EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 10.3.2020
COM(2020) 103 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
Eine KMU-Strategie für ein nachhaltiges und digitales Europa
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
Eine KMU-Strategie für ein nachhaltiges und digitales Europa
1.Einführung
Die 25 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Europa bilden das Rückgrat der Wirtschaft der EU. Mit rund 100 Millionen Menschen Beschäftigten erwirtschaften sie mehr als die Hälfte des europäischen BIP und spielen bei der Wertschöpfung in allen Wirtschaftszweigen eine Schlüsselrolle. KMU bieten innovative Lösungen für Herausforderungen wie Klimawandel, Ressourceneffizienz und sozialer Zusammenhalt und tragen dazu bei, diese Innovationen in allen Regionen EU-weit zu verbreiten. Daher sind sie von zentraler Bedeutung für den doppelten Übergang der EU hin zu einer nachhaltigen und zu einer digitalen Wirtschaft. Sie spielen eine entscheidende Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand, die wirtschaftliche und technologische Unabhängigkeit Europas und die Widerstandsfähigkeit gegenüber externen Schocks. Somit sind die KMU ein entscheidender Faktor für die Verwirklichung der industriepolitischen Strategie der EU.
KMU sind mit dem wirtschaftlichen und sozialen Gefüge Europas stark verflochten. Auf sie entfallen zwei von drei Arbeitsplätzen, sie bieten – unter anderem für Geringqualifizierte – regionen- und sektorübergreifende Ausbildungsmöglichkeiten und tragen zum Wohlergehen der Gesellschaft auch in abgelegenen und ländlichen Gebieten bei. Jeder in der EU kennt einen Unternehmer oder ist für ein Unternehmen tätig. Die Herausforderungen, denen europäische KMU bei der die Einhaltung von Vorschriften sowie beim Zugang zu Informationen, Märkten und Finanzierung tagtäglich gegenüberstehen, betreffen daher ganz Europa.
KMU sind von großer Vielfalt geprägt, was Geschäftsmodelle, Größe, Alter und Unternehmerprofile angeht, und sie können aus einem großen Pool an talentierten Frauen und Männern schöpfen. Die Bandbreite reicht von freien Berufen und Kleinstunternehmen im Dienstleistungssektor bis hin zu mittleren Industrieunternehmen sowie von traditionellen Handwerksbetrieben bis hin zu High-Tech-Start-ups. Diese Strategie trägt ihren unterschiedlichen Bedürfnissen Rechnung und hilft Unternehmen, nicht nur zu wachsen und zu expandieren, sondern auch dabei, wettbewerbsfähig und widerstandsfähig zu werden und nachhaltig zu agieren. Sie verfolgt daher einen ehrgeizigen, umfassenden und bereichsübergreifenden Ansatz, der einerseits auf horizontalen Maßnahmen zur Unterstützung aller Arten von KMU und andererseits auf Maßnahmen, die auf spezifische Bedürfnisse ausgerichtet sind, basiert.
In der Strategie werden Maßnahmen auf der Grundlage der folgenden drei Säulen vorgeschlagen:
·Kapazitätsaufbau und Unterstützung des Übergangs zu Nachhaltigkeit und Digitalisierung;
·Abbau der regulatorischen Hürden und Verbesserung des Marktzugangs und
·Verbesserung des Zugangs zu Finanzierungsmöglichkeiten
Ziel ist es, die Kräfte der europäischen KMU jeglicher Art im Hinblick auf eine Vorreiterrolle beim doppelten Übergang freizusetzen. Mit der Strategie soll die Zahl der KMU, die nachhaltige Geschäftspraktiken übernehmen, und die Zahl der KMU, die digitale Technologien einsetzen, deutlich erhöht werden. Letztlich geht es darum, Europa zum attraktivsten Standort für die Gründung von Kleinunternehmen zu machen und diese dann im Binnenmarkt wachsen und expandieren zu lassen.
Damit die Strategie Ergebnisse zeitigt, muss sie von Maßnahmen auf EU-Ebene getragen werden, die mit einem starken Engagement der Mitgliedstaaten kombiniert sind. Die aktive Beteiligung der KMU-Gemeinschaft und der Unternehmen selbst wird von entscheidender Bedeutung sein. Die neue KMU-Strategie wird daher auf eine solide umsetzungsorientierte Partnerschaft zwischen der EU und den Mitgliedstaaten, einschließlich der regionalen und lokalen Behörden, gegründet sein. Unternehmer sollten auch die von den EU-Investitionsprogrammen gebotenen Möglichkeiten nutzen, um Digitalisierung und Nachhaltigkeit in ihrem Unternehmen voranzutreiben und um innerhalb und außerhalb des Binnenmarkts zu wachsen.
Die Strategie baut auf den sehr soliden Grundlagen des bestehenden Rahmens für die KMU-Politik und den Förderprogrammen der EU auf, insbesondere auf dem Small Business Act (2008), der Start-up- und Scale-up-Initiative (2016)‚ dem Programm für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und für kleine und mittlere Unternehmen (COSME) und den im Rahmen des Programms Horizont 2020 und der europäischen Struktur- und Investitionsfonds finanzierten Maßnahmen zur Unterstützung von KMU. Sie wird unter anderem maßgeblich zur Umsetzung des europäischen Grünen Deals, des Aktionsplans der EU für die Kreislaufwirtschaft, der europäischen Datenstrategie und der europäischen Säule sozialer Rechte beitragen.
Die Strategie ist Teil des Industriepakets, das die Mitteilung und den dazugehörigen Bericht mit dem Titel „Hindernisse für den Binnenmarkt ermitteln und abbauen“ (im Folgenden „Mitteilung über Hindernisse für den Binnenmarkt“)‚ den langfristigen Aktionsplan zur besseren Umsetzung und Durchsetzung der Binnenmarktvorschriften (im Folgenden „Aktionsplan für die Durchsetzung“) und die neue Industriestrategie für Europa (im Folgenden „Industriestrategie“) umfasst. Sie stützt sich auf zahlreiche aus der Mitteilung über Hindernisse für den Binnenmarkt stammende Erkenntnisse, die jene Hindernissen betreffen, mit denen KMU konfrontiert sind, die grenzüberschreitend tätig werden wollen. Die ordnungsgemäße Umsetzung, Anwendung und Durchsetzung des EU-Rechts ist von entscheidender Bedeutung, um das Wachstum von KMU im Binnenmarkt zu erleichtern. Im Aktionsplan für die Durchsetzung werden verschiedene Initiativen zur Lösung dieser Probleme vorgestellt. In der Industriestrategie wird die Rolle der KMU für eine wettbewerbsfähige und innovative europäische Industrie hervorgehoben.
2.Kapazitätsaufbau und Unterstützung des Übergangs zu Nachhaltigkeit und Digitalisierung;
Europas Leitprinzip für die Zukunft ist die wettbewerbsfähige Nachhaltigkeit. Für eine klimaneutrale, ressourceneffiziente und agile digitale Wirtschaft müssen alle KMU mobilisiert werden. Der Übergang zu einem wirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltigeren Europa muss mit dem Übergang zur Digitalisierung Hand in Hand gehen. Voraussetzung hierfür sind maßgeschneiderte Maßnahmen, um ein florierendes KMU-Segment in der Gesamtwirtschaft zu entwickeln und Wachstumschancen für expansionsbereite KMU zu schaffen. Zur Schaffung einer angemessenen Unternehmens- und Innovationsinfrastruktur für KMU sind EU-weite Investitionen erforderlich.
KMU bringen den nachhaltigen Übergang voran
Viele KMU sind gut aufgestellt und flexibel, nutzen Spitzentechnologie, zeigen sich innovativ und setzen sich für die Werte ein, die die Nachhaltigkeit und die Kreislaufwirtschaft voranbringen. Fast ein Viertel der KMU in Europa setzen den Übergang bereits aktiv um, indem sie umweltfreundliche Produkte oder Dienstleistungen anbieten, und viele KMU (darunter auch sozialwirtschaftliche Unternehmen) leisten Beachtliches für ihre jeweiligen Gemeinschaften. Es gibt jedoch auch große Herausforderungen. Für manche KMU gestaltet sich der Übergang zu nachhaltigeren Geschäftsmodellen schwieriger. Ein Drittel der KMU gibt an, beim Versuch der ressourceneffizienteren Gestaltung ihrer Geschäftstätigkeit mit komplexen administrativen und rechtlichen Verfahren konfrontiert zu sein. Mit dem zunehmenden Bewusstsein für klimabedingte Risiken und für andere Umweltbelastungen sowie den sich ändernden Verbrauchervorlieben ist dieser Übergang zu nachhaltigen Geschäftspraktiken und Verhaltensweisen von entscheidender Bedeutung dafür, dass KMU wettbewerbsfähig bleiben und weiter wachsen. KMU benötigen in diesem Prozess dringend Unterstützung, und ihnen sollten Instrumente an die Hand gegeben werden, damit sie Umweltrisiken verstehen und diese in bestimmten Bereichen wie dem Baugewerbe, der Kunststoffindustrie, der Elektronikindustrie sowie der Agrar- und Ernährungswirtschaft eindämmen können.
