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Document 52011IP0587

Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Europäischen Union Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Dezember 2011 zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Europäischen Union

ABl. C 168E vom 14.6.2013, p. 88–91 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

14.6.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

CE 168/88


Donnerstag, 15. Dezember 2011
Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Europäischen Union

P7_TA(2011)0587

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Dezember 2011 zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Europäischen Union

2013/C 168 E/12

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. Oktober 2011 zur Förderung der Mobilität der Arbeitnehmer (1),

gestützt auf die Artikel 21, 45 und 47 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und die Artikel 15, 21, 29, 34 und 45 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,

gestützt auf Artikel 151 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

unter Hinweis auf die Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (2),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 6. Dezember 2007 mit dem Titel „Mobilität, ein Instrument für mehr und bessere Arbeitsplätze: der Europäische Aktionsplan für berufliche Mobilität (2007-2010)“ (KOM(2007)0773),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 18. November 2008 über die Auswirkungen der Freizügigkeit von Arbeitnehmern im Kontext der EU-Erweiterung (KOM(2008)0765),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit dem Titel „Bekräftigung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer: Rechte und wesentliche Entwicklungen“ (KOM(2010)0373),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 5. April 2006 zu der Übergangsregelung zur Einschränkung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern auf den Arbeitsmärkten der Europäischen Union (3),

in Kenntnis des Berichts der Kommission vom 11. November 2011 an den Rat über die Anwendung der Übergangsregelungen für die Freizügigkeit von Arbeitnehmern aus Bulgarien und Rumänien (KOM(2011)0729),

unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Thema „Ermittlung der verbliebenen Mobilitätshemmnisse auf dem Binnenarbeitsmarkt“,

gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.

in der Erwägung, dass das Recht, in einem anderen Mitgliedstaat der Union zu leben und zu arbeiten, zu den Grundfreiheiten der Union gehört, durch die Gleichbehandlung und Schutz gegen Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit gewährleistet werden, und einen grundlegenden Bestandteil der Unionsbürgerschaft darstellt, der in den Verträgen verankert ist, wobei sich jedoch zwei Mitgliedstaaten nach wie vor Schranken hinsichtlich des Rechts, sich um einen Arbeitsplatz auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats zu bemühen, gegenübersehen;

B.

in der Erwägung, dass gemäß der Mitteilung der Kommission vom 11. November 2011 mobile Arbeitnehmer aus Rumänien und Bulgarien einen positiven Einfluss auf die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten hatten, die mobile Arbeitnehmer aufnehmen;

C.

in der Erwägung, dass in den Mitgliedstaaten, die die Übergangsmaßnahmen in Bezug auf die Freizügigkeit von Arbeitnehmern aus Mitgliedstaaten, die der Union 2004 und 2007 beigetreten sind, nicht angewendet haben, keine negativen Folgen verzeichnet wurden, jedoch einige Mitgliedstaaten beschlossen haben, auf ihren Arbeitsmärkten weiterhin Beschränkungen in Bezug auf Staatsangehörige Rumäniens und Bulgariens anzuwenden, was eher auf politischen Druck als auf berechtigte Sorge vor möglichen negativen Auswirkungen auf ihre Wirtschaft und Arbeitsmärkte zurückzuführen war;

D.

in der Erwägung, dass jüngsten Statistiken zufolge mobile Arbeitskräfte aus Rumänien und Bulgarien, die im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ansässig waren, Ende 2010 0,6 % der Gesamtbevölkerung der EU ausmachten;

E.

in der Erwägung, dass sich der Zustrom von Arbeitnehmern aus Rumänien und Bulgarien positiv auf die Märkte der Aufnahmeländer ausgewirkt hat, da sie in Bereichen oder Berufen beschäftigt sind, in denen Arbeitskräfte fehlen;

F.

in der Erwägung, dass die Kommission in ihrer jüngsten Mitteilung festgestellt hat, dass mobile Arbeitnehmer aus Bulgarien und Rumänien sich mit höherer Wahrscheinlichkeit in einer wirtschaftlich produktiven Lebensphase befinden als die einheimische Bevölkerung, da die mobilen Arbeitnehmer aus EU-2-Staaten unter 35 Jahren einen Anteil von 65 % an der Gesamtzahl der Migranten im Erwerbsalter haben, im Vergleich zu einem Anteil von lediglich 34 % in den EU-15-Staaten;

