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Document 51996AC1507

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerkes"

ABl. C 75 vom 10.3.1997, p. 17–20 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

51996AC1507

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerkes"

Amtsblatt Nr. C 075 vom 10/03/1997 S. 0017


Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerkes" () (97/C 75/03)

Der Rat beschloß am 3. Juni 1996, den Wirtschafts- und Sozialausschuß gemäß Artikel 198 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu dem vorgenannten Vorschlag zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Industrie, Handel, Handwerk und Dienstleistungen nahm ihre Stellungnahme am 4. Dezember 1996 an. Berichterstatter war Herr Decaillon.

Der Ausschuß verabschiedete auf seiner 341. Plenartagung (Sitzung vom 18. Dezember 1996) mit 65 gegen 23 Stimmen bei 19 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

1. Gegenstand des Richtlinienvorschlags

1.1. Mit dem Richtlinienvorschlag sollen die einzelstaatlichen Regelungen auf dem Gebiet des Folgerechts harmonisiert werden, es soll ein solches Folgerecht für sämtliche Mitgliedstaaten der Europäischen Union geschaffen und es sollen einheitliche Regeln für dessen Anwendung festgelegt werden.

1.2. Unter dem Folgerecht ist der Anspruch des Urhebers eines Kunstwerks - und nach dessen Tod 70 Jahre lang der Anspruch seiner Erben - auf einen Anteil am Erlös aus der Weiterveräußerung seines Werks im Wege der öffentlichen Versteigerung oder durch einen "zugelassenen Vermittler" zu verstehen.

1.3. Das Folgerecht ist Bestandteil des Urheberrechts und als solches in der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Artikel 14 c) anerkannt. Es zielt darauf ab, dem Künstler eine Beteiligung an dem mit seiner Schöpfung erzielten Gewinn zu sichern und ist von daher als Vergütungsanspruch anzusehen.

1.4. Die Berner Übereinkunft stellt es den Verbandsländern anheim, ob sie ein Folgerecht anerkennen und wie sie es gegebenenfalls regeln. Innerhalb der Europäischen Union erkennen 11 der 15 Mitgliedstaaten das Folgerecht im Prinzip an. Acht Mitgliedstaaten wenden es bereits in der Praxis an, doch die Anwendungsmodalitäten zum Folgerecht unterscheiden sich erheblich voneinander.

1.5. Diese gesetzlichen Unterschiede in der Europäischen Union führen zu Wettbewerbsverzerrungen, die das gute Funktionieren des europäischen Marktes für zeitgenössische Kunst sowie Kunstwerke der Moderne beeinträchtigen. Aus diesen Verzerrungen innerhalb der Europäischen Union ziehen häufig die großen Auktionshäuser Nutzen, die in Ländern, die kein Folgerecht kennen, den Großteil von Versteigerungen europäischer Werke auf sich vereinigen.

1.6. Die Anziehungskraft von Ländern, die noch kein Folgerecht kennen, wird besonders bei Transaktionen von hohem Wert deutlich, weil sich dabei zu Lasten der Urheber eine erhebliche Ersparnis erzielen läßt.

1.7. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Phil Collins von 1993, wo der Grundsatz der Nichtdiskriminierung zwischen Bürgern der Europäischen Union aufgrund der Staatsangehörigkeit bekräftigt wird, macht die Notwendigkeit einer Harmonisierung noch dringlicher. Von nun an muß nämlich in den Ländern, die das Folgerecht anerkennen, dieses Recht Urhebern in der Europäischen Union ungeachtet der Staatsangehörigkeit eingeräumt werden. Daraus ergibt sich eine unterschiedliche Behandlung der Urheber je nachdem, ob ihre Werke in einem Land, welches das Folgerecht anwendet, oder in einem Land, welches ein solches Recht nicht anerkennt, verkauft werden.

1.8. Ein britischer Urheber eines Kunstwerks wie David Hockney hat beispielsweise einen Anspruch aufgrund des Folgerechts, wenn seine Bilder in Paris veräußert werden, während die Erben von Henri Matisse keinen solchen Anspruch haben, wenn Werke des französischen Malers in London veräußert werden.

2. Allgemeine Bemerkungen

2.1. Der Wirtschafts- und Sozialausschuß begrüßt den Richtlinienvorschlag, der auf die Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt abzielt, eine größere Gerechtigkeit ermöglichen und somit die Bedingungen für ein harmonisiertes rechtliches Umfeld schaffen will, durch das das gute Funktionieren des Marktes für zeitgenössische und moderne Kunst in der Europäischen Union gefördert wird.

2.2. Die Durchsetzung der allgemeinen Geltung des Folgerechts auf europäischer Ebene entspringt dem Bemühen der Kommission, den bildenden Künstlern ein hohes, einheitliches Schutzniveau zu gewährleisten, ein Anliegen, das der Ausschuß nur unterstützen kann.

