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Document 52020XC0327(03)

    Mitteilung der Kommission Leitlinien der Europäischen Kommission: Erleichterung des Luftfrachtbetriebs während des COVID-19-Ausbruchs 2020/C 100 I/01

    C/2020/2010

    ABl. C 100I vom 27.3.2020, p. 1–4 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    27.3.2020   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    CI 100/1


    MITTEILUNG DER KOMMISSION

    Leitlinien der Europäischen Kommission: Erleichterung des Luftfrachtbetriebs während des COVID-19-Ausbruchs

    (2020/C 100 I/01)

    Zusammenfassung

    Die Luftfracht macht wertmäßig etwa 35 % des Welthandels aus. Sie ist ein wichtiger Teil des Güterverkehrs und ergänzt, insbesondere bei zeitkritischer Fracht, sowohl den Land- als auch den Seeverkehr. Nach dem COVID-19-Ausbruch wurden Flug- und/oder Bewegungsbeschränkungen für Passagiere und Transportpersonal verhängt, um die Pandemie einzudämmen. Dadurch wurden die europäischen und globalen Lieferketten stark beeinträchtigt.

    Kontinuierliche und ununterbrochene Luftfrachtdienste sind für die Wirtschaft und die Bekämpfung von COVID-19 von entscheidender Bedeutung, und die europäischen und globalen Lieferketten hängen davon ab, dass sie ungehindert funktionieren. Per Luftfracht sollten daher kritische Produkte wie Lebensmittel, medizinische Hilfsgüter und persönliche Schutzausrüstungen (PSA) sowie andere Produkte kontinuierlich geliefert werden können, die für das Funktionieren sensibler Lieferketten von entscheidender Bedeutung sind.

    Die durch den COVID-19-Ausbruch verursachte außergewöhnliche Lage kann eine Zusammenarbeit zwischen der europäischen und der internationalen Luftfahrtgemeinschaft, einschließlich der Anbieter von Luftfracht und Expressdiensten, erforderlich machen, um die Versorgung mit knappen Produkten und deren gerechte Verteilung sicherzustellen.

    Als Teil der Gesamtanstrengungen der EU, wichtige Verkehrsströme, insbesondere die sensibelsten, aufrechtzuerhalten, werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, den Luftfrachtbetrieb während des COVID-19-Ausbruchs zu erleichtern. Die Europäische Kommission fordert die Mitgliedstaaten daher auf, die in diesen Leitlinien dargelegten operativen Maßnahmen mit der Maßgabe umzusetzen, dass diese außergewöhnlichen Maßnahmen auf die Dauer der COVID-19-Krise befristet sind.

    In den von der Europäischen Kommission am 16. März 2020 angenommenen Leitlinien für Grenzmanagementmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherstellung der Verfügbarkeit von Waren und wesentlichen Dienstleistungen (1) wird der Grundsatz betont, dass alle Binnengrenzen der EU für den Warenverkehr offen bleiben sollten und dass die Lieferketten für wichtige Güter wie Nahrungsmittel, einschließlich Nutztieren, medizinische Ausrüstung, persönliche Schutzausrüstungen und Substanzen menschlichen Ursprungs gewährleistet sein müssen. Es liegt im Interesse aller, dass in der gegenwärtigen Notsituation der freie Warenverkehr weiterhin aufrechterhalten wird. Daher sind die Mitgliedstaaten gehalten, diese Leitlinien an allen Grenzübergängen an den Binnengrenzen einhalten und vollständig umsetzen. Darüber hinaus soll mit der von der Europäischen Kommission am 23. März 2020 angenommenen Mitteilung über die Einrichtung von „Green Lanes“ (Sonderfahrspuren) (2) ein Kooperationsprozess in der gesamten EU eingeführt werden, um sicherzustellen, dass alle wesentlichen Güter, einschließlich, aber nicht beschränkt auf Lebensmittel und medizinische Hilfsgüter, ohne Verzögerungen rasch an ihren Bestimmungsort gelangen. Schließlich stellte das Europäische Wettbewerbsnetz in seiner gemeinsamen Erklärung zur Anwendung des Wettbewerbsrechts während der Corona-Krise (3) fest, dass die durch COVID-19 verursachte außergewöhnliche Situation eine Zusammenarbeit zwischen Unternehmen erforderlich machen kann, um die Versorgung und gerechte Verteilung knapper Produkte an alle Verbraucher zu gewährleisten. Unter den gegenwärtigen Umständen wird das Europäische Wettbewerbsnetz nicht aktiv gegen notwendige und befristete Maßnahmen zur Vermeidung eines Versorgungsengpasses vorgehen. Aus seiner gemeinsamen Erklärung geht jedoch außerdem klar hervor, dass das Europäische Wettbewerbsnetz unverzüglich Maßnahmen gegen Luftfrachtunternehmen ergreifen wird, die, auch in Bezug auf Preise, die derzeitige Situation durch Kartellbildung oder Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung ausnutzen.

