Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52011AE0996

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Strategie der Europäischen Union für den Donauraum“ KOM(2010) 715 endg.

ABl. C 248 vom 25.8.2011, p. 81–86 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

25.8.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 248/81


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Strategie der Europäischen Union für den Donauraum“

KOM(2010) 715 endg.

2011/C 248/14

Mitberichterstatter: Etele BARÁTH

Mitberichterstatter: Mihai MANOLIU

Die Europäische Kommission beschloss am 8. Dezember 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Strategie der Europäischen Union für den Donauraum

KOM(2010) 715 endg.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 31. Mai 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 472. Plenartagung am 15./16. Juni 2011 (Sitzung vom 16. Juni) mit 150 gegen 3 Stimmen bei 20 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss befürwortet klar und entschieden die neue Vision der Europäischen Union im Bereich der makroregionalen Politik und in diesem Rahmen die Schaffung der europäischen Strategie für den Donauraum. Der EWSA wünscht als institutioneller Vertreter der europäischen organisierten Zivilgesellschaft ausdrücklich, bei der Ausarbeitung und Durchführung dieser Strategie eine entscheidende Rolle zu spielen, insbesondere über das im Aktionsplan dieser Strategie vorgesehene Forum für die Zivilgesellschaft.

1.2

Das Interesse des EWSA an den Donauraum betreffenden Fragen und sein diesbezügliches Engagement sind nicht neueren Datums. Im Laufe der vergangenen Jahre hat er zahlreiche Dokumente verabschiedet, in denen u.a. die Bereiche Verkehr und Umweltschutz untersucht werden, darunter die Stellungnahme ECO/277, in der eindeutig die Gründe aufgezeigt werden, aus denen der EWSA die Festlegung einer Strategie für den Donauraum als wichtig erachtet.

1.3

Der EWSA ist der Ansicht, dass im Rahmen der Ausarbeitung einer Donaustrategie die Rolle dieses Flusses bei der Herausbildung eines gemeinsamen Bewusstseins und einer gemeinsamen Identität im Donauraum berücksichtigt werden muss, für die der interkulturelle Dialog und die Solidarität eine zentrale Rolle spielen. Hierbei handelt es sich um einen regionalen Beitrag zur Herausbildung eines gemeinsamen europäischen Bewusstseins.

1.4

Der EWSA hofft, dass seine Empfehlungen angemessen das Engagement des Ausschusses und der organisierten Zivilgesellschaft für die Strategie sowie deren nachdrückliche Unterstützung widerspiegeln. Der EWSA rechnet damit, dass diese Strategie dank ihrer Umsetzung und der Umsetzung des Aktionsplans mit Hilfe des eingerichteten Governance-Systems einen wirklichen Beitrag zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen aller im Donauraum lebenden Bürger - den er als Spiegel Europas betrachtet - und zur Überbrückung der Kluft zwischen dieser Region und den am weitesten entwickelten Regionen der Union leisten wird. Der Ausschuss erwartet ferner, dass bei der Umsetzung der Strategie Umweltschutzanforderungen berücksichtigt, die Erhaltung der Wasservorkommen gewährleistet und die Wahrung der kulturellen Werte der Region gestärkt werden.

1.5

Im Zuge der letzten Erweiterungen hat sich der geographische Mittelpunkt der Europäischen Union deutlich nach Ostern verschoben, während ihr wirtschaftlicher Schwerpunkt in Westeuropa verblieben ist. Der wirtschaftliche, soziale und territoriale Zusammenhalt, ein entscheidendes Element der Donaustrategie und des Aktionsplans, sowie die deren praktischer Umsetzung zugrundeliegenden Ideen stellen einen angemessenen Beitrag zur Beseitigung dieses Ungleichgewichts dar. Nach Ansicht des EWSA kann der neue makroregionale Ansatz als Vorbild für mehrere andere Regionen der EU dienen.

1.6

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Strategie und der Aktionsplan offen, integrativ und für gesellschaftliche, wirtschaftliche und ökologische Aspekte empfänglich sind und die Empfehlungen der Organisationen der Zivilgesellschaft gut widerspiegeln. Die Strategie wird dann erfolgreich sein, wenn ein integrierter und nachhaltiger Ansatz systematisch einem branchenspezifischen Ansatz vorgezogen wird. Der EWSA empfiehlt, mit Hilfe der Strategie zu einer Vorzugsbehandlung der am stärksten benachteiligten Bevölkerungsgruppen beizutragen, und die Instrumente zur Armutsbekämpfung einzuschließen.

