Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52010DC0380

    MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN zur Freiheit der Mitgliedstaaten, über den Anbau von genetisch veränderten Kulturen zu entscheiden

    /* KOM/2010/0380 endg.*/

    52010DC0380

    MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN zur Freiheit der Mitgliedstaaten, über den Anbau von genetisch veränderten Kulturen zu entscheiden /* KOM/2010/0380 endg.*/


    [pic] | EUROPÄISCHE KOMMISSION |

    Brüssel, den 13.7.2010

    KOM(2010) 380 endgültig

    MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

    zur Freiheit der Mitgliedstaaten, über den Anbauvon genetisch veränderten Kulturen zu entscheiden

    {KOM(2010) 375 endgültig}

    MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

    zur Freiheit der Mitgliedstaaten, über den Anbauvon genetisch veränderten Kulturen zu entscheiden

    1. Einleitung

    Die Europäische Union (EU) hat einen umfassenden Rechtsrahmen für die Zulassung von Produkten verabschiedet, die genetisch veränderte Organismen (GVO) enthalten oder aus diesen hergestellt wurden. Das Zulassungsverfahren umfasst die Verwendung von GVO und der daraus erzeugten Produkte für Lebensmittel und Futtermittel sowie für Verarbeitung und Anbau.

    Durch das EU-Zulassungsverfahren soll die Sicherheit zugelassener GVO gewährleistet und ein Binnenmarkt für diese Produkte geschaffen werden. Zwei Rechtsakte, insbesondere die Richtlinie 2001/18/EG (EG) über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt[1] und die Verordnung Nr. 1829/2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel[2], sehen für GVO eine Vorabzulassung vor dem Inverkehrbringen vor. Beide Vorschriften enthalten wissenschaftlich fundierte Normen in Bezug auf die menschliche Gesundheit, die Tiergesundheit und die umweltbezogene Risikobewertung. Außerdem enthält die Verordnung (EG) Nr. 1830/2003[3] Bestimmungen über die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von genetisch veränderten Organismen und über die Rückverfolgbarkeit von aus genetisch veränderten Organismen hergestellten Lebensmitteln und Futtermitteln.

    Die Zuständigkeit für die wissenschaftliche Bewertung wurde der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und den wissenschaftlichen Behörden der Mitgliedstaaten übertragen. Die Mitgliedstaaten spielen eine besonders wichtige Rolle bei der Zulassung von GVO für den Anbau, denn hierbei führen sie die Risikoerstbewertung unter umwelttechnischen Gesichtspunkten durch.

    Seit der Annahme vor sechs Jahren haben sieben Mitgliedstaaten den Anbau auf ihrem Hoheitsgebiet durch Schutzmaßnahmen für einzelne zugelassene GVO[4] oder durch allgemeine Verbote für genetisch verändertes Saatgut[5] verboten oder eingeschränkt. Bei vier unterschiedlichen Anlässen[6] hat der Rat alle Vorschläge der Kommission zur Aufhebung nationaler Sicherheitsmaßnahmen in Bezug auf den Anbau von GVO mit qualifizierter Mehrheit zurückgewiesen, obwohl die EU in allen diesen Fällen in ihren wissenschaftlichen Bewertungen zu dem Schluss gekommen war, dass diese Maßnahmen verglichen mit dem Zeitpunkt der Zulassungen nicht auf neuen oder zusätzlichen wissenschaftlichen Informationen beruhen und somit rechtlich nicht gerechtfertigt waren.

    In seinen Schlussfolgerungen vom Dezember 2008 hat der Rat den Rechtsrahmen für GVO als umfassend bezeichnet und darauf hingewiesen, dass die bestehenden Rechtsvorschriften insbesondere in Bezug auf den Anbau besser umgesetzt werden müssen; gleichzeitig hat er hervorgehoben, dass die Anträge weiterhin ohne unnötige Verzögerungen zu bearbeiten sind. In seinen Schlussfolgerungen hat der Rat ferner spezielle Bereiche ausgemacht, in denen die Umsetzung der GVO-Vorschriften verbessert werden muss; mit entsprechenden Arbeiten sind die Kommission und die EFSA in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten derzeit beschäftigt.

