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Document 52015AE0105

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Entwicklung des im Rahmen der Klima- und Energiepolitik bis 2030 vorgeschlagenen Governance-Systems“ (Sondierungsstellungnahme auf Ersuchen der Europäischen Kommission)

    ABl. C 291 vom 4.9.2015, p. 8–13 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    4.9.2015   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 291/8


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Entwicklung des im Rahmen der Klima- und Energiepolitik bis 2030 vorgeschlagenen Governance-Systems“

    (Sondierungsstellungnahme auf Ersuchen der Europäischen Kommission)

    (2015/C 291/02)

    Berichterstatter:

    Richard ADAMS

    Mitberichterstatterin:

    Ulla SIRKEINEN

    Die Europäische Kommission beschloss am 16. Januar 2015 gemäß Artikel 304 AEUV, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu folgendem Thema zu ersuchen:

    „Entwicklung des im Rahmen der Klima- und Energiepolitik bis 2030 vorgeschlagenen Governance-Systems“

    (Sondierungsstellungnahme).

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 8. April 2015 an.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 507. Plenartagung am 22./23. April 2015 (Sitzung vom 23. April 2015) mit 152 gegen 6 Stimmen bei 5 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1

    Der Rahmen für die Klima- und Energiepolitik der EU fußt auf einer Vielzahl bestehender Rechtsvorschriften, die zum Teil unvollständig in einzelstaatliches Recht umgesetzt bzw. unzulänglich durchgeführt wurden. Die Verwirklichung der Energieunion wird die Aufstellung und vor allem strenge Umsetzung noch weiterer Rechtsvorschriften erfordern. Ein solides Governance-System ist von wesentlicher Bedeutung. Rechtsvorschriften sind eine Grundlage — Governance ist der Schlüssel zum Erfolg. Die praktische Umsetzung von Konzepten setzt die Bereitschaft zur Auseinandersetzung, Teilhabe, Einbeziehung und Offenheit aller Interessenträger voraus. Die wirksamste Form von Governance ist diejenige, bei der die Festlegung von Verfahren zur Vereinbarung und Verwirklichung von Zielen als gemeinsames Unterfangen aller Interessenträger betrachtet wird. In diesem Sinne spricht der Ausschuss folgende Empfehlungen aus:

    Ein strukturierter Dialog zwischen allen Interessenträgern muss an den Governance-Prozess gekoppelt sein, um gesellschaftliche Hemmnisse für rechtliche und politische Maßnahmen auszuräumen und Verhaltens- und Mentalitätsänderungen der Bürger zu ermutigen.

    Die gesetzgebenden Institutionen der EU sollten klare politische Leitlinien für die Einrichtung und praktische Durchführung eines umfassenden Dialogs mit allen betroffenen Akteuren und die Auseinandersetzung mit der Energiewende-Thematik (beispielsweise Klima, soziale Gerechtigkeit und Sicherheit) aufstellen, um die Entwicklung der Energieunion und die europäischen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels zu begleiten und zu unterstützen.

    Der Ausschuss spricht sich für einen Dialog mit den Sozialpartnern aus, um eine Energiewende zu gewährleisten, die zugleich Umweltaspekten und sozialen Anliegen Rechnung trägt.

    Dies sollte bevorzugt in Gestalt eines unabhängigen und vertrauenswürdigen Europäischen Energiedialogs erfolgen, in dessen Rahmen alle Interessenträger ausgewogen vertreten sind, Informationen austauschen, Meinungen kundtun, energiepolitische Entscheidungen beeinflussen und sich folglich aktiv in die Energiewende einbringen können.

    Der Ausschuss fordert den Europäischen Rat und das Europäische Parlament insbesondere auf, bei der Prüfung des Pakets zur Energieunion die unter Ziffer 6 dieser Stellungnahme (möglicher Umsetzungspfad) aufgezeigten Maßnahmen im Hinblick auf die Einrichtung eines Europäischen Energiedialogs zur Untermauerung des Governance-Prozesses als Aktionsschwerpunkte zu übernehmen.

    Dieser Dialog wird in einem eigens dafür eingerichteten Forum geführt, um die Teilnahme aller Interessenträger zu ermöglichen.

