EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 13.11.2017
COM(2017) 667 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN EMPTY
Wohlstand durch Handel und Investitionen
Aktualisierung der gemeinsamen EU-Strategie für Handelshilfe von 2007
Updating the 2007 Joint EU Strategy on Aid for Trade
Wohlstand durch Handel und Investitionen
Aktualisierung der gemeinsamen EU-Strategie für Handelshilfe von 2007
1Einleitung
Mit der Handelshilfe sollen die Partnerländer dabei unterstützt werden, ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu verbessern und ihren Handel so auszubauen, dass das Wachstum angekurbelt und die Armut verringert wird. Seit Einführung dieses Konzepts durch die Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 2005 ist das Anliegen, die Entwicklungsländer bei der Nutzung der Vorteile des Handels zu unterstützen, zu einem festen Bestandteil der Entwicklungszusammenarbeit geworden. Das Handelshilfe-Konzept betrifft ein breites Spektrum von Bereichen, u. a. Gestaltung der Handelspolitik, handelsrelevante Vorschriften und Normen, wirtschaftliche Infrastruktur (z. B. in den Bereichen Energie, Verkehr oder Telekommunikation) und Aufbau von Produktionskapazitäten in exportorientierten Wirtschaftszweigen wie Landwirtschaft, Fischerei und Industrie.
Als gemeinsame Antwort der EU und ihrer Mitgliedstaaten auf die WTO-Initiative formulierte die EU im Jahr 2007 ihre Strategie für Handelshilfe unter der Überschrift „Verstärkung der EU-Unterstützung für handelsbezogene Bedürfnisse in Entwicklungsländern“, um die Entwicklungsländer und vor allem die am wenigsten entwickelten Länder (Least Developed Countries – LDC) bei der Integration in das auf Regeln beruhende globale Handelssystem und der wirksameren Nutzung des Handels zur Ankurbelung des Wachstums und zur Armutsminderung zu unterstützen.
In den zehn Jahren, die seither vergangen sind, haben sich die wirtschaftlichen Gegebenheiten stark verändert und sind die globalen Wertschöpfungsketten immer komplexer geworden. Auch der politische Kontext hat sich grundlegend gewandelt, und zwar sowohl auf globaler Ebene – insbesondere mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung – als auch auf EU-Ebene mit der Globalen Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der EU, dem neuen Europäischen Konsens über die Entwicklungspolitik und der Strategie „Handel für alle“.
Zweck dieser Mitteilung ist die Aktualisierung der bisherigen Strategie für Handelshilfe vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen. Daher wird ein ergebnisorientierter und integrierter Ansatz für Handelshilfe und handelsfördernde Investitionen vorgeschlagen, damit das breite Spektrum der verfügbaren politischen Instrumente der EU optimal genutzt wird und so die Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum und die Armutsminderung insgesamt gesteigert werden. Der Schwerpunkt liegt auf der Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen sowie auf den Ländern mit dem größten Unterstützungsbedarf, insbesondere den am wenigsten entwickelten Ländern.
2Die EU-Handelshilfe in den vergangenen zehn Jahren
In den letzten zehn Jahren waren die EU und ihre Mitgliedstaaten die weltweit größten Geber von Handelshilfe: Auf sie entfällt ein Drittel des bereitgestellten Gesamtbetrags. Alles in allem haben sich die Mittelbindungen der EU im Bereich Handelshilfe zwischen 2007 und 2015 um mehr als 85 % auf 96,79 Mrd. EUR erhöht. Allein im Jahr 2015 wurden hierfür Mittel in Rekordhöhe von 13,16 Mrd. EUR gebunden. Ein wichtiges Element des Handelshilfe-Konzepts ist die „handelsbezogene Hilfe“, deren Zielmarke von 2 Mrd. EUR bereits im Jahr 2008, d. h. zwei Jahre früher als geplant, erreicht wurde. Im Jahr 2015 erreichte die handelsbezogene Hilfe einen Wert von stattlichen 2,8 Mrd. EUR und damit im Zeitraum 2007-2015 einen Gesamtbetrag von 21,5 Mrd. EUR. 37 % davon gingen an Länder in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean („AKP-Staaten“). Der Umfang der Unterstützung der am wenigsten entwickelten Länder blieb in absoluten Zahlen stabil und lag im Zeitraum 2007-2015 bei fast 18 Mrd. EUR (19 % der gesamten EU-Handelshilfe), während relativ gesehen ein Rückgang zu verzeichnen war, da das Gesamtvolumen der EU-Handelshilfe zunahm.
