This document is an excerpt from the EUR-Lex website
Document 52001AE1327
Opinion of the Economic and Social Committee on the "White Paper — Strategy for a Future Chemicals Policy"
Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Weißbuch — Strategie für eine zukünftige Chemikalienpolitik"
Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Weißbuch — Strategie für eine zukünftige Chemikalienpolitik"
ABl. C 36 vom 8.2.2002, p. 99–104
(ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)
Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Weißbuch — Strategie für eine zukünftige Chemikalienpolitik"
Amtsblatt Nr. C 036 vom 08/02/2002 S. 0099 - 0104
Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Weißbuch - Strategie für eine zukünftige Chemikalienpolitik" (2002/C 36/19) Die Kommission beschloss am 26. März 2001, den Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 175 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu dem vorgenannten Weißbuch zu ersuchen. Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 27. September 2001 an. Berichterstatter war Herr Colombo. Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 385. Plenartagung am 17. Oktober 2001 mit 70 Ja-Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme. 1. Einleitung 1.1. Das Weißbuch der Europäischen Kommission, in dem die Strategie für eine künftige Chemikalienpolitik der Gemeinschaft vorgestellt wird, steht im Einklang mit dem Konzept der "nachhaltigen Entwicklung". Wichtigstes Ziel der neuen Chemikalienstrategie ist es, ein hohes Gesundheits- und Umweltschutzniveau zu gewährleisten und dabei das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes sicherzustellen sowie Innovation und Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie Europas zu fördern. 1.2. Das Chemikalien-Weißbuch stellt eine der Initiativen dar, die in dem von der Kommission im Januar 2001 angenommenen Programm "Umwelt 2010: Unsere Zukunft liegt in unserer Hand"(1) vorgesehen sind, das sich um die vier prioritären Maßnahmenbereiche Klimaschutz, Umwelt und Gesundheit, Natur und biologische Vielfalt sowie natürliche Ressourcen dreht. 1.3. Ein wichtiger Programmpunkt des Maßnahmenbereichs "Umwelt und Gesundheit" für die nächsten Jahre wird die vollständige Überprüfung des gemeinschaftlichen Risikomanagementsystems für Chemikalien, gepaart mit der ebenso wichtigen spezifischen Strategie zur Verringerung der von Pestiziden ausgehenden Gefahren sein. 1.4. Die Herausforderung besteht darin, ein neues Risikobewertungs- und Risikomanagementsystem für die hergestellten, verwendeten und in den Verkehr gebrachten Chemikalien zu entwickeln, das es der Gesellschaft gestattet, die Vorteile ihrer Verwendung zu nutzen, ihre schädlichen Auswirkungen zu verringern und dabei unzumutbare Gefährdungen der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zu vermeiden. 1.5. In dem Kapitel über die Chemikalienpolitik des neuen Umweltaktionsprogramms der Gemeinschaft bringt die Kommission das in Angriff zu nehmende und zu lösende Grundproblem auf den Punkt: die vor dem Inkrafttreten der einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften im Jahr 1981 "bereits auf dem Markt befindlichen" Chemikalien. Bei vielen von ihnen begreift man nämlich erst jetzt allmählich die mit ihrer Verwendung verbundenen Risiken. Obwohl die schon damals vorhandenen Chemikalien (chemische Altstoffe) über 99 % der Gesamtmenge aller auf dem Markt befindlichen Chemikalien ausmachen, unterliegen sie heute nicht automatisch den gleichen Prüfvorschriften, die für die später auf den Markt gebrachten Chemikalien (neue Stoffe) gelten. 