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Document 32023R0825

    Durchführungsverordnung (EU) 2023/825 der Kommission vom 17. April 2023 zur Ausweitung des mit der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1408 eingeführten Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter warmgewalzter Flacherzeugnisse aus nicht rostendem Stahl in Tafeln oder Rollen (Coils) mit Ursprung in Indonesien auf aus der Türkei versandte Einfuhren bestimmter warmgewalzter Flacherzeugnisse aus nicht rostendem Stahl in Tafeln oder Rollen (Coils), ob als Ursprungserzeugnisse der Türkei angemeldet oder nicht

    C/2023/2397

    ABl. L 103 vom 18.4.2023, p. 12–28 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, GA, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    Legal status of the document In force

    ELI: http://data.europa.eu/eli/reg_impl/2023/825/oj

    18.4.2023   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    L 103/12


    DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) 2023/825 DER KOMMISSION

    vom 17. April 2023

    zur Ausweitung des mit der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1408 eingeführten Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter warmgewalzter Flacherzeugnisse aus nicht rostendem Stahl in Tafeln oder Rollen (Coils) mit Ursprung in Indonesien auf aus der Türkei versandte Einfuhren bestimmter warmgewalzter Flacherzeugnisse aus nicht rostendem Stahl in Tafeln oder Rollen (Coils), ob als Ursprungserzeugnisse der Türkei angemeldet oder nicht

    DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

    gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

    gestützt auf die Verordnung (EU) 2016/1036 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Union gehörenden Ländern (1) (im Folgenden „Grundverordnung“), insbesondere auf Artikel 13,

    in Erwägung nachstehender Gründe:

    1.   VERFAHREN

    1.1.   Geltende Maßnahmen

    (1)

    Im Oktober 2020 führte die Europäische Kommission (im Folgenden „Kommission“) mit der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1408 (2) einen endgültigen Antidumpingzoll auf die Einfuhren bestimmter warmgewalzter Flacherzeugnisse aus nicht rostendem Stahl in Tafeln oder Rollen (Coils) (im Folgenden „SSHR“) mit Ursprung in Indonesien, der Volksrepublik China (im Folgenden „VR China“ oder „China“) und Taiwan ein. Die geltenden Antidumpingzölle betragen zwischen 9,2 % und 19 % auf Einfuhren mit Ursprung in der VR China, zwischen 4,1 % und 7,5 % auf Einfuhren mit Ursprung in Taiwan; für Einfuhren mit Ursprung in Indonesien wurden sie auf 17,3 % festgesetzt. Die Untersuchung, die zu diesen Zöllen führte (im Folgenden „Ausgangsuntersuchung“), wurde im August 2019 eingeleitet (3).

    1.2.   Antrag

    (2)

    Am 17. Juni 2022 ging bei der Kommission ein Antrag nach Artikel 13 Absatz 3 und Artikel 14 Absatz 5 der Grundverordnung auf Untersuchung der mutmaßlichen Umgehung der geltenden Antidumpingmaßnahmen und auf zollamtliche Erfassung von aus der Republik Türkei (im Folgenden „Türkei“) versandte Einfuhren von SSHR, ob als Ursprungserzeugnisse der Türkei angemeldet oder nicht, ein.

    (3)

    Der Antrag wurde vom Verband der Europäischen Stahlhersteller Eurofer (im Folgenden „Antragsteller“) eingereicht.

    (4)

    Der Antrag enthielt hinreichende Beweise dafür, dass sich das Handelsgefüge der Ausfuhren aus Indonesien und der Türkei in die Union nach der Einführung von Maßnahmen gegenüber SSHR verändert hat. Die im Antrag vorgelegten Daten zeigten eine erhebliche Veränderung des Handelsgefüges, die zu einem erheblichen Anstieg der Ausfuhren von Brammen aus nicht rostendem Stahl, dem wichtigsten Rohstoff für die Herstellung von SSHR, aus Indonesien in die Türkei und zu einem erheblichen Anstieg der Ausfuhren von SSHR aus der Türkei in die Union führte. Diese Veränderung schien auf den Versand von SSHR aus der Türkei in die Union nach der Vornahme von Montage- oder Fertigstellungsvorgängen in der Türkei zurückzugehen. Die Beweise zeigten, dass mit diesen Montage- oder Fertigstellungsvorgängen zu dem Zeitpunkt begonnen wurde, als die zu den geltenden Zöllen führende Antidumpinguntersuchung eingeleitet wurde, und dass es für die fragliche Praxis außer der Einführung des Zolls keine hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung gab.