In qualitativer Hinsicht wurden mit der handelsbezogenen Hilfe der EU in den meisten vorrangigen Bereichen beachtliche Ergebnisse erzielt. In den am wenigsten entwickelten Ländern und in fragilen Situationen gelang es häufig, durch die Unterstützung das Handelsvolumen zu stabilisieren oder gar zu erhöhen. Außerdem wurden mit der EU-Handelshilfe positive Ergebnisse durch breiter angelegte regionale oder thematische Mehrjahresinitiativen erzielt, z. B. durch die EU-Förderung für den Aufbau von AKP-Kapazitäten zur Integration in das multilaterale Handelssystem und zur Vorbereitung auf die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen.
Allerdings war die Handelshilfe bei der Förderung und Diversifizierung des Handels in den ärmsten Ländern und in fragilen Situationen nur begrenzt erfolgreich. Trotz umfangreicher Unterstützung und des zollfreien Zugangs zum EU-Markt für nahezu alle ihre Erzeugnisse blieben die am wenigsten entwickelten Länder und Länder in fragilen Situationen am Rande der Weltwirtschaft. Im Jahr 2015 lag in den am wenigsten entwickelten Ländern der Anteil des verarbeitenden Gewerbes bei 12 % und damit immer noch weit unter dem Durchschnitt der Entwicklungsländer von 20 %. Das Handelsdefizit der am wenigsten entwickelten Länder bei Waren und Dienstleistungen stieg zwischen 2006 und 2015 massiv an (von 7,3 Mrd. USD auf 104,2 Mrd. USD) und ihr Anteil an den weltweiten Ausfuhren lag weiterhin unter 1 %, obwohl sie 12,8 % der Weltbevölkerung ausmachen.
3Weltwirtschaft und politischer Kontext im Wandel
Die Globalisierung der Wirtschaft ist kein neues Phänomen, aber die Triebkräfte und Trends der Globalisierung ändern sich rasch.
Ein wichtiger aktueller Trend ist die wachsende Bedeutung globaler und regionaler Wertschöpfungsketten in Verbindung mit internationalen Produktionsnetzwerken, die sich zunehmend auf den Handel zwischen und innerhalb von Unternehmen stützen. Dienstleistungen nehmen im internationalen Handel einen immer größeren Stellenwert ein und die Digitalisierung bringt Veränderungen in der Weltwirtschaft mit sich, von denen viele noch nicht absehbar sind. Allerdings haben zahlreiche Entwicklungsländer an den globalen Wertschöpfungsketten und der Digitalisierung weiterhin kaum teil, sodass hier großer Handlungsbedarf besteht. Die Industrialisierung, die Produktivität und die Diversifizierung der Volkswirtschaften sind in vielen Entwicklungsländer nach wie vor begrenzt, da sie immer noch von Niedriglohnarbeit, der Ausfuhr von Rohstoffen und der Herstellung von Grundstoffen im unteren Marktsegment abhängen. Daher bedarf es umfangreicher Reformen und Investitionen, die nicht allein mit Finanzmitteln aus öffentlichen Quellen bestritten werden können.
Der politische Kontext hat sich ebenfalls verändert. Mit der Aktionsagenda von Addis Abeba aus dem Jahr 2015 wurde die Frage der für die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung benötigten Mittel angegangen, welche kurz darauf verabschiedet wurde. Der Schwerpunkt liegt auf der Bedeutung des internationalen Handels und von Investitionen des Privatsektors als weitere Umsetzungsmittel neben der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA). Die Agenda 2030 enthält das neue und universelle Entwicklungsparadigma für die kommenden Jahre, das auf der Integration und Interdependenz aller 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDG) und der 169 Zielvorgaben auf der Grundlage der drei Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung beruht: der wirtschaftlichen, der sozialen und der ökologischen Dimension.
