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Document 52005PC0651

    Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 über die Einzelheiten der Anwendung der Artikel 85 und 86 des Vertrages auf den Seeverkehr und zur Ausweitung des Anwendungsbereichs der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 auf Kabotage und internationale Trampdienste {SEK(2005) 1641}

    /* KOM/2005/0651 endg. - CNS 2005/0264 */

    52005PC0651

    Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 über die Einzelheiten der Anwendung der Artikel 85 und 86 des Vertrages auf den Seeverkehr und zur Ausweitung des Anwendungsbereichs der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 auf Kabotage und internationale Trampdienste {SEK(2005) 1641} /* KOM/2005/0651 endg. - CNS 2005/0264 */


    [pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

    Brüssel, den 14.12.2005

    KOM(2005) 651 endgültig

    2005/0264 (CNS)

    Vorschlag für eine

    VERORDNUNG DES RATES

    zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 über die Einzelheiten der Anwendung der Artikel 85 und 86 des Vertrages auf den Seeverkehr und zur Ausweitung des Anwendungsbereichs der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 auf Kabotage und internationale Trampdienste

    (von der Kommission vorgelegt) {SEK(2005) 1641 }

    BEGRÜNDUNG

    1. ALLGEMEINES

    Der Seeverkehr hat für die wirtschaftliche Entwicklung der EU eine Schlüsselstellung. Die für diesen Sektor geltenden Vorschriften müssen daher den heutigen Marktbedingungen angepasst sein. Nach der Lissabon-Agenda gilt es, die bestehenden Wettbewerbs-, Innovations- und Wachstumshindernisse für EU-Unternehmen zu beseitigen. Die Rechtsetzung muss vereinfacht und kosteneffizient werden. Außerdem führt die Kommission derzeit eine breit angelegte Konsultation zu einer neuen umfassenden Meerespolitik durch, die auf die Entwicklung einer prosperierenden maritimen Wirtschaft abzielt. Auch dieser Vorschlag dient diesem Ziel.

    1.1. Verordnung 4056/86 des Rates

    1. Die Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 legt die Einzelheiten der Anwendung der Wettbewerbsvorschriften (Artikel 81 und 82 EG-Vertrag) auf den Seeverkehr fest.

    2. Ursprünglich erfüllte die Verordnung zweierlei Aufgaben. Sie enthielt Verfahrensvorschriften für die Durchsetzung der Wettbewerbsregeln der EG im Seeverkehr. Nach dem 1. Mai 2004, als der Seeverkehr Gegenstand der allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Durchführungsvorschriften der Ratsverordnung (EG) Nr. 1/2003 wurde, entfiel diese Aufgabe. Außerdem enthielt sie spezifische materiellrechtliche Wettbewerbsvorschriften für den Seeverkehr, insbesondere eine Gruppenfreistellung für Linienkonferenzen, die es diesen gestattete, unter bestimmten Bedingungen Preise festzulegen und die Transportkapazität zu regeln.

    3. Liniendienste machen im Containerverkehr wertmäßig rund 40% des Seeweg-Außenhandels der EU25 aus. Das bedeutet, dass 18% der Einfuhren und 21% der Ausfuhren der EU25 davon betroffen sind, dass die Verkehrsunternehmen entsprechend der Gruppenfreistellung ihre Preise gemeinsam festlegen können.

    1.2. Überprüfung der Verordnung 4056/86

    4. Seit Annahme der Verordnung 4056/86 hat sich der Linienschifffahrtsmarkt erheblich gewandelt. Der anhaltende Trend zur Containerisierung hat zu einer Zunahme der Zahl und Größe von Vollcontainerschiffen sowie zur wachsenden Bedeutung der globalen Routennetze geführt, was dazu beigetragen hat, dass sich Konsortien und Allianzen aus Gründen der Kostenaufteilung großer Beliebtheit erfreuen. Die zunehmende Verbreitung dieser operationellen Abmachungen ging mit der abnehmenden Bedeutung der Konferenzen einher. Besonders ausgeprägt war dieser Trend im Handel zwischen der EU und den Vereinigten Staaten, was auf die wettbewerbsfördernden Entscheidungen der Kommission nach Artikel 81 und 82 EG-Vertrag sowie auf Änderungen der US-Vorschriften zurückzuführen ist, die individuelle Dienstkontrakte zum Nachteil der Konferenztarif-Beförderung begünstigen.

    5. Die Verkehrsnutzer (Verlader und Spediteure) suchen kundenzentrierte Beziehungen zu den Seeverkehrsunternehmen, gegenseitige leistungsorientierte Kompensation und integrierte Logistiklösungen. Sie haben das Konferenzsystem grundsätzlich in Frage gestellt, weil es ihrer Auffassung nach keine ihren Bedürfnissen entsprechenden angemessenen, effizienten und zuverlässigen Dienste hervorbringt. Sie fordern die Abschaffung der Linienkonferenzen.

    6. Auch andere Gerichtsbarkeiten und internationale Organisationen zweifeln am Nutzen der Beibehaltung des Konferenzsystems. Im April 2002 veröffentlichte die OECD einen Bericht[1], in dem die Mitgliedsländer aufgefordert werden, die wettbewerbsrechtlichen Ausnahmeregelungen für die gemeinsame Preisbildung aufzuheben, diejenigen für andere operationelle Vereinbarungen zwischen Liniendiensten jedoch beizubehalten. Auch Australien hat eine Überprüfung des Sektors durchgeführt und ist zu ähnlichen Schlussfolgerungen gelangt[2].

    7. Vor diesem Hintergrund leitete die Kommission eine Überprüfung der Verordnung 4056/86 ein, um festzustellen, ob sich eine zuverlässige Linienschifffahrt auch durch weniger restriktive Maßnahmen als horizontale Preisfestlegung und Kapazitätsregulierung erreichen lässt. Im März 2003 erschien ein Konsultationspapier, gefolgt von einer öffentliche Anhörung im Dezember 2003 und der Annahme eines Weißbuches im Oktober 2004. Von allen Beteiligten gingen zahlreiche Vorschläge ein. Das Europäische Parlament[3], der Wirtschafts- und Sozialausschuss[4] und der Ausschuss der Regionen[5] gaben Stellungnahmen ab. Es wurden drei Zusammenkünfte mit Wettbewerbs- und Verkehrssachverständigen aus den Mitgliedstaaten abgehalten. Die Kommission gab drei Studien bei unabhängigen Beratern in Auftrag, um in Erfahrung zu bringen, welche Auswirkungen eine Aufhebung der Gruppenfreistellungsverordnung haben würde. Sämtliche Dokumente können auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb eingesehen werden[6].

