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Document 52008DC0635

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Bessere Work-Life-Balance: stärkere Unterstützung der Vereinbarkeit von Beruf, Privat und Familienleben

/* KOM/2008/0635 endg. */

52008DC0635

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Bessere Work-Life-Balance: stärkere Unterstützung der Vereinbarkeit von Beruf, Privat und Familienleben /* KOM/2008/0635 endg. */


[pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

Brüssel, den 3.10.2008

KOM(2008) 635 endgültig

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

Bessere Work-Life-Balance: stärkere Unterstützung der Vereinbarkeit von Beruf, Privat- und Familienleben

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

Bessere Work-Life-Balance: stärkere Unterstützung der Vereinbarkeit von Beruf, Privat- und Familienleben

1. Einleitung

Die Entscheidungen, die Frauen und Männer treffen, um Beruf, Privat- und Familienleben zu vereinbaren, sind vorwiegend persönlicher Natur. Gleichwohl wirkt sich die Art und Weise, wie der/die Einzelne diese konkurrierenden Bedürfnisse in Einklang miteinander bringt, auf den öffentlichen Bereich aus, etwa durch Beeinflussung der Erwerbsbeteiligungsquoten und Fertilitätsraten. Gleichzeitig sind staatliche Maßnahmen – wie etwa Einführung des Rechtsanspruchs auf Urlaub aus familiären Gründen, Betreuungsangebote für Kinder und betreuungsbedürftige Angehörige oder auch Beeinflussung anderer Faktoren, wie Ladenöffnungszeiten und Dauer des Schultags, – mit ausschlaggebend für diese Entscheidungen. Auch wenn der Schwerpunkt eher auf der Unterstützung derjenigen liegt, die abhängig beschäftigt sind oder sein wollen, so sind Vereinbarkeitsfragen doch für Selbständige genauso von Belang.

Strategien zur Unterstützung der erwähnten Entscheidungen beruhen auf einem Spektrum von Komponenten und bedürfen des Engagements verschiedener Akteure. Kinderbetreuungsangebot, Anspruch auf Urlaub und flexible Arbeitszeitregelungen sind die Kernelemente des Policy-Mix, während die Zuständigkeiten zwischen verschiedenen Ebenen – europäischer, nationaler und lokaler – und zwischen den Sozialpartnern auf europäischer, nationaler und sektoraler Ebene aufgeteilt sind.

Die Rolle der Europäischen Union in diesem Bereich ist zwar verhältnismäßig begrenzt, die wesentlichen Ziele der EU, vor allem das Ziel von mehr und besseren Arbeitsplätzen, können jedoch nur erreicht werden, wenn die Vereinbarkeitsmaßnahmen greifen. Diese Mitteilung gibt daher einen Überblick über die derzeitige Situation und erläutert die verschiedenen Maßnahmen zur Weiterentwicklung des rechtlichen Rahmens, u. a. die Vorschläge, die Teil der Mitteilung sind.

2. VEREINBARKEITSSTRATEGIEN ZUR UNTERSTÜTZUNG DER POLITISCHEN SCHLÜSSELZIELE

Auf Ebene der Europäischen Union kommt der erfolgreichen Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben in Zusammenhang mit einer Reihe von politischen Schlüsselzielen eine besondere Bedeutung zu.

In der im Jahr 2000 eingeführten Lissabon-Strategie wurde das Thema der Vereinbarkeit angesprochen. Bei der Neubelebung der Strategie im Jahr 2005[1] wurde der Schwerpunkt stärker auf Wachstum und Beschäftigung gelegt und festgehalten, dass das hohe Potenzial der Frauen auf dem Arbeitsmarkt ausgeschöpft werden muss, wenn sie zum Erfolg führen soll. Der Europäische Rat vom März 2005 hob den Beitrag hervor, den Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Arbeits- und Familienleben leisten können, um mehr Menschen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu bewegen. Indem der Rat als Ziel eine Beschäftigungsquote für Frauen (60 %) festlegte, die unter der angestrebten Gesamtbeschäftigungsquote (70 %) liegt, trug er den geschlechtsspezifischen Unterschieden bei den Beschäftigungsquoten Rechnung.

