EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 4.12.2018
COM(2018) 785 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT EMPTY
Bericht über die Evaluierung des EU-Rahmens für nationale Strategien zur Integration der Roma bis 2020
{SWD(2018) 480 final}
1. Einleitung
Der EU-Rahmen für nationale Strategien zur Integration der Roma bis 2020
ist die erste auf Roma ausgerichtete EU-Initiative, die ein Follow-up-Verfahren vorsieht. Mit dem Rahmen soll in erster Linie gegen die sozioökonomische Ausgrenzung und Diskriminierung der Roma vorgegangen werden, und zwar durch Förderung eines gleichberechtigten Zugangs zu Bildung, Arbeit, Gesundheit und Wohnen. Um die EU-Integrationsziele für die Roma zu verwirklichen, wurden die Mitgliedstaaten aufgerufen, nationale Strategien zur Integration der Roma (National Roma Integration Strategies, NRIS)
zu erarbeiten und nationale Roma-Kontaktstellen (National Roma Contact Points, NRCP) einzurichten, um die Planung, Umsetzung und Überwachung dieser Strategien zu koordinieren. Der EU-Rahmen sah für jedes Integrationsziel für die Roma eine Reihe von Maßnahmen vor, die die Mitgliedstaaten ergreifen konnten. In den Erweiterungsländern wurde ein fünftes Ziel, nämlich der Zugang zu staatsbürgerlichen Dokumenten, hinzugefügt, und die EU ist bestrebt, die Heranführungshilfe zu verbessern, die Beteiligung der Zivilgesellschaft zu stärken und für eine bessere Überwachung zu sorgen.
Kasten 1: EU-Integrationsziele für die Roma
1. Sicherstellung, dass alle Roma-Kinder mindestens die Grundschule abschließen
2. Verringerung der Beschäftigungslücke zwischen den Roma und der restlichen Bevölkerung
3. Verringerung des Gefälles beim Gesundheitszustand
4. Verringerung der Kluft beim Zugang zu Wohnraum und zu öffentlichen Versorgungsleistungen
Als Reaktion auf die Schlussfolgerungen des Rates zur Beschleunigung des Prozesses der Integration der Roma
wurde der Zeitraum 2011-2017 bewertet. Der vorliegende Bericht fasst die Feststellungen der offenen öffentlichen Konsultation, die Ergebnisse der Bewertung und die wichtigsten Erkenntnisse zusammen, die daraus gewonnen wurden. Die vollständigen Ergebnisse sind der diesem Bericht beiliegenden Arbeitsunterlage enthalten.
2. Öffentliche Konsultation
Bei der Konsultation ging es darum, die Ursachen für die Ausgrenzung zu ergründen, Wege und Akteure zu finden, um dagegen vorzugehen, sowie zu ermitteln, welche vorrangigen Maßnahmen ergriffen werden sollten. Dabei wurden Meinungen zu den Errungenschaften, Herausforderungen und Fortschritten in Bezug auf die politische Entwicklung und die Lage der Roma erfasst, und zwar in den Bereichen Bildung, Beschäftigung, Gesundheit und Wohnen sowie hinsichtlich von Diskriminierung/Antiziganismus.
Die Ergebnisse spiegeln die Wahrnehmung von Interessengruppen wie den nationalen Roma-Kontaktstellen, der Organisationen der Zivilgesellschaft und den Einzelpersonen aus verschiedenen Mitgliedstaaten und Erweiterungsländern wider.
Die überwiegende Mehrheit der 240 Befragten ist der Meinung, dass die Lage der Roma in den fünf Bereichen schlechter ist als die Lage der Nicht-Roma, insbesondere was die Diskriminierung, die Beschäftigung und das Wohnen betrifft. Die meisten halten es auch für notwendig, dass sowohl die EU-Institutionen als auch nationale Behörden in all diesen Bereichen öffentliche Maßnahmen zur Verbesserung der Lage ergreifen.
Was Veränderungen seit 2011 anbelangt, sehen die meisten Menschen im Bildungsbereich eine Verbesserung. Während sich nach Auffassung vieler die Gesundheit verbessert hat, sind die Meinungen in Bezug auf die Beschäftigung geteilt. Was Wohnen und Diskriminierung betrifft, glauben weniger Menschen, dass es eine Verbesserung gibt und mehr Menschen, dass sich die Situation gerade verschlechtert.
Abbildung 1: Wahrgenommene Veränderungen der Lage der Roma seit 2011
Öffentliche Online-Konsultation
Was die Politikentwicklung auf EU-Ebene anbelangt, werden die größten Fortschritte im Bildungsbereich und bei der Bekämpfung der Diskriminierung wahrgenommen. Auch in den Bereichen Gesundheit und Beschäftigung sehen mehr Menschen eher eine Verbesserung als eine Verschlechterung der Lage. In Bezug auf die Wohnsituation überwogen die negativen Meinungen gegenüber den positiven. Bei der Politikentwicklung auf nationaler Ebene ist die Wahrnehmung in Bezug auf den Bildungs- und Gesundheitsbereich insgesamt eher positiv, während das Meinungsbild in Bezug auf die Beschäftigung, die Diskriminierung und insbesondere das Wohnen tendenziell negativ ausfällt.
Die Antworten lassen darauf schließen, dass die Strategien zur Integration der Roma sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene einen umfassenden Charakter aufweisen müssen, um tatsächlich Erfolge zu erzielen; sie müssen mindestens die Schlüsselbereiche des EU-Rahmens und die Bekämpfung des Antiziganismus vollständig umfassen. Aus einer Liste von 20 Prioritätsbereichen ging Bildung als eine klare Priorität hervor (67 % auf europäischer und 76 % auf nationaler Ebene), gefolgt von Beschäftigung (49 % auf europäischer und 57 % auf nationaler Ebene); mehr als ein Drittel der Befragten auf europäischer sowie auf nationaler Ebene wählten den Abbau von Diskriminierung und Antiziganismus sowie den Zugang zu Wohnraum und zur Gesundheitsversorgung als Prioritäten aus.
