EUROPÄISCHE KOMMISSION
Straßburg, den 27.10.2015
COM(2015) 610 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
Arbeitsprogramm der Kommission 2016
„Jetzt ist nicht die Zeit für Business as usual“
Vor einem Jahr hat diese Kommission einen Neustart gewagt. Ausgehend von den Politischen Leitlinien
haben wir unsere Prioritäten festgelegt und versprochen, uns auf die großen Fragen zu konzentrieren, bei denen die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass Europa tatsächlich etwas bewegt. Wir haben beschlossen, unsere Arbeitsweise zu ändern, Transparenz zu gewährleisten und über das, was wir tun, Rechenschaft abzulegen. Und wir haben das Europäische Parlament und den Rat aufgefordert, gemeinsam mit uns darauf hinzuarbeiten, diesen Wandel herbeizuführen. Denn nur, wenn es uns gemeinsam gelingt, in den wirklich wichtigen Bereichen greifbare Ergebnisse zu erzielen, werden die Europäerinnen und Europäer das Vertrauen zurückgewinnen, dass die Union in ihrem Dienst steht.
Die Bürgerinnen und Bürger werden die EU an ihrer Fähigkeit messen, die größten Herausforderungen unserer heutigen Gesellschaften erfolgreich zu meistern: Arbeitsplätze, Wachstum und Investitionslücke; Menschen, die vor Instabilität und Krieg fliehen und eine sichere Zuflucht suchen; Klimawandel und Verknappung der natürlichen Ressourcen; soziale Ungleichheit, Intoleranz und ein Gefühl der Unsicherheit in Teilen unserer Gesellschaft; die zunehmende globale Interdependenz und unser Mangel an Selbstvertrauen, was Europas Stellung in der sich abzeichnenden neuen Weltordnung anbelangt.
Die zehn Prioritäten der Agenda für Jobs, Wachstum, Fairness und demokratischen Wandel – die die Grundsatzerklärung der Juncker-Kommission ist und auf deren Grundlage wir gewählt wurden – zielen auf die Bewältigung dieser Herausforderungen ab. Die einschneidenden Entwicklungen und Ereignisse des letzten Jahres – angefangen bei der unerwartet langsamen Erholung unserer Volkswirtschaften und der Notwendigkeit, der griechischen Wirtschaft erneut zu Stabilität zu verhelfen, über den Migrationsdruck an unseren Außengrenzen und die unsichere Lage in unserer Nachbarschaft, die diesen Druck erzeugt, bis hin zu den Terroranschlägen auf Charlie Hebdo und anderenorts in Europa – haben uns nur noch mehr in unserer Entschlossenheit bestärkt, diese Prioritäten im Fokus zu halten, andere Dinge in Angriff zu nehmen und die Dinge anders anzugehen.
Andere Dinge in Angriff nehmen
Im letzten Jahr haben wir angekündigt, dass wir andere Dinge in Angriff nehmen und uns auf die großen Fragen konzentrieren würden. Mit der Investitionsoffensive, dem digitalen Binnenmarkt, der Energieunion, der Europäischen Sicherheitsagenda, der Europäischen Migrationsagenda, der Kapitalmarktunion, dem Aktionsplan für eine faire und effiziente Unternehmensbesteuerung, der neuen Handelsstrategie und unseren jüngsten Vorschlägen zur Vertiefung und Stärkung unserer Wirtschafts- und Währungsunion haben wir seither unsere Vorstellungen und die konkreten Maßnahmen zu deren Umsetzung dargelegt. In dieser Woche präsentieren wir unsere Binnenmarktstrategie für Waren und Dienstleistungen
. Und bis Ende des Jahres werden wir mit unseren Plänen für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft, für Arbeitskräftemobilität und für einen besseren Schutz der Außengrenzen das Bild vervollständigen. Untermauert werden all diese Maßnahmen durch die neue Kommissionsagenda für bessere Rechtsetzung.
Anknüpfend an einen kontinuierlichen Dialog mit dem Europäischen Parlament und dem Rat, der durch die Rede des Präsidenten vom 9. September zur Lage der Union
in Gang gesetzt wurde, werden im vorliegenden Arbeitsprogramm nun die wichtigsten Initiativen vorgestellt, mit denen wir unsere Zusagen in den nächsten zwölf Monaten einlösen wollen.
Nicht alles ist in einem Jahr zu schaffen, doch stellt unser Pensum bereits eine gewichtige Legislativagenda dar und bildet den Rahmen für weitere Maßnahmen, die Bestandteil künftiger Arbeitsprogramme sein werden. Die vorbereitenden Arbeiten, einschließlich Evaluierungen, Konsultationen und Folgenabschätzungen, werden im Jahr 2016 in Angriff genommen.
Priorität räumen wir Gesetzesänderungen ein, die sich bei rascher Verabschiedung unmittelbar auf Beschäftigung und Wachstum, unsere Umwelt und unser soziales Wohlergehen, unsere Sicherheit und die Art unseres Austauschs mit einer vernetzten Welt auswirken können.
In nie dagewesenem Tempo haben sich die beiden gesetzgebenden Organe der EU – das direkt gewählte Europäische Parlament und der Rat der Minister der nationalen Regierungen – auf die Kommissionsvorschläge zum Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI), zur Änderung des EU-Haushalts für 2015 und zur Stärkung der finanziellen Unterstützung in der Flüchtlingskrise, zu einem 35 Mrd. EUR schweren Paket für Arbeitsplätze und Wachstum in Griechenland sowie zum Notfallplan für die EU-weite Umverteilung von Flüchtlingen, die des internationalen Schutzes bedürfen, geeinigt. Solche gemeinsamen Anstrengungen im Hinblick auf eine rasche Einigung in Bereichen, in denen am dringendsten schnelle Entscheidungen benötigt werden, sollten nicht länger die Ausnahme, sondern die Regel sein.
Aus diesem Grund hat die Kommission vor Erstellung dieses Arbeitsprogramms intensive und konstruktive Gespräche mit ihren institutionellen Partnern geführt, um sich mit diesen über die zu setzenden Schwerpunkte zu verständigen. Die besten Vorschläge können nichts bewirken, wenn sie jahrelang ohne Einigung auf dem Verhandlungstisch liegen. Nicht zuletzt aus diesem Grund haben wir eine Liste bereits vorliegender Vorschläge zusammengestellt, die eine rasche Verabschiedung durch die gesetzgebenden Organe verdienen.