    Die Kommission und die EFSA arbeiten gemeinsam mit den Mitgliedstaaten derzeit insbesondere an der Verbesserung der Umsetzung der GVO-Rechtsvorschriften in den Bereichen, die der Rat der Umweltminister in seinen Schlussfolgerungen 2008 aufgezeigt hat. Die laufende Überarbeitung der EFSA-Leitlinien für die Bewertung des Umweltrisikos bezieht sich auf die spezifischen vom Rat angemahnten Bereiche. Die EFSA wird die Leitlinien voraussichtlich im vierten Quartal 2010 abschließen. Die Kommission wird diese überarbeiteten Leitlinien dann mit den Mitgliedstaaten erörterten, um ihnen mit der Unterstützung der Mitgliedstaaten normativen Wert zu verleihen.

    Außerdem untersucht die Kommission, wie die Umweltüberwachung nach Inverkehrbringen der GVO-Kulturen in Übereinstimmung mit den geltenden Rechtsvorschriften und den Schlussfolgerungen des Rates der Umweltminister von 2008 verstärkt werden kann.

    Im Dezember 2008 forderte der Rat die Kommission zudem auf, einen Bericht über die sozio-ökonomischen Auswirkungen von GVO vorzulegen. Dieser Bericht sollte auf den Informationen der Mitgliedstaaten basieren, die große Anstrengungen unternommen haben, um Daten über die sozio-ökonomischen Auswirkungen von GVO und insbesondere ihres Anbaus zusammenzustellen. Die Kommission wird ihren Bericht bis Ende 2010 abschließen. Der Bericht wird anschließend im Europäischen Parlament und dem Rat zur Kenntnisnahme und weiteren Erörterung übermittelt.

    Als Teil einer umfassenden, regelmäßig vorgenommenen Überprüfung der EU-Rechtsvorschriften hat die Kommission zwei Bewertungen in Auftrag gegeben, um den EU-Rechtsrahmen in Bezug auf GVO zu prüfen: eine Überprüfung bezieht sich auf genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel, die andere auf den Anbau von GVO. Die Überprüfungen beziehen sich auf die wichtigsten Aspekte der geltenden Regelung. Die beiden Bewertungen werden im letzten Quartal 2010 abgeschlossen sein; bis Mitte 2012 sollen dann mögliche Änderungen in der einschlägigen Politik analysiert werden.

    In den Schlussfolgerungen von 2008 wurden ferner ausführlich regionale Aspekte des Anbaus von GVO erörtert, und zwar sowohl im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Risikobewertung als auch in Bezug auf bestimmte sozio-ökonomische Auswirkungen. Einige Mitgliedstaaten haben die Kommission seitdem aufgefordert, Vorschläge zu erarbeiten, damit die Mitgliedstaaten die Freiheit erhalten, selbst über den Anbau von GVO zu entscheiden.

    Vor diesem Hintergrund hat Präsident Barroso im September 2009 in den politischen Leitlinien für die neue Kommission, die von der Kommission im März 2010 bestätigt wurden, dargelegt, dass es möglich sein sollte, ein auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhendes gemeinschaftliches Zulassungssystem mit der Freiheit der Mitgliedstaaten zu verbinden, selbst zu entscheiden, ob sie genetisch veränderte Kulturen auf ihrem Hoheitsgebiet anbauen wollen oder nicht.

    Mit dieser Mitteilung soll dargelegt werden, wie die Freiheit der Mitgliedstaaten durch einen Ansatz gewährleistet werden kann, der eine Überprüfung der bestehenden Empfehlung zur Koexistenz und die darin enthaltene Anerkennung des Bedürfnisses der Mitgliedstaaten nach einem größeren Gestaltungsspielraum mit einer Änderung des bestehenden Rechtsrahmens verbindet.

