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Document 52008DC0038

    Mitteilung der Kommission über die Einrichtung eines Forums zur Erörterung der EU-Rechtspolitik und Praxis

    /* KOM/2008/0038 endg. */

    52008DC0038

    Mitteilung der Kommission über die Einrichtung eines Forums zur Erörterung der EU-Rechtspolitik und Praxis /* KOM/2008/0038 endg. */


    [pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

    Brüssel, den 4.2.2008

    KOM(2008) 38 endgültig

    MITTEILUNG DER KOMMISSION

    über die Einrichtung eines Forums zur Erörterung der EU-Rechtspolitik und Praxis

    MITTEILUNG DER KOMMISSION

    über die Einrichtung eines Forums zur Erörterung der EU-Rechtspolitik und Praxis

    1. EINLEITUNG

    1. 2004 nahm der Europäische Rat das Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union[1] an und forderte darin die Schaffung eines Systems zur objektiven und unparteiischen Evaluierung der Umsetzung der justizpolitischen Maßnahmen der EU unter uneingeschränkter Achtung der Unabhängigkeit der Justiz. Das Europäische Parlament schloss sich dieser Forderung in einer Stellungnahme vom Februar 2005 an[2]. Dem Aktionsplan zur Umsetzung des Haager Programms[3] zufolge trägt eine solche Evaluierung zur Stärkung des gegenseitigen Vertrauens bei.

    2. Es bedarf eines Dialogs mit allen Beteiligten in allen Phasen der Konzeption und Umsetzung rechtspolitischer Maßnahmen. Im Rahmen eines solchen Dialogs wäre zu überlegen, wie die justizielle Zusammenarbeit verbessert und der europäische Rechtsraum vorangebracht werden kann und welche Maßnahmen sich hierzu eignen. Des Weiteren wäre zu prüfen, welche Regelungen ordnungsgemäß umgesetzt worden sind und ob sie so angewandt werden, dass sie ihr Ziel erreichen. Wir müssen allgemein in Erfahrung bringen, ob der europäische Rechtsraum gut funktioniert und ob diejenigen, die in diesem Raum tätig sind, mit ihm zufrieden sind.

    3. Die Kommission beabsichtigt die Einrichtung eines Rechtsforums, das als ständige Einrichtung der Konsultation aller Beteiligten, der Entgegennahme von Feedback und der transparenten, objektiven Überprüfung der EU-Politik und Praxis im Rechtsbereich dienen soll. Dabei gilt es, den Unterschieden zwischen der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen und der Zusammenarbeit in Strafsachen, die im EG- und EU-Vertrag begründet sind, Rechnung zu tragen. Das Forum hat zwei Hauptaufgaben: 1) fachliche Beratung der Kommission zu Politik und Rechtsetzung der EU im Rechtsbereich und 2) Förderung des Vertrauens im Verhältnis der EU-Rechtssysteme untereinander und Verbesserung des gegenseitigen Verständnisses.

    4. Ein offener Dialog zwischen allen Beteiligten auf EU-Ebene wird in verschiedener Hinsicht vertrauensbildend wirken. Dem Bürger wird es leichter fallen, das Rechtssystem der EU zu akzeptieren und zu respektieren, wenn er versteht, wie und warum es auf nationaler Ebene wirkt. Da EU-Regelungen durch nationales Recht umgesetzt werden, muss auf politischer Ebene Vertrauen da sein. Nicht nur Bürger, sondern auch Juristen, vor allem Richter, müssen EU-Recht kennen und akzeptieren. Sie müssen von seiner Notwendigkeit und Wirksamkeit überzeugt sein. Ist auf diesen Ebenen kein Vertrauen vorhanden, wird das System nicht richtig funktionieren können.

    5. Alle EU-Bürger haben Anspruch auf ein Justizwesen, das hohen Qualitätsanforderungen genügt. Dies ist umso wichtiger, als der Europäische Rat 1999 in Tampere den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung als „Eckstein“ für den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts bezeichnete. Gerichtliche Entscheidungen müssen daher überall in der EU zügig anerkannt und umgesetzt werden können ohne die herkömmlichen Nachprüfungen und Vorbehalte. Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung kann jedoch nur greifen, wenn die Mitgliedstaaten einander vertrauen. Die Qualität der Justiz ist dem Haager Programm zufolge eine wesentliche Voraussetzung für die Stärkung des Vertrauens: „In einer erweiterten Union muss das gegenseitige Vertrauen auf der Gewissheit beruhen, dass alle europäischen Bürger Zugang zu einem Justizwesen haben, das hohe Qualitätsnormen erfüllt.“