Und aus demselben Grund wollen wir einige frühere Vorschläge der Kommission, die hinfällig geworden sind, blockiert werden oder nicht mehr ambitioniert genug sind
, zurückziehen und so Kapazitäten für die vorrangigen Vorschläge freimachen, bei denen gute Aussichten auf eine Einigung bestehen.
Die Dinge anders angehen
Neue Herausforderungen verlangen nach neuen und ambitionierten Antworten. Ebenso ambitioniert müssen wir aber auch bereits bestehende Herausforderungen angehen. Insbesondere müssen wir gewährleisten, dass da, wo eine europäische Antwort sinnvoll ist, diese möglichst wirksam zur Erreichung unserer gemeinsamer Ziele beiträgt. Nicht gute Absichten zählen, sondern Ergebnisse. Bei der von dieser Kommission zugesagten besseren Rechtsetzung geht es darum, die Fakten zu prüfen und sicherzustellen, dass die EU, wenn sie tätig wird, auch tatsächlich einen konkreten Mehrwert schafft. Wir müssen deshalb ständig darüber wachen und uns vergewissern, dass unsere Rechtsvorschriften und unsere Ausgabenprogramme wirksam und nach wie vor zweckmäßig sind.
In vielen Bereichen lassen sich unsere ehrgeizigen politischen Ziele – ein hohes Umweltschutzniveau, hohe Sozial- und Beschäftigungsstandards, Energiesicherheit, eine florierende Wirtschaft, von der alle profitieren, eine Migrationspolitik, die unsere gemeinsamen Werte widerspiegelt – nur durch einen gemeinsamen Ansatz auf europäischer Ebene erreichen. Dagegen werden uns Vorschriften, die veraltet oder für eine praktische Anwendung zu aufwendig oder kompliziert sind, bei der Verwirklichung unserer Ziele nicht weiterbringen.
Wenn wir überprüfen, ob unsere Vorschriften unseren ehrgeizigen Zielen in den genannten Bereichen tatsächlich gerecht werden, ist das nichts, was man fürchten muss, sondern eine Möglichkeit für Verbesserungen – eine Chance, um zu gewährleisten, dass beispielsweise die Vorschriften im Bereich Gesundheitsschutz und Sicherheit praktikabel sind und auch durchgesetzt werden, so dass die von uns gesetzten hohen Standards tatsächlich an allen Arbeitsplätzen eingehalten werden und allen Beschäftigten in der Union zugutekommen.
Wir haben deshalb beschlossen, in das vorliegende Arbeitsprogramm auch unsere Pläne zur Überprüfung zentraler Aspekte bestehender Rechtsvorschriften aufzunehmen und dafür zu sorgen, dass Letztere in der Praxis tatsächlich mit einem Mehrwert verbunden sind.
Darüber hinaus schlagen wir vor, einige längst überholte Gesetze aufzuheben.
Zur Information von Bürgern und Unternehmen haben wir ferner eine Liste der neuen EU-Vorschriften zusammengestellt, die im Laufe des nächsten Jahres in Kraft treten werden.
Die Überwachung und – soweit erforderlich – praktische Durchsetzung europäischer Rechtsvorschriften ist eine der wichtigsten Aufgaben der Kommission, der aber nicht immer die gebührende politische Beachtung geschenkt wurde. Das wollen wir jetzt ändern und verstärken die Durchsetzungsmaßnahmen in den Bereichen mit dem größten Handlungsbedarf. Dies gilt beispielsweise für unsere gemeinsamen Asylvorschriften, die ordnungsgemäß funktionieren müssen, wenn die Menschen Vertrauen in den Schengen-Raum ohne Binnengrenzen haben sollen. Die Anwendung unserer gemeinsamen europäischen Vorschriften vor Ort bedeutet, dass wir in enger Partnerschaft mit allen Akteuren auf allen Ebenen – auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene – zusammenarbeiten.
Wir sind entschlossen, zur Verwirklichung unserer Ziele alle uns zur Verfügung stehenden Mittel zu mobilisieren. In Zeiten, in denen Ressourcen knapper sind denn je, müssen EU-Haushaltsmittel ergebnisorientiert verwendet werden. Bei der Halbzeitüberprüfung des mehrjährigen Finanzrahmens wird es um die Frage gehen, wie wir die Finanzmittel besser auf die anstehenden Prioritäten, wie etwa die interne und die externe Dimension der Flüchtlingskrise, konzentrieren können. Darüber hinaus wird die Kommission eine Strategie für einen „ergebnisorientierten EU-Haushalt“ vorschlagen, um sicherzustellen, dass die Finanzmittel künftig stärker ergebnisorientiert eingesetzt werden. Es kann mehr getan werden, um die Anwendung innovativer Finanzierungsinstrumente zu fördern, und es besteht noch erheblicher Spielraum für Vereinfachungen (insbesondere in den Bereichen Landwirtschaft, europäische Struktur- und Investitionsfonds und Verstärkung der Forschungsanstrengungen), für eine Leistungssteigerung und für Maßnahmen, bei denen ein wirksamer Mitteleinsatz mit einer soliden wirtschaftspolitischen Steuerung einhergeht.
In ihrem zweiten Jahr im Amt verfolgt die Kommission weiterhin ihr klar definiertes Ziel: in großen Fragen Größe und Ehrgeiz zeigen und bessere Ergebnisse erzielen
und sich in kleinen Dingen, die kein gemeinsames Tätigwerden auf EU-Ebene erfordern, durch Zurückhaltung und Bescheidenheit auszeichnen. Mit diesem Arbeitsprogramm, das in seinem Aufbau den zehn von Präsident Juncker zu Beginn unserer Amtszeit festgelegten Prioritäten folgt, bekräftigen wir unsere Entschlossenheit, gemeinsam mit unseren Partnern im Europäischen Parlament und im Rat die Ergebnisse zu liefern, die die Europäerinnen und Europäer von uns erwarten. Angesichts der Herausforderungen, vor denen Europa heute steht, kann es kein „Business as usual” geben.
***
1.