Die mehr als 600 Mitglieder des Enterprise Europe Network (EEN) bieten maßgeschneiderte Serviceleistungen für KMU an. Viele EEN-Mitglieder unterstützen bereits jetzt KMU beim Übergang zur Nachhaltigkeit. In einem nächsten Schritt wird das EEN spezielle Nachhaltigkeitsberater und andere einschlägige Leistungen bereitstellen. Sie werden die Bedürfnisse von KMU bewerten und bei Investitionen in ressourceneffizientere und kreislauforientierte Prozesse und Infrastrukturen, der Suche nach passenden Geschäftspartnern und der Förderung der Zusammenarbeit zwischen Partnern auf gleicher Ebene beratend zur Seite stehen. Darüber hinaus wird das Europäische Wissenszentrum für Ressourceneffizienz (EREK) KMU weiterhin dabei unterstützen, Energie-, Material- und Wasserkosten einzusparen. Lösungen von Energiedienstleistungsunternehmen mit einschlägigem Fachwissen könnten in Kombination mit technischen und finanziellen Lösungen den KMU zugutekommen.
Europa als Wiege der grünen Technologie kann seine Führungsrolle nur dann behalten, wenn KMU zu Vorreitern bei Innovationen im grünen Sektor werden. Die nötige Unterstützung wird über den Investitionsplan für ein zukunftsfähiges Europa gewährt. Die Kommission wird im Rahmen des Europäischen Innovationsrats (EIC) zur Förderung disruptiver Innovationen, insbesondere durch KMU, allein im Jahr 2020 mindestens 300 Mio. EUR für vielversprechende Start-up-Unternehmen und KMU bereitstellen, damit diese bahnbrechende Innovationen mit Blick auf den Grünen Deal verwirklichen können. Das Europäische Innovations- und Technologieinstitut (EIT) wird dafür sorgen, dass sich seine Wissens- und Innovationsgemeinschaften (KIC) stärker für KMU öffnen und deren Möglichkeiten zur Beteiligung an lokalen Innovationsökosystemen, insbesondere in Regionen mit Innovationsrückstand, verbessern. Dies wird über ein spezielles Outreach-Instrument (regionales Innovationsschema) umgesetzt, das die Ökosysteme dort stärken wird, wo der Bedarf am größten ist.
KMU in die Lage versetzen, die Vorteile des digitalen Wandels zu nutzen
Europa kann sich nur mit einer florierenden KMU-Gemeinschaft, die digitale Technologien und Daten nutzt, als weltweit führend bei der Gestaltung der digitalen Wirtschaft positionieren. Die Digitalisierung kann KMU große Chancen dafür bieten, die Effizienz der Produktionsprozesse zu steigern und Produkte und Geschäftsmodelle innovativer zu machen. Durch die Nutzung fortschrittlicher bahnbrechender Technologien wie Blockchains und künstliche Intelligenz (KI), Clouds und Hochleistungsrechnen (HPC) kann ihre Wettbewerbsfähigkeit erheblich gesteigert werden.
KMU schöpfen die Möglichkeiten, die Daten als Kernelement der digitalen Wirtschaft bieten, noch nicht in vollem Umfang aus. Viele sind sich des Werts der von ihnen generierten Daten nicht bewusst und sind für die aufstrebende datenagile Wirtschaft nicht ausreichend geschützt und vorbereitet. Nur 17 % der KMU wenden digitale Technologien erfolgreich in ihren Unternehmen an, bei den Großunternehmen sind es hingegen bereits 54 %. Traditionelle KMU sind bei der Wahl ihrer digitalen Geschäftsstrategie oft unsicher, haben Probleme beim Zugriff auf große Datenspeicher, die größeren Unternehmen zur Verfügung stehen, und scheuen vor dem Einsatz fortgeschrittener KI-gestützter Instrumente und Anwendungen zurück. Gleichzeitig sind sie für Cyberbedrohungen sehr anfällig.
Quelle: Eurostat/DESI 2019.
Diese KMU werden durch ein Netz von bis zu 240 Zentren für digitale Innovation (Digital Innovation Hubs – DIH) in allen Regionen Europas unterstützt, das durch Investitionen aus dem Programm „Digitales Europa“ und aus den Strukturfonds gefördert wird.
Angestrebt wird nicht nur eine benutzerfreundliche und zielgerichtete Beratung zu Nachhaltigkeits- und Digitalisierungsfragen, sondern auch die Vernetzung der Unterstützungsstrukturen, damit alle KMU standortnah beraten werden können. Das EEN wird eng mit den Zentren für digitale Innovation, der Initiative „Startup Europe“ und weiteren Akteuren zusammenarbeiten, um einen nahtlosen Unterstützungs- und Beratungsdienst mit nationalen, regionalen und lokalen Behörden und Unterstützungsstrukturen zu gewährleisten. Bewährte Verfahren, Know-how und Kompetenzen können aber auch von KMU aus dem Digitalbereich direkt an in anderen Feldern tätige KMU weitergegeben werden.
Wie in der europäischen Datenstrategie angekündigt, wird die Kommission auf eine breitere Zugänglichkeit von Daten und auf Datenströme zwischen Unternehmen und öffentlicher Verwaltung hinarbeiten, indem sie gemeinsame europäische Datenräume für einen vertrauenswürdigen und sicheren Datenaustausch schafft. Es wird ein fairer Zugang für alle Unternehmen, insbesondere KMU, gewährleistet. Ferner wird sich die Kommission mit etwaigen Probleme im Zusammenhang mit Nutzungsrechten für gemeinsam erzeugte Daten, insbesondere aus dem gewerblichen Internet der Dinge, befassen, um eine mögliche Benachteiligung von KMU zu verhindern. Darüber hinaus wird in der Strategie die Nutzung von Clouds durch KMU thematisiert, beispielsweise über einen eigenen Marktplatz für Cloud-Dienste, der faire vertragliche Bedingungen gewährleistet.
Optimale Nutzung von Talenten und geistigem Eigentum
KMU können auch Schwierigkeiten dabei haben, Strategien für geistiges Eigentum auszuarbeiten, mit denen sie ihre FuE-Investitionen schützen und Wachstumskapital aufbringen können, was für den doppelten Übergang allerdings jeweils von entscheidender Bedeutung ist. Nur 9 % der KMU schützen ihr geistiges Eigentum, da sie nämlich über einschlägige Initiativen der EU und der Mitgliedstaaten nicht informiert sind oder vor der Komplexität und den Kosten des Erwerbs der Rechte und für ihre Durchsetzung zurückschrecken. Im angekündigten Aktionsplan für geistiges Eigentum werden Maßnahmen vorgeschlagen, um das System des geistigen Eigentums für KMU wirksamer zu gestalten, etwa durch eine Vereinfachung der Verfahren für die Eintragung von Rechten des geistigen Eigentums (z. B. Reform der EU-Rechtsvorschriften über gewerbliche Muster und Modelle), eine Verbesserung des Zugangs zu strategischer Beratung im Bereich des geistigen Eigentums (z. B. durch die Einführung einer systematischen Beratung bei allen FuE-Finanzierungen auf EU-Ebene) und eine Erleichterung der Nutzung von Rechten des geistigen Eigentums zur Erschließung von Finanzmitteln.
Sowohl beim digitalen Wandel als auch beim Übergang zur Nachhaltigkeit stehen sowohl Start-ups als auch etablierte KMU vor der Herausforderung, dass das Angebot an qualifizierten Arbeitskräften nicht ausreicht. Häufig verfügen sie nicht über die gleichen Ressourcen wie große Unternehmen für Investitionen in die Weiterbildung ihrer Beschäftigten. Über 70 % der Unternehmen geben an, dass der Zugang zu talentierten Mitarbeitern eine Hürde für neue Investitionen in der EU darstellt. Die Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal oder erfahrenen Führungskräften stellt für ein Viertel der KMU in der EU nach wie vor das größte Problem dar. Besonders akut ist der Fachkräftemangel in den Bereichen Digitalisierung und neue Technologien, da 35 % der Arbeitskräfte über geringe oder gar keine digitalen Kompetenzen verfügen.