    2. ein flexiblerer Ansatz im Rahmen der bestehenden Rechtsvorschriften

    2.1. Der weitere Weg: Ausweitung des Gestaltungsspielraums der Mitgliedsstaaten in Bezug auf den Anbau von GVO

    Gemäß Artikel 26a der Richtlinie 2001/18/EG können die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen ergreifen, um das unbeabsichtigte Vorhandensein von GVO in anderen Produkten zu vermeiden. Angesichts der Vielfalt der nationalen, regionalen und lokalen Bedingungen, unter denen die Landwirte in der Europäischen Union arbeiten, hat die Kommission stets die Ansicht vertreten, dass die Maßnahmen zur Vermeidung des beabsichtigten Vorkommens von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen von den einzelnen Mitgliedstaaten entwickelt und durchgeführt werden sollten.

    Um die Mitgliedstaaten bei der Ausarbeitung nationaler Konzepte zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorkommens von GVO zu unterstützen, veröffentlichte die Kommission 2003 die Empfehlung 2003/556/EG mit Leitlinien für die Erarbeitung einzelstaatlicher Strategien und geeigneter Verfahren für die Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen[7]. Ziel dieser einzelstaatlichen Maßnahmen ist es, mögliche wirtschaftliche Auswirkungen der Vermischung von genetisch veränderten und nicht genetisch veränderten Kulturen (konventionell und ökologisch) zu vermeiden.

    Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass das auf der Grundlage der Empfehlung 2003/556/EG angewandte Konzept den Ermessensspielraum von Artikel 26a der Richtlinie 2001/18/EG insbesondere im Hinblick auf die Berechtigung der Mitgliedstaaten nicht ausschöpft, Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in anderen Produkten zu ergreifen. Hierfür sprechen die Entwicklungen, die in Bezug auf den Anbau von GVO in die Mitgliedstaaten beobachtet wurden. Derzeit haben einige Mitgliedstaaten einzelstaatliche Koexistenz-Maßnahmen verabschiedet, mit denen das Vorkommen von GVO in anderen Kulturen unterhalb des Schwellenwerts von 0,9 % gehalten werden soll. Andere Mitgliedstaaten haben unterschiedliche Auflagen für den Sicherheitsabstand im ökologischen Landbau eingeführt. Konkret macht die Erfahrung im Zusammenhang mit der Umsetzung der Empfehlung von 2003 deutlich, dass für ökologische und (manchmal) konventionelle Erzeuger die Gefahr von Einkommenseinbußen nicht nur dann besteht, wenn der Schwellenwert von 0,9 % überschritten wird.

    Da einige Formen der landwirtschaftlichen Erzeugung wie beispielsweise der ökologische Landbau[8] häufig teurer sind, kann die Möglichkeit, dass der entsprechende Preisaufschlag aufgrund des Vorhandenseins von GVO wegfällt, im Zusammenhang mit diesen Anbauformen große wirtschaftliche Schäden verursachen. Diese Form des Anbaus kann daher striktere Trennungsanstrengungen erforderlich machen. Außerdem kann es aufgrund örtlicher Zwänge und Gegebenheiten sehr schwierig und kostenintensiv sein, diese besonderen Trennungserfordernisse in bestimmten Gebieten wirkungsvoll zu erfüllen.

    Je nach Marktnachfrage und den jeweiligen Bestimmungen der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften (zum Beispiel haben einige Mitgliedstaaten nationale Standards für unterschiedliche Arten der Kennzeichnung „gentechnikfreier“ Produkte entwickelt) kann das Vorhandensein von Spuren genetisch veränderter Organismen in bestimmten Lebensmittelerzeugnissen – selbst bei einem Wert nahe 0,9 % – außerdem wirtschaftliche Einbußen für die Marktteilnehmer bedeuten, die sie als GVO-freie Erzeugnisse vermarkten möchten.