    Die vorliegende Mitteilung baut auf den genannten Dokumenten auf, und die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, diese vollständig umzusetzen. Die derzeitigen Leitlinien sollen die Mitgliedstaaten dabei unterstützen, den Luftfrachtverkehr aufrechtzuerhalten und zu erleichtern, einschließlich der Beförderung wesentlicher, insbesondere zeitkritischer Güter wie Lebensmittel und medizinische Hilfsgüter auf dem Luftweg. Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, die erforderlichen operativen und organisatorischen Maßnahmen mit der Maßgabe zu ergreifen, dass diese außergewöhnlichen Maßnahmen auf die Dauer der COVID-19-Krise und bis zur Aufhebung der außergewöhnlichen Luftverkehrs- und Reisebeschränkungen beschränkt sind.

    1.   Einleitung

    1.1   Auswirkungen von COVID-19

    1.

    Der COVID-19-Ausbruch hat schwerwiegende Folgen für die internationale und die europäische Luftfahrt. Das Luftverkehrsaufkommen ist um mehr als 80 % zurückgegangen und fast sämtliche Passagierflüge wurden gestrichen. Zum Teil ist dies – neben einer deutlich gesunkenen Reisenachfrage – auch auf die von den Staaten ergriffenen Eindämmungsmaßnahmen wie Reisebeschränkungen und Flugverbote zurückzuführen.

    1.2   Bedeutung der Luftfracht

    2.

    Die Lieferketten in Europa werden durch ein umfassendes Netz von Güterverkehrsdiensten aufrechterhalten, in das alle Verkehrsträger eingebunden sind. Kontinuierliche und störungsfreie Luftfrachtdienste sind für die EU von wesentlicher strategischer Bedeutung. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der zeitnahen Versorgung mit wesentlichen Gütern, Medikamenten, medizinischen Geräten und Hilfsmitteln, Organen oder anderen Substanzen menschlichen Ursprungs. Allgemein sorgen Luftfrachtdienste für funktionierende globale Lieferketten für viele der zeitkritischsten und teuersten Materialien und sind zudem ein wichtiges Ergänzungsglied im land- und wassergestützten Güterverkehr.

    3.

    Etwa die Hälfte der gesamten Luftfracht wird im Frachtraum von Passagierflugzeugen befördert, von denen jedoch wegen des COVID-19-Ausbruchs kaum noch eines fliegt. Zwar finden sogenannte Nurfrachtflüge noch immer in ähnlichem Umfang statt wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres, doch kann damit die verlorene Frachtkapazität von Passagierflugzeugen nicht ausgeglichen werden. Versandunternehmen, auch aus dem Medizinsektor, melden Kapazitätsengpässe und einen Anstieg der Luftfrachtraten.

    4.

    Außerdem berichten Fracht- und Expressfluggesellschaften von konkreten Schwierigkeiten bei der Bedienung bestimmter Flughäfen, weil dort Flüge oder Personal unterschiedslos Beschränkungen unterworfen sind. Das Funktionieren kritischer Lieferketten wird durch solche Umstände gefährdet.

    1.3   Beschränkung von Frachtflügen

    5.

    Entscheidend für die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 ist nicht die Einschränkung der Flugbewegungen, sondern der Bewegung von Flugreisenden. Vorrübergehende Beschränkungen des Reiseverkehrs anstatt von Flugbewegungen sind daher der beste Weg, Unterbrechungen im Luftfrachtverkehr, auch bei der Beförderung wesentlicher Güter, zu verhindern.

    6.

    Bestimmte Arten von Flügen sollten grundsätzlich jederzeit erlaubt sein. Zu ihnen gehören etwa Überführungsflüge, Flüge zur Beförderung systemkritischer Fracht (z. B. Arzneimittel, persönliche Schutzausrüstungen (PSA) oder Testgeräte), Hilfsflüge im Rahmen des Katastrophenschutzverfahrens der Union, staatliche Flüge und Flüge für Sondereinsätze (z. B. zur medizinischen Versorgung) nach Artikel 4 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012 der Kommission. Zahlreiche Mitgliedstaaten haben Frachtflüge nicht ausdrücklich von ihren nationalen Luftverkehrsbeschränkungen ausgenommen.