1.7

Nach Meinung des EWSA spiegelt die Strategie die derzeit auf makroregionaler Ebene entwickelte neue Politik der EU wider und trägt somit zur Harmonisierung der in der Region bereits auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Bereichen vorhandenen Systeme für die Zusammenarbeit sowie zur Verbesserung ihrer Wirksamkeit und zur Beseitigung von Überschneidungen bei. Es gilt jedoch, für eine stärkere Kohärenz mit den neuen Leitlinien für die Kohäsionspolitik zu sorgen.

1.8

Nach Ansicht des EWSA muss die zur Umsetzung der Strategie dienende Governance-Struktur klar, einfach und transparent sein und es ermöglichen, erfolgreich auf die Ziele hinzuarbeiten. Der EWSA will die vom Lissabon-Vertrag gebotenen Möglichkeiten in vollem Umfang ausschöpfen, indem er systematisch das Prinzip der partizipativen Demokratie anwendet und wirksam an der Umsetzung des Aktionsplans mitwirkt. Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg sind die aktive Einbeziehung und Beteiligung sämtlicher Akteure, indem das Prinzip der Partnerschaft angewandt, für Flexibilität gesorgt und eine regelmäßige Überprüfung vorgenommen wird. In diesem Zusammenhang zeigt sich der EWSA erfreut über die Einrichtung eines Forums der Zivilgesellschaft für den Donauraum, bei dem der Aktionsplan eine Schlüsselrolle für den Ausschuss und der ihm entsprechenden nationalen Einrichtungen vorsieht.

1.9

Der EWSA ist der Ansicht, dass die Strategie als Politik für die makroregionale Entwicklung einen reellen Beitrag dazu leisten wird, den europäischen Integrationsprozess - insbesondere im Rahmen der Europa-2020-Strategie (für ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum) - zu vertiefen und für eine Annäherung der sechs Drittstaaten der Region an die Europäische Union zu sorgen, indem diese bei ihren Integrationsbestrebungen unterstützt werden.

1.10

Die Strategie wird von der Kommission ausgearbeitet, wobei dies keinerlei Sonderbehandlung des Donauraums bedeutet, auch wenn sich dadurch Fortschritte bei der makroregionalen Politik der EU erzielen lassen. Folglich darf die Strategie keine Strategie der „drei Nein“ sein, und zwar ungeachtet des Folgenden:

1)

in der Strategie ist keine neue europäische Förderung vorgesehen. Die Region könnte sich auf internationaler, nationaler oder regionaler Ebene oder über die Privatwirtschaft zusätzliche Mittel verschaffen, doch sollte mehr Gewicht auf eine bessere Nutzung der vorhandenen Mittel gelegt werden;

2)

nach Ansicht des EWSA stellt die Koordinierung der finanziellen Mittel mit Blick auf die festgelegten Ziele eine Verbesserung dar, dank derer sich mit Hilfe einer ständigen Überprüfung neue Finanzierungsmöglichkeiten erschließen lassen werden. Er empfiehlt die Einrichtung eines Sonderfonds;

3)

die Strategie erfordert keine Änderungen an den Rechtsvorschriften der Union, da die Union diese für die 27 Mitgliedstaaten und nicht nur für eine Makroregion erlässt; der EWSA empfiehlt jedoch, wie er bereits in seiner Stellungnahme zur Strategie für den Ostseeraum betont hat (1), die Ressourcen der Dienststellen der Kommission aufzustocken, um für eine angemessene Begleitung der Strategie zu sorgen;

4)

der EWSA ist der Auffassung, dass ggf. von den an der verstärkten territorialen Zusammenarbeit beteiligten Akteuren auf regionaler, nationaler oder anderer Ebene Änderungen vorgenommen werden könnten, um bestimmten spezifischen Zielen Rechnung zu tragen;

5)

mit der Strategie werden keine zusätzlichen Strukturen geschaffen, die sich grundlegend von den aus der aktuellen Praxis der EU bekannten unterscheiden. Die Strategie wird mit Hilfe von für die Region neuen Koordinierungsstrukturen und von vorhandenen Organismen umgesetzt, deren Komplementarität optimiert werden sollte;

6)

nach Ansicht des EWSA sollten die bürokratischen Auflagen auf ein Mindestmaß reduziert werden; es sollte eine Forschergruppe eingesetzt werden, um die Fragen im Zusammenhang mit der Donaustrategie wissenschaftlich zu analysieren und zu untersuchen. Es sollte ein Stipendiensystem geschaffen werden, um die Arbeiten dieser Gruppe zu unterstützen.