Den Mitgliedstaaten und den Sozialpartnern fällt eine Schlüsselrolle zu, und die EU kann weiter zur Bewältigung dieser Herausforderungen beitragen, indem sie den Zugang zu Aus- und Weiterbildung erleichtert und dazu beiträgt, die Nachfrage von KMU nach talentierten Mitarbeitern mit dem Arbeitskräfteangebot in Einklang zu bringen. Aus- und Weiterbildung für Unternehmer zum Ausbau von unternehmerischen Kenntnissen und Fähigkeiten spielt eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, KMU für den Binnenmarkt zu wappnen. Bildungs- und Weiterbildungstätigkeiten sind für alle Führungskräfte und Beschäftigten von KMU von wesentlicher Bedeutung, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf der Förderung weiblicher Unternehmensgründer und auf der Schaffung eines ausgewogeneren Verhältnisses von Frauen und Männern unter den Gründern und Führungskräften von Unternehmen liegt.
Mithilfe des Programms „Digitales Europa“ wird die Kommission Kurzlehrgänge zum Thema Digitales entwickeln, damit die Beschäftigten von KMU Kompetenzen in Bereichen wie KI, Cybersicherheit oder Blockchains aufbauen, und dabei die mit der Plattform der Koalition für digitale Kompetenzen und Arbeitsplätze gewonnenen Erfahrungen nutzen. Die Zentren für digitale Innovation werden als Mittler zwischen KMU und Hochschulen/Ausbildungseinrichtungen auf lokaler Ebene fungieren. Gründerzentren werden KMU dabei unterstützen, sich in datengesteuerte Ökosysteme einzufügen.
Die Kommission wird ferner ein Programm für digitale Freiwillige starten, um jungen qualifizierten Menschen und erfahrenen Senioren die Möglichkeit zu geben, ihre digitalen Kompetenzen mit herkömmlichen Unternehmen zu teilen. Außerdem wird sie KMU-Mittler wie Cluster, EEN und EREK unterstützen und vernetzen, um das Personal von KMU im Bereich Nachhaltigkeit weiterzubilden.
Die Kommission wird die europäische Agenda für Kompetenzen aktualisieren und unter anderem einen Pakt für Kompetenzen einführen. Dieser wird eine speziell auf KMU ausgerichtete Komponente umfassen. Die berufliche Bildung ist für KMU besonders wichtig, um sicherzustellen, dass ihre Arbeitskräfte über die auf dem Arbeitsmarkt benötigten Kompetenzen verfügen. Darüber hinaus werden die Mitgliedstaaten und Regionen aufgefordert, den künftigen Europäischen Sozialfonds Plus und die neuen Möglichkeiten zu nutzen, mit denen Mittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung in die Entwicklung von Kompetenzen auf den Gebieten intelligente Spezialisierung, industrieller Wandel und Unternehmertum fließen können.
Die kollaborative Wirtschaft eröffnet in Bereichen wie Mobilität und Beherbergung Möglichkeiten für innovative KMU-Plattformen, die zwischen Dienstleistern und Dienstleistungsempfängern vermitteln, sowie für KMU-Dienstleister, die so Zugang zu größeren Kundenkreisen erhalten. Die Kommission wird den mit der Mitteilung über die kollaborative Wirtschaft aus dem Jahr 2016 eingeschlagenen Weg weitergehen und eine mögliche Initiative mit dem Schwerpunkt kurzfristige Vermietung von Unterkünften (der größten Branche der kollaborativen Wirtschaft) prüfen, um eine ausgewogene und verantwortungsvolle Entwicklung der kollaborativen Wirtschaft im gesamten Binnenmarkt unter uneingeschränkter Wahrung der öffentlichen Interessen zu fördern.
WICHTIGSTE MAẞNAHMEN:
·Die Kommission wird das Enterprise Europe Network unter anderem mit speziellen Nachhaltigkeitsberatern und weiteren Nachhaltigkeitsdiensten optimieren.
·Die Kommission wird Kurzlehrgänge zum Thema Digitales entwickeln, damit die Beschäftigten von KMU Kompetenzen in Bereichen wie KI, Cybersicherheit oder Blockchains aufbauen.
·Die Kommission wird mit einem Programm für „digitale Freiwillige“ jungen qualifizierten Kräften und erfahrenen Senioren die Möglichkeit geben, ihre digitalen Kompetenzen mit traditionellen Unternehmen zu teilen.
·Die Kommission wird die europäische Agenda für Kompetenzen aktualisieren und unter anderem einen Pakt für Kompetenzen mit einer eigenen KMU-Komponente vorlegen sowie eine Empfehlung des Rates zur Modernisierung der beruflichen Aus- und Weiterbildung ausarbeiten.
·Die Kommission wird die Zentren für digitale Innovation gemeinsam mit Startup Europe und dem EEN erweitern und flächendeckende Dienste in lokalen und regionalen Ökosystemen anbieten.
·Die Kommission wird über den EIC mindestens 300 Mio. EUR bereitstellen, um bahnbrechende Innovationen im Rahmen des europäischen Grünen Deals zu fördern.
·In Bezug auf KMU, die sich auf die kurzfristige Vermietung von Unterkünften spezialisiert haben, wird die Kommission eine mögliche Initiative für die kollaborative Wirtschaft weiter prüfen.
3.Abbau der regulatorischen Hürden und Verbesserung des Marktzugangs
Der Binnenmarkt ist der primäre Zielmarkt für europäische KMU. Auf ihn entfallen 70 % des Werts der KMU-Warenausfuhren, und 80 % aller exportierenden KMU verkaufen in andere Mitgliedstaaten. Die Zahl der in andere Mitgliedstaaten exportierenden KMU könnte aber viel höher sein: So tätigen beispielsweise nur 17 % aller KMU im verarbeitenden Gewerbe Ausfuhren innerhalb des Binnenmarkts. Aus der Mitteilung über Hindernisse für den Binnenmarkt geht hervor, dass KMU am stärksten von den nach wie vor bestehenden Hindernissen betroffen sind.
Die Einhaltung von Vorschriften, Normen, Gütesiegeln und Verwaltungsformalitäten wirkt sich auf KMU aufgrund ihrer begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen stärker aus als auf größere Unternehmen. So können sich beispielsweise im Bereich der Unternehmensdienstleistungen die Kosten, die KMU bei der Erfüllung der Verwaltungsformalitäten entstehen, auf bis zu 10 000 EUR belaufen. Trotz der seit dem „Small Business Act“ erzielten Fortschritte stellen die kumulativen Auswirkungen der Regulierung nach wie vor eines Hauptprobleme für KMU dar.
Quelle: Eurochambres 2019 Business Survey.
Die europäischen KMU empfinden die Rechtsvorschriften – insbesondere aufgrund der in den Mitgliedstaaten unterschiedlichen Verfahren – als komplex und aufwendig. Diese Hindernisse halten viele KMU von einer grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit und einer Expansion ab. Wenn sie dies dennoch tun, dann häufig mithilfe großer Plattformen als Vermittler, was Ungleichheiten bezüglich der Verhandlungsmacht mit sich bringt.
Für die Beseitigung dieser Hindernisse sind die EU und die Mitgliedstaaten gemeinsam verantwortlich. Ein Großteil der Belastung ergibt sich aus den nationalen Rechtsvorschriften, und es ist wichtig, die Auswirkungen von Überregulierung auf KMU zu bewerten. Die EU-Mitgliedstaaten müssen gemeinsam mit der Kommission das Prinzip „Vorfahrt für KMU“, den Grundsatz der einmaligen Erfassung sowie den Grundsatz „standardmäßig digital“ weiterhin konsequent anwenden.
Die Kommission ist ihrerseits entschlossen, die Belastung für KMU zu verringern und ihnen im gesamten Zyklus der besseren Rechtsetzung mehr Gehör zu verschaffen. Im Rahmen des Programms zur Gewährleistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung (REFIT) überprüft die Kommission systematisch die bestehenden EU-Rechtsvorschriften, um den Verwaltungsaufwand zu verringern und die Rechtsvorschriften zu vereinfachen. Die Kommission wird die Eignungsprüfungen systematischer nutzen, um nach Möglichkeiten zu suchen, wie sich Digitalisierung und Vereinfachung sowie die Verwirklichung der Ziele möglichst kostengünstig und zum Nutzen der KMU erreichen lassen. Darüber hinaus werden im Rahmen der neuen Plattform „Fit for Future“ die bestehenden EU-Rechtsvorschriften auf Möglichkeiten zur Vereinfachung und Verringerung des Verwaltungsaufwands geprüft.
Im Hinblick auf neue Rechtsvorschriften wird das REFIT-Programm durch die Einführung des One-in-one-out-Grundsatzes ergänzt und gestärkt. Damit soll sichergestellt werden, dass sich die EU-Rechtsvorschriften vorteilhaft auswirken und für Bürger und Unternehmen keine unnötigen Belastungen entstehen. Der KMU-Test ist bereits Teil der regelmäßigen Bewertung und wird weiterhin für alle relevanten Kommissionsvorschläge durchgeführt.
