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Document 52016XC1202(01)

Bekanntmachung der Kommission — Leitlinien für die Vergabe von Aufträgen zwischen Regierungen in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit (Artikel 13 Buchstabe f der Richtlinie 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates)

C/2016/7727

ABl. C 450 vom 2.12.2016, p. 1–5 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

2.12.2016   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 450/1


BEKANNTMACHUNG DER KOMMISSION

Leitlinien für die Vergabe von Aufträgen zwischen Regierungen in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit (Artikel 13 Buchstabe f der Richtlinie 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates)

(2016/C 450/01)

1.   Einleitung

Die Vergabe von Aufträgen zwischen Regierungen („Government to Goverment, G2G“) ist ein Verfahren, das es Regierungen ermöglicht, Verteidigungsgüter sowie Verteidigungsdienst- und -bauleistungen von anderen Regierungen zu beschaffen. Die kaufende Regierung verhandelt nicht direkt mit Anbietern von Verteidigungsgütern; der Verkauf erfolgt stattdessen durch die andere Regierung, die die Verteidigungsgüter entweder aus ihren eigenen Beständen anbietet oder sie für diesen Zweck selbst beschafft hat. G2G-Leistungen umfassen häufig, aber nicht ausschließlich, auch den Support und die Wartung sowie Schulungen und die Errichtung von Infrastruktur.

G2G-Transaktionen stellen einen nicht unerheblichen Teil des EU-Marktes für Verteidigungsgüter dar. Zwischen 2005 und 2012 wurden Ver- bzw. Ankäufe von Verteidigungsgütern zwischen zwei Regierungen im Wert von rund 22,8 Mrd. EUR getätigt; dies entspricht etwa 9 % der Gesamtausgaben der EU für Verteidigungsgüter.

Eine Reihe von Gründen kann Regierungen dazu bewegen, militärische Ausrüstungen oder Dienstleistungen von einer anderen Regierung zu erwerben. In vielen Fällen ermöglicht es G2G den „verkaufenden Mitgliedstaaten“, überschüssige Ausrüstungen loszuwerden, und den „ankaufenden Mitgliedstaaten“, Verteidigungskapazitäten zu erschwinglichen Preisen zu erwerben. G2G kann daher ein nützliches Instrument sein, um die mit Haushaltskürzungen und der Umstrukturierung der Streitkräfte verbundenen Herausforderungen zu bewältigen. Unter bestimmten Umständen kann G2G außerdem die am besten geeignete — oder gar einzige — Beschaffungsoption sein, um die spezifischen Anforderungen an die militärischen Fähigkeiten zu erfüllen, die zur Sicherstellung der Interoperabilität oder des „operativen Vorteils“ der mitgliedstaatlichen Streitkräfte notwendig sind. G2G kann auch ein Mittel zur raschen Deckung eines dringenden operativen Bedarfs sein.

Außerdem lässt sich G2G als Instrument für die Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten einsetzen. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Mitgliedstaat im Einklang mit der Richtlinie Ausrüstungen oder Dienstleistungen im Namen aller kooperierenden Mitgliedstaaten ankauft und anschließend Teile dieser Ausrüstungen und Dienstleistungen an die anderen Regierungen weitergibt. Die Abschnitte 3 bis 7 dieser Bekanntmachung decken die in solchen Fällen für die Weitergabe vergebenen Aufträge nicht ab.

G2G-Transaktionen können in unterschiedlicher Form erfolgen und verschiedene Arten von Ausrüstungen und Dienstleistungen betreffen. Die Rolle der Industrie und der für sie entstehende Nutzen können sehr unterschiedlich sein, und je nach Umfang und Gegenstand des Auftrags kann G2G erhebliche Auswirkungen auf den Markt haben. Das Versäumnis, alle Beschaffungsoptionen zu prüfen und die gewählte Vergabestrategie vor der Auftragsvergabe zwischen Regierungen zu begründen, kann eine Benachteiligung eines oder mehrerer Wirtschaftsbeteiligter innerhalb der EU bedeuten, in einigen Fällen das Ergebnis einer Umgehung geltender Vorschriften sein und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigen.

