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Document 52015IR2698

    Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Die lokale und regionale Dimension der Wirtschaft des Teilens

    ABl. C 51 vom 10.2.2016, p. 28–33 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    10.2.2016   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 51/28


    Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Die lokale und regionale Dimension der Wirtschaft des Teilens

    (2016/C 051/06)

    Berichterstatterin:

    Benedetta BRIGHENTI (IT/SPE), Stellvertretende Bürgermeisterin der Gemeinde Castelnuovo Rangone, Provinz Modena

    POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

    DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

    1.

    ist der Auffassung, dass die Wirtschaft des Teilens (WdT) auf neuen oder wiederauflebenden sozialen Verhaltensmustern mit großen wirtschaftlichen, rechtlichen und institutionellen Auswirkungen basiert: Es geht um soziale Verhaltensweisen wie Teilen, Zusammenarbeit und Kooperation. Aufgrund seiner innovativen und dynamischen Natur entzieht sich das Phänomen einer endgültigen Definition. Es ist allerdings durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

    i.

    Die wichtigsten Akteure verhalten sich nicht wie in den klassischen volkswirtschaftlichen Modellen angenommen (d. h. wie der sog. Homo oeconomicus), was nicht heißt, dass sie nicht rational und vorausschauend handeln, um ihre Ziele zu erreichen.

    ii.

    In der WdT sind Plattformen weit verbreitet, und Beziehungen, Ansehen, gesellschaftliches Vertrauen sowie andere, nicht wirtschaftliche Beweggründe werden innerhalb einer Gemeinschaft zu den wichtigsten Handlungsmotiven.

    iii.

    In der WdT werden digitale Technologien und Datenerhebungen umfänglich und intensiv genutzt. Daten werden zum primären Rohstoff. Festkosten werden überwiegend ausgelagert.

    iv.

    In einem kleineren, lokalen Maßstab können Initiativen im Rahmen der WdT auf die gemeinsame Nutzung oder Bewirtschaftung physischer Vermögenswerte (z. B. Coworking-Räume, urbane Gemeingüter usw.) beschränkt sein oder sich als neue Peer-to-Peer-Formen von — manchmal innerhalb eines Straßenzugs oder eines Gebäudes — organisierten Systemen der sozialen Sicherheit ausdrücken.

    v.

    Die WdT kann auf Organisationsmodellen basieren, die sowohl auf die Logik des Marktes als auch auf soziale Ansätze ausgerichtet sind.

    2.

    stellt vor diesem Hintergrund fest, dass die Europäische Kommission den Begriff „partizipative Wirtschaft“ statt „Wirtschaft des Teilens“ verwendet und erstmals in ihrer jüngsten Mitteilung zum Thema „Den Binnenmarkt weiter ausbauen“ (1) versucht hat, den Begriff wie folgt zu definieren: „Die partizipative Wirtschaft, ein komplexes Ökosystem aus Dienstleistungen auf Abruf und der über Online-Tauschplattformen laufenden vorübergehenden Nutzung von Gütern, entwickelt sich rasant weiter. Sie beschert den Verbrauchern mehr Auswahl und niedrigere Preise und bringt Wachstumschancen für innovative Start-ups und etablierte europäische Unternehmen, und zwar sowohl im Inland als auch im Ausland. Die partizipative Wirtschaft schafft zudem neue Stellen und bringt für die Beschäftigten mehr Flexibilität, wobei die Palette von unqualifizierten Mikrojobs bis zur Tätigkeit als Teilzeitunternehmer reicht. Ressourcen können effizienter genutzt werden, was wiederum zu mehr Produktivität und Nachhaltigkeit führt.“ Nach Ansicht des AdR konzentriert sich diese Definition jedoch auf handels- und verbraucherpolitische Aspekte der Wirtschaft des Teilens (bzw. der partizipativen Wirtschaft) und unterschlägt die nichtkommerziellen und gemeinwohlorientierten Ansätze; fordert daher die Europäische Kommission auf, die verschiedenen Formen der Wirtschaft des Teilens (die zum Teil zur Sozialwirtschaft gehört) weiter zu untersuchen und anschließend zu definieren;

    Paradigmenwechsel durch die WdT

    3.