2.   Strategie der Europäischen Union für den Donauraum: allgemeine Bemerkungen

2.1

Der EWSA stellt fest, dass sich der Donauraum grundlegend verändert hat, da dessen Flusseinzugsgebiet nun weitgehend zur Europäischen Union gehört. Es bieten sich neue Möglichkeiten, die Herausforderungen der Region in Angriff zu nehmen und ihr Potenzial zu nutzen. Verbesserungen sind möglich bei der sozioökonomischen Entwicklung, der Wettbewerbsfähigkeit, dem Umweltmanagement und dem energieeffizienten Wachstum; Sicherheitsmaßnahmen und Verkehrskorridore können modernisiert werden.

2.2

Mit der Strategie (2) wird mittels Schaffung eines langfristigen Kooperationsrahmens für eine große Bandbreite von Aspekten darauf abgezielt, die soziale Kultur und das enorme wirtschaftliche Potenzial der Region zu entwickeln und deren ökologische Bedingungen zu verbessern.

2.3

Nach Ansicht des EWSA wird die Strategie der Europäischen Union für den Donauraum eine bedeutende Rolle bei der Verbesserung des nachhaltigen Verkehrs, bei der Vernetzung der Energiesysteme, beim Umweltschutz, beim Erhalt der Wasserressourcen und bei der Verbesserung des Geschäftsklimas spielen. Darüber hinaus schließt sich der EWSA der Auffassung an, dass diese Strategie einen neuen Mehrwert erbringen wird, indem mit ihr die Kohärenz verschiedener politischer Bereiche und eine verstärkte Koordination zwischen den teilnehmenden Staaten sichergestellt sowie ein integriertes Konzept für die nachhaltige Entwicklung definiert wird.

2.4

Der Donauraum ist ein historischer, sozialer, wirtschaftlicher und funktioneller Raum, der durch sein Flusseinzugsgebiet definiert wird. Durch die Strategie wird dieser Ansatz erweitert, sodass die Prioritäten auf integrierte Weise geprüft werden. In diesem Zusammenhang muss eine Verbindung zwischen den in der Region lebenden Menschen und ihren Meinungen und Bedürfnissen hergestellt werden. Bis zum Jahr 2020 sollten alle Bürgerinnen und Bürger des Donauraums in ihrer eigenen Heimatregion über bessere Aussichten auf höhere Bildung, Beschäftigung und Wohlstand verfügen. Dank der Tatsache, dass das nachhaltige Wachstum im Mittelpunkt steht, kann die Strategie für den Donauraum in großem Maße zur Verwirklichung der Ziele der Europa-2020-Strategie beitragen.

2.5

Der EWSA hofft angesichts fehlender neuer finanzieller Mittel für die Umsetzung der Strategie, dass im Laufe des gegenwärtigen Planungszeitraums die Wirkung der der Region zur Verfügung gestellten 100 Mrd. Euro durch eine größere Harmonisierung der von den Staaten des Donauraums verabschiedeten Programme erhöht werden kann. Zu diesem Zweck ist es wichtig, Synergien und Kompromisse zu ermitteln, z. B. die Entwicklung von hochmodernen Umwelttechnologien, die Zusammenarbeit mit Blick auf eine bessere Abstimmung der politischen Maßnahmen und ihrer Finanzierung, um die Wirkung vor Ort zu verbessern, sowie die Überwindung der Fragmentierung.

2.6

Der EWSA macht auf die Notwendigkeit aufmerksam, in Anbetracht der aktuellen wirtschaftlichen Möglichkeiten im Sinne einer Rationalisierung eine begrenzte Zahl von Projekten auszuwählen und eine Kosten-Nutzen-Analyse vorzunehmen. Es sind konkrete Maßnahmen und die Gewährung angemessener Garantien unter den Akteuren erforderlich, um die wirtschaftliche und finanzielle Zusammenarbeit zu stärken.

2.7

Der EWSA schließt die Möglichkeit nicht aus, dass die vorgesehene Donaustrategie auf politischer Ebene in Form eines Prozesses umgesetzt werden muss, der im Verlauf der Anwendung Flexibilität und eine regelmäßige Überprüfung und ggf. die Zuweisung zusätzlicher finanzieller und weiterer Ressourcen voraussetzt.