In der Mitteilung „Auf dem Weg zu einem wettbewerbsfähigeren und effizienteren Verteidigungs- und Sicherheitssektor“ (1) vom Juli 2013 erklärte die Kommission, dass die in der Richtlinie 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (2) verankerten spezifischen Ausnahmen „in einer Weise interpretiert werden [könnten], die die korrekte Anwendung der Richtlinie unterläuft. Dies könnte die Gleichheit der Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt gefährden. Die Kommission wird daher sicherstellen, dass diese Ausnahmen streng ausgelegt und nicht zur Umgehung der Richtlinie missbraucht werden.“ Die Kommission kündigte an, hierzu in Absprache mit den Mitgliedstaaten Leitlinien für die Handhabung dieser Ausnahmen vorzulegen und dabei mit der Vergabe von Aufträgen zwischen Regierungen zu beginnen (3).

Die vorliegende Bekanntmachung soll Orientierungshilfen bieten, indem sie Vorgaben für die Anwendung dieser Ausnahme bei der Vergabe von Aufträgen aufstellt, um dadurch insbesondere das Risiko eines Verstoßes gegen EU-Recht zu verringern. Mit dieser Bekanntmachung werden keine über die geltenden Rechtsvorschriften der Europäischen Union hinausgehenden Verpflichtungen oder Voraussetzungen für die Anwendung dieser Ausnahme eingeführt. Sie ist rechtlich nicht bindend. Nur der Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden „Gerichtshof“) ist zu einer verbindlichen Auslegung des Unionsrechts befugt.

2.   Rechtsrahmen

Gemäß Artikel 2 der Richtlinie 2009/81/EG (im Folgenden „die Richtlinie“) müssen Aufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Richtlinie vergeben werden.

Artikel 13 Buchstabe f der Richtlinie sieht eine Ausnahme für Aufträge vor, die eine Regierung an eine andere Regierung vergibt und die Folgendes betreffen: i) die Lieferung von Militärausrüstung oder sensibler Ausrüstung, ii) in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Ausrüstung stehende Bau- und Dienstleistungen oder iii) Bau- und Dienstleistungen speziell für militärische Zwecke oder sensible Bauleistungen und sensible Dienstleistungen.

Erwägungsgrund 1, wonach „die nationale Sicherheit in den Bereichen der Verteidigung und Sicherheit (…) weiterhin in die alleinige Zuständigkeit jedes Mitgliedstaats [fällt]“, ist in Bezug auf diese Ausnahme relevant, da die nationale Sicherheit der Grund sein kann, warum die Mitgliedstaaten eine G2G-Vergabe erwägen.

In Erwägungsgrund 30 der Richtlinie heißt es: „Angesichts der Besonderheit des Verteidigungs- und Sicherheitssektors sollte die Beschaffung von Ausrüstung und von Bau- und Dienstleistungen durch eine Regierung bei einer anderen Regierung vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen sein.“ Ein besonderes Merkmal dieses Sektors ist das Ausmaß, in dem die Auftragsvergabe in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit durch die nationale Sicherheit beeinflusst wird, beispielsweise durch eine notwendige Interoperabilität mit Verbündeten.

Gemäß Artikel 1 Nummer 9 der Richtlinie bedeutet „Regierung“„nationale, regionale oder lokale Gebietskörperschaften eines Mitgliedstaats oder eines Drittlands“. Dies bedeutet, dass Verträge, die von anderen öffentlichen Auftraggebern/Vergabestellen, beispielsweise Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlichen Unternehmen, oder in deren Namen abgeschlossen werden, nicht gemäß Artikel 13 Buchstabe f ausgenommen werden können.

Nur Verträge, die ausschließlich zwischen zwei Regierungen abgeschlossen werden, können als „Aufträge, die eine Regierung an eine andere Regierung vergibt“ im Sinne des Artikels 13 Buchstabe f der Richtlinie gelten. G2G-Lieferaufträge setzen prinzipiell die Übertragung der Eigentumsrechte von der verkaufenden Regierung an die beschaffende Regierung voraus (4). Dagegen reicht der Umstand, dass eine Regierung einem mitbietenden Wirtschaftsbeteiligten Garantien für eine gute Ausführung oder ähnliche Formen der Unterstützung bietet, nicht für eine Anwendung der Ausnahme auf diesen Auftrag aus. Darüber hinaus deckt die Ausnahme lediglich die zwischen zwei Regierungen geschlossenen Verträge ab und gilt somit nicht für verbundene Verträge, die zwischen der verkaufenden Regierung und einem Wirtschaftsteilnehmer geschlossen werden.