KMU sind von Kosten, die durch Rechtsvorschriften bedingt sind, besonders betroffen, da sie nur über geringe finanzielle und personelle Ressourcen verfügen. Damit sichergestellt ist, dass neue Rechtsvorschriften KMU-freundlich sind, wird der KMU-Beauftragte der EU in Zusammenarbeit mit KMU-Interessenträgern Initiativen der EU systematisch prüfen und die Kommission auf jene Initiativen hinweisen, die aus Sicht der KMU besondere Aufmerksamkeit verdienen. In diesem Zusammenhang wird der KMU-Beauftragte der EU auch die nationale Fachkompetenz des Netzwerks der KMU-Beauftragten einbringen. Ziel ist es, bei der Gestaltung aller künftigen Rechtsvorschriften auf europäischer und nationaler Ebene die Endnutzer zu berücksichtigen, indem potenzielle Hindernisse ermittelt und, beispielsweise mithilfe digitaler Instrumente, in einem frühen Stadium des Prozesses abgebaut werden. Der KMU-Beauftragte der EU wird auch in der neuen Plattform „Fit for Future“ eine konkrete Rolle spielen und aus der Sicht von KMU ermitteln, welche Rechtsvorschriften für KMU besonders großen Aufwand verursachen. Der KMU-Beauftragte der EU wird der Kommission benutzerfreundliche Lösungen vorschlagen, die bei der Einhaltung der Rechtsvorschriften berücksichtigt werden könnten.
Die Gewährleistung der Einhaltung der Binnenmarktvorschriften ist für KMU von besonderer Bedeutung, da sie häufig unverhältnismäßig stark von grenzüberschreitenden Beschränkungen betroffen sind. Im Aktionsplan für die Durchsetzung werden Initiativen zur Lösung dieser Probleme aufgelistet, unter anderem findet sich darin eine Taskforce für die Durchsetzung des Binnenmarkts, an der der KMU-Beauftragte der EU und das Netzwerk der nationalen Beauftragten mitwirken. Die Kommission wird die Mitgliedstaaten sowohl überwachen als auch mit ihnen zusammenarbeiten und erforderlichenfalls nicht zögern, energische Durchsetzungsmaßnahmen zu ergreifen, damit der Binnenmarkt den KMU auch tatsächlich Vorteile bringt. Für KMU sind die Befolgungskosten für Steuern im Verhältnis höher als für größere Unternehmen, und die mangelnde Harmonisierung der Steuersysteme ist nach wie vor eine der Haupthürden für Unternehmen, die grenzüberschreitend tätig sind.
Darüber hinaus wird durch eine strikte Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts sichergestellt, dass alle im Binnenmarkt tätigen Unternehmen, insbesondere KMU, aus eigener Kraft miteinander konkurrieren und innovativ sein können, wodurch der Missbrauch von Marktmacht und die Konzentration von Wohlstand bei einigen wenigen Großunternehmen verhindert werden.
Beseitigung der Hindernisse durch Partnerschaften und politisches Experimentieren
Eine der größten Herausforderungen in Europa ist die relativ geringe Zahl an erfolgreichen Expansionen. In den Vereinigten Staaten von Amerika gibt es dreimal mehr expandierende Unternehmen als in Europa.
Europäische Start-ups und expandierende Unternehmen stehen in der Praxis vor diversen Herausforderungen, wenn sie talentierte Mitarbeiter anwerben und an das Unternehmen binden, Marktchancen sichern und Einnahmen steigern wollen. Viele Mitgliedstaaten haben diese Herausforderungen erfolgreich gemeistert, zahlreiche bewährte Verfahren werden bereits angewandt. Wenn diese EU-weit Verbreitung fänden, würden die Entwicklung von Start-up-Unternehmen und das Wachstum von KMU einen erheblichen Aufschwung erleben.
Vor diesem Hintergrund wird die Kommission in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und Interessenträgern wie dem EIC-Forum bewährte Verfahren fördern und mit einer neuen politischen Initiative, dem sogenannten EU Start-up Nations Standard, die Mitgliedstaaten auffordern, solche Verfahren auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene umzusetzen. Ziel ist es, Europa zum attraktivsten Kontinent für Start-ups und Scale-ups zu machen. Im Mittelpunkt der Initiative stehen die Erleichterung von Unternehmensgründungen und die grenzüberschreitende Expansion, die Vereinfachung der Umsetzung der Verfahrensregeln für Visumanträge und Aufenthaltstitel für talentierte Mitarbeiter aus Drittländern, die Steigerung der Attraktivität von Mitarbeiteraktienoptionen, die Förderung von Unternehmensgründungen und Technologietransfers durch Universitäten, die Verbesserung des Zugangs zu Finanzmitteln für die Expansion und die Förderung grenzübergreifender digitaler Instrumente und Plattformen. Ergänzend wird die Kommission Konsultationen durchführen, um den Bedarf an zusätzlichen unternehmensrechtlichen Maßnahmen zur Erleichterung der grenzübergreifender Expansion und des Scale-up von KMU zur ermitteln.
Einige sehr innovative Lösungen können aufgrund von Vorschriften, die eventuell veraltet oder kaum an sich rasch weiterentwickelnde Technologien angepasst sind, nicht umgesetzt werden. Eine Möglichkeit, hier Abhilfe zu schaffen, sind sogenannte regulatorische Sandkästen. Damit können innovative Lösungen, die noch nicht in Verordnungen oder Leitlinien berücksichtigt sind, gemeinsam mit Aufsichts- und Regulierungsbehörden in der Praxis getestet werden, sofern die erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind, um beispielsweise für Gleichbehandlung zu sorgen. Dank regulatorischer Sandkästen würden Regulierungs- und Aufsichtsbehörden über aktuelle Informationen und Erfahrungen mit neuen Technologien verfügen, zugleich ließen sich damit politische Maßnahmen erproben. Einige Mitgliedstaaten haben bereits Versuche mit solchen Sandkästen durchgeführt, die innovative Finanzdienstleistungen betrafen.
Die Dienstleistungsrichtlinie ist ein wichtiges Instrument zur Beseitigung von Markthindernissen. Durch Partnerschaften zwischen Grenzregionen‚ die die Zusammenarbeit zwischen regionalen Behörden vertiefen sollen, können KMU der Erbringung von Dienstleistungen entgegenstehende Markthindernisse leichter überwinden. Im Rahmen einer Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen sollen bis Ende 2020 drei derartige Pilotbereiche ermittelt werden, in denen Partnerregionen die Vorschriften und Verfahren für die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen, etwa für die Entsendung von Arbeitnehmern und den Einsatz digitaler Instrumente, gemeinsam verbessern, angleichen oder koordinieren.
Die Kommission wird diese Bemühungen ergänzen, indem sie die Mitgliedstaaten dazu ermutigt, das einheitliche digitale Zugangstor KMU-freundlich umzusetzen. Die Mitgliedstaaten sollten sich bemühen, den KMU Informationen, Verfahren und Hilfsdienste zur Erledigung all ihrer Anfragen im Zusammenhang mit grenzübergreifender Geschäftstätigkeit sowie zur Beratung über die Vergabe öffentlicher Aufträge und Finanzierungsquellen auf einfache Weise online zugänglich zu machen. Die Mitgliedstaaten sollten ihre Dienste über einen einheitlichen Ansprechpartner vernetzen, um alle derartigen Anfragen von KMU koordiniert zu beantworten.
Bis zu 71 % der KMU, die das bestehende System der gegenseitigen Anerkennung nicht harmonisierter Waren erprobt hatten, wurde der Marktzugang verweigert. Die Kommission wird nach Gesprächen mit der Expertengruppe der Mitgliedstaaten für die gegenseitige Anerkennung darauf hinarbeiten, „Allianzen für die gegenseitige Anerkennung“ zwischen den Mitgliedstaaten in Bereichen wie Nahrungsergänzungsmittel und Schmuckwaren zu fördern.
In der vielfältigen Industrielandschaft haben der Weltraum- und der Verteidigungssektor für die strategische und technologische Unabhängigkeit der EU entscheidende Bedeutung und bieten den europäischen KMU großes Potenzial. Die Lieferketten des Verteidigungssektors wurden jedoch vorrangig auf nationaler Ebene aufgebaut. Die Kommission wird daher die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und den Eintritt neuer Akteure fördern, indem sie das Potenzial des Europäischen Verteidigungsfonds optimiert. Dazu gehören insbesondere auf KMU ausgerichtete Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen, der sogenannte KMU-Aufschlag und spezielle Vergabekriterien sowie die Einbeziehung von KMU in die breitere Kreise umfassende Verteidigungsgemeinschaft. Der Fonds wird dazu beitragen, die Lieferketten im Verteidigungsbereich stärker zu öffnen und die großen Systemintegratoren mit dem gesamten Ökosystem der KMU im Verteidigungsbereich unionsweit zu verbinden. Die Kommission wird auch die Stärken der einschlägigen Forschungs- und Technologieorganisationen (RTO) und Hochschulen erfassen, die innovative Start-up-Unternehmen und KMU in diesem Bereich unterstützen können.