    Aus den vorstehenden Ausführungen wird deutlich, dass es angebracht ist, die Empfehlung von 2003 über Koexistenz zu überprüfen und sie durch eine neue Empfehlung zu ersetzen, die den bisher mit einzelstaatlichen GVO-Maßnahmen gemachten Erfahrungen Rechnung trägt und einen größeren Ermessensspielraum lässt.

    Die neue Empfehlung bietet den Mitgliedstaaten ferner die Möglichkeit, den Anbau von GVO in weiten Bereichen ihres Hoheitsgebiets einzuschränken, um das unbeabsichtigte Vorhandensein von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturen zu vermeiden („GVO-freie Zonen“). Diese Möglichkeit sollte weiterhin dem Nachweis durch die Mitgliedstaaten unterliegen, dass in den betroffenen Gebieten andere Maßnahmen nicht ausreichen, um das unbeabsichtigte Vorhandensein von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen zu vermeiden. Die einschränkenden Maßnahmen müssen zudem im Verhältnis zu dem angestrebten Ziel stehen, nämlich die besonderen Bedürfnisse des konventionellen oder ökologischen Anbaus zu schützen.

    Daher beschränkt sich die neue Empfehlung mit Leitlinien zur Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen (im Anhang) inhaltlich auf die wichtigsten allgemeinen Grundsätze für die Entwicklung von Maßnahmen zur Vermeidung der Beimischung von GVO und erkennt an, dass die Mitgliedstaaten genügend Flexibilität brauchen, um ihren regionalen und nationalen Besonderheiten und den spezifischen örtlichen Bedürfnissen der ökologischen, konventionellen und sonstigen Kulturen Rechnung zu tragen. Diese Empfehlung wird von der Kommission gemeinsam mit dieser Mitteilung angenommen. Die Kommission wird weiterhin gemeinsam mit den Mitgliedstaaten (durch das Europäische Büro für Koexistenz) geeignete Verfahren der Koexistenz entwickeln.

    2.2. Weitere Elemente im Zusammenhang mit dem EU-Rechtsrahmen für die Zulassung von GVO

    Es sollte auch darauf hingewiesen werden, dass der bestehende Rechtsrahmen für GVO ein eindeutiges unionsweites Zulassungssystem umfasst, das auf einer Bewertung des Umweltrisikos beruht. Grundsätzlich ist es möglich, bei dieser Bewertung des Umweltrisikos auf der Grundlage wissenschaftlicher Argumente zwischen einzelnen Regionen zu unterscheiden[9]. Sollte sich bei der Bewertung des Umweltrisikos herausstellen, dass der Anbau von GVO in einer bestimmten Region Bedenken hervorruft, so muss die EU-Zulassung spezifische Bedingungen oder Risikomanagementmaßnahmen enthalten, die auf diese Bedenken eingehen. Diese Maßnahmen können Einschränkungen oder Verbote umfassen, sofern diese wissenschaftlich gerechtfertigt sind.

    Die Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 räumt der Kommission zudem die Möglichkeit ein, neben den wissenschaftlichen auch andere legitime Faktoren im Zusammenhang mit dem Verfahren zur Zulassung der GVO zu berücksichtigen und ihre Vermarktung einzuschränken oder zu verbieten. Diese Einschränkungen müssen jedoch für alle GVO einzeln begründet werden und können nur zum Zeitpunkt der Annahme des Beschlusses zur Zulassung des betreffenden GVO berücksichtigt werden. Zudem ist diese Möglichkeit in der Richtlinie 2001/18/EG nicht vorgesehen und würde somit nicht für die aufgrund dieser Richtlinie zugelassenen GVO gelten.

    Somit wurde deutlich, dass der bestehende Rechtsrahmen, in dem wissenschaftliche Argumente oder andere legitime Faktoren herangezogen werden können, um Einschränkungen oder Verbote des GVO-Anbaus zu rechtfertigen, den Mitgliedstaaten nicht die Freiheit einräumen, die sie brauchen, um zu entscheiden, ob sie ausgehend von ihren spezifischen Voraussetzungen den Anbau von GVO in ihrem Hoheitsgebiet zulassen möchten oder nicht.