Mit den Integrierten Leitlinien zur Unterstützung der Lissabon-Strategie soll dem Problem des geschlechtsspezifischen Ungleichgewichts begegnet werden, u. a. durch Strategien zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf; der Gemeinsame Beschäftigungsbericht 2007/2008[2] hält allerdings fest: „ Hinsichtlich der Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter bietet sich ein gemischtes Bild “ und „ Viele Mitgliedstaaten sind [...] noch weit von der Verwirklichung der Kinderbetreuungszielvorgaben entfernt und nehmen meist nicht einmal in ihren nationalen Strategien darauf Bezug “. Dennoch war die Beschäftigung von Frauen ausschlaggebend für das anhaltende Beschäftigungswachstum in der EU in den letzten Jahren. Zwischen 2000 und 2007 hat der Beschäftigungsstand in der EU-27 um 14,6 Millionen Personen, darunter 9,2 Millionen Frauen, zugenommen. Die Beschäftigungsquote für Frauen (15- bis 64-Jährige) ist jedes Jahr gestiegen und hat 2007 58,3 % erreicht, 4,6 % mehr als im Jahr 2000; damit rückt das für 2010 gesteckte Ziel von 60 % durchaus in Reichweite.

Das ist ein beeindruckendes Ergebnis, allerdings waren die Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter weniger ausgeprägt. Gemäß EG-Vertrag[3] wirkt die Gemeinschaft darauf hin, bei allen ihren Tätigkeiten Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern. Bei den Indikatoren für Entlohnung, Segregation des Arbeitsmarktes und Anzahl der Frauen in Entscheidungspositionen sind jedoch seit mehreren Jahren keine bemerkenswerten Verbesserungen zu verzeichnen. So liegt insbesondere das Lohngefälle[4] seit 2003 unverändert bei 15 % und hat sich seit 2000 nur um 1 % verringert. Die Kommission hielt denn auch in ihrem Jahresbericht zur Gleichstellung von Frauen und Männern[5] Folgendes fest: „ Es scheint, dass die bedeutenden Anstrengungen, die im Rahmen der Europäischen Strategie für Wachstum und Beschäftigung unternommen worden sind, um mehr und bessere Arbeitsplätze für Frauen zu schaffen („more and better jobs“), eher in quantitativer Hinsicht Früchte getragen haben als in qualitativer. “

Diese Situation dürfte sich kaum ändern, solange Vereinbarkeitsoptionen (etwa Teilzeitbeschäftigung oder Urlaub aus familiären Gründen) weiterhin in unterschiedlichem Ausmaß von Frauen und Männern in Anspruch genommen werden und solange sich die Erwerbstätigenquoten von Frauen mit Kindern drastisch von denen von kinderlosen Frauen unterscheiden. Von 2000 bis 2007 erhöhte sich zwar die Gesamtbeschäftigungsquote für beide Gruppen, die Differenz zwischen ihnen betrug jedoch nach wie vor 12 Prozentpunkte.

Die Bedeutung, die Maßnahmen zur Förderung der Vereinbarkeit in Zusammenhang mit der demografischen Erneuerung zukommt, wird nun ausdrücklich auf europäischer Ebene anerkannt[6]. Angesichts einer alternden Bevölkerung und sinkender Geburtenraten können durch einschlägige Maßnahmen Frauen und Männer unterstützt werden, die ältere Familienangehörige betreuen, und günstigere Bedingungen für die Vereinbarkeit von Elternschaft und Beruf geschaffen werden. Unumstritten ist überdies, dass Mitgliedstaaten mit wirksamen an Frauen und Männer gerichteten Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und familiären Verpflichtungen höhere Fertilitätsraten und höhere Beschäftigungsquoten für Frauen verzeichnen. Des Weiteren gilt ein hochwertiger Arbeitsplatz als die beste Absicherung gegen soziale Ausgrenzung und Armut im Allgemeinen. Im Kontext von Maßnahmen zur aktiven Einbeziehung [7] wird auf die Notwendigkeit einer erschwinglichen und guten Betreuung von Kindern und anderen Familienangehörigen verwiesen. Wie im Gemeinsamen Bericht über Sozialschutz und soziale Eingliederung 2008[8] erläutert, sind Strategien, die dazu führen, den Zugang der Eltern zur Beschäftigung zu verbessern und ihr Verbleiben in Beschäftigung durch Unterstützungsdienste und Einkommenshilfen zu erleichtern, auch zur Bekämpfung von Kinderarmut unabdingbar.

In dem Bericht wird hervorgehoben, wie wichtig Vereinbarkeitsmaßnahmen sind, u. a. solche, die das Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen und deren Qualität steigern; es wird jedoch auch darauf hingewiesen, dass Aspekte wie Erwerbsintensität und Arbeitsqualität zu prüfen sind.

