weite Kosten in Höhe von 1,4 Mrd. EUR pro Jahr (dieser Wert bezieht sich auf die Maßnahmen, die in den nationalen Luftreinhalteprogrammen ausreichend detailliert beschrieben wurden und denen somit Kosten zugeordnet werden konnten). Allerdings übersteigt der damit erzielte höhere gesundheitliche Nutzen (sowohl bezüglich der verringerten Mortalität als auch bezüglich der verringerten Morbidität) in allen analysierten Fällen die höheren Kosten (siehe Abschnitt 4.4 für weitere Einzelheiten zu den wirtschaftlichen Auswirkungen). Der gesundheitliche Nutzen der in den nationalen Luftreinhalteprogrammen enthaltenen Maßnahmen
lässt sich für die EU auf 8 bis 43 Mrd. EUR pro Jahr beziffern
; somit zahlt sich die Umsetzung dieser Maßnahmen für die Gesellschaft insgesamt aus.
Kasten 1: Methodik zur Beurteilung und Bezifferung der Auswirkungen von Luftverschmutzung auf die Gesundheit
Diese Analyse stützt sich auf Untersuchungen der WHO über die Auswirkungen von Luftverschmutzung auf die Gesundheit (Health Risks of Air Pollution In Europe – HRAPIE). Dabei handelt es sich um konservative Schätzungen, da seit der Veröffentlichung des HRAPIE-Berichts im Jahr 2013 Erkenntnisse aus neuer epidemiologischer Fachliteratur hinzugekommen sind, die ein breiteres Spektrum von gesundheitlichen Auswirkungen durch Luftverschmutzung zeigen (z. B. breitere Auswirkungen von ultrafeinen Partikeln). Die in diesem Bericht zur Bewertung der gesundheitlichen Auswirkungen verwendete Methodik unterscheidet sich in gewissem Maße von der Methodik der EUA; dies gilt in erster Linie für die Granularität der zugrunde liegenden Luftqualitätsdaten und die Frage, ab welchen Schadstoffkonzentrationen Auswirkungen auf die Gesundheit zu beobachten sind. Was die Bezifferung der gesundheitlichen Auswirkungen betrifft, so wurden die hier verwendeten Daten seit dem ersten Ausblick zur Entwicklung der Luftqualität in Bezug auf das Jahr, für das die Preise angegeben werden, aktualisiert (2015 statt 2005 im Ersten Ausblick zur Entwicklung der Luftqualität). Darüber hinaus bietet diese Analyse anhand von Daten der OECD und anderer Quellen auch eine aktuellere Bewertung von Leben, verlorenen Lebensjahren und Morbidität. Aus all diesen methodischen Gründen können die darin vorgelegten Zahlen nicht unmittelbar mit denen der EUA und auch nicht mit denen des Ersten Ausblicks zur Entwicklung der Luftqualität verglichen werden. Dennoch sind die Zahlen nützlich, da sie Aufschluss über Größenordnungen geben und weitere Informationen bieten, sofern die verschiedenen Situationen mit der gleichen Methodik verglichen werden.
Für umfassende Informationen zur Methodik siehe den Bericht des IIASA.
4.3.Auswirkungen auf Ökosysteme
Prognosen zufolge werden die jüngsten Verbesserungen bezüglich der Auswirkungen der Luftverschmutzung auf die Ökosysteme auch künftig in allen Szenarien bestehen. Doch trotz dieser positiven Entwicklungen ist die Situation nach wie vor besorgniserregend, da die Stickstoff-Depositionsmengen nach wie vor deutlich über der kritischen Belastung liegen und eine Bedrohung für die biologische Vielfalt darstellen, insbesondere in Natura-2000-Gebieten. Würden alle verabschiedeten Rechtsvorschriften umgesetzt, würden die Natura-2000-Gebiete, in denen die kritische Belastung für die Eutrophierung überschritten wird, zwischen 2020 und 2030 um 8 % abnehmen; würden zusätzlich noch die von den Mitgliedstaaten in ihren nationalen Luftreinhalteprogrammen angekündigten Maßnahmen umgesetzt, wäre eine Verringerung um 15 % zu verzeichnen. Damit wären aber noch immer mehr als die Hälfte (58 %) der Natura-2000-Gebiete von Eutrophierung bedroht. Würden alle technisch machbaren Luftreinhaltemaßnahmen umgesetzt, würde dieser Anteil auf im Jahr 2030 auf 46 % fallen, wodurch deutlich wird, dass ein erhebliches Verbesserungspotenzial besteht (siehe Abbildung 4).