    3. Änderung der Rechtsvorschriften zur Einführung einer „Opt-out-Klausel“

    Eine Reihe von Mitgliedstaaten möchte die Möglichkeit haben, sich nicht am Anbau von GVO zu beteiligen. Bisher haben mehrere dieser Mitgliedstaaten den Anbau von GVO auf der Grundlage der Schutzklausel in Artikel 23 der Richtlinie 2010/80/EG oder der Notfallmaßnahmen gemäß Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 1829/23 untersagt, die ausschließlich zur Bekämpfung neuer, nach der Zulassung auftretender Risiken vorgesehen waren. Folglich wurden diese Maßnahmen von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) nicht als wissenschaftlich begründete Maßnahmen betrachtet. In ähnlicher Weise hat sich eine Reihe von Regionen selbst als „GVO-frei“ bezeichnet.

    Es gibt offensichtlich unterschiedliche Gründe dafür, dass ein Land GVO verbietet oder eine Region sich als „GVO-frei“ bezeichnet. Die Gründe reichen von agronomischen Rechtfertigungen im Zusammenhang mit den Schwierigkeiten zur Gewährleistung der Koexistenz bis zu politischen oder wirtschaftlichen Motiven, etwa wenn man dem Wunsch nach GVO-freien Märkten nachkommen will. In anderen Fällen möchten die Mitgliedstaaten bestimmte Bereiche entsprechend den nationalen Vorgaben über die Biodiversität oder andere umfassende Ziele zum Erhalt der Natur aussparen.

    Die Niederlande haben den im Rat vereinigten Ministern für Landwirtschaft und Umwelt am 23. März 2009 eine Erklärung[10] unterbreitet, in der sie die Kommission aufforderten, eine Lösung für den Anbau vorzulegen und dabei die sozio-ökonomische Dimension des GVO-Anbaus zu berücksichtigen und den Binnenmarkt für genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittelerzeugnisse aufrechtzuerhalten. Mit Unterstützung weiterer zwölf Mitgliedstaaten[11] hat Österreich dem Umweltgipfel am 25. Juni 2009 ein Arbeitspapier[12] vorgestellt, in dem der Subsidiaritätsgedanke in Verbindung mit dem Anbau hervorgehoben und vorgeschlagen wird, in Bezug auf den Anbau eine Opt-out-Klausel in die Rechtsvorschriften aufzunehmen.

    In diesem Zusammenhang scheint es angemessen, die EU-Rechtsvorschriften zu ändern, damit der EU-Rechtsrahmen für GVO explizit eine Rechtsgrundlage einschließt, die es den Mitgliedstaaten gestattet, in Teilen oder auf der Gesamtfläche ihres jeweiligen Hoheitsgebiets den Anbau aller oder einzelner zugelassener GVO auf der Grundlage ihrer spezifischen Bedingungen einzuschränken oder zu verbieten. Diese Änderung kann durch die Aufnahme eines neuen Artikels 26b in die Richtlinie 2001/18/EG erfolgen und würde für alle GVO gelten, die im Rahmen der Richtlinie 2001/18/EG oder im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 zum Anbau in der EU zugelassen sind.

    Gemäß den Rechtsvorschriften für die Zulassung von GVO kann das in der EU gewählte Schutzniveau in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier und die Umwelt nicht durch einen Mitgliedstaat verändert werden, und daran darf auch nicht gerüttelt werden. Auf der neuen Rechtsgrundlage können die Mitgliedstaaten jedoch Maßnahmen beschließen, die den Anbau aller oder bestimmter GVO in ihrem gesamten Hoheitsgebiet oder Teilen davon einschränken oder verbieten und dabei Gründe heranziehen, die noch nicht durch den harmonisierten Bestand der EU-Bestimmungen erfasst sind, die bereits die Notwendigkeit vorsehen, die Gefahren zu berücksichtigen, die ein für den Anbau bestimmter GVO möglicherweise für die Gesundheit und die Umwelt in sich birgt.