    1.3. Gegenstand

    8. Durch den Verordnungsvorschlag soll die Verordnung 4056/86, insbesondere die Gruppenfreistellung für Linienkonferenzen (Artikel 3 bis 8, 13 und 26) vollständig aufgehoben werden. Einige redundante Bestimmungen werden auch aufgrund der allgemeinen Politik der EG zur Vereinfachung der Rechtsetzung der Gemeinschaft aufgehoben (Artikel 2 und 9).

    9. Schließlich wird die Verordnung 1/2003 des Rates geändert, um Tramp- und Kabotagedienste in den Geltungsbereich der wettbewerbsrechtlichen Durchführungsbestimmungen aufzunehmen.

    1.4. Rechtsgrundlage

    10. Rechtsgrundlage für diesen Vorschlag für eine Verordnung ist Artikel 83 EG-Vertrag. Auch der ursprüngliche Vorschlag der Kommission für die Verordnung 4056/86 legte Artikel 87 (nunmehr 83) EG-Vertrag zugrunde. Der Rat hielt Artikel 87 für die geeignete Rechtsgrundlage der Verordnung, fügte allerdings Artikel 84 Absatz 2 (nunmehr Artikel 80 Absatz 2 EG-Vertrag) hinzu, da Artikel 9 der Verordnung Rechtskollisionen mit Drittländern zum Gegenstand hatte. Die Kommission behielt sich förmlich ihre Stellungnahme vor und erklärte, dass Artikel 87 die geeignete Rechtsgrundlage für die gesamte Verordnung einschließlich Artikel 9 sei.

    11. Üblicherweise erhalten Maßnahmen der Gemeinschaft die gleiche Rechtsgrundlage wie die ursprünglichen Rechtsakte, es sei denn, die Rechtsgrundlage der ursprünglichen Maßnahme kann als unrichtig gelten. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist Artikel 84 Absatz 2 EG-Vertrag als Rechtsgrundlage der Verordnung 4056/86 redundant und unwirksam, da sich Ziel und Gegenstand der Verordnung 4056/86 einschließlich Artikel 9 auf das Wettbewerbsrecht beziehen. Folglich sollte die Rechtsgrundlage für den Vorschlag für eine Verordnung zur Aufhebung der Verordnung 4056/86 ausschließlich Artikel 83 EG-Vertrag sein.

    1.5. Kabotage und Trampdienste

    1.5.1. Allgemeines

    12. Kabotage und internationale Trampdienste sind derzeit die einzigen Sektoren, die noch von den wettbewerbsrechtlichen Durchführungsbestimmungen der Gemeinschaft ausgenommen sind[7]. Die fehlenden Durchsetzungsbefugnisse in diesen Bereichen stellen vom regelungspolitischen Standpunkt aus gesehen eine Unregelmäßigkeit dar.

    13. Der Vorschlag, diese Dienste in den Anwendungsbereich der gemeinsamen wettbewerbsrechtlichen Durchführungsbestimmungen zu überführen, bedeutet für die betroffenen Unternehmen keine wesentliche Änderung, da die materiellrechtlichen Wettbewerbsvorschriften der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag bereits anwendbar sind.

    1.5.2. Kabotage

    14. Die Verordnung 4056/86 enthält keine Begründung dafür, dass Kabotage aus ihrem Anwendungsbereich ausgenommen wird. Der einzige indirekte Hinweis ist im sechsten Erwägungsgrund enthalten, in dem es heißt, dass eine zu weitgehende Reglementierung in diesem Wirtschaftszweig vermieden werden soll, was impliziert, dass in den meisten Fällen die Kabotagedienste nicht den innergemeinschaftlichen Handel beeinträchtigen. Dies rechtfertigt allerdings nicht, dass diese Dienste von vorneherein aus dem Anwendungsbereich der Verordnung 1/2003 ausgenommen sein sollten.

    1.5.3. Trampdienste

    15. Zu den nicht regelmäßigen Massenguttransporten und Transporten von Stückgut (break-bulk) im Seeverkehr zählen hochdifferenzierte Dienste mit erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung, von denen die meisten eindeutig eine europäische Dimension aufweisen. Der vierte Erwägungsgrund der Verordnung 4056/86 lässt vermuten, dass der Ausschluss dieser Dienste darauf zurückzuführen ist, dass sie auf einem freien und wettbewerbsorientierten Markt angeboten werden. Dies sollte allerdings bei sämtlichen deregulierten Diensten der Fall sein, ohne dass es notwendig erscheint, diese aus dem Anwendungsbereich von Durchführungsvorschriften auszuschließen.

    16. Die Aufnahme dieser Dienste in den Anwendungsbereich der Durchführungsverordnung wird die Rechtssicherheit erhöhen. Nach der Verordnung 4056/86 müssen sowohl die Unternehmen als auch die Wettbewerbsbehörden beträchtliche Ressourcen darauf verwenden zu bewerten, ob ein Dienst sämtliche fünf Kriterien von Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe a der Verordnung[8] erfüllt und sodann zu beschließen, wer welche Maßnahmen ergreifen soll.

    1.5.4. Leitlinien für Trampdienste

    17. Während der Konsultation wurde mehrfach auf die Notwendigkeit hingewiesen, für die Trampdienste Leitlinien für die Anwendung der EG-Wettbewerbsvorschriften anzubieten. Die Kommission erklärte in ihrem Weißbuch, sie werde möglicherweise eine Art von Leitfaden in einer noch zu beschließenden Form herausgeben. In diesem Zusammenhang führt die Kommission derzeit Gespräche mit Betreibern von Trampdiensten, um deren Anliegen genau zu ermitteln. Die Kommission ist entschlossen, diese Gespräche voranzutreiben und festzustellen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang diese Vereinbarungen neuartige Fragen aufwerfen, auf die die Rechtsprechung und die Praxis der Kommission noch Antworten finden müssen.

