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Document 52014XC0516(01)

Zusammenfassung des Beschlusses der Kommission vom 26. Februar 2014 in einem Verfahren nach Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der europäischen Union und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache AT.39398 — Visa MIF) (Bekanntgegeben unter Aktenzeichen C(2014)1199 final)

ABl. C 147 vom 16.5.2014, p. 7–10 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

16.5.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 147/7


Zusammenfassung des Beschlusses der Kommission

vom 26. Februar 2014

in einem Verfahren nach Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der europäischen Union und Artikel 53 des EWR-Abkommens

(Sache AT.39398 — Visa MIF)

(Bekanntgegeben unter Aktenzeichen C(2014)1199 final)

(Nur der englische Text ist verbindlich)

2014/C 147/06

Am 26. Februar 2014 hat die Kommission einen Beschluss in einem Verfahren nach Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und Artikel 53 des EWR-Abkommens erlassen. Nach Artikel 30 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates (1) veröffentlicht die Kommission im Folgenden die Namen der Parteien und den wesentlichen Inhalt des Beschlusses einschließlich der verhängten Sanktionen, wobei sie dem berechtigten Interesse der Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse Rechnung trägt.

(1)

Die in Rede stehende Sache betrifft die von Visa Europe Limited (im Folgenden „Visa Europe“) vorgenommene Festsetzung multilateral vereinbarter Interbankenentgelte (Multilateral Interchange Fees — im Folgenden „MIF“) für interregionale, bestimmte inländische (2) und in zum Visa-Europe-Gebiet gehörenden Nicht-EWR-Ländern (3) durchgeführte Point-of-Sale-Transaktionen mit Visa-Privatkunden-Kreditkarten und Visa-Privatkunden-Debitkarten sowie die Regeln für das grenzüberschreitende Acquiring.

1.   VORLÄUFIGE WETTBEWERBSRECHTLICHE BEDENKEN

(2)

In ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 3. April 2009 (im Folgenden „Mitteilung der Beschwerdepunkte“) kam die Kommission zu dem vorläufigen Schluss, dass Visa Europe bei der Festsetzung der MIF Artikel 101 AEUV und Artikel 53 des EWR-Abkommens verletzt hat.

(3)

Am 8. Dezember 2010 erließ die Kommission einen Beschluss nach Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (im Folgenden „Debitkarten-Verpflichtungsbeschluss“). Mit dem Beschluss wurden folgende Verpflichtungen für Visa Europa für vier Jahre für bindend erklärt: i) Begrenzung des gewichteten durchschnittlichen MIF für vom Verfahren erfasste Transaktionen mit Privatkunden-Debitkarten auf 0,20 % und ii) Beibehaltung und/oder Einführung einer Reihe von Änderungen seiner Netzregeln.

(4)

In ihrer ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 31. Juli 2012 (im Folgenden „ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte“) formulierte die Kommission ihre Einwände bezüglich der MIF für Zahlungen mit Privatkunden-Kreditkarten um und führte sie näher aus. Darüber hinaus weitete sie darin das Verfahren auf die direkte Anwendung interregionaler (oder internationaler) MIF aus, soweit die Händler im EWR ansässig sind, und gelangte zu dem vorläufigen Schluss, dass die Regeln von Visa Europe für das grenzüberschreitende Acquiring gegen Artikel 101 AEUV und Artikel 53 des EWR-Abkommens verstoßen haben.

(5)

Interbankenentgelte werden von einer Händlerbank (im Folgenden „Acquirer“) an eine Karteninhaberbank (im Folgenden „Issuer“) für jede Transaktion gezahlt, die an einer Händlerverkaufsstelle mit einer Zahlungskarte vorgenommen wird. Wenn ein Karteninhaber eine Zahlungskarte benutzt, um Waren oder Dienstleistungen von einem Händler zu erwerben, zahlt der Händler eine Händlergebühr an seinen Acquirer. Einen Teil dieser Gebühr behält der Acquirer (die Gewinnmarge des Acquirers), ein Teil (das MIF) wird an den Issuer weitergegeben, und ein kleiner Teil wird an den Netzbetreiber gezahlt (in diesem Fall Visa). In der Praxis richtet sich die Höhe der Händlergebühr im Wesentlichen nach dem MIF.

