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Document 52017AB0006

Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 8. März 2017 zu einem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf den Rang unbesicherter Schuldtitel in der Insolvenzrangfolge (CON/2017/6)

ABl. C 132 vom 26.4.2017, p. 1–5 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

26.4.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 132/1


STELLUNGNAHME DER EUROPÄISCHEN ZENTRALBANK

vom 8. März 2017

zu einem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf den Rang unbesicherter Schuldtitel in der Insolvenzrangfolge

(CON/2017/6)

(2017/C 132/01)

Einleitung und Rechtsgrundlage

Am 3. Januar 2017 bzw. 17. Februar 2017 wurde die Europäische Zentralbank (EZB) vom Rat der Europäischen Union und vom Europäischen Parlament um eine Stellungnahme zu einem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf den Rang unbesicherter Schuldtitel in der Insolvenzrangfolge (1) (nachfolgend der „Richtlinienvorschlag“) ersucht.

Die Zuständigkeit der EZB zur Abgabe einer Stellungnahme beruht auf Artikel 127 Absatz 4 und Artikel 282 Absatz 5 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, da der Richtlinienvorschlag Bestimmungen enthält, die die grundlegende Aufgabe des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB), die Geldpolitik der Union im Einklang mit Artikel 127 Absatz 2 erster Gedankenstrich des Vertrags auszuführen, den Beitrag des ESZB zur reibungslosen Durchführung der von den zuständigen Behörden ergriffenen Maßnahmen auf dem Gebiet der Stabilität des Finanzsystems gemäß Artikel 127 Absatz 5 des Vertrags und die Aufgaben, welche der EZB gemäß Artikel 127 Absatz 6 des Vertrags in Zusammenhang mit der Beaufsichtigung von Kreditinstituten übertragen wurden, betreffen. Diese Stellungnahme wurde gemäß Artikel 17.5 Satz 1 der Geschäftsordnung der Europäischen Zentralbank vom EZB-Rat verabschiedet.

1.   Allgemeine Anmerkungen

1.1.

Die EZB begrüßt den Richtlinienvorschlag, der Änderungen zur Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (2) zur Insolvenzrangfolge der Inhaber von durch Kreditinstitute der Union und bestimmte andere Institute ausgegebenen Schuldtiteln als Teil eines breiteren Spektrums an Gesetzesvorlagen zur Änderung der Finanzdienstleistungsregulierung (3) der Union enthält. Die Änderungen zu Artikel 108 der Richtlinie 2014/59/EU zielen darauf ab, die Anwendung des in der Richtlinie 2014/59/EU vorgesehenen Bail-in-Instruments und die Anwendung der Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities, MREL) sowie der kommenden Anforderung an die Gesamtverlustabsorptionsfähigkeit (Total Loss-Absorbing Capacity, TLAC) (4) in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungsfähigkeit von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen zu erleichtern. Die Änderungen stellen daher ein zusätzliches Mittel für Kreditinstitute und bestimmte andere Institute dar, um die kommenden TLAC- und MREL-Anforderungen zu erfüllen und ihre Abwicklungsfähigkeit zu verbessern, ohne ihre jeweiligen Refinanzierungsstrategien einzuschränken. Diese Reform sollte schnellstmöglich verabschiedet werden, um die Kreditinstitute bei ihren Vorbereitungen zur Erfüllung der neuen Anforderungen zu unterstützen, insbesondere in Fällen, in denen die jeweiligen Institute nicht in ausreichendem Umfang verlustabsorptionsfähige Verbindlichkeiten (bei denen Nachrangigkeit erforderlich ist) aufbauen können, und in Anbetracht möglicher Grenzen hinsichtlich der Kapazität der Märkte zur raschen Absorption großer Neuemissionsvolumina.

1.2.