1981 waren rund 100000 Stoffe gemeldet; schätzungsweise werden gegenwärtig etwa 30000 dieser chemischen Altstoffe in Mengen von über einer Tonne in den Verkehr gebracht. 1.6. Die Kommission hat bereits eine Liste von 140 gefährlichen Stoffen aufgestellt, die als prioritär einzustufen und einer Risikobewertung zu unterziehen sind. Leider ist das derzeitige Bewertungsverfahren zeitraubend und kostspielig und steht einem effizienten und wirksamen Einsatz des Systems im Wege. So erscheint die gegenwärtige Zuordnung der Zuständigkeiten ungeeignet, da für die Bewertung die Behörden und nicht die Unternehmen, die die Stoffe herstellen, importieren oder verwenden, zuständig sind. Infolgedessen sind genaue Informationen über die Verwendung der Stoffe schwer erhältlich, und es gibt auch wenig Information über die Belastung durch die nachgeschaltete Verwendung der Stoffe. 1.7. Beschlüsse über eine weitere Prüfung eines bestimmten vorhandenen chemischen Stoffes sind erst nach dem komplizierten Ausschussverfahren möglich, und eine solche Prüfung kann von der Industrie nur verlangt werden, wenn die Behörden nachgewiesen haben, dass der betreffende Stoff ein schwerwiegendes Risiko bergen kann. Da es ohne Prüfergebnisse praktisch unmöglich ist, solche Nachweise zu erbringen, wurde bislang nur für sehr wenige chemische Stoffe eine endgültige Risikobewertung durchgeführt. 1.8. Mit ihrem Weißbuch möchte die Kommission die Notwendigkeit des Gesundheits- und Umweltschutzes mit dem Erfordernis in Einklang bringen, die Innovation und die Konkurrenzfähigkeit der chemischen Industrie der EU zu fördern. Gleichzeitig möchte die Kommission dadurch mehr Transparenz schaffen, dass Informationen über Chemikalien zugänglicher und verständlicher gemacht werden und der Entscheidungsfindungsprozess für die Öffentlichkeit überschaubarer gemacht wird. 1.9. Das neue System wird nach Ansicht der Kommission auch dazu beitragen, die Innovation zu fördern und Rahmenbedingungen zu schaffen, die es der europäischen Industrie ermöglichen, mit anderen Wettbewerbern auf dem Weltmarkt ernsthaft zu konkurrieren. Die EU-Politik strebt außerdem eine Verknüpfung ihrer Maßnahmen mit den internationalen Bemühungen an, da der globale Charakter der Produktion und des Handels sowie die grenzüberschreitenden Auswirkungen bestimmter Chemikalien die Chemikaliensicherheit zu einem internationalen Thema gemacht haben. 1.10. Die gesamte Strategie orientiert sich am Vorsorgeprinzip, und ein wichtiges Ziel ist die Förderung der Substitution gefährlicher durch weniger gefährliche Stoffe, soweit geeignete Alternativen vorhanden sind. 2. Inhalt des Weißbuchs 2.1. Die Schlüsselelemente des Weißbuchs sind: - ein einheitlicher, wirksamer und kohärenter ordnungspolitischer Rahmen, der angemessene Kenntnisse über die Verwendungszwecke und Gefahren der Stoffe liefert, die vor September 1981 auf dem Markt waren (Altstoffe), und der Stoffe, die nach diesem Zeitpunkt auf den Markt gebracht wurden (neue Stoffe), mit dem Ziel, ein kohärentes Schutzniveau zu erreichen; - Übertragung der Verantwortung für die Prüfungen und die Risikobewertung an die Industrie statt an die jeweiligen Behörden der Mitgliedstaaten; - Förderung von Innovation und Wettbewerbsfähigkeit, ohne das hohe Niveau des Umwelt- und Gesundheitsschutzes zu gefährden; - Einführung eines stoffspezifischen Zulassungssystems, das strenge Kontrollen der gefährlichsten Stoffe gewährleistet; - mehr Transparenz und Informationen über Chemikalien. 