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Document 52010IG0624(01)

Initiative des Königreichs Belgien, der Republik Bulgarien, der Republik Estland, des Königreichs Spanien, der Republik Österreich, der Republik Slowenien und des Königreichs Schweden für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom … über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen

ABl. C 165 vom 24.6.2010, p. 22–39 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

24.6.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 165/22


Initiative des Königreichs Belgien, der Republik Bulgarien, der Republik Estland, des Königreichs Spanien, der Republik Österreich, der Republik Slowenien und des Königreichs Schweden für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom … über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen

2010/C 165/02

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 82 Absatz 1 Buchstabe a,

auf Initiative des Königreichs Belgien, der Republik Bulgarien, der Republik Estland, des Königreichs Spanien, der Republik Österreich, der Republik Slowenien und des Königreichs Schweden,

nach Übermittlung des Entwurfs eines Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu erhalten und weiterzuentwickeln.

(2)

Nach Artikel 82 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union beruht die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen in der Union auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Urteile und Entscheidungen, der seit der Tagung des Europäischen Rates vom 15. und 16. Oktober 1999 in Tampere allgemein als Eckstein der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen in der Union bezeichnet wird.

(3)

Mit dem Rahmenbeschluss 2003/577/JI des Rates vom 22. Juli 2003 über die Vollstreckung von Entscheidungen zur Sicherstellung von Vermögensgegenständen und Beweismitteln in der Europäischen Union (1) ist der Notwendigkeit einer sofortigen gegenseitigen Anerkennung von Anordnungen, mit denen die Vernichtung, Veränderung, Verbringung, Übertragung oder Veräußerung von Beweismitteln verhindert werden soll, Rechnung getragen worden. Da das Instrument auf die Phase der Sicherstellung beschränkt ist, ist der Sicherstellungsentscheidung gemäß den Vorschriften für die Rechtshilfe in Strafsachen ein getrenntes Ersuchen um Übergabe der Beweismittel an den Entscheidungsstaat beizufügen. Dies führt zu einem zweistufigen Verfahren, das der Effizienz des Instruments abträglich ist. Außerdem bestehen neben dieser Regelung noch die traditionellen Instrumente der Zusammenarbeit, so dass die zuständigen Behörden die Regelung in der Praxis nur selten verwenden.

(4)

Der Rahmenbeschluss 2008/978/JI des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Europäische Beweisanordnung zur Erlangung von Sachen, Schriftstücken und Daten zur Verwendung in Strafsachen (2) wurde angenommen, um den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung diesbezüglich anzuwenden. Die Europäische Beweisanordnung gilt allerdings nur für bereits erhobene Beweismittel und deckt daher nur ein begrenztes Spektrum der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen in Bezug auf Beweismittel ab. Wegen ihres begrenzten Anwendungsbereichs steht es den zuständigen Behörden frei, die neue Regelung zu verwenden oder auf die Verfahren der Rechtshilfe zurückzugreifen, die auf jeden Fall weiterhin für Beweismittel gelten, die nicht in den Anwendungsbereich der Europäischen Beweisanordnung fallen.

(5)

Seit Annahme der Rahmenbeschlüsse 2003/577/JI und 2008/978/JI ist deutlich geworden, dass der bestehende Rahmen für die Erhebung von Beweismitteln zu stark zersplittert und zu kompliziert ist. Daher ist ein neuer Ansatz erforderlich.

(6)

In dem am 11. Dezember 2009 angenommenen Stockholmer Programm hat der Europäische Rat beschlossen, dass die Einrichtung eines umfassenden Systems für die Beweiserhebung in Fällen mit grenzüberschreitenden Bezügen, das auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung basiert, weiter verfolgt werden sollte. Dem Europäischen Rat zufolge stellen die bestehenden Rechtsinstrumente auf diesem Gebiet eine lückenhafte Regelung dar und bedarf es eines neuen Ansatzes, der auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung beruht, aber auch der Flexibilität des traditionellen Systems der Rechtshilfe Rechnung trägt. Der Europäische Rat hat daher ein umfassendes System gefordert, das sämtliche bestehenden Instrumente in diesem Bereich ersetzen soll, unter anderem auch den Rahmenbeschluss über die Europäische Beweisanordnung, das so weit wie möglich alle Arten von Beweismitteln erfasst und Vollstreckungsfristen enthält und die Verweigerungsgründe so weit wie möglich begrenzt.

(7)

Diesem neuen Ansatz liegt ein einheitliches Instrument zugrunde, das als Europäische Ermittlungsanordnung (EEA) bezeichnet wird. Die Europäische Ermittlungsanordnung wird zur Durchführung einer oder mehrerer spezifischer Ermittlungsmaßnahme(n) im Vollstreckungsstaat im Hinblick auf die Erhebung von Beweismitteln erlassen. Dies schließt auch die Erlangung von Beweismitteln ein, die sich bereits im Besitz der Vollstreckungsbehörde befinden.

(8)

Die Europäische Ermittlungsanordnung hat übergreifenden Charakter und gilt daher für fast alle Ermittlungsmaßnahmen. Einige Maßnahmen erfordern jedoch spezifische Vorschriften und werden daher besser getrennt geregelt, wie die Bildung gemeinsamer Ermittlungsgruppen und die Beweiserhebung im Rahmen von gemeinsamen Ermittlungsgruppen sowie einige spezifische Formen der Überwachung der Telekommunikation wie z. B die Überwachung mit unmittelbarer Weiterleitung und die Überwachung des satellitengestützten Telekommunikationsverkehrs. Auf diese Arten von Maßnahmen sollten weiterhin die bestehenden Instrumente Anwendung finden.

(9)

Diese Richtlinie gilt nicht für grenzüberschreitende Observationen nach Artikel 40 des Übereinkommens vom 19. Juni 1990 zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen (3).

(10)

Die Europäische Ermittlungsanordnung sollte sich auf die durchzuführende Ermittlungsmaßnahme konzentrieren. Die Anordnungsbehörde ist aufgrund ihrer Kenntnis der Einzelheiten der betreffenden Ermittlung am besten in der Lage zu entscheiden, welche Maßnahme zu verwenden ist. Jedoch sollte die Vollstreckungsbehörde die Möglichkeit haben, eine Maßnahme anderer Art zu verwenden, weil die erbetene Maßnahme nach ihrem nationalen Recht nicht besteht bzw. nicht zur Verfügung steht oder weil die Maßnahme anderer Art mit weniger eingreifenden Mitteln zu dem gleichen Ergebnis wie die in der Europäischen Ermittlungsanordnung vorgesehene Maßnahme führt.

(11)

Bei der Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung sollten unbeschadet der wesentlichen Rechtsgrundsätze des Vollstreckungsstaats die vom Anordnungsstaat ausdrücklich genannten Formvorschriften und Verfahren so weit wie möglich eingehalten werden. Die Anordnungsbehörde kann darum ersuchen, dass eine oder mehrere Behörden des Anordnungsstaats zur Unterstützung der zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaats an der Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung mitwirken. Für die Behörden des Anordnungsstaats sind damit keine Strafverfolgungsbefugnisse im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats verbunden.

(12)

Um die Effizienz der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen sicherzustellen, sollten die Möglichkeiten einer Versagung der Anerkennung oder Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung sowie die Gründe für einen Aufschub der Vollstreckung begrenzt werden.