    18. Die Kommission beabsichtigt Leitlinien zu erstellen, die erklären sollen, wie die EG-Wettbewerbsregeln auf die Seeschifffahrt im Allgemeinen, und auf die Trampdienste im Besonderen, angewendet werden. Wenngleich förmliche Leitlinien erst erscheinen können, sobald die Kommission durch die Verordnung 1/2003 hierzu ermächtigt ist, untersucht sie derzeit gemeinsam mit der Industrie, ob es notwendig und angezeigt ist, einen formlosen Leitfaden herauszugeben, bevor die Verordnung 1/2003 geändert wird.

    1.6. Technische Vereinbarungen

    19. Nach Artikel 2 der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 gilt das Verbot von Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag nicht für Vereinbarungen, die ausschließlich die Anwendung technischer Verbesserungen oder die technische Zusammenarbeit bezwecken oder bewirken, da sie den Wettbewerb nicht einschränken.

    20. Wenn eine Vereinbarung den Wettbewerb im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag einschränkt, ist Artikel 2 nicht anwendbar. Deshalb muss jede technische Vereinbarung, selbst eine in Artikel 2 genannte, einzeln bewertet werden. In der Vergangenheit war die Anwendung dieses Artikels nicht einfach und hat zu Kosten für die Unternehmen geführt. Die Seeverkehrsunternehmen haben Artikel 2 häufig weit ausgelegt, während die Kommission und das Gericht erster Instanz die Auffassung vertreten, dass Vereinbarungen, die nicht rein technischer Natur sind, sondern auch irgendeine Form geschäftlicher Zusammenarbeit einschließen, in den Anwendungsbereich von Artikel 81 Absatz 1 EG[9] und somit nicht unter Artikel 2 fallen. Dies hat zu Rechtsstreitigkeiten geführt.

    21. Es wurde vorgebracht, dass Artikel 2 trotz seiner deklaratorischen Natur beibehalten werden sollte, da er vor allem im Zusammenhang mit der Modernisierung, wenn Unternehmen selbst bewerten müssen, ob ihre Vereinbarungen unter Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag fallen, Anhaltspunkte liefern könnte. Die Kommission und der Gerichtshof haben in ihren Entscheidungen keinen Zweifel daran gelassen, dass diese Bestimmung einen sehr begrenzten Anwendungsbereich hat und es lediglich darum geht zu bestätigen, dass Vereinbarungen, die zunächst einmal den Wettbewerb nicht beschränken, nicht unter Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag fallen und somit nicht verboten sind[10]. Insofern stellt Artikel 2 keine zusätzliche Rechtssicherheit her. Außerdem ist daran zu erinnern, dass der Rat im Jahr 2004 aus ähnlichen Gründen eine vergleichbare Bestimmung über technische Vereinbarungen im Luftverkehr aufgehoben hat[11].

    1.7. Gruppenfreistellung für Linienkonferenzen

    22. Die Gruppenfreistellung ist sowohl äußerst großzügig als auch einmalig. Großzügig ist sie, da sie es Linienkonferenzen gestattet, Maßnahmen zu ergreifen, die normalerweise als klare Wettbewerbsbeschränkung gelten (gemeinsame Festlegung von Preisen und Kapazitätsregulierung) und die voraussichtlich nicht die Bedingungen von Artikel 81 Absatz 3 erfüllen[12]. Sie ist einmalig, da sie Gegenstand einer Verordnung des Rates[13] ist, die angenommen wurde, obgleich die Kommission noch keine Erfahrung mit der Gewährung von Einzelfreistellungen in diesem Sektor gesammelt hatte. Ferner enthält sie keine Schwellenwerte für Marktanteile und ist zeitlich unbefristet.

    23. Die Gründe für die Annahme dieser außergewöhnlich großzügigen Gruppenfreistellungsverordnung sind nur im historischen und politischen Kontext zu suchen. Sie war das Ergebnis von Gesprächen, mit denen die widersprüchlichen Anforderungen des UNCTAD-Verhaltenskodexes für Linienkonferenzen[14], dem einige Mitgliedstaaten beigetreten waren, und des EWG-Vertrags miteinander in Einklang gebracht werden sollten.

    24. Die Industrie hat versucht, die Bestimmungen der Gruppenfreistellung großzügig anzuwenden, so dass sämtliche Tätigkeiten einbezogen wurden, von denen die Seeverkehrsunternehmen annahmen, dass sie für die Anpassung an sich verändernde Marktbedingungen nützlich oder notwendig seien. Dies führte zu einer Reihe von Kommissionsentscheidungen und anschließenden gerichtlichen Verfahren, in denen das Gericht erster Instanz bestätigte, dass die Gruppenfreistellung trotz ihres außergewöhnlichen Charakters die Wettbewerbsbestimmungen des Vertrages nicht aufheben kann und folglich eng ausgelegt werden muss[15].

    25. Die Begründung für die Gruppenfreistellung für Linienkonferenzen lautet im Wesentlichen, dass Konferenzen für Stabilität sorgen und zuverlässige Dienste für Exporteure gewährleisten, was durch weniger restriktive Maßnahmen nicht zu erreichen sei.

    26. Nach einem eingehenden Überprüfungsprozess ist die Kommission zu dem Ergebnis gekommen, dass Linienkonferenzen nicht einzigartig sind und ihre Kostenstrukturen nicht wesentlich von denen anderer Branchen abweichen. Somit erscheint es nicht notwendig, diese Branche vor dem Wettbewerb zu schützen.

    27. Unter den gegenwärtigen Marktbedingungen sind die vier kumulativen Voraussetzungen von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag, mit denen eine Ausnahme vom Verbot der Preisfestlegung und Kapazitätsregulierung für Linienkonferenzen gerechtfertigt werden muss, nicht erfüllt.

    28. Um die erste Voraussetzung von Artikel 81 Absatz 3 EG-Verträge zu erfüllen, muss ersichtlich sein, dass sich konkrete wirtschaftliche Vorteile aus der Preisfestlegung und Kapazitätsregulierung durch die Konferenzen ergeben. Es muss ein direkter kausaler Zusammenhang zwischen der angeblichen Stabilität und der Erbringung zuverlässiger Seeverkehrsdienste bestehen.