Ferner zielt die Kommission darauf ab, die Zahl der im Weltraumsektor tätigen Start-ups und expandierenden Unternehmen, die EU-Weltraumtechnologien vermarkten, zu steigern. Im Rahmen des EU-Weltraumprogramms wird sie die Entstehung eines europäischen Ökosystems für neue Weltraumtechnologien fördern und damit den Unternehmergeist stärken. Mit der Initiative „CASSINI“ zur Förderung des Unternehmergeists im Weltraumsektor werden Dienste wie Beschleunigung, Unternehmensgründung, Startfinanzierung und vorkommerzielle Auftragsvergabe zusammengefasst.
Die Vergabe öffentlicher Aufträge bietet im Binnenmarkt ebenfalls noch unerschlossene Möglichkeiten für KMU, unter anderem für Start-up-Unternehmen, die ihre Erfolgsaussichten bei öffentlichen Ausschreibungen für gering halten. Es gibt zwei Arten von Herausforderungen: Auf der einen Seite ist der öffentliche Sektor relativ risikoscheu und verfügt häufig nicht über die für die Beschaffung von Innovationen erforderlichen Kompetenzen. Andererseits betrachten die Wirtschaftsteilnehmer, insbesondere KMU, öffentliche Ausschreibungen als komplex oder für sie ungeeignet.
Damit hier Abhilfe geschaffen wird, fordert die Kommission die Mitgliedstaaten und ihre öffentlichen Auftraggeber auf, die Flexibilität zu nutzen, die der neue EU-Rahmen für die Auftragsvergabe bietet. Dafür gilt es, größere Aufträge in kleinere Lose zu unterteilen, die strategische und insbesondere die innovationsfördernde Auftragsvergabe auszuweiten, KMU gegebenenfalls Rechte des geistigen Eigentums zu überlassen, damit diese sie vermarkten können, und die Digitalisierung ihrer Vergabeverfahren abzuschließen. Die Kommission wird die Mitgliedstaaten auch dazu ermutigen, digitale Plattformen zu nutzen, um innovative Lösungen von KMU und Start-up-Unternehmen und deren grenzüberschreitenden Zugang zu öffentlichen Aufträgen zu fördern. Die Kommission wird ferner die Initiative „Big Buyers and Networks“ ins Leben rufen, um gemeinsame Anschaffungen von Innovationen und nachhaltigen Produkten zu erleichtern; außerdem sollen Kontakte zwischen Käufern und Anbietern von Innovationen vermittelt und die Fortschritte mithilfe von nationalem Benchmarking nachverfolgt werden. Darüber hinaus wird sie ein Gütesiegel für öffentliche Auftraggeber einführen, die sich an „KMU-freundliche“ Beschaffungspraktiken halten, und mit ihren internationalen Handelspartnern zusammenarbeiten, um ihren vergaberelevanten Standards wie der elektronischen Rechnungsstellung zu weiterer Verbreitung zu verhelfen. KMU, die innovative umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen anbieten, können durch eine stärkere Nutzung des umweltorientierten öffentlichen Beschaffungswesens unterstützt werden.
Der Kauf eines bestehenden Unternehmens ist häufig vorteilhafter als die Neugründung eines Unternehmens. Schätzungen zufolge wechseln jedes Jahr die Eigentumsverhältnisse von etwa 450 000 KMU, wovon mehr als zwei Millionen Arbeitnehmer betroffen sind. In einem Drittel der Fälle ist die Übertragung jedoch nicht erfolgreich, sodass in Europa dadurch etwa 150 000 Unternehmen schließen müssen und 600 000 Arbeitsplätze verloren gehen. Gründe hierfür sind häufig Mängel bei der Vorbereitung in der Frühphase, Schwierigkeiten bei der Suche nach einem Nachfolger und ungünstige steuerliche und regulatorische Maßnahmen.
Die Kommission wird ihre Arbeiten zur Erleichterung der Übertragung von Unternehmen fortsetzen und die Mitgliedstaaten bei ihren Bemühungen um die Schaffung eines übertragungsfreundlichen Unternehmensumfelds unterstützen. Mit der kürzlich verabschiedeten Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen bzw. die zweite Chance wurden viele Bedenken von in Schwierigkeiten befindlichen Unternehmen ausgeräumt, und die Kommission wird nun alle Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Bestimmungen in nationales Recht unterstützen, damit Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten Zugang zu angemessenen Unterstützungsdiensten erhalten, die ihnen dabei helfen, einen Konkurs zu vermeiden.
Förderung der Fairness in Beziehungen zwischen Unternehmen
KMU spielen eine wesentliche Rolle in einem immer dichteren Netz aus Unternehmen, Start-ups und KMU, die branchen- und wertschöpfungsübergreifend zusammenarbeiten, um die Produkte und Dienstleistungen der Zukunft zu schaffen. Es gilt, KMU und Start-up-Unternehmen in die strategischen Wertschöpfungsketten der EU einzubeziehen und ihren spezifischen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, damit sie im gesamten Binnenmarkt und weltweit zusammenarbeiten und expandieren können.
Aufgrund der zunehmenden Konzentration und vertikalen Integration in den Lieferketten handelt es sich bei den Hauptabnehmern von KMU häufig um viel größere Organisationen. Dies führt zu Ungleichgewichten in der Verhandlungsposition und erhöht das Risiko, dass kleine Unternehmen Opfer von unlauteren Geschäftspraktiken und -bedingungen, unter anderem hinsichtlich Zahlungsverzug und Zugang zu Daten, werden.
Die Zahlungsverzugsrichtlinie hat zwar die Verzögerungen sowohl bei Transaktionen zwischen Unternehmen als auch zwischen Unternehmen und Plattformen verringert, doch erhalten nur 40 % der Unternehmen in der EU ihre Zahlungen fristgerecht. Darüber hinaus ist Zahlungsverzug der Grund für jede vierte Insolvenz von KMU in der EU. Es muss ein klarer Wandel hin zu einer neuen Unternehmenskultur stattfinden, in der prompte Zahlungen die Norm sind. Zu diesem Zweck wird die Kommission die Umsetzung der Zahlungsverzugsrichtlinie unterstützen, indem sie darin starke Überwachungs- und Durchsetzungsinstrumente vorsieht. Ergänzend könnten über eine virtuelle Beobachtungsstelle Zahlungsverzögerungen überwacht, unlautere Zahlungspraktiken ermittelt und die Machbarkeit alternativer Streitbeilegungs-/Schlichtungsmechanismen für KMU für eine rasche Beilegung von Zahlungsstreitigkeiten im Geschäftsverkehr geprüft werden.
Nutzung der Vorteile von globalen Märkten
Globale Märkte sind eine wichtige Wachstumsquelle für KMU. Allerdings führen nur 600 000 KMU mit rund 6 Millionen Beschäftigten Waren aus der EU aus. Durch den Austausch bewährter Verfahren mit ihren Partnern in multilateralen und bilateralen Dialogen wird die Kommission ein KMU-freundliches Umfeld in Drittländern fördern. Sie wird außerdem ein neues Informationsportal einrichten, um KMU für handelspolitische Maßnahmen zu sensibilisieren, und ausführliche Informationen über Zollverfahren und -formalitäten für Ausfuhren in Drittländer bereitstellen.
Eine regelbasierte Öffnung des Handels kommt KMU in stärkerem Maße zugute als Großunternehmen, die über mehr Ressourcen zur Überwindung von Handelshemmnissen verfügen. Um KMU den Zugang zu internationalen Märkten zu erleichtern, handelt die Kommission laufend neue Handels- und Investitionsabkommen aus und geht gegen Handelshemmnisse vor, die KMU unverhältnismäßig stark benachteiligen. Die Kommission wird weiterhin spezielle KMU-Kapitel in alle ihre Handelsabkommen aufnehmen und KMU durch gezielte Maßnahmen in die Lage versetzen, die Vorteile der Abkommen zu nutzen, etwa durch die Vernetzung von KMU in internationalen Industrieclustern sowie über das EEN und das EU-KMU-Zentrum und durch Maßnahmen zur Unterstützung europäischer KMU bei der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen außerhalb der EU.
Die EU-Delegationen in Ländern, mit denen die EU ein Freihandelsabkommen geschlossen hat, werden Unterstützung leisten, indem sie Fragen zu praktischen Schwierigkeiten von KMU im Zusammenhang mit der Durchführung von Freihandelsabkommen beantworten.