    verweist auf die weit verbreitete Auffassung, wonach der wichtigste Akteur in der WdT nicht länger der „Verbraucher“ ist, der etwas besitzen oder eine Dienstleistung erwerben möchte. Im Mittelpunkt steht vielmehr der einfache Bürger, der Hersteller, der Produzent, der Urheber, der Designer, der Mitarbeiter, der digitale Handwerker oder der urbane Landwirt, der eine Dienstleistung oder einen Vermögenswert in Anspruch nehmen möchte, um bestimmte Bedürfnisse zu erfüllen;

    4.

    verweist auf die dazu konträre Sicht, wonach in den Akteuren der WdT oftmals Personen zu sehen sind, die bereit sind zu handeln, zu pflegen, zu verwalten, zu produzieren oder zu reparieren. Sie kümmern sich um gemeinsame, offen zugängliche Ressourcen materieller oder immaterieller Art, ohne dabei auf öffentliche oder private Anbieter zurückzugreifen. Dieses Handeln vollzieht sich in einem direkten zwischenmenschlichen Umfeld, von Mensch zu Mensch sowie im kleinen Maßstab. Akteure der WdT sind also mehr als nur „Wirtschaftsteilnehmer“. Sie sind sozial, persönlich oder bürgerschaftlich Handelnde, für die die traditionellen wirtschaftlichen Motive zweitrangig oder gänzlich unbedeutend sind. Einige Bereiche der WdT sind nicht unbedingt im eigentlichen Sinn wirtschaftlicher Natur, sondern vielmehr soziale Gemeinschaften und Kooperationsnetze, die neue Wirtschaftsinitiativen in Gang setzen oder eine Funktion in Bezug auf die bestehenden wirtschaftlichen Aktivitäten erfüllen;

    5.

    unterstreicht, dass die WdT auch die traditionellen volkswirtschaftlichen Modelle mit ihrer klaren Unterscheidung zwischen Verbrauchern und Produzenten infrage zu stellen scheint;

    6.

    glaubt, dass die Wirtschaft des Teilens eine ganz neue wirtschaftliche Identität entstehen lassen könnte, bei der ein Individuum nicht alleine handeln möchte, und anstatt auf den maximalen persönlichen Gewinn aus zu sein, sein wirtschaftliches Verhalten mit einer Verpflichtung gegenüber der Gemeinschaft verbindet, im öffentlichen — sozialen, wirtschaftlichen und politischen — Umfeld handelt und sich auf seine Mitmenschen bezieht, um zum allgemeinen und gemeinsamen Interesse beizutragen (z. B. als sog. „mulier activa (2));

    7.

    unterstreicht, dass zwischen den verschiedenen Formen der WdT unterschieden werden muss. Sie alle zeichnen sich durch das gleiche soziale Paradigma aus, den Akt des Teilens, der Zusammenarbeit und der Kooperation. Dennoch sind sie sehr unterschiedlich ausgeprägt. Es sollten jene Formen der WdT genannt werden, die die soziale und wirtschaftliche Dynamik der vorgefundenen Wirtschaftsform in gewisser Weise fortschreiben, und jede unterschiedliche Form bedarf einer spezifischen rechtlichen Regelung. Die Unterscheidung gewinnorientiert/gemeinnützig und die Art des Unternehmens bzw. der Vereinigung, die als Träger eines Projektes der WdT auftreten, sowie mit Blick auf das Gemeinschaftsrecht die Auswirkung des grenzüberschreitenden Handels können wichtige Parameter sein, um die verschiedenen Formen der WdT klar voneinander abzugrenzen und differenzierte Regelungskonzepte vorzuschlagen;

    8.

    weist darauf hin, dass eine erste Unterscheidung zwischen der WdT im engeren Sinne und den kooperativen Formen der WdT in der Weise getroffen werden kann, dass Zusammenarbeit und Kooperation als zusätzliche Ebenen des Teilens aufgefasst werden. Es könnte unterschieden werden zwischen WdT-Initiativen, die verschiedene Nutzertypen hervorbringen und konsolidieren (Verbraucher-Nutzer vs. Bereitsteller-Nutzer) zum einen, und WdT-Initiativen, die einen Peer-to-Peer-Ansatz fördern, indem der Nutzer zugleich Erzeuger und Verbraucher ist und gegebenenfalls sogar an der Steuerung der Plattformen mitwirkt zum anderen. Außerdem könnte das Modell der Verwaltung und Kontrolle der wirtschaftlichen Transaktion berücksichtigt und unterschieden werden zwischen Fällen, bei denen die Plattform ausschließlich dazu dient, Kontakte zwischen Privatpersonen herzustellen (die selbstständig eine Vereinbarung treffen), und Fällen, in denen der Intermediär die Kontrolle über die Transaktion behält (3). Weitergehende Zusammenarbeit spricht für einen gemeinwohlorientierten WdT-Ansatz (4). Wenn die Beteiligten die Ressourcen nicht nur teilen, sondern auch zusammenarbeiten, um eine gemeinsame Ressource zu schaffen, zu produzieren oder wiederaufzuarbeiten und diese der breiten Öffentlichkeit bzw. der Gemeinschaft bereitstellen, dann kooperieren sie und bündeln ihren Einsatz zum Wohle der Allgemeinheit;