    6. Ein regelmäßiger Dialog über Rechtspolitik und -praxis ist nicht nur äußerst wichtig für die Stärkung des gegenseitigen Vertrauens und die Verbesserung der gegenseitigen Anerkennung und des Rechtsschutzes, sondern für das Funktionieren der Gesellschaft insgesamt. Man denke u. a. an die Bedeutung eines zuverlässigen Justizsystems für die Wirtschaft. Ziel der Lissabon-Strategie[4] ist eine dynamische Wirtschaft. Zwischen guten Justizsystemen und dynamischen Volkswirtschaften besteht zweifellos ein Zusammenhang. Ein verlässliches Rechtsklima ist ein Trumpf im heutigen globalen Wettbewerbsumfeld. Die EU muss sich die Anstrengungen der Mitgliedstaaten in diesem Bereich zum Vorbild nehmen.

    7. Im Juni 2006 nahm die Kommission eine Mitteilung über die Evaluierung der EU-Maßnahmen im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht[5] an („Juni-Mitteilung 2006“). Das Forum wird im Einklang mit der Juni-Mitteilung 2006 die Informations-/Konsultationsarbeit ergänzen, Bericht erstatten und eingehende Analysen vornehmen.

    8. Im September 2006 lud die Kommission zu einer Expertensitzung ein, um sich einen Eindruck davon zu verschaffen, wie groß die Unterstützung für ein Forum zur Rechtspolitik wäre. Den Reaktionen der Beteiligten zufolge wird eine solche Initiative befürwortet. Sie teilen die Meinung der Kommission, dass ein Rechtsforum dazu beitragen wird, das gegenseitige Vertrauen auf den verschiedenen Ebenen zu stärken. Juristen und andere Sachverständige halten es für zweckmäßig, dass ihren Ansichten, Erfahrungen und ihrem Sachverstand bei der Erarbeitung, Verabschiedung und Anwendung von EU-Recht Rechnung getragen wird.

    2. ZIELSETZUNG DES FORUMS

    2.1. Wo besteht Handlungsbedarf?

    9. Zwischen den EU-Behörden und Rechtsanwendern gibt es derzeit weder einen regelmäßigen Dialog noch sonstige etablierte Kommunikationskanäle, um die Hintergründe eines Legislativvorschlags oder die Auswirkungen von EU-Regelungen auf die justizielle Zusammenarbeit in der Praxis zu erörtern. Rechtsinstrumente müssen darauf hin untersucht werden, wie sie sich auf die nationalen Rechtssysteme auswirken.

    10. Juristen, die mit EU-Bestimmungen zu tun haben, sollten bereits frühzeitig informiert werden. Sobald die Bestimmungen anwendbar sind, sollte geprüft werden, in welchem Umfang sie genutzt werden, ob sie ihren Zweck erfüllen und welche Kosten damit verbunden sind einschließlich etwaiger unvorhergesehener, unbeabsichtigter Konsequenzen.

    11. Die Hauptaufgabe des Forums wird darin bestehen, die Gestaltung der Zivil- und Strafrechtspolitik durch einen ständigen Dialog aller Beteiligten sowie die Überprüfung geltender Bestimmungen zu verbessern und so zur Stärkung des Vertrauens auf EU-Ebene beizutragen.

    2.1.1. Beitrag zur Ex-ante-Bewertung

    12. Bisher wurden politische Leitlinien und Legislativprogramme der EU weitgehend ohne Zutun von Rechtsanwendern in der Konzeptionsphase erarbeitet. Es hat sich allerdings gezeigt, dass die Beiträge von Rechtsanwendern für den späteren Regelungsentwurf durchaus nützlich waren, wenn vor der Abfassung eines Legislativvorschlags noch Zeit für die Vorlage eines Grünbuchs war. Das Forum wird Gelegenheit für einen Dialog während der Konzeptionsphase bieten. Überdies hat sich die Kommission zu einer ausführlichen Folgenabschätzung (mit einer Grundrechtsprüfung) verpflichtet, bevor sie einen Vorschlag annimmt. Dabei wird sie auf das Fachwissen der Forum-Teilnehmer zurückgreifen.

    2.1.2. Überprüfung der rechtlichen und praktischen Umsetzung der Rechtsakte

    13. Bei den meisten Rechtsakten, die in den Bereichen Zivil- und Strafrecht erlassen werden, muss die Kommission berichten, wie sie in innerstaatliches Recht umgesetzt worden sind und in den Mitgliedstaaten angewandt werden. Die Kommission könnte sich hierzu an das Forum wenden[6].