Die EZB teilt vollumfänglich die Auffassung der Kommission, dass harmonisierte Vorschriften im Binnenmarkt für die Behandlung gewisser Bankengläubiger im Insolvenz- und Abwicklungsfall erforderlich sind, um die Unterschiede zwischen nationalen Vorschriften in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungsfähigkeit von Banken, die den Wettbewerb im Binnenmarkt verzerren könnten, zu verringern. Die EZB merkt an, dass die Harmonisierung in diesem Bereich besonders wichtig zur Sicherung der Finanzstabilität und zur Förderung effektiver und effizienter Abwicklungsmaßnahmen einschließlich der Anwendung des Bail-in-Instruments gemäß der Richtlinie 2014/59/EU in grenzüberschreitendem Zusammenhang sowie zur Verringerung der Unsicherheit von Emittenten und Investoren ist.

1.3.

Die EZB betont erneut ihre Position (5), dass ein gemeinsamer Rahmen zur Gläubigerrangfolge auf Unionsebene einschließlich im Hinblick auf die Nachrangigkeit von Schuldtiteln und andere vergleichbare Finanzinstrumente in Verfahren zur Abwicklung von Banken und/oder Insolvenzverfahren dazu beitragen kann, die Integration der Finanzdienstleistungsmärkte in der Union voranzubringen und die Aufgaben der EZB sowohl in Bezug auf die Geldpolitik als auch die Aufsicht im Rahmen des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus zu erleichtern.

1.4.

Die EZB ist der Auffassung, dass der Richtlinienvorschlag nur zu einer teilweisen Harmonisierung führt und dass weitere Reformen hilfreich wären, um die weitere Harmonisierung in der Rangfolge von Gläubigerforderungen bei Bankinsolvenzen zu fördern. Auf der Grundlage eines abgestuften Ansatzes sollte insbesondere eine allgemeine Regelung zur Vorrangstellung der Einleger im Unionsrecht verankert werden. Durch diese Klarstellung der Gläubigerrangfolge und Erleichterung der Zuweisung von Verlusten an unbesicherte Bankschuldtitel vor bestimmten operativen Verbindlichkeiten würde die Abwicklungsfähigkeit verbessert und zugleich Bedenken hinsichtlich des Grundsatzes „Keine Schlechterstellung von Gläubigern als bei regulären Insolvenzverfahren“ Rechnung getragen (6).

2.   Spezifische Anmerkungen

2.1.   Neue Kategorie „nicht bevorrechtigter“ vorrangiger Schuldtitel

Die EZB begrüßt den Vorschlag der Schaffung einer neuen Kategorie „nicht bevorrechtigter“ vorrangiger Schuldtitel, die im Insolvenzfall einen niedrigeren Rang gegenüber regulären vorrangigen unbesicherten Schuldtiteln einnehmen. Dieser niedrigere Rang beruht auf einem gesetzlichen Rahmen, der die in den entsprechenden Vertragsbedingungen für die Emission solcher „nicht bevorrechtigten“ vorrangigen Schuldtitel enthaltenen Regelungen zur vertraglichen Nachrangigkeit anerkennt.

2.1.1.

In Bezug auf die Anforderung, dass die neue Kategorie „nicht bevorrechtigter“ vorrangiger Schuldtitel eine anfängliche Laufzeit von einem Jahr haben muss, ist die EZB der Auffassung, dass es Kreditinstituten (7) und bestimmten anderen Instituten gestattet sein sollte, „nicht bevorrechtigte“ vorrangige Schuldtitel mit einer anfänglichen Laufzeit von entweder über oder unter einem Jahr zu emittieren. Während „nicht bevorrechtigte“ vorrangige Schuldtitel mit einer anfänglichen oder Restlaufzeit von unter einem Jahr bezüglich der Erfüllung von MREL- bzw. TLAC-Anforderungen nicht berücksichtigungsfähig wären, könnten solche Instrumente weiterhin in ein Bail-in einfließen und dadurch die Verlustabsorptionsfähigkeit des Instituts erhöhen. Die EZB merkt an, dass sich in Fällen, in denen „nicht bevorrechtigte“ vorrangige Schuldtitel mit einer anfänglichen Laufzeit von über einem Jahr ausgegeben werden, die durchschnittliche Laufzeit dieser Kategorie positiv verlängern und dadurch zu einer verbesserten Abwicklungsfähigkeit von Instituten beitragen würde.

2.1.2.