2.8

Nach dem Dafürhalten des EWSA steht die Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften und der Politik der Union im Mittelpunkt der Strategie. Es gilt, sich ständig darum zu bemühen, Umsetzungslücken zu schließen und praktische oder organisatorische Schwierigkeiten zu beseitigen, die dazu führen, dass zu wenige Ergebnisse erzielt werden. Eine „Stärkung der territorialen Dimension“ wird zu einer koordinierten Zusammenarbeit, zur Herausbildung von Organisationsgrundsätzen für die Koordinierung der Rechtsvorschriften der Union sowie der Umsetzung der rechtlichen Verpflichtungen der EU beitragen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Binnenmarkt und der Umwelt. Sie könnte der Vorläufer zur Herausbildung einer „verstärkten Zusammenarbeit“ sein.

2.9

Der EWSA plädiert dafür, die Strategie der Europäischen Union für den Donauraum zu einem Teil der Europa-2020-Strategie zu machen, die das wichtigste Engagement der Union für ein innovatives, nachhaltiges und integratives Wachstum darstellt. Dies könnte als Präzedenzfall für andere regionale Strategien dienen.

2.10

Der EWSA pflichtet der Kommission bei, dass die regionale Zusammenarbeit im Donauraum zur Verwirklichung der fünf Hauptziele der Europa-2020-Strategie beiträgt, nämlich: Förderung der Beschäftigung, Verbesserung der Bedingungen für Innovation, Forschung und Entwicklung, insbesondere derjenigen für die Verbreitung neuer Technologien, Verwirklichung der Klima- und Energieziele, Verbesserung des Bildungsniveaus und Förderung der sozialen Eingliederung, insbesondere durch die Verringerung der Armut und die Bewältigung der Herausforderung der Überalterung der Bevölkerung.

3.   Strategie der Europäischen Union für den Donauraum: Botschaften, Herausforderungen und Probleme

3.1

Die in Mitteleuropa 1989 eingetretenen dramatischen Veränderungen haben zu einem grundlegenden Wandel der Gesellschaft geführt. Besondere Aufmerksamkeit ist erforderlich, da der Donauraum neben Mitgliedstaaten, die der EU zu unterschiedlichen Zeitpunkten beigetreten sind, auch Länder umfasst, die die EU-Mitgliedschaft beantragt haben, sowie andere Drittländer. Der EWSA stellt fest, dass die meisten Länder vor ähnlichen Problemen stehen, aber über unterschiedliche Ressourcen verfügen. Der Erfahrungsaustausch über gute Verwaltungspraxis ist wichtig, damit die Region sicherer und stärker in die EU integriert wird.

3.2

Der EWSA schenkt dem den Donauraum prägenden extremen wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Gefälle große Aufmerksamkeit. Die Unterschiede zwischen den wettbewerbsfähigsten und den ärmsten Gebieten, den Gebieten mit den am besten ausgebildeten Arbeitskräften und den Gebieten mit den am wenigsten gebildeten Bevölkerungsgruppen sowie dem höchsten und dem niedrigsten Lebensstandard sind frappierend.

3.3

Die durch die Europa-2020-Strategie eröffneten Möglichkeiten sollten in besonderem Maße den Randgruppen (insbesondere den Roma, deren Mehrheit in der Region lebt) zugute kommen. Unterschiede in Bildung und Beschäftigung können überwunden werden. Der Donauraum kann zu einem sicheren Gebiet werden, in dem angemessen mit Konflikten, Ausgrenzung und Kriminalität umgegangen wird. In der Region muss eine Verbindung zwischen den Menschen und ihren Ideen und Bedürfnissen hergestellt werden. In seiner Stellungnahme zum Thema „Strategie der Europäischen Union für den Donauraum“ (3) hat der EWSA bereits die Einrichtung eines „Donaugeschäftsforums (Danube Business Forum)“ empfohlen, dem die sozialen und wirtschaftlichen Akteure angehören würden und das ein wichtiges Instrument für die Zusammenarbeit und den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt des Donauraums werden könnte.

