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Document 52018IP0527

    Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. Dezember 2018 zu Tansania (2018/2969(RSP))

    ABl. C 388 vom 13.11.2020, p. 137–140 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    13.11.2020   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 388/137


    P8_TA(2018)0527

    Tansania

    Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. Dezember 2018 zu Tansania (2018/2969(RSP))

    (2020/C 388/14)

    Das Europäische Parlament,

    unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Tansania, einschließlich seiner Entschließung vom 12. März 2015 (1),

    unter Hinweis auf die am 15. November 2018 im Namen der EU abgegebene Erklärung der Hohen Vertreterin Federica Mogherini zu den Beziehungen zwischen der EU und Tansania,

    unter Hinweis auf die vor Ort abgegebene Erklärung der EU vom 23. Februar 2018 zum Aufkommen politisch motivierter Gewalt und Einschüchterung in Tansania,

    unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 16. Juni 2016 zur Gleichstellung von LGBTI,

    unter Hinweis auf die Stellungnahme von Michelle Bachelet, Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR), vom 2. November 2018 zur Verfolgung und Festnahme von LGBT-Personen in Tansania,

    unter Hinweis auf den Maßnahmenkatalog des Rates der EU zur Förderung und zum Schutz der Ausübung aller Menschenrechte durch Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender-Personen (LGBT-Maßnahmenkatalog),

    unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau,

    unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes,

    unter Hinweis auf die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker,

    unter Hinweis auf das AKP-EU-Partnerschaftsabkommen („Abkommen von Cotonou“),

    gestützt auf Artikel 135 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

    A.

    in der Erwägung, dass seit der Wahl des tansanischen Präsidenten John Pombe Magufuli im Jahr 2015 grundlegende Rechte in Tansania durch repressive Gesetze und Dekrete untergraben werden; in der Erwägung, dass kritische Journalisten, Oppositionspolitiker und entschiedene Verteidiger der Zivilgesellschaft mit Drohungen, willkürlichen Festnahmen und Schikanierung zu kämpfen hatten;

    B.

    in der Erwägung, dass die Zahl der Fälle von Stigmatisierung und Gewalt gegen LGBTI-Personen sowie von gezielten Inhaftierungen Angehöriger der LGBTI-Gemeinschaft in den vergangenen zwei Jahren in dem Land gestiegen ist; in der Erwägung, dass nach tansanischem Recht gleichgeschlechtliche Beziehungen Straftaten sind, die mit Haftstrafen von 30 Jahren bis hin zu lebenslangen Freiheitsstrafen geahndet werden können; in der Erwägung, dass die Gesetzgebung Tansanias gegen Homosexualität zu den schärfsten weltweit zählt;

    C.

    in der Erwägung, dass mutmaßliche Schwule in Tansania Analuntersuchungen unterzogen werden, einem diskreditierten Verfahren zum „Nachweis“ homosexuellen Verhaltens, das die Vereinten Nationen ebenso wie die Afrikanische Kommission für die Menschenrechte und Rechte der Völker als Folter angeprangert haben;

    D.

    in der Erwägung, dass der Gouverneur von Daressalam, Paul Makonda, ein prominenter Verfechter der Unterdrückung ist; in der Erwägung, dass er am 31. Oktober 2018 bei einer Pressekonferenz ankündigte, eine Task Force einrichten zu wollen, um Schwule, Prostituierte und Personen aufzuspüren, die betrügerische Spendenaufrufe in den sozialen Medien durchführen; in der Erwägung, dass er die Öffentlichkeit aufforderte, mutmaßlich homosexuelle Personen den Behörden zu melden;

    E.

    in der Erwägung, dass das Gesundheitsministerium die Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit HIV und AIDS auf kommunaler Ebene vorübergehend ausgesetzt hat und Anlaufstellen für Hochrisikogruppen, darunter Schwule, schließen ließ; in der Erwägung, dass es am 17. Februar 2017 insgesamt 40 Gesundheitszentren schließen ließ, weil sie angeblich die Homosexualität förderten; in der Erwägung, dass den Berichten mehrerer Organisationen zufolge das Vorgehen gegen die LGBTI-Gemeinschaft dazu geführt hat, dass HIV-positive Männer keinen Zugang mehr zu ihrer Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten haben, wohingegen andere sich nicht mehr an Test- und Präventionsdienste wenden;

    F.

    in der Erwägung, dass im November 2018 in Sansibar zehn Männer festgenommen wurden, weil sie angeblich eine gleichgeschlechtliche Eheschließung vollzogen; in der Erwägung, dass am 17. Oktober 2018 insgesamt 13 Gesundheitsaktivisten und Menschenrechtsverteidiger inhaftiert wurden, weil sie an einem Treffen teilgenommen hatten, bei dem über ein Gesetz zur Beschränkung des Zugangs von LGBTI-Personen zu bestimmten Gesundheitsdiensten diskutiert wurde;