    (5)

    Außerdem enthielt der Antrag hinreichende Beweise dafür, dass auf die Brammen aus nicht rostendem Stahl mit Ursprung in Indonesien mehr als 60 % des Gesamtwerts der SSHR entfielen und dass der Wert, der den Teilen während der Montage oder Fertigstellung hinzugefügt wurde, weniger als 25 % der Herstellkosten betrug.

    (6)

    Weiterhin enthielt der Antrag hinreichende Beweise, aus denen hervorgeht, dass die Abhilfewirkung der geltenden Antidumpingzölle durch die Praxis, den Fertigungsprozess oder die Arbeit im Hinblick auf die Mengen und Preise untergraben wurde. Dem Anschein nach waren erhebliche Mengen an Einfuhren von SSHR auf den Unionsmarkt gelangt. Außerdem lagen hinreichende Beweise vor, die tendenziell darauf hindeuteten, dass die Einfuhren von SSHR zu schädigenden Preisen erfolgten.

    (7)

    Schließlich enthielt der Antrag hinreichende Beweise dafür, dass die Einfuhren von SSHR im Verhältnis zu dem vorher festgestellten Normalwert gedumpt waren.

    1.3.   Betroffene Ware und untersuchte Ware

    (8)

    Bei der betroffenen Ware, die Gegenstand der mutmaßlichen Umgehung ist, handelt es sich um flachgewalzte Erzeugnisse aus nicht rostendem Stahl, auch in Rollen (Coils) (auch nach Länge zugeschnittene Waren und Schmalband („narrow strip“)), nur warmgewalzt, ausgenommen Erzeugnisse nicht in Rollen (Coils) mit einer Breite von 600 mm oder mehr und einer Dicke von mehr als 10 mm, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1408 unter den HS-Codes 7219 11, 7219 12, 7219 13, 7219 14, 7219 22, 7219 23, 7219 24, 7220 11 und 7220 12 eingereiht sind, mit Ursprung in Indonesien (im Folgenden „betroffene Ware“). Dies ist die Ware, für die die derzeit in Kraft befindlichen Maßnahmen gelten.

    (9)

    Bei der zu untersuchenden Ware handelt es sich um dieselbe Ware wie im vorstehenden Erwägungsgrund beschrieben, die derzeit unter den HS-Codes 7219 11, 7219 12, 7219 13, 7219 14, 7219 22, 7219 23, 7219 24, 7220 11 und 7220 12, eingereiht ist, jedoch aus der Türkei versandt wird, ob als Ursprungserzeugnisse der Türkei angemeldet oder nicht (TARIC-Codes 7219110010, 7219121010, 7219129010, 7219131010, 7219139010, 7219141010, 7219149010, 7219221010, 7219229010, 7219230010, 7219240010, 7220110010 und 7220120010) (im Folgenden „untersuchte Ware“).

    (10)

    Die Untersuchung ergab, dass die aus Indonesien in die Union ausgeführten SSHR und die aus der Türkei in die Union versandten SSHR, ob mit Ursprung in der Türkei oder nicht, die gleichen grundlegenden materiellen und chemischen Eigenschaften und die gleichen Verwendungen haben, sodass sie als gleichartige Ware im Sinne des Artikels 1 Absatz 4 der Grundverordnung angesehen wurden.