    2.   Einführung

    2.1

    Zur Entwicklung einer Energieunion in der EU und mit Blick auf die wichtige Weltklimakonferenz in Paris Ende 2015 ist es notwendig, wirksame Governancemechanismen für die Energiewende zu entwickeln. Infolge der einschlägigen Mitteilung der Kommission verständigte sich der Europäische Rat auf einen neuen EU-Klima- und Energierahmen bis 2030 und kam ferner überein, dass ein zuverlässiges und transparentes Governance-System zu entwickeln ist, das dazu beiträgt, dass die EU ihre energiepolitischen Ziele erreicht. Im Rahmen für die Politik bis 2030 werden ein neues Governanceverfahren auf der Grundlage nationaler Pläne für eine sichere, nachhaltige und wettbewerbsorientierte Energieversorgung sowie ein Satz von Schlüsselindikatoren zur Bewertung der im Lauf der Zeit erzielten Fortschritte vorgeschlagen. Ein solches Verfahren sollte die Erreichung der Zielvorgaben für 2030 ermöglichen sowie Kohärenz auf EU-Ebene und Flexibilität auf nationaler Ebene ermöglichen. Eine starke Governance könnte ferner im Rahmen der internationalen Klimaverhandlungen als positives Modell und Beispiel dienen.

    2.2

    Die Notwendigkeit einer wirksamen Governance kann gar nicht stark genug betont werden. Die Nichteinhaltung der Fristen des dritten Energiepakets, mit dem ein starker EU-Energiebinnenmarkt vollendet werden sollte, ist weitgehend auf schwache Governance zurückzuführen. Nationale Interessen überwogen, wenn sie sich nicht ohnehin mit Ansprüchen zur Stärkung der EU als Ganzes deckten. Ein neuer Governance-Prozess muss dieses Problem überwinden.

    2.3

    Zunächst wären nationale Ziele festzulegen. Es wird ein iterativer Prozess für sowohl die Aufstellung der Pläne durch die Mitgliedstaaten als auch für die Einfügung der Pläne in einen kohärenten EU-Gesamtrahmen zur Erreichung der vereinbarten EU-Ziele vorgeschlagen. Drei Etappen sind vorgesehen:

    1)

    Die Kommission wird Leitlinien für den Governance-Prozess und die nationalen Pläne ausarbeiten.

    2)

    Die Mitgliedstaaten legen ihre nationalen Pläne vor, die sie in einem iterativen Prozess mithilfe der Kommission und in Abstimmung mit ihren Nachbarländern aufgestellt haben.

    3)

    Sodann wird die Kommission die Eignung der nationalen Pläne zur Umsetzung der Ziele überprüfen und erforderlichenfalls so lange über inhaltliche Vertiefungen verhandeln, bis dies gewährleistet ist. Bei einem Scheitern des freiwilligen Ansatzes könnte auf Legislativmaßnahmen zur Festlegung einer Governance-Struktur zurückgegriffen werden.

    2.4

    Die Europäische Kommission verfügt über umfangreiche Erfahrungen im Bereich der Gestaltung und Umsetzung von Governance-Strukturen, die sie auf die Klima- und Energiepolitik übertragen wird. In dieser Stellungnahme wird der oben beschriebene Ansatz befürwortet, doch muss er entschieden und voller Überzeugung vorangetrieben werden. Die Fristen im iterativen Prozess müssen knapp gehalten werden und die Jahresberichte auf prägnanten und unerschrockenen Analysen gründen. Wie schon in seiner Stellungnahme zu der Mitteilung über den Rahmen für die Klima- und Energiepolitik im Zeitraum 2020-2030 (1) fordert der Ausschuss erneut die Mitgliedstaaten auf, einem wirksamen Governanceverfahren zuzustimmen und gemeinsam mit der Kommission und der Zivilgesellschaft darüber zu beraten, wie es umgesetzt werden kann.

    2.5

    Nach Meinung des Ausschusses sollte dieser Rahmen durch die Mobilisierung eines breiten Rückhalts in der Zivilgesellschaft, u. a. der Sozialpartner, im Wege eines strukturierten Europäischen Energiedialogs, aktiviert und gestärkt werden.