    9.

    unterscheidet zwei Hauptkategorien und vier sich abzeichnende Formen der WdT:

    WdT im eigentlichen Sinne oder On-Demand-Economy:

    Zugangswirtschaft: WdT-Initiativen, deren Geschäftsmodell auf dem Handel mit Waren und Dienstleistungen auf Grundlage von Zugang anstatt von Besitz basiert. Güter werden vorübergehend gemietet anstatt gekauft;

    Ereigniswirtschaft: WdT-Initiativen, bei denen Gelegenheitsarbeiten auf dem digitalen Marktplatz angeboten werden;

    Bündelungswirtschaft:

    partizipative Wirtschaft: WdT-Initiativen mit einem Peer-to-Peer-Konzept und/oder der Nutzermitwirkung an der Gestaltung des Produktionsprozesses oder der Transformation von Klienten in eine Gemeinschaft;

    Solidarwirtschaft: WdT-Initiativen in Gemeinschaftsbesitz oder -regie der Nutzer;

    10.

    stellt fest, dass die Europäische Kommission eine aktuelle Studie (5) zitiert, in der das Potenzial der WdT bezüglich der Steigerung ihrer weltweiten Einnahmen von derzeit 13 Mrd. EUR auf 300 Mrd. EUR bis 2025 geschätzt wird. Der AdR ist jedoch der Auffassung, dass das Wachstum der WdT nur teilweise als eine Revolution und/oder eine Folge der Krise zu sehen ist. Einige ihrer Aspekte könnten auch als Rückkehr, Umwandlung (6) oder Übergang (7) bestimmter Bereiche des derzeitigen Wirtschaftsmodells zu bestehenden wirtschaftlichen Traditionen und ökonomischen Modellen (z. B. Genossenschaften, Sozialwirtschaft, Wirtschaft, Handwerk, Solidarwirtschaft usw.) aufgefasst werden, oder gar als alte Formen des wirtschaftlichen Austauschs (z. B. Tauschhandel), die Alternativen zu kapitalintensiven Formen der Marktwirtschaft sein könnten;

    11.

    unterstreicht die zentrale Bedeutung der technologischen Innovation für die Entwicklung der WdT, deren Initiativen sich großteils auf den Einsatz kollaborativer Plattformen für die Transaktionen/den Austausch von Gütern und/oder Dienstleistungen stützt. Deshalb müssen Initiativen zur Überwindung der digitalen Kluft verstärkt werden, zumal wenn ein digitaler Binnenmarkt angestrebt wird;

    12.

    betont, dass in Fällen, in denen neue WdT-Dienstleistungen einen aggressiven Verdrängungseffekt auf traditionelle Dienstleistungen ausüben, Behörden auf nationaler, regionaler oder kommunaler Ebene in den meisten Fällen eine wichtige Verantwortung tragen, sofern:

    die von den Behörden festgesetzten Marktzugangsanforderungen sowohl in steuerlicher Hinsicht als auch mit Blick auf die beruflichen Anforderungen zu Mono- oder Oligopolen ohne Voraussetzungen für ein Marktversagen geführt haben;

    keine Systeme zur Überwachung der Qualität der erbrachten Dienstleistungen geschaffen wurden;

    Gestaltungsgrundsätze für eine WdT-Initiative der EU

    13.