Die Notwendigkeit eines umfassenden Ansatzes wird auch dadurch deutlich, dass die Ausgrenzung erwiesenermaßen auf mehrere Ursachen zurückzuführen ist, die im Rahmen der Integrationsstrategien alle gleichzeitig angegangen werden müssen. Zu den Ursachen gehören in erster Linie die Diskriminierung und der Antiziganismus, ein beschränktes politisches Engagement, die mangelnde Teilhabe der Roma, begrenzte Kapazitäten auf Seite der Institutionen und unzureichende Finanzmittel.
So sind 60 % der Befragten der Meinung, dass die nationalen, regionalen und lokalen Behörden Unterstützung von der EU benötigen, um die Lage der Roma zu verbessern. Die Interessenvertreter halten die EU für wichtiger als die nationalen Behörden, wenn es darum geht, die europäischen Rechtsvorschriften gegen Diskriminierung und Rassismus zu überwachen und durchzusetzen oder die Entwicklung und Umsetzung ehrgeiziger Strategien zur Integration der Roma zu einer Voraussetzung für den Zugang zu Finanzmitteln zu machen. Von den nationalen Behörden wird hingegen erwartet, eine stärkere Rolle bei der Bekämpfung des Antiziganismus (etwa durch den Aufbau von gemeinsamen Roma- und Nicht-Roma-Gemeinschaften, die Durchführung von Schulungen zur Bekämpfung von Diskriminierung und zur Integration der Roma für Beamte oder durch die Aufnahme der Geschichte und Kultur der Roma in die Lehrpläne) sowie bei der Stärkung der Teilhabe der Roma zu spielen (politische Teilhabe, nationale Kooperationsforen, Kapazitätsaufbau, Beteiligung an der Entwicklung und Überwachung von Politiken).
Die Errungenschaften (Einordnung der Integration der Roma im oberen Bereich der politischen Agenda, EU-Finanzierung, Anerkennung des Antiziganismus als eigene Form der Intoleranz) werden eher der EU- als der nationalen Ebene zugeschrieben. Was die Herausforderungen in Bezug auf den Rahmen und die nationalen Strategien zur Integration der Roma anbelangt, so gaben die meisten der an der öffentlichen Konsultation teilnehmenden Interessenträger das Fehlen einer wirksamen systematischen Einbindung als übergreifende Herausforderung an (Ausrichtung öffentlicher Maßnahmen auf die Bedürfnisse der Roma).
3. Ergebnisse nach Bewertungskriterien
Bei der Bewertung wurden fünf Basiskriterien (Relevanz, Kohärenz, Wirksamkeit, Effizienz und EU-Mehrwert) und drei Zusatzkriterien (Gerechtigkeit, Koordinierung, Nachhaltigkeit) beurteilt. Die Zusatzkriterien werden nachstehend im Zusammenhang mit den Basisbewertungskriterien überprüft, mit denen sie am engsten verknüpft sind (Gerechtigkeit unter Relevanz, Koordinierung unter Wirksamkeit und Nachhaltigkeit unter EU-Mehrwert).
3.1. Relevanz
Bei der Analyse der Relevanz wird untersucht, ob die gesetzten Ziele den Bedürfnissen zu jener Zeit angemessen waren und heute immer noch relevant sind. Die Relevanz wird mit Einschränkungen insgesamt als positiv beurteilt. Die Bewertung bestätigt, dass die Prioritätsbereiche von zentraler Bedeutung für die Integration der Roma sind und auch heute noch gelten.
Bei der Bewertung wurden allerdings auch Mängel bei der ursprünglichen Auslegung des Rahmens festgestellt:
·Das Ziel im Bildungsbereich (dass alle Roma-Kinder zumindest einen Grundschulabschluss erwerben) war zwar relevant, aber nicht ehrgeizig.
·Der Abbau von Diskriminierung war ein allgemeines Ziel, ein Querschnittsthema ohne Formulierung eines spezifischen Ziels zur Bekämpfung der Diskriminierung. Die auf die Bekämpfung des Antiziganismus ausgerichteten Maßnahmen wurden als unzureichend befunden, obwohl der Rahmen in jedem Politikbereich Antidiskriminierungsmaßnahmen beinhaltete, der Antiziganismus in nachfolgenden politischen Dokumenten der EU als spezifische Form der Intoleranz anerkannt wurde
und sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene in Übereinstimmung mit EU-Rechtsvorschriften Schritte unternommen wurden, gegen Diskriminierung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vorzugehen.
·Im Rahmen wurde zwar die Vielfalt unter dem weit gefassten Überbegriff „Roma“
hervorgehoben, doch die Bewertung hat ergeben, dass innerhalb des Rahmens nur begrenzte Kapazitäten zur Verfügung standen, um dieser Vielfalt innerhalb der Roma-Bevölkerung konkret Rechnung zu tragen. Auf spezifische Gruppen innerhalb der Roma, die Geschlechterdimension oder die Mehrfachdiskriminierung (Gerechtigkeit) wurde nur in unzureichendem Maße eingegangen.
Um die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten zu achten, bietet der EU-Rahmen eine gewisse Flexibilität bei der Anpassung der darin festgelegten Ziele und Auswahl der Zielgruppen an den jeweiligen nationalen Kontext. Damit geht einher, dass die Relevanz des Rahmens sehr stark von der Angemessenheit und dem Ehrgeiz der Ziele und Maßnahmen abhängt, die in den nationalen Strategien zur Integration der Roma dargelegt sind. Ein solcher Ansatz kann zwar einerseits die Relevanz einzelner Maßnahmen steigern, die Bewertung hat allerdings ergeben, dass die Methode insgesamt zu einer fragmentierten Umsetzung beitrug und die Wirksamkeit somit beeinträchtigte.