    3.   Das Wesen der Governance

    3.1

    Der Governance-Prozess muss mit dem rechtlichen Rahmen, innerhalb dessen er durchgeführt wird, vereinbar sein. Der rechtliche Rahmen gibt die Ziele und die Methoden zur Erreichung der Zielvorgaben vor und muss für langfristige Gewissheit und Kontinuität sorgen, vor allem mit Blick auf Investitionen, Berufsbildung und Beschäftigung. Er sollte auch die entsprechenden einschlägigen Indikatoren bereitstellen. Der Governance-Prozess, der sich auf alle Rechtsvorschriften im Energiebereich beziehen sollte, muss es ermöglichen, komplexe Fragen, bei denen es womöglich unterschiedliche Standpunkte und Interessenkonflikte gibt, zu lösen. Governance sollte den Entscheidungsfindungsprozess unterstützen und ergänzen und gleichzeitig genügend Flexibilität bieten, um potenziell rasche Veränderungen zu bewältigen. Im Wesentlichen sollten bei der Governance auch gesellschaftliche Wahrnehmungen, Technologie, Geopolitik und der Markt berücksichtigt werden.

    3.2

    Im Rahmen des Governance-Systems muss sichergestellt werden, dass Meinungen, Präferenzen, Wahrnehmungen und Werte fortwährend in ausgewogener und repräsentativer Weise dargelegt werden und in die Entscheidungsfindung und politische Gestaltungsarbeit einfließen. Governance muss die Anpassungsfähigkeit erleichtern, was nicht heißt, dass häufige Kurswechsel stattfinden sollen, sondern dass Abweichungen vorausgesehen und im Wege einer kohärenten und inklusiven Entwicklung berücksichtigt werden.

    3.3

    Das sind hohe Anforderungen, die durch wachsende Skepsis in Bezug auf die Fähigkeit der EU, eine gerechte und wirksame Energiewende zu bewerkstelligen, erschwert werden. Für den Governance-Prozess muss deshalb ein klar umrissener, von den Beteiligten gutgeheißener Rahmen festgelegt werden. Nach Meinung des Ausschusses können die Zielvorgaben im Rahmen eines herkömmlichen Governance-Prozesses ohne Einbeziehung und Unterstützung der europäischen Zivilgesellschaft nicht erfolgreich umgesetzt werden. Im Zukunftsbild der Energieunion wird dies aufgegriffen: „Vor allem aber streben wir eine Energieunion an, in deren Mittelpunkt die Bürger und Bürgerinnen stehen, die ihrerseits Verantwortung für die Umstellung des Energiesystems übernehmen (...) (2). Deshalb sollte parallel zur Entwicklung zuverlässiger und transparenter Mechanismen zur Umsetzung der Energie- und Klimaziele und der Energieunion ein auf mehreren Ebenen angesiedelter Dialog stattfinden, um alle Interessenträger zu informieren und einzubeziehen. Dies ist entscheidend, und um eine faire Energiewende zu gewährleisten, müssen die Veränderungen in der Arbeitswelt berücksichtigt und negative soziale Auswirkungen vermieden werden.

    3.4

    Unter Governance versteht der Ausschuss keinen vermehrten Verwaltungsaufwand, sondern die konsequente Anwendung eines auf Grundsätzen beruhenden, maßnahmenorientierten Ansatzes, der auf die Verwirklichung der vereinbarten EU-Zielvorgaben abhebt. Die Governance sollte sich über alle Ebenen erstrecken und auf sowohl Fach- und Sachkompetenz als auch Alltagswissen stützen. Die EU gründet auf den Werten Frieden, Demokratie, Menschenwürde, Pluralismus, Toleranz und Solidarität. Diese Werte, die in klare ethische Grundsätze übertragen werden müssen, bieten sich als Ausgangspunkt für die Bewertung der wesentlichen Aspekte der Energiewende sowie als universelle Grundlage für eine Einigung an. Diese Grundsätze müssen indes in einem durchsetzungs- und leistungsfähigen Prozess aufgehen, der den gesellschaftlichen Erwartungen gerecht wird.