    ist der Ansicht, dass die Wirtschaft des Teilens die Lebensqualität verbessern, insbesondere in der lokalen Wirtschaft das Wachstum fördern und die Umweltbelastung verringern kann. Sie kann auch zur Entstehung neuer Arbeitsplätze von hoher Qualität, zur Senkung der Kosten und zur Erhöhung der Verfügbarkeit und Effizienz von Waren, Dienstleistungen und Infrastrukturen beitragen. Gleichwohl muss darauf geachtet werden, dass die von Unternehmen der WdT erbrachten Dienstleistungen nicht zu Steuervermeidung und unlauterem Wettbewerb führen oder gegen lokale, regionale oder nationale und europäische Vorschriften verstoßen. Die Bewertung aller möglichen positiven und negativen Auswirkungen und die Festlegung der Gemeinwohlziele sollten ebenfalls wichtige Faktoren hinter einer eventuellen Rechtsetzungsinitiative zur Wirtschaft des Teilens sein;

    14.

    ist der Auffassung, dass für Neueinsteiger ein freier Marktzugang gewährleistet sein muss. Die Erfassung von Daten durch WdT-Plattformen und -Initiativen kann zu Ungleichgewichten in der Wirtschaftskraft führen. Daten sind das Ausgangsmaterial der WdT und müssen in einigen Fällen möglichst frei zugänglich sein. Dies ist gelegentlich erforderlich, um die Barrieren für den Zugang zur WdT zu senken und die Bewertung der Auswirkungen von WdT-Initiativen oder Projekten zu ermöglichen und eine datenbasierte Regulierung auf allen Regierungs- und Verwaltungsebenen zu erleichtern. WdT-Plattformen sollten aufgefordert werden, technische Mechanismen vorzusehen, um LRG mit öffentlichen und relevanten, aber nicht sensiblen oder strategischen Daten zu versorgen. Die EU und die nationalen Regierungen sollten die LRG auf jeden Fall bei der Entwicklung von Verfahren zur Datenerhebung unterstützen. Der Datenschutz sollte auch zu den wichtigsten Triebkräften gehören, und die „mulier activa“ sollte in der Lage sein, ihre eigenen Daten zu besitzen;

    15.

    weist darauf hin, dass Vertrauen und Imagepflege (8) eine wichtige Voraussetzung der WdT sind. Deshalb müssen Vertrauen und Image sorgsam und unabhängig sichergestellt werden (z. B. mittels Regulierung, Zertifizierung und unabhängige Schlichtung). Es sollte weiter untersucht werden, ob die Akteure der WdT zur wirksamen Selbstregulierung (9) in der Lage sind. Peer Reviews könnten das Vertrauen mehren. Die Einrichtung unabhängiger Gremien für Ratings, vorzugsweise im Miteigentum der Peers, ist eine politische Option, der mehr Aufmerksamkeit gebührt. Auch der Versicherungsschutz muss bewertet werden. In jedem Fall sollte die „Übertragbarkeit“ von Daten und Image eines der wichtigsten politischen Ziele darstellen;

    16.

    weist darauf hin, dass die Ergebnisse der Folgenabschätzung der Wirtschaft des Teilens bezüglich Umweltschutz, sozialer Zusammenhalt, Gleichheit und soziale Gerechtigkeit, vernünftige Bodennutzung oder Stadtmanagement (10) nicht immer positiv sind. Auch ist zu bedenken, dass gewinnorientierte Unternehmen mitunter WdT-Plattformen missbräuchlich nutzen, gleichzeitig den Arbeitnehmern keinen Sozialversicherungsschutz gewähren und so zum einen das Wohlergehen der Bürger und zum anderen die nationalen, regionalen und kommunalen Haushalte beeinträchtigen. Die EU und die LRG dürfen nur die Entwicklung derjenigen WdT-Initiativen und -Plattformen unterstützen und fördern, die auch positive soziale, ökonomische und ökologische Auswirkungen haben. Gemeinschaftsbildung, URBAN Commoning, Inklusion, Nichtdiskriminierung, lokale Wirtschaftsentwicklung, Jungunternehmertum, Umweltbewusstsein und persönliche Solidaritätsbeziehungen sind die öffentlichen Gemeinwohlziele, die durch die WdT vorangebracht werden sollten;

    17.