In Artikel 11 der Richtlinie zur Anwendung der Ausnahmen heißt es: „Die in diesem Abschnitt genannten Vorschriften, Verfahren, Programme, Vereinbarungen, Regelungen oder Verträge dürfen ausnahmslos nicht zur Umgehung der Bestimmungen dieser Richtlinie angewandt genommen werden.“ Darüber hinaus sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs Bestimmungen, die die Genehmigung von Ausnahmen von den EU-Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge betreffen, eng auszulegen (5). Gleichzeitig hat der Gerichtshof entschieden, dass „die Auslegung einer Ausnahme mit den Zielen in Einklang stehen [muss], die sie verfolgt“. Daher entspricht es nicht dem Sinn dieses Grundsatzes einer engen Auslegung, wenn die zur Umschreibung der „verwendeten Begriffe so ausgelegt werden, dass sie dieser ihre Wirkung nehmen.“ (6)

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut zu berücksichtigen, sondern auch der Zusammenhang, in dem sie steht, und die Ziele der Regelung, zu der sie gehört (7). Dies bedeutet insbesondere, dass bei der Auslegung und Anwendung von Artikel 13 Buchstabe f die Ziele der Richtlinie zu berücksichtigen sind. Diese Ziele sind unter anderem in den Erwägungsgründen 2 und 3 festgelegt, in denen es heißt: „Der schrittweise Aufbau eines europäischen Markts für Verteidigungsgüter ist für die Verbesserung der europäischen rüstungstechnologischen und -industriellen Basis (…) unerlässlich“ und „Die Mitgliedstaaten stimmen darin überein, dass es notwendig ist, eine europäische rüstungstechnologische und -industrielle Basis zu fördern, zu entwickeln und zu unterhalten, die fähigkeitsgetrieben, kompetent und wettbewerbsfähig ist. Zur Erreichung dieses Ziels können die Mitgliedstaaten unterschiedliche Instrumente einsetzen, die mit dem [Unions]recht vereinbar sind und auf einen echten europäischen Markt für Verteidigungsgüter und gleiche Wettbewerbsbedingungen sowohl auf europäischer als auch auf globaler Ebene abzielen.“

Aufträge, die nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, können dennoch den Vorschriften und Grundsätzen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) unterliegen. Allerdings gibt es keine Rechtsprechung des Gerichtshofs zu der Frage, inwieweit die Vorschriften und Grundsätze des AEUV für Aufträge gelten können, auf die die Ausnahme gemäß Artikel 13 Buchstabe f der Richtlinie angewendet wird.

3.   Marktanalyse

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die öffentlichen Auftraggeber (im Folgenden „Auftraggeber“) in hinreichend begründeten Fällen beschließen können, einen Auftrag an eine andere Regierung unter Anwendung der Ausnahme gemäß Artikel 13 Buchstabe f der Richtlinie zu vergeben.

Entscheidungen über die Vergabe eines Auftrags an eine andere Regierung sollte daher eine angemessene Analyse vorausgehen, bei der eindeutig feststellt wird, dass die Vergabe eines bestimmten Auftrags an eine andere Regierung die einzige oder die beste Option für die Erfüllung der von der kaufenden Regierung festgestellten Beschaffungsanforderungen ist.

Bei dieser Analyse sollte vor allem ermittelt werden, ob der Wettbewerb nicht vorhanden oder nicht praktikabel ist (siehe Abschnitt 4) oder ob im Gegenteil der Wettbewerb für die Auftragsvergabe möglich scheint (siehe Abschnitt 5). Bei der Beurteilung, ob der Wettbewerb nicht vorhanden oder nicht praktikabel ist oder ob er im Gegenteil möglich scheint, können die Auftraggeber beschließen, ihre Analyse auf den Binnenmarkt zu beschränken.

Diese Analyse beinhaltet eine an die Marktbedingungen und die spezifischen Anforderungen angepasste angemessene Marktforschung, die auch vor der abschließenden Festlegung der Anforderungen durchgeführt werden kann. Beispielsweise könnte ein Auftraggeber auf seiner Website eine Bekanntmachung mit einem Auskunftsersuchen veröffentlichen, um einen technischen Dialog gemäß Erwägungsgrund 49 der Richtlinie einzuleiten und dadurch potenziellen Marktteilnehmern die Möglichkeit zur Stellungnahme zu der vorgeschlagenen Anforderung zu geben; dies könnte zur Ermittlung alternativer Lösungen führen.

Die Auftraggeber sollten ihre Analyse dokumentieren, um erforderlichenfalls belegen zu können, dass ihre Entscheidungen gerechtfertigt sind.