(6)

In ihrer vorläufigen Beurteilung äußerte die Kommission Bedenken, dass die MIF eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs auf den Acquiring-Märkten bezwecken und bewirken, die zulasten der Händler und indirekt ihrer Kunden geht. Die MIF scheinen insofern den Sockel anzuheben, auf dessen Grundlage Acquirer die Händlergebühren festsetzen, als sie einen bedeutenden Kostenteil verursachen, der alle Acquirer gleichermaßen betrifft. Nach der vorläufigen Beurteilung der Kommission sind die MIF von Visa Europe objektiv betrachtet nicht erforderlich. Die den Wettbewerb beschränkende Auswirkung auf den Acquiring-Märkten wird verstärkt durch die Auswirkungen der MIF auf die Netzbetreiber- und Kartenausstellermärkte, durch andere Netzregeln und Praktiken (z. B. die Verpflichtung zur Annahme aller Karten (sogenannte Honour All Cards Rule — „HACR“), die Gleichbehandlungsregel (sogenannte No Discrimination Rule — „NDR“), die Zusammenfassung von Händlergebühren (sogenanntes „Blending“) (4) sowie durch die Segmentierung der Acquiring-Märkte aufgrund von Regeln, die das grenzüberschreitende Acquiring beschränken (5). Nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte erfüllen die MIF zudem nicht die Voraussetzungen für eine Freistellung nach Artikel 101 Absatz 3 AEUV, da sie keine Effizienzvorteile bewirken und Verbrauchern keine angemessene Beteiligung am Gewinn einräumen.

(7)

Im Visa-Europe-System gilt für grenzüberschreitend tätige Acquirer die Regel, dass die MIF des Landes, in dem die Transaktion stattfindet, angewendet werden müssen. Nach dieser Regel müssen grenzüberschreitend tätige Acquirer standardmäßig entweder die länderspezifischen oder intraregionalen MIF oder die registrierten inländischen MIF anwenden. Visa-Issuer und -Acquirer im Transaktionsland und grenzüberschreitend tätige Acquirer dürfen von den inländischen oder länderspezifischen MIF abweichen, wenn sie bilaterale Vereinbarungen über niedrigere oder entfallende Interbankenentgelte abschließen. Grenzüberschreitend tätige Acquirer sind jedoch beim Abschluss bilateraler Vereinbarungen dieser Art häufig im Nachteil, da sie oftmals keine engen Beziehungen zu inländischen Issuern haben. In Ländern, in denen es bedeutende bilaterale Vereinbarungen mit inländischen Acquirern gibt, müssen grenzüberschreitend tätige Acquirer in der Regel die höheren länderspezifischen oder intraregionalen MIF oder die registrierten inländischen MIF anwenden. Diese Regel wird ebenfalls als eine bezweckte und bewirkte territoriale und preisliche Beschränkung angesehen, die Acquirer in Ländern mit niedrigeren MIF daran hindert, ihre Dienstleistungen in anderen Ländern zu Preisen anzubieten, die ihre niedrigen MIF widerspiegeln. Im Hinblick auf das Ziel der Vollendung des Zahlungsverkehrsbinnenmarkts ist dies eine sehr schwerwiegende Beschränkung, die ungerechtfertigt erscheint. Eine solche künstliche Abschottung der Acquiring-Märkte schadet den Verbrauchern, da die Händler höhere Preise für Acquiring-Dienstleistungen zahlen müssen. Daher ist die Kommission in ihrer ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte zu dem vorläufigen Schluss gelangt, dass diese Regel sowohl das Ziel als auch den Gegenstand hat, die Segmentierung der nationalen Märkte aufrechtzuerhalten, da sie den Markteintritt grenzüberschreitend tätiger Acquirer und den von ihnen ausgehenden Preiswettbewerb einschränkt.

2.   VERPFLICHTUNGSBESCHLUSS

(8)

Am 10. Mai 2013 hat Visa Europe nach Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 Verpflichtungen angeboten, um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission auszuräumen.

(9)

Am 14. Juni 2013 wurde nach Artikel 27 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 eine Bekanntmachung mit einer Zusammenfassung des Falls und der angebotenen Verpflichtungszusagen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht, in der interessierte Dritte aufgefordert wurden, innerhalb eines Monats nach der Veröffentlichung zu den Verpflichtungen Stellung zu nehmen. Am 30. August 2013 informierte die Kommission Visa Europe über die Stellungnahmen, die von interessierten Dritten nach der Veröffentlichung der Bekanntmachung abgegeben wurden. Am 5. November 2013 übermittelte Visa Europe überarbeitete Zusagen.