    29. Seeverkehrsunternehmen betrachten die Zuverlässigkeit der Dienste als den wichtigsten Vorteil der Konferenzen. Aber die Konferenzen sind auf dem Markt heute nicht in der Lage, den Konferenztarif durchzusetzen und die Kapazitäten zu regeln, die auf dem Markt verfügbar sind. Die meisten Ladungen werden häufiger im Rahmen vertraulicher Einzelvereinbarungen zwischen Seeverkehrsunternehmen und Verkehrsnutzern als entsprechend dem Konferenztarif befördert. Der Anteil der Kontraktfracht ist sehr hoch und reicht von 90 % und mehr auf den transatlantischen Routen bis zu 75 % auf den Routen von Europa nach Australien. Gleiches gilt für die Routen von Europa nach dem Fernen Osten. Insofern werden unter den gegenwärtigen Marktbedingungen die Preisstabilität und Zuverlässigkeit der Dienste durch individuelle Servicekontrakte erzielt.

    30. Die zweite Voraussetzung von Artikel 81 Absatz 3 lautet, dass die Verbraucher angemessen am Gewinn beteiligt werden müssen, wenn durch Linienkonferenzen ein solcher entsteht. Die Verkehrsnutzer (Verlader und Spediteure) können jedoch keine Vorteile der Preisfestlegung durch die Konferenzen erkennen und fordern deren Abschaffung. Wenngleich der Konferenztarif nicht mehr durchgesetzt wird, mag er bisweilen als Bezugsgröße für die Festlegung von Einzelverträgen gelten. Außerdem setzen Konferenzen Aufschläge fest, und gleich hohe Aufschläge oder Ausgleichsfaktoren werden häufig von Nichtkonferenzmitgliedern verlangt. Diese Gebühren und Aufschläge machen im Durchschnitt 30% des Transportpreises aus.

    31. Nach der dritten Voraussetzung von Artikel 81 Absatz 3 lautet die Frage im Wesentlichen, ob es Alternativen gibt, die ein geringeres Maß an Wettbewerbsbeschränkung als bei der Preisfestsetzung durch die Konferenzen beinhalten und verlässliche Liniendienste zugunsten der Verbraucher gewährleisten.

    32. Heutzutage werden regelmäßige Liniendienste auf verschiedene Weise erbracht. Unabhängige Seeverkehrsunternehmen, die keiner Konferenz angehören, sind in allen Fahrtgebieten von und nach Europa zu finden. Kooperationsvereinbarungen zwischen Liniendiensten ohne Preisfestsetzung wie Konsortien und Allianzen[16] haben zugenommen und verfügen über wesentliche Marktanteile auf allen wichtigen Routen. Unter bestimmten Bedingungen gilt gemäß der Verordnung (EG) Nr. 823/2000 vom 19. April 2000[17] eine Gruppenfreistellung vom Verbot des Artikels 81 für Konsortien, die die Tätigkeiten ihrer Mitglieder rationalisieren und die Größenvorteile bei Schiffen und Hafenanlagen nutzen. Die meisten Ladungen werden im Rahmen vertraulicher individueller Servicekontrakte zwischen einzelnen Verkehrsunternehmen und einzelnen Verladern befördert. Die gemäß der Verordnung 4056/86 zulässigen Wettbewerbsbeschränkungen (Preisfestsetzung und Kapazitätsregulierung) sind somit für die Erbringung zuverlässiger Seeverkehrsdienste nicht unerlässlich.

    33. Nach der vierten Voraussetzung von Artikel 81 Absatz 3 darf schließlich nicht auf einem wesentlichen Teil des Marktes der Wettbewerb ausgeschaltet werden. Konferenzen üben ihre Tätigkeit neben Konsortien, Allianzen und unabhängigen Unternehmen aus. Insofern hat es den Anschein, als sei die vierte Voraussetzung von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag erfüllt. Da die vier Voraussetzungen von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag jedoch als kumulativ aufzufassen sind und die ersten drei Voraussetzungen aus den oben dargelegten Gründen nicht erfüllt sind, kann die Frage, ob die vierte Voraussetzung erfüllt ist, offen bleiben.

    34. Ungeachtet dessen sind Seeverkehrsunternehmen vermutlich Mitglieder einer Konferenz auf einer bestimmten Route und Außenseiter auf einer anderen. Möglicherweise sind sie auch auf demselben Markt Mitglieder von Konferenzen und von Konsortien oder Allianzen und kumulieren auf diese Weise die Vorteile der beiden Gruppenfreistellungen. In allen Fällen tauschen sie mit ihren Wettbewerbern sensible Geschäftsdaten aus, die sie möglicherweise in die Lage versetzen, ihr Verhalten auf dem Markt anzupassen. Bei den Gebühren und Aufschlägen, die durchschnittlich 30% des Transportpreises ausmachen, besteht außerdem eindeutig kein Wettbewerb für diesen Teil des Preises. In Anbetracht der immer größeren Zahl von Verbindungen zwischen den Seeverkehrsunternehmen muss die Bewertung, in welchem Maße eine bestimmte Konferenz dem wirksamen Wettbewerb ausgesetzt ist, im Einzelfall vorgenommen werden.

    1.8. Rechtskollision

    35. Linienkonferenzen wurden traditionell weltweit toleriert. Bisher hat keine Rechtsprechung völlig ihre wettbewerbsrechtliche Immunität oder Freistellung aufgehoben. Wenn die EU als erste die Gruppenfreistellung für Linienkonferenzen aufhebt, stellt sich die Frage, ob die Gefahr einer internationalen Rechtskollision besteht.

    36. Nach Auffassung der Kommission besteht diese Gefahr bei Aufhebung der Gruppenfreistellung nicht. Eine Rechtskollision würde nur dann entstehen, wenn ein Gericht etwas anordnet , das ein anderes verbietet. Der Kommission ist nicht bekannt, dass irgendwo eine solche Verpflichtung für Seeverkehrsunternehmen besteht.

    37. Wenn die Gruppenfreistellung aufgehoben wird, dürften sämtliche Seeverkehrsunternehmen (aus der EU und von außerhalb der EU), die Konferenzen angehören, keine Preisfestsetzungen und Kapazitätsregulierungen auf diesen Routen mehr vornehmen. In Anbetracht der Definition von Konferenzen würde dies bedeuten, dass diese nicht mehr auf den Routen von und nach der Gemeinschaft tätig sind. Es würde die Seeverkehrsunternehmen nichts daran hindern, auf anderen Routen (außerhalb der EU) weiterhin Konferenzen anzugehören.