Dies entspricht einer effektiven Beschaffungsmethode, insbesondere angesichts der allgemein angespannten Haushaltslage, sowie den Vorschriften und Standards einer wirtschaftlichen Haushaltsführung. Außerdem wird das Risiko, dass es zu Problemen mit dem Unionsrecht und mit dem nationalen Recht kommt, dadurch erheblich eingeschränkt. Was das EU-Recht betrifft, so wird das Risiko minimiert, dass die Entscheidung des Auftraggebers über die Vergabe eines Auftrags an eine andere Regierung unter Anwendung der Ausnahme gemäß Artikel 13 Buchstabe f erfolgreich angefochten wird, insbesondere mit Bezug auf die Umgehung der Richtlinie (Artikel 11) und/oder einen Verstoß gegen die Vorschriften und Grundsätze des Vertrags.

4.   Nicht vorhandener oder nicht praktikabler Wettbewerb

Bestimmte Aufträge können aufgrund ihrer Art nur an andere Regierungen vergeben werden. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Mitgliedstaat einem anderen Mitgliedstaat militärische Schulungen bereitstellt. Solche Aufträge werden in der Regel im Rahmen der militärischen Zusammenarbeit zwischen Staaten vergeben. Da es keine kommerziellen Alternativen gibt, haben sie keine Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts.

Außerdem kann es Fälle geben, in denen die Analyse gemäß Abschnitt 3 deutlich zeigt, dass der kommerzielle Wettbewerb nicht vorhanden oder nicht praktikabel ist.

Einige Umstände, unter denen der Wettbewerb in einem kommerziellen Umfeld nicht vorhanden oder nicht praktikabel ist, können für eine G2G-Vergabe relevant sein (z. B. ein einziger Betreiber aus technischen Gründen oder aufgrund ausschließlicher Rechte; Dringlichkeit; zusätzliche Lieferungen; Wiederholung von Bau- und Dienstleistungen).

In derartigen Situationen haben die Auftraggeber möglicherweise keine gangbare Alternative zur direkten Vergabe eines Auftrags an eine andere Regierung. Dazu gehören u. a. die folgenden Situationen: i) Die vom Auftraggeber ermittelten Anforderungen können aus technischen Gründen oder aus Gründen, die mit dem Schutz ausschließlicher Rechte zusammenhängen, nur von einer bestimmten Regierung erfüllt werden. ii) Der Auftraggeber sieht sich dringenden betrieblichen Anforderungen gegenüber, z. B eine Dringlichkeit aufgrund von Krisensituationen oder einer äußersten Dringlichkeit aufgrund unvorhersehbarer Ereignisse; iii) zusätzliche Lieferungen von der ursprünglich verkaufenden Regierung sind als teilweiser Ersatz oder als Erweiterung bestehender Lieferungen erforderlich, und ein Wechsel der Bezugsquelle ist aus Gründen der Interoperabilität nicht möglich. Weitere Umstände sind denkbar, in denen von Beginn an klar ist, dass eine Ausschreibung nicht zu mehr Wettbewerb oder besseren Beschaffungsergebnissen als eine G2G-Vergabe führen würde.

In Fällen, in denen die Auftraggeber den Wettbewerb als nicht vorhanden oder nicht praktikabel erachten, sollten sie ihre Analyse dokumentieren (siehe Abschnitt 3), um erforderlichenfalls belegen zu können, dass ihre Entscheidungen gerechtfertigt sind.

Auftraggebern, die sich auf Artikel 13 Buchstabe f der Richtlinie berufen, da der Wettbewerb nicht vorhanden oder nicht praktikabel ist, wird empfohlen, ihre Entscheidung entweder durch Veröffentlichung eines frei formulierten Textes im Amtsblatt der Europäischen Union (siehe Abschnitt 5) oder eine Bekanntmachung für die Zwecke der freiwilligen Ex-Ante-Transparenz (VEAT) bekannt zu geben. Durch eine solche Veröffentlichung einer Auftragsvergabe außerhalb der Richtlinie kündigt der Auftraggeber seine Entscheidung über die Vergabe eines Auftrags an eine andere Regierung auf der Grundlage von Artikel 13 Buchstabe f in Fällen an, in denen der Wettbewerb nicht vorhanden oder nicht praktikabel ist. Der veröffentlichte Text oder die VEAT enthält eine Beschreibung der beabsichtigten G2G-Transaktion, was die Wirtschaftsteilnehmer informieren und ihnen die Möglichkeit bieten soll, dem Auftraggeber alternative Lösungen vorzuschlagen, die bislang vielleicht nicht beachtet wurden.

