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Document 52021AE1530

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Digitaler Kompass 2030: der europäische Weg in die digitale Dekade (COM(2021) 118 final)

EESC 2021/01530

ABl. C 374 vom 16.9.2021, p. 22–27 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

16.9.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 374/22


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Digitaler Kompass 2030: der europäische Weg in die digitale Dekade

(COM(2021) 118 final)

(2021/C 374/05)

Berichterstatter:

Gonçalo LOBO XAVIER

Befassung

Europäische Kommission, 21.4.2021

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Annahme in der Fachgruppe

15.6.2021

Verabschiedung auf der Plenartagung

7.7.2021

Plenartagung Nr.

562

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

207/0/3

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der von der Europäischen Kommission geplante digitale Kompass für 2030 kommt zu einem für die Union und für die ganze Welt kritischen Zeitpunkt. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Initiative sowie das Ziel, mithilfe der digitalen Technologien für eine bessere Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger, mehr Arbeitsplätze, einen leichteren Fortschritt und eine stärkere Wettbewerbsfähigkeit Europas zu sorgen. Die Pandemie hat die Bedeutung und die Möglichkeiten digitaler Entwicklungen offenbart, die Notwendigkeit von Anpassungen deutlich gemacht und die Art, in der wir leben und arbeiten, verändert. Die EU muss diese Herausforderungen nun angemessen angehen. Eine Strategie, ein Plan mit spezifischen Zielen und ein Konzept für die Messung der Fortschritte sind unerlässlich, um aus Worten Taten werden zu lassen.

1.2.

Der EWSA ist der Auffassung, dass bei der digitalen Innovation stets die Grundrechte gewahrt und die Gesundheit, Sicherheit und Privatsphäre aller Menschen gewährleistet werden müssen (Schutz personenbezogener Daten). Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Bürgerinnen und Bürger die Entwicklungen und das Wachstum als einen positiven Einfluss auf ihre Lebensqualität wahrnehmen. Die neuen Technologien, die unseren Alltag erleichtern, müssen gerecht verteilte Vorteile bringen, um von echtem gesellschaftlichen Nutzen zu sein, wobei das Recht auf Gesundheit vorrangig und als ein Grundrecht der digitalen Bürgerschaft gewahrt werden sollte.

1.3.

Der EWSA hebt die Notwendigkeit hervor, das Vertrauen der Öffentlichkeit wiederherzustellen und die Cybersicherheit und Cyberresilienz entlang der gesamten digitalen Wertschöpfungskette durch eingebaute Sicherheit („security by design“) zu stärken, den Menschen bessere Entscheidungsoptionen und die Kontrolle über ihre Daten (Datenethik) zu ermöglichen und im Zuge der Bekämpfung illegaler und schädlicher Inhalte die Haftung der Online-Vermittler festzulegen.

1.4.

Die Online-Zugänglichkeit aller wichtigen europäischen und einzelstaatlichen öffentlichen Diensten ist ein gerechtfertigtes Ziel. Gleichzeitig verweist der EWSA mahnend darauf, dass niemand zurückgelassen werden darf und dass jene, die vom Digitalisierungsprozess nicht unmittelbar profitieren können, unbedingt unterstützt werden müssen. Nach wie vor verfügt eine bedeutende Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern weder über das erforderliche Wissen und die Fähigkeiten noch über die notwendige Soft- bzw. Hardware, um diese Online-Dienste in Anspruch nehmen zu können. Der EWSA fordert die Kommission auf, alle zu unterstützen, die vom Wandel betroffen sind.

1.5.

Der EWSA verweist auf die große Gefahr, dass ungleichmäßig verteilte Investitionen Lernnachteile bedingen. Die Auswirkungen der digitalen Armut dürfen, angefangen bei den Kindern bis hin zu älteren Menschen, nicht außer Acht gelassen werden. Den realen Risiken muss daher vorrangige Aufmerksamkeit gelten. Investitionen in die Infrastruktur müssen mit Investitionen in Berufsbildungsmaßnahmen einhergehen, um die Lücken zu schließen.

1.6.