    ist der Auffassung, dass wenn die Arbeitsbedingungen für die Akteure der WdT in der EU angemessener Bedingungen bedürfen, sie in der gleichen Art und Weise reguliert werden wie für Arbeitnehmer. In einem zunehmend flexiblen Rahmen für den Wirtschaftsaustausch kann sich die WdT negativ auf die Arbeitsbeziehungen auswirken. Die Auswirkungen der WdT auf das persönliche wirtschaftliche und soziale Wohlergehen müssen gründlich untersucht werden. Die Kommission muss in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten, den Sozialpartnern und ggf. den LRG die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer in der WdT eingehend untersuchen, um festzustellen, ob regulatorische Maßnahmen in diesem Bereich erforderlich sind. Die WdT könnte zur Entstehung einer neuen sozialen Schicht — der kollaborativen Schicht — führen, die sozialer und wirtschaftlicher Schutzmaßnahmen bedarf;

    18.

    betont, dass alle Vorschriften bezüglich Wettbewerb, Binnenmarkt, Steuern und Verbraucherschutz in der WdT im Prinzip genauso angewandt werden sollten wie in allen anderen Wirtschaftssektoren. WdT-Initiativen sollte es nicht gestattet sein, das Paradigma des Teilens nur zum Aufbrechen bestehender Märkte auszunutzen, indem sie auf eine Kostensenkungsstrategie durch Vermeidung der Regulierungskosten abzielen, die für ähnliche Dienstleistungen und Produkte, die nicht über Plattformen erbracht bzw. geliefert werden, anfallen; ist jedoch der Auffassung, dass die Regulierung bereits bestehender Märkte mit Blick auf ihre Fähigkeit, fortlaufende Innovationsprozesse zu ermöglichen, regelmäßig überprüft werden sollte. Die WdT sollte u. a. in der Debatte über die Kreislaufwirtschaft und den digitalen Binnenmarkt berücksichtigt werden. Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten gleichzeitig einen koordinierten Ansatz für die Regelung der WdT auf EU-Ebene sicherstellen, sofern ein europäischer Ansatz erforderlich ist, um den Binnenmarkt zu stärken und erfolgreiche Initiativen der WdT einfach und grenzüberschreitend zu verbreiten; in allen anderen Fällen sollte nach Maßgabe des Subsidiaritätsprinzips eine Regulierung der nationalen, regionalen oder lokalen Ebene vorbehalten bleiben;

    19.

    stellt fest, dass die Europäische Kommission der Frage der Wirtschaft des Teilens in ihrer „Strategie für einen digitalen Binnenmarkt in Europa“ (COM(2015) 192) nur geringe Bedeutung beigemessen hat, begrüßt jedoch das in der Mitteilung „Den Binnenmarkt weiter ausbauen“ zugesagte Engagement der Kommission, eine europäische Agenda für die partizipative Wirtschaft bzw. die WdT zu entwickeln, Orientierung zu bieten bezüglich der Anwendung der bestehenden Rechtsvorschriften — einschließlich der Dienstleistungsrichtlinie, der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr und des Verbraucherrechts wie die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, die Richtlinie über missbräuchliche Vertragsklauseln und die Richtlinie über Verbraucherrechte — auf die partizipative Wirtschaft, sowie mögliche regulatorische Lücken zu bewerten; unterstreicht seine Bereitschaft, bei der Entwicklung dieser Agenda eine aktive Rolle zu spielen, und empfiehlt eine engere Zusammenarbeit mit den EU-Organen in diesem Bereich;

    20.

    stellt fest, dass die Dossiers im Zusammenhang mit der Wirtschaft des Teilens von mehreren Generaldirektionen (GD) der Europäischen Kommission bearbeitet werden (CNECT, GROW, COMP, JUST, MOVE, TAXUD, EMPL, REGIO, TRADE usw.) und dass eine dienststellenübergreifende Koordinierung innerhalb der Europäischen Kommission notwendig ist; empfiehlt daher, dass die Europäische Kommission zur Koordinierung zwischen den GD eine Arbeitsgruppe für das Thema WdT einrichtet;

    21.

    begrüßt nichtsdestotrotz die Absicht der Europäischen Kommission, Ende September 2015 eine öffentliche Konsultation zu möglichen europäischen gesetzgeberischen Konzepten im Bereich der WdT einzuleiten;

    22.

    ist der Auffassung, dass zu den Handelsaspekten der WdT auf die einzelnen Branchen zugeschnittene gesetzgeberische Ansätze auf europäischer Ebene erforderlich sind, um die Rechtssicherheit der betroffenen Unternehmen und gleiche Wettbewerbsbedingungen insbesondere im Bereich der Besteuerung zu gewährleisten;

    23.