Wie bereits erwähnt, beteiligt sich ein breites Spektrum von Akteuren, auch auf europäischer Ebene, an der Entwicklung und Durchführung von Vereinbarkeitsstrategien.

Die Kommission hat in ihrem Fahrplan für die Gleichstellung von Frauen und Männern (2006-2010)[9] die Förderung der Vereinbarkeit als einen von sechs vorrangigen Aktionsbereichen festgelegt; die einschlägigen Maßnahmen knüpfen eng an den entsprechenden Schwerpunkt der gleichen wirtschaftlichen Unabhängigkeit für Frauen und Männer an.

Dieser Schwerpunkt wurde im Europäischen Pakt für Gleichstellung übernommen, den der Europäische Rat auf seiner Tagung im März 2006 annahm; außerdem wurde er in dem gemeinsamen Programm und den gemeinsamen Erklärungen des deutschen, portugiesischen und slowenischen Ratsvorsitzes 2007/2008 aufgegriffen[10]. In seinen Schlussfolgerungen vom März 2008 erklärte der Europäische Rat, dass im Einklang mit den vereinbarten Zielen vermehrt hochwertige Kinderbetreuungseinrichtungen zu erschwinglichen Preisen bereitgestellt und weitere Anstrengungen unternommen werden sollten, um die Vereinbarkeit zu verbessern. In ihrem gemeinsamen Achtzehnmonatsprogramm[11] bis Ende 2009 verpflichteten sich der französische und der kommende tschechische bzw. schwedische Vorsitz, sich besonders mit Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Arbeit, Familie und Privatleben für Frauen und Männer zu befassen.

Das Europäische Parlament hat wiederholt Verbesserungen der bestehenden Gemeinschaftsvorschriften über Mutterschutz und Elternurlaub[12] verlangt. Im Mai 2008 forderte es in seinen Änderungsvorschlägen zu den neuen beschäftigungspolitischen Leitlinien Elternurlaubsregelungen und sonstige Möglichkeiten einer vorübergehenden Arbeitsbefreiung[13]. In seiner Entschließung vom 21. Februar 2008 zu der demografischen Zukunft Europas[14] forderte es die Mitgliedstaaten auf, sich an bewährten Praktiken zu orientieren, die die Dauer des Mutterschaftsurlaubs betreffen, und wies darauf hin, dass es möglich ist, die Kurven bei den Geburtenraten durch eine geeignete Politik ansteigen zu lassen, indem ein günstiges Umfeld für die Familie und die Schwangerschaft geschaffen wird. In seiner Entschließung vom 27. September 2007[15] forderte es die Mitgliedstaaten auf, die Kosten von Mutterschutz und Elternurlaub umzulegen, um sicherzustellen, dass Frauen nicht länger höhere Arbeitskosten verursachen als Männer; außerdem begrüßte es die Anhörung der Sozialpartner zum Thema Vereinbarkeit. Die Verbesserung der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben bildet einen der vier Schwerpunkte des Aktionsrahmens für die Gleichstellung von Frauen und Männern, der 2005 von den europäischen Sozialpartnern angenommen wurde. Laut jüngstem Jahresbericht[16] zu diesem Thema ist dies der Bereich, in dem die meisten Initiativen der nationalen Sozialpartner zu verzeichnen sind. Zu den von den Sozialpartnern beschriebenen Entwicklungen gehören die Einführung oder die Verlängerung von Pflegeurlaub, flexible Arbeitszeitregelungen und Maßnahmen, die die vermehrte Inanspruchnahme dieser Optionen durch Männer fördern.

Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass zwar nun auf europäischer Ebene unbestritten ist, dass Vereinbarungsstrategien notwendig sind, diese jedoch aufgrund unzureichender Maßnahmen in Verbindung mit den geschlechtsspezifischen Unterschieden bei ihrer Inanspruchnahme nach wie vor nicht optimal zur Verwirklichung der wichtigsten politischen Ziele der EU beitragen können. Die Verbesserung der Work-Life-Balance bietet eine echte Chance, die Ziele Sicherheit und Flexibilität[17] sowohl für die Arbeitnehmer als auch die Arbeitgeber zu vereinbaren, zwei Ziele, die häufig als widersprüchlich gelten.