2.2. Gemäß den Vorschlägen des Weißbuchs soll deshalb das derzeitige duale System, bei dem neue Stoffe und Altstoffe hinsichtlich der Prüfverpflichtungen unterschiedlich behandelt werden, durch ein einheitliches effizientes und kohärentes System abgelöst werden, das für die meisten Chemikalien geeignet ist. 2.3. Die vorgeschlagene Strategie setzt sich mit den beim derzeitigen System bestehenden Problemen der Risikobewertung und des Risikomanagements auseinander und bemüht sich insbesondere um eine Lösung für die großen Mengen der auf dem Markt befindlichen Altstoffe, deren Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt weitgehend unbekannt sind. 2.4. Nach dem neuen System wird ein Unternehmen, das einen bestimmten Stoff auf den Markt bringt, für die Vorlage aller erforderlichen Informationen über die Risiken verantwortlich sein, während es die Aufgabe der Behörden sein wird, die betreffenden Angaben zu bewerten und anhand der Vorschläge des Unternehmens ein stoffspezifisches Prüfprogramm zu bestimmen. Mehr Verantwortung in der Produktionskette sollen auch die Anwender (Formulierer und nachgeschaltete Anwender) tragen, die Angaben über die speziellen Verwendungszwecke des betreffenden Stoffes machen müssen. 2.5. Das neue einheitliche System zur Bewertung von chemischen Altstoffen und neuen Stoffen wird REACH (von engl. Registration, Evaluation and Authoriziation of Chemicals) genannt und umfasst die folgenden Elemente: - Registrierung grundlegender Informationen über rund 30000 Stoffe, d. h. über alle Altstoffe und neuen Stoffe, die in Mengen von über einer Tonne hergestellt werden; diese Informationen werden von den Unternehmen an eine zentrale Datenbank übermittelt; es wird davon ausgegangen, dass bei rund 80 % der betreffenden Stoffe eine solche Registrierung ausreicht; - Bewertung der erfassten Informationen bei allen Stoffen, die in Mengen über 100 Tonnen hergestellt werden (d. h. rund 5000 bzw. 15 % der Stoffe) und bei Stoffen, die zwar in geringen Mengen hergestellt werden, aber Anlass zur Besorgnis geben; diese Bewertung erfolgt durch die Behörden und umfasst auch die Erstellung stoffspezifischer Prüfprogramme, bei denen der Schwerpunkt auf die Auswirkungen einer langfristigen Exposition gelegt wird; - obligatorische Zulassung von krebserregenden, erbgutverändernden oder fortpflanzungsgefährdenden Stoffen (CMR-Stoffe) sowie persistenten organischen Schadstoffen (POP); - PBT(2)- und VPVB(3)-Stoffe (mit Ausnahme der oben erwähnten POP) müssen durch weitere Forschungsarbeiten ermittelt werden; die Kommission wird zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden, wie Stoffe mit solchen Eigenschaften zu behandeln sind. 2.6. Für die Einreichung der Registrierungsdossiers für chemische Altstoffe werden abhängig vom als Hauptfaktor sowie unter bestimmten sonstigen Voraussetzungen folgende Fristen vorgeschlagen: - Stoffe, von denen mehr als 1000 Tonnen in Verkehr gebracht werden - spätestens Ende 2005; - Stoffe, von denen mehr als 100 Tonnen in Verkehr gebracht werden - spätestens Ende 2008; - Stoffe, von denen mehr als 1 Tonne in Verkehr gebracht werden - spätestens Ende 2012. 2.7. Die Kommission schlägt vor, ein zentrales Gremium für die Verwaltung des REACH-Systems einzurichten, das ebenfalls über eine zentrale Datenbank für alle registrierten Chemikalien verfügt. Es wird den Mitgliedstaaten die für die Bewertung von Chemikalien notwendige technische und wissenschaftliche Unterstützung leisten. Das zentrale Gremium müsste ferner Stichproben und eine rechnergestützte Überprüfung der registrierten Stoffe, die in besonderem Maße Anlass zur Besorgnis geben, vornehmen. 