Luftverschmutzung wirkt sich auf alle Ökosysteme aus, auch auf landwirtschaftliche Nutzpflanzen und Wälder; und all diese Ökosysteme würden insofern erheblich von einer geringeren Luftverschmutzung profitieren, als die Eutrophierung, die Versauerung und übermäßige Ozonflüsse eingedämmt würden. Angesichts all dieser Bedrohungen würde eine Kombination aus Luftreinhaltemaßnahmen sowie energie- und klimapolitischen Maßnahmen im Jahr 2050 den größten Nutzen bringen.
Abbildung 4: Fläche der terrestrischen Ökosysteme (1000 km2), auf der die Stickstoffdepositionen die kritischen Belastungen für die Eutrophierung überschreiten, EU-27 (Quelle: IIASA)
4.4. Wirtschaftliche Auswirkungen
Luftverschmutzung schadet unmittelbar der menschlichen Gesundheit und wirkt sich negativ auf landwirtschaftliche Nutzpflanzen, forstwirtschaftliche Erträge, Ökosysteme und Gebäude aus; doch sie hat auch indirekte Auswirkungen auf die Wirtschaft, z. B. durch Fehlzeiten am Arbeitsplatz aufgrund gesundheitlicher Probleme. In allen untersuchten Fällen bringen zusätzliche Maßnahmen zur Verringerung der Verschmutzung immer einen Nettogewinn für die Gesellschaft, wobei die Vorteile einer saubereren Luft stets die Kosten dieser Maßnahmen überwiegen. Aus Abbildung 5 geht hervor, dass sich allein durch die Umsetzung der in den nationalen Luftreinhalteprogrammen enthaltenen Maßnahmen im Jahr 2030 in der EU ein zusätzlicher Nettonutzen von rund 7 Mrd. EUR pro Jahr ergeben würde. Würden alle technisch möglichen Maßnahmen umgesetzt, könnte dieser Nettonutzen bis 2030 etwa 21 Mrd. EUR jährlich betragen. Der mit Abstand wichtigste Vorteil von Luftreinhaltemaßnahmen besteht in der Vermeidung von Sterbefällen (vermiedene Mortalität) (hier geschätzt durch die reduzierte PM2,5-Belastung), gefolgt von der Vermeidung von Krankheitsfällen (vermiedene Morbidität). Generell ist der gesundheitliche Nutzen in den früheren Jahren der Umsetzung höher, bleibt aber nach 2030 konstant, wobei jedoch die Kosten der Maßnahmen nach 2030 abnehmen.
In allen untersuchten Fällen würden ehrgeizigere Luftreinhaltungs- und Klimaschutzmaßnahmen den Nettonutzen für die Gesellschaft erhöhen. Bei einer ehrgeizigeren Klimapolitik (Erreichen der Klimaneutralität im Jahr 2050) wären mit den Maßnahmen zur Reduzierung der Luftverschmutzung im Vergleich zum Basisszenario keine Kosten verbunden. Durch die dadurch entstehenden Kosteneinsparungen in Verbindung mit den marktrelevanten Vorteilen von Luftreinhaltemaßnahmen würde das BIP der EU im Jahr 2050 im günstigsten Fall um 0,15 % wachsen. Berücksichtigt man die neuesten empirischen Arbeiten zu den Produktivitätsgewinnen aufgrund von saubererer Luft, würde das BIP in einem solchen Fall im Jahr 2050 gegenüber dem Basisszenario sogar um bis zu 1,3 % steigen.