3. VERBESSERTE VEREINBARKEITSFÖRDERUNG

In ihrer jährlichen Strategieplanung für 2008 hat die Kommission zugesichert, neue Initiativen für eine verbesserte Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben vorzuschlagen. Die nachstehenden Maßnahmen stehen in Einklang mit dem prioritären Bereich „Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität“ der erneuerten Sozialagenda[18].

Die Legislativvorschläge sehen folgende Maßnahmen vor:

- Festigung des Rechtsanspruchs der Arbeitnehmer/innen auf Urlaub aus familiären Gründen;

- Gewährleistung der Gleichbehandlung von Selbständigen und ihren mitarbeitenden Ehepartnern.

Die Verfügbarkeit erschwinglicher, leicht zugänglicher und guter Kinderbetreuungsdienste ist äußerst wichtig für die Entscheidung der Eltern, wie sie Familien- und Berufsleben vereinbaren sollen. Den Legislativvorschlägen wird daher ein Bericht über die Fortschritte beigefügt, die die Mitgliedstaaten bei der Erfüllung der 2002 anlässlich des Europäischen Rates in Barcelona festgelegten Vorgaben für die Kinderbetreuung erzielt haben.

3.1. Urlaub aus familiären Gründen

Die Kommission leitete die derzeit laufenden Beratungen 2006 mit einer formellen Anhörung der europäischen Sozialpartner im Rahmen des europäischen Sozialdialogs ein, der es den europäischen Sozialpartnern u. a. ermöglicht, Vereinbarungen auszuhandeln, die anschließend rechtsverbindlich werden können. Die erste Richtlinie, die so zustande kam, basierte auf der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub aus dem Jahr 1995[19]. In den Konsultationspapieren der Kommission[20] wurden legislative und andere Maßnahmen zur Förderung der Vereinbarkeit beschrieben und verschiedene Optionen für neue Urlaubsformen aufgezeigt, die geeignet wären, den Bedürfnissen der Arbeitnehmer/innen im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Berufs-, Privat- und Familienleben gerecht zu werden: Vaterschaftsurlaub (kurzer Urlaub für Väter zur Zeit der Geburt oder der Adoption eines Kindes), Adoptionsurlaub (wie Mutterschutzurlaub zur Zeit der Adoption eines Kindes) und Pflegeurlaub (zur Pflege betreuungsbedürftiger Familienangehöriger).

Die Kommission schlug darüber hinaus Maßnahmen zur Verbesserung der Mutterschutzregelungen (Richtlinie 92/85/EWG) und der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub im Anhang der Richtlinie 96/34/EG vor. Im Bereich Elternurlaub betreffen die Vorschläge u. a. folgende Bereiche: Anreize für Väter, Elternurlaub in Anspruch zu nehmen, Wahrung der Beschäftigungsrechte und Diskriminierungsverbot, Dauer des Elternurlaubs und Entgelt bei Elternurlaub, Flexibilität bei der Inanspruchnahme von Elternurlaub und Alter des Kindes.

Des Weiteren verwies die Kommission auf Maßnahmen in Zusammenhang mit der Betreuung von Kindern und anderen Familienangehörigen, neuen Arbeitsformen (auch Telearbeit) und Anreizen für Männer zur Inanspruchnahme von Vereinbarkeitsmöglichkeiten.

In einem Bericht für den Dreigliedrigen Sozialgipfel (März 2008) wurde mitgeteilt, dass die Sozialpartner sich über ein Paket gemeinsamer Maßnahmen zur Förderung der Vereinbarkeit geeinigt haben. Im Juli 2008 kündigten die Sozialpartner dann an, dass sie das Verhandlungsverfahren nach Artikel 138 EG-Vertrag in Gang setzen wollen, „um die Ziele der Richtlinie zum Elternurlaub leichter zu erreichen.“ Da nicht auszuschließen ist, dass die Verhandlungen sich auch mit anderen Modellen für Urlaub aus familiären Gründen befassen werden, wie Vaterschaftsurlaub, Adoptionsurlaub und Urlaub zur Betreuung von Familienangehörigen, beabsichtigt die Kommission nicht, zum derzeitigen Zeitpunkt Vorschläge über den Elternurlaub oder sonstige Modelle für Urlaub aus familiären Gründen zu unterbreiten. Die Sozialpartner haben allerdings bestätigt, dass sie bei ihren Verhandlungen nicht auf das Thema Mutterschutzurlaub einzugehen gedenken.