Die EU ist entschlossen, unlautere Handelspraktiken durch handelspolitische Schutzinstrumente zu bekämpfen, wenn EU-Unternehmen, einschließlich KMU, durch gedumpte oder subventionierte Einfuhren geschädigt werden. Die Kommission verstärkt ihre gezielte Unterstützung für KMU, um ihnen den Zugang zu handelspolitischen Schutzinstrumenten und die Zusammenarbeit mit der Kommission bei Untersuchungen zu erleichtern.
Die neu geschaffene Funktion des Leitenden Handelsbeauftragten dient unter anderem dazu, die Einhaltung unserer Handelsabkommen zu überwachen und zu verbessern. Dadurch werden die Bemühungen zur Beseitigung von Handelshemmnissen, die sich auf KMU besonders auswirken, weiter intensiviert. Darüber hinaus wird sich die EU aktiv für eine gezielte wirtschaftliche Öffentlichkeitsarbeit und Diplomatie für KMU einsetzen, um ihnen den Zugang zu Drittlandsmärkten zu erleichtern. Das Programm „Erasmus für junge Unternehmer weltweit“ wird europäischen Unternehmern weitere Gelegenheiten bieten, neue Erfahrungen auf Drittlandsmärkten zu sammeln.
WICHTIGSTE MAẞNAHMEN:
·Der KMU-Beauftragte der EU und das Netzwerk der nationalen KMU-Beauftragten werden zur Arbeit der Taskforce der Kommission für die Durchsetzung des Binnenmarkts beitragen; die Einsetzung dieser Taskforce ist im Aktionsplan für die Durchsetzung vorgesehen und soll – im Interesse eines möglichst geringen Verwaltungsaufwands für KMU – unter anderem verhindern, dass es im Zuge der Umsetzung von Richtlinien zu Überregulierung kommt.
·Die Kommission wird die Mitgliedstaaten auffordern, das einheitliche digitale Zugangstor KMU-freundlich umzusetzen. Die Mitgliedstaaten sollten ihre Dienste über einen einheitlichen Ansprechpartner verknüpfen.
·Der KMU-Beauftragte der EU wird EU-Initiativen systematisch prüfen und die Kommission jene hinweisen, die aus der Sicht der KMU besondere Aufmerksamkeit verdienen und für die neue Plattform „Fit for Future“ von besonderer Bedeutung sind.
·Die Kommission wird die Mitgliedstaaten mithilfe des sogenannten EU Start-up Nations Standard dazu motivieren, bewährte Verfahren auszutauschen und zu übernehmen, um High-Tech-KMU und Start-ups ein schnelleres Wachstum zu ermöglichen.
·Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten und ihre öffentlichen Auftraggeber auf, die Flexibilität, die der neue EU-Rahmen für die Vergabe öffentlicher Aufträge bietet, unter anderem durch die Nutzung digitaler Instrumente und Plattformen zur Förderung einer grenzübergreifenden Auftragsvergabe für die Verbesserung der Chancen von KMU zu nutzen. Die Kommission wird den öffentlichen Auftraggebern Leitlinien und Unterstützung zur Verfügung stellen.
·Die Kommission wird die Mitgliedstaaten durch ein Pilotprojekt dazu ermutigen, Vorschläge für sogenannte regulatorische Sandkästen auszuarbeiten.
·Die Kommission wird einen Aufruf für Pionierpartnerschaften zwischen Grenzregionen veröffentlichen, um die Zusammenarbeit bei der Durchsetzung des Binnenmarkts und der Beseitigung administrativer Hindernisse zu vertiefen.
·Die Kommission wird die Mitgliedstaaten bei der Durchsetzung der Zahlungsverzugsrichtlinie unterstützen, indem sie Überwachungs- und bessere Durchsetzungsinstrumente einführt und die Durchführbarkeit alternativer Streitbeilegungs- und Schlichtungsmechanismen für KMU prüft.
·Die Kommission wird die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit und zwischen KMU im Rahmen des Europäischen Verteidigungsfonds erleichtern und die Stärken ihres Forschungs- und Innovationsökosystems erfassen.
·Die Kommission wird „CASSINI“, eine Initiative für Weltraumunternehmertum, auf den Weg bringen.
·Die Kommission wird die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der kürzlich angenommenen Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen und die zweite Chance unterstützen, indem sie ihnen dabei hilft, Frühwarnmechanismen für Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten zwecks Vermeidung einer Insolvenz einzurichten.
·Die Kommission wird gemeinsam mit den Mitgliedstaaten prüfen, wie ein günstiges Umfeld für die Übertragung von KMU geschaffen werden kann.
·Die Kommission wird den Zugang von KMU zu Drittlandsmärkten weiter verbessern‚ unter anderem durch spezielle KMU-Kapitel, die Nutzung von Dialogen zum Austausch bewährter Verfahren mit Handelspartnern und ein neues Informationsportal. Die Kommission wird den Zugang zu handelspolitischen Schutzinstrumenten erleichtern.
·Die EU-Delegationen werden Unterstützung leisten, indem sie Fragen von KMU im Zusammenhang mit den Freihandelsabkommen beantworten.
·Die Kommission wird das Programm Erasmus für junge Unternehmer weltweit ausweiten.
4.Verbesserung des Zugangs zu Finanzierungsmöglichkeiten
Für KMU ist es von entscheidender Bedeutung, auf Finanzierungen zurückgreifen zu können, um die für den Übergang erforderlichen Investitionen zu erbringen. In allen Phasen ihrer Entwicklung ist es für kleine Unternehmen jedoch schwieriger als für Großunternehmen, an Finanzmittel zu gelangen. Bei Jungunternehmern und Start-up-Unternehmen kann dies eine Vielzahl von Gründen haben: Sie können beispielsweise ihre finanzielle Zuverlässigkeit nicht ausreichend nachweisen, es fehlen Sicherheiten oder es liegen keine ausreichenden Informationen für Anleger vor, damit diese das Kreditrisiko bewerten oder die immateriellen Vermögenswerte einschätzen können. Die Verbesserung des Zugangs zu Finanzierungen erfordert einen Ansatz, der ein günstiges Regelungsumfeld, eine ausreichende und abgestimmte Finanzierung auf EU- und nationaler Ebene sowie den Zugang zu Unternehmens- und Investorennetzen miteinander verbindet.
Trotz umfangreicher Förderprogramme auf EU- und nationaler Ebene sind KMU in Europa mit einer großen Finanzierungslücke von 20-35 Mrd. EUR konfrontiert, und in einigen Mitgliedstaaten ist der Zugang zu Finanzmitteln nach wie vor eines ihrer Hauptprobleme. Im Jahr 2019 erhielten 18 % der KMU in der EU nicht das gesamte Bankdarlehen, mit dem sie gerechnet hatten. Dadurch geraten KMU ins Hintertreffen, da sie etwa 90 % ihres Finanzierungsbedarfs über Banken decken. Die EU-Bankenregulierung muss die Grundlage für ein stabiles Bankensystem bilden, das allen Unternehmen angemessene Finanzmittel zur Verfügung stellt. Im EU-Bankenpaket wurde das Element zur Unterstützung von KMU beibehalten und auf alle Darlehen für KMU ausgeweitet. Die Kommission wird sicherstellen, dass künftige Finanzmarktvorschriften den Interessen der europäischen KMU Rechnung tragen und deren reibungslosen Zugang zu einer breiten Palette von Finanzierungsmöglichkeiten unterstützen.
Wie kann man die Finanzierungsquellen diversifizieren und mehr KMU dazu bringen, „anlagereif“ zu werden?
Gleichwohl müssen die Finanzierungsquellen diversifiziert werden. Das in europäische Unternehmen investierte Risikokapital nahm 2018 um 13 % auf 8 Mrd. EUR zu, und der Anteil des von außerhalb Europas beschafften Beteiligungskapitals stieg im Jahr 2018 von 7 % auf 20 %. Allerdings griffen lediglich 10 % der Unternehmen in Europa – im Vergleich zu über 25 % in den USA – auf Kapitalmarktfinanzierungen zurück. Die europäischen Risikokapitalinvestitionen fallen etwa achtmal geringer aus als in den USA und reichen daher nicht aus, um das Wachstum europäischer Unternehmen zu finanzieren.
Innovative, schnell wachsende KMU und Start-up-Unternehmen mit hohem Kapitalbedarf lassen sich häufig im Ausland nieder, um Risikokapital zu beschaffen. Dies stellt für Europa nicht nur eine Gefahr im Hinblick auf technologische Unabhängigkeit, Wachstum und Beschäftigung dar, sondern wirkt sich darüber hinaus auch auf den Bestand an KMU im weiteren Sinne aus.