3.2. Wirksamkeit
Bei der Wirksamkeitsanalyse wird untersucht, inwieweit bisher Fortschritte bei den im Rahmen festgelegten Zielen erreicht wurden, sowohl im Hinblick auf die Integrationsziele für die Roma als auch bei der Einrichtung von Instrumenten und Strukturen für die Integration der Roma auf EU- und nationaler Ebene (Koordinierung).
Die Wirksamkeit in Bezug auf die Fortschritte bei den Integrationszielen für die Roma wird insgesamt als begrenzt bewertet, wobei es erhebliche Unterschiede zwischen einzelnen Bereichen und Ländern gibt
. Die größten Fortschritte gab es in der Bildung (verringerte Zahl der Schulabbrecher, Verbesserungen bei der frühkindlichen Bildung und im Pflichtschulbereich, aber verstärkte Segregation). Nach eigener Wahrnehmung hat sich der Gesundheitszustand der Roma verbessert, die medizinische Versorgung ist aber nach wie vor begrenzt. Beim Zugang zur Beschäftigung wurde keine Verbesserung festgestellt und der Anteil der jungen Roma, die sich weder in Ausbildung noch in Beschäftigung befinden (NEET) hat sogar zugenommen. Die Wohnsituation ist nach wie vor schwierig. Gewisse Fortschritte wurden hingegen beim allgemeinen Ziel der Armutsbekämpfung festgestellt. Antiziganismus und Hassverbrechen geben nach wie vor Anlass zur Sorge, obwohl sich die Diskriminierungserfahrungen der Roma beim Zugang zu Dienstleistungen in einigen Bereichen nachweislich verringerten.
Abbildung 2: Veränderungen der Lage der Roma in den einzelnen Politikbereichen und bei den Armutsverhältnissen im Zeitraum 2011-2016; Diskriminierung in einzelnen Bereichen und Antiziganismus
FRA (Agentur der Europäischen Union für Grundrechte) 2011, 2016, 2017
Die Wirksamkeit bei der Koordinierung wird auf der EU-Ebene als positiv und auf nationaler Ebene als begrenzt bewertet. Den Ergebnissen der Bewertung zufolge ist es mit dem Rahmen gelungen, Instrumente und Verwaltungsstrukturen aufzubauen oder zu stärken, die Zusammenarbeit zwischen den an der Integration der Roma beteiligten Akteuren zu verbessern und deren Kapazitäten zu steigern. Durch den Rahmen wurde die Zusammenarbeit verschiedener Interessenträger auf EU- und nationaler Ebene weiter verbessert, doch die Teilhabe wirkt sich bisher noch nicht stark genug auf die Gestaltung der Politik und von Dienstleistungen aus. Auf nationaler Ebene führte der Rahmen zwar zur Entwicklung diverser Instrumente – nationale Roma-Strategien, Kontaktstellen (NRCP) und Plattformen – doch die gemeinsame Ausrichtung der nationalen Strategien zur Integration der Roma einerseits und der Integrationsziele für die Roma andererseits ist noch unvollständig. Wie im Zuge der Bewertung festgestellt wurde, mangelt es mehreren NRCP immer noch an institutionellem Gewicht, Ressourcen und Kapazitäten, wenngleich sich die Zusammenarbeit von öffentlichen Verwaltungsbehörden untereinander sowie die Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Verwaltung und anderen Beteiligten durch die Einrichtung nationaler Roma-Kontaktstellen verbessert hat.
3.3. Kohärenz
Bei der Kohärenzanalyse geht es darum, festzustellen, wie gut der EU-Rahmen mit anderen EU- und nationalen Instrumenten zusammenwirkt. Die Kohärenz wurde auf der EU-Ebene als positiv und auf der nationalen Ebene als begrenzt bewertet.
Aus der Evaluierung geht hervor, dass auf EU-Ebene Fortschritte beim Einsatz von Politiken sowie bei der Bereitstellung von EU-Geldern und Rechtsinstrumenten für die Integration der Roma erzielt wurden. Das trifft insbesondere auf die Strategie Europa 2020 (durch Synergien zwischen den Zielen von Europa 2020, den Integrationszielen für die Roma und den länderspezifischen Empfehlungen zu den Roma) sowie die europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESIF 2014-2020: Roma-spezifische Investitionspriorität und Ex-ante-Konditionalität) zu. Darüber hinaus wurde eine Verknüpfung zwischen Europa 2020 und ESIF hergestellt: Mitgliedstaaten, denen länderspezifische Empfehlungen zu den Roma erteilt wurden, sollten die Roma-spezifische Investitionspriorität berücksichtigen und die ESIF für eine inklusive Politikreform nutzen. Dies löste wiederum die Anwendbarkeit der Roma-bezogenen thematischen Ex-ante-Konditionalität und ihrer Erfüllungskriterien aus, welche eng mit den Zielen des Rahmens verknüpft sind.
Laut der Bewertung ist es mit dem Rahmen außerdem gelungen, die Ziele hinsichtlich der Integration der Roma in Bereichen wie der Erweiterung
, der Städteagenda
, den EU-Politiken zur Bekämpfung von Menschenhandel
oder in Vorschlägen wie der Neufassung der Trinkwasserrichtlinie
systematisch einzubinden. Dennoch heißt es in der Bewertung, dass in der Jugendgarantie bzw. in der Europäischen Säule sozialer Rechte nicht ausdrücklich auf die Roma Bezug genommen wird. Der EU-Rahmen und die EU-Rechtsinstrumente sind hinsichtlich ihrer Ziele und ihres Anwendungsbereichs weitgehend komplementär. Während mit der Durchsetzung der EU-Rechtsvorschriften durch die Kommission die politischen Ziele des Rahmens gestärkt werden, wird die Kommission dank der Überwachungsfunktion der NRIS über den aktuellen Stand der EU-Rechtsvorschriften informiert.