3. Hintergrund 3.1. Das Weißbuch bietet grundsätzlich eine gute Gelegenheit, die seit Jahren in der Öffentlichkeit herrschende Vorstellung und inzwischen leider eingefleischte Überzeugung zu überwinden, Chemikalien seien generell mit Gefahrensituationen und Umweltverschmutzung verknüpft. Es kann als Grundlage für eine globale Überprüfung der Auswirkungen der Herstellung und Verwendung von Chemikalien auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt dienen. 3.2. Hierzu müssen alle Beteiligten bereit sein, sich auf einen Bewertungsrahmen und Rahmenvorschriften zu einigen, die auf ausgewogene Weise den berechtigten Anliegen des Umweltschutzes, des Gesundheitsschutzes und der Notwendigkeit einer sicheren, effizienten und konkurrenzfähigen Produktion chemischer Stoffe Rechnung tragen. 3.3. Die strategische Bedeutung der chemischen Industrie lässt sich anhand einiger aufschlussreicher Daten veranschaulichen: In der Europäischen Union beschäftigt sie unmittelbar 1,7 Millionen Menschen, es hängen weitere 3 Millionen Arbeitsplätze von ihr ab und sie erwirtschaftet einen Außenhandelsüberschuss von 46,4 Mrd. EUR, was 65 % des Überschusses der gesamten verarbeitenden Industrie entspricht. Neben großen, multinationalen Unternehmen gehören diesem Sektor über 36000 KMU an. 3.4. Ein Sektor von solch strategischer Bedeutung verlangt die richtigen sozialen Reaktionen auf die Anzeichen des beginnenden Verlustes an Konkurrenzfähigkeit und Bedeutung, nachdem die chemische Industrie in Europa in den 90er Jahren 13 % ihrer Arbeitsplätze abgebaut hat, während die Zahl der Beschäftigten dieses Erwerbszweigs in den USA praktisch unverändert geblieben ist. Diese Tendenz scheint die weltweit führende Rolle Europas in diesem Bereich zu gefährden. 3.5. Ganz offensichtlich kann daher ein so ehrgeiziges Vorhaben von solcher Tragweite, wenn es unter aktiver Mitwirkung aller Beteiligten und bei informierter Zustimmung der Öffentlichkeit geschieht, für die chemische Industrie der EU eine große Chance sein, für ihre Produkte, die in einer modernen Gesellschaft für die Entwicklung neuer und immer fortschrittlicherer Verfahren und Technologien ganz entscheidend sind, die erforderliche Akzeptanz zurückzugewinnen, sodass jene weitverbreitete Ablehnung ihrer Produkte überwunden werden kann, die, wenn es um die erforderlichen Genehmigungen für neue Produktionsstandorte geht, gefährlicherweise z. B. bei den hierfür zuständigen Gebietskörperschaften zum Tragen kommt. 3.6. Natürlich wird sich diese an die Innovationsfähigkeit der Chemieindustrie gestellte Herausforderung auf viele andere Sektoren, Benutzer der chemischen Stoffe nämlich, auswirken. Insofern begrüßt der Ausschuss, dass die Kommission eine Studie zu den Auswirkungen der im Weißbuch festgelegten Maßnahmen auf die anderen Wirtschaftszweige in Auftrag gegeben hat. Er behält sich im Zusammenhang mit den Normativvorschlägen, die aus dem Weißbuch hervorgehen werden, vor, zu den Ergebnissen dieser Studie Stellung zu nehmen. 3.7. Des Weiteren erachtet es der Ausschuss für notwendig, flankierende Mechanismen zu erarbeiten, um innovative Unternehmen zu belohnen und einen Anreiz für die zahlreichen KMU - seien es Hersteller, Importeure oder Benutzer - zu schaffen, damit sie Stoffe, die hinsichtlich der Gesundheit und der Umwelt in besonderem Maße zur Besorgnis Anlass geben, vermindern und Alternativerzeugnisse dazu entwickeln. 