    (11)

    Nach der Unterrichtung brachte Marcegaglia Specialties S.P.A. (im Folgenden „Marcegaglia“), ein europäischer Einführer und Verwender von SSHR, vor, dass es sich bei all seinen Einfuhren von SSHR aus der Türkei, die aus indonesischen Brammen gefertigt worden waren, um schwarze SSHR-Coils handele, für die es in der Union fast keinen freien Markt gebe. Das Unternehmen unterschied bei der betroffenen Ware zwischen weißen und schwarzen SSHR. Schwarze SSHR-Coils müssten vor der Weiterverarbeitung gebeizt und geglüht werden, was ihre Verwendung ausschließlich auf Walzwerke beschränke. Marcegaglia sei das einzige unabhängige, nicht vertikal integrierte Walzwerk in der Union. Da die aus der Türkei eingeführte Ware auf schwarze SSHR-Coils beschränkt sei, gebe es also keinen Wettbewerb mit von Unionsherstellern gefertigten und auf dem freien Markt verkauften weißen SSHR.

    (12)

    Die Kommission erinnerte daran, dass mit dieser Untersuchung festgestellt werden sollte, ob eine Umgehung vorliegt. Es gab keine Rechtsgrundlage, um im Rahmen dieser Untersuchung die für den Geltungsbereich der Maßnahmen maßgebliche Warendefinition zu ändern. Die Warendefinition wurde in der Ausgangsuntersuchung festgelegt, und alle SSHR-Coils wurden von dieser Warendefinition erfasst. In der Ausgangsuntersuchung wurde insbesondere der Schluss gezogen, dass schwarze und weiße Coils dieselben grundlegenden materiellen und chemischen Eigenschaften aufweisen, dass sie austauschbar sind und unter die Warendefinition fallen (4). Aus diesen Gründen wurde das Vorbringen zurückgewiesen.

    (13)

    Nach der Unterrichtung brachten Çolakoğlu Metalurji A.Ş. (im Folgenden „Çolakoğlu“), ein türkischer ausführender Hersteller, und die Regierung der Republik Türkei vor, die Kommission hätte die Verarbeitung indonesischer Brammen aus nicht rostendem Stahl in SSHR in der Union in die Untersuchung einbeziehen müssen.

    (14)

    Die Kommission wies darauf hin, wie in Erwägungsgrund 31 erläutert, dass diese Praxis zwar nicht Gegenstand dieser Untersuchung gewesen ist, sie das Vorbringen aber zur Kenntnis genommen hat und weiter prüfen wird, ob bezüglich dieser Praxis, sollte sie sich bestätigen, weitere Maßnahmen der Kommission erforderlich sind.

    1.4.   Einleitung der Untersuchung

    (15)

    Die Kommission kam nach Unterrichtung der Mitgliedstaaten zu dem Schluss, dass genügend Beweise vorlagen, die die Einleitung einer Untersuchung gemäß Artikel 13 Absatz 3 der Grundverordnung rechtfertigten, und leitete daher mit der Durchführungsverordnung (EU) 2022/1310 der Kommission (5) (im Folgenden „Einleitungsverordnung“) die Untersuchung ein und veranlasste damit auch die zollamtliche Erfassung der aus der Türkei versandten Einfuhren von SSHR, ob als Ursprungserzeugnisse der Türkei angemeldet oder nicht.

    1.5.   Stellungnahmen zur Einleitung der Untersuchung

    (16)

    Çolakoğlu argumentierte, dass die Einleitung der Untersuchung aufgrund fehlender hinreichender Beweise nicht gerechtfertigt gewesen sei und deshalb eingestellt werden solle.

    (17)

    Das Handelsgefüge habe sich nicht verändert, denn die Einfuhren von SSHR aus Indonesien seien nicht zurückgegangen und der Anstieg der Einfuhren von SSHR aus der Türkei, der die Einfuhren aus Indonesien unmöglich ersetzen könne, belege für sich genommen nicht, dass eine solche Änderung des Handelsgefüges stattgefunden hat.