Zudem ist es möglich, dass europäische Investoren angesichts von Schwierigkeiten bei der Bewertung des Marktpotenzials und/oder des den neuen technischen Dienstleistungen oder Produkten eines KMU zugrunde liegenden geistigen Eigentums zögern, in Start-up-Unternehmen zu investieren. Dadurch wird es schwieriger, den Wert des Start-up-Unternehmens als solches einzuschätzen. Dienstleister, die eine Sorgfaltsprüfung unter technologischen Aspekten vornehmen, sogenannte Tech-Due-Diligence-Dienste, sind zu solchen Einschätzungen in der Lage und waren damit in anderen Regionen bereits erfolgreich, sind aber in Europa noch nicht ohne Weiteres verfügbar. Letztlich kommen derartige Dienste allen Beteiligten zugute: den KMU, potenziellen Investoren und dem Innovationsökosystem im weiteren Sinne. Im Rahmen eines EU-Pilotprojekts könnten High-Tech-Start-ups und gereifte technologisch hochspezialisierte KMU auf der Grundlage der jeweiligen Technologie und des Portfolios an geistigem Eigentum genauer bewertet werden.
In Europa müssen mehr private Investitionen freigesetzt werden. Die Kommission wird beispielsweise durch die ESCALAR-Initiative neue Wege der Risikoteilung mit dem Privatsektor erschließen, um das Volumen von Risikokapitalfonds zu erhöhen, sie wird ihre Investitionsbemühungen verstärken und auf einen überarbeiteten Aktionsplan für die Kapitalmarktunion hinarbeiten. Durch die Kapitalmarktunion sollen die Finanzierungsquellen für Unternehmen in allen Entwicklungsphasen diversifiziert werden.
Schaffung der Grundlagen für einen Fonds für den Börsengang von KMU (KMU-IPO-Fonds)
Für KMU in Europa sind die Möglichkeiten der Wachstumsfinanzierung, z. B. die Notierung an den Kapitalmärkten im Rahmen eines Börsengangs (Initial Public Offering – IPO) begrenzt. Die Kapitalmärkte sind eine wichtige Finanzierungsquelle für KMU, die zu Midcap-Unternehmen und letztlich Großunternehmen heranwachsen. Die Zahl der KMU-Börsengänge fiel jedoch nach der Finanzkrise drastisch und hat sich seither nicht erholt. Im Jahr 2019 waren die europäischen Börsengänge weiter rückläufig; gegenüber 2018 gingen sie nach Wert und Zahl um 40 % bzw. 47 % zurück. Viele institutionelle Anleger beteiligen sich nicht ausreichend an der Finanzierung von KMU.
Um hier Abhilfe zu schaffen, könnte eine öffentliche Finanzierung als Ankerinvestment dienen, damit sich mehr private Investoren für wachstumsstarke, innovative KMU interessieren, die sich in der Phase des Börsengangs befinden. Ein KMU-IPO-Fonds würde KMU während des Verfahrens zur Börsennotierung und darüber hinaus unterstützen. Er wird dabei auf der Analyse des EU-Markts für Erstemissionen und auf Tests mit Investoren und Interessenträgern aufbauen.
Schaffung eines günstigeren und inklusiveren Umfelds für den Zugang zu Finanzierungen
In den letzten Jahren ist die Forschung zu KMU-Investitionen erheblich zurückgegangen. Bei der Überprüfung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente, die die Kommission 2020 durchführen wird, wird untersucht, wie die Forschung zu KMU gefördert werden kann.
FinTech-Innovationen auf der Grundlage der Distributed-Ledger-Technologie („Blockchain“) können KMU neue Möglichkeiten eröffnen, direkt mit Investoren in Kontakt zu treten, entweder über vertrauenswürdige Vermittler oder unmittelbar auf dezentralem Weg. Damit können KMU Kryptoanlagen und digitale Token ausgeben, beispielsweise als Anleihen. Diese sind für Anleger attraktiv, da sie sofort gehandelt werden können. Dies ist eine Möglichkeit, KMU eine schnellere, effizientere und kostengünstigere Finanzierung zu bieten. Die Kommission wird die Nutzung von Kryptoanlagen und die Einführung digitaler Token durch KMU, Investoren und Intermediäre im Einklang mit der künftigen EU-Strategie zur Digitalisierung des Finanzsektors erleichtern.
Dank der Vorschriften über staatliche Beihilfen können KMU und Risikokapitalfinanzierung auf nationaler Ebene erheblich unterstützt werden. Die Kommission strafft und überprüft die einschlägigen EU-Beihilfevorschriften bis Ende 2021, um sicherzustellen, dass sie weiterhin ihren Zweck erfüllen. Bei der Überprüfung wird die Kommission darauf achten, dass die Vorschriften die Beteiligung von KMU an wichtigen Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (IPCEI) begünstigen.
Auch die mangelnde Vielfalt bei den Investitionsempfängern trägt dazu bei, dass das Reservoir an Talenten schrumpft und Innovation verkümmern. Frauen gründeten ein Drittel der Unternehmen in Europa, aber ihre Unternehmen sind bei der Beschaffung von Risikokapital unterrepräsentiert. Im Jahr 2019 gingen mehr als 92 % des von europäischen Technologieunternehmen aufgenommenen Wagniskapitals an rein männliche Gründungsteams. Das Programm „InvestEU“ zur Finanzierung künftiger Investitionen in der EU könnte dazu beitragen, Investitionen in und mit Frauen anzukurbeln und gezielte Unterstützung bereitzustellen, um die Kette investierbarer von Frauen geleiteter Unternehmen und Fonds im Rahmen einer gleichstellungsorientierten Finanzierungsinitiative zu erweitern. Darüber hinaus wird sich die Zahl der von Frauen geführten KMU, die vom voll arbeitsfähigen EIC profitieren, verdreifachen.
Mobilisierung von EU-, nationalen und privaten Finanzmitteln für KMU durch InvestEU
Im Zeitraum 2014-2018 trugen die Finanzierungsinstrumente der EU dazu bei, Finanzierungen in Höhe von 100 Mrd. EUR, insbesondere für KMU, in Form von Fremd- und Beteiligungsfinanzierungen zu mobilisieren. Mit der EU-Investitionsoffensive sollen mehr als eine Million KMU unterstützt werden. Es bedarf jedoch weiterer Unterstützung seitens der EU und der Mitgliedstaaten, um die Finanzierungslücke der KMU zu verringern.
Im Rahmen des KMU-Finanzierungsfensters von „InvestEU“ wird die Kommission auf den positiven Erfahrungen mit den bestehenden KMU-Bürgschaftsregelungen der EU aufbauen. Sie wird eine einzige integrierte Garantiefazilität schaffen, die sich an KMU richtet, die als stark risikobehaftet gelten oder über unzureichende – auch innovative – Sicherheiten verfügen, der Kultur- und Kreativbranche angehören, die von ressourcen- und energieintensiven Modellen auf nachhaltigere umsteigen und solche, die digitale Geschäftspraktiken übernommen haben. Im Rahmen des KMU-Finanzierungsfensters von „InvestEU“ werden Beteiligungsfinanzierungen für KMU und Midcap-Unternehmen in Bereichen von besonderem Interesse für die EU-Politik wie Weltraum und Verteidigung, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Innovation, gleichstellungsorientierte Finanzierung sowie technologieintensive Innovationen („Deep tech“) und umweltfreundliche Technologien unterstützt. Beispielsweise können Finanzierungen durch die EU-Mitgliedstaaten und den Privatsektor gebündelt werden, um innovativen KMU und Start-up-Unternehmen, die umweltfreundliche Technologien entwickeln und nutzen, den Zugang zu Eigenkapitalfinanzierung zu erleichtern. „InvestEU“ wird eine Finanzierung in allen Entwicklungsphasen von der Gründung bis zur Expansion und zum Börsengang ermöglichen. Das Programm wird dazu beitragen, private Mittel von Investoren wie Business Angels, Family Offices, Risikokapitalfonds, Pensionsfonds und Versicherungsgesellschaften zu mobilisieren.
Die Kommission wird eng mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um Finanzmittel zu bündeln und geografische Ungleichgewichte bei Investitionen und Zugang zu Finanzmitteln anzugehen, insbesondere im Rahmen der Initiative zur Förderung der digitalen Innovation und Unternehmensexpansion („Digital Innovation and Scale-up“)
. Darüber hinaus wird das Finanzierungsfenster „Soziale Investitionen und Kompetenzen“ von „InvestEU“ den Zugang zu Mikrofinanzierung, Finanzierung von Sozialunternehmen sowie zu sozialen Investitionen und Kompetenzen verbessern.