4. Allgemeine Bemerkungen 4.1. Das Weißbuch beschränkt sich als solches naturgemäß darauf, Grundzüge einer gemeinschaftlichen Strategie für eine zukünftige Chemikalienpolitik aufzuzeigen, ohne auf - die für Rechtsakte typischen - Einzelheiten einzugehen. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss berücksichtigt folglich in seiner Stellungnahme die Art der Vorlage, zu der er sich zu äußern hat, weist jedoch auf einige Punkte hin, die von strategischer Bedeutung sind und weiterer Vertiefung bedürfen. 4.2. Der WSA befürwortet den allgemeinen Ansatz der Strategie. Insbesondere begrüßt er: - die Tatsache, dass die Strategie auf dem Prinzip der Nachhaltigkeit, dem Vorsorge- und dem Substitutionsprinzip basiert, um - auch durch vermehrte Informationen - die Sicherheit für die Umwelt, die Benutzer und die Verbraucher gewährleisten zu können; - die Tatsache, dass Innovation als Mittel zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Förderung der Produktion sicherer Chemikalien angesehen wird; vor allem mit Hilfe großer Forschungsanstrengungen auf Gemeinschaftsebene ermöglicht dies der chemischen Industrie, ihre für eine moderne Gesellschaft unersetzliche Rolle auch weiterhin zu spielen; - die Tatsache, dass Prüfmethoden gefördert werden sollen, die ohne Tierversuche auskommen; - die Tatsache, dass die Verantwortlichkeit den Unternehmen (Herstellern, Importeuren und Anwendern) übertragen wird, welche auch für die Aufwendungen bezüglich der Registrierung von Chemikalien aufkommen müssen. 4.3. Der Ausschuss nimmt die Schlussfolgerungen des Umweltrats vom 7. Juni 2001 zur Kenntnis. Insbesondere befürwortet er den Grundsatz, dass die neue europäische Chemikalienpolitik zur nachhaltigen Entwicklung beitragen muss und dabei ein hohes Umweltschutz- und Gesundheitsschutzniveau, auch für die Arbeitnehmer, und gleichzeitig Innovation und Konkurrenzfähigkeit der europäischen chemischen Industrie sicherstellen muss. Außerdem unterstützt der Ausschuss das bis 2020 zu erreichende Ziel, nur noch Chemikalien herzustellen und zu verwenden, die die Umwelt und die menschliche Gesundheit nicht nennenswert beeinträchtigen. 4.4. Es ist deshalb verwunderlich, wie unangemessen wenig Aufmerksamkeit den Arbeitnehmern in dem Weißbuch entgegengebracht wird, zumal in Verhandlungen der Sozialpartner wichtige Verbesserungen der Arbeitsbedingungen sowie der Voraussetzungen für Sicherheit und Gesundheit innerhalb der Produktionsräume erzielt werden konnten. Durch die Einbeziehung der Behörden wurden nebenbei auch wichtige Fortschritte in den Beziehungen zwischen Produktionsbetrieb und Umfeld erreicht. 4.5. Nach Ansicht des WSA ist es wichtig, bei der künftigen Entwicklung hieran zu denken, zumal die Arbeitnehmer als erste den Risiken ausgesetzt sind, die nicht nur von chemischen Endprodukten, sondern auch von Zwischenprodukten mit oft unbekannten Sicherheitsmerkmalen ausgehen. In diesem Zusammenhang hielte es der Ausschuss für zweckmäßig, ein Bildungs- und Fortbildungsprogramm für die Beschäftigten aufzustellen, das u. a. auf den in den Produktionsstätten gemachten Erfahrungen aufbaut. 