3.1.1. Überarbeitung der Richtlinie 92/85/EWG über den Mutterschutz

Mutterschutzurlaub unterscheidet sich insofern von anderen Arten des Urlaubs aus familiären Gründen, als er ja nur von der Mutter in Anspruch genommen werden kann. Nach Meinung der Kommission ist es angebracht, zum jetzigen Zeitpunkt einen Vorschlag[21] zu unterbreiten, damit die Sozialpartner bei der Überarbeitung der Bestimmungen für den Elternurlaub einen Anhaltspunkt für die nach einer Überprüfung der Richtlinie geltende Mindestdauer des Mutterschaftsurlaubs und die entsprechenden Bedingungen haben. Es handelt sich um folgende Vorschläge:

- Erhöhung der Mindestdauer des Mutterschaftsurlaubs von 14 auf 18 Wochen (entsprechend der ILO-Empfehlung);

- Erhöhung der Flexibilität für Frauen bei ihrer Entscheidung, wann sie den Mutterschaftsurlaub vor bzw. nach der Entbindung nehmen;

- Verbesserung des Beschäftigungsschutzes von Frauen im Mutterschutzurlaub oder danach.

Dank dieser Maßnahmen dürfte es für Frauen einfacher werden, nach einer Entbindung auf dem Arbeitsmarkt zu verbleiben. Bei einem längeren Mutterschaftsurlaub entscheiden sich Frauen möglicherweise leichter für eine Rückkehr in den Beruf als bei einem kürzeren Mutterschaftsurlaub, der sie eher dazu veranlasst, noch Elternurlaub in Anspruch zu nehmen. Außerdem wird die Entscheidung für eine Rückkehr auf den Arbeitsmarkt erleichtert, wenn die Rechte der Frauen im Bereich der Beschäftigung gewahrt bleiben. Verbesserte Urlaubsregelungen, höhere Geldleistungen während des Urlaubs sowie verstärkte Arbeitnehmerrechte werden zu einer Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie beitragen und die Erwerbstätigkeit von Frauen mit Kindern erhöhen.

3.1.2. Weitere Vorschläge im Bereich des Urlaubs aus familiären Gründen

Mit Schreiben vom 10. Juli 2008 kündigten die Sozialpartner an, dass sie die Verhandlungen im September aufnehmen möchten. Nach Ablauf der im EG-Vertrag festgelegten Frist (neun Monate, sofern Sozialpartner und Kommission nicht gemeinsam eine Verlängerung beschließen) wird die Kommission auf Antrag der Sozialpartner die notwendigen Schritte einleiten und einen Vorschlag für eine Richtlinie unterbreiten, um der neuen Vereinbarung Rechtswirkung zu verleihen. Fall die Verhandlungen nicht zu einer neuen Vereinbarung führen, wird die Kommission – wie im zweiten Konsultationspapier vorgesehen – die Vorlage von Vorschlägen zur Ergänzung der bestehenden Vereinbarkeitsvorschriften in Erwägung ziehen.

Die Kommission hat eine Folgenabschätzung[22] zu allen legislativen Optionen durchgeführt, die in dem den Sozialpartnern übermittelten Papier für die zweite Phase der Anhörung im Jahr 2007 aufgezeigt worden waren. Auch wenn die Kommission ihren Vorschlag derzeit auf den Mutterschaftsurlaub beschränkt, könnte eine Bewertung der anderen Optionen den Sozialpartnern bei ihren Verhandlungen dienlich sein.

3.2. Gleichbehandlung von Selbständigen und ihren mitarbeitenden Ehepartnern

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stellt nicht nur für abhängig beschäftigte Frauen und Männer eine Herausforderung dar, sondern auch für Selbständige und ihre mitarbeitenden Ehepartner. Mit der Richtlinie 86/613/EWG wurde der Grundsatz der Gleichbehandlung auch für nicht abhängig Beschäftigte eingeführt. Überdies wurde festgehalten, dass Vereinbarkeitsmaßnahmen erforderlich sind, vor allem mit Blick auf die Mutterschaft.

Die Richtlinie hat kaum Auswirkungen gezeigt und aufgrund der vagen Formulierungen erweist sich die Umsetzung als schwierig. Aber der Handlungsbedarf in diesem Bereich ist dringender denn je, insbesondere da sich zunehmend die Erkenntnis durchsetzt, dass Maßnahmen notwendig sind, um im Unternehmertum dem Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern entgegenzuwirken. Ein Grund für dieses Ungleichgewicht ist möglicherweise der dürftige bzw. mangelnde Sozialschutz für selbständige Frauen, insbesondere was den Mutterschutz betrifft[23]. Etwa bei 11 % der Selbständigen arbeiten die Ehepartner im Familienbetrieb mit. Ein Drittel der mitarbeitenden Ehepartner arbeitet über 25 Stunden pro Woche, ist jedoch im Fall einer Scheidung oder beim Tod des selbständigen Partners nicht abgesichert.