3.4

Der Vorschlag für eine Strategie der Europäischen Union für den Donauraum enthält folgende Hauptbotschaften:

1)

die Strategie ist eine positive Initiative mit dem Ziel, die Region stärker in die EU zu integrieren;

2)

die Mitgliedstaaten und die Drittstaaten (einschließlich der (potenziellen) Kandidatenländer) engagieren sich auf höchster politischer Ebene;

3)

der Kommission kommt bei der Vereinfachung dieses Prozesses eine Schlüsselrolle zu;

4)

die vorhandenen finanziellen Mittel für die Verwirklichung der Ziele der Strategie lassen sich wesentlich besser einsetzen;

5)

die Strategie muss zu sichtbaren und konkreten Verbesserungen für die Region und ihre Einwohner führen.

3.5

Der EWSA ist damit einverstanden, dass mit der Strategie für den Donauraum prioritär die größten Herausforderungen angegangen werden müssen:

—   Mobilität: Die Donau selbst ist ein wichtiger TEN-V-Korridor, dessen Kapazität jedoch bei weitem nicht ausgeschöpft wird. Insofern muss weiter überprüft werden, wie die bekannten physischen und organisatorischen (Belgrader Konvention) Engpässe auf der Donau überwunden werden können, wobei nationale Beschlüsse und die die Notwendigkeiten des Umwelt- und Naturschutzes Berücksichtigung finden müssen. Außerdem besteht Bedarf an größerer Intermodalität und einer Modernisierung und Erweiterung der Infrastruktur von Transportknotenpunkten wie etwa Binnenhäfen. Nach Ansicht des EWSA ist es äußerst wichtig, die Mobilitätsbedingungen der Arbeitnehmer zu verbessern und den freien Dienstleistungsverkehr zu garantieren.

—   Energie: Die Preise in dieser Region sind relativ hoch. Zersplitterte Märkte führen zu höheren Kosten und einem eingeschränkten Wettbewerb. Die Energieversorgungssicherheit in der Region ist niedrig. Eine größere Effizienz ist wesentlich, insbesondere durch Energieeinsparungen und mehr erneuerbare Energiequellen. Die Staaten, die an der Umsetzung der Strategie beteiligt sind, müssen bei der Konzipierung der europäischen Nachbarschaftspolitik für die/zur Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit als Motor fungieren.

—   Umwelt: Der Donauraum ist ein wichtiges internationales Flusseinzugsgebiet und ein wichtiger Umweltkorridor. Daher ist ein regionales und internationales Konzept für die Bereiche Naturschutz, Raumplanung und Wasserwirtschaft erforderlich. Es gilt, die sozialen Erfordernisse zu beachten und auch die Auswirkungen von Verkehrsverbindungen, touristischen Bauprojekten oder neuen Energieerzeugungsanlagen auf die Umwelt zu prüfen. Das Programm Natura 2000 sollte berücksichtigt werden. Nachhaltiger Wassersport und Wassertourismus sowie die Sensibilisierung für Wasser- und Naturschutz sind wichtige Elemente bei der Planung grüner Korridore. Die Risiken sind groß: Wo Überschwemmungen, Dürren und Umweltverschmutzung kleinen und großen Ausmaßes durch Industrieanlagen an der Tagesordnung sind, erfordern Katastrophenvorbeugung und Katastrophenschutz sowie eine wirksame Reaktion eine enge Zusammenarbeit und intensiven Informationsaustausch.

—   Sozioökonomische Faktoren: Der Donauraum zeichnet sich durch eine große kulturelle und sprachliche Vielfalt aus, aber auch durch sehr große sozioökonomische Unterschiede. Ihm gehören sowohl einige der leistungsfähigsten, als auch der ärmsten Regionen der Union an. Häufig mangelt es an Beziehungen und einer effizienten Zusammenarbeit finanzieller wie institutioneller Art. Der Anteil hochqualifizierter Personen liegt unter dem Durchschnitt der EU-27. Die Mobilität ist hoch und die am besten qualifizierten Personen ziehen auf der Suche nach besseren sozioökonomischen Bedingungen oft aus der Region weg.

—   Sicherheit, schwere und organisierte Kriminalität: Es gibt nach wie vor erhebliche Probleme. Menschenhandel und Warenschmuggel sind in einigen Ländern besonders problematisch. Korruption unterminiert das Vertrauen der Öffentlichkeit und behindert die wirtschaftliche und soziale Entwicklung.