Der EWSA betont die Notwendigkeit, Menschen bei Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen zu unterstützen. Dazu sollte mit Hilfe öffentlich-privater Partnerschaften für Weiterbildung und Umschulung (sowohl der derzeitigen Arbeitskräfte als auch der erwachsenen Lernenden) für Chancengleichheit gesorgt und eine positive Einstellung gegenüber dem lebenslangen Lernen gefördert werden.

1.7.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Bildung mit Blick auf eine digitale Gesellschaft modernisiert werden muss. Es ist von entscheidender Bedeutung, die Digitalisierung der Bildungssysteme voranzutreiben, indem die Bildungsinhalte an das digitale Zeitalter angepasst und öffentlich-private Ökosysteme geschaffen werden, um neue offene und zugängliche Bildungsmethoden umzusetzen, die allen die gleichen Chancen bieten.

1.8.

Die digitalen Entwicklungen gehen mit Risiken wie Betrug, Verletzungen der Privatsphäre und mangelnder Transparenz einher, die die im Dokument genannten Ziele untergraben könnten. Der EWSA ist der Auffassung, dass die erforderlichen Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um solchen Risiken vorzubeugen und die Zuständigkeiten auf EU-Ebene zu regeln.

1.9.

Der EWSA betont, dass Strategien für den Umgang mit möglichen Arbeitsplatzverlagerungen infolge technologischer Verdrängung in Erwägung gezogen werden müssen. Wie bereits in früheren Stellungnahmen festgestellt, ist davon auszugehen, dass die künstliche Intelligenz (KI) und Robotik zu einer Verlagerung und Veränderung von Arbeitsplätzen führen; einige Arbeitsplätze fallen weg, während andere neu geschaffen werden. In jedem Fall muss die EU im Einklang mit den europäischen sozialen Rechten den Zugang aller Arbeitskräfte — Arbeitnehmer, Selbstständige oder Scheinselbstständige — zum Sozialschutz gewährleisten. Der soziale Dialog zu diesen Themen muss auf allen Ebenen gefördert werden. Die Anpassung von Verpflichtungen und Rechten an die derzeitige digitale und plattformgesteuerte Wirtschaft muss Vorrang haben.

1.10.

Eine Priorität muss nach Auffassung des EWSA die Einrichtung eines europäischen Fonds sein, der hauptsächlich aus der Besteuerung der größten Technologieunternehmen finanziert wird und Arbeitnehmer, die aufgrund der Digitalisierung der Wirtschaft ihren Arbeitsplatz verlieren, durch angemessene Ausbildungs-, Weiterqualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen unterstützt. Dadurch könnte der digitale Wandel auf integrative und sozial verantwortliche Weise bewältigt und dem Verlust von Arbeitsplätzen, insbesondere in der Zeit nach der COVID-19-Krise, begegnet werden.

1.11.

Darüber hinaus fordert der EWSA koordinierte Maßnahmen, mit denen der Ausgangslage Europas wirksam Rechnung getragen werden kann und die sowohl den technologischen als auch den gesellschaftlichen Veränderungen der letzten paar Jahre gerecht werden, die aufgrund der Pandemie Fahrt aufgenommen haben. Eine Industriestrategie — einschließlich Wettbewerbspolitik und sektorspezifischer Regulierung, insbesondere für eine sichere Konnektivität — ist von entscheidender Bedeutung.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1.

Der EWSA unterstützt den Plan der Europäischen Kommission für den Digitalen Kompass 2030: der europäische Weg in die digitale Dekade als Teil eines umfassenderen Aktionsplans zur Ankurbelung der Wirtschaft und des sozialen Aufschwungs in Europa.

2.2.

Die COVID-19-Krise hat eine hohe Abhängigkeit von Drittstaaten im Technologiebereich und bei Datenprozessen erkennen lassen, dem effizient und rasch abgeholfen werden muss. Es gilt, Europas Stärken in diesen Bereichen besser zu nutzen und die Unionsbürgerinnen und -bürger enger einzubeziehen.

2.3.