    7.

    Die Europäische Kommission ist der Auffassung, dass Flugbeschränkungen innerhalb der EU, die Frachtflüge vollständig untersagen oder deren Durchführung praktisch unmöglich machen, z. B. durch ungerechtfertigte Beschränkungen für das fliegende Personal, generell unverhältnismäßig wären. Insbesondere stünden solche Flugbeschränkungen im Widerspruch zu den in Artikel 21 der Verordnung (EU) Nr. 1008/2008 (4) festgelegten Bedingungen. Alle Beschränkungen, die mit dem Unionsrecht unvereinbar sind, müssen aufgehoben werden.

    8.

    Auch Drittstaaten sollten von unnötigen Beschränkungen des Luftfrachtverkehrs absehen, um im gemeinsamen Interesse die Lieferketten für wesentliche Güter, einschließlich hochspezialisierter und kritischer Produkte wie medizinischer Ausstattungen, aufrechtzuerhalten. Die Europäische Kommission erinnert daran, dass von Drittländern auferlegte Beschränkungen des Luftfrachtverkehrs mit den einschlägigen internationalen Vorschriften in geltenden Abkommen im Einklang stehen müssen. Die Europäische Kommission wird nach den erforderlichen Konsultationen alle praktischen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Drittstaaten ihren internationalen Verpflichtungen, insbesondere gegenüber Luftfahrtunternehmen der Union, nachkommen, und um auf eine Anwendung dieser Grundsätze durch Drittstaaten und internationale Organisationen hinzuwirken.

    2.   Gewährleistung der Aufrechterhaltung des Luftfrachtbetriebs

    Empfohlene operative Maßnahmen

    9.

    Angesichts der besonderen Bedeutung des Luftfracht- und insbesondere des Notluftfrachtbetriebs für die Bekämpfung von COVID-19 und als Teil der Gesamtbemühungen der EU hinsichtlich der Aufrechterhaltung wesentlicher Verkehrsströme und der EU-weiten Lieferketten fordert die Europäische Kommission die Mitgliedstaaten auf, eine Reihe operativer Maßnahmen zur Erleichterung des Luftfrachtverkehrs und zur Verringerung zusätzlicher Kosten mit der Maßgabe umzusetzen, dass diese außergewöhnlichen Maßnahmen auf die Dauer der COVID-19-Krise beschränkt sind.

    10.

    Gegenstand dieser Maßnahmen sollte insbesondere Folgendes sein:

    a.

    unverzügliche Erteilung aller erforderlichen Genehmigungen und Zulassungen bei Beförderungen aus Ländern außerhalb der EU, einschließlich und sofern rechtlich zulässig der Gewährung vorübergehender Verkehrsrechte für den zusätzlichen Luftfrachtbetrieb, auch wenn dieser mit Passagierflugzeugen erfolgt;

    b.

    vorübergehende Aufhebung oder flexible Anwendung von Nachtflugverboten oder Zeitnischenbeschränkungen auf Flughäfen für wesentliche Luftfrachtabfertigungen;

    c.

    Erleichterung der Nutzung von Passagierflugzeugen für den Nurfrachtbetrieb, einschließlich der Neupositionierung der Luftfrachtflugbesatzung, des medizinischen Personals und aller Personen, die unabhängig vom Verkehrsträger an der Beförderung von Gütern beteiligt sind;

    d.

    Bereitstellung von fliegendem Personal auf Luftfrachtflügen sowie Abfertigungs- und Instandhaltungspersonal, das qualifiziert ist, bei Abriegelungen und Ausgangssperren als unerlässliches Personal eingesetzt zu werden;

    e.

    sofern möglich Gewährleistung ausreichender Frachtkapazitäten, wenn Regionalflughäfen aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen werden, oder Aufrechterhaltung des Betriebs von Flughäfen ausschließlich für den Frachtverkehr, in jedem Fall jedoch Sicherstellung ausreichender Kapazitäten der geöffneten Flughäfen für die Abfertigung von Luftfracht, um eine zeitnahe Behandlung und Auslieferung zu gewährleisten;

    f.

    Befreiung des für die Beförderung von Gütern eingesetzten symptomfreien Transportpersonals, einschließlich des fliegenden Personals von Reisebeschränkungen;

    g.