    (18)

    Auch sei die Praxis, der Fertigungsprozess oder die Arbeit in der Türkei keiner der Kategorien des Artikels 13 Absatz 1 Unterabsatz 4 der Grundverordnung zuzuordnen. Insbesondere gebe es keine eindeutigen Beweise dafür, dass SSHR mit Ursprung in Indonesien über die Türkei in die Union versandt würden, und auch keine Beweise für eine Umstrukturierung der Vertriebsmuster und -kanäle. Darüber hinaus könne die Praxis, der Fertigungsprozess oder die Arbeit weder als geringfügige Veränderung eingestuft werden — da es sich bei der untersuchten Ware um eine nachgelagerte Ware handele und damit um eine andere Ware als die Inputs — noch als Montagevorgang, insbesondere da die untersuchte Ware und Brammen aus nicht rostendem Stahl nicht unter denselben Tarifpositionen eingereiht seien.

    (19)

    Çolakoğlu brachte vor, dass es angesichts der Nachfrage nach Erzeugnissen aus nicht rostendem Stahl in der Türkei wirtschaftlich gerechtfertigt sei, in Kapazitäten zur Herstellung von nicht rostendem Stahl zu investieren.

    (20)

    Es liege keine Schädigung vor und die Abhilfewirkung werde nicht untergraben, da i) die türkischen Einfuhren mit einem Marktanteil von 1 % nicht so bedeutend seien, dass sie die Abhilfewirkung des Zolls untergraben könnten, und ii) — sollte die Abhilfewirkung des Zolls doch untergraben worden sein — dies nicht auf die Einfuhren von SSHR aus der Türkei zurückgehe, sondern vielmehr auf die Einfuhren von SSHR aus Indonesien, die nach der Einführung der Maßnahmen angehalten hätten, und auf die Einfuhren von SSHR, die von den Unionsherstellern aus aus Indonesien eingeführten Stahlbrammen verarbeitet wurden.

    (21)

    Eine Ausweitung der Maßnahmen auf die Türkei laufe dem Interesse der Union zuwider, da dies zu einem weiteren Preisanstieg führe, der sich letztlich negativ auf die Endnutzer und Verbraucher auswirken werde.

    (22)

    Schließlich brachte Çolakoğlu vor, dass die Unionshersteller dieselben Vorgänge, d. h. die Verarbeitung indonesischer Brammen aus nicht rostendem Stahl zu SSHR, in der Union durchführen würden, und zwar sogar in größerem Umfang verglichen mit den Vorgängen in der Türkei. Daher beantrage es, die Untersuchung einzustellen oder alternativ die Untersuchung auf die Verarbeitung indonesischer Brammen aus nicht rostendem Stahl zu SSHR in der Union auszuweiten.

    (23)

    Ähnliche Stellungnahmen gingen von Marcegaglia und der Regierung der Republik Türkei ein.

    (24)

    Marcegaglia brachte außerdem vor, dass die Einfuhr von Brammen aus nicht rostendem Stahl aus Indonesien zur Weiterverarbeitung in der Türkei wirtschaftlich gerechtfertigt sei und der Diversifizierung der Versorgungsquellen diene.

    (25)

    Die Kommission vertrat die Auffassung, dass der Antrag hinreichende Beweise dafür enthielt, dass sich das Handelsgefüge der Ausfuhren aus Indonesien und der Türkei in die Union nach der Einleitung der Ausgangsuntersuchung und der Einführung von Maßnahmen verändert hat. Insbesondere zeigten die im Antrag enthaltenen Daten eine erhebliche Veränderung des Handelsgefüges in Form eines erheblichen Anstiegs der Ausfuhren von Brammen aus nicht rostendem Stahl, dem wichtigsten Rohstoff für die Herstellung von SSHR, aus Indonesien in die Türkei und in Form eines erheblichen Anstiegs der Ausfuhren von SSHR aus der Türkei in die Union.