Der EWSA betont, dass kein Bürger zurückgelassen werden darf. Der Computer-Analphabetismus ist in Europa nach wie vor hoch (35 % laut Kommission). Die Mängel beim Zugang zu digitalen Ressourcen müssen behoben werden. Gleichzeitig muss jedoch bei wirtschaftlichen und administrativen Beziehungen die Möglichkeit des persönlichen Kontakts gewährleistet werden. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass von den Vorteilen der Digitalisierung nicht nur einige wenige profitieren. Die digitale Dekade muss allen zugutekommen.

2.4.

Europäische Unternehmen, insbesondere KMU, müssen bei ihren Digitalisierungsbemühungen unterstützt werden, damit sie im internationalen Wettbewerb bestehen können. Der Zugang zu Rechenressourcen, die die EU besitzt oder finanziert (z. B. Quantencomputer), muss auf der Grundlage objektiver Kriterien fair verteilt werden.

2.5.

Die besten Absichten und öffentliche Gelder werden jedoch allein nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen. Wir brauchen darüber hinaus eine koordinierte Herangehensweise, die faktisch bei der Ausgangslage Europas ansetzt und sowohl den technologischen als auch den gesellschaftlichen Veränderungen der letzten paar Jahre gerecht wird, die infolge der Pandemie an Fahrt gewonnen haben. Eine Industriestrategie — einschließlich Wettbewerbspolitik und sektorspezifischer Regulierung, insbesondere für eine sichere Konnektivität — ist von entscheidender Bedeutung.

2.6.

Der EWSA begrüßt die geplante Entwicklung eines digitalen Bildungs- und Innovationsökosystems und betont, dass dazu die Hebelwirkung der führenden europäischen Wissenschafts- und Hochschuleinrichtungen genutzt werden muss.

2.7.

Für einen langfristigen nachhaltigen, fairen und inklusiven digitalen Wandel ist es notwendig, die öffentliche und private Zusammenarbeit zu fördern und mehr Synergien zu schaffen, um einen neuen digitalen Deal auf der Grundlage eines Governance-Modells zu besiegeln, das soziale, ökologische und wirtschaftliche Aspekte vereint.

2.8.

Der EWSA betont, dass Strategien für den Umgang mit möglichen Arbeitsplatzverlagerungen infolge technologischer Verdrängung in Erwägung gezogen werden müssen. Wie bereits in früheren Stellungnahmen (1) festgestellt, ist davon auszugehen, dass KI und Robotik zu einer Verlagerung und Veränderung von Arbeitsplätzen führen; einige Arbeitsplätze fallen weg, während andere neu geschaffen werden. In jedem Fall muss die EU im Einklang mit den europäischen sozialen Rechten den Zugang aller Arbeitskräfte — Arbeitnehmer, Selbstständige oder Scheinselbstständige — zum Sozialschutz gewährleisten. Der soziale Dialog zu diesen Themen muss auf allen Ebenen gefördert werden. Es sollten Maßnahmen zur Unterstützung freigesetzter Arbeitskräfte angenommen und koordiniert werden. Zu erwägen wäre auch eine Finanzierung durch eine EU-Steuer auf jene Unternehmen, die von der digitalen Wirtschaft am meisten profitieren.

2.9.

Die Rolle von Risikokapital, Aktienmärkten und Privatinvestitionen im Allgemeinen darf nicht außer Acht gelassen werden. Die technologische Entwicklung in Europa wird von privaten Unternehmen vorangetrieben. Die EU wird auf globaler Ebene nur dann mithalten können, wenn sie für derartige Investitionen weiterhin attraktiv bleibt. Bei all dem ist den sozialen Standards angemessen Rechnung zu tragen.

2.10.

Ehrgeizige Konnektivitätsziele sollten mit einer Verpflichtung zur Festlegung eines günstigeren Regulierungsrahmens für die Förderung privater Investitionen in die Netzinfrastruktur einhergehen. Es wird von entscheidender Bedeutung sein, die Industriestrategie der EU und die angestrebte Führungsrolle Europas im Bereich der digitalen Konnektivität mit der Wettbewerbspolitik und der Regulierungspraxis für den Telekommunikationssektor in Einklang zu bringen.