    3.5

    Nach Ansicht des Ausschusses sollte den gesellschaftlichen Werten, die der Energieerzeugung und -nutzung zugrunde liegen, in diesem Governance-Prozess mehr Gewicht beigemessen werden. Die Erkenntnis der Bürger, dass ihre Wertvorstellungen und Standpunkte berücksichtigt und in einem europäisch denkenden Forum erörtert werden, wäre von großem zusätzlichen Nutzen für den Prozess, käme der politischen Kohärenz und der Vertrauensbildung zugute und würde zur Abmilderung unvorhergesehener politischer Veränderungen beitragen. Durch den Dialog würden die Faktoren herauskristallisiert, auf denen die Entscheidungen eines Landes hinsichtlich seiner Energiewende beruhen. Häufig gründen sie, ungeachtet technischer und wirtschaftlicher Überlegungen, letztlich auf seinem gesellschaftlichen Wertesystem, bspw. im Umweltbereich. Da nationale, regionale, lokale und persönliche Ansichten über Energie zwangsweise auseinandergehen, kann die Ausrichtung an einer konsequenten, gemeinsamen oder europäischen Perspektive persönliche, lokale, kurzfristige oder nationale Interessen überwinden.

    3.6

    Ein Dialog auf mehreren Ebenen nun bietet einen Rahmen, um diese Grundsätze allen Interessenträgern zu vermitteln, sie zu erörtern und, wo möglich, Lösungen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene sowie zwischen benachbarten Ländern zu entwickeln. Es handelt sich nicht um einen Beschlussfassungsprozess, obwohl die Entscheidungsträger zuhören und für Beiträge offen sein sollten; darüber sollten sich die Teilnehmer im Klaren sein.

    4.   Ein Dialog auf mehreren Ebenen als wesentlicher Bestandteil von Governance

    4.1

    Die EU- und nationalen Energiepolitiken wirken sich unmittelbar und deutlich auf den Alltag ihrer Bürger aus. Inhalt und Beweggründe erschließen sich jedoch der Allgemeinheit häufig nicht und können von der Zivilgesellschaft missverstanden werden. Deshalb mangelt es allgemein an öffentlicher Unterstützung, und es kommt zu Trugschlüssen in Verbindung mit wesentlichen Aspekten der künftigen Entwicklung der EU. Das kann sich nachteilig auswirken, und in vielen Fällen wird die Zivilgesellschaft im Rahmen nationaler oder europäischer energiepolitischer Maßnahmen nicht informiert und einbezogen, was zu allgemeinem Vertrauensverlust und teilweise zum Misserfolg der Maßnahmen führt.

    4.2

    Um ein inklusives Verfahren sicherzustellen, müssen die Bürger, zivilgesellschaftlichen Organisationen, nationalen und lokalen Behörden und sämtliche Arten von Energieorganisationen durch ihre Teilnahme an einem Dialog den vorgeschlagenen Governance-Mechanismus unterstützen. So werden die regionalen, nationalen und europäischen Perspektiven zusammengeführt, wodurch ein Mehrwert bei der Konzipierung und Durchführung von Maßnahmen entsteht, die zwar auf nationaler/regionaler Ebene umgesetzt werden, jedoch auf die übergeordnete europäische Perspektive abgestimmt werden müssen.

    4.3

    Dieser Dialog wird vor allem dem Thema Energie als entscheidender Faktor für einen gerechten und nachhaltigen Übergang und eine auf den Klimaschutz ausgerichtete Politik gelten. Im Zusammenhang mit der Energiefrage müssen die Bedürfnisse der benachteiligten Bevölkerungsgruppen und ein breites Spektrum sozialer und ökologischer Anliegen berücksichtigt werden. Im Rahmen des Europäischen Energiedialogs (EED), der auch Klimafragen einschließt, werden ein freiwilliger Ansatz und ein gemeinsames Verständnis entwickelt — praktisch ein Gesellschaftsvertrag für Energie, der den Entscheidungsträgern als grundlegender gesellschaftsrelevanter Rahmen dienen kann. Der ständige Dialog wird auch die Umsetzung der praktischen Maßnahmen seitens der Interessenträger und Bürger betreffen. Kurzfristig sollte sich der EED indes aufgrund von Effizienzerwägungen und der Anforderungen des Governance-Prozesses auf politische Initiativen erstrecken, bei denen Akzeptanz und Eigenverantwortlichkeit problematisch sind.