(10)

Die Kommission erklärte die überarbeiteten Verpflichtungszusagen nach Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 mit Beschluss vom 26. Februar 2014 für einen Zeitraum von vier Jahren für Visa Europe für bindend. Inhaltlich lassen sich die Verpflichtungen folgendermaßen zusammenfassen:

a)

Visa Europe verpflichtet sich, seine jährlichen gewichteten durchschnittlichen MIF-Sätze für mit seinen Privatkunden-Kreditkarten innerhalb des EWR getätigte Transaktionen innerhalb von zwei Monaten nach der Bekanntgabe des Verpflichtungsbeschlusses an Visa Europe auf 0,3 % zu begrenzen.

b)

Diese Obergrenze wird für einen Zeitraum von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Verpflichtungsbeschlusses separat auch auf diejenigen EWR-Staaten Anwendung finden, für die Visa Europe direkt spezifische inländische MIF-Sätze für Transaktionen mit Privatkunden-Kreditkarten festsetzt, sowie auf EWR-Staaten, in denen auf inländische Transaktionen mangels anderweitiger MIF-Sätze die MIF für innerhalb des EWR getätigte Kreditkarten-Transaktionen angewendet werden.

c)

Visa Europe bietet ferner an, sicherzustellen, dass ab dem 1. Januar 2015

die MIF-Obergrenze von 0,3 % für Kreditkarten-Transaktionen auch für alle von Visa Europa festgesetzten MIF gilt, die auf Transaktionen anwendbar sind, die bei im EWR niedergelassenen Händlern mit Visa-Privatkunden-Kreditkarten getätigt werden, welche in Nicht-EWR-Ländern ausgegeben wurden, die zum Visa-Europe-Gebiet (6) gehören („Intra Visa Europe non-EEA credit MIFs“) und

die MIF-Obergrenze von 0,2 % für mit Debitkarten getätigte Transaktionen auch für alle von Visa Europa festgesetzten MIF gilt, die auf Transaktionen anwendbar sind, die bei im EWR niedergelassenen Händlern mit Visa-Privatkunden-Debitkarten getätigt werden, welche in Nicht-EWR-Ländern ausgegeben wurden, die zum Visa-Europe-Gebiet gehören („Intra Visa Europe non-EEA debit MIFs“).

d)

Visa Europe verpflichtet sich, seine Regeln zum grenzüberschreitenden Acquiring zum 1. Januar 2015 dahingehend zu ändern, dass grenzüberschreitend tätige Acquirer unter bestimmten Voraussetzungen in die Lage versetzt werden, entweder die MIF für inländische Debitkarten-Transaktionen oder die MIF für inländische Kreditkarten-Transaktionen, die am Ort des Händlers gelten, oder einen MIF-Satz von 0,2 % für Transaktionen mit Privatkunden-Debitkarten und 0,3 % für Transaktionen mit Privatkunden-Kreditkarten anzubieten.

e)

Visa Europe verpflichtet sich zur weiteren Umsetzung zusätzlicher Transparenzmaßnahmen. Konkret verpflichtet sich Visa Europe,

eine Vorschrift einzuführen, wonach Acquirer Händlern gegen Entrichtung einer Verwaltungsgebühr die Zusammensetzung der Händlergebühren darlegen müssen (mit anderen Worten müssen die Acquirer die Händlergebühren in ihren Verträgen und Rechnungen auf Wunsch in drei Komponenten aufschlüsseln, und zwar die MIF, alle anderen anwendbaren Zahlungssystemgebühren und die Gebühr des Acquirers). Visa Europe wird von den Acquirern verlangen, diese Vorschrift innerhalb von 12 Monaten nach Bekanntgabe des Verpflichtungsbeschlusses an Visa Europe in Bezug auf alle neuen Vereinbarungen und innerhalb von 18 Monaten bei bestehenden Verträgen umzusetzen;

eine vereinfachte MIF-Struktur für von Visa Europe festgesetzte MIF einzuführen, um eine Reduzierung der Zahl der Gebührenkategorien um mindestens 25 % zu gewährleisten; dies soll zu mehr Transparenz und Vergleichbarkeit der Sätze beitragen.

(11)

Visa Europe muss einen Überwachungstreuhänder bestellen, der die Einhaltung der Verpflichtungen durch Visa Europe überwacht. Der Treuhänder kann nur ernannt werden, wenn die EU-Kommission die Ernennung genehmigt hat.