Neue Impulse für Arbeitsplätze, Wachstum und Investitionen
Die Geschichte zeigt, dass die Europäerinnen und Europäer hart arbeiten, Innovationen hervorbringen, Neues schaffen und ihre Ideen weltweit vermarkten können. Wir können es uns nicht leisten, eine Generation mit solchem Talent und Potenzial zu verlieren. Die Kommission wird die Mitgliedstaaten deshalb weiter in ihren Anstrengungen unterstützen, Menschen wieder in Arbeit zu bringen. Wir haben 1 Mrd. EUR an Mittelbindungen vorgezogen, um die Umsetzung der Beschäftigungsinitiative für junge Menschen zu beschleunigen und bis zu 650 000 jungen Menschen in Europa zu einer Arbeit, einer Ausbildung, einem Praktikum oder einer Weiterbildungsmaßnahme zu verhelfen. Des Weiteren haben wir an die Mitgliedstaaten gerichtete Leitlinien für eine bessere Unterstützung Langzeitarbeitsloser bei der Rückkehr in den Arbeitsmarkt formuliert.
Wir müssen den Europäerinnen und Europäern das Rüstzeug an die Hand geben, das sie benötigen, um sich an die Erfordernisse einer sich rasch wandelnden Welt und neu entstehender Arbeitsmärkte anzupassen. Unsere Agenda für neue Kompetenzen wird lebenslange Investitionen in Menschen fördern – von der Berufs- und Hochschulbildung bis hin zum Erwerb von digitaler Kompetenz und Hochtechnologiekompetenz sowie von Lebenskompetenzen, die für eine aktive Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an einer sich verändernden Arbeitswelt und an sich verändernden Gesellschaften erforderlich sind. Besonderes Augenmerk wird der Work-Life-Balance erwerbstätiger Eltern und dem Ziel einer höheren Erwerbsbeteiligung der Frauen gelten. Die Richtlinie über Frauen in Leitungsorganen von Unternehmen sollte im Jahr 2016 verabschiedet werden. Darüber hinaus wird die Kommission ihre praktischen Arbeiten zur Förderung der Geschlechtergleichstellung fortführen.
Außerdem möchten wir erreichen, dass die europäischen Unternehmen die Möglichkeiten des Binnenmarkts optimal nutzen, um zu wachsen und sich im globalen Wettbewerb zu behaupten. Dafür benötigen sie eine stabile Finanzierung, ein solides Unternehmensumfeld und eine moderne Infrastruktur. Die Investitionsoffensive für Europa ist inzwischen in vollem Gange. Der Europäische Fonds für strategische Investitionen (EFSI) ist funktionsfähig und ermöglicht Investitionen hoher Qualität zur weiteren Stärkung der europäischen Wirtschaft, unter anderem auch Investitionen in die Forschung. Jetzt werden wir uns auf die Verbesserung des Investitionsumfelds und die Vertiefung des Binnenmarkts konzentrieren. Ziel ist es, den konkreten Nutzen des Binnenmarkts für die europäischen Bürgerinnen und Bürgern zu erhöhen, Hindernisse für Unternehmen abzubauen und günstige Rahmenbedingungen für Innovationen zu schaffen.
Wir müssen jetzt damit beginnen, die künftige Nachhaltigkeit Europas zu sichern. Wir werden ein neues Konzept vorstellen, das Wirtschaftswachstum und soziale und ökologische Nachhaltigkeit über den Zeithorizont 2020 hinaus gewährleisten soll und der Überprüfung der Strategie „Europa 2020“ sowie der internen und externen Umsetzung der von den Vereinten Nationen formulierten Ziele für nachhaltige Entwicklung Rechnung trägt.
Die Optimierung unseres Ressourceneinsatzes ist von fundamentaler Bedeutung, wenn wir ein umweltfreundliches und inklusives Wachstum gewährleisten wollen. Ab nächstem Jahr werden wir einen Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft umsetzen, mit dem bezweckt wird, einen Binnenmarkt für die Wiederverwendung von Werkstoffen und Ressourcen zu schaffen und so die Abkehr von der Linearwirtschaft zu fördern. Dies wird Maßnahmen in allen Phasen des Lebenszyklus eines Produkts – von der Beschaffung bis hin zu Produktion, Verbrauch, Abfallbeseitigung, Recycling und Innovation – erfordern, damit wirtschaftlich und ökologisch effiziente Geschäftsmöglichkeiten genutzt werden können.
Eine nachhaltige Zukunft zu gestalten bedeutet auch Bedrohungen für die Umwelt zu antizipieren und abzuwenden. Die Kommission wird die Mitgliedstaaten weiterhin dabei unterstützen, das Problem der Antibiotikaresistenz anzugehen, und einen Beitrag zu den weltweit in dieser Hinsicht unternommenen Anstrengungen leisten. Ferner planen wir vorbereitende Arbeiten und eingehendere Konsultationen zur Bewertung von Gesundheitstechnologien (Health Technology Assessment – HTA) mit dem Ziel, das Funktionieren des Binnenmarkts für Gesundheitsprodukte zu verbessern. Wir werden die bereits laufenden komplexen Vorarbeiten zum Schutz der europäischen Bürgerinnen und Bürger vor den Gefahren endokriner Disruptoren
abschließen und das Follow-up sicherstellen. Unsere Überprüfung der bestehenden Rechtsvorschriften zu Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, unter anderem zu Karzinogenen und Mutagenen, wird zur Schaffung eines effizienteren und wirksameren EU-Rahmens für den Arbeitsschutz beitragen.
2.
Ein vernetzter digitaler Binnenmarkt
Eine florierende digitale Wirtschaft kann Märkte expandieren lassen und neue Beschäftigungsquellen erschließen. Wenn wir die Fragmentierung überwinden, das Angebot für die europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher verbessern und neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen, kann Europa hier die Führungsrolle übernehmen. Aus diesem Grund hat die Kommission im Mai 2015 die Strategie für einen digitalen Binnenmarkt vorgeschlagen. Unser Ziel ist es, alle relevanten Vorschläge bis Ende 2016 vorzulegen, damit die Union noch in der Amtszeit dieser Kommission einen voll funktionsfähigen digitalen Binnenmarkt schaffen kann.
Im Dezember werden wir unsere Vorstellungen für einen moderneren, stärker europäisch ausgerichteten Ansatz im Bereich des Urheberrechts darlegen, mit dem wir der digitalen Revolution Rechnung tragen wollen. Auch werden wir Vorschläge zu den Rechten bei digitalen Verträgen präsentieren. Weitere Initiativen zum Urheberrecht, zum Geoblocking, zum freiem Datenverkehr, zur Cloud und zur Mehrwertbesteuerung im elektronischen Handel werden im Laufe des Jahres 2016 folgen.