In Bezug auf die Anforderung, dass die neue Kategorie „nicht bevorrechtigter“ vorrangiger Schuldtitel keine Merkmale von Derivaten aufweisen darf, wäre es möglicherweise sinnvoll zu prüfen, ob sich durch weitere Überlegungen zu der Frage, was ein Derivatemerkmal darstellt, im jetzigen Stadium eine nützliche Präzisierung dazu herbeiführen ließe, eventuell durch die Entwicklung technischer Regulierungsstandards.

2.1.3.

Die EZB nimmt zur Kenntnis, dass der vorgeschlagene Rahmen für die gesetzliche Anerkennung der vertraglichen Nachrangigkeit gemäß den Bestimmungen und Bedingungen „nicht bevorrechtigter“ vorrangiger Schuldtitel als neuer Kategorie die Mitgliedstaaten nicht daran hindern würde, ein gesetzliches Nachrangigkeitsregelwerk beizubehalten (8). Der Richtlinienvorschlag sieht vor, dass „nicht bevorrechtigte“ vorrangige Schuldtitel einen niedrigeren Rang einnehmen als „gewöhnliche unbesicherte Forderungen aus Schuldtiteln, die nach dem für reguläre Insolvenzverfahren geltenden nationalen Recht den höchsten Rang unter den Schuldtiteln einnehmen“. Dieser Ansatz kann jedoch möglicherweise in Mitgliedstaaten, in denen die Nachrangigkeit vorrangiger unbesicherter Schuldtitel bereits auf gesetzlicher Grundlage im nationalen Recht festgelegt ist (9) und in denen solche Instrumente derzeit dem niedrigsten Rang unter den vorrangigen Verbindlichkeiten zugeordnet sind, nicht einfach umgesetzt werden. Für diese Länder könnte der Richtlinienvorschlag sinnvollerweise präzisieren, dass „nicht bevorrechtigte“ vorrangige Schuldtitel den gleichen Rang (pari passu) wie vorrangige unbesicherte Schuldtitel einnehmen, die bereits der gesetzlichen Nachrangigkeit unterliegen. Eine weitere Differenzierung in der Rangfolge der Gläubigerforderungen zu „nicht bevorrechtigten“ vorrangigen Schuldtiteln, die einen anderen (niedrigeren) Rang einnehmen, ist möglicherweise nicht erforderlich. In Mitgliedstaaten, in denen die gesetzliche Nachrangigkeit bereits umgesetzt ist, wären Kreditinstitute in der Lage, die bestehenden Bestände an vorrangigen Schuldinstrumenten zur Verlustabsorption zu nutzen, ohne dass es der sofortigen Emission neuer „nicht bevorrechtigter“ vorrangiger Schuldtitel bedarf. Zur Förderung der Harmonisierung in Bezug auf die Art und Weise, in der die Nachrangigkeit von vorrangigen unbesicherten Schuldtiteln in der Rangfolge der Gläubigerforderungen erreicht wird, und der Schaffung eines einheitlichen Markts für solche Schuldtitel wäre es nützlich, eine Bestimmung in den Richtlinienvorschlag aufzunehmen, die festlegt, dass für bestehende, der gesetzlichen Nachrangigkeit unterliegende Schuldinstrumente bei Erreichen ihrer Fälligkeit Neuemissionen von vorrangigen Schuldinstrumenten, die der Nachrangigkeit unterliegen sollen, gegebenenfalls der für „nicht bevorrechtigte“ vorrangige Schuldtitel eingerichteten Regelung angepasst werden sollten (z. B. keine Merkmale von Derivaten).

2.1.4.

Es sollte klargestellt werden, dass für die Zwecke der in der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (10) und der Richtlinie 2014/59/EU festgelegten Nachrangigkeitsanforderungen vorrangige, der gesetzlichen oder strukturellen Nachrangigkeit unterliegende Schuldtitel, vorbehaltlich der anwendbaren Kriterien für ‚berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten‘ neben der neuen Kategorie „nicht bevorrechtigter“ vorrangiger Schuldtitel weiterhin berücksichtigungsfähig bleiben.