Gemäß dem Pariser Klimaschutzübereinkommen müssen bei den Produktions- und Handelssystemen strukturelle Veränderungen vorgenommen werden, sodass eine neue, kohlenstoffarme und klimaresistente Wirtschaft entsteht, die eine Eindämmung des Klimawandels und die Anpassung an seine Folgen ermöglicht. Der Übergang zur Kreislaufwirtschaft birgt neue Chancen für Innovation und Wirtschaft, die die Entwicklungsländer stärker nutzen sollten.
Diesem sich wandelnden Umfeld hat die EU mit zwei grundlegenden politischen Initiativen Rechnung getragen. Erstens wird in der Globalen Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der EU eine reaktionsfähige, koordiniert handelnde EU gefordert, die die breite Palette der ihr zur Verfügung stehenden politischen Instrumente optimal nutzt, wobei die entwicklungs- und die handelspolitischen Instrumente im Vordergrund stehen.
Zweitens wird mit dem neuen Europäischen Konsens über die Entwicklungspolitik der mit der Agenda 2030 vollzogene Paradigmenwechsel auf die Entwicklungszusammenarbeit der EU übertragen. Im Mittelpunkt steht dabei die Armutsminderung unter Berücksichtigung der Grundsätze einer wirksamen Entwicklungszusammenarbeit. Angestrebt werden Synergien zwischen den einzelnen Politikbereichen, eine bessere Koordinierung und mehr Kohärenz zwischen den EU-Akteuren und ‑Instrumenten sowie die Förderung von Handel und verantwortungsvollen Investitionen in Entwicklungsländern im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung. Dies greift die Ausrichtung auf, die in der Mitteilung „Handel, Wachstum und Entwicklung“, welche 2015 durch die Mitteilung „Handel für alle“ aktualisiert wurde, bereits angelegt war.
Aus diesem neuen politischen Kontext ergeben sich zwei wesentliche Aspekte. Erstens sollten die Mittel der öffentlichen Entwicklungshilfe gezielt dort eingesetzt werden, wo der Bedarf am größten ist, insbesondere für die am wenigsten entwickelten Länder und in fragilen Situationen. Zweitens verlagert sich der Schwerpunkt nun hin zu einer stärker strategischen Ausrichtung der öffentlichen Entwicklungshilfe als Katalysator für die Mobilisierung weiterer öffentlicher und privater Finanzmittel, etwa durch die neue EU-Investitionsoffensive für Drittländer, den sogenannten Externen Investitionsplan (EIP). Künftig sollen öffentliche und private Investitionen in verstärktem Maße zu einem integralen Bestandteil der EU-Unterstützung für den Ausbau der Handels- und Produktionskapazitäten werden.
4Ein kohärentes und wirkungsvolles Vorgehen
Angesichts des sich wandelnden wirtschaftlichen und politischen Umfelds ist es an der Zeit, die EU-Handelshilfe zu überarbeiten. Das Ziel muss darin bestehen, die Partnerländer in ihren Bemühungen um Fortschritte bei den Zielen für nachhaltige Entwicklung und um Verwirklichung eines nachhaltigen Wohlstands durch mehr Handel und Investitionen zu unterstützen. Dies setzt die folgenden grundlegenden Änderungen gegenüber der heutigen Praxis voraus:
I.Verringerung der derzeitigen Fragmentierung der Handelshilfe und Steigerung ihrer Hebelwirkung, indem sie aufgrund fundierterer Erkenntnisse bereitgestellt und besser koordiniert wird.
II.Erhöhung der Wirkung der EU-Handelshilfe, indem die gesamte Bandbreite der außenpolitischen Instrumente der EU kohärent und optimal genutzt wird, insbesondere der neue Externe Investitionsplan sowie die Handelsabkommen und ‑regelungen.