4.6. Der Ausschuss empfiehlt die Annahme besonderer Maßnahmen, die den 36000 KMU des Chemiesektors, die 28 % der europäischen Produktion bestreiten, die Anpassung an die neuen Rechtsvorschriften erleichtern. Der Ausschuss ist ferner der Ansicht, dass die gemeinschaftlichen Forschungsprogramme des Sechsten FTE darauf ausgerichtet sein müssten, die Ziele des Weißbuchs gebührend zu unterstützen, angefangen bei der Notwendigkeit, geeignete Werkzeuge zur Unterstützung der Forschung und der Innovation zu entwickeln, um den Prozess der Suche nach und der Ersetzung durch nicht gesundheits- oder umweltschädliche chemische Stoffe zu beschleunigen. Insbesondere müssten "in vitro"-Tests entwickelt werden, um Tierversuche endgültig zu stoppen. 4.7. Der WSA teilt die in der Einleitung zum Kommissionsdokument dargelegte Auffassung, dass grundsätzlich das Vorsorgeprinzip walten und die Ersetzung eines bestimmten chemischen Stoffes bei seiner Verwendung gefördert werden muss, wenn zuverlässige wissenschaftliche Daten Hinweise auf wahrscheinliche schädliche Auswirkungen der Verwendung dieses Stoffes auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit geben, auch wenn aus wissenschaftlicher Sicht noch Ungewissheit über Art und genaues Ausmaß des möglichen Schadens besteht. Es geht dabei um eine angemessene Bewertung von Kosten und Nutzen hinsichtlich der "Nachhaltigkeit". In diesem Zusammenhang nimmt der Ausschuss die Bedenken der Umwelt- und Verbraucherschutzvereinigungen zur Kenntnis, der Kommissionsvorschlag hebe nicht deutlich genug die Notwendigkeit einer Einstellung der Produktion nachweislich toxischer, persistenter und bioakkumulierbarer chemischer Stoffe hervor und spricht sich für die Förderung des Einsatzes von Ersatzstoffen für die gefährlichen Substanzen aus, wo immer es geeignete Alternativen gibt. 4.8. Ferner müsste der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angewandt werden, sowohl in Bezug auf die Gefährlichkeit des chemischen Stoffes selbst, als auch in Bezug auf die Folgekosten für die einzelnen Unternehmen aufgrund der erforderlichen Prüfunterlagen. Dieses Prinzip müsste die Suche nach jenen Formen flexiblen Vorgehens anleiten, welche ohne Beeinträchtigung des Grundsatzes des Schutzes menschlicher Gesundheit sowie des Umweltschutzes die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie ermöglichen und somit ihre Führungsposition auf dem Weltmarkt sichern. 4.9. Auf der Grundlage des Verantwortungsprinzips müssten die Unternehmen, die Chemikalien herstellen, importieren, vertreiben oder verwenden, die für eine angemessene Kenntnis der Eigenschaften und Verwendungszwecke von bereits existierenden Stoffen erforderlichen Angaben machen. Damit dürften die erklärten politischen Ziele schneller erreicht werden, zumal dann, wenn die Erfassung von Daten und Informationen nach einem geeigneten Schema erfolgt, das für alle Akteure im Lebenszyklus der Chemikalien (von der Produktion über den Verbrauch bis zur Entsorgung) identisch ist. Dieses Schema sollte auf die Erfassung nachgewiesener oder vermuteter gefährlicher Eigenschaften von Stoffkategorien abzielen, die mittels modernster wissenschaftlicher Tests oder aufgrund des Einsatzes innovativer Technologien belegt werden konnten. 4.10. Der Ausschuss unterstützt den Vorschlag der Kommission, das gegenwärtige Europäische Büro für chemische Stoffe (ECB) zur zentralen Stelle für die Verwaltung des REACH-Systems auszugestalten, die den Mitgliedstaaten die erforderliche technische und wissenschaftliche Unterstützung leistet, insbesondere was die Bewertung der Stoffe betrifft. Einer solchen Stelle müssten die zur Erfuellung ihrer neuen Aufgaben notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden. 5. Besondere Bemerkungen 5.1. Ziffer 3.4 des Weißbuchs ist zu entnehmen, dass sich die