    14. Soweit es um die praktische Umsetzung geht, dürfte sich eine Konsultation des Forums als besonders zweckmäßig erweisen. Für Fragen im Zusammenhang mit der Umsetzung der zivilrechtlichen Regelungen, die auf der Grundlage von Titel IV EG-Vertrag erlassen werden, ist gemäß Artikel 68 EG-Vertrag der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zuständig. Außerdem kann die Kommission auf der Grundlage von Artikel 226 EG-Vertrag den EuGH anrufen, wenn ein Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Im Bereich des Strafrechts wurde bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität dreimal ein Mechanismus in Form einer so genannten Begutachtungsrunde genutzt, die auf eine Gemeinsame Maßnahme[7] von 1997 zurückgeht: Begutachtet wurden die Anwendung der Rechtshilfe in der Praxis, die Drogenbekämpfungspolitik und der Austausch strafverfolgungsrelevanter Informationen in den Mitgliedstaaten und mit Europol. 2006 begann eine vierte Begutachtungsrunde, die den Europäischen Haftbefehl zum Gegenstand hat. Die Begutachtung erfolgt zunächst anhand eines Fragebogens. Anschließend folgt ein Besuch in den Mitgliedstaaten durch ein Expertenteam, dessen Mitglieder von den Mitgliedstaaten mit Hilfe des Generalsekretariats des Rates und unter Mitwirkung der Kommission benannt werden. Ebenso wird bei der gegenseitigen Begutachtung der einzelstaatlichen Vorkehrungen zur Terrorismusbekämpfung verfahren. Diese Verfahrensweise wurde im Anschluss an die Schlussfolgerungen der außerordentlichen Tagung des Rats ‚Justiz und Inneres’ vom 20. September 2001 festgelegt[8]. Über die Begutachtung wird ein Bericht mit Empfehlungen an die Mitgliedstaaten erstellt. Diese Berichte sind vertraulich mit Ausnahme des ersten Berichts über die Rechtshilfe[9]. Darüber hinaus haben die Gerichte der Mitgliedstaaten, die die Zuständigkeit des EuGH in Strafsachen anerkannt haben, die Möglichkeit, nach Artikel 234 EG-Vertrag ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten. Diese Möglichkeit ist allerdings begrenzt.

    15. Der Begutachtungsmechanismus ist ein langwieriges, aufwändiges Verfahren, das sich nicht für alle Rechtsinstrumente rechtfertigen lässt mit der Folge, dass einige Regelungen nach ihrer Umsetzung keiner Bewertung unterzogen werden. Das Forum bietet einen Rahmen für den Austausch praxisbezogener Informationen über die Anwendung einzelner Regelungen und ermöglicht damit eine bessere Bewertung ihrer Auswirkungen auf die justizielle Zusammenarbeit.

    2.1.3. Beitrag zur Bewertung der allgemeinen Wirkung von EU-Maßnahmen auf die nationalen Rechtssysteme und die justizielle Zusammenarbeit

    16. Eine Begutachtung der Umsetzung europäischer Rechtsakte aus rechtlicher wie anwendungsbezogener Sicht reicht nicht aus, wenn die Auswirkungen dieser Rechtsakte auf allgemeine politische Ziele, d. h. das Funktionieren des europäischen Rechtsraums insgesamt, nicht geprüft werden.

    17. Die Auswirkungen der EU-Maßnahmen müssen umfassender untersucht werden. Auf diese Weise dürfte es möglich sein, Kriterien aufzustellen, anhand deren sich feststellen lässt, ob die Maßnahme:

    - ihren Zweck erfüllt hat (so sollte der Europäische Haftbefehl z. B. die Auslieferung von Straftätern innerhalb der EU vereinfachen und beschleunigen),

    - zu einem allgemeinen EU-Ziel beigetragen hat (z. B. Erleichterung und Beschleunigung der Zusammenarbeit zwischen den Justizbehörden, Verbesserung der Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in der EU, Verbesserung des Rechtsschutzes für EU-Bürger, Bekämpfung der organisierten Kriminalität und Förderung des gegenseitigen Vertrauens),

    - unvorhergesehene (positive oder negative) Folgen hatte.

    18. Gegebenenfalls könnte auch eine Kosten-Nutzen-Analyse unter Berücksichtigung finanzieller und anderer Kriterien durchgeführt werden.