Nach der Einigung über die Vorschläge zum vernetzten Kontinent, unter anderem über die Abschaffung der Roaming-Gebühren bis 2017, arbeiten wir jetzt an einer umfassenden Überprüfung des Rechtsrahmens für den Telekommunikationsbereich. Zusätzlich zu den jeweiligen REFIT-Überprüfungen werden wir die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, die Kabel- und Satellitenrichtlinie und die Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz überarbeiten. Gemeinsam mit den beiden gesetzgebenden Organen werden wir uns bemühen, bis Ende des Jahres eine Einigung über die Datenschutzreform und die Richtlinie zur Netz- und Informationssicherheit zu erzielen, die zwei wesentliche Bausteine für die Schaffung von Vertrauen und Sicherheit in einem wachsenden digitalen Binnenmarkt sind.
Unser ehrgeiziges Ziel ist und bleibt es
, die nationalen Silostrukturen bei der Regulierung im Telekommunikationsbereich, bei den Rechtsvorschriften zum Urheberrecht und zum Datenschutz, beim Frequenzmanagement und bei der Anwendung des Wettbewerbsrechts aufzubrechen, wobei kulturell bedingten Unterschieden in vollem Umfang Rechnung getragen werden soll. Mit dem Aufbau eines vernetzten digitalen Binnenmarkts können wir während der Amtszeit dieser Kommission ein zusätzliches Wachstum im Umfang von bis zu 250 Mrd. EUR in Europa generieren, damit hunderttausende neue Arbeitsplätze, insbesondere für jüngere Arbeitsuchende, schaffen und die Entstehung einer boomenden wissensbasierten Gesellschaft befördern.
3.
Eine robuste Energieunion mit einer zukunftsorientierten Klimaschutzpolitik
In ihrer Strategie für die Energieunion hat die Kommission die wesentlichen Maßnahmen dargelegt, die erforderlich sind, um Europas Energieversorgung sicherzustellen und seine Importabhängigkeit zu verringern, die nationalen Energiemärkte zu integrieren, Energieeffizienz zur Priorität zu machen, die CO2-Emissionen der Wirtschaft zu senken und Forschung, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit zu fördern. Im Jahr 2016 werden wir den Großteil der im Fahrplan für die Energieunion vorgesehenen Einzelmaßnahmen vorlegen. Im Rahmen eines regelmäßigen Berichts über den Stand der Energieunion werden wir über die Fortschritte berichten und aufzeigen, was noch zu tun bleibt.
Da die EU einer der Hauptakteure bei der Pariser Klimakonferenz ist, wird die Umsetzung des Energie- und Klimapakets 2030 im nächsten Jahr eine der zentralen Prioritäten sein, damit sichergestellt werden kann, dass die Zielvorgaben ordnungsgemäß erfüllt werden. Im Jahr 2016 wird die Kommission einen Vorschlag zur Lastenteilung für nicht unter das Emissionshandelssystem (EHS) fallende Bereiche wie den Gebäudesektor, die Landwirtschaft und die Dekarbonisierung des Verkehrs vorlegen. Wir werden die Einführung diskriminierungsfreier Straßennutzungsgebühren auf der Grundlage des Verursacher- und Nutzerprinzips genauso unterstützen wie die Bemühungen zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Verkehrsraums, der eine effizientere Nutzung der bestehenden Straßeninfrastruktur und eine flexiblere Nutzung der Kapazitäten von Fahrzeugflotten ermöglicht. Zur Beschleunigung der Energiewende wird die Kommission ferner Initiativen zur Neugestaltung des Energiemarktes, zur Erfüllung des Stromverbundziels von 15 % bis 2030, zur Energieversorgungssicherheit, zu erneuerbaren Energien und zur Energieeffizienz vorschlagen. Schließlich werden wir eine integrierte Strategie für Forschung, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit im Energiebereich erarbeiten, um das Beschäftigungs- und Wachstumspotenzial einer Wirtschaft mit geringen CO2-Emissionen zu erschließen.
4.
Ein vertiefter und fairerer Binnenmarkt mit gestärkter industrieller Basis
Der Binnenmarkt ist ein einzigartiger Trumpf und zugleich Europas größter Trumpf. Er macht es möglich, dass sich Menschen, Waren, Dienstleistungen und Kapital frei bewegen können. Er beschert den Verbrauchern eine größere Auswahl und niedrigere Preise. Er erlaubt es den Menschen, zu leben, zu arbeiten und zu studieren, wo sie wollen. Er bietet den Angehörigen freier Berufe und den Unternehmen neue Möglichkeiten, indem er den Verwaltungsaufwand reduziert, der ihnen ohne Binnenmarkt bei der Ausübung grenzüberschreitender Tätigkeiten entstehen würde. Er bildet das Fundament für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft.
Mit der Annahme der Binnenmarktstrategie in dieser Woche unterstreichen wir die Notwendigkeit, aufbauend auf diesen Stärken das volle Potenzial unseres Binnenmarkts freizusetzen. Dabei gilt es, eine Anpassung an sich wandelnde wirtschaftliche Bedingungen zu vollziehen und den Binnenmarkt zum Sprungbrett für unsere Wirtschaft und unsere Unternehmen in die globale Wirtschaft zu machen. Jetzt werden wir den Fokus auf konkrete Maßnahmen richten: Förderung des Wachstums von Start-up-Unternehmen, Freisetzung des Potenzials neuer, aus der partizipativen Wirtschaft hervorgehender Geschäftsmodelle, Erleichterung der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen, Verbesserung des Systems unserer Standards und Gewährleistung, dass die Binnenmarktvorschriften ordnungsgemäß angewandt und in der Praxis durchgesetzt werden. Wir werden auf die Beseitigung rechtlicher und technischer Barrieren beim Zugang zum Straßenverkehrsmarkt sowie auf eine bessere Durchsetzung der Sozialvorschriften hinwirken. Eines unserer Hauptanliegen ist es, KMU und Start-ups zu Wachstum zu verhelfen, indem wir rechtliche Hindernisse aus dem Weg räumen und den Zugang zu Finanzierungen erleichtern. Wir werden zudem eine neue Initiative zu präventiven Restrukturierungsverfahren und zur Eröffnung einer zweiten Chance für Unternehmen nach einer Insolvenz vorstellen.