Verfahren für die Prüfung und Datenerfassung bezüglich der 30000 Altstoffe, deren Produktion eine Tonne übersteigt, über elf Jahre erstrecken und Hoechstkosten von 2,1 Mrd. EUR verursachen werden. Die Kommission ist nach wie vor davon überzeugt, dass stoffspezifische Prüfungen die sicherste und effizienteste Methode darstellen. Der Ausschuss stellt jedoch fest, dass alle Beteiligten Besorgnis geäußert haben, dass sich das Analyseverfahren als zu langwierig, kompliziert und kostspielig erweisen könnte. Insbesondere erscheint das Kriterium der Produktionsmenge, das für die Einstufung der Stoffe in drei Kategorien zum Zwecke ihrer Analyse und Registrierung herangezogen wird, zwar notwendig aber unzulänglich. Hierdurch könnte der Umgehung der Vorschriften, insbesondere bei Importerzeugnissen, sowie der Vernachlässigung möglicher Risiken, die auch bei der Verwendung geringer Mengen gegeben sein können, Vorschub geleistet werden. Besser wäre es daher, die zu analysierenden Stoffe nach ihrer chemischen Struktur und/oder ihren Eigenschaften in Stoffgruppen einzuteilen. Damit könnten die gesamten Nachprüfungen beschleunigt und somit die Kosten verringert werden. 5.2. Im Vergleich zu den zur Zeit ausgesprochen unübersichtlichen Prozeduren ist das REACH-System (Ziffer 4) zweifelsohne ein Fortschritt. Es gewährleistet eine größere Transparenz und eine bessere Verbreitung der Informationen über die Eigenschaften bestehender Chemikalien. Gleichwohl ist es ein komplexes und schwer handhabbares System, insbesondere im Hinblick auf die unterschiedlichen Kompetenzen und Verantwortlichkeiten seitens der Kommission und der Mitgliedstaaten. Der Ausschuss fordert außerdem eine Klärung des Begriffs "erhöhte Flexibilität" (Ziffer 4.3) bezüglich der Ausnahmen bei der "Zulassung von Stoffen, die in besonderem Maße zu Besorgnis Anlass geben". Die Beachtung des Vorsorgeprinzips müsste nämlich bei der (Risiko-)Beurteilung stets gewährleistet sein. 5.3. Der Ausschuss ist ferner besorgt über die Tatsache, dass die Mitgliedstaaten in der Regel Schwierigkeiten bei der Anpassung ihrer technischen, wissenschaftlichen und administrativen Strukturen an die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften haben. Da den Herstellern gleiche Wettbewerbsbedingungen und den Verbrauchern - sofern es sich dabei nicht um vertrauliche und kommerziell empfindliche Daten handelt - größtmögliche Sicherheit und Information gewährleistet werden müssen, empfiehlt der Ausschuss, das ECB personell und finanziell so auszustatten, dass es den ihm aufgetragenen Aufgaben gerecht werden kann. Diese Ausstattung muss auch den mit der Erweiterung wachsenden Anpassungserfordernissen Rechnung tragen. 5.4. Zur Vermeidung unnötiger doppelter Datenerfassungen (deren Auswirkung auf die Kosten sich umgekehrt proportional zum Produktionsumfang und zur Größe des Unternehmens verhält) ist es nach Ansicht des Ausschusses zu fördern, dass sich verschiedene Unternehmen, die den gleichen Stoff herstellen, zusammentun, um einen gemeinsamen Prüfbericht über diesen Stoff vorzulegen, der genaue Angaben darüber enthält, für welche Verwendungszwecke der Stoff entwickelt und hergestellt worden ist. Der Ausschuss ist sich der Tatsache bewusst, dass es vom juristischen Standpunkt aus schwierig sein dürfte, diesen Vorschlag umzusetzen. Gleichwohl ist er in dem Bestreben nach einer zügigeren Anwendung der im Weißbuch festgelegten Prinzipien der Ansicht, dass für die Fälle, in denen der europäische Gesamtverbrauch die höchstzulässigen Produktionsmengen übersteigt, nach passenden Formen der Zusammenarbeit zwischen den größten Herstellern, Importeuren und Nutzern chemischer Stoffe, deren Produktionsmengen einzeln genommen die Grenzwerte nicht erreichen, gesucht werden sollte. 