    2.1.4. Beitrag zu einem Dialog über die Qualität der Justiz als vertrauensbildende Maßnahme

    19. Das Forum bietet Gelegenheit, die einzelnen Rechtssysteme in Europa besser kennenzulernen und sich darüber auszutauschen und wirkt auf diese Weise vertrauensbildend. Die Vertreter der nationalen Rechtssysteme sollten regelmäßig zu Gesprächen zusammenkommen und sich gegebenenfalls über bewährte Praktiken austauschen oder Verfahrensweisen optimieren.

    20. In ihrer Mitteilung von 2005 zur gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen und zur Stärkung des Vertrauens der Mitgliedstaaten untereinander[10] legte die Kommission dar, mit welchen Maßnahmen sie das Vertrauen der Mitgliedstaaten untereinander zu stärken gedenkt (Erweiterung der Begutachtungsverfahren, Förderung der Kontakte zwischen Rechtsanwendern und Ausbau der juristischen Aus- und Fortbildung). Das Forum wird in den ersten beiden Aktionsbereichen eine aktive Rolle übernehmen und u. U. im dritten Tätigkeitsfeld einen gewissen Einfluss geltend machen. Es hat sich gezeigt, dass Kontakte zwischen Rechtsanwendern vertrauensbildend wirken. Im Ergebnis wird nicht nur ein besseres Verständnis der EU-Regelungen, sondern auch der nationalen Rechtssysteme erreicht. Im Rahmen des Austauschprogramms für Justizbehörden[11] beispielsweise konnten Kontakte geknüpft werden, die die justizielle Zusammenarbeit in konkreten Fällen erleichtert und Einblick in bewährte Gerichtspraktiken vermittelt haben (z. B. in Bezug auf die Gerichtsverwaltung, Fristen oder Opferhilfe) und so dazu beigetragen haben, eigene Verfahrensweisen zu verbessern. Solche Aktivitäten sollten systematischer eingesetzt werden, um ihre Multiplikator-Wirkung zu steigern. Ein weiterer wichtiger Schritt zur Stärkung des Vertrauens der Justizbehörden untereinander ist im Bereich des Zivilrechts die Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen. Das Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen leistet einen wichtigen Beitrag zur Förderung des Austauschs bewährter Praktiken.

    2.2. Effiziente Zusammenarbeit mit dem Europarat

    21. Der Europarat verfügt in diversen Sachbereichen über Überwachungs- und Bewertungsmechanismen[12], die ähnlich funktionieren. Von besonderer Bedeutung für den Aufbau gegenseitigen Vertrauens in der EU ist die Europäische Kommission für die Wirksamkeit der Justiz (CEPEJ), die sich zum Ziel gesetzt hat, die Qualität der Justizsysteme der Mitgliedstaaten des Europarats zu verbessern. Hauptaufgabe der CEPEJ ist es, dafür zu sorgen, dass die Grundsätze und Regeln für eine leistungsfähige Justiz in den Mitgliedstaaten ordnungsgemäß umgesetzt werden. Der Bericht von 2006 zur Bewertung europäischer Justizsysteme vermittelt ein detailliertes Bild der Justiz in Europa.

    22. Die EU muss darauf achten, dass ihre Tätigkeit und die Arbeiten des Europarats im Einklang miteinander stehen, Doppelarbeit mit der CEPEJ jedoch vermeiden. Die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Kommission und der CEPEJ sollte fortgesetzt werden. Es könnten gemeinsame Initiativen zur Verbesserung der Qualität der Justiz und zur Stärkung des gegenseitigen Vertrauens ins Auge gefasst werden.

    23. Das Forum wird sich hieran beteiligen, z. B. indem es die Erkenntnisse der CEPEJ nutzt und konstruktiv mit der CEPEJ zusammenarbeitet. Dem Forum sollte ein Vertreter der CEPEJ angehören.

    24. Wenn es um die Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung und der Zielvorgabe eines besseren Rechtsschutzes geht, muss der von den Mitgliedstaaten angestrebte hohe Integrationsgrad besondere berücksichtigt werden. Auf der Grundlage der CEPEJ-Arbeiten könnten themenspezifische Studien durchgeführt werden. Anbieten würden sich Themen wie die Rechtsauslegung der Gerichte oder die Qualität der Gerichtsdienste aus der Sicht der Nutzer.

    3. AUFGABENSTELLUNG

    3.1. Überprüfung des EU-Rechts

    3.1.1. Die Ex-ante-Phase

    25. Das Forum wird zum frühest möglichen Zeitpunkt, wenn die Legislativprogramme ausgearbeitet werden, um sachkundigen Rat und Stellungnahme gebeten. Sobald ein Tätigwerden der EU in einem bestimmten Bereich beschlossen wird, wird das Forum zu den praktischen Auswirkungen der einzelnen Optionen konsultiert. Es kann durch Erstellung einer ausführlichen Folgenabschätzung zu einem besonderen Eigenbeitrag aufgefordert werden.