Die Implementierung der Kapitalmarktunion ist wesentlicher Bestandteil dieser Arbeiten, da die Schaffung eines Binnenmarkts für Kapital, Finanzierungen und Sparguthaben bei der Beseitigung von Investitionsengpässen und der Förderung des Wachstums von Unternehmen im gesamten Binnenmarkt eine zentrale Rolle spielen wird. Dabei wird es entscheidend darauf ankommen, dass die beiden gesetzgebenden Organe eine rasche Einigung über den Kommissionsvorschlag für Verbriefungen erzielen. Noch in diesem Jahr wird die Kommission außerdem einen Vorschlag für die Überprüfung der Prospektrichtlinie vorlegen, der darauf abzielt, kleinen Unternehmen den Börsengang und den Zugang zu Marktfinanzierungen zu erleichtern. Auch wird sie weitere Maßnahmen zur Unterstützung der Errichtung von Risikokapitalfonds und zur Entwicklung einer neuen Risikokapitalkultur mit Blick auf die Schaffung neuer unternehmerischer Chancen präsentieren.
Um es den europäischen Bürgerinnen und Bürgern zu erleichtern, die Beschäftigungsmöglichkeiten im Binnenmarkt optimal zu nutzen, haben wir bereits Maßnahmen zum Ausbau des europäischen Portals zur beruflichen Mobilität (EURES) und zur Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den Arbeitsverwaltungen vorgeschlagen. Die Vorschläge zur Arbeitskräftemobilität, die wir noch in diesem Jahr vorlegen, werden Maßnahmen zur Bekämpfung von Missbrauch durch eine bessere Durchsetzung und Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vorsehen. Außerdem werden wir die Arbeitnehmerentsenderichtlinie dahingehend überarbeiten, dass unfaire Praktiken, die einem Sozialdumping und einem Braindrain Vorschub leisten, unterbunden werden, indem sichergestellt wird, dass für gleiche Arbeit am gleichen Ort der gleiche Lohn gezahlt wird.
Ferner werden wir besonderes Gewicht auf die Verbesserung des Zugangs zu bestimmten Waren und Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen legen.
Im Jahr 2016 werden wir uns auch eingehender mit einzelnen ausgewählten Branchen befassen, sei es aufgrund ihres Wachstumspotenzials oder aufgrund der spezifischen Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert sind. Wir werden eine Strategie präsentieren, mit der gewährleistet werden soll, dass die Vorteile der europäischen Raumfahrtprogramme wie Galileo und Copernicus der europäischen Wirtschaft und den europäischen Bürgerinnen und Bürgern in vollem Umfang zugutekommen. Wir werden einen Europäischen Aktionsplan ausarbeiten und umsetzen, um sicherzustellen, dass unser Verteidigungsmarkt in der Lage ist, künftigen Sicherheitserfordernissen gerecht zu werden. Wir werden das Followup der Strategie für den Luftverkehr gewährleisten, die noch in diesem Jahr vorgestellt wird. Und angesichts der Entwicklungen im Agrarsektor werden wir unseren Bericht über die Funktionsweise des Milchmarkts bereits im nächsten Jahr vorlegen.
Die Kommission wird einen Aktionsplan zur Mehrwertsteuer, in dem sie weitere Schritte auf dem Weg zu einer effizienten und betrugssicheren endgültigen Regelung umreißt, sowie Initiativen zu Mehrwertsteuersätzen und elektronischem Geschäftsverkehr im Kontext des digitalen Binnenmarkts präsentieren. Des Weiteren beabsichtigen wir, eine Reihe früherer MwSt.-Vorschläge zurückzuziehen, bei denen im Rat nur geringe Fortschritte erzielt wurden oder deren signifikantes Vereinfachungspotenzial in nicht hinnehmbarer Weise verwässert wurde, wie dies bei der Standard-Mehrwertsteuererklärung der Fall ist.
Ferner streben wir weitere Fortschritte in Richtung einer fairen, effizienten und wachstumsfreundlichen Unternehmensbesteuerung an, aufbauend auf dem Grundsatz, dass Unternehmen ihre Steuern in dem Land zahlen sollten, in denen die Gewinne erwirtschaftet werden. Wir werden ein Maßnahmenpaket zur Erhöhung der Transparenz des Körperschaftssteuersystems und zur Bekämpfung von Steuervermeidung vorlegen, unter anderem durch Einführung internationaler Standards mit Blick auf die Problematik der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung. Den blockierten Vorschlag für eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage wollen wir zurückziehen und durch Vorschläge für einen stufenweisen Ansatz ersetzen, beginnend mit der Einigung auf eine obligatorische Bemessungsgrundlage. Auf diese Weise wird der Binnenmarkt für Unternehmen gestärkt und gleichzeitig werden Schlupflöcher geschlossen und eine faire Besteuerung aller Unternehmen gewährleistet.
5.
Eine vertiefte und fairere Wirtschafts- und Währungsunion
Die Kommission hat soeben – im Einklang mit dem Bericht der fünf Präsidenten
– zentrale Elemente der ersten Stufe des Prozesses zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) vorgestellt. Wir haben einen erneuerten Ansatz für das Europäische Semester und ein verbessertes Instrumentarium für die wirtschaftspolitische Steuerung vorgeschlagen. Unter anderem ist die Einrichtung nationaler Ausschüsse für Wettbewerbsfähigkeit und eines Europäischen Fiskalausschusses geplant. Wir wollen den Dialog zwischen der Kommission und dem Europäischen Parlament verbessern, um die demokratische Rechenschaftslegung innerhalb unseres Systems der wirtschaftspolitischen Steuerung zu stärken. Ferner fordern wir eine einheitlichere Vertretung des Euro-Währungsgebiets in internationalen Organisationen (insbesondere im IWF). Bis Ende des Jahres werden wir als letzten Schritt zur Vollendung der Bankenunion ein auf einem Rückversicherungsmechanismus basierendes europäisches Einlagensicherungssystem vorschlagen und Wege aufzeigen, wie sich die Risiken weiter reduzieren und im Bankensektor gleiche Wettbewerbsbedingungen herstellen lassen.