3.6

Auch der EWSA ist der Auffassung, dass sich dem Donauraum außergewöhnliche Perspektiven bieten, in punkto Handelsbeziehungen, Entwicklungskapazitäten des Bildungssystems, das sich auf solide kommunale Strukturen stützt und den künftigen Erfordernissen des Arbeitsmarkts entsprechen wird, oder auch Nutzung des enormen Potenzials der Region an kulturellen, ethnischen und sozialen Reichtümern. An den Ufern keines anderen Flusses liegen so viele herrliche Hauptstädte. Die Region verfügt über ein außerordentliches Potenzial im Bereich Tourismus, was auch für die Nutzung erneuerbarer Energieträger gilt. Aufgrund der großen Naturschätze des Donauraums kommt dem Kriterium der Nachhaltigkeit bei allen Entwicklungsprojekten Priorität zu.

3.7

Maßnahmen in den Bereichen Innovation, Tourismus, Informationsgesellschaft, institutionelle Kapazitäten und Randgruppen sind gemeinsam durchzuführen, um positive Ergebnisse zu zeitigen. Der EWSA ist überzeugt, dass für eine wirksame Verbesserung Kommunikation und Transparenz sowie eine koordinierte Planung, Finanzierung und Umsetzung erforderlich sind.

3.8

Das extern bedingte Marktversagen ist frappierend und schlägt sich in fehlenden grenzübergreifenden Investitionen nieder. Es sollten Großprojekte konzipiert und nachhaltig und effizient umgesetzt sowie Kosten und Gewinne geteilt werden.

3.9

Geeignete, interne bzw. mit anderen Regionen Europas oder der Welt verknüpfte Netze sind für den Donauraum von grundlegender Bedeutung, wobei kein Gebiet ausgegrenzt werden darf. Durch den Ausbau der Nord-Süd-Achsen der EU und den Zugang von Binnenstaaten zum Mittelmeerraum wird die Zusammenarbeit zwischen EU- und Drittstaaten vertieft werden. Der EWSA bekräftigt frühere Aufforderungen in diesem Sinne seitens der gemeinsamen beratenden Ausschüsse mit Rumänien (2002, 2005) und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien (2010). Energie- und Verkehrsinfrastruktur weisen aufgrund unzureichender Kapazität und Qualität bzw. unzulänglicher Instandhaltung noch zahlreiche Lücken und Mängel auf. Der EWSA bittet die Kommission und die nationalen Stellen, unter Hinzuziehung der Zivilgesellschaft Vorschläge zu erarbeiten, wie diese Mängel und Lücken aufgelöst bzw. geschlossen werden können. Auch die Verbindungen zwischen den Menschen müssen enger gestaltet werden, z.B. dank Kultur und Tourismus.

3.10

Umweltressourcen werden grenzüberschreitend genutzt und gehen über die nationalen Interessen der Länder der Region hinaus. Durch die Tätigkeit des Menschen geraten diese Ressourcen immer mehr unter Druck. Zusammenarbeit ist hier von grundlegender Bedeutung, sonst werden die von den einen erzielten positiven Ergebnisse schnell durch die Nachlässigkeit der anderen zunichte gemacht. Deshalb sollten die bestehenden Zusammenarbeitsstrukturen ausgebaut werden.

3.11

In der Strategie (4) wird ein Aktionsplan  (5) vorgeschlagen, für den ein starkes Engagement der Länder und der interessierten Kreise erforderlich ist. Der Schwerpunkt liegt auf einem integrierten, lokal ausgerichteten Konzept, das sich auf gute Verbindungen zwischen städtischen und ländlichen Gebieten stützt. Ein gleichberechtigter Zugang zu Infrastrukturen und Diensten sowie vergleichbare Lebensbedingungen werden den territorialen Zusammenhalt fördern, der ein ausdrückliches Ziel der EU ist.

3.12

Im Rahmen des Aktionsplans hat die Kommission gemeinsam mit den Mitgliedstaaten, Regionen und anderen interessierten Kreisen Projekte (6) festgelegt, die unmittelbare und sichtbare Vorteile für die Menschen in der Region aufweisen und Auswirkungen auf die Makro-Region (oder einen großen Teil davon) haben.

3.13

Nach Meinung des EWSA sollten die Projekte folglich die nachhaltige Entwicklung fördern und mehrere Regionen bzw. Länder abdecken; sie sollten Kohärenz und Synergien vereinen, um für alle Seiten vorteilhafte Lösungen zu schaffen, und realistisch sein (technisch machbar und mit glaubwürdiger Finanzierung).