Abbildung 5: Veränderung des Nettonutzens von Luftreinhaltemaßnahmen unter verschiedenen Szenarien der Luftqualitäts- und Klimaschutzpolitik im Vergleich zum Basisszenario, in Mrd. EUR pro Jahr (EU-27), basierend auf einer konservativen Bewertung aller Auswirkungen (Quelle: JRC, in Bericht des IIASA)
5.Wechselwirkungen mit dem Klimawandel und der Klimapolitik
5.1.Aussichten in Bezug auf die Emission von kurzlebigen Klimaschadstoffen (Methan und Ruß)
Methan- und Rußemissionen tragen sowohl zur Luftverschmutzung als auch zur globalen Erwärmung bei. Methan ist nicht nur ein sehr starkes Treibhausgas, sondern auch ein wichtiger Vorläuferstoff für bodennahes Ozon, das sehr schädlich für die Gesundheit ist. Ruß ist ein Bestandteil von Feinstaub, trägt aber auch maßgeblich zur Klimaerwärmung bei.
Mit den derzeit geltenden Zielen und Rechtsvorschriften im Bereich der Luftreinhalte-, Klimaschutz- und Energiepolitik (das Basisszenario) würden die berechneten Methanemissionen zwischen 2020 und 2050 um etwa 20 % sinken, während die von den Mitgliedstaaten in ihren nationalen Luftreinhalteprogrammen angekündigten Maßnahmen in diesem Bereich nur einen sehr geringen Nutzen bringen würden. Mit den von der Kommission im Jahr 2020 vorgeschlagenen ehrgeizigeren Klimaschutzzielen wäre jedoch im gleichen Zeitraum ein Rückgang um 44 % zu erreichen. Bei diesem Rückgang sind jedoch die Auswirkungen der Maßnahmen, die in der kürzlich verabschiedeten Strategie zur Verringerung der Methanemissionen festgelegt wurden, noch nicht berücksichtigt; diese Maßnahmen würden den rückläufigen Trend noch verstärken.
Was Rußemissionen anbelangt, so könnten die bestehenden politischen Maßnahmen und – in weitaus geringerem Maße – die in den nationalen Luftreinhalteprogrammen angekündigten Maßnahmen zwischen 2020 und 2050 zu einer Verringerung der Gesamtemissionen der EU um etwa 80 % führen. Am größten wäre der Rückgang der Rußemissionen, wenn Maßnahmen zur Begrenzung der Luftverschmutzung mit ehrgeizigeren Klimaschutzmaßnahmen kombiniert würden; dies zeigt, wie sich durch die Maßnahmen zur Bekämpfung von Rußemissionen Synergien erzielen lassen.
5.2.Positive Nebeneffekte und Zielkonflikte zwischen verschiedenen politischen Maßnahmen
Für die Modellierung, die diesem Ausblick zur Entwicklung der Luftqualität zugrunde liegt, wurden mehrere Klimaszenarien im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Luftverschmutzung analysiert. Einige dieser Szenarien basieren auf den Fällen, die für die von der Kommission vorgeschlagene „Strategische, langfristige Vision für eine wohlhabende, moderne, wettbewerbsfähige und klimaneutrale Wirtschaft“ entwickelt wurden; deren Ziel ist es, bis 2050 auf verschiedenen Wegen eine CO2-neutrale Wirtschaft zu erreichen, wobei ein Szenario auf der Kreislaufwirtschaft und Änderungen der Lebensgewohnheiten und ein anderes auf technologischen Lösungen basiert. Ein weiteres Szenario entspricht dem neuen Vorschlag für eine Senkung der Treibhausgase um 55 % bis 2030. Dadurch können die Auswirkungen verschiedener Maßnahmen auf EU-Ebene auf die Luftschadstoffemissionen für 2030 und 2050 ermittelt werden.