5.5. Was die Importproblematik betrifft, so kann die wiederholt geäußerte Behauptung, es würden sich für die europäischen Hersteller keine Wettbewerbsnachteile ergeben, da die Importeure den selben Auflagen unterliegen, nicht überzeugen. Denn: - die EU ist ein wichtiger Exporteur; ein Anstieg der Produktionskosten in der EU würde deshalb zu Exportnachteilen führen bzw. Produktionsverlagerungen in Länder nach sich ziehen, in denen der Sicherheits- und Umweltschutzproblematik kaum Beachtung geschenkt wird; - es ist nicht sicher, ob die Auflage für jedes einzelne rechtlich selbstständige Unternehmen oder aber für die Unternehmensgruppe, dem es angehört, gilt (die Gefahr der Umgehung von Vorschriften ist geringer, wenn klar ist, dass die ganze Unternehmensgruppe für deren Einhaltung verantwortlich ist); - die Notwendigkeit, weniger gefährliche Ersatzstoffe zu finden, führt nicht automatisch zu Investitionen in die Innovation, wenn die zu ersetzenden Stoffe in anderen Teilen der Welt weiterhin vermarktet werden und wenn nicht generell auf die Anerkennung der besseren Gesundheits- und Umweltverträglichkeit eines Stoffes auch durch die Verbraucher hingewirkt wird, die dann eher bereit sind, dafür ggf. einen höheren Preis zu zahlen; - durch die Kosten und Ausgaben für das REACH-System könnten sich die kleinen und mittleren Importunternehmen von der Einfuhr abbringen lassen und die Einfuhr von Stoffen in nur geringen Mengen in die EU könnten ganz eingestellt werden, was negative Auswirkungen auf den Wettbewerb und die Beschäftigung hätte. 5.6. Deshalb besteht nach Ansicht des Ausschusses eine der Grundvoraussetzungen für die Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit der europäischen chemischen Industrie darin, dass für die Übertragung der auf europäischer Ebene erzielten Normen auf die internationale Ebene im Sinne einer weltweiten Harmonisierung der Vorschriften gesorgt wird. Dieses Ziel darf nicht als ein unbedeutender Aspekt der Strategie angesehen werden, vielmehr ist es von ganz zentraler Bedeutung für die weltweite Anwendung des Vorsorgeprinzips. Ein erster bedeutender Schritt in diese Richtung wurde mit der Unterzeichnung des Übereinkommens über persistente organische Schadstoffe (POP)(4) am 22. Mai 2001 in Stockholm getan. 5.7. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss ist sich der noch ungelösten Probleme bewusst, die beim Übergang von den weitgehend zu befürwortenden allgemeinen Leitlinien des Weißbuchs zu seiner Umsetzung in spezifische Rechtsvorschriften bestehen. Er meint jedoch, dass alle Beteiligten (stakeholders) der komplizierten Anwendungsphase positiv gegenüberstehen sollten und beabsichtigt, den Vorgang zu verfolgen und dabei selbst dazu beizutragen, dass die chemische Industrie auch in Zukunft unter Bedingungen der Sicherheit und eines größtmöglichen Gesundheits- und Umweltschutzes ihre Konkurrenzfähigkeit behält und noch verbessert. Brüssel, den 17. Oktober 2001. Der Präsident des Wirtschafts- und Sozialausschusses Göke Frerichs (1) KOM(2001) 31 endg., Stellungnahme des Ausschusses, ABl. C 221 vom 7.8.2001. (2) PBT = persistente, bioakkumulierbare und toxische Stoffe. (3) VPVB = hochpersistente und hochakkumulierbare Stoffe. (4) Vgl. IP/01/730 zum Inhalt des Übereinkommens.