    4.4

    Eine solche Verfahrensweise ermöglicht außerdem eine größere politische Kohärenz und die Konsolidierung von Fach- und Sachwissen — z. B. in Bezug auf die besonderen Bedürfnisse von Inselgebieten und die energiepolitischen Beziehungen zu Drittländern.

    5.   Enge Verknüpfung mit dem Governance-Prozess

    5.1

    Insgesamt ist der klima- und energiepolitische Rahmen ergebnisorientiert angelegt. Er beinhaltet eine Neuausrichtung des Energiemixes und der Energieeffizienzstrategien der Mitgliedstaaten, bei der ihre nationale Souveränität gewahrt bleibt und dennoch eine Abstimmung mit den Nachbarstaaten und eine Übereinstimmung mit vereinbarten Zielen auf EU-Ebene erfolgt. Die skizzierte Governance-Struktur (siehe Ziffer 2.3) umfasst die Vorlage allgemeiner, von der Europäischen Kommission vorgeschlagener Leitlinien, Diskussionen über regionale Ansätze, die Einreichung, Bewertung und Überprüfung der nationalen Pläne und ihre fortgesetzte Anpassung, bis ein zufriedenstellendes Ergebnis erreicht ist.

    5.2

    Der Ausschuss befürwortet diesen Ansatz nachdrücklich, der seines Erachtens im Einklang mit der dringenden Notwendigkeit steht, in ganz Europa eine sicherere, wettbewerbsfähigere und grünere Energieversorgung sicherzustellen. Durch die Governance-Struktur sollte es auch möglich sein, die Berichterstattungspflichten auf ein Mindestmaß zu beschränken und den damit verbundenen Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Die ausnehmend wichtigen und immer zahlreicheren regionalen, grenzübergreifenden Aspekte der Tätigkeiten im Energiebereich sollten gebührend berücksichtigt werden. Um wirksam zu sein, muss ein solcher Ansatz auf politischer Geschlossenheit gründen, und das setzt eine Annäherung der Mentalitäten der Bürger in allen 28 Mitgliedstaaten voraus.

    5.3

    Nach Dafürhalten des Ausschusses sollte der EED über diesen ganzen Prozess hinweg eine gestaltende Rolle spielen und dann nach einvernehmlichem Abschluss die Umsetzung begleiten und der Unterstützung der Interessenträger dienen. Deshalb sollte der EED unverzüglich im Wege klarer politischer Vorgaben als grundlegender damit verbundener Prozess eingeführt werden, zumal die nationalen Pläne vor 2020 vereinbart und umgesetzt werden sollen. Der Ausschuss hatte bei früherer Gelegenheit empfohlen, den Energiedialog in die Mitteilung über die Energieunion aufzunehmen, und sieht sich durch folgende Formulierung bestätigt: „Führung eines Energiedialogs mit den Interessenträgern, um fundierte politische Entscheidungen zu ermöglichen, und Unterstützung eines aktiven Engagements bei der Umstellung des Energiesystems (3). Er stellt indes fest, dass immer noch kein spezifischer Aktionsschwerpunkt bezüglich Governance festgelegt worden ist, der den Aufbau einer unterstützenden EED-Struktur begründen würde, und drängt Rat und EP, in diesem Sinne die unter Ziffer 6 dieser Stellungnahme vorgeschlagenen Maßnahmen anzunehmen.

    5.4

    Ein Governance-Prozess findet an der Schnittstelle zwischen Politik und Praxis statt. Im Energiebereich muss er die Entwicklung von Lösungen auf der Grundlage der in der Realität erforderlichen Zugeständnisse und Kompromisse ermöglichen. Der Ausschuss betrachtet den von ihm vorgeschlagenen Europäischen Energiedialog als wichtiges Instrument zur Vermeidung von Reibungsverlusten. Die Energiewende geht mit Bewegung, Veränderung und einem gewissen Maß an Reibung einher. Der EED kann die Reibungspunkte zwischen den Interessenträgern auf allen Ebenen sowie zwischen den Mitgliedstaaten ausräumen.