    3.1.2. Überprüfung der rechtlichen und praktischen Umsetzung

    26. Im Bereich des Strafrechts konzentriert sich die Bewertungsarbeit der Kommission in erster Linie auf die rechtliche Umsetzung der Regelungen. In der Praxis ist die Berichterstattung der Kommission in ihrer Wirkung beschränkt, da der Rat nicht in der Lage ist, die Berichte eingehend zu prüfen und die Entwicklung weiter zu verfolgen. Dies wird noch durch den Umstand verstärkt, dass bei mangelhafter Umsetzung keine Abhilfe durch den EuGH möglich ist.

    27. Im Bereich des Zivilrechts könnten Studien, die dem Bericht über die Anwendung eines Rechtsakts vorausgehen, einen nützlichen Überblick über die aktuelle Lage geben. Doch werden solche Berichte nicht für alle geltenden Rechtsakte angefordert, und die Abstände, in denen sie vorgelegt werden, sind so beschaffen, dass es nicht möglich ist, auf die mit der Anwendung der betreffenden Regelung zusammenhängenden Schwierigkeiten und Probleme einzugehen.

    28. Die Kommission hält es zum jetzigen Zeitpunkt nicht für erforderlich, eine diesbezügliche Regelung vorzuschlagen. Sobald das Forum jedoch seine Arbeit aufgenommen hat, wird diese Frage erneut geprüft werden. Soweit es um Strafsachen geht, wird sich das Forum insbesondere der Frage widmen, inwieweit die Gemeinsame Maßnahme von 1997 überprüft werden muss.

    3.1.3. Überblick über die Funktionsweise der justiziellen Zusammenarbeit insgesamt

    29. Da dem Forum größtenteils Rechtsanwender, Vertreter der nationalen Justizbehörden und der Hochschulen angehören werden, wird das Forum eine andere Sicht der Dinge bieten und bei Bedarf die justizielle Zusammenarbeit sowohl als Ganzes betrachten als auch einzelne EU-Maßnahmen gezielter überprüfen können.

    30. Das Forum wird in dieser Phase auch als Begutachtungsstelle der Generaldirektion Justiz, Freiheit und Sicherheit fungieren. In der Juni-Mitteilung 2006 ist das dreistufige Evaluierungsverfahren dieser Generaldirektion beschrieben, das alle ihre Arbeitsbereiche umfasst. Auf der ersten Stufe sind Informationserhebung und -austausch (mit Hilfe besonderer Informationsblätter) angesiedelt. Gegenstand dieser Informationstätigkeit sind politische Zielvorgaben und wichtige Rechtsinstrumente. Auf der zweiten Stufe werden diese Informationen geprüft und ausgewertet. Der dritte Schritt umfasst eine eingehendere Bewertung[13] ausgewählter Bereiche oder Instrumente. Das Verfahren ist so konzipiert, dass es auf gängige Praktiken aufbaut und vorhandene Daten nutzt. Es soll für den gesamten Bereich Justiz, Freiheit und Sicherheit gelten. Der Standpunkt der Mitgliedstaaten und der Zivilgesellschaft soll in Erfahrung gebracht und berücksichtigt werden. Die Kommission bemüht sich darum, Doppelarbeit auf EU- und nationaler Ebene zu vermeiden. Sie erörtert derzeit mit dem Rat, wie der Evaluierungsmechanismus genau aussehen soll und wie das auf der Grundlage der Mitteilung errichtete Netz der Kontaktstellen am besten eingesetzt werden kann. Das Forum wird einen Beitrag im Rahmen des allgemeinen Evaluierungsmechanismus leisten. Es wird konkreten Sachverstand einbringen, der sowohl für die Konsultation der Beteiligten[14] als auch für die eingehende strategische Bewertung[15] erforderlich ist. Aufgabe des Forums wird es unter anderem sein, Bereiche für eine eingehende Untersuchung vorzuschlagen und diese Untersuchungen zu beaufsichtigen und zu verwalten.

    3.1.4. Stärkung des Vertrauens

    31. Das Forum wird, indem es regelmäßig Fachleute zusammenbringt und einen Meinungsaustausch über die Umsetzung der EU-Instrumente, über die EU-Rechtspolitik und ihre Interaktion mit den nationalen Rechtssystemen fördert, einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung des gegenseitigen Verständnisses, zum allmählichen Aufbau einer gemeinsamen Rechtskultur und zur Förderung des gegenseitigen Vertrauens leisten.