Abbildung 6 zeigt, dass Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels langfristig (bis 2050) immer zu einer Verringerung der Luftschadstoffemissionen beitragen (der geringste Beitrag wird in Bezug auf PM2,5 geleistet – siehe nachstehenden Kasten 2 für mögliche Erklärungen). Bei dem Klimaszenario, das auf einem Übergang zur Kreislaufwirtschaft und einer Änderung der Lebensgewohnheiten basiert, ist der Beitrag zur Verringerung der Luftschadstoffemissionen am größten.
Abbildung 6: Prognosen zu den Emissionen der wichtigsten Luftschadstoffe in der EU-27 unter verschiedenen Szenarien und zu den maximal möglichen Reduktionen durch Luftreinhaltemaßnahmen und Klimaschutzmaßnahmen (Quelle: IIASA)
Kasten 2: Analyse der EUA zu den Auswirkungen einer verstärkten Nutzung erneuerbarer Energiequellen auf die Luftverschmutzung
Wie in Abschnitt 4.4 gezeigt wurde, sind Luftreinhaltemaßnahmen, wenn sie isoliert eingeführt werden, kostspieliger, als wenn sie in Verbindung mit Maßnahmen zur Abschwächung des Klimawandels umgesetzt werden. Es gibt eindeutig Maßnahmen, die in beiden Politikbereichen einen Nutzen bringen; diese Maßnahmen müssen gefördert werden, während Maßnahmen, die zu Zielkonflikten führen, vermieden werden sollten. Einen besonders großen Nutzen bringen Maßnahmen zur Erhöhung des Anteils nicht brennbarer erneuerbarer Energieträger am Energieverbrauch, Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden sowie zur Förderung nachhaltigerer Heiz- und Kühllösungen, Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz insgesamt sowie Maßnahmen zur Förderung eines sauberen Verkehrs. Andererseits sind Maßnahmen, durch die der Einsatz von Bioenergie in Vorrichtungen ohne geeignete emissionsmindernde Technologien gefördert wird, abträglich für die Luftreinhaltung und müssen vermieden werden.
6.Grenzüberschreitende und internationale Dimension
Darüber hinaus zeigt die Analyse, dass auch Nicht-EU-Länder zur Hintergrundkonzentration von Luftschadstoffen beitragen – allerdings in unterschiedlichem Ausmaß, je nach geografischer Lage der jeweiligen Mitgliedstaaten. Dies macht deutlich, dass die EU auf bilateraler Ebene (insbesondere im Rahmen der Beitritts- und Nachbarschaftspolitik, aber auch durch den Aufbau stärkerer internationaler Partnerschaften) und in internationalen Foren wie im Rahmen der UNECE-Luftreinhaltekonvention stärker tätig werden muss. Die Ratifizierung und Umsetzung der Luftreinhaltekonvention durch alle Parteien, insbesondere durch die Länder der Östlichen Nachbarschaft, die dies noch nicht getan haben, stellt eine zentrale Priorität dar. Ein wichtiger Schritt zur Verwirklichung dieses Ziels ist die Ratifizierung des geänderten Göteborg-Protokolls zur Luftreinhaltekonvention sowie der geänderten Protokolle über Schwermetalle und persistente organische Schadstoffe durch alle Mitgliedstaaten.
In den meisten Fällen jedoch müsste eine Verringerung der Hintergrundkonzentration von Luftschadstoffen weitestgehend durch innerstaatliche Maßnahmen eines jeden Mitgliedstaats erfolgen, nämlich durch eine Reduktion der eigenen Emissionen. Dies gilt meist umso mehr für die größten Mitgliedstaaten, in denen mindestens die Hälfte der Verringerung durch eine Reduzierung der inländischen Emissionen erfolgen muss. Kleinere und isoliertere Mitgliedstaaten können in größerem Umfang von einer Verringerung in ihren jeweiligen Nachbarländern und (insbesondere im Falle von Inseln) im internationalen Schiffsverkehr profitieren.