    38. Artikel 9 der Verordnung 4056/86 schreibt vor, wie zu verfahren ist, wenn die Verordnung mit den gesetzlichen Vorschriften eines Drittlandes kollidiert. Diese Bestimmung ist überflüssig, da es sich um ein Standardverfahren handelt. Sollte ein die Wettbewerbsvorschriften betreffender Konflikt entstehen, so konsultiert die Kommission das Drittland, um die Auswirkungen der unterschiedlichen Bestimmungen zu mindern; anschließend ergreift sie die zusätzlichen Maßnahmen, die notwendig sind.

    39. Die Wettbewerbsvorschriften werden nicht in allen Ländern gleich angewandt. Die zunehmende Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit zwischen den Wettbewerbsbehörden ist weitgehend anerkannt. Daher verfolgt die Kommission zwei Ziele: einerseits unterstützt sie die bilaterale Zusammenarbeit mit den wichtigsten Handelspartnern der Europäischen Gemeinschaft, und andererseits prüft sie Möglichkeiten, die multilaterale Zusammenarbeit in Wettbewerbsfragen auszudehnen.Aus diesem Grund und auch in Anbetracht des allgemeinen politischen Ziels der EU, die Gemeinschaftsvorschriften zu vereinfachen, sollte Artikel 9 aufgehoben werden.

    1.9. Die Notwendigkeit einer Alternative zum Konferenzsystem

    40. Die Industrie ist geteilter Meinung über die Frage, ob im Falle einer Aufhebung der Gruppenfreistellung für Linienkonferenzen eine Alternative notwendig ist. Die Verkehrsnutzer halten die bestehenden Alternativen wie die Gruppenfreistellung für Konsortien für ausreichend. Die Seeverkehrsunternehmen hingegen sehen die Notwendigkeit einer neuen Gruppenfreistellung.

    41. Der Europäische Linienverkehrsbranchenverband (European Liner Affairs Association, ELAA), der etwa 80 % der weltweiten Beförderungskapazität repräsentiert, hat vorgeschlagen, die Gruppenfreistellung für Linienkonferenzen durch ein Informationsaustauschsystem zu ersetzen. Ein solches System könnte den gesamten Linienseeverkehr abdecken und wäre somit umfassender als die geltende Gruppenfreistellung für Linienkonferenzen.

    42. Um akzeptabel zu sein, müsste ein solches System die Rechtsprechung des Gerichtshofes und die Kommissionspraktiken für den Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern berücksichtigen. Einige Aspekte des vom ELAA vorgelegten Vorschlags scheinen diese Anforderung zu erfüllen, andere hingegen sind vor allem deshalb problematisch, weil sich ihre Auswirkungen nicht von denen der heutigen Linienkonferenzen unterscheiden. Würde der Vorschlag als solches angenommen, würden alle wettbewerbsfördernden Effekte, die durch die Abschaffung des Konferenzsystems entstehen, zunichte gemacht.

    43. Die Kommission möchte den Dialog mit der Industrie weiterführen, um klare Hinweise und belegte Fakten zur Klärung der Frage zu erhalten, was die Industrie benötigt, um wirksam zu funktionieren. Da die EG-Wettbewerbsregeln noch nie voll auf die Linienschifffahrt anwendbar waren, wird die Kommission entsprechende Leitlinien zum Wettbewerb in der Seeschifffahrt erstellen, um einen reibungslosen Übergang zu einer vollen Anwendung der EG-Wettbewerbsregeln zu gewährleisten. Die Leitlinien sollten Ende 2007 verkündet werden und würden Punkte behandeln wie ein unabhängiger Datenmarkt, die Gründung eines Handelsverbandes und Handelsforums, die Veröffentlichung eines Preisindexes und allgemeine Berechungsformeln für Raten und Zuschläge. Zweck der Leitlinien ist unter anderem, zu erklären, wie die EG-Wettbewerbsregeln auf die Linienschifffahrt im Allgemeinen angewendet werden, einschließlich zeitgerechter und regelmäßiger Austausch von Informationen über Kapazität und Auslastung. Als ein Zwischenschritt der Erarbeitung der Leitlinien wird die Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission im September 2006 ein „Arbeitspapier“ zu dem Vorschlag der ELAA veröffentlichen.

    1.10. Die Auswirkungen der Aufhebung der Verordnung 4056/86

    1.10.1. Wirtschaftliche Auswirkungen

    Wie die beiliegende Abschätzung der wirtschaftlichen Folgen zeigt, stellt die Aufhebung der Gruppenfreistellung für Linienkonferenzen und der Artikel 2 und 9 die bestmögliche Lösung dar, um die Beförderungskosten zu senken und gleichzeitig die Zuverlässigkeit der Dienste in allen Verkehrsbereichen aufrechtzuerhalten, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und insbesondere der europäischen Verkehrsnutzer zu erhöhen, ohne die Wettbewerbsfähigkeit der Seeverkehrsunternehmen zu gefährden, und um das in der Lissabon-Agenda festgelegte Ziel der einfachsten und kostengünstigsten legislativen Option zu verwirklichen.

    1.10.2. Internationale Auswirkungen

    44. Vierzehn Mitgliedstaaten haben von der in der Verordnung (EWG) Nr. 954/79 des Rates vorgesehenen Möglichkeit der Ratifizierung des UNCTAD-Verhaltenskodex für Linienkonferenzen Gebrauch gemacht. Gleichwohl wird der Verhaltenskodex in der Praxis nicht angewandt, und seit Anfang der Neunzigerjahre sind ihm auch keine weiteren Vertragsparteien beigetreten.

    45. Falls die Gruppenfreistellung für Linienkonferenzen aufgehoben wird, ist die Anwendung des Verhaltenskodex nicht mehr mit den Wettbewerbsvorschriften der Gemeinschaft vereinbar. Alle Mitgliedstaaten, die ihn ratifiziert haben, müssten ihn wieder kündigen.[18] Zudem müsste der Gemeinschaftsgesetzgeber aus Gründen der Kohärenz die Verordnung 954/79 aufheben. Die Kommission wird einen entsprechenden Vorschlag vorlegen.

    46. Außerdem müssten allen innerstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die zur Umsetzung der Verordnung 954/79 erlassen wurden, geändert werden. Zwei Mitgliedstaaten müssten möglicherweise ihre internationalen Übereinkünfte mit Drittländern, die auf den Verhaltenskodex bzw. die Verordnung 4056/86 verweisen, überprüfen.