(13)

Zur Gewährleistung einer raschen, effektiven und kohärenten Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten in Strafsachen ist es erforderlich, Befristungen vorzusehen. Die Entscheidung über die Anerkennung oder Vollsteckung sowie die eigentliche Durchführung der Ermittlungsmaßnahme sollten genauso rasch und vorrangig wie in einem vergleichbaren nationalen Fall erfolgen. Es sollten Fristen vorgesehen werden, um sicherzustellen, dass eine Entscheidung oder Vollstreckung innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolgt, oder um Verfahrenszwänge im Anordnungsstaat zu beachten.

(14)

Die Europäische Ermittlungsanordnung sieht eine einheitliche Regelung für die Erlangung von Beweismitteln vor. Bei einigen Arten von Ermittlungsmaßnahmen, wie beispielsweise der zeitweiligen Überstellung inhaftierter Personen, der Vernehmung per Videokonferenz oder per Telefonkonferenz, der Erlangung von Auskünften zu Bankkonten oder Bankgeschäften oder kontrollierten Lieferungen, bedarf es jedoch zusätzlicher Vorschriften, die in die Europäische Ermittlungsanordnung aufgenommen werden sollten. Ermittlungsmaßnahmen, die die Erhebung von Beweismitteln in Echtzeit, fortlaufend oder über einen bestimmten Zeitraum beinhalten, werden von der Europäischen Ermittlungsanordnung abgedeckt, jedoch sollte der Vollstreckungsbehörde aufgrund der unterschiedlichen nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bei diesen Maßnahmen Flexibilität eingeräumt werden.

(15)

Diese Richtlinie ersetzt die Rahmenbeschlüsse 2003/577/JI und 2008/978/JI sowie die verschiedenen Rechtsinstrumente über die Rechtshilfe in Strafsachen, soweit sie die Erlangung von Beweismitteln zur Verwendung in Verfahren in Strafsachen behandeln.

(16)

Da das Ziel dieser Richtlinie, nämlich die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen zur Erlangung von Beweismitteln, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können und daher wegen des Umfangs und der Wirkungen der Maßnahme besser auf Unionsebene zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.

(17)

Diese Richtlinie steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die in Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union und in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere Titel VI, anerkannt sind. Keine Bestimmung dieser Richtlinie kann in dem Sinne ausgelegt werden, dass sie es verbietet, die Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung zu versagen, wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Europäische Ermittlungsanordnung zum Zwecke der Verfolgung oder Bestrafung einer Person aus Gründen ihres Geschlechts, ihrer Rasse, ethnischen Herkunft, Religion, sexuellen Ausrichtung, Staatsangehörigkeit, Sprache oder politischen Überzeugungen erlassen wurde oder dass die Stellung dieser Person aus einem dieser Gründe beeinträchtigt werden kann.

(18)

[Gemäß Artikel 3 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts haben das Vereinigte Königreich und Irland mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme dieser Richtlinie beteiligen möchten.]

(19)

Gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Richtlinie und ist weder durch diese gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet —

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

KAPITEL I

DIE EUROPÄISCHE ERMITTLUNGSANORDNUNG

Artikel 1

Definition der Europäischen Ermittlungsanordnung und Verpflichtung zu ihrer Vollstreckung

(1)   Die Europäische Ermittlungsanordnung (EEA) ist eine gerichtliche Entscheidung, die von einer zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats (im Folgenden: „Anordnungsstaat“) zur Durchführung einer oder mehrerer spezifischer Ermittlungsmaßnahme(n) in einem anderen Mitgliedstaat (im Folgenden: „Vollstreckungsstaat“) zur Beweiserhebung im Rahmen der in Artikel 4 genannten Verfahren erlassen wird.

(2)   Die Mitgliedstaaten vollstrecken jede Europäische Ermittlungsanordnung nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie.

(3)   Diese Richtlinie berührt nicht die Verpflichtung zur Achtung der Grundrechte und der allgemeinen Rechtsgrundsätze gemäß Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union, und die Verpflichtungen der Justizbehörden in dieser Hinsicht bleiben unberührt. Ferner verpflichtet diese Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht dazu, Maßnahmen zu ergreifen, die ihren Verfassungsvorschriften über die Vereinigungsfreiheit, die Pressefreiheit und die Freiheit der Meinungsäußerung in anderen Medien zuwiderlaufen.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet

a)

„Anordnungsbehörde“

i)

einen Richter, ein Gericht, einen Ermittlungsrichter oder einen Staatsanwalt, der/das in dem betreffenden Fall zuständig ist, oder

ii)

jede andere vom Anordnungsstaat bezeichnete Justizbehörde, die in dem betreffenden Fall in ihrer Eigenschaft als Ermittlungsbehörde in einem Strafverfahren nach nationalem Recht für die Anordnung der Erhebung von Beweismitteln zuständig ist;

b)

„Vollstreckungsbehörde“ eine Behörde, die für die Anerkennung oder Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung gemäß dieser Richtlinie zuständig ist. Bei der Vollstreckungsbehörde handelt es sich um eine Behörde, die in einem vergleichbaren nationalen Fall für die Durchführung der Ermittlungsnahme, die in der Europäischen Ermittlungsanordnung genannt wird, zuständig wäre.

Artikel 3

Geltungsbereich der Europäischen Ermittlungsanordnung

(1)   Die Europäische Ermittlungsanordnung deckt alle Ermittlungsmaßnahmen mit Ausnahme der in Absatz 2 genannten Maßnahmen ab.

(2)   Folgende Maßnahmen werden nicht von der Europäischen Ermittlungsanordnung abgedeckt:

a)

die in Artikel 13 des Rechtsakts des Rates vom 29. Mai 2000 über die Erstellung des Übereinkommens — gemäß Artikel 34 des Vertrags über die Europäische Union — über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (4) (im Folgenden: „Übereinkommen“) und in dem Rahmenbeschluss 2002/465/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über gemeinsame Ermittlungsgruppen (5) vorgesehene Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe und die Erhebung von Beweismitteln innerhalb einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe;

b)

die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs und dessen unmittelbare Weiterleitung nach Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe a des Übereinkommens und

c)

die Überwachung der Telekommunikation nach Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe b des Übereinkommens, soweit sie sich auf die in Artikel 18 Absatz 2 Buchstaben a und c und in Artikel 20 des Übereinkommens genannten Fälle bezieht.

Artikel 4

Verfahrensarten, für die die Europäische Ermittlungsanordnung erlassen werden kann

Die Europäische Ermittlungsanordnung kann erlassen werden

a)

in Bezug auf Strafverfahren, die eine Justizbehörde wegen einer nach dem nationalen Recht des Anordnungsstaats strafbaren Handlung eingeleitet hat oder mit der sie befasst werden kann;

b)

bei Verfahren, die Verwaltungsbehörden wegen Handlungen eingeleitet haben, die nach dem nationalen Recht des Anordnungsstaats als Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften geahndet werden, sofern gegen die Entscheidung ein auch in Strafsachen zuständiges Gericht angerufen werden kann;

c)

bei Verfahren, die Justizbehörden wegen Handlungen eingeleitet haben, die nach dem nationalen Recht des Anordnungsstaats als Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften geahndet werden, sofern gegen die Entscheidung ein auch in Strafsachen zuständiges Gericht angerufen werden kann und

d)

im Zusammenhang mit Verfahren gemäß den Buchstaben a, b und c, die sich auf Straftaten oder Zuwiderhandlungen beziehen, für die im Anordnungsstaat eine juristische Person zur Verantwortung gezogen oder bestraft werden kann.