G.

in der Erwägung, dass die jüngsten Daten von Eurostat zeigen, dass mobile Arbeitnehmer aus Rumänien und Bulgarien keine wesentlichen Auswirkungen auf Löhne und Arbeitslosenraten in den Aufnahmeländern haben;

H.

in der Erwägung, dass Mobilitätsströme hauptsächlich durch die Nachfrage nach Arbeitskräften bestimmt sind und dass Übergangsbeschränkungen in Zeiten von auf europäischer Ebene bestehenden Missverhältnissen im Bereich der Arbeit die wirtschaftliche Entwicklung europäischer Unternehmen behindern und das Recht, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats zu arbeiten und zu wohnen, aushöhlen können;

I.

in der Erwägung, dass sich rumänische und bulgarische Arbeitnehmer der vollständigen oder teilweisen Einschränkung ihres in den Verträgen anerkannten Grundrechts auf Freizügigkeit auf der Grundlage der Gleichbehandlung gegenübersehen, während gleichzeitig die Freizügigkeit von Arbeitnehmern in steigendem Maße durch die grenzüberschreitende Mobilität von Arbeitnehmern im Rahmen von „Dienstleistungen“ ersetzt wird, was zu einem unfairen Wettbewerb bei Löhnen und Arbeitsbedingungen führen könnte;

J.

in der Erwägung, dass die Freizügigkeit der Arbeitnehmer sowohl für die EU als auch für die Mitgliedstaaten ein positives sozioökonomisches Beispiel und ein Meilenstein für die Integration in der EU, die wirtschaftliche Entwicklung, den sozialen Zusammenhalt und die Verbesserung der persönlichen beruflichen Qualifikationen darstellt und dass mit ihrer Hilfe den negativen Folgen der Wirtschaftskrise entgegengewirkt und Europa zu einer stärkeren Wirtschaftsmacht gemacht wird, die in der Lage ist, den Herausforderungen der weltweiten Veränderungen zu begegnen;

K.

in der Erwägung, dass die jüngste Entwicklung unserer Gesellschaften, insbesondere in Zusammenhang mit dem industriellen Wandel, der Globalisierung, neuen Beschäftigungsmustern, dem demografischen Wandel und der Weiterentwicklung der Verkehrsmittel, eine höhere Mobilität der Arbeitnehmer erfordert;

L.

in der Erwägung, dass die Mobilität innerhalb der EU unverzichtbar ist, um sicherzustellen, dass allen europäischen Bürgern die gleichen Rechte und Pflichten gewährt werden;

M.

in der Erwägung, dass in der jüngsten Mitteilung der Kommission festgestellt wird, dass Störungen auf den nationalen Arbeitsmärkten auf eine Vielfalt von Faktoren zurückgehen, so die Wirtschafts- und Finanzkrise und strukturelle Arbeitsmarktprobleme, nicht jedoch auf den Zustrom von Arbeitnehmern aus Rumänien und Bulgarien;

N.

in der Erwägung, dass im Jahr 2010 rumänische und bulgarische Arbeitnehmer nur 1 % aller Arbeitslosen (im Alter von 15 bis 64 Jahren) in der EU ausmachten – im Vergleich zu 4,1 % bei Drittstaatsangehörigen – und somit keine Auswirkungen auf die Arbeitsmarktkrise in einzelnen Ländern hatten;

O.

in der Erwägung, dass in Anbetracht des gegenwärtigen Wirtschaftsabschwungs in Europa die Geldtransfers von mobilen Arbeitskräften in ihre Heimatländer einen positiven Nettoeffekt auf die Zahlungsbilanz der Länder, aus denen sie getätigt werden, haben können;

P.

in der Erwägung, dass einige Mitgliedstaaten angekündigt haben, dass sie beabsichtigen, die Beschränkungen für bulgarische und rumänische Arbeitnehmer bis 2014 beizubehalten, während andere angekündigt haben, dass sie ihre Arbeitsmärkte für alle EU-Arbeitnehmer öffnen werden;

1.

vertritt die Auffassung, dass die Mobilität der Arbeitnehmer in der EU nie als Gefahr für die nationalen Arbeitsmärkte betrachtet werden sollte;

2.