    47. Daher sollte die Anwendung der sich auf die Gruppenfreistellung für Linienkonferenzen beziehenden Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 4056/86 um zwei Jahre verschoben werden. Dies betrifft Artikel 1 Absatz 3 Buchstaben b und c, die Artikel 3 bis 8 und Artikel 26.

    48. Die Aufhebung der Gruppenfreistellung für Linienkonferenzen hätte keine Auswirkungen auf die von der EU unterzeichneten internationalen Übereinkünfte mit Verweisen auf die Verordnung 4056/86 und/oder den Verhaltenskodex. Derzeit gibt es vierzehn derartige Übereinkünfte.[19] Nach der Formulierung der Bestimmungen zu urteilen, ist nach Auffassung der Kommission im Falle der Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 durch den Rat keine Änderung dieser Übereinkünfte erforderlich, da das Recht der Seeverkehrsunternehmen jeder Vertragspartei, außerhalb der Konferenzen tätig zu werden, von diesen Übereinkünften unberührt bleibt.

    2. SCHLUSSFOLGERUNGEN

    49. Die Kommission schlägt vor, dass der Rat den beiliegenden Vorschlag für eine Verordnung zur Aufhebung der Verordnung 4056/86 und Änderung der Verordnung 1/2003 annimmt.

    50. Die vorgeschlagene Verordnung stellt darauf ab,

    - sämtliche noch geltenden Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 aufzuheben und

    - Artikel 32 der Verordnung (EG) 1/2003, durch den Trampdienste und Kabotage vom Anwendungsgebiet der Verordnung ausgenommen werden, zu streichen.

    51. Der von der Kommission mit dieser Mitteilung vorgelegte Vorschlag für eine Verordnung ist für den Europäischen Wirtschaftsraum von Bedeutung.

    2005/0264 (CNS)

    Vorschlag für eine

    VERORDNUNG DES RATES

    zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 über die Einzelheiten der Anwendung der Artikel 85 und 86 des Vertrages auf den Seeverkehr und zur Ausweitung des Anwendungsbereichs der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 auf Kabotage und internationale Trampdienste (Text von Bedeutung für den EWR)

    DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION -

    gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 83,

    auf Vorschlag der Kommission[20],

    nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments[21],

    nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses[22],

    nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen[23],

    in Erwägung nachstehender Gründe:

    (1) Seit 1986 erfolgt die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf den Seeverkehr nach Maßgabe der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 des Rates vom 22. Dezember 1986 über die Einzelheiten der Anwendung der Artikel 85 und 86 des Vertrages auf den Seeverkehr[24]. Ursprünglich erfüllte die Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 zwei Aufgaben: Zum einen enthielt sie Verfahrensvorschriften für die Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Seeverkehrs, und zum anderen enthielt sie spezifische materiellrechtliche Wettbewerbsvorschriften für den Seeverkehr (insbesondere eine Gruppenfreistellung für Linienkonferenzen, die es letzteren gestattete, unter bestimmten Bedingungen Preise festzulegen und die Transportkapazität zu regeln) und sah unter anderem die Ausnahme von rein technischen Vereinbarungen von Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag sowie ein Verfahren für das Vorgehen bei einer internationalen Rechtskollision vor. Die Verordnung galt nicht für Seeverkehrsdienstleistungen, die ausschließlich zwischen Häfen ein und desselben Mitgliedstaates erbracht werden (Kabotage), und auch nicht für internationale Trampdienste.

    (2) Die Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln[25] dahingehend geändert, dass die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Durchführungsvorschriften der Gemeinschaft mit Wirkung vom 1. Mai 2004 auf den Seeverkehr (ausgenommen Kabotage und internationale Trampdienste) ausgedehnt wurden. Die spezifischen materiellrechtlichen Wettbewerbsvorschriften für den Seeverkehr fallen jedoch nach wie vor in den Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86.

    (3) Durch die Gruppenfreistellung für Linienkonferenzen gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 wurden bestimmte Arten von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen zwischen allen oder einzelnen Mitgliedern einer oder mehrerer Linienkonferenzen, die bestimmte Bedingungen erfüllen, von dem durch Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag ausgesprochenen Kartellverbot freigestellt. Dies wurde vor allem damit begründet, dass Linienkonferenzen eine stabilisierende Rolle spielen, indem sie den Verladern zuverlässige Dienste gewährleisten, die durch weniger restriktive Maßnahmen nicht gewährleistet werden könnten. Bei einer gründlichen Prüfung des Gewerbes durch die Kommission hat sich gezeigt, dass der Linienseeverkehr nicht außergewöhnlich ist, denn seine Kostenstruktur weicht nicht wesentlich von der anderer Gewerbe ab. Es ist daher nicht ersichtlich, dass der Linienseeverkehr vor Wettbewerb geschützt werden muss.

    (4) Die erste Ausnahmebedingung gemäß Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag ist, dass die betreffende restriktive Vereinbarung zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -erteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen muss. Was die durch Konferenzen ermöglichten Effizienzgewinne anbelangt, so gelingt es den Konferenzen zwar noch immer, die (einen Teil des Beförderungspreises ausmachenden) Gebühren und Zuschläge festzulegen, aber sie sind nicht mehr in der Lage, einen Konferenzpreis durchzusetzen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Konferenzsystem stabilere Frachtraten oder zuverlässigere Seeverkehrsdienstleistungen gewährleistet als sie bei uneingeschränktem Wettbewerb möglich wären. Konferenzmitglieder bieten ihre Dienste immer öfter in Form individueller Dienstleistungsvereinbarungen mit einzelnen Ausführern an. Die Konferenzen nutzen zudem nicht sämtliche verfügbaren Beförderungskapazitäten, da jedes Seeverkehrsunternehmen hierüber individuell entscheidet. Die Preisstabilität und die Dienstleistungszuverlässigkeit werden unter den gegenwärtigen Marktgegebenheiten durch individuelle Dienstleistungsvereinbarungen bewirkt. Der Kausalzusammenhang zwischen den Wettbewerbseinschränkungen (Preisfestsetzung und Angebotsregulierung) und den vermeintlichen Effizienzgewinnen (zuverlässige Dienstleistungen) erscheint mithin zu schwach, um die erste Ausnahmebedingung gemäß Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag zu erfüllen.