Die Kommission hat beschlossen, die Aufhebung der Richtlinie 86/613/EWG und die Vorlage einer neuen Richtlinie vorzuschlagen, damit die Zielvorgaben der ursprünglichen Richtlinie besser erreicht werden. Es geht im Wesentlichen um folgende Vorschläge[24]:

- Selbständige Frauen und mitarbeitende Ehefrauen oder Lebenspartnerinnen sollten auf Antrag Anspruch auf denselben Mutterschutzurlaub haben wie Arbeitnehmerinnen nach der Richtlinie 92/85/EWG;

- auf Antrag sollten sich mitarbeitende Ehe- oder Lebenspartner, die nach einzelstaatlichem Recht anerkannt sind, demselben System der sozialen Sicherheit und zu denselben Bedingungen anschließen können wie Selbständige.

Mit diesen Maßnahmen soll die Selbständigkeit für Frauen attraktiver werden und die Absicherung von mitarbeitenden Ehepartnern erhöht werden.

3.3. Bericht über die Verwirklichung der für die Kinderbetreuung formulierten Ziele in den Mitgliedstaaten

Der Europäische Rat von Barcelona forderte 2002 die Mitgliedstaaten auf, die Hemmnisse zu beseitigen, die Frauen von einer Beteiligung am Erwerbsleben abhalten, und bis 2010 für mindestens 90 % der Kinder zwischen drei Jahren und dem Schulalter und für mindestens 33 % der Kinder unter drei Jahren Betreuungsplätze zur Verfügung zu stellen. Diese Ziele sind in der Europäischen Beschäftigungsstrategie und der Lissabon-Agenda verankert.

In einem Bericht, der dieser Mitteilung beigefügt ist, stellt die Kommission Folgendes fest:

- Die meisten Mitgliedstaaten sind von den formulierten Zielen weit entfernt, vor allem was Kinder unter drei Jahren betrifft;

- sofern vorhanden, sind die Einrichtungen häufig teuer oder die Öffnungszeiten nicht mit den Arbeitzeiten von Vollzeiterwerbstätigen oder Erwerbstätigen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen vereinbar;

- die Qualität der Einrichtungen (z. B. Qualifikation der Betreuer/Betreuerinnen und Anzahl von Betreuern/Betreuerinnen im Verhältnis zur Anzahl von Kindern) könnte abschreckend auf die Eltern wirken.

In einem Schreiben, das die Sozialpartner der Kommission unlängst übermittelten, äußerten diese ihre Besorgnis darüber, dass die Ziele von Barcelona nicht erreicht werden. Zuständig seien zwar in erster Linie die öffentlichen Behörden in den Mitgliedstaaten, aber sie – die Sozialpartner – könnten einen unterstützenden Beitrag leisten.

Als Reaktion auf den genannten Bericht über die Fortschritte bei der Verwirklichung der für die Kinderbetreuung formulierten Ziele beabsichtigt die Kommission,

- das Follow-up der Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten in diesem Bereich im Rahmen der Strategie für Wachstum und Beschäftigung ergreifen, zu beobachten, es mit vergleichbaren, aktualisierten Statistiken zu unterstützen und gegebenenfalls Empfehlungen an die Mitgliedstaaten zu richten, die mit der Umsetzung im Rückstand sind;

- die Entwicklung bei den Kinderbetreuungsdiensten und deren spezifischen Beitrag zur Gleichstellung der Geschlechter zu analysieren, vor allem im Jahresbericht zur Gleichstellung von Frauen und Männern, der jeweils für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates vorgelegt wird;

- den Austausch bewährter Verfahren in diesem Bereich zu fördern und Untersuchungen über Arbeitsplätze im Bereich der Kinderbetreuung anzuregen;

- in Zusammenarbeit mit allen Akteuren (Mitgliedstaaten und Sozialpartnern) die Entwicklung erschwinglicher und guter Kinderbetreuungsdienste zu fördern, u. a. indem das Potenzial der EU-Kohäsionspolitik voll ausgeschöpft wird.