    fordert die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Anreize für die partizipative Wirtschaft zwecks Unterstützung und Umsetzung der Grundsätze der Sozialwirtschaft zu schaffen (insbesondere mit Blick auf die Grundsätze der Solidarität, Demokratie und Teilhabe sowie Zusammenarbeit mit der örtlichen Bevölkerung);

    24.

    macht deutlich, dass WdT-Initiativen in einer lokalen und regionalen Dimension nicht nur die Entwicklung lokaler Wirtschaftssysteme fördern, sondern auch zu einem Instrument für die Förderung, Pflege und Regeneration der sog. öffentlichen Güter wie z. B. Mobilität, Sozialsystem, städtisches Umfeld und Umwelt werden können. Unter diesem Gesichtspunkt sollte es die Aufgabe der öffentlichen Verwaltungen sein, die Konsolidierung eines „kollaborativen institutionellen Ökosystems“ zu fördern (11). Diesbezüglich muss es Aufgabe der lokalen Gebietskörperschaften sein, die unterschiedlichen Initiativen der WdT zu fördern und zu koordinieren. Dabei sind jene Initiativen zur Geltung zu bringen, die partizipative und kollaborative Prozesse mithilfe der „mulier activa“ stärken, sich sowohl bei der Planung als auch der Verwaltung und Erbringung der Dienstleistungen als inklusiv erweisen und die Grundsätze der Transparenz, Offenheit und Rechenschaftspflicht wahren;

    25.

    erachtet es gleichzeitig für wichtig, zu verfolgen, in welchen Bereichen sich die WdT entfaltet und wie sie die makroökonomischen Indikatoren beeinflusst, damit sie sich nicht zu einem Steueroptimierungssystem entwickelt;

    Für eine WdT-Agenda

    26.

    ist der Auffassung, dass jedwede durchgreifende Regulierungsinitiative im Einklang mit einem sektoralen Ansatz durchgeführt werden und die jeweilige Größenordnung der WdT-Initiative als Kriterium bei der Erarbeitung von Regulierungsleitlinien berücksichtigen sollte. Die Institutionen und Rechtsvorschriften der EU sollten jedoch einen soliden Rahmen, institutionelle und rechtliche Orientierungshilfe und ständigen Zugang zu Fachwissen und sonstiger Unterstützung bei der Umsetzung bieten;

    27.

    fordert gleichwohl alle EU-Organe, die sich mit der Frage der WdT beschäftigen, auf, angesichts der umfangreichen Veränderungen, die die WdT in den gegenwärtigen Wirtschaftssystemen auslösen könnte, einen ganzheitlichen Ansatz bei der Beschäftigung mit der WdT als ein wirtschaftliches, politisches und soziales Phänomen zu wählen und ihre Arbeit zu koordinieren. Dafür sollte eine umfassende Ordnungspolitik angewandt werden, z. B. im Zuge einer gemeinsamen Erarbeitung einer politischen WdT-Agenda;

    28.

    empfiehlt eine EU-Agenda für die Wirtschaft des Teilens mit folgenden Säulen:

    Definition eines methodologischen Protokolls, das auch auf einer in enger Partnerschaft mit allen Regierungs- und Verwaltungsebenen konzipierten urbanen und territorialen Ex-ante-Folgenabschätzung beruht, in Zusammenarbeit mit politischen Entscheidungsträgern, Wissenschaftlern, Praktikern, Sachverständigen, WdT-Projekten, -Initiativen und -Plattformen, um den Übergang zur WdT und partizipativen Wirtschaft in den Städten zu fördern;

    Förderung gleicher Wettbewerbsbedingungen in Europa — unter Wahrung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit — sowie ausreichender Flexibilität für lokale Lösungen, Anregung von Pilotprojekten und Schaffung von Netzen der Städte und Regionen zum Austausch bewährter Verfahren im WdT-Bereich, wie z. B. die „Sharing Economy Start Up“-Initiative (12);

    Unterstützung der Konzeption von Bildungsprogrammen und Kommunikationskampagnen (wie z. B. Sharitaly), um für die Möglichkeiten und Risiken der WdT zu sensibilisieren;

    Entwicklung einer Definition für einfache und gemeinsame Kriterien für ein ortsnahes Qualifzierungssystem und Konzipierung eines Indikatorensystems, um die Auswirkungen von Initiativen und Praktiken der WdT zu überwachen und zu messen;

    wirksame Umsetzung, um Steuervermeidung zu bekämpfen und Verbraucherschutz, Lizenzvergabe und Einhaltung von Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften sicherzustellen;

    regelmäßige Aktualisierung und Überwachung, um unnötige Belastungen zu vermeiden und Nachhaltigkeit und Wirksamkeit in einem sich rasch wandelnden Umfeld ständig zu gewährleisten;