    (5) Die zweite Ausnahmebedingung ist, dass die Verbraucher für die negativen Auswirkungen, die durch die Wettbewerbsbeschränkung entstehen, einen Ausgleich erhalten müssen. Eindeutige Beschränkungen wie eine horizontale Preisfestlegung durch Bestimmung eines Konferenzpreises und gemeinsame Festlegung der Nebenkosten und Aufschläge ziehen schwer wiegende negative Auswirkungen nach sich. Eindeutig positive Folgen hingegen konnten bisher nicht festgestellt werden. Die Verkehrsnutzer sind der Auffassung, dass Konferenzen nur den am wenigsten effizienten Konferenzmitgliedern zum Vorteil gereichen und fordern daher ihre Abschaffung. Die gegenwärtigen Linienkonferenzen erfüllen die zweite Bedingung von Artikel 81 Absatz 3 nicht.

    (6) Die dritte Ausnahmebedingung ist, dass durch das aufeinander abgestimmte Vorgehen den beteiligten Unternehmen keine Beschränkungen auferlegt werden, die für die Verwirklichung seiner Ziele nicht unerlässlich sind. Konsortien sind Kooperationsvereinbarungen zwischen Linienkonferenzen, die keine Preisfestlegung einschließen und daher weniger restriktiv als Konferenzen sind. Nach Ansicht der Verkehrsnutzer erbringen sie angemessene, zuverlässige und effiziente Seeverkehrsdienste. Zudem hat sich die Zahl der individuellen Dienstleistungsvereinbarungen in den vergangenen Jahren beträchtlich erhöht. Derartige individuelle Dienstleistungsvereinbarungen sind definitionsgemäß nicht wettbewerbseinschränkend und bieten Ausführern den Vorteil, dass sie speziell zugeschnittene Dienstleistungen ermöglichen. Dienstleistungsverträge können, da der Preis im Voraus festgelegt wird und für einen bestimmten Zeitraum (üblicherweise ein Jahr) konstant bleibt, zur Preisstabilität beitragen. Ferner ist nicht ersichtlich, dass die nach der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 zulässigen Wettbewerbseinschränkungen (Preisfestsetzung und Kapazitätsregulierung) unerlässlich für die Erbringung zuverlässiger Seeverkehrsdienstleistungen sind, denn letztere können auch durch weniger restriktive Maßnahmen gewährleistet werden. Die dritte Ausnahmebedingung gemäß Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag ist somit nicht erfüllt.

    (7) Die vierte Ausnahmebedingung gemäß Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag ist, dass die Linienkonferenz weiterhin wirksamen Wettbewerbseinschränkungen unterliegt. Konferenzen gibt es inzwischen auf fast allen wichtigen Verkehrsgebieten, und sie konkurrieren sowohl mit Seeverkehrskonsortien als auch mit unabhängigen Schifffahrtslinien. Infolge des Rückgangs des Konferenzsystems ist zwar ein Preiswettbewerb bei den Frachtraten entstanden, aber bei den Aufschlägen und Nebenkosten besteht ein solcher Preiswettbewerb kaum. Die Aufschläge und Nebenkosten werden von der Konferenz festgesetzt, aber auch die nicht zu Konferenzen zusammengeschlossenen Seeverkehrsunternehmen erheben häufig Gebühren in gleicher Höhe. Außerdem nehmen Seeverkehrsunternehmen an Konferenzen und Konsortien ein und desselben Verkehrsgebiets teil, tauschen sensible Geschäftsdaten aus und nutzen sowohl die Vorteile der Gruppenfreistellung für Konferenzen (Preisfestsetzung und Kapazitätsregulierung) als auch die Vorteile der Gruppenfreistellung für Konsortien (operative Zusammenarbeit zwecks Erbringung einer gemeinsamen Dienstleistung). Da die Zahl der Verbindungen zwischen den auf gleichen Verkehrsgebieten tätigen Seeverkehrsunternehmen zunimmt, ist die Prüfung der Frage, inwieweit Konferenzen in einem wirksamen internen und externen Wettbewerb miteinander stehen, ein sehr komplexes Unterfangen, das sich nur auf Fall-zu-Fall-Basis bewerkstelligen lässt.

    (8) Da Linienkonferenzen die vier kumulativen Voraussetzungen von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag mithin nicht mehr erfüllen, sollte die Gruppenfreistellung für sie abgeschafft werden.

    (9) Die Ausnahme von rein technischen Vereinbarungen von dem in Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag festgelegten Verbot und das Verfahren zur Behandlung etwaiger internationaler Rechtsstreitigkeiten sind redundant. Diese Bestimmungen sollten daher ebenfalls gestrichen werden.

    (10) Aus den oben genannten Gründen sollte die Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 vollständig aufgehoben werden.

    (1) Linienkonferenzen werden in mehreren Gerichtsbarkeiten toleriert. In diesem Sektor, wie auch in anderen Sektoren, wird das Wettbewerbsrecht nicht auf die gleiche Weise weltweit angewandt. Angesichts des globalen Charakters der Linienseeschifffahrt wird die Kommission alle zweckdienlichen Maßnahmen ergreifen, um die Aufhebung der Freistellung für Preisfestlegung für Linienkonferenzen, die anderswo existieren, voranzubringen. Gleichzeitig wird die Freistellung für betriebliche Zusammenarbeit zwischen Schifffahrtslinien in Konsortien und Allianzen beibehalten, wie von dem OECD Sekretariat 2002 empfohlen wurde.

    (11) Kabotage und internationale Trampdienste sind von den Durchführungsbestimmungen zu den Artikeln 81 und 82 EG-Vertrag, die ursprünglich in der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 und nachfolgend in der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 festgelegt wurden, ausgenommen worden. Sie sind gegenwärtig die einzigen noch verbliebenen Sektoren, die von den wettbewerbsrechtlichen Durchführungsbestimmungen der Gemeinschaft auszunehmen sind. Die fehlenden Durchsetzungsbefugnisse in diesen Bereichen stellen vom regelungspolitischen Standpunkt aus gesehen eine Unregelmäßigkeit dar.