    Diese einzelstaatlichen Maßnahmen müssen darüber hinaus mit den Verträgen und insbesondere mit dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung zwischen in- und ausländischen Erzeugnissen sowie mit den Artikeln 34 und 36 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union in Bezug auf den freien Verkehr von Waren übereinstimmen. Die Maßnahmen sollten sich ausschließlich auf den Anbau von GVO und nicht auf den freien Verkehr und die Einfuhr von genetisch verändertem Saatgut und Pflanzenvermehrungsmaterial und ihren Ernteerträgen beziehen. Diese Maßnahmen müssen auch mit den internationalen Verpflichtungen, die die EU insbesondere gegenüber der Welthandelsorganisation eingegangen ist, in Einklang stehen. Im Sinne größerer Transparenz müssen die Mitgliedstaaten, die einschlägige Maßnahmen einzuführen beabsichtigen, diese gemeinsam mit ihrer Begründung der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten einen Monat vor ihrer Annahme mitteilen.

    Die Mitgliedstaaten wären zudem frei, diese Maßnahmen so zu ändern, wie es ihnen in allen Phasen der Zulassung oder der erneuten Zulassung des betreffenden GVO angemessen erscheint.

    Zusammenfassend wird das System der EU-Zulassung für GVO durch diese neue Rechtsgrundlage nicht geändert, sondern es erlaubt den Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu erlassen, die für GVO gelten, die im Rahmen der bestehenden Rechtsvorschriften zugelassen worden sind. Damit haben die Mitgliedstaaten eine weitere Möglichkeit, Maßnahmen im Zusammenhang mit zugelassenen GVO zusätzlich zu den Maßnahmen zu ergreifen, die sie bereits gemäß Artikel 26a der Richtlinie 2001/18/EG erlassen können, um das unbeabsichtigte Vorkommen von GVO in den anderen Kulturen zu vermeiden.

    Auf der Grundlage der vorgenannten Grundsätze hat die Kommission daher beschlossen, dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Legislativvorschlag zu unterbreiten, der die Form einer Verordnung zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG in Bezug auf die Möglichkeit der Mitgliedstaaten annimmt, den Anbau von GVO in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet einzuschränken oder zu verbieten.

    4. Schlussfolgerungen

    Die Kommission ist der Ansicht, dass dieses neue Konzept notwendig ist, um das richtige Gleichgewicht zwischen der Beibehaltung des EU-Systems für Zulassungen, die auf der wissenschaftlichen Bewertung der Gesundheits- und Umweltrisiken beruhen, und der Notwendigkeit zu erzielen, den Mitgliedstaaten die Freiheit einzuräumen, sich mit den spezifischen nationalen, regionalen oder lokalen Fragen im Zusammenhang mit dem Anbau von GVO auseinanderzusetzen.

    Als erster Schritt auf diesem Weg wird eine Überprüfung der derzeitigen Empfehlung zur Koexistenz (2003/556/EG) die Möglichkeiten besser widerspiegeln, die die Mitgliedstaaten haben, um in Übereinstimmung mit den bestehenden Rechtsvorschriften Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen zu ergreifen.