2.11.

Im Rahmen des Fahrplans für die digitale Dekade ist der Ausbau der europäischen Cloud-Infrastrukturen und -Kapazitäten geplant. Dadurch soll vermieden werden, dass in Europa generierte Daten in Drittstaaten verlagert werden — was derzeit bei 90 % der europäischen Daten der Fall ist. Europa darf nicht naiv sein und muss sich weiterhin nach Kräften darum bemühen, unabhängiger zu werden und für einen Verbleib der Daten seiner Bürgerinnen und Bürger, insbesondere sensibler Daten, innerhalb seiner Grenzen zu sorgen. In diesem Zusammenhang ist das im Plan für die digitale Dekade vorgesehene Ziel, 10 000 klimaneutrale Randknoten (data-edge and cloud nodes) einzurichten, ein Schritt in die richtige Richtung. Das Projekt GAIA X muss beschleunigt werden und rasch einsatzbereit sein.

2.12.

Der EWSA unterstützt die Idee, einen europäischen Tech-Sektor zu fördern, um die Abhängigkeit von amerikanischen und chinesischen Technologiekonzernen zu verringern und bei der 5G-Einführung, Chipherstellung, Datenverarbeitung u. a. aufzuschließen. Gleichzeitig warnt er jedoch vor einer protektionistischen Datenwirtschaft in Europa. Internationale Partnerschaften und internationale Zusammenarbeit sollten gefördert werden.

2.13.

Um diese Ziele zu erreichen, werden bis 2030 in den einschlägigen Arbeitsbereichen 20 Mio. Technologieexperten beschäftigt werden müssen — gegenüber derzeit 7,8 Mio. 2019 waren nur 18 % der 7,8 Mio. Beschäftigten in der IKT-Branche Frauen. Diversität ist in den digitalen Sektoren von entscheidender Bedeutung. Sie kann die Weltsicht und den Umgang mit den damit verbundenen Herausforderungen (Bekämpfung von Voreingenommenheit) prägen. Das Ziel, ein ausgewogeneres Geschlechterverhältnis zu erreichen, muss genau verfolgt werden. Der Zugang von Frauen zu MINT-Fächern ist zu fördern. Der soziale Dialog sollte auf allen Ebenen (Unternehmen, Industrie und Mitgliedstaaten) gefördert werden, da er zur Erreichung dieses Ziels beitragen kann. In den Mitgliedstaaten sollten bereits in den Grundschulen wirkungsvolle Kampagnen durchgeführt werden, um Mädchen für wissenschaftliche und technologische Fächer zu begeistern. Die digitale Kluft ist eine große Herausforderung. In vielen ländlichen Gebieten ist noch nicht einmal 3G verfügbar. Europa und die Mitgliedstaaten sollten Anreize für Investitionen in den ländlichen Gebieten schaffen, um zu gewährleisten, dass niemand zurückgelassen wird.

2.14.

Diese Investitionen könnten zur Stärkung des territorialen Zusammenhalts und der regionalen Entwicklung beitragen und Menschen gegebenenfalls ein befriedigenderes Leben außerhalb großer städtischer Gebiete ermöglichen (siehe die in der Mitteilung genannten „intelligenten Dörfer“). Mithilfe des sozialen Dialogs und der Kollektivverhandlungen auf allen Ebenen muss die Telearbeit weiterentwickelt werden, um die Gesundheit und das Wohlbefinden der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schützen.

2.15.

Der EWSA ruft die Europäische Kommission auf, Anreize für die Menschen zu schaffen, sich außerhalb der großen städtischen Gebiete niederzulassen, und so die wirtschaftliche und soziale Entwicklung ländlicher Gebiete zu fördern. Dies ist nur unter Gewährleistung der entsprechenden Infrastruktur, insbesondere in den Bereichen Telekommunikation und Verkehr, möglich.

2.16.