2.2.   Übergangsregelungen

Die EZB weist auf die Notwendigkeit einer Klarstellung hinsichtlich der vorgesehenen Übergangsregelungen hin, die für vorrangige unbesicherte Schuldtitel gelten, welche zu dem Zeitpunkt im Umlauf sind, zu dem das neue Regelwerk wirksam wird, einschließlich einer eventuell erforderlichen Bestandsschutzregelung (siehe Nummer 2.1.3). Eine solche Klarstellung ist von entscheidender Bedeutung, um Rechtssicherheit für Investoren und Emittenten während der Übergangsfrist sicherzustellen. Die EZB nimmt zur Kenntnis, dass die bestehenden nationalen Rechtsvorschriften weiterhin für Schuldtitel gelten, die bereits vor dem Geltungsbeginn des Richtlinienvorschlags im Umlauf waren. Darüber hinaus ist die EZB der Auffassung, dass Unsicherheit in Bezug auf die anwendbaren rechtlichen Regelungen für Neuemissionen in der Übergangszeit zwischen dem Geltungsbeginn des Richtlinienvorschlags und dem Datum entstehen könnte, an dem das neue System im nationalen Insolvenzrecht umgesetzt wird. Insbesondere der Stichtag für die Anwendung der nationalen Rechtsvorschriften, wie er im Richtlinienvorschlag vorgesehen ist, sollte überdacht werden, da er deutlich vor dem vorgesehenen Geltungsbeginn des Richtlinienvorschlags liegt. Dabei sollte der Umstand gebührend berücksichtigt werden, dass nach der Umsetzung des Richtlinienvorschlags möglicherweise eine zusätzliche Zeitspanne zu veranschlagen ist, bis Änderungen im nationalen Insolvenzrecht Wirkung entfalten.

2.3.   Allgemeine Vorrangstellung der Einleger

2.3.1.

Die EZB spricht sich für die Einführung einer allgemeinen Vorrangstellung der Einleger auf der Grundlage eines abgestuften Ansatzes in der Union aus (11). Dies würde die im Richtlinienvorschlag enthaltenen Vorschläge ergänzen. Im Rahmen einer allgemeinen Vorrangstellung der Einleger nehmen die Forderungen von Einlegern üblicherweise einen höheren Rang als die Forderungen gewöhnlicher, unbesicherter, nicht bevorrechtigter Gläubiger ein. Demgegenüber rangieren bei einer abgestuften Vorrangstellung der Einleger versicherte (bzw. garantierte) Einlagen höher als erstattungsfähige Einlagen, nicht versicherte Einlagen jedoch immer noch höher als andere vorrangige Verbindlichkeiten (12). Es ist anzumerken, dass die Mitgliedstaaten nach der Richtlinie 2014/59/EU nicht an der Einführung von Regelungen für eine allgemeine Vorrangstellung der Einleger im nationalen Recht (13) gehindert sind; eine Reihe von Mitgliedstaaten haben diese Möglichkeit vor Kurzem auch genutzt (14).

2.3.2.

Die EZB merkt an, dass die Einräumung einer Vorrangstellung für alle Einlagen die Anwendung des Bail-in-Instruments im Abwicklungsfall voraussichtlich fördern dürfte, da die Abwicklungsbehörde auf das Bail-in von anderen vorrangigen unbesicherten Bankschuldtiteln vor den Einlagen zurückgreifen kann, während das Risiko von Entschädigungsansprüchen nach dem Grundsatz „keine Schlechterstellung von Gläubigern“ minimiert wird. Eine Gläubigerbeteiligung (Bail-in) bei derartigen unbesicherten Bankschuldtiteln wird als mit einem geringeren Ansteckungsrisiko behaftet angesehen als bei operativen Verbindlichkeiten wie etwa Einlagen. Eine allgemeine Vorrangstellung der Einleger dürfte daher das Bail-in von vorrangigen unbesicherten Bankschuldtiteln wahrscheinlich effektiver und glaubwürdiger machen, dadurch die Ergreifung wirksamer Abwicklungsmaßnahmen fördern und die Notwendigkeit des Rückgriffs auf den Abwicklungsfonds verringern (15).