Artikel 5

Inhalt und Form der Europäischen Ermittlungsanordnung

(1)   Die in dem Formblatt in Anhang A wiedergegebene Europäische Ermittlungsanordnung wird von der Anordnungsbehörde ausgefüllt und unterzeichnet; die Anordnungsbehörde bestätigt ferner ihre inhaltliche Richtigkeit.

(2)   Jeder Mitgliedstaat gibt an, welche Amtssprache(n) der Organe der Union außer seiner/seinen eigene(n) Amtssprache(n) bem Ausfüllen oder Übersetzung der Europäischen Ermittlungsanordnung verwendet werden können, wenn er Vollstreckungsstaat ist.

KAPITEL II

VERFAHREN UND SCHUTZGARANTIEN FÜR DEN ANORDNUNGSSTAAT

Artikel 6

Übermittlung der Europäischen Ermittlungsanordnung

(1)   Die Europäische Ermittlungsanordnung wird von der Anordnungsbehörde an die Vollstreckungsbehörde in einer Form übermittelt, die einen schriftlichen Nachweis unter Bedingungen ermöglicht, die dem Vollstreckungsstaat die Feststellung der Echtheit gestatten. Alle weiteren amtlichen Mitteilungen erfolgen unmittelbar zwischen der Anordnungsbehörde und der Vollstreckungsbehörde.

(2)   Unbeschadet des Artikels 2 Buchstabe b kann jeder Mitgliedstaat eine zentrale Behörde oder, wenn sein Rechtssystem dies vorsieht, mehr als eine zentrale Behörde zur Unterstützung der zuständigen Behörden benennen. Ein Mitgliedstaat kann, wenn sich dies aufgrund des Aufbaus seines Justizsystems als erforderlich erweist, seine zentrale(n) Behörde(n) mit der administrativen Übermittlung und Entgegennahme der Europäischen Ermittlungsanordnung sowie des gesamten übrigen sie betreffenden amtlichen Schriftverkehrs betrauen.

(3)   Wenn die Anordnungsbehörde dies wünscht, kann die Übermittlung über das gesicherte Telekommunikationssystem des Europäischen Justiziellen Netzes erfolgen.

(4)   Ist die Vollstreckungsbehörde nicht bekannt, so versucht die Anordnungsbehörde, diese beim Vollstreckungsstaat mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln – auch über die Kontaktstellen des Europäischen Justiziellen Netzes – in Erfahrung zu bringen.

(5)   Ist die Behörde, die im Vollstreckungsstaat die Europäische Ermittlungsanordnung erhält, nicht dafür zuständig, diese anzuerkennen oder die erforderlichen Maßnahmen zu deren Vollstreckung zu treffen, so übermittelt sie die Ermittlungsanordnung von Amts wegen der Vollstreckungsbehörde und unterrichtet die Anordnungsbehörde entsprechend.

(6)   Alle Schwierigkeiten in Verbindung mit der Übermittlung oder der Echtheit der zur Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung erforderlichen Unterlagen werden direkt zwischen den betreffenden Anordnungs- und Vollstreckungsbehörden oder gegebenenfalls unter Einschaltung der zentralen Behörden der Mitgliedstaaten behoben.

Artikel 7

Europäische Ermittlungsanordnung in Bezug auf eine frühere Ermittlungsanordnung

(1)   Erlässt die Anordnungsbehörde eine Europäische Ermittlungsanordnung, die eine frühere Europäische Ermittlungsanordnung ergänzt, so gibt sie dies in der Europäischen Ermittlungsanordnung entsprechend dem Formblatt in Anhang A an.

(2)   Wirkt die Anordnungsbehörde gemäß den geltenden Bestimmungen an der Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung im Vollstreckungsstaat mit, so kann sie unbeschadet der Mitteilungen nach Artikel 28 Absatz 1 Buchstabe c während ihrer Anwesenheit im Hoheitsgebiet dieses Staates eine die frühere Europäische Ermittlungsanordnung ergänzende Europäische Ermittlungsanordnung direkt an die zuständige Vollstreckungsbehörde richten.

KAPITEL III

VERFAHREN UND SCHUTZGARANTIEN FÜR DEN VOLLSTRECKUNGSSTAAT

Artikel 8

Anerkennung und Vollstreckung

(1)   Die Vollstreckungsbehörde erkennt eine nach Artikel 6 übermittelte Europäische Ermittlungsanordnung ohne jede weitere Formalität an und trifft unverzüglich alle erforderlichen Maßnahmen zu deren Vollstreckung in derselben Weise, in der die betreffende Ermittlungsmaßnahme von einer Behörde des Vollstreckungsstaats angeordnet würde, und nach denselben dafür geltenden Modalitäten, es sei denn, die Vollstreckungsbehörde beschließt, einen der Gründe für die Versagung der Anerkennung oder der Vollstreckung nach Artikel 10 oder einen der Gründe für den Aufschub der Vollstreckung nach Artikel 14 geltend zu machen.

(2)   Die Vollstreckungsbehörde hält die von der Anordnungsbehörde ausdrücklich angegebenen Formvorschriften und Verfahren ein, soweit in dieser Richtlinie nichts anderes bestimmt ist und sofern die angegebenen Formvorschriften und Verfahren nicht im Widerspruch zu den wesentlichen Rechtsgrundsätzen des Vollstreckungsstaats stehen.

(3)   Die Anordnungsbehörde kann darum ersuchen, dass eine oder mehrere Behörden des Anordnungsstaats zur Unterstützung der zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaats an der Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung mitwirken. Die Vollstreckungsbehörde gibt dem Ersuchen statt, sofern die Mitwirkung nicht im Widerspruch zu den wesentlichen Rechtsgrundsätzen des Vollstreckungsstaats steht.

(4)   Die Anordnungs- und Vollstreckungsbehörden können gegebenenfalls einander in geeigneter Weise konsultieren, um die effiziente Anwendung dieses Artikels zu erleichtern.

Artikel 9

Rückgriff auf eine Ermittlungsmaßnahme anderer Art

(1)   Die Vollstreckungsbehörde kann beschließen, auf eine nicht in der Europäischen Ermittlungsanordnung vorgesehene Ermittlungsmaßnahme zurückzugreifen, wenn

a)

die in der Europäischen Ermittlungsanordnung angegebene Ermittlungsmaßnahme nach dem Recht des Vollstreckungsstaats nicht besteht;

b)

die in der Europäischen Ermittlungsanordnung angegebene Ermittlungsmaßnahme nach dem Recht des Vollstreckungsstaats zwar besteht, ihre Verwendung jedoch auf eine Liste oder Kategorie von Straftaten beschränkt ist, die die von der Europäischen Ermittlungsanordnung abgedeckte Straftat nicht umfasst, oder

c)

die von der Vollstreckungsbehörde gewählte Ermittlungsmaßnahme mit weniger eingreifenden Mitteln zu dem gleichen Ergebnis wie die in der Europäischen Ermittlungsanordnung vorgesehene Maßnahme führt.

(2)   Beschließt die Vollstreckungsbehörde, von der in Absatz 1 genannten Möglichkeit Gebrauch zu machen, so unterrichtet sie zuerst die Anordnungsbehörde; diese kann entscheiden, die Europäische Ermittlungsanordnung zurückzunehmen.