3.4. Sonstige Maßnahmen

Wie bereits unter Abschnitt 2 erwähnt, steht eine ganze Reihe politischer Zielen in engem Zusammenhang mit den Vereinbarkeitsstrategien. Was zum Beispiel die demografische Erneuerung betrifft, so werden mit der Einsetzung einer Sachverständigengruppe für Fragen der Demografie und mit der Einrichtung der Europäischen Allianz für Familien die Diskussion und der Austausch über Vereinbarkeitsfragen angeregt.

Gleichwohl wird der Schwerpunkt der Vereinbarkeitsmaßnahmen nach wie vor auf der Gleichstellung der Geschlechter liegen; eine wirksame Vereinbarkeit ist Voraussetzung für wirtschaftliche Unabhängigkeit – die erste Priorität des Fahrplans. Die Kommission erstellt derzeit den Halbzeitbericht über die Umsetzung des Fahrplans. In den beiden Arbeitsprogrammen für den Fahrplan für die Jahre 2007 und 2008[25] werden der Kommission bereits gute Fortschritte bei der Durchführung der festgelegten Maßnahmen bescheinigt. Es wird jedoch auch darauf hingewiesen, dass es eines stärkeren Engagements aller Betroffenen bedarf, um den Aspekt der Gleichstellung der Geschlechter noch wirksamer in die Sozial- und Wirtschaftspolitik einzubeziehen.

Zur Verbesserung der Kenntnisse über Vereinbarkeitsstrategien und die analytischen Instrumente für ihre Bewertung wird die Kommission

- den Austausch und die Verbreitung bewährter Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten fördern unter besonderer Berücksichtigung des Kinderbetreuungsangebots und von Maßnahmen zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischen Unterschieden bei der Inanspruchnahme von Urlaub aus familiären Gründen (2008);

- die Mitgliedstaaten und andere Akteure dazu anhalten, die von ihr 2007 und 2008 vorgelegten Leitfäden[26] zum Gender-Mainstreaming bei Maßnahmen in den Bereichen Beschäftigung, soziale Eingliederung und Sozialschutz heranzuziehen;

- in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten an der Entwicklung einer gemeinsamen europaweiten Grundlage für aktuelle, vergleichbare und stichhaltige Statistiken über die Vereinbarkeit von Beruf, Privat- und Familienleben weiterarbeiten, vor allem in den Bereichen Kinderbetreuung, flexible Arbeitszeitregelungen und Inanspruchnahme von Urlaub aus familiären Gründen.

Schließlich werden im Rahmen der Kohäsionspolitik der EU (insbesondere des Europäischen Sozialfonds) weiterhin Initiativen auf nationaler und lokaler Ebene zur Förderung der Vereinbarkeit kofinanziert, etwa indem Mittel für Betreuungsdienste für Kinder und andere betreuungsbedürftige Angehörige, Ausbildung und Qualifikation von Pflege- und Betreuungspersonal, und für Maßnahmen von Arbeitgebern, die ihren Beschäftigten eine Unterbrechung der Berufstätigkeit ermöglichen und die Kinderbetreuungseinrichtungen und andere Dienste zur Unterstützung von Familien anbieten, bereitgestellt werden.

4. FAZIT

Die Kommission ist der Meinung, dass eine intensivere Förderung von Vereinbarkeitsmaßnahmen Frauen und Männern mehr Spielraum bei ihrer Entscheidung einräumt, wie sie Beruf und Privatleben miteinander in Einklang bringen wollen, und sie überdies zur Verwirklichung der wichtigsten politischen Ziele der Europäischen Union – vor allem Wachstum und Beschäftigung, soziale Eingliederung benachteiligter Gruppen und Gleichstellung der Geschlechter – beiträgt.

Der verbesserte und modernisierte europäische Rechtsrahmen, der durch die dieser Mitteilung beigefügten Vorschläge eingeführt wird, und die von den Sozialpartnern eingeleiteten Verhandlungen eröffnen den Frauen die Möglichkeit, wirtschaftlich unabhängiger zu sein, und ermutigen die Männer, sich stärker in die Familie einzubringen. Es ist notwendig und angemessen, auf Gemeinschaftsebene tätig zu werden und Mindestvorschriften im Hinblick auf eine verbesserte Vereinbarkeit von Beruf, Privat- und Familienleben festzulegen, damit die Aufgabe der Gemeinschaft, die Gleichstellung der Geschlechter herbeizuführen, erfüllt und die Ziele der Lissabon-Strategie erreicht werden können.