3.14

Der EWSA stimmt der Aufteilung der wichtigsten Themenbereiche auf vier Säulen nach Schwerpunktbereichen und verschiedenen Aktionsbereichen zu:

1)

Anbindung des Donauraums durch die Verbesserung der Mobilität und der Multimodalität, der Binnenwasserstraßen sowie der Straßen-, Schienen- und Luftverbindungen, um die Nutzung nachhaltiger Energien, Kultur und Tourismus sowie die zwischenmenschlichen Kontakte zu fördern;

2)

Umweltschutz im Donauraum durch Wiederherstellung und Sicherstellung der Qualität der Gewässer, Management von Umweltrisiken und Erhaltung der biologischen Vielfalt, der Landschaften sowie der Qualität von Luft und Boden;

3)

Aufbau von Wohlstand im Donauraum durch die Entwicklung der Wissensgesellschaft mit Hilfe von Forschung, Bildung und Informationstechnologien durch die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, einschließlich Clusterbildung, sowie durch Investitionen in Menschen und Qualifikationen;

4)

Stärkung des Donauraums durch die Verbesserung der institutionellen Kapazität und Zusammenarbeit mit Hilfe koordinierter Aktionen zur Förderung der Sicherheit und zur Bekämpfung der schweren und organisierten Kriminalität.

3.15

Nach Auffassung des EWSA muss der sich weiter entwickelnde und prosperierende Donauraum unter Anführung makroregionaler Interessen vor allem einen koordinierten Ausbau der Verkehrsachsen Nord-Süd und der mangelhaften Energieversorgungsinfrastruktur sowie Verbundnetze anstreben. Der EWSA plädiert im Falle eines Ausbaus des Flusses selbst als Verkehrsachse für die Einführung eines Sanierungsplans des Einzugsgebiets und der Zuflüsse der Donau. In der Strategie ist zudem vorgesehen, die KMU der Länder des Donauraums zu vernetzen und mit Hilfe einer ökologischen Wirtschaft, Forschernetzwerken und des Bildungswesens, einschließlich der beruflichen Bildung, die Hindernisse für die Zusammenarbeit abzubauen.

4.   Fragen im Zusammenhang mit Finanzierung, EU-Rechtsvorschriften und institutionellen Strukturen der EU

4.1

Mit der Strategie wird versucht, die vorhandenen Möglichkeiten bestmöglich zu nutzen, indem die unternommenen Anstrengungen, insbesondere politische Maßnahmen und Finanzmittel, miteinander in Einklang gebracht werden. Die Maßnahmen ergänzen sich. Alle interessierten Kreise müssen Verantwortung übernehmen. Eine Stärkung der territorialen Dimension wird zu einem integrierten Konzept führen, eine bessere Koordinierung sektorbezogener politischer Maßnahmen fördern und zur Einrichtung und Entwicklung europäischer Verbünde für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) auf makroregionaler Ebene beitragen.

4.2

Nach Meinung des EWSA kann die hochrangige Arbeitsgruppe, die zur Definition der Vorschriften und zur Bestimmung der wichtigsten Fragen eingesetzt werden wird, zusammen mit den für die verschiedenen Themen Verantwortlichen diese neue Form der institutionalisierten Zusammenarbeit auf makroregionaler Ebene verkörpern, die sich u.U. auch durch seitens der Region vorgenommene rechtliche Änderungen unterstützen lässt.

4.3

Die Strategie wird durch die Mobilisierung und gegebenenfalls Anpassung vorhandener Finanzmittel an ihre Ziele und im Einklang mit Gesamtkonzeptionen umgesetzt. Tatsächlich stehen über zahlreiche EU-Programme bereits große Summen zur Verfügung (z.B. 100 Mrd. EUR aus den Strukturfonds 2007-2013 sowie beträchtliche Mittel im Rahmen des Instruments für Heranführungshilfe (IPA) und des Europäischen Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstruments (ENPI)).

4.4

Der EWSA weist darauf hin, dass die Mittel nur auf der Grundlage einer Kosten-Nutzen-Analyse neu zugeteilt werden sollten, die nachweist, dass die aus anderen Bereichen abgezogenen Mittel der ganzen Gesellschaft zugute kommen.

4.5

Es sollte darauf geachtet werden, Zuschüsse und Darlehen zu kombinieren. Auch nationale, regionale und lokale Ressourcen stehen zur Verfügung. In der Tat sind der Zugang zu und die Kombination von Finanzierungsmöglichkeiten, insbesondere aus öffentlichen und privaten Quellen unterhalb der EU-Ebene, wesentlich. Neben der Gewährleistung einer effizienteren Nutzung der Ressourcen sollte bei der Finanzierung auch auf Risikostreuung geachtet werden.