Artikel 10

Gründe für die Versagung der Anerkennung oder der Vollstreckung

(1)   Die Anerkennung oder Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung kann im Vollstreckungsstaat versagt werden, wenn

a)

nach dem Recht des Vollstreckungsstaats Immunitäten oder Vorrechte bestehen, die es unmöglich machen, die Europäische Ermittlungsanordnung zu vollstrecken;

b)

ihre Vollstreckung in einem bestimmten Fall wesentlichen nationalen Sicherheitsinteressen schaden, die Informationsquelle gefährden oder die Verwendung von Verschlusssachen über spezifische nachrichtendienstliche Tätigkeiten voraussetzen würde, oder

c)

in den Fällen des Artikels 9 Absatz 1 Buchstaben a und b keine andere Ermittlungsmaßnahme zur Verfügung steht, die die Erreichung eines vergleichbaren Ergebnisses ermöglicht; oder

d)

die Europäische Ermittlungsanordnung in einem Verfahren nach Artikel 4 Buchstaben b und c erlassen wurde und die Maßnahme in einem vergleichbaren nationalen Fall nicht zulässig wäre.

(2)   Bevor die Vollstreckungsbehörde in den Fällen nach Absatz 1 Buchstaben b und c beschließt, eine Europäische Ermittlungsanordnung ganz oder teilweise nicht anzuerkennen oder nicht zu vollstrecken, konsultiert sie in geeigneter Weise die Anordnungsbehörde und ersucht sie gegebenenfalls um die unverzügliche Übermittlung aller erforderlichen zusätzlichen Angaben.

Artikel 11

Fristen für die Anerkennung oder Vollstreckung

(1)   Die Entscheidung über die Anerkennung oder Vollstreckung und die Durchführung der Ermittlungsmaßnahme erfolgen genauso rasch und vorrangig wie in einem vergleichbaren nationalen Fall, auf jeden Fall aber innerhalb der in diesem Artikel vorgesehenen Fristen.

(2)   Hat die Anordnungsbehörde in der Europäischen Ermittlungsanordnung angegeben, dass aufgrund von Verfahrensfristen, der Schwere der Straftat oder anderer besonders dringender Umstände kürzere Fristen als die in diesem Artikel vorgesehenen notwendigsind, oder wenn die Anordnungsbehörde in der Europäischen Ermittlungsanordnung ausgeführt hat, dass die Ermittlungsmaßnahme zu einem bestimmten Zeitpunkt durchzuführen ist, so wird dies von der Vollstreckungsbehörde möglichst weitgehend berücksichtigt.

(3)   Die Entscheidung über die Anerkennung oder Vollstreckung ist so bald wie möglich, unbeschadet des Absatzes 5 jedoch spätestens 30 Tage nach Eingang der Europäischen Ermittlungsanordnung bei der zuständigen Vollstreckungsbehörde, zu treffen.

(4)   Sofern entweder keine Gründe für einen Aufschub nach Artikel 14 vorliegen oder sich die Beweismittel, die in der von der Europäischen Ermittlungsanordnung abgedeckten Ermittlungsmaßnahme genannt werden, nicht bereits im Besitz des Vollstreckungsstaats befinden, führt die Vollstreckungsbehörde die Ermittlungsmaßnahme unverzüglich, unbeschadet des Absatzes 5 jedoch spätestens 90 Tage nach der in Absatz 3 genannten Entscheidung durch.

(5)   Ist es der zuständigen Vollstreckungsbehörde in einem spezifischen Fall nicht möglich, die Frist nach Absatz 3 einzuhalten, so unterrichtet sie unverzüglich die zuständige Behörde des Anordnungsstaats in jeder beliebigen Form und gibt dabei die Gründe für die Verzögerung und die voraussichtliche Entscheidungsdauer an. In diesem Fall kann die Frist nach Absatz 3 auf höchstens 30 Tage verlängert werden.

(6)   Ist es der zuständigen Vollstreckungsbehörde in einem spezifischen Fall nicht möglich, die Frist nach Absatz 4 einzuhalten, so unterrichtet sie unverzüglich die zuständige Behörde des Anordnungsstaats in jeder beliebigen Form und gibt dabei die Gründe für die Verzögerung an und konsultiert sich mit der Anordnungsbehörde in Bezug auf den geeigneten Zeitpunkt für die Durchführung der Maßnahme.

Artikel 12

Übermittlung der Beweismittel

(1)   Die Vollstreckungsbehörde übermittelt dem Anordnungsstaat ohne unnötige Verzögerung die aufgrund der Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung erlangten Beweismittel. Auf entsprechende Bitte in der Europäischen Ermittlungsanordnung hin werden die Beweismittel, sofern dies nach dem nationalen Recht des Vollstreckungsstaats zulässig ist, unmittelbar den zuständigen Behörden des Anordnungsstaats, die an der Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung gemäß Artikel 8 Absatz 3 mitwirken, übermittelt.

(2)   Die Vollstreckungsbehörde gibt bei der Übermittlung der erlangten Beweismittel an, ob sie verlangt, dass diese an den Vollstreckungsstaat zurückzusenden sind, sobald sie von dem Anordnungsstaat nicht mehr benötigt werden.

Artikel 13

Rechtsbehelfe

Betroffenen stehen die Rechtsbehelfe nach nationalem Recht zur Verfügung. Die Sachgründe für den Erlass der Europäischen Ermittlungsanordnung können nur durch eine Klage vor einem Gericht des Anordnungsstaats angefochten werden.

Artikel 14

Gründe für den Aufschub der Anerkennung oder der Vollstreckung

(1)   Die Anerkennung oder Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung kann im Vollstreckungsstaat aufgeschoben werden, wenn

a)

die Vollstreckung der Anordnung eine laufende strafrechtliche Ermittlung oder Verfolgung beeinträchtigen könnte, und zwar solange, wie der Vollstreckungsstaat dies für angemessen hält, oder

b)

die betreffenden Sachen, Schriftstücke oder Daten bereits in anderen Verfahren verwendet werden, und zwar solange, bis sie zu diesem Zweck nicht mehr benötigt werden.

(2)   Sobald der Grund für den Aufschub nicht mehr besteht, trifft die Vollstreckungsbehörde unverzüglich die notwendigen Maßnahmen für die Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung und unterrichtet hiervon die Anordnungsbehörde in einer Form, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht.

Artikel 15

Informationspflicht

(1)   Die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats, die die Europäische Ermittlungsanordnung entgegennimmt, bestätigt deren Empfang unverzüglich, in jedem Fall aber binnen einer Woche nach Entgegennahme der Ermittlungsanordnung, indem sie das Formblatt in Anhang B ausfüllt und entsprechend weiterleitet. Sofern nach Artikel 6 Absatz 2 eine zentrale Behörde benannt wurde, gilt diese Pflicht sowohl für die zentrale Behörde als auch für die Vollstreckungsbehörde, die die Europäische Ermittlungsanordnung über die zentrale Behörde entgegennimmt. In den Fällen des Artikels 6 Absatz 5 gilt diese Pflicht sowohl für die zuständige Behörde, die die Europäische Ermittlungsanordnung zuerst entgegengenommen hat, als auch für die Vollstreckungsbehörde, der sie endgültig übermittelt wird.