Laut der Bewertung hat der Rahmen hingegen in geringerem Maße dazu beigetragen, die Integration der Roma systematisch in die Rechts-, Politik- und Finanzinstrumente auf nationaler Ebene einzubinden. Die meisten NRIS und staatlichen Maßnahmen greifen nicht gut ineinander. Ein wesentliches Hindernis ist dabei der begrenzte Einfluss der Roma-Kontaktstellen auf die Gestaltungs-, Umsetzungs- und Entscheidungsprozesse der allgemeinen Politik.
3.4. Effizienz
Bei der Effizienzanalyse wird untersucht, in welchem Verhältnis die für eine Intervention eingesetzten Ressourcen mit den erzeugten Veränderungen stehen. Während der Schwerpunkt der Bewertung auf der Effizienz bei der Überwachung und bei der Berichterstattung lag, sollten auch die Kosten und Nutzen in Verbindung mit dem EU-Rahmen und den NRIS beurteilt werden.
Die Effizienz bei den Überwachungs- und Berichterstattungssystemen wurde als begrenzt bewertet. Bei den Überwachungsinstrumenten gab es eine schrittweise Entwicklung. Mit der Empfehlung des Rates aus dem Jahr 2013 wurde – zwar mit Wirkung erst ab 2016 – eine umfassende Berichterstattung durch die Mitgliedstaaten eingeführt. Entsprechend den Verpflichtungen der Mitgliedstaaten konzentriert sich die Berichterstattung in erster Linie auf Integrationsmaßnahmen anstatt auf Ergebnisindikatoren, anhand derer die Gesamtwirksamkeit der Interventionen gemessen werden könnte. Der Bewertung zufolge ist das von der Kommission bereitgestellte Online-Tool für die Berichterstattung von der nationalen bis hin zur europäischen Ebene ein positiver Schritt hin zum Lernen in der Politik sowie zu mehr Transparenz, weist allerdings noch ein paar Schwächen auf, die anzugehen sind (siehe Abschnitt 4.5). FRA- und IPA-finanzierte Umfragen gewährleisteten eine unabhängige Überwachung, wodurch mit der Zeit Fortschritte bei der Überwachung erzielt werden konnten. Seit 2017 überwacht die Kommission in einem Pilotprojekt die Umsetzung der NRIS durch koordinierte zivilgesellschaftliche Koalitionen
.
Aus der Bewertung geht hervor, dass die Kosten und Nutzen nicht abschließend quantifiziert, bewertet und dem Rahmen zugeordnet werden konnten. Die Kosten sind zwar kurzfristig, die meisten potenziellen Nutzen sind jedoch langfristig angelegt und werden erst ab 2020 zutage treten. Langfristig betrachtet würden Fortschritte in der Bildung, bei der Beschäftigung, beim Wohnen und auf der Ebene der Gesundheit nicht nur dazu beitragen, die Armut innerhalb der Roma-Bevölkerung zu verringern, sondern hätten auch steuerliche Vorteile, etwa in Form von Beiträgen zum Staatshaushalt, oder würden sich auf die Nutzung öffentlicher Güter und Dienstleistungen auswirken (verringerte Inanspruchnahme von Sozialleistungen). Die Integration der Roma könnte sich positiv auf den Arbeitsmarkt (mehr Effizienz durch geringeren Arbeits- und Fachkräftemangel) sowie die Wirtschaft – einschließlich auf das BIP – auswirken.
3.5. EU-Mehrwert
Bei der Analyse des EU-Mehrwerts geht es um Veränderungen, die mit dem Rahmen angestoßen wurden und über das hinausgehen, was von den beteiligten Akteuren alleine oder ohne jegliche Maßnahmen vernünftigerweise zu erwarten gewesen wäre. Der EU-Mehrwert wurde als positiv bewertet. In der Bewertung wird festgestellt, dass durch die EU-Maßnahmen ein Mehrwert für die nationalen Politiken für die Roma und deren Umsetzung auf politischer, verwaltungstechnischer und finanzieller Ebene geschaffen wurde.
Kasten 2: EU-Mehrwert
Politische Ebene
·Integration der Roma als vorrangiges Ziel sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene
·Berücksichtigung von Roma-Fragen sogar in Ländern mit kleineren Roma-Gemeinschaften
Verwaltungsebene
·Entwicklung von Strukturen zur Integration der Roma
·Stabilität dank mehrjähriger Auslegung der EU-Maßnahmen
·Rahmen für politische Orientierungshilfe, Überwachung und Berichterstattung zur Rechenschaftspflicht und Transparenz
·Gelegenheiten für gegenseitigen Austausch und Zusammenarbeit
·umfassendes Konzept
Finanzielle Ebene
·ESIF- und IPA-Mittel zur Unterstützung der Umsetzung nationaler Strategien zur Integration der Roma
Aus der Bewertung ergibt sich, dass ohne den EU-Rahmen Roma-Fragen auf der politischen Agenda der EU weniger stark Berücksichtigung finden würden. In einigen Ländern könnte es keine nationalen Strategien zur Integration der Roma mehr geben; in anderen könnten diese Strategien weiter geschwächt werden und das politische Engagement für die Integration der Roma würde abnehmen. Das Ende des Rahmens würde zu einer Verringerung und Lockerung der Überwachung und Berichterstattung führen. Gegenwärtige nationale Politiken und zielgerichtete Strukturen würden teilweise eingestellt werden oder schlechter funktionieren und stattdessen eher einen symbolischen Wert annehmen. Der Bewertung zufolge wird mehr Zeit benötigt, um funktionierende Strukturen zu verfestigen, für Nachhaltigkeit und eine langfristige Auswirkung der Politiken zu sorgen. Es ist von zentraler Bedeutung, dass die nationalen, von einem gemeinsamen Rahmen geleiteten Strategien zur Integration der Roma, fortgesetzt und verbessert werden. In der ersten Phase wurden zwar einige greifbare – wenn auch unzureichende – Ergebnisse erzielt, dennoch muss – so die Bewertung – der Gesamtfortschritt gestärkt und besser ausgerichtet werden. Der Schwerpunkt sollte dabei auf der Steigerung des politischen Engagements, der Einführung spezifischer messbarer Ziele und eines strengen Überwachungsverfahrens und einer wirksameren Umsetzung liegen, die von ausreichenden Mitteln und einem partizipativen Verwaltungssystem gestützt wird.