III.Stärkere Ausrichtung auf die soziale und die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit in Verbindung mit einem inklusiven Wirtschaftswachstum.
IV.Bessere Differenzierung der Länder mit Schwerpunkt auf den am wenigsten entwickelten Ländern und fragilen Situationen.
V.Verbesserung von Monitoring und Berichterstattung.
4.1Verringerung der Fragmentierung, Steigerung der Hebelwirkung
Die Finanzmittel der EU-Handelshilfe werden derzeit zu dezentral und zu fragmentiert eingesetzt. Im Jahr 2015 beispielsweise machte die EU-Handelshilfe mit 13,6 Mrd. EUR ein Drittel der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe der EU aus. Diese Mittel wurden im Wege von rund 3000 Finanzierungsbeschlüssen bereitgestellt, mit denen fast 90 OECD/DAC-Förderbereichsschlüssel abgedeckt wurden. Dies machte es schwierig, für eine optimale Kohärenz und Wirksamkeit zu sorgen.
Aus diesem Grund ist es wichtig, die vielfältigen Instrumente der Entwicklungsfinanzierung (bilateral, regional, thematisch usw.) und die Hilfemodalitäten (technische Hilfe, Zuschüsse, Budgethilfe, Twinning, Mischfinanzierung usw.) sowohl auf der Ebene der EU als auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten besser zu kombinieren. Dies sollte durch die Darlehenstätigkeit internationaler und europäischer Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen in Entwicklungsländern ergänzt werden, damit den Bedürfnissen der Partnerländer hinsichtlich ihrer Handels- und Produktionskapazitäten durch stärker integrierte und umfangreichere Maßnahmen Rechnung getragen werden kann.
Wenn die EU tatsächlich einen bedeutenden Beitrag zur Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung leisten will, muss sie ihr Augenmerk verstärkt auf die Mobilisierung privater Investitionen richten. Mit dem Externen Investitionsplan, der für Afrika und die Europäische Nachbarschaft zur Verfügung steht, wird ein integrierter Ansatz verfolgt. Dabei sollen innovative Mechanismen zur Risikoteilung im Rahmen eines neuen Europäischen Fonds für nachhaltige Entwicklung zum Einsatz kommen, darunter eine Garantie zur Mobilisierung von Kapital, in Kombination mit technischer Hilfe und Reformen zur Verbesserung des Investitionsklimas.
Im Einklang mit den eigenen Entwicklungsstrategien der Partnerländer und -regionen und im Rahmen dieser Strategien werden proaktiv Synergieeffekte mit den Handelsabkommen und ‑regelungen der EU angestrebt. Diese sind zu einem wichtigen Motor für die Beziehungen der EU zu den Entwicklungsländern geworden. Sie eröffnen Möglichkeiten für den Marktzugang, an denen lokale kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sehr interessiert sind. Sie bieten Reformanreize, auf denen die Entwicklungszusammenarbeit weiter aufbauen kann. Die EU-Handelshilfe trägt somit unmittelbar zu einer positiven Dynamik bei der Umsetzung der Abkommen und zu deren Erfolg bei. Die EU-Handelshilfe wird zudem so eingesetzt, dass sich auch das entwicklungspolitische Potenzial anderer Politikbereiche der EU erhöht.
Maßnahmen:
·Stärkung der operativen Verbindungen zwischen allen EU-Instrumenten der Entwicklungszusammenarbeit, einschließlich der Länder- und Regionalprogramme und der Maßnahmen der europäischen Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen, sowohl auf der Ebene der EU als auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten.
·Enge Koppelung der Budgethilfe der EU an Reformen zur Verbesserung des Investitionsklimas, wenn in den Entwicklungsländern Privatkapital durch innovative Mechanismen zur Risikoteilung mobilisiert wird.
·Nutzung der durch die EU-Freihandelsabkommen institutionalisierten Monitoring-Mechanismen als zusätzliches Mittel zur Identifizierung zweckdienlicher Handelshilfe-Maßnahmen.