2.3. Das Folgerecht verschafft Urhebern ein Einkommen und die soziale Anerkennung des Wertes ihrer Werke, was vor allem für junge Künstler-Urheber, die am Anfang ihrer Karriere stehen, wichtig ist. Es trägt somit zur Förderung der künstlerischen Produktion bei.

2.4. Die Harmonisierung des Folgerechts auf der Ebene der Europäischen Union ist ein erster Schritt in Richtung auf die allgemeine Herausbildung dieses Rechts in sämtlichen Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums sowie den Ländern Mittel- und Osteuropas, den baltischen Staaten und den unabhängigen Staaten der ehemaligen UdSSR, die mit der Europäischen Union durch Assoziations- bzw. Partnerschafts- und Kooperationsverträge verbunden sind.

3. Besondere Bemerkungen

3.1. Artikel 1 (Gegenstand des Folgerechts)

3.1.1. Der Richtlinienvorschlag sieht vor, daß das Folgerecht für sämtliche Veräußerungen geschützter Werke (ausgenommen die Erstveräußerung durch den Urheber und Veräußerungen zwischen Privatpersonen) gilt.

3.1.2. In dieser Bestimmung ist nicht die spezifische Problematik von Kunstgalerien berücksichtigt, die in mehreren Mitgliedstaaten Gegenstand sehr spezifischer Regelungen sind. Nach Ansicht des Ausschusses wäre es angebracht, den Mitgliedstaaten die Ausgestaltung der Anwendung des Folgerechts nach Maßgabe der geltenden, aus Branchenvereinbarungen abgeleiteten Regelungen zu überlassen, natürlich unter der Voraussetzung, daß die betreffenden Bestimmungen nicht den Schutz der Künstler-Urheber mindern dürfen.

3.2. Artikel 2 (Unter das Folgerecht fallende Kunstwerke)

3.2.1. Unter diesem Artikel sind die verschiedenen Arten von Kunstwerken aufgezählt, die unter das Folgerecht fallen.

3.2.2. Der Ausschuß möchte die Kommission darauf aufmerksam machen, daß von Land zu Land gewisse Unterschiede in der Auffassung darüber bestehen, welche Anzahl von Exemplaren nach der Verkehrssitte als Original von Kunstwerken angesehen wird.

3.3. Artikel 4 (Sätze und Abführungspflicht)

3.3.1. Der Richtlinienvorschlag sieht einen degressiven Satz nach Maßgabe des Verkaufspreises vor (4 % des Verkaufspreises für die Preistranche zwischen 1 000 und 50 000 ECU, 3 % des Verkaufspreises für die Preistranche zwischen 50 000 und 250 000 ECU sowie 2 % des Verkaufspreises bei Beträgen über 250 000 ECU), wodurch insbesondere dem Risiko von Verkaufsverlagerungen ins Ausland vorgebeugt werden soll.

3.3.2. Diese Bestimmung ist angemessen, sollte die Kommission jedoch nicht davon abhalten, im Rahmen internationaler Gremien und in multi- sowie bilateralen Verhandlungen mit Drittländern alles daranzusetzen, um im Interesse der Künstler-Urheber und der Kunsthändler die allgemeine Einführung des Folgerechts weltweit zu erreichen.

3.4. Artikel 6 (Anspruchsberechtigte)

3.4.1. Das Folgerecht steht dem Urheber des Werks und nach seinem Tod seinen Rechtsnachfolgern zu. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, daß die Verwaltung des Folgerechts einer Verwertungsgesellschaft übertragen wird.

3.4.2. Der Ausschuß vertritt die Auffassung, daß die Verwaltung des Folgerechts durch eine Verwertungsgesellschaft im Interesse der Urheber die angemessenste Lösung wäre, die inzwischen übrigens von mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union gewählt worden ist.

3.5. Artikel 7 (Anspruchsberechtigte aus Drittländern)

3.5.1. Der Ausschuß begrüßt die Anwendung des Gegenseitigkeitsprinzips in bezug auf Drittländer, d.h. das Folgerecht wird Urhebern aus Drittländern insoweit gewährt, als sie Staatsangehörige von Ländern sind, die ein solches Recht Urhebern aus der Gemeinschaft einräumen.

3.6. Artikel 9 (Auskunftsrecht)

3.6.1. Dieser Artikel gibt dem Urheber oder seinem Vertreter das Recht, vom Verkäufer alle Auskünfte über die Veräußerungen seiner Werke einzuholen.