7.Fazit
Dieser Bericht lässt folgende Schlussfolgerung zu: Würden alle bis 2018 verabschiedeten Rechtsvorschriften ihren vollen Nutzen entfalten und würden die Mitgliedstaaten die in ihren nationalen Luftreinhalteprogrammen angekündigten Maßnahmen umsetzen, so wäre die EU insgesamt in der Lage, die Luftschadstoffemissionen entsprechend den Verpflichtungen gemäß der NEC-Richtlinie für 2030 zu verringern. Bei allen Schadstoffen außer Ammoniak bestünde diesbezüglich sogar noch ein gewisser Spielraum. Allerdings bestehen große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten, und der Bericht macht deutlich, dass dieses Ziel nach wie vor in weiter Ferne liegt, da die meisten Mitgliedstaaten noch erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen, um ihre Verpflichtungen für 2020–29 gemäß der NEC-Richtlinie zu erfüllen (obwohl diese Verpflichtungen weniger streng sind als die für 2030).
In dem Bericht wird nachdrücklich dafür plädiert, dass die Mitgliedstaaten ihre Anstrengungen fortsetzen, verstärken und ausweiten und Maßnahmen zur Verringerung der Luftverschmutzung sowie der Treibhausgase mit gegenseitiger Unterstützung umsetzen; die im europäischen Grünen Deal angekündigten Prioritäten und Maßnahmen sowie die Chancen, die sich aus dem langfristigen Haushaltsplan für 2021–2027 und der Initiative „NextGenerationEU“ ergeben, werden dazu beitragen, dass derartige Synergien erzielt werden können. Initiativen wie „Renovierungswelle“, strengere Luftschadstoffemissionsnormen für Fahrzeuge, die Überarbeitung der Richtlinie über Industrieemissionen sowie alle Maßnahmen, die zu einer klimaneutralen und von Ressourcen entkoppelten Wirtschaft bis 2050 beitragen, werden helfen, die Verringerung der Luftverschmutzung in allen Sektoren zu verankern. Neue Initiativen wie der europäische Plan zur Krebsbekämpfung und das Programm EU4Health werden die Möglichkeit bieten, den Zusammenhängen zwischen Umwelt und Gesundheit besser Rechnung zu tragen. Durch die neuen Finanzinstrumente zur Unterstützung der Initiative „NextGenerationEU“ in Verbindung mit den Mitteln der Kohäsionspolitik werden Anstrengungen für eine sauberere Luft auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene gefördert.
Die neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), die noch immer Gegenstand interinstitutioneller Verhandlungen ist, wird ebenfalls eine entscheidende Rolle spielen, wenn es darum geht, Anreize für die Mitgliedstaaten zu schaffen, die Luftverschmutzung im Agrarsektor zu reduzieren.
Ammoniak-Emissionen aus der Landwirtschaft stellen in allen in diesem Bericht analysierten Fällen weiterhin ein ungelöstes Problem dar; und die von den Mitgliedstaaten in ihren nationalen Luftreinhalteprogrammen angekündigten zusätzlichen Maßnahmen müssen unverzüglich umgesetzt werden, damit diese Emissionen verringert werden; in vielen Mitgliedstaaten müssen sogar noch weitere Maßnahmen eingeführt werden. Mehr als 90 % der Ammoniak-Emissionen in der EU stammen aus der Landwirtschaft, insbesondere aus der Viehhaltung sowie aus der Lagerung und dem Einsatz von organischen und anorganischen Düngemitteln. Die neue GAP muss ihren Teil zur Unterstützung der Verringerung der Luftverschmutzung beitragen, und die Mitgliedstaaten müssen die neuen Möglichkeiten nutzen, die sich beispielsweise durch die vorgeschlagenen Öko-Regelungen in den nationalen Strategieplänen und die vorgeschlagenen strategischen Ziele (unter anderem die Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen wie Luft und Wasser) ergeben. Das Ziel sollte darin bestehen, eine GAP mit starken umwelt- und klimapolitischen Ambitionen umzusetzen, um in Übereinstimmung mit der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ und den Strategien zur biologischen Vielfalt den Prioritäten des europäischen Grünen Deals Rechnung zu tragen.