Eingedenk der im kommenden Jahrzehnt anstehenden großen ökologischen Herausforderungen sollten alle einschlägigen Maßnahmen deshalb auch dem Umweltaspekt Rechnung tragen. Darüber hinaus sollte der digitale Kompass als ein weiteres Instrument für die Erreichung der Ziele des europäischen Grünen Deals und für die Verringerung der Umweltauswirkungen dienen.

2.17.

Ebenso müssen digitale Technologien transparent, inklusiv, nichtdiskriminierend, fair und vorurteilsfrei sein. Dies ist umso wichtiger, als öffentliche Dienstleistungen zunehmend digitalisiert werden. Der Kommission zufolge verfügen heute 65 % der Europäerinnen und Europäer über grundlegende digitale Kompetenzen. Ziel ist es, diesen Anteil bis 2030 auf 80 % zu erhöhen. Um gegen Armut und Ausgrenzung vorzugehen, ist es von entscheidender Bedeutung, die verbleibenden 20 % der Bevölkerung (rund 90 Mio. EU-Bürgerinnen und Bürger) einzubeziehen und zu unterstützen. Diese Bürgerinnen und Bürger gehören in der Regel zu den ärmsten, ältesten und auf dem Land lebenden Bevölkerungsgruppen. Beim Umgang mit öffentlichen und privaten Dienstleistungen, die immer stärker digitalisiert werden, könnten diese Menschen noch mehr an den Rand gedrängt werden. Der EWSA betont, dass bei wirtschaftlichen und administrativen Beziehungen die Möglichkeit des persönlichen Kontakts gewährleistet werden muss.

2.18.

Der EWSA unterstützt voll und ganz das Ziel, alle wichtigen europäischen öffentlichen Dienste online verfügbar zu machen. Die Patientenakten der Unionsbürgerinnen und -bürger müssen ebenfalls vollständig digitalisiert werden, da davon ausgegangen wird, dass 80 % der Bürgerinnen und Bürger einen digitalen Ausweis nutzen werden. Dies setzt jedoch koordinierte Anstrengungen und den politischen Willen aller Mitgliedstaaten voraus. Mit Blick auf dieses Ziel fordert der EWSA die Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Organisationen. Die grundlegende digitale Ausrüstung für die Inanspruchnahme öffentlicher Dienste sollte grundsätzlich kostenlos sein. Auf jeden Fall darf die Digitalisierung öffentlicher Dienste nicht zu höheren finanziellen Hürden für die Nutzerinnen und Nutzer führen.

3.   Besondere Bemerkungen

3.1.

Angesichts der zunehmenden Digitalisierung des Lebens ist in Bezug auf die Cybersicherheit und Betrugsanfälligkeit besondere Vorsicht geboten. Aufklärungsmaßnahmen für die Bürgerinnen und Bürger sind unbedingt erforderlich. Besonders wichtig sind in diesem Zusammenhang die Regulierungsmaßnahmen für tragbare Technologien, denen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte.

3.2.

Die Entwicklung europäischer Rechtsvorschriften zur digitalen Wirtschaft schreitet rasch voran. Bürger und Unternehmen müssen für ihre Rechte und Pflichten im digitalen Bereich sensibilisiert werden. Es sollte kontinuierlich daran gearbeitet werden, die Gesetzesinitiativen zu konsolidieren und sie für Bürger und Unternehmen verständlicher und leichter anwendbar zu machen.

3.3.

Der EWSA begrüßt die regelmäßige Überwachung der Ziele und des Governance-Systems, die in der Mitteilung dargelegt werden. Mehrländerprojekte sind für die Verwirklichung der darin formulierten Zielvorstellung von wesentlicher Bedeutung.

3.4.

Der EWSA schlägt vor, in Mitglied- und in Drittstaaten Fallstudien in bestimmten Sektoren durchzuführen, um bewährte Verfahren auf europäischer Ebene zu übernehmen bzw. zu fördern. So genannte regulatorische Sandkästen, die einen sicheren Raum für die Erprobung neuer Geschäftsmodelle und Ideen bieten, sollten gefördert werden. In einer ehrgeizigen digitalen Wirtschaft müssen flexible und großzügige Versuchsfelder geschaffen werden.