Aufgrund von „Anhang D3 — Verteidigung und Sicherheit“ der VEAT-Bekanntmachung ist der Auftraggeber verpflichtet, eine Auftragsvergabe ohne vorherige Veröffentlichung einer Vergabebekanntmachung zu begründen. Auftraggeber, die unter den in diesem Absatz beschriebenen Umständen eine VEAT-Bekanntmachung veröffentlichen, würden die Option gemäß Absatz 2 „Der Auftrag fällt nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie“ wählen und ihre Entscheidung kurz begründen.

Im Interesse der Transparenz sollte den Auftraggebern außerdem empfohlen werden — nachträglich — eine Bekanntmachung der G2G-Auftragsvergabe zu veröffentlichen, z. B. auf ihrer Website oder durch eine Erklärung für die Medien. Bestimmte Informationen müssen jedoch nicht veröffentlicht werden, wenn die Offenlegung dieser Angaben den Gesetzesvollzug behindern, dem öffentlichen Interesse — insbesondere Verteidigungs- und/oder Sicherheitsinteressen — zuwiderlaufen oder berechtigte Geschäftsinteressen schädigen würde.

5.   Der Wettbewerb scheint möglich: Vorankündigung der Vergabe und Festlegung der Vergabestrategie

Es kann vorkommen, dass Auftraggeber, die die Beschaffung von einer anderen Regierung — auf der Grundlage der Analyse gemäß Abschnitt 3 — erwägen, nicht sicher sind, ob der Wettbewerb für die Erfüllung ihres spezifischen Beschaffungsbedarfs nicht vorhanden oder nicht praktikabel ist.

Im Interesse einer effizienten Beschaffung und um die Standards einer wirtschaftlichen Haushaltsführung zu erfüllen und rechtliche Risiken zu vermeiden, sollten die Auftraggeber in diesen Fällen den Markt umfassender prüfen, indem sie ihre Anforderungen durch eine Bekanntmachung in der Vorvergabephase bekannt geben. Durch die umfassendere Prüfung des Marktes soll festgestellt werden, ob wenigstens ein Wirtschaftsteilnehmer in einen tatsächlichen Wettbewerb um die Erfüllung der Anforderungen des Auftraggebers treten könnte (d. h. in der Lage ist, eine ähnliche oder bessere Lösung als die G2G-Vergabe zu bieten). Dies ermöglicht es den Auftraggebern, ihre Vergabestrategie (G2G oder kommerzielle Auftragsvergabe) in voller Kenntnis des Marktes abschließend festzulegen.

Zur Bekanntmachung in der Vorvergabephase gibt es u. a. folgende Möglichkeiten:

Amtsblatt der Europäischen Union (ABl.);

nationale Amtsblätter oder Auftragsvergabeportale;

Bekanntmachung über die Website oder das Auftragsvergabeportal der öffentlichen Auftraggeber;

Fachzeitschriften (als ergänzendes Medium zur Bekanntmachung).

In Fällen, in denen die Marktanalyse eindeutig ergibt, dass alle potenziellen Anbieter bekannt sind, kann das Versenden von Auskunftsersuchen an diese potenziellen Lieferanten eine Alternative zur Veröffentlichung darstellen.

Ergibt die Marktanalyse nicht eindeutig, dass alle potenziellen Anbieter bekannt sind, so wird den Auftraggebern empfohlen, in der Vorvergabephase eine frei formulierte Bekanntmachung im Amtsblatt der EU zu veröffentlichen. In dieser spezifischen Situation haben die Auftraggeber die Möglichkeit, die Veröffentlichung eines frei formulierten Textes im Amtsblatt der EU (ojs@publications.europa.eu) zu beantragen, sofern die Standardformulare nicht geeignet sind. Sie können außerdem von der VEAT-Bekanntmachung Gebrauch machen (siehe Abschnitt 4).

Die Angaben in einer solchen Bekanntmachung in der Vorvergabephase oder in einem Auskunftsersuchen können auf eine allgemeine Beschreibung der Anforderungen und die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel begrenzt sein. Die Auftraggeber sollten ausdrücklich darauf hinweisen, dass sie derzeit ihre Vergabestrategie festlegen, die entweder zur Vergabe eines Auftrags an eine andere Regierung oder zur Einleitung eines förmlichen Vergabeverfahrens gemäß der Richtlinie führen könnte. Die Auftraggeber sollten auch erwähnen, dass sie potenziellen Wirtschaftsteilnehmern die Möglichkeit geben, den Nachweis dafür zu erbringen, dass sie wirtschaftlich und technisch zur Erfüllung der Anforderungen in der Lage sind.