    5.5

    Der EED wird die Umsetzung der Ziele der Energieunion unterstützen, indem allen Interessenträgern Gelegenheit gegeben wird, Informationen auszutauschen, Meinungen zu äußern und Einfluss auf die Energiepolitik zu nehmen. Der EED fördert das Verständnis der erforderlichen Kompromisse, Eigenverantwortlichkeit, gemeinsame Gestaltung und Akzeptanz der Lösungen und schlussendlich Verhaltensänderungen, die Voraussetzung für ein Gelingen der Maßnahmen zur Verwirklichung der Energieunion sind. Ein breit angelegter EED ermöglicht eine bessere Vermittlung nationaler energiepolitischer Präferenzen und ihre Berücksichtigung auf EU-Ebene und bringt Vorteile für die Entscheidungsträger.

    Der EED schafft:

    ein besseres Verständnis der Gestaltung und Umsetzung der Maßnahmen zur Verwirklichung der Energieunion, wodurch er zu Wahrnehmung, Akzeptanz und Erfolg dieses wichtigen Anliegens der Kommission beiträgt;

    eine informierte öffentliche Meinung, wodurch eine größere politische Sicherheit und ein offener, konzentrierter und ergebnisorientierter Prozess ermöglicht wird. Diese informierte Meinung ergibt sich aus dem Zusammenspiel des europaweiten interaktiven Diskurses im Rahmen des EED und des Alltagswissens;

    ein besseres Verständnis der Verbraucher bezüglich der ihnen offenstehenden Möglichkeiten und Maßnahmen zur Verbesserung der Energiewirtschaft, wodurch die Teilhabe der Verbraucher gefördert und die Grundlage für eine erneuerte konstruktive Beziehung zu den Energieversorgern geschaffen wird;

    einen neutralen Konversationsraum, in dem keine vorgefasste Schlussfolgerung vermittelt, sondern eine Diskussion gerahmt und erleichtert wird und so Vertrauen und Legitimität gefördert werden.

    6.   Möglicher Umsetzungspfad

    6.1

    Trotz seiner gesamteuropäischen Ausrichtung muss der EED wie schon der formale Governance-Prozess in jedem Mitgliedstaat eingerichtet werden, wobei bestehende nationale Energiedialog-Initiativen berücksichtigt und die im Rahmen der Klima- und Energiepolitik vorgegebenen Ziele gesetzt werden müssen. Dort, wo es bereits nationale Energiedialoge gibt, könnte sich eine Zusammenführung mit dem EED allseits günstig auswirken und ein strukturiertes, jedoch flexibleres Instrument bieten, das die Kommission bei der Überprüfung der nationalen Pläne unterstützen und einen Konversationsraum bieten kann, in dem die Verbraucher sich informieren, die Energieversorger sich engagieren und Vertrauen aufbauen und verschiedene Gruppen ihre Anliegen hinsichtlich der Sicherheit, Erschwinglichkeit und Nachhaltigkeit von Energie vortragen können. Letztlich müssten folgende Voraussetzungen geschaffen werden:

    Der EED erfordert Finanzierung und Ressourcen. Es wird ein unabhängiger und objektiver Finanzpool eingerichtet, in den in erster Linie die Interessenträger der gesamten Energieerzeugungs- und -versorgungskette einzahlen, während die EU und die Mitgliedstaaten eine angemessene Unterstützung bereitstellen. Der EED bietet sich als ausnehmend kosteneffizienter Ansatz an, um die gesamte Bandbreite der Verbraucher in die Energiesteuerung einzubeziehen und den Beitrag von Prosumenten zu würdigen und zu fördern.

    Während die Kommission klare Leitlinien zur Gestaltung der nationalen Pläne, zu möglichen aktualisierten/überarbeiteten Fassungen, zu Berichterstattungspflichten und zur Umsetzbarkeit der nationalen Pläne ausarbeiten soll, werden über den EED in Abstimmung mit der Kommission und allen wichtigen Interessenträgern Leitlinien für die Einrichtung nationaler Energiedialoge entwickelt.

    Es wird eine vollkommen unabhängige EED-Koordinierungsstelle zur Förderung von Tätigwerden und Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten eingerichtet, die u. a. zur notwendigen Prüfung von Inhalt, Zielen und Umsetzung der nationalen Pläne durch die Kommission beitragen sollte. Damit wird der mögliche Beitrag der Interessenträger zur Politikgestaltung aufgewertet.