4. Bewertung: Schlussfolgerungen und gewonnene Erkenntnisse
Die Bewertung ergab, dass der Rahmen für die Entwicklung von Instrumenten und Strukturen zur Förderung der Integration der Roma auf EU- und nationaler Ebene von zentraler Bedeutung war. Das Ziel, „der Ausgrenzung der Roma ein Ende zu setzen“, wurde allerdings nicht erreicht. Sowohl die Ergebnisse der Bewertung als auch die früheren jährlichen Bewertungen
I
der Kommission zur Umsetzung der nationalen Strategien zur Integration der Roma heben die wichtigsten Prioritäten hervor. Zu den wichtigsten Prioritäten, die noch in Angriff zu nehmen sind, zählen eine bessere systematische Einbindung von Roma-Fragen, ein klarer Fokus auf die Bekämpfung des Antiziganismus, die Verbesserung von Partnerschaften und der Teilhabe der Roma, die Berücksichtigung der Vielfalt innerhalb der Roma (mit Schwerpunkt auf Roma-Frauen, -Jugendlichen und -Kindern) sowie Verbesserungen beim Festlegen von Zielen, bei der Erhebung von Daten und bei der Berichterstattung zur Förderung des Lernens in der Politik.
4. 1. Wirksame systematische Einbindung von Roma-Fragen und gezielte Ausrichtung auf die Roma zur Sicherung der Nachhaltigkeit
Den Ergebnissen der Bewertung nach sollten der EU-Rahmen und die NRIS wirksamer eingesetzt werden, um sicherzustellen, dass die Bedürfnisse der Roma in der allgemeinen Politik besser widergespiegelt werden. Zur Inklusion der Roma kommt es dann, wenn die allgemeine Politik verstärkt auf ihre besonderen Bedürfnisse eingeht. Den meisten bestehenden Politiken, die auf die Integration der Roma ausgerichtet sind, fehlt es an einer systematischen Sichtweise. Es wird festgestellt, dass die nationalen Behörden eine Doppelstrategie fahren sollten, nach der sie allgemeine Dienstleistungen inklusiv gestalten und Programme aufstellen, die sich gezielt an die bedürftigsten Personengruppen richten. Die NRIS sollten im Detail darlegen, wie die Roma noch stärker in die Bildungs-, die Beschäftigungs-, die Gesundheits- und die Wohnungspolitik eingebunden werden können und welche konkreten Maßnahmen vorgesehen sind, um spezifische Benachteiligungen zu überwinden und um in den verschiedenen Bereichen einen wirksamen und gerechten Zugang sicherzustellen. Zu diesem Zweck sollten die Mitgliedstaaten die Investitionspriorität hinsichtlich der Integration marginalisierter Bevölkerungsgruppen wie etwa der Roma sowie andere Investitionsprioritäten voll ausschöpfen.
Was diesbezüglich die Verordnungen nach der ESIF-Förderperiode bis 2020 anbelangt, schlug die Kommission vor, die Verbindung zwischen den NRIS und EU-Mitteln zu stärken, weiterhin an der sozioökonomischen Integration marginalisierter Bevölkerungsgruppen wie der Roma als spezifischem Ziel festzuhalten und die Verwendung von Mitteln nur dann zuzulassen, wenn sie dazu verwendet werden, thematische und begünstigende Voraussetzungen zu stärken, die bestimmte Anforderungen für die NRIS enthalten
:
·Maßnahmen zur Beschleunigung der Integration der Roma sowie zur Vermeidung und Beseitigung von Segregation
·Berücksichtigung der Geschlechterdimension und Situation der jungen Roma
·Festlegen von Bezugspunkten, messbaren Meilensteinen und Zielen
·Vorkehrungen für Überwachung, Bewertung und Überprüfung
·Vorkehrungen für die systematische Einbindung der Integration der Roma auf regionalen und lokalen Ebenen
·Vorkehrungen zur Sicherstellung, dass die Auslegung, Umsetzung, Überwachung und Überprüfung nationaler Strategien zur Integration der Roma in enger Zusammenarbeit mit der Roma-Zivilgesellschaft und anderen relevanten Interessenträgern erfolgt, auch denen auf regionaler und lokaler Ebene.
Die Integration der Roma ist auch eine thematische Priorität für die künftige Hilfe zugunsten der Erweiterungsregion im Rahmen von IPA III.