    4. ZUSAMMENSETZUNG UND ARBEITSWEISE DES FORUMS

    4.1. Zusammensetzung

    32. Informationen müssen aus mehreren Quellen gewonnen werden: Von den Mitgliedstaaten, Justizbehörden, Rechtsanwendern, nichtstaatlichen Fachorganisationen, Vertretern von Hochschule und Lehre und idealerweise den Nutzern der Rechtssysteme. Die Mitgliedstaaten können Vertreter zu den Vollversammlungen des Forums und zu einzelnen Arbeitsgruppen entsenden, wenn sie dies wünschen. Einige mitgliedstaatliche Vertreter, die an dem Expertentreffen im September 2006 teilnahmen, stellten klar, dass sie nicht an einem aufwändigen Evaluierungsprozess teilnehmen wollten. Die Teilnahme an den Arbeiten des Forums sollte daher den Mitgliedstaaten freigestellt werden. Es wäre allerdings wünschenswert, wenn Vertreter der Mitgliedstaaten an den Vollversammlungen teilnehmen würden.

    33. Die Kommission wird einen Vertreter des Europarats – vorzugsweise der CEPEJ – einladen, am Forum teilzunehmen, damit jeder die Arbeit des anderen verfolgen kann, um auf diese Weise Doppelarbeit zu vermeiden und Komplementarität zu fördern.

    34. Eurojust und das Europäische Justizielle Netz (für Strafsachen[16] und für Zivil- und Handelssachen[17]) sowie andere europäische Fachorganisationen, die auf EU-Ebene im Justizbereich tätig sind, sollten im Forum vertreten sein. Die Kommission schätzt den Input von Netzen wie dem European Network of the Councils for the Judiciary (ENCJ - Europäisches Netz der Räte für das Justizwesen)[18], dem European Network of Presidents of Supreme Courts (Vereinigung der Präsidenten der Obersten Gerichte)[19], der Association of the Councils of State (Vereinigung der obersten Verwaltungsgerichte und Staatsräte)[20], der Vereinigung der Europäischen Verwaltungsrichter, dem Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE)[21], dem Richterverband der Europäischen Union[22], der European Criminal Bar Association (Europäische Strafverteidigerorganisation - ECBA)[23], Eurojustice[24], der europäischen Notarverband CNUE[25], der Europäischen Vereinigung von Schadenersatzjuristen PEOPIL[26] und dem Europäischen Netz für die Aus- und Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten. Die Kommission wird nichtstaatliche Fachorganisationen, die die Interessen der Betroffenen vertreten (z. B. MEDEL, JUSTICE, Amnesty International, Victim Support Europe[27]), zur Teilnahme am Forum einladen. Dies gilt auch für Rechtsexperten aus den Bewerberländern.

    35. Auch akademische Netzwerke (z. B. European Criminal Law Academic Network (ECLAN), International Association of Penal Law (AIDP) und Eurodefensor) sollen einbezogen werden, um einen wissenschaftlichen, objektiven Ansatz zu fördern und durch die Beteiligung von Sachverständigen mit unterschiedlichen Standpunkten einen kritischen Meinungsaustausch zu ermöglichen. Ferner sollen auch der EuGH und die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte in geeigneter Weise an den Arbeiten des Forums mitwirken.

    36. Je nach Diskussionsthema könnten zudem von Fall zu Fall weitere Sachverständige hinzugezogen werden, wenn sie über einschlägige Kenntnisse in dem betreffenden Bereich verfügen. Einige nationale Berufsorganisationen (wie Rechtsanwaltskammern) haben Interesse an bestimmten Maßnahmen gezeigt. Ihre Sichtweise ist anders als die ihrer europäischen Verbände. Ihre Beiträge werden, wenn sie dies wünschen, von Fall zu Fall in die Arbeit des Forums eingehen.

    4.2. Arbeitsweise des Forums

    37. Das Forum wird regelmäßig mehrmals im Jahr zusammenkommen. Einmal im Jahr wird eine Vollversammlung einberufen, während die Arbeitsgruppen so oft wie nötig zusammenkommen werden[28]. Die Arbeitsgruppen werden so gebildet, dass sie bestimmten Interessengebieten oder Themen gewidmet sind, die besonders aktuell sind. Denkbar wären Arbeitsgruppen für Zivil- und Strafrecht sowie für bestimmte Themen wie Prozesskostenhilfe, Zufriedenheit der Nutzer mit dem Gerichtssystem (z. B. Verfahrensdauer, Fairness), Behandlung der Opfer, Übersetzungs- und Dolmetschleistungen, Anhörung der Parteien, Beachtung des Rechts auf ein faires Verfahren, Vollstreckungsdauer, besserer Rechtsschutz für Verbraucher.