(2)   Unbeschadet des Artikels 9 Absatz 2 unterrichtet die Vollstreckungsbehörde die Anordnungsbehörde

a)

sofort in jeder beliebigen Form,

i)

wenn sie nicht über die Anerkennung oder Vollstreckung entscheiden kann, weil das im Anhang vorgesehene Formblatt nicht vollständig oder offensichtlich unrichtig ausgefüllt wurde;

ii)

wenn sie bei der Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung ohne weitere Erkundigungen zu der Auffassung gelangt, dass es sachgerecht sein könnte, Ermittlungsmaßnahmen durchzuführen, die zunächst nicht vorgesehen waren oder die zum Zeitpunkt des Erlasses der Europäischen Ermittlungsanordnung nicht hatten angegeben werden können, damit die Anordnungsbehörde in dem betreffenden Fall weitere Maßnahmen ergreifen kann;

iii)

wenn sie feststellt, dass sie im Einzelfall die von der Anordnungsbehörde ausdrücklich angegebenen Formvorschriften und Verfahren nach Artikel 8 nicht einhalten kann.

Auf Ersuchen der Anordnungsbehörde ist die Information unverzüglich in einer Form, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht, zu bestätigen;

b)

unverzüglich in einer Form, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht,

i)

über alle Entscheidungen nach Artikel 10 Absatz 1;

ii)

über den Aufschub der Vollstreckung oder Anerkennung der Europäischen Ermittlungsanordnung, der Gründe hierfür und nach Möglichkeit der zu erwartenden Dauer des Aufschubs.

Artikel 16

Strafrechtliche Verantwortlichkeit der Beamten

Bei ihrer Anwesenheit im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats im Rahmen der Anwendung dieser Richtlinie werden Beamte des Anordnungsstaats in Bezug auf Straftaten, die gegen sie begangen werden oder die sie selbst begehen, den Beamten des Vollstreckungsstaats gleichgestellt.

Artikel 17

Zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Beamten

(1)   Sind im Rahmen der Anwendung dieser Richtlinie Beamte des Anordnungsstaats im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats anwesend, so haftet der Anordnungsstaat nach Maßgabe des Rechts des Vollstreckungsstaats für den durch die Beamten bei ihrem Einsatz verursachten Schaden.

(2)   Der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der in Absatz 1 genannte Schaden verursacht wurde, ersetzt diesen Schaden so, wie er ihn ersetzen müsste, wenn seine eigenen Beamten ihn verursacht hätten.

(3)   Der Mitgliedstaat, dessen Beamte im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats einer Person Schaden zugefügt haben, erstattet diesem anderen Mitgliedstaat den Gesamtbetrag des Schadenersatzes, den dieser an die Geschädigten oder ihre Rechtsnachfolger geleistet hat.

(4)   Unbeschadet der Ausübung seiner Rechte gegenüber Dritten und mit Ausnahme des Absatzes 3 verzichtet jeder Mitgliedstaat in dem Fall des Absatzes 1 darauf, den Betrag des erlittenen Schadens anderen Mitgliedstaaten gegenüber geltend zu machen.

Artikel 18

Vertraulichkeit

(1)   Jeder Mitgliedstaat ergreift die erforderlichen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass die Anordnungs- und Vollstreckungsbehörden bei der Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung der Vertraulichkeit der Ermittlung gebührend Rechnung tragen.

(2)   Die Vollstreckungsbehörde gewährleistet gemäß ihrem nationalen Recht die Vertraulichkeit des Sachverhalts und des Inhalts der Europäischen Ermittlungsanordnung nur insoweit, als dies für die Durchführung der Ermittlungsmaßnahme erforderlich ist. Kann die Vollstreckungsbehörde dem Erfordernis der Vertraulichkeit nicht entsprechen, so setzt sie die Anordnungsbehörde unverzüglich davon in Kenntnis.

(3)   Die Anordnungsbehörde behandelt von der Vollstreckungsbehörde zur Verfügung gestellte Beweismittel oder Informationen, sofern die Vollstreckungsbehörde nichts anderes angibt, gemäß ihrem nationalen Recht vertraulich, soweit die Offenlegung nicht für die in der Europäischen Ermittlungsanordnung beschriebenen Ermittlungen oder Verfahren erforderlich ist.

(4)   Jeder Mitgliedstaat ergreift die erforderlichen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass die Banken den betroffenen Bankkunden oder sonstige Dritte nicht davon in Kenntnis setzen, dass dem Anordnungsstaat eine Information gemäß den Artikeln 23, 24 und 25 erteilt worden ist oder dass Ermittlungen durchgeführt werden.

KAPITEL IV

SPEZIFISCHE BESTIMMUNGEN FÜR BESTIMMTE ERMITTLUNGSMASSNAHMEN

Artikel 19

Zeitweilige Überstellung von inhaftierten Personen an den Anordnungsstaat zum Zwecke von Ermittlungen

(1)   Eine Europäische Ermittlungsanordnung kann zum Zweck der zeitweiligen Überstellung einer im Vollstreckungsstaat inhaftierten Person zur Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme erlassen werden, bei der die Anwesenheit der Person im Hoheitsgebiet des Anordnungsstaats erforderlich ist, sofern die Person innerhalb der vom Vollstreckungsstaat gesetzten Frist zurücküberstellt wird.

(2)   Zusätzlich zu den Versagungsgründen nach Artikel 10 Absatz 1 kann die Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung auch versagt werden, wenn

a)

die inhaftierte Person nicht zustimmt, oder

b)

die Überstellung geeignet ist, die Haft der Person zu verlängern.

(3)   In Fällen gemäß Absatz 1 wird die Durchbeförderung der inhaftierten Person durch das Hoheitsgebiet eines dritten Mitgliedstaats auf Antrag gewährt, dem alle notwendigen Schriftstücke beigefügt werden.

(4)   Die praktischen Modalitäten der zeitweiligen Überstellung der Person und der Tag, an dem sie in das Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats zurückzuüberstellen ist, werden zwischen den betreffenden Mitgliedstaaten vereinbart.

(5)   Die überstellte Person bleibt im Hoheitsgebiet des Anordnungsstaats und, soweit dies zutrifft, im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, durch den sie durchzubefördern ist, in Haft, es sei denn, der Vollstreckungsmitgliedstaat beantragt ihre Freilassung.

(6)   Die Haft im Hoheitsgebiet des Anordnungsmitgliedstaats wird auf die Dauer des Freiheitsentzugs, dem die betreffende Person im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsmitgliedstaats unterliegt oder unterliegen wird, angerechnet.

(7)   Die überstellte Person darf wegen Handlungen oder Verurteilungen aus der Zeit vor ihrer Abreise aus dem Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats, die nicht in der Europäischen Ermittlungsanordnung angegeben sind, weder verfolgt noch inhaftiert noch einer anderen Beschränkung ihrer persönlichen Freiheit unterworfen werden.

(8)   Die Immunität nach Absatz 7 endet, wenn die überstellte Person während 15 aufeinander folgender Tage ab dem Tag, an dem ihre Anwesenheit von den Justizbehörden nicht länger verlangt wird, die Möglichkeit gehabt hat, das Hoheitsgebiet zu verlassen, und trotzdem dort verbleibt oder wenn sie nach Verlassen des Gebiets dorthin zurückgekehrt ist.

(9)   Die Kosten für die Überstellung werden vom Anordnungsstaat getragen.

Artikel 20

Zeitweilige Überstellung von inhaftierten Personen an den Vollstreckungsstaat zum Zwecke von Ermittlungen

(1)   Eine Europäische Ermittlungsanordnung kann zum Zweck der zeitweiligen Überstellung einer im Anordnungsstaat inhaftierten Person zur Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme erlassen werden, bei der die Anwesenheit der Person im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats erforderlich ist.