Die Übereinstimmung zwischen dem Rahmen und anderen politischen Strategien sollte ebenfalls auf der EU-Ebene gestärkt werden, heißt es in der Bewertung. Politische Prioritäten (die sowohl eine inklusive Strukturreform im Rahmen des Semesters als auch die Erweiterungspolitik fördern, sowie zielgerichtete Politiken innerhalb der NRIS) sollten stärker mit EU-Mitteln verknüpft werden. Die Kommission könnte beispielsweise weitere Möglichkeiten dahin gehend ausloten, ob die Bekämpfung von Diskriminierung und Antiziganismus zu einer Voraussetzung für Finanzierungen gemacht werden kann. Darüber hinaus sollte erwogen werden, Synergien zwischen den Integrationszielen für die Roma einerseits und wichtigen EU- und internationalen politischen Anstrengungen andererseits – etwa zwischen der Europäischen Säule sozialer Rechte und der Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung – voll auszuschöpfen.
4.2. Verstärkter Fokus auf die Bekämpfung von Diskriminierung und Antiziganismus
Die Bewertung ergab, dass das Fehlen eines spezifischen Ziels zur Bekämpfung der Diskriminierung sowie zielgerichteter Strategien und Maßnahmen zur Bekämpfung des Antiziganismus zu den größten Schwächen zählten. Während Diskriminierung und soziale Ausgrenzung sich gegenseitig verstärken und grundsätzlich jeder Roma Diskriminierung ausgesetzt sein kann, erfahren nicht alle Roma soziale Ausgrenzung.
Es wurden bereits Anstrengungen unternommen, dieses Problem zu beheben: So erfolgt im Rahmen der Richtlinie zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse und des Rahmenbeschlusses des Rates zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit eine Überwachung des Antiziganismus; die Überwachung von Hassreden im Internet umfasst auch den Antiziganismus und hat zur Beteiligung von Roma-NRO geführt. Der Kampf gegen Diskriminierung und Antiziganismus wurde im Rahmen des Programms „Rechte, Gleichstellung und Unionsbürgerschaft“ und des Projekts „Roma Civil Monitor“, in Diskussionen mit Interessenvertretern wie beispielsweise innerhalb der Europäischen Plattform für die Inklusion der Roma oder der hochrangigen Gruppe zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sowie im Rahmen der Forschungstätigkeit der FRA
als vorrangige Forderung dargestellt.
Die Bewertung legt den Schluss nahe, dass die Mitgliedstaaten ermutigt werden sollten, mehr Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung und Antiziganismus umzusetzen. So sollten die nationalen Strategien zur Integration der Roma beispielsweise Maßnahmen umfassen, die gezielt auf die Prävention und Bekämpfung vorurteilsbedingter Hassverbrechen, Hassreden und Stigmatisierung abzielen, deren Ursache im Antiziganismus liegt (etwa durch die Aktualisierung von Lehrplänen, durch interethnische Gemeinschaftsbildung, Schulungen zur Sensibilisierung von Arbeitgebern, Bildungs-, Gesundheits- und Wohnbehörden sowie von Polizeibeamten, Staatsanwälten und Richtern). Um zu vermeiden, dass EU-Mittel dazu verwendet werden, um diskriminierende Praktiken zu unterstützen, müssen systematische Anstrengungen erfolgen. Die Überwachung und Bekämpfung des Antiziganismus sollten beim wechselseitigen Lernen und bei der Zusammenarbeit zwischen Behörden, der Zivilgesellschaft, den Medien und Gleichstellungsstellen eine Rolle spielen. Bei der Ausarbeitung ihrer Aktionspläne zur Bekämpfung des Antiziganismus, des Rassismus und der Diskriminierung im Rahmen der NRIS sollten die NRCP die Gleichstellungsstellen mit einbinden.
Die Bewertung hebt hervor, dass die Bekämpfung von Diskriminierung und Antiziganismus innerhalb des Rahmens einen eigenen Prioritätsbereich einnehmen sollte, der neben den vier Integrationszielen für die Roma ein spezifisches Ziel zur Bekämpfung der Diskriminierung beinhalten sollte. Gleichzeitig sollte das Thema aber auch als Querschnittspriorität beibehalten werden, wobei in jedem der vier Prioritätsbereiche eine Reihe spezifischer Ziele festgelegt werden sollten. Ein klarerer Fokus auf die Bekämpfung von Antiziganismus und Diskriminierung sollte den Integrationsansatz ergänzen, nicht ersetzen. Dadurch könnte die Durchsetzung von Rechtsvorschriften gegen Diskriminierung und Hassverbrechen gestärkt und gleichzeitig die Wirksamkeit von Politiken zur sozialen Inklusion gesteigert werden.
4.3. Partnerschaften
Die Bewertung ergab, dass auf EU- und nationaler Ebene zwar Verwaltungsmechanismen bestehen, deren Funktionsfähigkeit aber noch eingeschränkt ist. Die NRIS sind üblicherweise nicht auf wirksame Weise mit der allgemeinen Politik verbunden, da sie wichtige Sektoren und Interessenvertreter nicht konsequent einbeziehen. Die Teilhabe der Zivilgesellschaft auf allen Ebenen der europäischen Multi-Level-Governance wurde gefördert. Die Möglichkeiten der Roma, wirksam am politischen Leben und an allen Stufen des politischen Prozesses teilzunehmen, sind jedoch immer noch begrenzt. Um den Rahmen und die NRIS zu stärken, müssen die Roma, die Zivilgesellschaft, nationale Behörden und insbesondere die NRCP und lokalen Regierungen befähigt und deren Kapazitäten aufgebaut werden.
Zur Befähigung und Teilhabe der Roma braucht es eigene Maßnahmen, um die Stimme der Roma im politischen Prozess zu stärken. Zu diesen gehören:
·politische Teilhabe durch Gemeinschaftsmaßnahmen
·Förderung der Teilhabe der Roma an Berufen, in denen sie unterrepräsentiert sind
·Förderung vorbildlicher Verfahren für die Zusammenarbeit zwischen Roma und Nicht-Roma
·Unterstützung des Engagements der Roma bei lokalen Behörden und in der Zivilgesellschaft.