2.3.3.

Neben der Verbesserung der Abwicklungsfähigkeit würde die Einführung einer allgemeinen Vorrangstellung der Einleger auf der Grundlage eines abgestuften Ansatzes in der gesamten Union die weitere Harmonisierung in der Union in Bezug auf die Rangfolge von Gläubigerforderungen bei Bankinsolvenzen fördern (16).

2.3.4.

Die derzeitige Regelung gemäß der Richtlinie 2014/59/EU verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass in ihrem für reguläre Insolvenzverfahren geltenden nationalen Recht bei den unbesicherten Forderungen Einlagen, die durch das Einlagensicherungssystem garantiert werden, bis zu einer Deckungssumme von 100 000 EUR („gedeckte Einlagen“) einen höheren Rang einnehmen (17). Eine zweite Vorrangstellung wird erstattungsfähigen Einlagen oberhalb der Deckungssumme von 100 000 EUR eingeräumt, die von natürlichen Personen, Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen gehalten werden (18). Große Einlagen von Unternehmen haben einen niedrigeren Rang, normalerweise gleichrangig (pari passu) mit anderen Forderungen gewöhnlicher unbesicherter Gläubiger des Kreditinstituts gemäß den nationalen Rechtsvorschriften. Die EZB nimmt zur Kenntnis, dass die Rangfolge anderer bevorrechtigter Forderungen wie zum Beispiel Steuer- und Lohnforderungen sich nach den anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften richtet. Eine allgemeine Vorrangstellung der Einleger auf der Grundlage eines abgestuften Ansatzes könnte durch die Einführung einer dritten Vorrangstellung in Artikel 108 der Richtlinie 2014/59/EU für sonstige Einlagen, beispielsweise große Unternehmenseinlagen, Einlagen von Kreditinstituten, Organismen für gemeinsame Anlagen, Pensionsfonds usw., erzielt werden, die unterhalb des höheren Rangs für gedeckte Einlagen und der Vorrangstellung bestimmter erstattungsfähiger Einlagen, aber vor anderen vorrangigen Verbindlichkeiten rangieren würden (19).

2.4.   Behandlung von Instrumenten des Ergänzungskapitals

Trotz der vom Richtlinienvorschlag angestrebten Verbesserungen dürfte die anhaltende Fragmentierung der nationalen Insolvenzvorschriften auch künftig Herausforderungen mit sich bringen. Dies trifft insbesondere auf die Behandlung von Instrumenten des Ergänzungskapitals und anderen nachrangigen Verbindlichkeiten im Insolvenz- und Abwicklungsfall zu. Während einige nationale Insolvenzvorschriften bei einer Insolvenz zwischen dem Rang von Ergänzungskapitalinstrumenten und dem Rang anderer nachrangiger Verbindlichkeiten differenzieren, sind diese Instrumente in anderen Ländern gleichrangig (pari passu) zu anderen Arten von nachrangigen Verbindlichkeiten. Dies kann die Ausübung von Bail-in-Befugnissen wie Abschreibungen oder Umwandlungen durch die Abwicklungsbehörden gemäß der Richtlinie 2014/59/EU komplizieren, da Ergänzungskapitalinstrumente vor nachrangigen Verbindlichkeiten für den Bail-in herangezogen werden müssen, wenn Letztere kein zusätzliches Kernkapital oder Ergänzungskapital darstellen (20). In diesem Bereich sollte eine weitere Harmonisierung angestrebt werden, beispielsweise durch die Forderung, dass die nationalen Insolvenzvorschriften einander so angepasst werden sollten, dass Instrumente des Ergänzungskapitals eine andere Behandlung erfahren und im Rang nach den anderen nachrangigen Verbindlichkeiten stehen. Ein anderer Bereich für weitere Überlegungen ist die Rangfolge von konzerninternen Verbindlichkeiten in der Rangfolge von Gläubigerforderungen bei Bankinsolvenzen.