(2)   Zusätzlich zu den Versagungsgründen nach Artikel 10 Absatz 1 kann die Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung auch versagt werden, wenn

a)

die Zustimmung der betreffenden Person zu ihrer Überstellung erforderlich ist und diese Zustimmung nicht erlangt wurde; oder

b)

die Anordnungs- und Vollstreckungsbehörden keine Einigung über die Modalitäten für die zeitweilige Überstellung erzielen können.

(3)   Ist die Zustimmung der betreffenden Person zu ihrer Überstellung erforderlich, so wird der Vollstreckungsbehörde unverzüglich eine Zustimmungserklärung oder eine Abschrift dieser Erklärung übermittelt.

(4)   Jeder Mitgliedstaat kann angeben, dass vor der Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung die Zustimmung nach Absatz 3 unter bestimmten, in der Mitteilung genannten Voraussetzungen erforderlich ist.

(5)   Artikel 19 Absätze 3 bis 8 gilt für die zeitweilige Überstellung nach dem vorliegenden Artikel entsprechend.

(6)   Die Kosten für die Überstellung werden vom Anordnungsstaat getragen. Sie umfassen nicht die Kosten der Inhaftierung der Person im Vollstreckungsstaat.

Artikel 21

Vernehmung per Videokonferenz

(1)   Befindet sich eine Person im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats und soll diese Person als Zeuge oder Sachverständiger von den Justizbehörden des Anordnungsstaats vernommen werden, so kann die Anordnungsbehörde, sofern ein persönliches Erscheinen der zu vernehmenden Person in ihrem Hoheitsgebiet nicht zweckmäßig oder möglich ist, eine Europäische Ermittlungsanordnung erlassen, um den Zeugen oder Sachverständigen per Videokonferenz nach Maßgabe der Absätze 2 bis 9 zu vernehmen.

(2)   Zusätzlich zu den Versagungsgründen nach Artikel 10 Absatz 1 kann die Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung auch versagt werden, wenn

a)

der Einsatz der Videokonferenz im Widerspruch zu den wesentlichen Rechtsgrundsätzen des Vollstreckungsstaats steht, oder

b)

der Vollstreckungsstaat nicht über die technischen Vorrichtungen für eine Videokonferenz verfügt.

(3)   Falls der Vollstreckungsstaat nicht über die technischen Vorrichtungen für eine Videokonferenz verfügt, so können ihm diese von dem Anordnungsstaat in gegenseitigem Einvernehmen zur Verfügung gestellt werden.

(4)   Artikel 10 Absatz 2 gilt sinngemäß für Fälle nach Absatz 2 Buchstabe b des vorliegenden Artikels.

(5)   Die Europäische Ermittlungsanordnung, die zum Zweck der Vernehmung per Videokonferenz erlassen wird, enthält eine Begründung dafür, dass ein persönliches Erscheinen des Zeugen oder Sachverständigen nicht zweckmäßig oder möglich ist, sowie ferner die Bezeichnung der Justizbehörde und die Namen der Personen, die die Vernehmung durchführen werden.

(6)   Für die Vernehmung per Videokonferenz gelten folgende Regeln:

a)

Bei der Vernehmung ist ein Vertreter der Justizbehörde des Vollstreckungsstaats, bei Bedarf unterstützt von einem Dolmetscher, anwesend, der auch die Identität der zu vernehmenden Person feststellt und auf die Einhaltung der Grundprinzipien der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats achtet. Werden nach Ansicht des Vertreters der Vollstreckungsbehörde bei der Vernehmung die Grundprinzipien der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats verletzt, so trifft er sofort die Maßnahmen, die erforderlich sind, damit bei der weiteren Vernehmung diese Prinzipien beachtet werden.

b)

zwischen den zuständigen Behörden des Anordnungs- und des Vollstreckungsstaats werden gegebenenfalls Maßnahmen zum Schutz der zu vernehmenden Person vereinbart;

c)

die Vernehmung wird unmittelbar von oder unter Leitung der Anordnungsbehörde nach deren nationalen Rechtsvorschriften durchgeführt.

d)

auf Wunsch des Anordnungsstaats oder der zu vernehmenden Person trägt der Vollstreckungsstaat dafür Sorge, dass die zu vernehmende Person bei Bedarf von einem Dolmetscher unterstützt wird;

e)

die zu vernehmende Person kann sich auf das Aussageverweigerungsrecht berufen, das ihr nach dem Recht des Vollstreckungs- oder des Anordnungsstaats zusteht.

(7)   Unbeschadet etwaiger zum Schutz von Personen vereinbarter Maßnahmen erstellt die Vollstreckungsbehörde nach der Vernehmung ein Protokoll, das Angaben zum Termin und zum Ort der Vernehmung, zur Identität der vernommenen Person, zur Identität und zur Funktion aller anderen im Vollstreckungsstaat an der Vernehmung teilnehmenden Personen, zu einer etwaigen Vereidigung und zu den technischen Bedingungen, unter denen die Vernehmung stattfand, enthält. Die Vollstreckungsbehörde übermittelt das Dokument der Anordnungsbehörde.

(8)   Die Kosten für die Herstellung der Videoverbindung, die Kosten für den Betrieb der Videoverbindung im Vollstreckungsstaat, die Vergütung der von diesem bereitgestellten Dolmetscher und die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen sowie deren Aufwendungen für die Reise in dem Vollstreckungsstaat werden dem Vollstreckungsstaat vom Anordnungsstaat erstattet, sofern ersterer nicht auf die Erstattung aller oder eines Teils dieser Kosten verzichtet.

(9)   Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass in Fällen, in denen Zeugen oder Sachverständige gemäß diesem Artikel in seinem Hoheitsgebiet vernommen werden und trotz Aussagepflicht die Aussage verweigern oder falsch aussagen, sein nationales Recht genauso gilt, als ob die Vernehmung in einem nationalen Verfahren erfolgen würde.

(10)   Eine Europäische Ermittlungsanordnung kann auch zum Zweck der Vernehmung eines Beschuldigten per Videokonferenz erlassen werden. Die Absätze 1 bis 9 gelten sinngemäß. Zusätzlich zu den Versagungsgründen nach Artikel 10 Absatz 1 kann die Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung auch versagt werden, wenn

a)

der Beschuldigte nicht zustimmt, oder

b)

die Durchführung dieser Maßnahme im Widerspruch zum Recht des Vollstreckungsstaats stünde.

Artikel 22

Vernehmung per Telefonkonferenz

(1)   Befindet sich eine Person im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats und soll diese Person als Zeuge oder Sachverständiger von den Justizbehörden eines anderen Mitgliedstaats vernommen werden, so kann die Anordnungsbehörde des letzteren Mitgliedstaats eine Europäische Ermittlungsanordnung erlassen, um den Zeugen oder Sachverständigen per Telefonkonferenz nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4 zu vernehmen.

(2)   Zusätzlich zu den Versagungsgründen nach Artikel 10 Absatz 1 kann die Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung auch versagt werden, wenn

a)

der Einsatz der Telefonkonferenz im Widerspruch zu den wesentlichen Rechtsgrundsätzen des Vollstreckungsstaats steht;

b)

der Zeuge oder Sachverständige nicht damit einverstanden ist, dass die Vernehmung mit dieser Methode erfolgt.