·Aufnahme von Umsetzungsplänen in die EU-Freihandelsabkommen, gezielte Maßnahmen zur Unterstützung der Partner-Entwicklungsländer bei der besseren Nutzung der Chancen, die die EU-Handelsabkommen bieten.
·Regelmäßige Bewertung, in welchem Umfang die Präferenzen durch die Partner der Handelsabkommen und die begünstigten Länder des Allgemeinen Präferenzsystems in Anspruch genommen werden, sowie Analyse der einschränkenden Faktoren sowohl aufseiten des Angebots in den betreffenden Ländern als auch aufseiten der EU-Handelsregelung. Ausrichtung der EU-Handelshilfe auf eine gezieltere Beseitigung solcher Sachzwänge und gegebenenfalls Bewertung der Notwendigkeit, sie bei der Konzeption handelspolitischer Maßnahmen zu berücksichtigen.
4.2Steigerung der Relevanz
Eine wirksamere Ausrichtung der Handelshilfe setzt die systematische Nutzung der verfügbaren Methoden zur Handels- und Investitionsanalyse voraus. Durch einen faktengestützten Ansatz lassen sich die Wertschöpfungsketten und die nachgelagerten Märkte besser verstehen, sodass mit den Regierungen der Partnerländer ein sachlich fundierterer Politikdialog geführt werden kann und dadurch die Gestaltung und Wirkung von Projekten verbessert werden können.
In diesem Rahmen sollen Mechanismen für eine echte Einbindung der Interessenträger eingeführt werden. Ein strukturierter Dialog mit dem Privatsektor ist erforderlich, damit genau ermittelt werden kann, durch welche Reformen des Wirtschafts- und Handelsumfelds Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen gefördert werden. Die Zivilgesellschaft und die Sozialpartner spielen eine wichtige Rolle beim Eintreten für Prioritäten wie die Schaffung von Arbeitsplätzen für junge Menschen, die wirtschaftliche Selbstbestimmung der Frauen, menschenwürdige Arbeit und Umweltstandards. Die Akteure des Bereichs Forschung und Innovation sind für die Förderung von Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen entscheidend. Auch die lokalen Behörden haben im Rahmen ihrer Zuständigkeiten viel Einfluss auf die Rahmenbedingungen für Unternehmen und menschenwürdige Arbeit und auf die Effizienz und die Amtsführung der mit Regulierungsfragen befassten örtlichen Instanzen.
Zusätzlich zu der Orientierung mithilfe des faktengestützten Ansatzes und der Einbindung der Interessenträger sind in bestimmten Bereichen allgemeinere Trends und Fragen zu berücksichtigen.
Die Wertschöpfungsketten sind ein Motor zur Förderung der besseren Integration der Entwicklungsländer in den regionalen und den globalen Handel. Die EU-Handelshilfe wird verstärkt strategisch ausgerichtet sein und die Partnerländer beim Auf- und Ausbau von Wertschöpfungsketten unterstützen.
Die Infrastruktur zur Qualitätssicherung ist ein wichtiges Anliegen, für das die EU-Handelshilfe eingesetzt werden soll, um Sachzwänge auf der Angebotsseite und nichttarifäre Hemmnisse angehen zu können. Hierbei geht es um die regulatorischen und operativen Aspekte der Normung, Akkreditierung, Konformitätsbewertung und Marktaufsicht. Der Aufbau von Kapazitäten der Regulierungsstellen und zuständigen Behörden, Lebensmittelsicherheitssysteme und Laborausstattung sowie technische Hilfe für Produzenten und KMU bei der Einhaltung der technischen Vorschriften, privatwirtschaftliche Standards, Maßnahmen zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit sowie gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen können allesamt den Handel und Investitionen wirkungsvoll fördern, wenn ein marktorientierter Ansatz zugrunde gelegt wird.