    Befreiung des symptomfreien fliegenden Personals, des Frachtpersonals und des Flughafenpersonals, das auf dem Vorfeld arbeitet, von Eindämmungsmaßnahmen, sofern angemessene Verfahren zum Schutz der Gesundheit Anwendung finden;

    h.

    Ermöglichung von Ad-hoc-Ausnahmen im beschleunigten Verfahren zur Bewältigung unvorhergesehener Situationen wie plötzliche und unvorhergesehene Notfallmaßnahmen;

    i.

    Gewährleistung eines sicheren und effizienten Arbeitsumfelds für das Vorfeldpersonal durch Bereitstellung von Leitlinien für gesundheitliche Vorkehrungen im Luftfrachtbetrieb und Bereitstellung einer angemessenen Ausstattung mit Hygieneartikeln;

    j.

    Fracht- und Expressfluggesellschaften werden darin bestärkt, ausnahmsweise Kapazitäten für die Versorgung mit wesentlichen Gütern, insbesondere medizinischer Ausstattung und Notfalllieferungen, vorzuhalten und wenden angemessene Frachtraten für diese Lieferungen an.

    11.

    Alle oben aufgeführten Maßnahmen sollten sowohl für EU-Bürger als auch für Drittstaatsangehörige gelten‚ soweit diese eine wichtige Funktion für den freien Warenverkehr in die EU und innerhalb der EU haben.

    12.

    In Bezug auf Notfallmaßnahmen werden die Mitgliedstaaten daran erinnert, dass sie Artikel 21 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 einhalten müssen, auch was die Unterrichtung der Kommission und anderer Mitgliedstaaten betrifft. Über diese Verpflichtungen hinaus, werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, alle unter diese Mitteilung fallenden Maßnahmen der Europäischen Kommission und allen anderen Mitgliedstaaten im Voraus mitzuteilen und in einer Weise zu veröffentlichen, dass alle am Luftfrachtverkehr Beteiligten rechtzeitig informiert werden, damit sie ihren Betrieb entsprechend anpassen können.

    13.

    In der gemeinsamen Erklärung des Europäischen Wettbewerbsnetzes vom 23. März 2020 wird betont, dass die Wettbewerbsbehörden der EU nicht aktiv gegen notwendige und vorübergehende Maßnahmen zur Vermeidung eines Versorgungsengpasses vorgehen werden. Aus der gemeinsamen Erklärung geht zudem klar hervor, dass die Wettbewerbsbehörden unverzüglich Maßnahmen gegen Luftfrachtunternehmen ergreifen wird, die die derzeitige Situation durch Kartellbildung oder durch den Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung ausnutzen. Sollten Fracht- und Expressfluggesellschaften eine Zusammenarbeit für notwendig erachten, um die Versorgung mit knappen Produkten zu gewährleisten, und Zweifel an der Vereinbarkeit solcher Kooperationsinitiativen mit dem Wettbewerbsrecht der EU/des EWR haben, werden sie gebeten, die Europäische Kommission, die EFTA-Überwachungsbehörde oder die betreffenden nationalen Wettbewerbsbehörden um informelle Beratung zu ersuchen.

    3.   Schlussfolgerung

    14.

    Die Europäische Kommission fordert alle Mitgliedstaaten auf, die in den Punkten 8 bis 11 festgelegten Maßnahmen unverzüglich umzusetzen.

    15.

    Die Europäische Kommission wird in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten alle praktischen Schritte prüfen, wie Drittländer unter anderem im Rahmen der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO), der Zusammenarbeit mit internationalen Luftverkehrspartnern und der internationalen Luftverkehrsbranche dazu angehalten werden können, diese Grundsätze anzuwenden.

    16.

    Die Europäische Kommission wird die Lage weiterhin beobachten und gegebenenfalls weitere Leitlinien bereitstellen.

    (1)  C(2020) 1753 final.

    (2)  C(2020) 1897 final.

    (3)  https://ec.europa.eu/competition/ecn/202003_joint-statement_ecn_corona-crisis.pdf

    (4)  Artikel 21 der Verordnung (EU) Nr. 1008/2008 erlaubt es den Mitgliedstaaten, unter bestimmten strengen Bedingungen den Flugverkehr in der EU zu beschränken. Dabei wird in jedem Einzelfall die jeweilige Notifizierung des Mitgliedstaats geprüft. Der Standpunkt der Europäischen Kommission zu Frachtflügen hat keine Auswirkung auf die individuelle Prüfung der von Mitgliedstaaten nach Artikel 21 auferlegten Beschränkungen.


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