Die Gleichstellung der Geschlechter ist bei der Förderung eines wirksameren Engagements der Roma auf allen Ebenen zu berücksichtigen.
Aus der Bewertung geht hervor, dass die Befähigung und der Aufbau der Kapazitäten der Roma und einer romafreundlichen Zivilgesellschaft nicht nur für die Erbringung von Dienstleistungen für die Roma wichtig sind, sondern auch für die Politikentwicklung und eine unabhängige Beobachtung. Es sollte sichergestellt werden, dass die Zivilgesellschaft kontinuierlich und auf koordinierte Weise in die Überwachung der Umsetzung eingebunden ist. Deren Einbeziehung in die Gestaltung, Umsetzung und Überwachung der allgemeinen Politik sollte auch auf nationaler Ebene unterstützt werden, um dafür zu sorgen, dass die Politiken die Roma tatsächlich erreichen. Zu diesem Zweck müssen Synergien und die Zusammenarbeit zwischen Roma- und allgemeinen NRO unterstützt werden.
Die nationalen Roma-Kontaktstellen sollten gestärkt werden, und zwar sowohl hinsichtlich ihres Mandats, ihrer institutionellen Kapazität, ihrer personellen Ausstattung und ihrer Haushaltsmittel. Sie müssen zu wirksamen Befürwortern einer systematischen Einbindung der Integration der Roma in alle relevanten Bereiche der Politik werden und in der Lage sein, wichtige Dienststellen auf nationaler Ebene einzubeziehen. Darum sollten sie:
·einen dauerhaften Dialog mit allen Dienststellen aufrechterhalten, die für die Integration der Roma relevant sind
·in enger Abstimmung mit Verwaltungsbehörden arbeiten;
·mit regionalen und lokalen Akteuren zusammenarbeiten
·alle relevanten Akteure in die Überwachung der NRIS und der einschlägigen Politiken zur Integration der Roma und zur Bekämpfung der Diskriminierung einbeziehen
·das System der Konsultation und des Dialogs mit der Zivilgesellschaft der Roma stärken und deren Einbindung in die Überwachung, Bewertung und Berichterstattung über die Umsetzung steigern.
Lokale Regierungen verfügen häufig nicht über ausreichende Ressourcen und das nötige Fachwissen, um gegen Diskriminierung vorzugehen und die soziale Inklusion zu fördern. Es sollten verstärkt EU-Mittel eingesetzt werden, um lokale Kapazitäten aufzubauen und die Entwicklung, Umsetzung und Überwachung lokaler Strategien zu fördern. Die Einbindung von Roma-Gemeinschaften in Initiativen, die auf sie selbst und den Aufbau ihrer Kapazitäten ausgerichtet sind, sodass sie die Führung solcher Projekte übernehmen können, steigert die Wirksamkeit und Effizienz der EU-Mittel für die Integration der Roma und trägt dazu bei, die Menschen, die üblicherweise als „Zielgruppe“ bezeichnet werden, zur Selbstbestimmung zu befähigen.
4.4. Berücksichtigung der Vielfalt innerhalb der Roma
Die Bewertung ergab, dass der EU-Rahmen nur begrenzt dazu in der Lage war, der Vielfalt innerhalb der Roma Rechnung zu tragen. Auf die Geschlechterdimension wurde nur unzureichend eingegangen und die besondere Schutzbedürftigkeit von Frauen wurde nur in bestimmten NRIS berücksichtigt. Für einen kindgerechten Ansatz wären umfassendere Strategien erforderlich gewesen, um die Bedürfnisse der Kinder in der Bildungs-, Gesundheits- und Wohnungspolitik parallel zu berücksichtigen sowie den Kinderschutz zu stärken. Nach wie vor gilt es den Menschenhandel zu bekämpfen, und dabei auf die Problematik der Kinder und die Geschlechterdimension einzugehen. Auf Mehrfach- und bereichsübergreifende Diskriminierung wird nur selten eingegangen.
Obwohl die Mobilität innerhalb der EU im Zuge der Erweiterung ein wesentlicher Anlass für die Einrichtung des EU-Rahmens war, werden die Bedürfnisse der Roma, die sich innerhalb der EU bewegen, keine Unionsbürger oder staatenlos sind, weder innerhalb des Rahmens noch in den meisten NRIS gebührend berücksichtigt. Um auf diese Bedürfnisse einzugehen, bräuchte es konkrete Maßnahmen und Verfahrensweisen, die sich auf die Menschenrechte stützen.
Die Bewertung macht deutlich, dass die NRIS die Bedürfnisse einzelner Gruppen und die vielfältigen Bedingungen, die innerhalb der Roma-Bevölkerung vorzufinden sind, besser widerspiegeln sollten. Die NRIS sollten konkrete Ziele und Indikatoren beinhalten, um auf die spezifischen Bedürfnisse schutzbedürftiger Gruppen in den einzelnen Schlüsselbereichen einzugehen. Die Zielgruppen für wichtige Integrationsmaßnahmen innerhalb der Roma-Bevölkerung sollten in den NRIS unter Berücksichtigung der Richtlinie „Rechte der Bürger“ im Einzelnen angegeben werden.