Diese Maßnahmen sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer widerstandsfähigeren, prosperierenden WWU. In diesem Kontext wird das Europäische Semester 2016 den Fokus auch stärker auf die wirtschaftliche und haushaltspolitische Lage im Euro-Währungsgebiet als Ganzes richten, noch größeres Gewicht auf die Leistungsfähigkeit der Mitgliedstaaten im Bereich Beschäftigung und Sozialschutz legen und Konvergenz fördern, unter anderem durch die Beseitigung von Investitionshindernissen auf nationaler Ebene.
Mit der Errichtung einer europäischen Säule sozialer Rechte wird ein Schritt in diese Richtung unternommen. Die Kommission wird zwei komplementäre Aktionslinien verfolgen: erstens, Modernisierung der bestehenden sozialpolitischen Rechtsvorschriften und Schließung vorhandener Lücken mit dem Ziel, dem heutigen Arbeitsumfeld Rechnung zu tragen und zu gewährleisten, dass bei neuen Arbeitsmodellen ein faires Gleichgewicht in den Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern erhalten bleibt; zweitens, ausgehend von bewährten Verfahren in den Mitgliedstaaten Festlegung sozialer Benchmarks, vor allem im Rahmen des Flexicurity-Konzepts, mit dem Ziel einer Aufwärtskonvergenz – insbesondere im Euro-Währungsgebiet – in Bezug auf das Funktionieren des Arbeitsmarktes, auf Qualifikationen und auf den Sozialschutz.
Diese Arbeiten werden wir in einem verstärkten Dialog mit dem Europäischen Parlament, den Mitgliedstaaten, den nationalen Parlamenten und den Sozialpartnern weiter voranbringen. Zur Vorbereitung des Übergangs von Stufe 1 zu Stufe 2 der Vollendung der WWU und des Weißbuchs der Kommission, das im Frühjahr 2017 vorgelegt werden soll, wird die Kommission eine umfassende EU-weite Konsultation und Debatte in Gang setzen. Dabei werden wir uns auch auf analytische Arbeiten einer hochrangigen Expertengruppe stützen, die im Sommer 2016 eingesetzt werden wird. Das Europäische Parlament wird in all diese vorbereitenden Arbeiten eng eingebunden.
6.
Ein vernünftiges und ausgewogenes Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten
Der internationale Handel und internationale Investitionen sind die Haupttriebkräfte für die Erholung der europäischen Wirtschaft. Die EU verfügt über optimale Möglichkeiten, um dafür zu Sorge zu tragen, dass die Chancen der Globalisierung zum Wohle der europäischen Bürgerinnen und Bürgern in transparenter und sozial- und umweltverträglicher Weise genutzt werden. Im Wege einer aktiven Handelspolitik werden wir unsere Anbindung an die neu entstehenden Zentren globalen Wachstums und unsere Teilhabe an den neuen digitalen und globalen Wertschöpfungsketten sichern. Dies wird unseren Unternehmen neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen und Arbeitsplätze hoher Qualität schaffen, ohne dass dadurch unsere europäischen Werte oder Standards in Frage gestellt werden.
Das Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaftsabkommen (TTIP) mit den Vereinigten Staaten bleibt eine Top-Priorität für 2016. Wir sind entschlossen, eine faire und ausgewogene Vereinbarung mit den Vereinigten Staaten mit einem neuen Ansatz in Sachen Investitionsschutz auszuhandeln. Auch die Zusammenarbeit mit dem asiatisch-pazifischen Raum soll gestärkt werden, beispielsweise im Wege der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan und eines Investitionsabkommens zwischen der EU und China. Außerdem werden wir um die Genehmigung ersuchen, Freihandelsabkommen mit Australien und Neuseeland auszuhandeln und Verhandlungen über Freihandelsabkommen mit den Philippinen und Indonesien zu eröffnen, sobald die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Unsere ambitionierte bilaterale Handelsagenda, die bereits 27 Verhandlungspartner abdeckt, ergänzt das multilaterale System der Welthandelsorganisation, das nach wie vor auch den Kern des EU-Ansatzes bilden wird.
Für das Jahr 2016 strebt die Kommission die vorläufige Anwendung mehrerer neuer Abkommen an, unter anderem der Abkommen mit Kanada und mit mehreren Regionen in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean. Die bereits bestehenden Abkommen, wie etwa die Abkommen mit unserer östlichen Nachbarschaft, werden wir eng überwachen. Im Lichte neuer wirtschaftlicher Gegebenheiten soll auch mit der Modernisierung einiger bestehender Abkommen, unter anderem mit Ländern wie der Türkei, Mexiko und Chile, begonnen werden.
Mit der neuen Handels- und Investitionsstrategie, die wir Anfang des Monats vorgestellt haben, wollen wir das Instrumentarium der Handelspolitik aktualisieren und stärker auf die Bereiche Dienstleistungen, digitaler Handel, Mobilität, Zugang zu natürlichen Ressourcen, Innovation und andere Beschäftigungs- und Wachstumstreiber ausrichten. Wir werden größeres Gewicht auf die Umsetzung und Durchsetzung legen, um sicherzustellen, dass die mit den Handelsabkommen geschaffenen Möglichkeiten auch zu konkreten Ergebnissen führen. Gleichzeitig werden wir unser besonderes Augenmerk auf die KMU und die Unterstützung der Arbeitskräfte bei der Anpassung an den Wandel richten. Des Weiteren werden wir unsere Arbeiten im Hinblick darauf vorantreiben, im Interesse der Betroffenen und der Bürgerinnen und Bürger für mehr Transparenz in Bezug auf die von uns geführten Handelsverhandlungen zu sorgen.
7.
Auf gegenseitigem Vertrauen fußender Raum des Rechts und der Grundrechte
Terrorismus und Radikalisierung, das organisierte Verbrechen und Cyberkriminalität bedrohen die Sicherheit der Europäerinnen und Europäer. Ihrem Wesen nach handelt es sich um transnationale Phänomene, die eine Reaktion auf EU-Ebene erfordern. Die Kommission wird sich auf die Umsetzung der Europäischen Sicherheitsagenda konzentrieren. So wird sie Vorschläge vorlegen für eine Überarbeitung des Rahmenbeschlusses zum Terrorismus, um besser gegen ausländische terroristische Kämpfer vorzugehen zu können, sowie einen Vorschlag zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit bargeldlosen Zahlungsmitteln. Die Arbeiten zur grundlegenden Überarbeitung des Rechtsrahmens für die Kontrolle von Transaktionen im Bereich Feuerwaffen werden fortgesetzt. Wir werden unsere Aufmerksamkeit – unter voller Wahrung der Grundrechte – vermehrt der Entwicklung der operativen Zusammenarbeit und des operativen Instrumentariums widmen, um so ein Fundament für das gegenseitige Vertrauen zu legen, das für eine wirksame grenzüberschreitende Strafverfolgung unverzichtbar ist.