Die Digitalisierung ermöglicht den Zugang zu externen Märkten und die Integration in globale Wertschöpfungsketten. Es hat sich bereits gezeigt, dass die digitale Innovation Lösungen für lokale Probleme bietet, die Kosten des Handels senkt und neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnet. Technologische Entwicklungen tragen zum Markteintritt innovativer KMU bei. Die EU-Handelshilfe wird Investitionen in digitale Technologien und Dienstleistungen, die Computerisierung, elektronische Behördendienste und die Logistik im elektronischen Handel fördern sowie technische Unterstützung für Regierungen bei der Einführung politischer Konzepte und günstiger Rahmenbedingungen für den grenzüberschreitenden elektronischen Handel bieten.
Die Erleichterung des Handels hat mit dem Inkrafttreten des Übereinkommens über Handelserleichterungen, der bedeutendsten multilateralen Handelsvereinbarung seit der Gründung der WTO im Jahr 1995, einen neuen Stellenwert bekommen. Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, über einen Zeitraum von fünf Jahren ab seinem Inkrafttreten Hilfe zur Handelserleichterung in Höhe von mindestens 400 Mio. EUR zu mobilisieren, auch für Projekte zur Verbesserung der Zollsysteme der Entwicklungsländer. Im Rahmen der EU-Handelshilfe wird denjenigen Bestimmungen des Übereinkommens über Handelserleichterungen Priorität eingeräumt werden, die als „Kategorie C“ ausgewiesen und mitgeteilt werden.
Grundsätzlich wird die EU-Handelshilfe flexibel bleiben, sodass berücksichtigt werden kann, welche Konsequenzen sich für die Entwicklungszusammenarbeit aus WTO-Themen, die mit laufenden Verhandlungen oder bestehenden Verpflichtungen – einschließlich der Ausnahmegenehmigung für eine Präferenzbehandlung von Dienstleistungen der am wenigsten entwickelten Länder – zusammenhängen, oder aus neu aufkommenden Themen ergeben.
Maßnahmen:
·Ermittlung und Förderung von Wertschöpfungsketten mit Mehrwert-Potenzial, indem die EU-Delegationen und die zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten systematischer auf Methoden und Instrumente der Handels-, Investitions- und Marktanalyse zurückgreifen, sodass der Politikdialog der EU und die Bereitstellung der EU-Handelshilfe gezielter ausgerichtet werden können.
·Echter Dialog und Zusammenarbeit mit dem Privatsektor, um das Investitionsklima beeinträchtigende Faktoren zu ermitteln und entsprechende Prioritäten festzulegen.
·Nutzung von Informationen aus EU-Kontrollsystemen, mit denen die Einhaltung der EU-Normen bei Ausfuhren aus Drittländern bewertet wird, als wertvolle Quelle für die Bewältigung von Sachzwängen auf der Angebotsseite und die Ermittlung von Korrekturmaßnahmen und verbesserungsfähigen Bereichen, in denen die EU-Handelshilfe zum Einsatz kommen kann.
·Ausbau der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und den lokalen Behörden, um eine bessere Informationsgrundlage für die Bereitstellung der Handelshilfe zu erhalten, auch über die Internen Beratungsgruppen (DAG), die mit der neuen Generation der EU-Freihandelsabkommen eingeführt wurden, die länderspezifischen Fahrpläne der EU für die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit lokalen Behörden sowie über die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen.
4.1Fortschritte bei den Menschenrechten und der nachhaltigen Entwicklung
Die Gleichstellung der Geschlechter ist nicht nur ein grundlegendes Menschenrecht, sondern auch eine entscheidende Voraussetzung für die wirtschaftliche Entwicklung. In Volkswirtschaften, in denen Frauen bessere Chancen haben, ist auch das Potenzial für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit größer. Die EU-Handelshilfe wird dazu beitragen, dass die EU ihrem erneuerten und erweiterten Engagement für die Gleichstellung der Geschlechter und insbesondere die wirtschaftliche Selbstbestimmung der Frauen gerecht werden kann.