WICHTIGSTE MAẞNAHMEN:
·Die Kommission wird Börsengänge (Initial Public Offerings – IPO) von KMU durch Investitionen unterstützen‚ die über einen neuen vom Privatsektor und der öffentlichen Hand getragenen Fonds fließen, der im Rahmen des Programms „InvestEU“ ab 2021 innerhalb der Kapitalmarktunion entwickelt werden soll.
·Die Kommission wird einen Mechanismus zur Belohnung erstmaliger Investitionen in bestimmte Arten von Risiken einführen, um das Volumen von Risikokapitalfonds zu erhöhen und private Investitionen für Expansionsvorhaben zu mobilisieren, die im Rahmen der ESCALAR-Initiative unterstützt werden.
·Die Kommission wird eine Initiative für gleichstellungsorientierte Finanzierung auf den Weg bringen, um die Finanzierung von Unternehmen und Fonds zu fördern, die von Frauen geführt werden, sowie Unternehmertum von Frauen zu fördern.
·Die Kommission wird eine Investitionsinitiative für grüne Technologien auf den Weg bringen, um Finanzmittel der EU, der Mitgliedstaaten und des Privatsektors zu bündeln, damit innovative KMU und Start-up-Unternehmen, die Lösungen mit umweltfreundlichen Technologien entwickeln und einführen, besser an Beteiligungskapital herankommen.
·Die Kommission wird unter Nutzung der Europäischen Infrastruktur für Blockchain-Dienste eine Initiative auf Basis der Blockchain-Technologie auf den Weg bringen, die die Ausgabe und den Handel von KMU-Anleihen in ganz Europa ermöglicht.
·Die Kommission wird im Rahmen eines EU-Pilotprojekts Tech-Due-Diligence-Dienste kofinanzieren, um präzisere Bewertungen von High-Tech-Start-ups zu ermöglichen und deren Anlagereife vorzubereiten.
·Die Kommission wird die bestehenden Vorschriften für staatliche Beihilfen in Bezug auf Kombinationen nationaler Fonds mit den Programmen „InvestEU“ und „Horizont 2020“ weiter vereinfachen. Dies wird es KMU erleichtern, von gebündelten Ressourcen zu profitieren, um sie beim doppelten Übergang zu unterstützen. Darüber hinaus wird die Kommission im Rahmen der fortlaufenden Überprüfung der Vorschriften für staatliche Beihilfen die einschlägigen Regeln im Bereich der Risikofinanzierung und die IPCEI-Mitteilung überarbeiten‚ um die Beteiligung von KMU weiter zu fördern, die Einbindung privater Investitionen zu gewährleisten und gleichzeitig Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.
5.Governance: eine umsetzungsorientierte Partnerschaft zwischen der EU und den Mitgliedstaaten
Die KMU-Strategie muss durch Engagement und konkrete Maßnahmen auf der Ebene der EU wie auch der Mitgliedstaaten gekennzeichnet sein. Da viele KMU in regionalen und lokalen Ökosystemen tief verwurzelt sind, in denen sie für Beschäftigungs- und Ausbildungsmöglichkeiten, Steuereinnahmen und soziale Sicherheit sorgen, müssen sich auch die regionalen Behörden an diesem Engagement beteiligen. Die Umsetzung der Strategie wird durch eine starke Partnerschaft aller Akteure (EU, nationale, regionale und lokale Behörden, KMU und Investoren) unterstützt, die allesamt dafür verantwortlich sind. Hierfür gilt es, regelmäßig über die erzielten Fortschritte Bilanz zu ziehen sowie Messungs- und Überwachungstätigkeiten durchzuführen.
Das Netz der KMU-Beauftragten ist ein wichtiges Instrument zur Verwirklichung dieser Partnerschaft zwischen der EU und den Mitgliedstaaten. Als Vertretung der für die KMU-Politik zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten fungiert es als Schnittstelle, über die diese nationalen Behörden, die Wirtschaft vor Ort und die EU verknüpft sind. Mit der Verlängerung des Mandats des Netzes im Jahr 2020 wird seine Rolle aufgewertet und die Interaktion mit regionalen Stellen und Behörden gestärkt.
Die Kommission wird einen hochrangigen KMU-Beauftragten der EU ernennen, der die Arbeit des Netzes vorantreiben und damit die Umsetzung der Strategie und die Anwendung des Grundsatzes „Vorfahrt für KMU“ in allen Politikbereichen der EU sicherstellen wird. Der KMU-Beauftragte der EU wird auch die Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten genau verfolgen. Damit die KMU-Strategie in allen Politikbereichen stärkere Berücksichtigung findet, wird der KMU-Beauftragte der EU in den Prozess des Europäischen Semesters eng eingebunden sein. Der KMU-Beauftragte der EU wird in einem regelmäßigen Dialog mit dem Ausschuss für Regulierungskontrolle und auch im Rahmen der Plattform „Fit for Future“ das Bewusstsein für jene Aspekte schärfen, die in der Agenda der Kommission für bessere Rechtsetzung einen Bezug zur KMU-Thematik aufweisen.
Ergänzend zu den Tätigkeiten des Netzes der KMU-Beauftragten (des öffentlichen Sektors) wird die Kommission auch eng mit den Botschaftern für strategisches Unternehmertum zusammenarbeiten, bei denen es sich um eine neue Beratungsgruppe aus Unternehmerinnen und Unternehmern aus ganz Europa handelt, die als „Sounding Board“ fungieren wird.
Die neue Strategie wird einer regelmäßigen Überprüfung unterzogen werden. Die Kommission wird auch in Zukunft jährlich eine optimierte KMU-Leistungsüberprüfung veröffentlichen. Diese Überprüfung wird auch start-up-freundliche Maßnahmen auf nationaler Ebene (Index „Europe Startup Nations“), die Beteiligung von KMU an nachhaltigen Geschäftsgepflogenheiten sowie die Digitalisierung von KMU (DESI-Index) zum Gegenstand haben. Sie wird auf der jährlichen KMU-Versammlung präsentiert und erörtert, damit lokale Interessenträger und eine breitere KMU-Gemeinschaft die Möglichkeit erhalten, sich aktiv einzubringen.
Das Netz der KMU-Beauftragten und andere EU-Organe werden in die Überwachung der Umsetzung der Strategie einbezogen, beispielsweise durch den jährlichen Bericht der KMU-Beauftragten, der dem Rat „Wettbewerbsfähigkeit“ vorgelegt wird, sowie durch einen regelmäßigen Dialog mit dem Europäischen Parlament. Im Hinblick auf die Abfassung dieses Berichts wird der KMU-Beauftragte der EU – zusammen mit den nationalen KMU-Beauftragten – bei einem Treffen mit den für KMU-Fragen zuständigen Politikern und anderen Interessenträgern in den Mitgliedstaaten auch KMU-relevante Fragen erörtern, die im Rahmen des Europäischen Semesters ermittelt wurden. Auf der Grundlage von Analysen, die mithilfe dieser Bewertungsmechanismen erstellt wurden, wird sich der KMU-Beauftragte der EU mit den nationalen KMU-Beauftragten abstimmen, um in Kooperation mit lokalen Wirtschaftsakteuren nationale Umsetzungspläne für diese KMU-Strategie zu entwickeln.
Die KMU-Definition der EU ist ein zentrales Instrument, um dafür Sorge zu tragen, dass diese Strategie auf die richtige Zielgruppe ausgerichtet ist und jenen Unternehmen Vorteile und Unterstützung bietet, die diese am dringendsten benötigen. Die Kommission überprüft regelmäßig, ob die Definition zweckdienlich ist. Wie aus einer kürzlich durchgeführten öffentlichen Konsultation sowie aus Studien und Erhebungen hervorgeht, erfüllt die Definition ihren Zweck. Sie ist für die überwältigende Mehrheit der kleinen und unabhängigen KMU in der EU leicht anzuwenden. Die Kommission wird sich mit konkret aufgeworfenen Fragen, die z. B. komplexe Eigentumsstrukturen oder etwaige Lock-in-Effekte betreffen, weiter befassen und darüber Bericht erstatten.
WICHTIGSTE MAẞNAHMEN:
·Die Kommission wird einen hochrangigen KMU-Beauftragten der EU ernennen.
·Die Kommission wird das Netzwerk der KMU-Beauftragten und damit die Verknüpfung zwischen der EU mit der nationalen Ebene im Bereich der KMU-Politik stärken.
·Die Kommission wird eine Gruppe von Botschaftern für strategisches Unternehmertum ins Leben rufen.
·Der KMU-Beauftragte der EU wird in einem regelmäßigen Dialog mit dem Ausschuss für Regulierungskontrolle das Bewusstsein für jene Aspekte schärfen, die einen Bezug zur KMU-Thematik aufweisen.