(3)   Die Europäische Ermittlungsanordnung, die zum Zweck der Vernehmung per Telefonkonferenz erlassen wird, enthält die Bezeichnung der Justizbehörde und die Namen der Personen, die die Vernehmung durchführen werden, sowie eine Angabe, dass der Zeuge oder Sachverständige mit einer Vernehmung per Telefonkonferenz einverstanden ist.

(4)   Die praktischen Modalitäten der Vernehmung werden zwischen der Anordnungs- und der Vollstreckungsbehörde vereinbart. Bei der Vereinbarung dieser Modalitäten verpflichtet sich die Vollstreckungsbehörde,

a)

den jeweiligen Zeugen oder Sachverständigen vom Zeitpunkt und Ort der Vernehmung zu unterrichten,

b)

die Identifizierung des Zeugen oder Sachverständigen zu gewährleisten,

c)

zu überprüfen, ob der Zeuge oder Sachverständige der Vernehmung per Telefonkonferenz zustimmt.

Der Vollstreckungsstaat kann seine Bewilligung ganz oder teilweise von den einschlägigen Bestimmungen des Artikels 21 Absätze 6 und 9 abhängig machen. Sofern nichts anderes vereinbart wird, gilt Artikel 21 Absatz 8 sinngemäß.

Artikel 23

Informationen über Bankkonten

(1)   Eine Europäische Ermittlungsanordnung kann erlassen werden, um festzustellen, ob eine natürliche oder juristische Person, gegen die strafrechtliche Ermittlungen laufen, eines oder mehrere Bankkonten gleich welcher Art bei einer im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats niedergelassenen Bank unterhält oder kontrolliert.

(2)   Jeder Mitgliedstaat trifft nach Maßgabe dieses Artikels die Maßnahmen, die erforderlich sind, damit er die Informationen nach Absatz 1 zur Verfügung stellen kann.

(3)   Die Informationen erstrecken sich ferner – falls in der Europäische Ermittlungsanordnung darum ersucht wurde und soweit die Informationen innerhalb einer angemessenen Frist geliefert werden können – auf Konten, für die die Person, gegen die ein Verfahren läuft, eine Vollmacht besitzt.

(4)   Die Verpflichtung nach diesem Artikel gilt nur insoweit, als die kontoführende Bank über die diesbezüglichen Informationen verfügt.

(5)   Zusätzlich zu den Versagungsgründen nach Artikel 10 Absatz 1 kann die Vollstreckung einer Europäische Ermittlungsanordnung gemäß Absatz 1 des vorliegenden Artikels auch versagt werden, wenn es sich bei der betreffenden Straftat nicht um Folgendes handelt:

a)

eine Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe oder einer die Freiheit beschränkenden Maßregel der Sicherung und Besserung im Höchstmaß von mindestens vier Jahren im Anordnungsstaat und von mindestens zwei Jahren im Vollstreckungsstaat bedroht ist,

b)

eine Straftat, die in Artikel 4 des Beschluss des Rates vom 6. April 2009 zur Errichtung des Europäischen Polizeiamts (Europol) (6) (im Folgenden „Europol-Beschluss“) aufgeführt ist, oder

c)

soweit sie nicht unter den Europol-Beschluss fällt, eine Straftat, die in dem Übereinkommen von 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (7) oder in dem dazugehörigen Protokoll von 1996 (8) oder in dem dazugehörigen Zweiten Protokoll von 1997 (9) aufgeführt ist.

(6)   Die Anordnungsbehörde gibt in der Europäischen Ermittlungsanordnung an,weshalb die erbetenen Auskünfte für die Aufklärung der Straftat wahrscheinlich von wesentlichem Wert sind und weshalb sie annimmt, dass die Konten von Banken in dem Vollstreckungsstaat geführt werden, und – soweit dies möglich ist – welche Banken möglicherweise betroffen sind. Sie teilt in der Europäischen Ermittlungsanordnung die verfügbaren Informationen mit, die die Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung erleichtern können.

Artikel 24

Informationen über Bankgeschäfte

(1)   Eine Europäische Ermittlungsanordnung kann erlassen werden, um Angaben über bestimmte Bankkonten und über Bankgeschäfte zu erlangen, die während eines bestimmten Zeitraums im Zusammenhang mit einem oder mehreren in der Europäischen Ermittlungsanordnung angegebenen Bankkonten getätigt wurden, einschließlich der Angaben über sämtliche Überweisungs- und Empfängerkonten.

(2)   Jeder Mitgliedstaat trifft nach Maßgabe dieses Artikels die Maßnahmen, die erforderlich sind, damit er die Informationen nach Absatz 1 zur Verfügung stellen kann.

(3)   Die Verpflichtung nach diesem Artikel gilt nur insoweit, als die kontoführende Bank über die diesbezüglichen Informationen verfügt.

(4)   Der Anordnungsstaat gibt in der Europäischen Ermittlungsanordnung an, warum er die erbetenen Auskünfte für die Aufklärung der Straftat für wichtig hält.

Artikel 25

Überwachung von Bankgeschäften

(1)   Eine Europäische Ermittlungsanordnung kann erlassen werden, um Bankgeschäfte, die während eines bestimmten Zeitraums im Zusammenhang mit einem oder mehreren in der Europäischen Ermittlungsanordnung angegebenen Bankkonten getätigt werden, zu überwachen.

(2)   Jeder Mitgliedstaat trifft nach Maßgabe dieses Artikels die Maßnahmen, die erforderlich sind, damit er die Informationen nach Absatz 1 zur Verfügung stellen kann.

(3)   Der Anordnungsstaat gibt in der Europäischen Ermittlungsanordnung an, warum er die erbetenen Auskünfte für die Aufklärung der Straftat für wichtig hält.

(4)   Die praktischen Einzelheiten in Bezug auf die Überwachung werden zwischen den zuständigen Behörden des Anordnungs- und des Vollstreckungsstaats vereinbart.

Artikel 26

Kontrollierte Lieferungen

(1)   Eine Europäische Ermittlungsanordnung kann erlassen werden, um eine kontrollierte Lieferung im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats durchzuführen.

(2)   Die Befugnis zum Einschreiten und zur Leitung und Kontrolle der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung gemäß Absatz 1 liegt bei den zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaats.

Artikel 27

Ermittlungsmaßnahmen zur Erhebung von Beweismitteln in Echtzeit, fortlaufend oder über einen bestimmten Zeitraum

(1)   Wird eine Europäische Ermittlungsanordnung zum Zweck der Durchführung einer Maßnahme, auch einer Maßnahme nach Artikel 25 und 26, erlassen, die die Erhebung von Beweismitteln in Echtzeit, fortlaufend oder über einen bestimmten Zeitraum beinhaltet, so kann ihre Vollstreckung zusätzlich zu den in Artikel 10 Absatz 1 genannten Versagungsgründen versagt werden, wenn die Durchführung der betreffenden Maßnahme in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht genehmigt würde.

(2)   Artikel 10 Absatz 2 gilt für Fälle gemäß Absatz 1 entsprechend.

(3)   Die Vollstreckungsbehörde kann die Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung nach Absatz 1 davon abhängig machen, dass eine Vereinbarung über die Aufteilung der Kosten getroffen wird.