Für die Entwicklung und Förderung von Vereinbarkeitsmaßnahmen sind in erster Linie die Mitgliedstaaten zuständig. Die Kommission fordert diese daher auf, sicherzustellen, dass diese Maßnahmen so umgesetzt werden, dass Frauen und Männer echte Entscheidungsfreiheit haben. Insbesondere fordert die Kommission die Mitgliedstaaten auf, die notwendigen Schritte einzuleiten, damit der erhebliche Rückstand bei der Erreichung der Ziele, die sie sich selbst im Bereich der Kinderbetreuung gesetzt haben, aufgeholt wird.[pic][pic][pic][pic][pic][pic][pic][pic][pic][pic][pic][pic][pic][pic][pic][pic][pic][pic]

[1] KOM(2005) 24.

[2] Am 29. Februar 2008 vom Rat angenommener und am 3. März 2008 veröffentlichter Gemeinsamer Beschäftigungsbericht, Seite 9. Auf Seite 4 wird im Bericht moniert, dass „ die europäischen Arbeitsmärkte nach wie vor nur unzureichend in der Lage [sind], auf die Herausforderungen der Globalisierung und Bevölkerungsalterung erfolgreich zu reagieren. “

[3] Artikel 2 und Artikel 3 Absatz 2.

[4] Unter dem geschlechtsspezifischen Lohngefälle ist der Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Stundenlohn vor Steuern für Männer und für Frauen und für sämtliche Wirtschaftszweige zu verstehen. Siehe Mitteilung der Kommission „Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles“ – KOM(2007) 424.

[5] KOM(2008) 10.

[6] Mitteilung der Kommission „Die Solidarität zwischen den Generationen fördern“ – KOM(2007) 244.

[7] KOM(2007) 620.

[8] http://ec.europa.eu/employment_social/spsi/publications_de.htm. Siehe auch ausführlichen Bericht der vom Ausschuss für Sozialschutz eingesetzten Taskforce für Kinderarmut und Wohlergehen von Kindern: http://ec.europa.eu/employment_social/spsi/docs/social_inclusion/2008/child_poverty_en.pdf.

[9] KOM(2006) 92.

[10] In seinen Schlussfolgerungen vom Dezember 2007 zur Ausgewogenheit zwischen Frauen und Männern bei Arbeitsplätzen, Wachstum und sozialem Zusammenhalt räumte der Rat ein, dass in Bezug auf die Vereinbarkeit von Arbeit, Familie und Privatleben noch erhebliche Schwierigkeiten bestehen, und forderte die Kommission u. a. auf, den bestehenden gemeinschaftlichen Rechtsrahmen in Bezug auf die Vereinbarkeit zu evaluieren, insbesondere im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Beteiligung am Arbeitsmarkt.

[11] Ratsdokument 11249/08 POLGEN 76 vom 30. Juni 2008.

[12] Siehe z. B. Entschließung 2003/2129(INI), P5_TA(2004)0152, Punkt 26.

[13] http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P6-TA-2008-0207+0+DOC+XML+V0//DE&language=DE.

[14] 2007/2156 (INI), Punkte 14 und 15, unter: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P6-TA-2008-0066+0+DOC+XML+V0//DE&language=DE.

[15] 2007/2065(INI) ) unter: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=TA&language=DE&reference=P6-TA-2007-0423, Punkte 13, 28 und 29.

[16] http://ec.europa.eu/employment_social/social_dialogue/docs_en.htm.

[17] Siehe KOM(2007) 359 endg. „Gemeinsame Grundsätze für den Flexicurity-Ansatz herausarbeiten: Mehr und bessere Arbeitsplätze durch Flexibilität und Sicherheit“.

[18] KOM(2008) 412.

[19] Richtlinie 96/34/EG des Rates vom 3. Juni 1996 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub (ABl. L 145 vom 19.6.1996, S. 4).

[20] SEK(2006) 1245 und SEK(2007) 571.

[21] KOM(2008) 600.

[22] SEK (2008) 2526.

[23] „Impact Assessment“ – Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen SEK(2008) 2101, das der Mitteilung der Kommission „Vorfahrt für KMU in Europa - Der „Small Business Act“ für Europa“ beigefügt ist – KOM(2008) 394.

[24] KOM(2008) 601.

[25] SEK(2007) 537 und SEK(2008) 338.

[26] http://ec.europa.eu/employment_social/gender_equality/gender_mainstreaming/tools_de.html.

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