    In einem zweiten Schritt wird die Annahme des Legislativvorschlags durch das Europäische Parlament und den Rat den Mitgliedstaaten die Möglichkeit geben, unter bestimmten Bedingungen den Anbau eines oder bestimmter GVO in ihrem gesamten Hoheitsgebiet oder in Teilen davon einzuschränken oder zu verbieten und damit den spezifischen nationalen oder lokalen Fragen im Zusammenhang mit dem Anbau von GVO unabhängig vom Zulassungsverfahren Rechnung zu tragen. Durch diesen Ansatz zum GVO-Anbau bleibt das EU-System für die Zulassung von GVO bestehen und wird weiterhin angewandt und der freie Verkehr und die Einfuhr von genetisch veränderten Nahrungsmitteln, Futtermitteln und Saatgut werden nicht angetastet; gleichzeitig dürfte dieser Ansatz den Wünschen mehrerer Mitgliedstaaten entsprechen und die Unterstützung aller Beteiligten und der Öffentlichkeit finden. Der Ansatz entspricht ferner der bisher in den Mitgliedstaaten beobachteten tatsächlichen Praxis beim Anbau von GVO und dem Grundsatz der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit. In der Zwischenzeit wird die Kommission weiterhin den für GVO geltenden EU-Rechtsrahmen anwenden. In diesem Zusammenhang und gemäß Artikel 31 der Richtlinie 2001/18/EG wird in den Berichten über die Umsetzung der Richtlinie insbesondere auf die Erfahrungen eingegangen, die im Hinblick auf Artikel 26a und 26b gemacht wurden.

    Die neue Empfehlung mit Leitlinien für die Entwicklung einzelstaatlicher Anbaumaßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorkommens von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturen und ein Legislativvorschlag zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG bezüglich der Möglichkeit der Mitgliedstaaten, den Anbau von GVO in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet einzuschränken oder zu verbieten, ist dieser Mitteilung als Anhang beigefügt.

    [1] ABl. L 106 vom 17.4.2001, S. 1.

    [2] ABl. L 268 vom 18.10.2003, S. 1.

    [3] ABl. L 268 vom 18.10.2003, S. 24.

    [4] Die Maissorte MON 810 ist in folgenden Ländern verboten: in AT, HU und LU auf der Grundlage von Artikel 23 der Richtlinie 2001/18/EG, in EL auf der Grundlage von Artikel 23 der Richtlinie 2001/18/EG und von Artikel 18 der Richtlinie 2002/53/EG, in FR und DE auf der Grundlage von Artikel 23 der Richtlinie 2001/18/EG und von Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003. Die Maissorte T 25 wurde von AT auf der Grundlage von Artikel 23 der Richtlinie 2001/18/EG verboten. Die Kartoffelsorte Amflora wurde von AT, HU und LU auf der Grundlage von Artikel 23 der Richtlinie 2001/18/EG untersagt.

    [5] PL hat ebenfalls ein Gesetz über ein allgemeines Verbot der Vermarktung von genetisch verändertem Saatgut verabschiedet, das sich nicht auf die in den EU-Rechtsvorschriften vorgesehenen Schutzklauseln stützt. In seinem Urteil vom 16.7.2009 hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass dieses Gesetz gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt, und Polen wegen Nichterfüllung seiner Verpflichtungen verurteilt (Rechtssache C-165/08).

    [6] Juni 2005, Dezember 2006, Februar 2007 und März 2009.

    [7] ABl. L 189 vom 29.07.2003, S. 36.

    [8] Gemäß Artikel 9 Absatz1 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 über ökologische Erzeugung und die Kennzeichnung ökologischer Erzeugnisse dürfen GVO nicht in ökologischen Erzeugnissen einschließlich Saatgut, Lebensmitteln oder Futtermitteln enthalten sein. Ziel ist es, das Vorkommen von GVO in ökologischen Erzeugnissen auf das geringstmögliche Maß zu beschränken (siehe Erwägungsgrund 10).

    [9] Gemäß Artikel 19 Absatz 3 Buchstabe c und Anhang II der Richtlinie 2001/18/EG sowie Artikel 6 und 18 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003.

    [10] Vermerk mit der Referenz-Nr. 7581/09 des Rates der Europäischen Union.

    [11] BG, IE, EL, CY, LV, LT, HU, LU, MT, NL, PL und SI.

    [12] Vermerk mit der Referenz-Nr. 11226/09 Rev. 2 des Rates der Europäischen Union.

    Top