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Document 52010IP0031

Venezuela Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2010 zu Venezuela

ABl. C 341E vom 16.12.2010, p. 69–71 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

16.12.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

CE 341/69


Donnerstag, 11. Februar 2010
Venezuela

P7_TA(2010)0031

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Februar 2010 zu Venezuela

2010/C 341 E/14

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Lage in Venezuela, insbesondere seine Entschließungen vom 7. Mai 2009, 23. Oktober 2008 und vom 24. Mai 2007,

gestützt auf Artikel 122 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,

A.

in der Erwägung, dass die Freiheit und die Unabhängigkeit der Medien ein wesentlicher Bestandteil des Grundrechtes auf freie Meinungsäußerung sind, wie es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert ist,

B.

in der Erwägung, dass die Freiheit der Medien angesichts ihrer wesentlichen Rolle für die Gewährleistung der freien Bekundung von Meinungen und Ideen von überragender Bedeutung für die Demokratie und die Achtung der Grundfreiheiten ist; in der Erwägung, dass die Freiheit der Medien der Achtung der Rechte von Minderheiten – einschließlich von Kräften der politischen Opposition – gebührend Rechnung tragen muss und zur effektiven Mitwirkung der Bevölkerung am demokratischen Prozess beiträgt, damit freie und faire Wahlen abgehalten werden können,

C.

in der Erwägung, dass das Recht der Öffentlichkeit auf Information aus pluralistischen Quellen für jede demokratische Gesellschaft und für die Mitwirkung der Bürger am politischen und sozialen Leben eines Landes von grundlegender Bedeutung ist,

D.

in der Erwägung, dass die mit dem Gesetz über die soziale Verantwortung von Rundfunk und Fernsehen sämtlichen Medien auferlegte Verpflichtung, die Reden des Staatschefs in voller Länge auszustrahlen, nicht diesen pluralistischen Grundsätzen entspricht,

E.

in der Erwägung, dass in den Artikeln 57 und 58 der venezolanischen Verfassung die Meinungs-, Kommunikations- und Informationsfreiheit gewährleistet werden,

F.

in der Erwägung, dass sich die Medien an die gesetzlichen Vorschriften halten müssen; in der Erwägung, dass die Schließung eines Nachrichtenmediums das allerletzte Mittel und eine Maßnahme sein sollte, die nur dann umgesetzt werden sollte, wenn sämtliche Garantien für ein ordentliches Verfahren – einschließlich des Rechts auf Verteidigung und Berufung vor unabhängigen Gerichten – vorhanden sind,

G.

unter Hinweis darauf, dass im Mai 2007 dem Sender „Radio Caracas Televisión“ von Staatspräsident Hugo Chávez die Frequenz entzogen wurde und der Kanal gezwungen wurde, internationalen Status anzunehmen, um in der Lage zu sein, seine Sendungen über Kabelfernsehen auszustrahlen,

H.

in der Erwägung, dass die ersten Proteste der Studentenbewegung begannen, als dem Kanal die Frequenz entzogen worden war,

I.

in der Erwägung, dass die Regierung von Hugo Chávez am 1. August 2009 die Schließung von 34 Radiokanälen anordnete, indem er sich weigerte, ihre Lizenzen zu erneuern,

J.

in der Erwägung, dass Präsident Chávez im Januar 2010 die Schließung von RCTV International (RCTV-I) und fünf anderen Kabel- und Satellitenfernsehkanälen (TV Chile, Ritmo Son, Momentum, America TV und American Network) anordnete, nachdem sie es versäumten, die offizielle Rede des Präsidenten anlässlich des 52. Jahrestages des Sturzes von Perez Jimenez auszustrahlen; in der Erwägung, dass zwei Sender – America TV und RCTVI – noch immer nicht senden dürfen,

K.

in der Erwägung, dass diese neue Schließung eine neue Welle von Studentenprotesten ausgelöst hat, die von der Polizei in vielen Bundesstaaten und Städten des Landes unterdrückt wurden, und dass diese Ereignisse den Tod von zwei jungen Studenten in der Stadt Mérida und Dutzende von Verletzten zur Folge hatten,

L.

in der Erwägung, dass diese Maßnahmen bezwecken sollen, die Kontrolle über die Medien zu erlangen und sie zu knebeln, wenn nicht sogar die demokratischen Rechte der Meinungs- und Informationsfreiheit zu beschneiden,

M.

in der Erwägung, dass die OAS über die Interamerikanische Menschenrechtskommission die Warnung ausgesprochen hat, dass dieser neue Schritt, Fernseh- und Radiokanälen die Frequenz zu entziehen, beträchtliche Auswirkungen auf das Recht auf freie Meinungsäußerung hat,

N.

in der Erwägung, dass Präsident Chávez vor kurzem erklärt hat, dass der Rückgriff auf Webseiten wie Twitter, die der Schaffung von sozialen Netzwerken dienen, sowie das Internet und das Versenden von Textnachrichten über Mobiltelefone mit dem Ziel, sein Regime zu kritisieren oder Widerstand zu leisten, „Terrorismus ist“,

O.

in der Erwägung, dass die Reform des Gesetzes über Wissenschaft und Technologie, die gegenwärtig von der venezolanischen Nationalenversammlung erörtert wird, darauf abzielt, „Informationsnetzwerke“ auf eine Weise zu regulieren, die zu Zensur im Internet führen könnte,

P.