Die Teilhabe aller wird im Mittelpunkt der EU-Handelshilfe stehen. Dies ergibt sich aus dem rechtebasierten Ansatz der EU in der Entwicklungszusammenarbeit, der auch die Partizipation, Nichtdiskriminierung, Gleichheit und Gerechtigkeit, Transparenz und Rechenschaftspflicht fördert. Dies bedeutet, dass die Auswirkungen von Handels- und Investitionsinitiativen auf die Menschenrechte genauer zu analysieren sind.
Die EU wird bei ihrer Handelshilfe die vier Pfeiler der Agenda für menschenwürdige Arbeit (Arbeitsnormen und Rechte bei der Arbeit, Schaffung von Arbeitsplätzen und Unternehmensentwicklung, Sozialschutz sowie sozialer Dialog) gebührend berücksichtigen. Die Handelshilfe wird auf den mit der „neuen Generation“ der EU-Freihandelsabkommen erweiterten Möglichkeiten zur Förderung der Arbeitnehmerrechte und der Umsetzung der Agenda für menschenwürdige Arbeit aufbauen, die sich aus den verbindlichen Sozial- und Umweltbestimmungen der Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung ergeben.
Die ökologische Nachhaltigkeit wird ebenfalls ein zentraler Aspekt der Handelshilfe sein. Die Klimaschutzfinanzierung und die „grüne“ Wirtschaft und Kreislaufwirtschaft bieten den Entwicklungsländern in den Bereichen Handel, Wachstum und Beschäftigung Möglichkeiten, Stufen des Entwicklungsprozesses zu überspringen („Leapfrogging“). Außerdem wird dadurch die gesellschaftliche und ökologische Resilienz gestärkt. Mit der EU-Handelshilfe sollen die Entwicklungsländer beim Übergang zu emissionsarmen und gegen den Klimawandel gewappneten Volkswirtschaften unterstützt werden.
Wenn Nachhaltigkeit zum Bestandteil der Kernstrategien von Unternehmen wird und ein fairer und ethischer Handel sowie ein verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln – auch im Hinblick auf nachhaltige Wertschöpfungsketten – im Einklang mit den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte gefördert werden, so wird dies einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Agenda 2030 leisten.
Maßnahmen:
·Systematische Gender-Analyse bei jedem Handelshilfe-Projekt, um die wirtschaftliche Selbstbestimmung der Frauen zu fördern.
·Geeignete Verknüpfung der EU-Unterstützung mit sozialen und ökologische Zielen, der Handelshilfe, den Kapiteln der neuen Generation der EU-Freihandelsabkommen, die den Handel und die nachhaltige Entwicklung betreffen, mit dem Abkommen über den Handel mit Umweltschutzgütern und den internationalen Grundsätzen und Leitlinien für ein verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln.
·Förderung der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit entlang der Wertschöpfungsketten durch integrierte bzw. Multi-Stakeholder-Konzepte.
·Unterstützung des fairen und ethischen Handels in den Partnerländern, beispielsweise durch ein gezielteres Konzept für Rohstoffe.
4.2Differenzierung nach Ländern
Die EU-Handelshilfe muss besser auf den Kontext der einzelnen Länder zugeschnitten werden. Dies wird dazu beitragen, die entscheidenden Faktoren und geeignetsten Impulse für eine nachhaltige Entwicklung sowie die optimale Reformabfolge zu ermitteln, sodass die EU-Unterstützung entsprechend ausgerichtet werden kann.
Die am wenigsten entwickelten Länder werden künftig einen größeren Anteil der EU-Handelshilfe erhalten, um zur Verwirklichung der SDG-Zielvorgabe der Verdoppelung ihres Anteils an den weltweiten Ausfuhren beizutragen. Damit die am wenigsten entwickelten Länder mehr in die EU exportieren können, bedarf es einer Aufstockung der Hilfe und einer Erhöhung der privaten Investitionen auf der Grundlage einer Analyse der Sachzwänge und Bedürfnisse auf der Angebotsseite.