    G.

    in der Erwägung, dass viele Kinder und Jugendliche, insbesondere Mädchen, Menschenrechtsverstößen und schädlichen Praktiken ausgesetzt sind, beispielsweise der weit verbreiteten sexuellen Gewalt, körperlicher Züchtigung, Kinderehen und Schwangerschaften im Teenageralter, was ihren Schulbesuch erschwert oder verhindert; in der Erwägung, dass die tansanische Regierung den Zugang zu Diensten im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit behindert und Organisationen einschüchtert, die über derlei Dienste informieren;

    H.

    in der Erwägung, dass Präsident Magufuli am 22. Juni 2018 eine Erklärung veröffentlichte, wonach schwangere Mädchen vom Schulbesuch ausgeschlossen wurden; in der Erwägung, dass die Behörden zivilgesellschaftliche Organisationen einschüchtern, die für das Recht schwangerer Mädchen auf einen erneuten Schulbesuch eintreten;

    I.

    in der Erwägung, dass die tansanische Kommission für Menschenrechte und verantwortungsvolle Staatsführung eine Zeitlang nicht tätig war; in der Erwägung, dass Präsident Magufuli keine Mitglieder oder sonstigen Amtsträger der Kommission ernannt hat;

    J.

    in der Erwägung, dass die Regierung private Radiosender und Zeitungen geschlossen oder bedroht hat und keine Echtzeitübertragungen von Parlamentsdebatten mehr zulässt; in der Erwägung, dass Lokalsender geschlossen und Decoder, die Lokalsender übertragen, abgeschaltet wurden;

    K.

    in der Erwägung, dass die Nationalversammlung Tansanias 2015 das Gesetz gegen Cyberkriminalität und im September 2018 die Regelungen zu Online-Inhalten verabschiedete, um Inhalte in den sozialen Medien kontrollieren zu können; in der Erwägung, dass es dem Statistikgesetz von 2015 zufolge verboten ist, bestimmte Statistiken, die von der Regierung verbreitet werden, zu erörtern oder in Frage zu stellen;

    L.

    in der Erwägung, dass regelmäßig führende Angehörige der Opposition festgenommen werden, wobei die Vorwürfe von mutmaßlicher Beleidigung des Präsidenten bis hin zu Falschinformation und Volksverhetzung reichen; in der Erwägung, dass 20 Mitglieder der größten Oppositionspartei Tansanias im Juli 2018 festgenommen wurden, da sie angeblich Unruhe stifteten; in der Erwägung, dass seit Anfang 2018 mehrere Angehörige und Parlamentsmitglieder der politischen Opposition brutal angegriffen und sogar getötet wurden; in der Erwägung, dass am 22. Februar 2018 Godfrey Luena, ein Mitglied des Parlaments, Angehöriger der größten Oppositionspartei Tansanias Chama Cha Demokrasia na Maendeleo (CHADEMA) und entschiedener Verteidiger der Landrechte, in der Nähe seines Hauses mit Macheten getötet wurde; in der Erwägung, dass die Programmkoordinatorin des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ), Africa Angela Quintal, und ihre Kollegin Muthoki Mumo im November 2018 festgenommen und auf Druck seitens internationaler Einrichtungen wieder freigelassen wurden;

    M.

    in der Erwägung, dass die Entwicklung des Tourismus in den letzten Jahren zu mehr Wirtschaftstätigkeit geführt hat, insbesondere in der Region Serengeti, in der die Massai leben; in der Erwägung, dass die Kontrolle von Ackerflächen oder knappem Land zu Spekulationszwecken erhebliche Spannungen in dem Gebiet zur Folge hatte;

    N.

    in der Erwägung, dass der Leiter der EU, Roeland van de Geer, das Land verlassen musste, nachdem die tansanischen Behörden ihn immer stärker unter Druck gesetzt hatten; in der Erwägung, dass seit der Wahl von Präsident Magufuli die Leiterin von UN Women, der Leiter des UNDP und die Leiterin der UNESCO aus Tansania ausgewiesen wurden;

    O.

    in der Erwägung, dass die Hohe Vertreterin der Union Federica Mogherini eine umfassende Prüfung der Beziehungen der EU zu Tansania angekündigt hat;

    1.

    bringt seine Besorgnis angesichts der sich verschlechternden politischen Lage in Tansania zum Ausdruck, die dadurch geprägt ist, dass der öffentliche Raum immer kleiner wird, da die Tätigkeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Menschenrechtsverteidigern, Medien und zahlreichen politischen Parteien immer stärker eingeschränkt wird; ist besonders besorgt über die Verschlechterung der Situation von LGBTI-Personen;

    2.