4.   Eine digital befähigte Bevölkerung und hoch qualifizierte digitale Fachkräfte

4.1.

Der EWSA unterstützt das Ziel von 20 Mio. beschäftigten IKT-Fachkräften mit einem besser ausgeglichen Verhältnis zwischen Frauen und Männern (2) (Ausgangswert 2019: 7,8 Mio.). Dies wird selbstverständlich Investitionen in geeignete Bildungssysteme erfordern, die zur Erreichung dieses Ziels beitragen.

4.2.

Die Digitalisierung von freiberuflichen Dienstleistungen, die in engem Zusammenhang mit Bereichen des öffentlichen Interesses stehen (Gesundheit, Sicherheit, Recht und Lebensstandards), hat erhebliche Auswirkungen auf die Gesellschaft und erfordert neue professionelle und ethische Ansätze (3). Ausschlaggebend für ihren Erfolg sind sowohl hochqualifizierte Fachkräfte als auch digitale Kompetenzen und digitales Verständnis von Nutzern, Patienten, Kunden und Verbrauchern.

4.3.

Der EWSA betont, dass Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen sowie die Förderung des lebenslangen Lernens immer wichtiger werden.

4.4.

Die Pandemie hat das Homeschooling befeuert. Gleichzeitig wurde deutlich, dass dies für Kinder aus sozial schwächeren Familien ein hohes Risiko mit sich bringt, den schulischen Anschluss zu verlieren. Bei der Umsetzung des Aktionsplans „Digitale Ziele bis 2030“ muss der digitalen Armut besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.

5.   Die globale Rolle der EU in der digitalen Dekade und gleiche Wettbewerbsbedingungen für KMU

5.1.

Es ist selbstredend wichtig, die Digitalisierungsbestrebungen der KMU durch unterschiedliche Ansätze zu unterstützen. Gleichzeitig muss aber auch deren Rolle als Triebkräfte für Innovation im Bereich der digitalen Technologien herausgestellt werden.

5.2.

Die Softwareentwicklung ist ein schnell wachsender Teilsektor im digitalen Prozess. Die Unterstützung innovativer KMU verdient besondere Aufmerksamkeit. Der EWSA begrüßt die Finanzierungsmechanismen, mit denen die KMU angemessen unterstützt werden, um einen reibungslosen Wandel zu gewährleisten. Gleichzeitig muss die Kontinuität sichergestellt werden. Das bedeutet, dass Upgrades zu neueren Versionen angeboten werden müssen, damit Nutzer nicht gezwungen sind, stets in neue Programme zu investieren.

5.3.

Alle Unternehmen — KMU, Start-ups oder Scale-ups — benötigen Kapital. Die in der Mitteilung aufgeführten Ziele machen deutlich, wie dringend eine Kapitalmarktunion verwirklicht werden muss, in der auf Marktlösungen gesetzt und weniger auf Bankkredite und Vorabunterstützung gebaut wird als vielmehr auf renditeorientierte grenzüberschreitende Kapitalanlagen. Außerdem wird deutlich, dass Steuerregelungen, die die Tendenz zur Fremdfinanzierung begünstigen, abgeschafft werden sollten. Innovative Unternehmen brauchen Eigenkapital und eine Steuerregelung, bei der Unternehmer nicht durch Grenzsteuersätze auf ihre Kapitalgewinne übermäßig benachteiligt werden.

6.   Risiken und Garantien

6.1.

Der Notwendigkeit von Sicherheit, Vorhersehbarkeit und körperlicher und geistiger Gesundheit muss im Rahmen dieser Agenda ebenfalls Priorität eingeräumt werden. Es ist wichtig, das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger nicht nur für Technologie als Mittel zur Verbesserung der Lebensqualität und der Arbeitsplätze zu schärfen, sondern in Verbindung damit auch für Sicherheit. Nach diesem Grundsatz sollte die Europäische Kommission nach Auffassung des EWSA im Rahmen der geplanten jährlichen Umfrage den Standpunkt der Europäerinnen und Europäer zur Einhaltung ihrer Rechte und Werte ermitteln, um zu sicherzustellen, dass das Recht auf Gesundheit angemessen gewahrt wird.