3.6.2. Ein solches Kontrollverfahren erscheint für die effektive Durchsetzung des Folgerechts durchaus berechtigt. Nach Ansicht des Ausschusses sollte das Einholen der Informationen durch geeignete Maßnahmen geregelt werden, damit eine effiziente Verfahrensweise gewährleistet und das reibungslose Funktionieren auskunftspflichtiger Organisationen nicht beeinträchtigt wird. Beim Einholen von Informationen könnten Urheberrechtsgesellschaften eine nützliche Rolle spielen.

3.7. Artikel 10 (Anpassungsklausel)

3.7.1. Es ist zu begrüßen, daß die Kommission vorsieht, dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Wirtschafts- und Sozialausschuß vor dem 1. Januar 2004 und danach alle fünf Jahre einen Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie vorzulegen, der ggf. Vorschläge für eine Anpasssung des Mindestbetrags und der Folgerechtssätze an die Entwicklung des Sektors enthält.

Brüssel, den 18. Dezember 1996.

Der Präsident des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Tom JENKINS

() ABl. Nr. C 178 vom 21. 6. 1996, S. 16.

ANHANG zur Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Folgende Gegenstellungnahme, die mehr als ein Viertel der abgegebenen Stimmen als Ja-Stimmen erhalten hat, wurde nach Erörterung abgelehnt:

1. Ziffer 2 - Allgemeine Bemerkungen

Ziffer 2 durch folgenden Wortlaut ersetzen:

"2.1. Der Ausschuß befürwortet die Zielsetzung, bildenden Künstlern eine angemessene Vergütung für ihre Schöpfungen zu sichern und insbesondere junge Künstler zu fördern. Seines Erachtens ist dieser Vorschlag jedoch nicht zur Erreichung dieser Zielsetzung geeignet und würde sich sogar nicht zuletzt dadurch negativ auswirken, daß die Weiterveräußerung von Kunstwerken auf Versteigerungen zunehmend in Nicht-EU-Staaten verlagert würde. Zur Bekräftigung dieser Argumente möchte der Ausschuß folgendes hervorheben:

2.1.1. Ein Folgerecht wird von der Berner Übereinkunft nicht vorgeschrieben. Vier Mitgliedstaaten kennen noch kein Folgerecht. Vier weitere Mitgliedstaaten haben das Folgerecht zwar eingeführt, aufgrund von Problemen aber noch nicht angewendet. In mindestens einem Mitgliedstaat ist es zulässig, daß Künstler auf ihre Ansprüche aus dem Folgerecht verzichten. Verwertungsgesellschaften haben oft Schwierigkeiten mit der Durchsetzung der Ansprüche. Alle Mitgliedstaaten, die das Folgerecht anerkennen, wenden es nur mit Einschränkungen an.

2.1.2. Es ist eine Übereinkunft auf internationaler Ebene erforderlich. Außerhalb der EU existiert kein Folgerecht. Die Einführung dieses Rechts würde auf jedem wichtigen Markt bewirken, daß die Versteigerungskosten in die Höhe getrieben und Transaktionen in Kunsthandelsmetropolen außerhalb der EU, vor allem New York und Genf, verlagert werden. Tatsächlich ist die Versteigerung von Kunstwerken in denjenigen Mitgliedstaaten rückläufig, in denen das Folgerecht angewendet wird.

2.1.3. Die Kommission räumt selbst ein, daß das Folgerecht jungen Künstlern nicht zum Vorteil gereicht und nur Künstlern, deren Werke sich gut verkaufen, sowie den Künstlererben zugute kommt. Tatsächlich haben zahlreiche bildende Künstler eine Inanspruchnahme des Folgerechts abgelehnt. Das Recht wirkt diskriminierend, da der finanzielle Ertrag vollständig von der Umschlaghäufigkeit des Werkes abhängt.

2.1.4. Die Anwendung des Folgerechts unterliegt zahlreichen rechtlichen Beschränkungen, z. B.

'- sind private Verkäufer davon ausgeschlossen;

- sind bestimmte Kategorien wie Architektur und Herstellung von Designmöbeln davon ausgenommen.`

2.2. Der Ausschuß bittet die Kommission, einen überarbeiteten Vorschlag vorzulegen, in dem die obengenannten Punkte berücksichtigt sind, bei dem es nicht auf die Umschlaghäufigkeit eines Werkes ankommt und durch den Auktionshäuser und Galerien ihren internationalen Wettbewerbern gegenüber nicht benachteiligt werden. Der Kommissionsvorschlag muß auf einer Vereinbarung basieren, die weltweit durchgesetzt werden kann.

2. Ziffer 3 - Besondere Bemerkungen

Am Anfang der Ziffer folgenden Satz einfügen:

'Wird das Folgerecht eingeführt, dann sollten nachstehende Bemerkungen berücksichtigt werden:`"

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen: 37, Nein-Stimmen: 55, Stimmenthaltungen: 13.

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