fordert die Mitgliedstaaten auf, alle geltenden Übergangsmaßnahmen abzuschaffen, da es keine wirkliche wirtschaftliche Begründung gibt, das Recht der Rumänen und Bulgaren, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates zu arbeiten und zu wohnen, zu beschränken; ist der Ansicht, dass diese Beschränkungen kontraproduktiv für die EU-Bürger sind; verlangt die wirksame Durchsetzung der Vorzugsklausel für die gesamte Union;

3.

fordert den Rat auf, den jüngsten Bericht der Kommission an den Rat über die Anwendung der Übergangsregelungen für die Freizügigkeit von Arbeitnehmern aus Bulgarien und Rumänien (KOM(2011)0729) zu unterstützen und der vorgeschlagenen Linie zu folgen, wenn er bewertet, ob die Übergangsbeschränkungen eine sinnvolle und notwendige Maßnahme sind;

4.

fordert die Kommission auf, eine klare Definition der Formulierung „schwerwiegende Störungen des Arbeitsmarktes oder Gefahr derartiger Störungen“ vorzuschlagen;

5.

fordert die Kommission auf, ein Paket klarer Indikatoren und besserer – auf wirtschaftlichen und sozialen Indikatoren basierender – Methoden vorzubereiten, auf deren Grundlage eingeschätzt werden kann, ob es einen eindeutigen Grund gibt, die gänzlichen oder teilweisen Beschränkungen zu verlängern, mit denen die Mitgliedstaaten negativen Störungen ihrer nationalen Arbeitsmärkte, die durch rumänische oder bulgarische Arbeitnehmer verursacht werden könnten, entgegenwirken wollen, und diese Vorgehensweise auch anzuwenden, wenn ein Mitgliedstaat die Schutzklausel beantragt;

6.

fordert die Kommission auf, so transparent wie möglich die Kriterien zu veröffentlichen, nach denen ein Mitgliedstaat die Übergangsbeschränkungen aufrechterhalten darf, und zwar unter Berücksichtigung der Wirkung einer solchen Entscheidung auf die Wirtschaft der Europäischen Union und der vom Europäischen Gerichtshof akzeptierten engen Auslegung der Ausnahmen von Grundfreiheiten;

7.

vertritt die Auffassung, dass die Mitgliedstaaten, die Beschränkungen ohne eine klare und transparente sozioökonomische Begründung im Zusammenhang mit schwerwiegenden Störungen ihres Arbeitsmarktes – im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs – aufrechterhalten, gegen die Verträge verstoßen; fordert die Kommission als Hüterin der Verträge auf, für die Einhaltung des Prinzips der Freizügigkeit zu sorgen;

8.

fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die restriktiven Übergangsfristen aufzuheben, damit bulgarischen und rumänischen Bürgern Gleichbehandlung, wie sie in den Verträgen anerkannt ist, zuteil wird und so ein fairer Wettbewerb zwischen Unternehmen gewährleistet und jedes Sozial- und Wirtschaftsdumping verhindert wird;

9.

stellt fest, das Übergangsmaßnahmen kontraproduktiv für die Bekämpfung von Scheinselbstständigkeit, nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit und illegaler Beschäftigung sind, da sich Arbeitnehmer ohne das Recht auf freien Zugang zum legalen Arbeitsmarkt zuweilen dafür entscheiden, als Scheinselbstständige oder illegal Beschäftigte zu arbeiten, was einen Missbrauch ihrer Arbeitsrechte bewirkt;

10.

fordert die EU-25 auf, die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände zu konsultieren, bevor sie entscheidet, die gänzlichen oder teilweisen Beschränkungen der Freizügigkeit von Arbeitnehmern aus Rumänien und Bulgarien zu beenden oder auszuweiten;

11.

fordert diejenigen Mitgliedstaaten, die beabsichtigen, Beschränkungen des Arbeitsmarktes für rumänische und bulgarische Arbeitnehmer beizubehalten, auf, in klarer und transparenter Weise eine umfassende Begründung gemäß den Kriterien und Methoden der Kommission mit überzeugenden Argumenten und Daten vorzulegen, einschließlich aller sozioökonomischer Indikatoren, die zu dem Schluss führten, dass geographische Mobilität zu einer schwerwiegenden Störung ihres nationalen Arbeitsmarktes führt;

12.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.


(1)  Angenommene Texte, P7_TA(2011)0455.

(2)  ABl. L 257 vom 19.10.1968, S. 2.

(3)  ABl. C 293 E vom 2.12.2006, S. 230.


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