6.2.

Gleichzeitig empfiehlt der EWSA, dass die Europäische Union diese neue industrielle Revolution mit einer Strategie zur spezifischen Überwachung der durch die verschiedenen derzeit verfügbaren Technologien verursachten elektromagnetischen Gesamtverschmutzung flankiert. Dadurch ließe sich die Entwicklung hinsichtlich der elektromagnetischen Auswirkungen in ganz Europa erfassen und Fachliteratur zu diesem Thema erarbeiten, um den Gesundheitszustand der Bevölkerung unter Bezugnahme auf den entsprechenden Datenabgleich zu gewährleisten, der nach Fertigstellung der europaweiten elektronischen Patientenakte möglich sein wird. Eine derartige Überwachung sollte von jedem Mitgliedstaat durchgeführt und in einer einheitlichen europäischen Datenbank gespeichert werden. Mithilfe entsprechender politischer Maßnahmen auf europäischer Ebene sollte das Vertrauen der Menschen in diesem Bereich gestärkt werden.

6.3.

Die digitalen Technologien sollten im Dienste der Unionsbürgerinnen und -bürger stehen, die niemals als Objekt oder als bloße Datenquelle wahrgenommen werden sollten. Die bestehenden ethischen und technischen Leitlinien, wie die Ethikleitlinien für vertrauenswürdige künstliche Intelligenz der hochrangigen Expertengruppe für künstliche Intelligenz, sollten berücksichtigt werden.

6.4.

Der EWSA empfiehlt, angesichts der mit der Datenverarbeitung verbundenen Risiken Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Daten nicht länger als nötig und nicht in größeren Mengen gespeichert werden, als vom Unternehmen tatsächlich benötigt. Gleichzeitig ist die datengesteuerte Innovation ein Schlüsselfaktor für die Konkurrenzfähigkeit im digitalen Umfeld. Die Behörden sollten auf einen sektorübergreifenden Regulierungsrahmen für die gemeinsame Nutzung von Daten drängen, um einen nutzerorientierten Datenaustausch zu ermöglichen. Der geltende Rahmen muss den Zugang zu Daten fördern und auf die Interoperabilität ausgerichtet sein.

6.5.

20 % der Aufbau- und Resilienzfazilität sind für digitale Konnektivität und 37 % für den grünen Wandel vorgesehen. Dies erfordert eine ehrgeizige und kohärente Vision für die europäische Telekommunikationsindustrie und ein Bekenntnis zu einem günstigeren Regulierungsrahmen, der private Investitionen in Netzinfrastrukturen unterstützt sowie die Weiterentwicklung staatlicher integrierter Telekommunikationsdienste mit Cloud-, Edge-, Daten- und KI-Technologien.

6.6.

Der EWSA ist der Auffassung, dass der digitale Wandel auf den Übergang zu einer grüneren Wirtschaft abgestimmt werden und die Umweltauswirkungen berücksichtigen muss. Die Ressourcennutzung (auch die Nutzung knapper Ressourcen) und ihr Energieverbrauch müssen angemessen sein. Transparenz in Bezug auf den CO2-Fußabdruck von Cloud-Diensten sollte auf europäischer Ebene verpflichtend gemacht werden, sodass jede Organisation ihren digitalen CO2-Fußabdruck berechnet und Pläne zu dessen Reduzierung erstellt.

6.7.

Der EWSA betont die Notwendigkeit, mit der raschen Entwicklung der Technologie- und Geschäftsmodelle Schritt zu halten, um alle Regelungslücken zu beseitigen, insbesondere jene, die den Verbrauchern und den am meisten schutzbedürftigen Bürgern zum Nachteil gereichen könnten.

Brüssel, den 7. Juli 2021

Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Christa SCHWENG


(1)  ABl. C 440 vom 6.12.2018, S. 1.

(2)  DESI-Indikator „2b1“. Derzeit beträgt der Frauenanteil bei den IKT-Fachkräften nur 18 %.

(3)  ABl. C 286 vom 16.7.2021, S. 8.


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