4.5. Festlegen von Zielen, Datenerhebung, Überwachung und Berichterstattung zur Ermöglichung des Lernens in der Politik
Der Bewertung zufolge würde eine Ergänzung der vier Prioritätsbereiche mit Schwerpunkt auf der Bekämpfung von Diskriminierung und Antiziganismus als Querschnittsanforderung und eigenständigen Bereich sowie die Festlegung eines Portfolios individuell anpassbarer Integrationsziele für die Roma mit dazugehörigen Zielen und Indikatoren die Wirksamkeit und Relevanz des Rahmens erhöhen. Die länderspezifischen Ziele könnten aus einer ausführlichen Liste optionaler Ziele und Indikatoren je Gebiet ausgewählt werden (verschiedene Ziele innerhalb eines gemeinsamen Rahmens). Die Regierungen sollten ihre Ziele auf den neuesten Stand bringen und je nach nationalen Umständen und auf der Grundlage von Daten entsprechende Prioritäten setzen. Eine flexible und doch standardisierte Reihe von Zielen und Vorgaben zu haben kann dazu beitragen, besser auf die Vielfalt innerhalb der Bevölkerungsgruppe der Roma einzugehen. Mit einem flexiblen Rahmen von Indikatoren könnten die NRIS die gemeinsamen Ziele und nationalen Prioritäten anpassen und die Qualität der NRIS damit auf unterschiedliche Weise verbessern:
·Die Ziele der NRIS müssen festgelegt und aufgeschlüsselt werden, einschließlich national angepasster Ziele für einzelne Untersektoren.
·Die Ziele sollten in jedem Bereich spezifische, quantifizierbare und zeitlich begrenzte Vorgaben enthalten, die je nach den Gegebenheiten der einzelnen Länder dargestellt sind.
·Die Ziele sollten in absoluten Angaben festgelegt werden, um die Verbesserung der Lage der Roma wiederzugeben, als auch in relativen Angaben in Bezug auf die allgemeine Bevölkerung, um bestehende Defizite zu verringern.
·Die Ziele sollten auf geschlechterspezifische Ungleichheiten und gruppenspezifische Bedürfnisse eingehen.
·Die NRIS sollten ihre Vorgaben für die Berichterstattung entsprechend ihrer jeweiligen Ziele festlegen und auf Verknüpfungen zwischen den Zielen in wichtigen Bereichen achten.
Laut der Bewertung sollten die Systeme für die Datenerhebung, Überwachung und Berichterstattung gestärkt werden. Das Fehlen zuverlässiger Daten, die nach ethnischer Zugehörigkeit aufgeschlüsselt sind, sowie fehlende Transparenz- und Rechenschaftsmechanismen sind wesentliche Herausforderungen, die den Überwachungsprozess erschweren und unzuverlässig machen. Dadurch ist es schwierig, Fortschritte zu messen. Die Überwachungs- und Berichterstattungssysteme der NRIS sollten Informationen auf politischer und Programmebene bereitstellen, Auskunft über konkrete und zielgerichtete Maßnahmen sowie Maßnahmen erteilen, mit denen eine inklusivere allgemeine Politik gefördert werden soll. Die Verfügbarkeit und Aufschlüsselung von Daten sollte verbessert werden, um sicherzustellen, dass geeignete Daten vorliegen, um die Umsetzung, Errungenschaften und Effizienz zu überwachen. Die Datenerhebung, Berichterstattung und Analyse zur Aufzeichnung erzielter Fortschritten sollten mit Unterstützung der FRA sowie durch technische Unterstützung der nationalen Behörden weiterentwickelt werden, um das evidenzbasierte Lernen in der Politik zu fördern. Qualitative Daten sollten dazu verwendet werden, um quantitative Indikatoren zu kontextualisieren und um besser zu verstehen, welche spezifischen Faktoren zum Erfolg oder Misserfolg einzelner Interventionen beitragen.
Eine verbesserte nationale Berichterstattung, koordiniert von der nationalen Roma-Kontaktstelle, und die Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die Überwachung können zu einer Systematisierung des Wissens und der Dokumentation über bisherige Erfahrungen beitragen, wodurch das wechselseitige Lernen und der Austausch von Strategien gefördert werden können.
4.6. Steigerung der Anstrengungen im Hinblick auf Fortschritte in der Heranführungsphase
Bei der Bewertung wurden auch die Heranführungsländer betrachtet, und die Ergebnisse zeigen, wie wichtig ehrgeizige Ziele zur Integration der Roma in der Heranführungsphase sind. Daher wurde die Förderung des gleichberechtigten Zugangs zu Bildung, Beschäftigung, Gesundheitsfürsorge und Wohnraum in den Erweiterungsprozess aufgenommen. Alle Erweiterungsländer haben eine nationale Strategie zur Integration der Roma angenommen, nationale Roma-Kontaktstellen benannt und ein System zur jährlichen Berichterstattung, das mit dem der Mitgliedstaaten vergleichbar ist, angenommen. Wenngleich Fortschritte erzielt wurden, so bleibt mit Blick auf die vorgenannten Herausforderungen nach wie vor viel zu tun.
5. Schlussfolgerungen
Roma werden seit Jahrhunderten ausgegrenzt und diskriminiert. Um diese Situation zu überwinden, sind ein langfristiges Engagement und ein umfassender Ansatz gefragt. Strukturelle Veränderungen sind langwierig und möglicherweise zeigt sich eine spürbare Wirkung erst mindestens eine Generation später.
Die Bewertung des EU-Rahmens für nationale Strategien zur Integration der Roma bis 2020 hat gezeigt, dass der EU-Rahmen der Beginn eines Prozesses ist, der trotz zahlreicher Einschränkungen und angesichts der enormen Aufgabe, die es zu bewältigen gilt, bereits zu positiven Ergebnissen geführt und eine erste Trendwende eingeleitet hat. Es geht daraus jedoch auch hervor, dass weitere Schritte unternommen werden könnten, um die Ziele noch besser zu erreichen.
Anhang 1
Tabelle 1: Zusammenfassung der Bewertung nach Bewertungskriterien
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(I)
COM(2017) 0458 final, COM(2016) 0424 final, COM(2015) 0299 final, COM(2014) 0209 final, COM(2013) 0454 final