Konflikte und Instabilität sind maßgebliche Triebkräfte der Migration. Die Förderung der Resilienz, eines inklusiven und nachhaltigen Wachstums und menschenwürdiger Arbeit in Konfliktsituationen und fragilen Situationen ist daher von entscheidender Bedeutung und setzt voraus, dass sorgfältig gewählt wird, welche Maßnahmen Priorität erhalten sollen. Die Unterstützung für Programme, die auf die Ernährungssicherheit, die Deckung des Grundbedarfs und Sofortmaßnahmen zur Arbeitsbeschaffung abzielen, sollte weiterhin Vorrang haben.
Die EU-Handelshilfe sollte ferner dazu beitragen, die Resilienz zu stärken und die Grundlagen für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung zu schaffen, während gleichzeitig die Infrastruktur ausgebaut und arbeitsintensive Sektoren und Maßnahmen gefördert werden.
Das stärker differenzierte Handelshilfe-Konzept der EU wird auch für die weiter fortgeschrittenen Entwicklungsländer gelten, die seit 2014 nicht mehr im Rahmen der bilateralen Zusammenarbeit der EU förderfähig sind. Die Zusammenarbeit mit diesen Ländern wird dabei auf andere Bereiche von beiderseitigem Interesse verlagert, wie die Aushandlung von Freihandelsabkommen und die Integration der aufstrebenden Volkswirtschaften in die Weltmärkte; die Zusammenarbeit mit den EU-Nachbarschaftsländern erfolgt auf der Grundlage der gemeinsam festgelegten Partnerschaftsprioritäten.
Maßnahmen:
·Steigerung des Anteils der Handelshilfe der EU und der Mitgliedstaaten, der den am wenigsten entwickelten Ländern zugutekommt, mit dem Ziel, bis 2030 schrittweise ein Viertel der gesamten EU-Handelshilfe für sie bereitzustellen.
·In fragilen Situationen und Konfliktsituationen sorgfältige Planung der Abfolge und Priorisierung von stabilisierenden und auf schnellen Erfolg gerichteten Maßnahmen durch Anwendung des Konzepts der „Fragility Lens“ und des Grundsatzes der Schadensvermeidung („do no harm“).
·Ausweitung der Zusammenarbeit mit weiter fortgeschrittenen Entwicklungsländern, auch durch Süd-Süd- und Dreieckskooperation, in Bereichen von gemeinsamem Interesse (z. B. regionale Integration, regionale Wertschöpfungsketten, Handelserleichterungen und Austausch bewährter Verfahren).
4.3Ausbau von Monitoring und Berichterstattung
Die vorhandenen Instrumente zur Analyse und Darstellung der Wirkungen der EU-Handelshilfe sollen verbessert und die Berichterstattung stärker auf Qualität und Ergebnisse ausgerichtet werden, wobei die Zeitspanne zwischen den Mittelbindungen für die Handelshilfe und der Berichterstattung über die Maßnahmen verkürzt werden soll. Insbesondere die Verknüpfung der Leistungsindikatoren der EU-Handelshilfe mit denjenigen der anderen Instrumente wie des Externen Investitionsplans oder der Handelsabkommen wird zu einem besseren Überblick über die Gesamtwirkung führen.
Die Informationssysteme und ‑instrumente werden derzeit modernisiert, um eine bessere Erhebung, Analyse und Verbreitung der Erkenntnisse im Einklang mit dem Ergebnisrahmen der EU für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung zu ermöglichen. Auf diese Weise können leichter und effizienter länder- und handelsbezogene Übersichten über einschlägige Aktivitäten der letzten Zeit erstellt werden, die als Informationsgrundlage für den Politikdialog und die Konzipierung neuer Handelshilfe-Maßnahmen dienen können.
Die EU wird weiterhin Prozesse unterstützen, die darauf abzielen, die zunehmende Bedeutung anderer Finanzströme als der öffentlichen Entwicklungshilfe anzuerkennen, sodass erfasst wird, in welchem Umfang die EU dank der Hebelwirkung ihrer öffentlichen Entwicklungshilfe einen umfassenderen Beitrag zu den Kapazitäten der Partnerländer hinsichtlich Handel, Investitionen und Produktion leistet.