    38. Das Forum könnte im Zusammenhang mit dem Bericht der Kommission über die Umsetzung von EU-Recht im Einzelfall um eine externe Bewertung gebeten werden. Die Bewertungsarbeit des Forums wird sich ferner auf die Umsetzung von Rechtsakten (nach Ablauf der Umsetzungsfrist) beziehen sowie zu einem späteren Zeitpunkt (etwa fünf Jahre nach Inkrafttreten) auch auf den Erfolg der Maßnahmen.

    39. Um die Kontinuität der Arbeiten zu gewährleisten, sollte jede Organisation, die Mitglied des Forums ist, eine Person benennen, die nach Möglichkeit an jeder Sitzung des Forums teilnimmt. Regelmäßige Begegnungen im Rahmen des Forums ermöglichen ein besseres Kennenlernen und damit offenere Diskussionen und einen direkteren Meinungsaustausch, was der Kontinuität der Arbeiten förderlich ist.

    40. Ein wichtiger Aspekt der Forumsarbeit betrifft die Ermittlung bewährter Praktiken. Der Austausch bewährter Praktiken könnte mit Projekten im Rahmen von EU-Finanzierungsprogrammen gefördert werden.

    41. Das Forum wird bei der Auswahl der Preisträger der „Kristallwaage der Justiz“ mitwirken. 2005 riefen Kommission und Europarat den Wettbewerb um die „Kristallwaage“ ins Leben. Der Preis wird alle zwei Jahre im Bereich des Zivilrechts für innovative Justizleistungen (Gerichtsorganisation und Verfahren) in Europa vergeben, um auf diese Weise zu einer besseren Funktionsweise des Ziviljustizsystems beizutragen. Die Kommission plant, ergänzend dazu alle zwei Jahre einen Preis für ein länderübergreifendes Projekt zu vergeben, mit dem der Austausch bewährter Verfahren und die gegenseitige Kenntnis der Strafrechtsordnungen verbessert werden soll. Der Preis würde in dem Jahr vergeben, das auf die Vergabe des Ziviljustizpreises folgt. In Frage kämen Projekte, die komparative Studien und/oder konkrete Partnerschaftsprojekte (Zusammenarbeit zwischen einzelnen Gerichten, Staatsanwaltschaften, Anwaltskammern oder Strafvollzugs-/Bewährungshilfebehörden) zum Gegenstand haben.

    42. Das Forum wird sich auch mit Statistik befassen. Es mangelt derzeit an vergleichbaren Statistiken[29], so dass ein aussagekräftiger Vergleich der Justizsysteme schwierig ist; Verbesserungen sind jedoch in Sicht. Im Bereich der Strafjustiz sollen Statistiken jetzt, wo es eine eigens zu diesem Zweck eingesetzte EU-Expertengruppe gibt, systematischer erstellt werden[30]. Die Expertengruppe zur Ermittlung des Bedarfs der Politik an Kriminalitäts- und Strafverfolgungsdaten trat 2007 zweimal (im April und im Dezember) zusammen. Im Anschluss an die April-Sitzung wurden zwei themenspezifische Arbeitsgruppen – zum Menschenhandel und zur Geldwäsche – eingesetzt. Es wurde beschlossen, eine weitere Arbeitsgruppe zum Thema Kriminalstatistik einzusetzen. Im Zivilrechtsbereich stehen Statistiken aus einschlägigen Studien und Folgenabschätzungen zur Verfügung. Das Forum wird die Kommission unterstützen, indem sie zu diesen Statistiken Stellung nimmt, die statistische Methodik verbessert und die verfügbaren Daten besser nutzt.

    43. Um die Arbeitsergebnisse des Forums bekanntzumachen und Konsultation und Dialog zu fördern, wird eine Website für das Forum eingerichtet. Die Website soll dem Austausch der Forum-Mitglieder untereinander dienen und die Kommunikation mit anderen Beteiligten und Bürgern erleichtern. Ein großer Teil der Forum-Arbeiten und –studien wird auf der Website veröffentlicht werden.