    verurteilt jedwede Aufstachelung zu Hass und Gewalt aus Gründen der sexuellen Ausrichtung; fordert die Behörden Tansanias nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass Paul Makonda seine Provokationen gegen die LGBTI-Gemeinde einstellt und für seine Aufrufe zu Gewalt vor Gericht gestellt wird;

    3.

    fordert, dass in den Fällen der Angriffe und Überfälle auf Journalisten, LGBTI-Personen, Menschenrechtsverteidiger und Mitglieder der Oppositionsparteien unabhängige Ermittlungen eingeleitet werden, damit die mutmaßlichen Täter vor Gericht gestellt werden;

    4.

    weist die Regierung Tansanias darauf hin, dass sie — unter anderem im Rahmen des Cotonou-Abkommens — verpflichtet ist, die Rechte, die Würde und die körperliche Unversehrtheit aller Bürger des Landes unter allen Umständen zu schützen;

    5.

    fordert Tansania auf, die Gesetze aufzuheben, mit denen Homosexualität kriminalisiert wird;

    6.

    fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, den Maßnahmenkatalog zur Förderung und zum Schutz der Ausübung aller Menschenrechte durch Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender-Personen (LGBT-Maßnahmenkatalog) in vollem Umfang zu nutzen, um Drittländer dazu zu animieren, Homosexualität zu entkriminalisieren, zur Eindämmung von Gewalt und Diskriminierung beizutragen und Personen zu schützen, die für die Menschenrechte von LGBTI-Personen eintreten;

    7.

    fordert die Behörden Tansanias auf, alle in dem Gesetz gegen Cyberkriminalität, den Regelungen der elektronischen und postalischen Kommunikation (Regelungen zu Online-Inhalten) und dem Gesetz über Mediendienste enthaltenen restriktiven Bestimmungen zu überarbeiten und durch Bestimmungen zu ersetzen, mit denen die freie Meinungsäußerung und die Medienfreiheit im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsnormen gewährleistet werden;

    8.

    fordert die Behörden Tansanias auf, sämtliche Gesetze, politischen Maßnahmen oder sonstigen Hürden aufzuheben, mit denen Frauen, Mädchen und junge Mütter am Zugang zu Dienstleistungen und Informationen gehindert werden, die sie für ein gesundes Leben benötigen — insbesondere die Erklärung Präsident Magufulis, wonach Mädchen, die ein Kind geboren haben, nicht mehr in die Schule zurückkehren dürfen –, sowie die Regelungen aufzuheben, wonach es legal ist, dass schwangere Mädchen von der Schule ausgeschlossen werden;

    9.

    fordert den Präsidenten Tansanias nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass die Menschenrechtskommission des Landes so schnell wie möglich ihre Arbeit wiederaufnehmen kann, Kommissionsmitglieder zu ernennen, die Menschenrechtsverstößen nachgehen, und Maßnahmen zur Unterstützung tansanischer Bürger, die im Ausland arbeiten, einzuleiten;

    10.

    fordert die Behörden Tansanias auf, politische Gefangene freizulassen;

    11.

    ist zutiefst besorgt darüber, dass die Regierung Tansanias den Leiter der EU-Delegation, Roeland van de Geer, unter Druck setzt; begrüßt, dass die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten beschlossen haben, die politischen Maßnahmen der EU im Hinblick auf Tansania umfassend zu prüfen; verweist nachdrücklich auf die Bedeutung des politischen Dialogs, wenn es gilt, den Behörden Tansanias handfeste Zusagen zur Schaffung eines günstigen Umfelds für die Tätigkeit der Zivilgesellschaft, politischer Parteien und Medien abzuringen; fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass in das künftige AKP-EU-Partnerschaftsabkommen für den Zeitraum nach 2020 ein ausdrücklicher Hinweis auf das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung aufgenommen wird;

    12.

    bringt seine Besorgnis angesichts der Lage der Massai zum Ausdruck; verurteilt, dass die Behörden und Sicherheitskräfte Gewalt anwenden;

    13.

    fordert die Behörden Tansanias auf, entschieden zu handeln, um im Einklang mit der Verfassung Tansanias, der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker und den internationalen und regionalen Verpflichtungen des Landes die Rechte von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Menschenrechtsverteidigern, Journalisten, im Gesundheitswesen tätigen Personen und politischen Aktivisten zu schützen;

    14.

    fordert die EU auf, die Menschenrechtslage in Tansania weiterhin genau zu beobachten, insbesondere durch die regelmäßige Berichterstattung ihrer Delegation; fordert die Delegation und die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um in Notfällen Menschenrechtsverteidigern, die sich in Gefahr befinden, Schutz und Unterstützung angedeihen zu lassen;

    15.

    beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte, dem AKP-EU-Ministerrat, den Organen der Afrikanischen Union, den Organen der Ostafrikanischen Gemeinschaft sowie dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament Tansanias

    (1)  ABl. C 316 vom 30.8.2016, S. 122.


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