    29.

    ist der Auffassung, dass viele der von der WdT betroffenen Sektoren mitunter eine störende Wirkung auf lokaler und regionaler Ebene haben und es deshalb möglich sein sollte, dass sie von lokalen und regionalen Gebietskörperschaften (LRG) im Einklang mit dem Grundsatz der lokalen Selbstverwaltung bei Bedarf verwaltet oder ggf. reguliert werden können sollten, damit die LRG Initiativen und Projekte der WdT an die lokalen Gegebenheiten anpassen können;

    30.

    betont, dass eine Rechtsetzungsinitiative zur WdT mit einer Vision für die städtische und lokale Verwaltung (13) sowie für ländliche Gebiete einhergehen sollte. In verschiedenen Städten Europas erprobte kollaborative und polyzentrische Verwaltungspraktiken scheinen sich als der am besten geeignete Ansatz abzuzeichnen, um eine gesunde und faire Entwicklung der WdT-Initiativen zu begleiten und zu fördern. Ein kollaborativer/polyzentrischer Governance-Ansatz für die WdT würde Gruppen von Bürgern, Verbänden, Organisationen des dritten Sektors, Gewerkschaften, Wissenseinrichtungen, Sozialunternehmen und Unternehmensneugründungen die Nutzung offener, leer stehender, aufgelassener Räume und Vermögensgegenstände der öffentlichen Hand gestatten; dabei können sie auf die Informationen einiger LRG-Initiativen zurückzugreifen (z. B. Verordnung der Stadt Bologna über Zusammenarbeit im allgemeinen Interesse der Stadt (14)).

    Brüssel, den 4. Dezember 2015.

    Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

    Markku MARKKULA


    (1)  COM(2015) 550, S. 3.

    (2)  Siehe C. Iaione, Economics and law of the commons, 2011, und „Poolism“, in: www.labgov.it, 28.8.2015.

    (3)  G. Smorto, I contratti della sharing economy, in Il Foro Italiano, 2015, Heft 4, S. 222-228.

    (4)  D. Bollier, Think like a commoner: a short introduction to the life of the commons, 2014. S. Foster, Collective action and the Urban Commons, 2011; C. Iaione, The Tragedy of Urban Roads, 2009.

    (5)  Consumer Intelligence Series: The Sharing Economy. PwC 2015, https://www.pwc.com/us/en/technology/publications/assets/pwc-consumer-intelligence-series-the-sharing-economy.pdf

    (6)  K. Polanyi, The great transformation: The political and economic origins of our time, 1944.

    (7)  M. Bauwens, A commons transition plan, abrufbar unter: http://commonstransition.org/

    (8)  T. Wagner, M. Kuhndt, J. Lagomarsino, H. Mattar, Listening to Sharing Economy Initiatives, 2015, Nesta & Collaborative Lab, Making Sense of the UK Collaborative Economy, 2014.

    (9)  M. Cohen, A. Sundararajan, Self regulation and innovation in the peer to peer sharing economy, 2015.

    (10)  P. Parigi P, State B., Dakhlallah D., Corten R., Cook K., A Community of Strangers: The Dis-Embedding of Social Ties, 2013; S. Shaheen, Greenhouse Gas Emission Impacts of Carsharing in North America, Final Report, 2010.

    (11)  Siehe Verordnung über die Zusammenarbeit zwischen den Bürgern und der Verwaltung zur Pflege und Regeneration städtischer Gemeinwohlgüter, der Stadt Bologna, und nicht zuletzt das Dokument „SharExpo“, Leitlinien für die Wirtschaft des Teilens und für kollaborative Dienstleistungen in Mailand.

    (12)  Unterstützt mit Mitteln von 2 500 000 EUR, angenommen vom Europäischen Parlament in seiner Lesung des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2016 vom 28. Oktober 2015.

    (13)  S. Foster, C. Iaione, The City as a Commons, 2015.

    (14)  Für weitere Beispiele siehe das Projekt Sharing cities von Neal Gorenflo von Shareable und das von Ouishare Community konzipierte Sharitories-Instrumentarium.


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