Parallel dazu wird die Kommission die Mitgliedstaaten weiterhin unterstützen, indem sie umfassendere Leitlinien und technische Unterstützung für Landwirte und nationale Institutionen dazu entwickelt, wie bereits bekannte und kosteneffiziente Maßnahmen zur Verringerung der Luftverschmutzung umgesetzt werden können, und indem sie innovative Wege zur Senkung der Luftschadstoffemissionen in der Landwirtschaft erforscht. Dafür sollte ein integrierter Ansatz verfolgt und der Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden sowie den Auswirkungen auf das Klima Rechnung getragen werden, und zwar in Übereinstimmung mit den Bestrebungen, die im Rahmen des im europäischen Grünen Deal enthaltenen Null-Schadstoff-Ziels für alle Sektoren verfolgt werden.
Die genannten Maßnahmen werden jedoch nicht ausreichen, um alle Auswirkungen der Luftverschmutzung zu beseitigen; es wird weiterhin besorgniserregende Schadstoffkonzentrationen in den Städten geben und die Ökosysteme, einschließlich der geschützten Ökosysteme, werden weiterhin Bedrohungen im Zusammenhang mit Luftverschmutzung ausgesetzt sein. Wenngleich sich die Schadstoffkonzentrationen bei vollständiger Umsetzung der vereinbarten klima- und energiepolitischen Maßnahmen sowie der von den Mitgliedstaaten in ihren nationalen Luftreinhalteprogrammen angekündigten Luftreinhaltemaßnahmen den aktuellen Luftqualitätsrichtwerten der WHO deutlich annähern könnten, wird es in der EU auch weiterhin zu vorzeitigen Todesfällen aufgrund von Luftverschmutzung kommen. Da selbst relativ geringe Schadstoffbelastungen schädlich sind, müssen die Anstrengungen zur Reduzierung der Luftverschmutzung auf allen Ebenen verstärkt werden. Neben einer Verstärkung der innerstaatlichen Maßnahmen ist auch eine stärkere internationale und interregionale Zusammenarbeit erforderlich, insbesondere im Rahmen der Luftreinhaltekonvention, aber auch darüber hinaus, unter anderem durch die Förderung und Unterstützung der Umsetzung der UNEA-Resolution zur Reduzierung der Luftverschmutzung auf globaler Ebene. In diesem Zusammenhang wird auch deutlich, dass weiterhin Anstrengungen zur Senkung der Emissionen von Vorläuferstoffen von Luftschadstoffen, insbesondere Methan, unternommen werden müssen (Methan ist ein wichtiger Vorläuferstoff von bodennahem Ozon, das für die menschliche Gesundheit und die Umwelt schädlich ist). In der Strategie zur Verringerung der Methanemissionen wurde angekündigt, dass im Rahmen der (bis 2025 fälligen) Überarbeitung der NEC-Richtlinie die mögliche Aufnahme von Methan in die Liste der regulierten Schadstoffe geprüft werden soll.
Dieser zweite Ausblick zur Entwicklung der Luftqualität und die zugehörige Analyse liefern Informationen für eine fundiertere Umsetzung der NEC-Richtlinie durch die Mitgliedstaaten. Er wird in etwa zwei Jahren mit der Veröffentlichung des Dritten Ausblicks zur Entwicklung der Luftqualität als Teil der umfassenderen Maßnahmen zur Verwirklichung des Null-Schadstoff-Ziels aktualisiert.