Die Datenschutzreform (Verordnung und Richtlinie) und der Vorschlag zum Umgang mit EU-Fluggastdatensätzen sollten bis Ende des Jahres von den gesetzgebenden Organen verabschiedet werden. Die Kommission beabsichtigt, ein tragfähiges Abkommen mit den Vereinigten Staaten über die Weitergabe personenbezogener Daten für Strafverfolgungszwecke zu schließen, das die erforderlichen Garantien vorsieht, einschließlich des Rechts natürlicher Personen auf gerichtliche Überprüfung. Im Lichte der jüngsten Rechtsprechung werden wir auf einen neuen Rahmen hinarbeiten, der einen angemessenen Schutz der von Unternehmen in den Vereinigten Staaten gespeicherten personenbezogenen Daten gewährleistet.
Im Jahr 2016 wird es vor allem darauf ankommen, dass die gesetzgebenden Organe Fortschritte in Bezug auf die Europäische Staatsanwaltschaft und die Europol-Reform erzielen. Ferner wird die Kommission die Arbeiten fortsetzen, die darauf abstellen, für Klarheit in Bezug auf den Zugang zur Justiz in Umweltangelegenheiten zu sorgen.
Auch wird die Kommission die mit Blick auf den Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention erforderlichen Arbeiten fortführen und dabei dem Gutachten des Gerichtshofs
in vollem Umfang Rechnung tragen.
8.
Hin zu einer neuen Migrationspolitik
Die Bewältigung der Flüchtlingskrise und des Migrationsdrucks an unseren Außengrenzen ist das drängendste Problem, mit dem die Union derzeit konfrontiert ist, und angesichts von Instabilität, Krieg und Armut in unserer Nachbarschaft ist davon auszugehen, dass dieses Thema auch in den kommenden Jahren weiter ganz oben auf der politischen Agenda stehen wird.
Die Europäische Migrationsagenda, die wir im Mai 2015 vorgestellt haben, sieht einen umfassenden Ansatz im Bereich der Migrationssteuerung vor, der auf den Grundsätzen der Solidarität und Verantwortung beruht. Zwei Notfallreglungen zur Umverteilung von 160 000 Menschen, die des internationalen Schutzes bedürfen, von den am stärksten betroffenen Mitgliedstaaten auf andere EU-Mitgliedstaaten, wurden bereits in Kraft gesetzt. Tagtäglich werden im Rahmen der gemeinsamen Frontex-Einsätze „Poseidon“ und „Triton“ Schiffbrüchige aus dem Mittelmeer gerettet. Teams zur Unterstützung der Migrationssteuerung helfen inzwischen den nationalen Behörden an den „Hotspots“ in Griechenland und Italien bei der Identifizierung, Registrierung und Bearbeitung der Fälle neu eintreffender Flüchtlinge. Die Anstrengungen zur Bekämpfung des Menschenschmuggels und zur Zerschlagung von Schleusergruppen werden verstärkt. Außerdem werden Maßnahmen getroffen, um eine größere Zahl von Menschen, die nicht des internationalen Schutzes bedürfen, zurückzuführen.
Die EU hat bereits 4 Mrd. EUR an humanitärer sowie an Entwicklungs-, Wirtschafts- und Stabilisierungshilfe bereitgestellt, die der syrischen Bevölkerung im eigenen Land sowie Flüchtlingen und deren Aufnahmegemeinden in den Nachbarstaaten Libanon, Jordanien, Irak, Türkei und Ägypten zugutekommt. Weitere 1,8 Mrd. EUR werden für die Einrichtung eines Nothilfe-Treuhandfonds zur Unterstützung der Stabilität und zur Bekämpfung der Ursachen irregulärer Migration und von Binnenvertreibungen in Afrika eingesetzt. Von zentraler Bedeutung für eine bessere Migrationssteuerung ist eine stärkere und vertiefte Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern, einschließlich konzertierter Anstrengungen zur Unterstützung der wachsenden Zahl von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen in Drittländern.
Die Krise hat deutlich gemacht, dass wir – über die Sofortmaßnahmen hinaus – die Art und Weise, wie wir unsere Außengrenzen schützen, und unseren europäischen Rahmen für die Asylpolitik grundlegend überdenken müssen. Bis Ende des Jahres wird die Kommission Vorschläge für einen europäischen Grenz- und Küstenschutz – aufbauend auf einer deutlichen Stärkung von Frontex – vorlegen.
Wir werden unser gemeinsames Asylsystem von Grund auf neu gestalten, um die offen zu Tage getretenen Lücken und Schwachstellen des Dublin-Systems zu beheben, und die Rolle des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen zu stärken. Ferner werden wir darauf drängen, dass der Aktionsplan für die Rückkehr rasch und vollständig umgesetzt und eine Einigung über die anhängigen Vorschläge zur Umsetzung der Europäischen Migrationsagenda erzielt wird. Auch werden wir Vorschläge vorlegen für ein strukturiertes Neuansiedlungssystem, damit Schutzbedürftige sicher in die EU einreisen können, ohne ihr Leben aufs Spiel zu setzen, indem sie sich in die Hände von Schleusern begeben, sowie Vorschläge für bessere Schutzregelungen in den Nachbarregionen.
Und mit Blick auf Europas künftige demografische Erfordernisse und den künftigen Arbeitsmarktbedarf werden wir ein neues Konzept für die legale Migration, einschließlich Maßnahmen zur Optimierung der „Blue-Card“-Richtlinie, vorstellen.
9.