in der Erwägung, dass Venezuela den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie die Amerikanische Menschenrechtskonvention unterzeichnet hat,

Q.

in der Erwägung, dass Venezuela das Land mit den größten Energiereserven in Lateinamerika ist und dass Maßnahmen wie die willkürliche Beschlagnahme und Enteignung, von denen einige EU-Interessen betreffen, die grundlegenden sozialen und wirtschaftlichen Rechte der Bürger untergraben,

R.

in der Erwägung, dass einige Präsident Chávez nahestehende Politiker wie Ramón Carrizález, Vizepräsident und Verteidigungsminister, Yubiri Ortega, Umweltministerin, und Eugenio Vázquez Orellana, Präsident der Zentralbank, vor kurzem ihren Rücktritt erklärt haben,

S.

unter Hinweis darauf, dass Venezuela nach dem von Transparency International für 2009 veröffentlichten Bericht eines der korruptesten Länder der Welt ist,

T.

in der Erwägung, dass das latente Klima der Unsicherheit und das Ausmaß von Kriminalität und Gewalt, die Venezuela und seine Hauptstadt Caracas in einen der gefährlichsten Orte der Welt verwandelt haben, unter der Bevölkerung Venezuelas Besorgnis auslöst,

U.

unter Hinweis darauf, dass die zahlreichen Beleidigungen, Drohungen und Angriffe, die Präsident Chávez gegen nationale und internationale Persönlichkeiten gerichtet hat, zu Unbehagen geführt haben und die Quelle einer beträchtlichen Zahl unnötiger Spannungen gewesen sind, die in einigen Fällen sogar zu einer Anordnung zur Mobilisierung der Streitkräfte mit Blick auf einen möglichen Krieg mit Kolumbien geführt haben,

1.

ist entsetzt über den Tod der beiden Studenten Yonisio Carrillo und Marcos Rosales während der Proteste in Mérida und fordert die staatlichen Stellen auf, eine Untersuchung der Gründe durchzuführen, warum diese jungen Männer getötet wurden, und fordert, dass die Schuldigen vor Gericht gestellt werden;

2.

bedauert den Beschluss der Regierung, die Ausstrahlung bestimmter Sender in Venezuela nicht mehr zu gestatten, und fordert ihre Wiederzulassung;

3.

ruft die venezolanischen Regierungsstellen dazu auf, diesen Beschluss sowie die Verpflichtung zur Ausstrahlung der Reden des Staatschefs in voller Länge zu überdenken;

4.

erinnert die Regierung der Bolivarischen Republik Venezuela an ihre Verpflichtung, die Ausdrucks- und Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit zu achten, da sie dazu nach ihrer eigenen Verfassung und nach den verschiedenen internationalen und regionalen Übereinkommen und Chartas, die Venezuela unterzeichnet hat, verpflichtet ist;

5.

fordert von der Regierung Venezuelas, im Namen des Grundsatzes der Unparteilichkeit des Staates allen Medienunternehmen einschließlich des Internet unabhängig davon, ob sie im privaten oder öffentlichen Besitz sind, und ohne Rücksicht auf politische oder ideologische Erwägungen eine rechtliche Gleichbehandlung zu gewährleisten;

6.

ist der Ansicht, dass die venezolanischen Medien eine pluralistische Abdeckung des politischen und sozialen Lebens in Venezuela gewährleisten sollten;

7.

vertritt die Ansicht, dass die „Nationale Kommission für Telekommunikation“ ihre Unabhängigkeit von politischer und wirtschaftlicher Einflussnahme unter Beweis stellen und auf einen ausgewogenen Pluralismus achten sollte;

8.

fordert die venezolanische Regierung auf, sich für die Werte der Rechtsstaatlichkeit zu engagieren und das Recht auf freie Meinungsäußerung – auch im Internet – und die Versammlungsfreiheit zu fördern, zu schützen und zu achten;

9.

weist darauf hin, dass es in einer Demokratie gemäß der Interamerikanischen Demokratie- Charta der Organisation Amerikanischer Staaten zusätzlich zu einer klaren und notwendigen Legitimität des Ursprungs, die sich auf Wahlen stützt und bei diesen erworben wird, auch eine legitime Ausübung der Macht auf der Grundlage der Achtung des Pluralismus, der geltenden Regeln, der geltenden Verfassung, der Gesetze und der Rechtsstaatlichkeit als Garanten einer uneingeschränkt funktionsfähigen Demokratie geben muss, was notwendigerweise die Achtung der friedlichen und demokratischen Opposition einschließen muss, insbesondere dann, wenn diese Opposition aus Wahlen hervorgegangen ist und sich auf ein Mandat der Bevölkerung stützt;

10.

ist zutiefst besorgt über die autoritären Tendenzen der Regierung von Präsident Hugo Chávez, bei deren Vorgehen es sich um Maßnahmen zur Schwächung der demokratischen Opposition und zur Einschränkung der Rechte und Freiheiten der Bürger handelt;

11.

fordert die venezolanische Regierung auf, mit Blick auf die Parlamentswahlen am 26. September 2010 die Regeln der Demokratie und die Grundsätze der Meinungs-, Versammlungs-, Vereinigungs- und Wahlfreiheit zu achten;

12.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik, der Regierung und der Nationalversammlung der Bolivarischen Republik Venezuela, der Parlamentarischen Versammlung Europa-Lateinamerika und dem Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten zu übermitteln.


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