KAPITEL V

SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 28

Mitteilungen

(1)   Jeder Mitgliedstaat teilt der Kommission bis zum (10) … Folgendes mit:

a)

die Behörde oder die Behörden, die gemäß seiner internen Rechtsordnung gemäß Artikel 2 Buchstaben a und b zuständig ist bzw. sind, wenn dieser Mitgliedstaat Anordnungsstaat oder Vollstreckungsstaat ist;

b)

die Sprachen, die nach Artikel 5 Absatz 2 für die EEA zugelassen sind;

c)

die Angaben zu der/den bezeichneten zentralen Behörde(n), wenn der Mitgliedstaat die Möglichkeit nach Artikel 6 Absatz 2 in Anspruch nehmen möchte. Diese Angaben sind für die Behörden des Anordnungsstaats verbindlich;

d)

das Erfordernis der Zustimmung der betreffenden Person zu ihrer Überstellung, wenn der Mitgliedstaat die Möglichkeit nach Artikel 20 Absatz 4 Gebrauch machen möchte.

(2)   Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission über spätere Änderungen der Angaben gemäß Absatz 1.

(3)   Die Kommission macht die in Anwendung dieses Artikels erhaltenen Angaben allen Mitgliedstaaten und dem Europäischen Justiziellen Netz (EJN) zugänglich. Das Europäische Justizielle Netz macht die Angaben auf der Website nach Artikel 9 des Beschlusses 2008/976/JI des Rates vom 16. Dezember 2008 über das Europäische Justizielle Netz (11) zugänglich.

Artikel 29

Verhältnis zu anderen Übereinkünften und Vereinbarungen

(1)   Diese Richtlinie ersetzt ab dem … (10) die entsprechenden Bestimmungen der folgenden in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten, die durch diese Richtlinie gebunden sind, geltenden Übereinkommen, unbeschadet von deren Anwendbarkeit in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und Drittstaaten und deren vorübergehender Anwendbarkeit nach Artikel 30:

das Europäische Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen sowie die zugehörigen beiden Zusatzprotokolle vom 17. März 1978 und vom 8. November 2001 und die nach Artikel 26 dieses Übereinkommens geschlossenen zweiseitigen Vereinbarungen;

das Übereinkommen vom 19. Juni 1990 zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985;

das Übereinkommen vom 29. Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der EU und das zugehörige Protokoll vom 16. Oktober 2001.

(2)   Der Rahmenbeschluss 2008/978/JI wird aufgehoben. Diese Richtlinie gilt zwischen den Mitgliedstaaten für die Sicherstellung von Beweismitteln anstelle der entsprechenden Bestimmungen in dem Rahmenbeschluss 2003/577/JI.

(3)   Es steht den Mitgliedstaaten frei, die nach dem … (10) geltenden bilateralen oder multilateralen Übereinkünfte oder Vereinbarungen auch weiterhin anzuwenden, sofern diese die Möglichkeit bieten, über die Ziele dieser Richtlinie hinauszugehen, und zu einer weiteren Vereinfachung oder Erleichterung der Beweiserhebungsverfahren beitragen.

(4)   Es steht den Mitgliedstaaten frei, nach dem … (12) bilaterale oder multilaterale Übereinkünfte oder Vereinbarungen zu schließen, sofern diese die Möglichkeit bieten, die Vorschriften dieser Richtlinie weiter zu vertiefen oder über sie hinauszugehen, und zu einer weiteren Vereinfachung oder Erleichterung der Beweiserhebungsverfahren beitragen.

(5)   Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission bis zum … (13) über bestehende Übereinkünfte oder Vereinbarungen im Sinne des Absatzes 3, die sie weiterhin anwenden wollen. Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission ferner über alle neuen Übereinkünfte oder Vereinbarungen im Sinne des Absatzes 4 binnen drei Monaten nach deren Unterzeichnung.

(6)   Ist die Kommission der Ansicht, dass eine bilaterale oder multilaterale Übereinkunft oder Vereinbarung, über die sie unterrichtet wurde, die Bedingungen der Absätze 3 und 4 nicht erfüllt, so fordert sie den betreffenden Mitgliedstaat auf, die betreffende Übereinkunft oder Vereinbarung zu beenden, zu ändern oder nicht zu schließen.

Artikel 30

Übergangsregelungen

(1)   Für vor dem … (14) eingegangene Rechtshilfeersuchen gelten weiterhin die bestehenden Rechtsinstrumente zur Rechtshilfe in Strafsachen. Für Entscheidungen über die Sicherstellung von Beweismitteln gemäß dem Rahmenbeschluss 2003/577/JI, die vor dem … (14) entgegengenommen wurden, gilt ferner das letztere.

(2)   Artikel 7 Absatz 1 gilt sinngemäß für die Europäische Ermittlungsanordnung aufgrund einer Sicherstellungsentscheidung, die gemäß dem Rahmenbeschluss 2003/577/JI erlassen wurde.

Artikel 31

Umsetzung

(1)   Die Mitgliedstaaten treffen die Maßnahmen, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie bis zum … (14) nachzukommen.

(2)   Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.

(3)   Die Mitgliedstaaten teilen dem Generalsekretariat des Rates und der Kommission bis zum … (14) den Wortlaut der Bestimmungen mit, mit denen sie die sich aus dieser Richtlinie ergebenden Verpflichtungen in ihr nationales Recht umgesetzt haben.

(4)   Die Kommission übermittelt dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum … (15) einen Bericht, in dem sie überprüft, inwieweit die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen getroffen haben, um dieser Richtlinie nachzukommen, und unterbreitet gegebenenfalls Gesetzgebungsvorschläge.

Artikel 32

Bericht über die Anwendung

Die Kommission legt spätestens fünf Jahre nach dem Tag des Inkrafttretens dieser Richtlinie dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie vor, der sich auf qualitative und quantitative Angaben stützt. Dem Bericht werden gegebenenfalls Vorschläge zur Änderung dieser Richtlinie beigefügt.

Artikel 33

Inkrafttreten

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Artikel 34

Adressaten

Diese Richtlinie ist gemäß den Verträgen an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Geschehen zu …

Im Namen des Europäischen Parlaments

Der Präsident

Im Namen des Rates

Der Präsident


(1)  ABl. L 196 vom 2.8.2003, S. 45.

(2)  ABl. L 350 vom 30.12.2008, S. 72.

(3)  ABl. L 239 vom 22.9.2000, S. 19.

(4)  ABl. C 197 vom 12.7.2000, S. 3.

(5)  ABl. L 162 vom 20.6.2002, S. 1.

(6)  ABl. L 121 vom 15.5.2009, S. 37.

(7)  ABl. C 316 vom 27.11.1995, S. 49.

(8)  ABl. C 313 vom 23.10.1996, S. 2.

(9)  ABl. C 221 vom 19.7.1997, S. 12.

(10)  Zwei Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie.

(11)  ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 130.

(12)  Bitte das Datum des Inkrafttretens dieser Richtlinie einfügen.

(13)  Drei Monate nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie.

(14)  Zwei Jahre nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie.

(15)  Drei Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie.


ANHANG A

EUROPÄISCHE ERMITTLUNGSANORDNUNG (EEA)

Diese europäische Ermittlungsanordnung wurde von einer zuständigen Justizbehörde erlassen. Ich ersuche um Durchführung der nachstehend angegebene(n) Ermittlungsmaßnahme(n) und um Übermittlung der aufgrund der Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung erlangten Beweismittel.

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ANHANG B

EMPFANGSBESTÄTIGUNG FÜR DIE EUROPÄISCHE ERMITTLUNGSANORDNUNG

Dieses Formblatt ist von der Behörde des Vollstreckungsstaats auszufüllen, die die nachstehend bezeichnete Europäische Ermittlungsanordnung entgegengenommen hat.

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