Die Auftraggeber könnten außerdem potenzielle Wirtschaftsteilnehmer darum bitten, Stellung zu den vorgesehenen Anforderungen und Lösungen zu nehmen und Lösungen anzubieten, die den Wettbewerb erleichtern oder ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis bieten könnten. Sollten die Auftraggeber diese Vorgehensweise wählen, so müssen sie sicherstellen, dass Gleichbehandlung gewährleistet ist und der Wettbewerb nicht verfälscht wird.

Gleichzeitig kann der Auftraggeber andere Regierungen kontaktieren, um zu prüfen, ob seine Anforderungen im Wege eines G2G erfüllt werden können.

Die Auftraggeber werden die durch die Bekanntmachung und Gespräche mit anderen Regierungen gesammelten Informationen nutzen, um ihre Vergabestrategie in voller Kenntnis des Marktes abschließend festzulegen.

6.   Verhandlungen mit Regierungen

Kommen die Auftraggeber auf der Grundlage einer unvoreingenommenen Bewertung der durch die Bekanntmachung in der Vorvergabephase gesammelten Informationen zu dem Schluss, dass die Vergabe eines bestimmten Auftrags an eine andere Regierung die einzige oder beste Option zur Erfüllung ihrer Anforderungen ist, so werden sie die Verhandlungen mit dieser Regierung/diesen Regierungen einleiten und letztlich den G2G-Auftrag gemäß der Ausnahme in Artikel 13 Buchstabe f der Richtlinie vergeben.

Um sicherzustellen, dass die Erfordernisse des Auftraggebers bestmöglich und nach effektiven Beschaffungsmethoden erfüllt werden, und um rechtliche Risiken zu vermeiden, sollten die Auftraggeber ihre Verhandlungen mit den Regierungen unvoreingenommen führen. Dies ist besonders wichtig, wenn es mehrere öffentliche Angebote gibt und die Auswirkungen auf den Binnenmarkt erheblich sind.

Die endgültige Auswahl sollte nach objektiven Kriterien erfolgen, wie Qualität, Preis, technischer Wert, Zweckmäßigkeit, Betriebskosten, Lebenszykluskosten, Kundendienst und technische Hilfe, Lieferzeitpunkt, Versorgungssicherheit, Interoperabilität und operative Eigenschaften.

Grundsätzlich sollten die Auftraggeber ihre Bewertung dokumentieren, um erforderlichenfalls belegen zu können, dass ihre Entscheidungen gerechtfertigt sind.

7.   Auftragsvergabe im Rahmen der Richtlinie

Führt hingegen die unvoreingenommene Bewertung der durch die Bekanntmachung in der Vorbeschaffungsphase gesammelten Informationen zu dem Schluss, dass ein oder mehrere Wirtschaftsbeteiligte aus der EU in der Lage sind, ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis als die G2G-Vergabe zu bieten, und gibt es keine objektive Rechtfertigung, den Auftrag an eine andere Regierung zu vergeben, so leiten die Auftraggeber ein Vergabeverfahren nach der Richtlinie ein. In diesem Fall sind die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie einzuhalten.


(1)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, COM(2013) 542 final, http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52013DC0542&rid=1.

(2)  ABl. L 216 vom 20.8.2009, S. 76.

(3)  Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, COM(2014) 387 final, http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52014DC0387&rid=1.

(4)  Dies gilt unbeschadet Artikel 1 Nummer 4 der Richtlinie, in dem „Lieferaufträge“ als „andere Aufträge als Bauaufträge“ definiert werden, die „den Kauf, das Leasing, die Miete, die Pacht oder den Ratenkauf, mit oder ohne Kaufoption, von Waren [betreffen]“.

(5)  Siehe u. a. Rechtssache C-337/06, Bayerischer Rundfunk, Randnr. 64.

(6)  Siehe Rechtssache C-19/13 Fastweb, Randnr. 40.

(7)  Siehe u. a. Rechtssache 292/82 Merck, Randnr. 12; Rechtssache C-34/05 Schouten, Randnr. 25; Rechtssache C-433/08 Yaesu Europe, Randnr. 24; Rechtssache C-112/11 Ebookers.com, Randnr. 12.


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