Mehr Gewicht auf der internationalen Bühne
In einem zunehmend vernetzten, umkämpften, komplexen und durch einen dynamischen Wandel gekennzeichneten Weltmarkt gewinnen die Kohärenz der Außenmaßnahmen der EU und unsere Fähigkeit, alle verfügbaren Instrumente zu mobilisieren, um unsere Ziele zu erreichen und unsere internen Politiken zu ergänzen, immer mehr an Bedeutung. Herausforderungen wie die Migration, der Zugang zu Energie und anderen Ressourcen und der Klimawandel führen vor Augen, dass es einer wirksamen Außendimension bedarf, um bei der Verwirklichung der wichtigen Ziele der internen Politik weiter voranzukommen und es der EU zu ermöglichen, Chancen zur Verbreitung eigener Werte, wie Demokratie, Menschenrechte, Gleichheit und Solidarität, zu nutzen und die europäische Geschichte und Kultur in der Welt bekanntzumachen. Die Kommission wird deshalb einen wesentlichen Beitrag leisten, um die Hohe Vertreterin/Vizepräsidentin bei der Ausarbeitung einer neuen globalen Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik zu unterstützen.
Im Umgang mit akuten Krisen wie den Konflikten in Syrien, Libyen und der Ukraine wird die Kommission weiterhin internationale Akteure wie die Vereinten Nationen und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa proaktiv unterstützen und dabei auf die gesamte Palette der ihr zur Verfügung stehenden Politiken, Finanzierungsmöglichkeiten und sonstigen Instrumente zurückgreifen. Wir werden unser Instrumentarium zur Förderung von Sicherheit und Entwicklung in Partnerländern überprüfen und weiter ausbauen und Maßnahmen vorschlagen, um den betreffenden Ländern bei der Verbesserung ihrer Governance und beim Kapazitätsaufbau im Sicherheitssektor behilflich zu sein.
Im Anschluss an die derzeit laufende öffentliche Konsultation werden wir als Nachfolgeregelung zum Cotonou-Abkommen einen neuen politischen Rahmen für die Beziehungen zu den AKP-Staaten und -Regionen vorlegen. Die Entwicklungspolitik der Kommission wird ebenso wie die neue Handels- und Investitionsstrategie darauf abzielen, die wirtschaftliche Entwicklung, den Sozialschutz, den Umweltschutz und den Schutz der Menschenrechte zu fördern, Korruption zu bekämpfen und die Steuerung der Migration zu verbessern, indem bei den Ursachen angesetzt wird.
Die Kommission wird ihre Arbeiten zur weiteren Konkretisierung der Beitrittsperspektive der Kandidatenländer fortsetzen. In diesem Kontext werden wir unsere Partnerschaft mit der Türkei stärken, unter anderem durch die Umsetzung des Aktionsplans zur Migration und durch eine Modernisierung der Zollunion. Die neue europäische Nachbarschaftspolitik wird einen stärker fokussierten, zielgenaueren Rahmen für die Unterstützung des Stabilisierungs- und Demokratisierungsprozesses in den Ländern der östlichen und südlichen Nachbarschaft vorgeben.
Ferner werden wir die Hohe Vertreterin/Vizepräsidentin im Hinblick auf die Vertiefung der bilateralen Beziehungen zu den wichtigsten Partnern der EU unterstützen. Maßgeschneiderte strategische Ansätze werden regelmäßig zu aktualisieren sein, wie dies beispielsweise bei der China-Politik der Fall ist. In Anknüpfung an den erfolgreichen Abschluss der Nuklearverhandlungen mit Iran könnte ein erneuerter Rahmen für die Beziehungen zu Iran ins Auge gefasst werden, sofern die Vereinbarung vollständig umgesetzt wird.
10. Eine Union des demokratischen Wandels
Die Kommission wird sich in Partnerschaft mit dem Europäischen Parlament und dem Rat darum bemühen, dass die Verhandlungen über eine neue interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung bis Ende des Jahres abgeschlossen werden können, um unsere gemeinsame Verpflichtung auf eine bessere Rechtsetzung zu stärken und so bessere Ergebnisse zu erzielen, für mehr Transparenz bei der Beschlussfassung auf europäischer Ebene zu sorgen und die drei Organe für eine künftige bessere Zusammenarbeit zu rüsten.
Im Jahr 2016 werden wir unseren Vorschlag für eine interinstitutionelle Vereinbarung über ein verbindliches Transparenzregister für Interessenvertreter, die Einfluss auf die Politikgestaltung im Europäischen Parlament, im Rat und in der Kommission nehmen wollen, vorlegen.
Im vergangenen Jahr haben wir die Beziehungen und den Dialog der Kommission mit den nationalen Parlamenten intensiviert, zum einen im Wege von Treffen und durch einen Gedankenaustausch mit parlamentarischen Ausschüssen, zum anderen durch eine erneuerte Verpflichtung zum politischen Dialog über Vorschlagsentwürfe. Wir beabsichtigen, daran anknüpfend im Jahr 2016 weitere Schritte zu unternehmen, um den nationalen Parlamenten eine starke Stimme in der europäischen Politik zu verleihen.
Schließlich werden wir unseren Bürgerdialog weiter ausbauen, der den Mitgliedern der Kommission die Möglichkeit bietet, die Menschen vor Ort aufzusuchen, ihnen Gehör zu schenken und die Fragen, die ihnen am meisten am Herzen liegen, zu beantworten.
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Die Europäische Union ist an einem entscheidenden Punkt angekommen. Wir stehen vor nie dagewesenen Herausforderungen: der Flüchtlingskrise, Arbeitslosigkeit und einer Beschäftigungs- und Wachstumslücke, der Notwendigkeit einer Vertiefung unserer Wirtschafts- und Währungsunion, dem Klimawandel, der instabilen Lage in unserer östlichen und südlichen Nachbarschaft und einem fairen Deal für das Vereinigte Königreich innerhalb einer Europäischen Union, die sich auf die vier Binnenmarktfreiheiten und die Werte, die alle 28 Mitgliedstaaten teilen, verpflichtet hat.
Jetzt ist nicht die Zeit für „Business as usual“. Deshalb verpflichtet sich die Kommission mit dem vorliegenden Arbeitsprogramm zu mutigen, zielgenauen und pragmatischen Maßnahmen, die es uns ermöglichen, die genannten Herausforderungen zu meistern und im Geiste europäischer Solidarität und Verantwortung gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Wir zählen darauf, dass unsere Partner im Europäischen Parlament und im Rat mit uns an einem Strang ziehen werden, damit wir rasch die Ergebnisse liefern können, die die europäischen Bürgerinnen und Bürger von der Union erwarten.