    44. Die Kommission wird dem Rat und dem Europäischen Parlament regelmäßig über die Tätigkeit des Forums berichten.

    5. ERGEBNIS

    Mit dem Forum steht der Kommission ein ideales Instrument zur Verfügung, das ihr dabei hilft, die Wirkung bestehender EU-Regelungen und den Bedarf an neuen Regelungen besser einzuschätzen, und das ganz allgemein zur Förderung des gegenseitigen Vertrauens beiträgt. Das Forum bietet einen Ort, der einen regelmäßigen Austausch unterschiedlicher Erfahrungen und Standpunkte ermöglicht. Es vermittelt auf diese Weise eine bessere Kenntnis anderer Rechtssysteme und fördert das Verständnis für andere Sichtweisen. Die Regelmäßigkeit der Sitzungen, das breite Spektrum des Fachwissens und der Input aus allen Bereichen des Rechtswesens wird zu der im Haager Programm angekündigten systematischen, objektiven und unparteiischen Bewertung der EU-Rechtspolitik beitragen.

    [1] ABl. C 53 vom 3.3.2005, S. 1, Ziff. 3.2.

    [2] Empfehlung des Europäischen Parlaments an den Rat zur Qualität der Strafjustiz und zur Harmonisierung des Strafrechts in den Mitgliedstaaten, A6-0036/2005.

    [3] ABl. C 198 vom 12.8.2005, S. 1, Ziff. 4.1.

    [4] Die Lissabon-Strategie wurde von den Staats- und Regierungschefs auf der Tagung des Europäischen Rates in Lissabon (23./24. März 2000) ins Leben gerufen mit dem Ziel, die EU bis zum Jahr 2010 zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen und Vollbeschäftigung zu erreichen.

    [5] KOM(2006) 332 endg. vom 28.6.2006.

    [6] Z. B. wurde die Kommission in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zum Europäischen Haftbefehl vom Juni 2005 aufgefordert, die Mitgliedstaaten zu konsultieren, bevor sie ihren Bericht herausgibt, um Fehlinterpretationen einzelstaatlicher Bestimmungen zu vermeiden.

    [7] Gemeinsame Maßnahme 97/827/JI, vom Rat am 5. Dezember 1997 angenommen.

    [8] Beschluss 2002/996/JI des Rates vom 28. November 2002 zur Schaffung eines Mechanismus für die Begutachtung der einzelstaatlichen gesetzlichen Regelungen zur Bekämpfung des Terrorismus und ihrer Anwendung, ABl. L 349 vom 24.12.2002, S. 1.

    [9] Schlussbericht über die erste Begutachtungsrunde - Rechtshilfe in Strafsachen (2001/C 216/02).

    [10] KOM(2005) 195 vom 19.5.2005.

    [11] Siehe das Jahresarbeitsprogramm 2007.

    [12] Z. B. GRECO (Staatengruppe gegen Korruption) und MONEYVAL (Ausschuss zur Bewertung nationaler Maßnahmen zur Bekämpfung von Geldwäsche), die beide der FATF (Finanzielle Arbeitsgruppe zur Bekämpfung der Geldwäsche) nachgebildet sind, CPT (Europäisches Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe) und GRETA (Expertengruppe für die Bekämpfung des Menschenhandels, eingesetzt im Rahmen des Übereinkommens zur Bekämpfung des Menschenhandels).

    [13] Ziff. 4.1 der Juni-Mitteilung 2006.

    [14] Ziff. 4.1.1 der Juni-Mitteilung 2006.

    [15] Ibid., Rdnr. 32.

    [16] http://www.ejn-crimjust.europa.eu/ .

    [17] http://ec.europa.eu/civiljustice/.

    [18] http://www.encj.eu/encj/.

    [19] http://www.uepcsj.org/.

    [20] http://www.juradmin.eu.

    [21] http://www.ccbe.org.

    [22] http://www.amue-ejpa.org.

    [23] http://www.ecba.org.

    [24] http://www.eurojustice.org.

    [25] http://www.cnue.eu.

    [26] http://www.peopil.com.

    [27] http://www.euvictimservices.org.

    [28] Die Kosten, die bei den in der vorliegenden Mitteilung beschriebenen Tätigkeiten anfallen, werden aus den entsprechenden Finanzinstrumenten bestritten (insbesondere aus dem Programm „Strafjustiz“ – Beschluss 2007/126/JI des Rates).

    [29] Vgl. CEPEJ-Bericht und SPACE-Statistiken.

    [30] 2006/581/EG: Beschluss der Kommission vom 7. August 2006 über die Einsetzung einer Expertengruppe zur Ermittlung des Bedarfs der Politik an Kriminalitäts- und Strafverfolgungsdaten, ABl. L 234 vom 29.8.2006, S. 29.

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