4.6

Nach Ansicht des EWSA ist es Aufgabe der Kommission, die Aktionsbereiche zu koordinieren. Die Mitgliedstaaten sollten dann nach Konsultation der Kommission sowie der einschlägigen regionalen Agenturen und Einrichtungen beauftragt werden, die jeweiligen prioritären Bereiche zu koordinieren.

4.7

Der EWSA ist der festen Überzeugung, dass die Umsetzung der Maßnahmen allen obliegt (der nationalen, regionalen, kommunalen und lokalen Ebene). Die Maßnahmen (mit deren Hilfe die zu erreichenden Ziele festgelegt werden) müssen die Form konkreter (detaillierter, von einem Projektleiter gemanagter, einem Zeitplan unterliegender und mit einer Finanzierung ausgestatteter) Projekte annehmen.

4.8

Der EWSA hofft, dass die Strategie einen nachhaltigen Rahmen für eine strategische Integration und eine kohärente Entwicklung des Donauraums bieten wird, indem prioritäre Aktionen festgelegt werden, die darauf abzielen, den Donauraum zu einer Region der EU zu machen, die auf das 21. Jahrhundert ausgerichtet ist. Dazu sind erhebliche Anstrengungen erforderlich sowie ausreichende Informations- und Werbemaßnahmen, damit die Ziele der Strategie der breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht und in die Praxis umgesetzt werden.

Brüssel, den 16. Juni 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  ABl. C 339/07 vom 14.12.2010, S. 29.

(2)  „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Strategie der Europäischen Union für den Donauraum“ (SEK(2010) 1489 endg., SEK(2010) 1490 endg., SEK(2010) 1491 endg.).

(3)  ABl. C 48/02 vom 15.2.2011, S. 2.

(4)  Die Strategie der Europäischen Union für den Donauraum wird in zwei Dokumenten dargelegt: (1) einer Mitteilung der Europäischen Kommission an die anderen europäischen Institutionen und (2) dem Aktionsplan, der dieser Mitteilung beigefügt ist und sie ergänzt.

(5)  „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Strategie der Europäischen Union für den Donauraum“ (KOM(2010) 715 endg., SEK(2010) 1489 endg., SEK(2010) 1490 endg., SEK(2010) 1491 endg.).

(6)  Propagierung der Idee eines zivilgesellschaftlichen Forums des Donauraums, das einen Grundpfeiler der Mitwirkung der Zivilgesellschaft an der Strategie darstellen würde.


ANHANG

zu der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Der folgende abgelehnte Änderungsantrag erhielt mindestens ein Viertel der Stimmen:

Ziffer 3.8 —   Änderungsantrag 4 von Lutz RIBBE

Ziffer 3.8 wird wie folgt geändert

Das extern bedingte Marktversagen ist frappierend und schlägt sich in fehlenden grenzübergreifenden Investitionen nieder.

Begründung

1.)

Im Donauraum sind sicher zwingend auch „Großprojekte“ notwendig, wobei unklar bleibt, was unter Großprojekten verstanden wird. Da in Ziffer 3.9 ein solches Groß-, besser Mammutprojekt aber konkret erwähnt wird, sollte der EWSA vorsichtig sein und nicht den Eindruck erwecken, dass er der Meinung ist, dass gerade Großprojekte, wie in 3.9. beschrieben, die Entwicklung voran treiben

Vielmehr sind auch und gerade kleine und mittlere Projekte geeignet, neue Arbeitsplätze zu schaffen, bei gleichzeitiger Einhaltung von Nachhaltigkeits- und Umweltzielen. So sind in Bulgarien momentan Begrenzungen beim Ausbau regenerativer Energien eingeführt worden, weil die Energienetze nicht ausreichen. Investitionen zur Umsetzung neuer Energiekonzepte können hilfreich sein, sind hier aber vermutlich nicht gemeint

2.)

Es ist unklar, was die Mitberichterstatter sagen wollen, wenn sie schreiben, dass „Kosten und Gewinne“ geteilt werden sollen. Wer soll die Kosten der Großprojekte tragen, wer will wie die Gewinne teilen?

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen

:

68

Nein-Stimmen

:

71

Stimmenthaltungen

:

26


Top