2.5.   Auswirkung auf die Notenbankfähigkeit von Schuldtiteln als Sicherheit für Kreditgeschäfte des Eurosystems

Die EZB weist auf die möglichen Konsequenzen einer Nachrangigkeitserklärung von vorrangigen Schuldtiteln gegenüber anderen Schuldtiteln desselben Emittenten im Hinblick auf die Notenbankfähigkeit der Ersteren als Sicherheit für Kreditgeschäfte des Eurosystems hin. Die Leitlinie (EU) 2015/510 der Europäischen Zentralbank (EZB/2014/60) (21) definiert einen im gesamten Eurosystem geltenden gemeinsamen Handlungsrahmen für Vermögenswerte, die als notenbankfähige Sicherheiten für solche Geschäfte eingereicht werden können. Um als notenbankfähige Sicherheit zugelassen zu werden, muss es sich bei den marktfähigen Sicherheiten um Schuldtitel handeln, die die in der Leitlinie (EU) 2015/510 (EZB/2014/60) festgelegten Kriterien für die Notenbankfähigkeit erfüllen. Gemäß Artikel 64 der Leitlinie ergeben sich „aus den notenbankfähigen Schuldtiteln […] keine Ansprüche auf den Kapitalbetrag und/oder die Zinsen, die den Ansprüchen der Inhaber anderer von diesen Emittenten begebener Schuldtitel untergeordnet sind“ (22).

2.6.   Technische Anmerkungen und Redaktionsvorschläge

Insofern die EZB empfiehlt, dass der Richtlinienvorschlag geändert werden sollte, werden in einem separaten technischen Arbeitsdokument spezielle Redaktionsvorschläge zusammen mit einer diesbezüglichen Begründung aufgeführt. Das technische Arbeitsdokument steht auf Englisch auf der Website der EZB zur Verfügung.

Geschehen zu Frankfurt am Main am 8. März 2017.

Der Präsident der EZB

Mario DRAGHI


(1)  COM(2016) 853 final.

(2)  Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 190).

(3)  Die EZB wurde vom Rat zu dem von der Kommission vorgelegten breiteren Spektrum an Gesetzesvorlagen konsultiert. Die Stellungnahme der EZB zu diesen Vorlagen kann weitere für den Gegenstand dieser Stellungnahme relevante Anmerkungen enthalten, insbesondere im Hinblick auf die Vorschläge für „berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten“.

(4)  Siehe Term Sheet des Rates für Finanzstabilität (Financial Stability Board, FSB) über die Gesamtverlustabsorptionsfähigkeit (‚Principles on Loss-absorbing and Recapitalisation Capacity of G-SIBs in Resolution: Total Loss-absorbing Capacity (TLAC) Term Sheet‘) vom 9. November 2015, abrufbar auf der Website des FSB unter www.fsb.org.

(5)  Siehe zum Beispiel Stellungnahmen CON/2016/28, CON/2016/7 und CON/2015/31. Alle Stellungnahmen der EZB sind auf der Website der EZB unter www.ecb.europa.eu abrufbar.

(6)  Siehe Nummer 3.1.2 der Stellungnahme CON/2016/28 sowie Nummer 3.7.1 der Stellungnahme CON/2015/35.

(7)  Es wird darauf hingewiesen, dass „nicht bevorrechtigte“ vorrangige Schuldtitel auch in Form interner MREL im Rahmen einer singulären („single point of entry“) Strategie von einer Tochtergesellschaft emittiert werden könnten und solche Instrumente in der Vorabwicklungsphase ebenfalls zur Verlustabsorption zur Verfügung stehen dürften, wenn die Tochtergesellschaft als emittierendes Institut nicht der Abwicklung unterliegt.

(8)  Zur Erörterung nationaler Insolvenzrahmen, die eine gesetzliche Nachrangigkeit von vorrangigen unbesicherten Schuldinstrumenten vorsehen, siehe die Stellungnahmen CON/2016/28 und CON/2015/31.

(9)  In diesem Zusammenhang bezeichnet „gesetzliche Nachrangigkeit“ die auf einem für den Emittenten geltenden gesetzlichen Rahmen beruhende Nachrangigkeit eines unbesicherten Schuldtitels, der nicht auch einer Nachrangigkeit gemäß den Bedingungen des Schuldtitels, d. h. vertraglicher Nachrangigkeit, unterliegt.