    (12) Die Ausnahme der Trampdienste aus dem Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 wurde mit der Tatsache begründet, dass die Preise dieser Dienste von Fall zu Fall nach Maßgabe der Angebots- und Nachfragebedingungen frei ausgehandelt werden. Derartige Marktbedingungen bestehen jedoch auch in anderen Sektoren, und die materiellrechtlichen Bestimmungen der Artikel 81 und 82 erstrecken sich auch auf diese Dienste. Es ist kein überzeugendes Argument vorgebracht worden, das dafür spräche, an der bestehenden Ausnahme dieser Dienste von den Durchführungsbestimmungen zu den Artikeln 81 und 82 EG-Vertrag festzuhalten. Auch der Umstand, dass die Kabotagedienste in den meisten Fällen nicht den innergemeinschaftlichen Handel beeinträchtigen, rechtfertigt nicht, dass diese Dienste von vorneherein aus dem Anwendungsbereich der Verordnung (EG) 1/2003 ausgenommen sein sollten.

    (13) Da die in der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 festgeschriebenen Mechanismen für eine Anwendung der Wettbewerbsvorschriften auf sämtliche Sektoren geeignet sind, sollte der Anwendungsbereich der Verordnung dahin gehend geändert werden, dass er künftig auch Kabotage und Trampdienste einschließt.

    (14) Die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 sollte daher entsprechend geändert werden.

    (15) Da die Mitgliedstaaten möglicherweise ihre internationalen Verpflichtungszusagen im Lichte der Abschaffung des Konferenzsystems anpassen müssen, sollten die sich auf die Gruppenfreistellung für Linienkonferenzen beziehenden Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 noch für einen Übergangszeitraum auf Konferenzen anwendbar bleiben, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung die Anforderungen der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 erfüllen -

    HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

    Arti kel 1

    Die Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 wird aufgehoben.

    Jedoch bleiben für Linienkonferenzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung die Anforderungen der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 erfüllen, die Bestimmungen von Artikel 1 Absatz 3 Buchstaben b und c, Artikel 3 bis 7, Artikel 8 Absatz 2 und Artikel 26 der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 für einen Übergangszeitraum von zwei Jahren nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung gültig.

    Artikel 2

    Artikel 32 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 wird gestrichen.

    Artikel 3

    Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

    Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

    Geschehen zu Brüssel am [DATUM]

    Im Namen des Rates

    Der Präsident

    [1] DSTI/DOT (2002) 2, 16.4.2002

    [2] Überarbeitung von Teil X des Trade Practices Act (Gesetz über Handelspraktiken von 1974: International Liner Cargo shipping, Productivity Commission Inquiry report released by the Government on 23 February 2005

    [3] Initiativstellung des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr, xxxxx, 11. Oktober 2005

    [4] TEN/208 – EWSA 1650/2004 – 16. Dezember 2004.

    [5] AdR 485/2004, 13. April 2004.

    [6] http://europa.eu.int/comm/competition/antitrust/legislation/maritime/

    [7] Artikel 32 Absätze a und b der Verordnung (EG) Nr.1/2003.

    [8] Massenguttransporte oder Transporte von Stückgut (break- bulk) in einem Schiff, das von einem oder mehreren Verladern auf der Grundlage eines Reise- oder Zeitchartervertrags oder eines anderen Vertrages für nicht regelmäßige oder nicht angekündigte Fahrten ganz oder teilweise gechartert wird, wenn die Frachtraten nach Maßgabe von Angebot und Nachfrage von Fall zu Fall frei ausgehandelt werden;

    [9] Entscheidungen der Kommission in den Sachen FEFC (ABl. L 378 vom 31.12.1994, S. 17 Rdnr. 66) und FETTCSA (ABl. L 268 vom 20.10.2000, S. 1 Rdnr. 146-147) betreffend technische Vereinbarungen in Artikel 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1017/68 bzw. Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86. Siehe Gericht erster Instanz in der Rs. T-229/94 Deutsche Bahn AG/Kommission, Slg. 1997, II-1689, Rdnr. 37 betreffend die ähnliche Ausnahme für technische Vereinbarungen von Artikel 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1017/68.

    [10] Siehe hierzu die Bekanntmachung der Kommission: Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 81 EG-Vertrag auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (ABl. C 3 vom 6.1.2001, S. 1), Ziffer 24.

    [11] Siehe Verordnung (EG) Nr. 411/2004 des Rates vom 26.2.2004, ABl. L 68 vom 6.3.2004, S. 1.

    [12] Siehe Bekanntmachung der Kommission: Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag, ABl. C 101 vom 27.4.2004, S. 97, Ziffer 46.

    [13] Gewöhnlich ermächtigt der Rat die Kommission, Gruppenfreistellungsverordnungen zu erlassen. Von den 15 derzeit geltenden Gruppenfreistellungen wurde außer der Verordnung 4056/86 lediglich eine vom Rat angenommen (Verordnung 1017/68). Dies sind die einzigen beiden Gruppenfreistellungsverordnungen, die weder in ihrer Geltung zeitlich befristet sind noch eine Überprüfungsklausel enthalten.

    [14] http://www.admiraltylawguide.com/conven/liner1974.html

    [15] Entscheidung des Gerichts erster Instanz vom 28.2.2002 in der Rechtssache T-395/94 Atlantic Container Line und andere gegen Kommission [2002] ECR II-875, Rdnr. 146.

    [16] Die auf Artikel 87 (nun 83) EG-Vertrag gestützte Verordnung (EWG) Nr. 479/92 des Rates ermächtigte die Kommission, Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag auf in Konsortien zusammengeschlossene Seeschifffahrtsunternehmen anzuwenden, die einen gemeinsamen Dienst erbringen (ABl. L 55 vom 22.9.1992, S. 3).

    [17] ABl. L 100 vom 20.4.2000, S. 24, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 463/2004 der Kommission vom 12.3.2004 und die Verordnung (EG) Nr. 611/2005 der Kommission, ABl. L 101 vom 21.4.2005, S. 10.

    [18] Artikel 50 des Kodex sieht vor, dass die Kündigung schriftlich mitzuteilen ist und frühestens ein Jahr später wirksam wird.

    [19] Siehe Anlage 1.

    [20] ABl. C , , S. .

    [21] ABl. C , , S. .

    [22] ABl. C , , S. .

    [23] ABl. C , , S. .

    [24] ABl. L 378 vom 31.12.1986, S. 4, zuletzt geändert durch die Beitrittsakte von 2003.

    [25] ABl. L 1 vom 4.1.2003, S.1, zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 411/2004 (ABl. L 68 vom 6.3.2004, S.1).

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