    Nach einer auf 12 Monate anberaumten nationalen Maßnahme zur Einbeziehung und Unterstützung der Interessenträger in jedem Mitgliedstaat wird ein Programm für Teilhabe und Dialog errichtet, in dessen Mittelpunkt die Debatte über die Prioritäten des nationalen Plans steht. Ein Thema sollte dabei auch die Gewährleistung von Berechenbarkeit und Stabilität der nationalen Pläne sein.

    Die nationalen Pläne werden erörtert, und in den Regionalgruppen finden Diskussionen zwischen den Energiedialog-Teilnehmern benachbarter Länder statt. In den nationalen Plänen sollte ein Überblick über die Beratungen mit angrenzenden Mitgliedstaaten, auch im Rahmen des EED, und den darauf beruhenden Bereichen regionaler Zusammenarbeit gegeben werden.

    Anschließend finden Diskussionen auf EU-Ebene zwischen allen Energiedialog-Teilnehmern statt. Diese Diskussionen, die von der unabhängigen EED-Koordinierungsstelle zusammengefasst werden, sollten von den EU-Institutionen als konsultativer Beitrag anerkannt werden und zur Kostenwirksamkeit der Maßnahmen der EU und der Mitgliedstaaten beitragen.

    Online-Tools, wie sie bspw. von der GD CONNECT entwickelt worden sind, werden umfassend genutzt, um die politische Entwicklung durch Einbindung und Engagement zu unterstützen.

    6.2

    In seiner Stellungnahme zum Thema „Erfordernisse und Methoden der öffentlichen Beteiligung im Bereich der Energiepolitik“ (4) skizzierte der Ausschuss den EED ausführlicher. Der EED soll demzufolge ein kontinuierlicher „Dialog“ sein, ein unabhängiger Prozess, an dem infolge der Anwendung bewährter Partizipationsverfahren alle Interessenträger mitwirken und der einen auf Vertrauen gründenden, anhaltenden Beitrag zur Verwirklichung der Energiewende leistet. Der EWSA steht voll und ganz hinter dieser Initiative und wird sie führend und aktiv, wie andere Akteure auch, unterstützen.

    7.   Schlussbemerkungen

    7.1

    Der Ausschuss begrüßt die Aussage der Kommission (5), dass die Governance-Struktur unter Berücksichtigung der Standpunkte des Europäischen Parlaments, der Mitgliedstaaten und der Interessenträger entwickelt werden muss. Die explizite Unterstützung und Akzeptanz seitens der Zivilgesellschaft erleichtert die Umsetzung schwierig zu erreichender Ziele. Durch Bürgernähe und die Anknüpfung an Alltagsanliegen kann ein EED-gestützter Governance-Prozess sicherstellen, dass die Energieunion den Erwartungen der Bürger gerecht wird. Er kann das Verständnis von energiepolitischen Problemen und Zugeständnissen sowie die Stärkung von Akzeptanz und Vertrauen verbessern — vor allem indem die Interessenträger angehört und einbezogen werden.

    7.2

    Überdies werden die langfristigen politischen Kosten erheblich sinken, wenn es einen Prozess gibt, bei dem alle Interessenträger daran beteiligt sind, eine zukunftsorientierte, pragmatische Energiewende zu konzipieren, die von der Mehrheit getragen wird. Vom EED sind alle Bürger betroffen, und er kann sie dazu bewegen, ihr Bild von der EU und ihrer Arbeit zu überdenken, den Mehrwert der EU zu überdenken und eine offene Governance zu schätzen.

    Brüssel, den 23. April 2015.

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Henri MALOSSE


    (1)  ABl. C 424 vom 26.11.2014, S. 39-45.

    (2)  COM(2015) 80 final.

    (3)  COM(2015) 80 final, S. 18.

    (4)  ABl. C 161 vom 6.6.2013, S. 1-7.

    (5)  Mitteilung „Ein Rahmen für die Klima- und Energiepolitik im Zeitraum 2020-2030“ (COM(2014) 15 final).


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