(10)  Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1).

(11)  Siehe Nummer 3.1.2 der Stellungnahme CON/2016/28 sowie Nummer 3.7.1 der Stellungnahme CON/2015/35. Siehe auch Transkript der Fragen und Antworten zu den Einleitenden Bemerkungen des Präsidenten der EZB zur Pressekonferenz der EZB am 4. April 2013 (abrufbar auf der Website der EZB unter www.ecb.europa.eu).

(12)  Siehe internationale Vereinigung der Einlagensicherungen (International Association of Deposit Insurers, IADI), ‚Core Principles for Effective Deposit Insurance Systems‘, November 2014, S. 8. So ist zum Beispiel seit 1993 eine allgemeine (nationale) Vorrangstellung der Einleger in der US-Gesetzgebung verankert, nach der bei der Liquidation eines insolventen versicherten Einlageninstituts allen inländischen Einlagenverbindlichkeiten des Instituts Vorrang vor allen anderen allgemeinen oder vorrangigen Verbindlichkeiten des Instituts per Gesetz eingeräumt wird. Siehe Titel 12, Kapitel 16, §§ 1821(d)(11)(A) und 1813(l)(5)(A) des U.S. Code.

(13)  Siehe Nummer 3.1.3 der Stellungnahme CON/2016/28.

(14)  Siehe Artikel 91 des italienischen Bankengesetzes (Gesetzesdekret Nr. 385 vom 1. September 1993), Artikel 207 des slowenischen Gesetzes über die Abwicklung und Liquidation von Banken (ABl. 44/2016) und Artikel 145A des griechischen Bankengesetzes (Gesetz 4261/2014).

(15)  Siehe Nummer 3.1.2 der Stellungnahme CON/2016/28 sowie Nummer 3.7.1 der Stellungnahme CON/2015/35.

(16)  Siehe Nummer 3.7.3 der Stellungnahme CON/2015/35.

(17)  Es ist anzumerken, dass das Einlagensicherungssystem die gleiche Vorrangstellung genießt, sobald es nach der Erstattung von gedeckten Einlagen in die Rechte und Pflichten von Einlegern eintritt.

(18)  Die gleiche Rangfolge wird auch Einlagen eingeräumt, die im Rahmen des Einlagensicherungssystems deckungsfähig wären, wären sie nicht über in einem Land ansässige Zweigstellen von Kreditinstituten der Union getätigt worden, das kein Mitgliedstaat der Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums ist.

(19)  Bestimmte kleinere Kreditinstitute setzen zur Erfüllung ihrer MREL-Anforderung möglicherweise vorwiegend auf große Einlagen (d. h. Einlagen über 100 000 EUR, die nicht von natürlichen Personen, Kleinstunternehmen, kleinen oder mittleren Unternehmen stammen) mit einer Restlaufzeit von mindestens einem Jahr, vorausgesetzt, es wird keine Nachrangigkeitsanforderung durch die Abwicklungsbehörde festgelegt. Die EZB nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission vorschlägt, Artikel 45 Absatz 4 Buchstabe f der Richtlinie 2014/59/EU zu ändern und einen neuen Artikel 45b in die Richtlinie 2014/59/EU aufzunehmen (der Bezug auf die neuen Artikel 72a und 72b der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 nimmt), und dass diese vorgeschlagenen Änderungen den Rückgriff auf große Unternehmenseinlagen mit einer Restlaufzeit von mindestens einem Jahr zur Erfüllung der MREL-Anforderung in der gleichen Art und Weise wie im Rahmen der jetzigen Regelung nicht ausschließen sollen.

(20)  Siehe Artikel 48 Absatz 1 der Richtlinie 2014/59/EU.

(21)  Leitlinie (EU) 2015/510 der Europäischen Zentralbank vom 19. Dezember 2014 über die Umsetzung des geldpolitischen Handlungsrahmens des Eurosystems (EZB/2014/60) (ABl. L 91 vom 2.4.2015, S. 3).

(22)  Siehe insbesondere Nummer 3.3 der Stellungnahme CON/2016/7.


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