(12)

Die Verpflichtungen gelten ab dem Tag der Bekanntgabe des Verpflichtungsbeschlusses an Visa Europe für einen Zeitraum von vier Jahren.

(13)

Die in den Verpflichtungen angegebenen gewichteten durchschnittlichen MIF-Höchstsätze wurden nach dem Grundsatz der Zahlungsmittelneutralität auf Händlerebene (MIT) gewürdigt. Dem Beschluss zufolge sind die Verpflichtungen angemessen und erforderlich, um den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte geäußerten wettbewerbsrechtlichen Bedenken zu begegnen, ohne unverhältnismäßig zu sein.

(14)

Der Beratende Ausschuss für Kartell- und Monopolfragen gab am 17. Februar 2014 eine befürwortende Stellungnahme zu dem Beschlussentwurf ab. Am 19. Februar 2014 legte der Anhörungsbeauftragte seinen Abschlussbericht vor.

(15)

Der Beschluss beendet das Verfahren bezüglich der von Visa Europe festgesetzten MIF für innerhalb des EWR getätigte Kreditkarten-Transaktionen, für inländische Kreditkarten-Transaktionen, für in zum Visa-Europe-Gebiet gehörenden Nicht-EWR-Ländern durchgeführte Transaktionen mit Kredit- und Debitkarten und für internationale Transaktionen sowie hinsichtlich der Regeln von Visa Europe über die beim grenzüberschreitenden Acquiring geltenden MIF.

(16)

Der Beschluss erstreckt sich jedoch nicht auf MIF, die von Visa Inc. und der Visa International Service Association festgesetzt wurden; diese MIF sind von der Kommission noch weiter zu untersuchen.


(1)  ABl. L 1 vom 4.1.2003, S. 1.

(2)  Derzeit in Belgien, Ungarn, Island, Irland, Italien, Luxemburg, Malta, den Niederlanden, Lettland und Schweden.

(3)  Dabei handelt es sich um Transaktionen, die bei im EWR niedergelassenen Händlern mit Visa-Privatkunden-Karten getätigt werden, welche in zum Visa-Europe-Gebiet gehörenden Nicht-EWR-Ländern ausgegeben wurden. Das Visa-Europe-Gebiet umfasst den EWR, Andorra, die Färöer, Grönland, Israel, Monaco, San Marino, Svalbard und Jan Mayen, die Schweiz, die Türkei und Vatikanstadt.

(4)  Nach der HACR des Visa-Systems müssen Händler, die sich vertraglich zur Annahme von mit einer bestimmten Kartenmarke (z. B. VISA, VISA Electron oder V PAY) durchgeführten Zahlungen verpflichtet haben, alle ordnungsgemäß zur Zahlung vorgelegten Karten dieser Marke diskriminierungsfrei akzeptieren, unabhängig von der Identität der Karteninhaberbank oder der Kartenart der betreffenden Marke. Die NDR des Visa-Systems untersagt den Händlern, Preisaufschläge auf Zahlungen mit VISA-, VISA-Electron- oder V PAY-Zahlungskarten zu erheben, sofern lokale Rechtsvorschriften nicht ausdrücklich verlangen, dass die Händler einen Aufschlag erheben dürfen. Beim Blending verlangen Acquirer von den Händlern für die Akzeptanz verschiedener Zahlungskarten desselben Zahlungssystems (z. B. VISA-Debitkarten und VISA-Kreditkarten) oder für die Akzeptanz von Zahlungskarten, die zu unterschiedlichen Zahlungskartensystemen gehören (z. B. VISA- und MasterCard-Kreditkarten) die gleiche Händlergebühr. In ihrer vorläufigen Beurteilung kam die Kommission zu dem Schluss, dass diese Regeln und Praktiken die Fähigkeit der Händler verringern, die kollektive Ausübung von Marktmacht durch die Mitglieder von Visa Europe über die MIF einzuschränken, wodurch die wettbewerbswidrigen Auswirkungen der MIF verstärkt werden.

(5)  Beim grenzüberschreitenden Acquiring werben die Acquirer Händler an, die in einem anderen EWR-Staat niedergelassen sind als sie selbst.

(6)  Das Visa-Europe-Gebiet umfasst den EWR, Andorra, die Färöer, Grönland, Israel, Monaco, San Marino, Svalbard und Jan Mayen, die Schweiz, die Türkei und Vatikanstadt.


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