    (26)

    Im Hinblick auf die Praxis, den Fertigungsprozess oder die Arbeit in der Türkei vertrat die Kommission die Auffassung, dass der Antrag hinreichende Beweise für das Vorliegen von Montage- bzw. Fertigstellungsvorgänge in der Türkei — eine der in Artikel 13 Absatz 2 der Grundverordnung ausdrücklich genannten Praktiken — enthielt und dafür, dass diese Vorgänge auf der Grundlage von Brammen aus nicht rostendem Stahl, dem wichtigsten Input, aus Indonesien durchgeführt wurden. Die zolltarifliche Einreihung der untersuchten Ware oder der wichtigsten Inputs für diese Ware bzw. deren Änderung ist für die Feststellung, ob ein Montage- oder Fertigstellungsvorgang eine Umgehung darstellt, unerheblich.

    (27)

    Darüber hinaus enthielt der Antrag hinreichende Beweise dafür, dass es außer der Einführung der Zölle offensichtlich keine wirtschaftliche Rechtfertigung gab, insbesondere da die Vorgänge zu einer erhöhten Komplexität der Logistikkosten und Dienstleistungsgebühren führten. Die Vorbringen von Çolakoğlu und Marcegaglia wurden im Rahmen der Untersuchung weiter geprüft und werden in Abschnitt 2.4 behandelt.

    (28)

    Nach Auffassung der Kommission enthielt der Antrag auch hinreichende Beweise dafür, dass durch diese Praktiken die Abhilfewirkung der geltenden Antidumpingmaßnahmen gegenüber SSHR im Hinblick auf Mengen und Preise untergraben wurde. Der Antrag enthielt insbesondere ausreichende Beweise dafür, dass die Preise der Einfuhren von SSHR unter dem in der Ausgangsuntersuchung ermittelten nicht schädigenden Preis lagen. Diese Vorbringen, einschließlich der Argumente zum Anteil der türkischen Einfuhren, wurden im Rahmen der Untersuchung weiter geprüft.

    (29)

    In Bezug auf die Vorbringen zum Unionsinteresse wies die Kommission darauf hin, dass das Unionsinteresse kein Kriterium in Verbindung mit der Einleitung einer Untersuchung nach Artikel 13 der Grundverordnung ist.

    (30)

    Angesichts der vorstehenden Erwägungen wies die Kommission die Vorbringen zurück, wonach der Antrag keine hinreichenden Beweise enthalte, die die Einleitung der Untersuchung rechtfertigten.

    (31)

    Bezüglich des Vorbringens von Çolakoğlu, dass die aus Indonesien in die Union eingeführten Brammen womöglich in der Union zu SSHR verarbeitet würden, wies die Kommission darauf hin, dass diese Praxis nicht Gegenstand dieser Untersuchung war. In Übereinstimmung mit der Einleitungsverordnung war die Untersuchung auf Einfuhren von SSHR aus der Türkei in die Union und auf die Verarbeitungsvorgänge in der Türkei beschränkt. Die Kommission hat das Vorbringen von Çolakoğlu aber zur Kenntnis genommen und wird weiter prüfen, ob die Einfuhren von Brammen aus nicht rostendem Stahl aus Indonesien in die Union Teil einer anderen Umgehungspraxis sein könnten. Die Kommission hat damit begonnen, die Einfuhren von Brammen aus nicht rostendem Stahl aus Indonesien in die Union zu überwachen, und laut Eurostat kamen diese Einfuhren im Oktober 2022 zum Erliegen.

    1.6.   Verteidigungsrechte

    (32)

    Nach der Unterrichtung brachte Çolakoğlu vor, die Kommission habe sein Recht auf Verteidigung nach Artikel 6 Absatz 7 der Grundverordnung und Artikel 296 AEUV sowie sein Recht auf eine gute Verwaltung gemäß Artikel 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verletzt, da sie viele der im Laufe der Untersuchung vorgebrachten Argumente nicht berücksichtigt habe. Insbesondere sei sein Recht auf eine gute Verwaltung dadurch verletzt worden, dass die Kommission die Untersuchung nicht auf direkt aus Indonesien in die Union eingeführte Brammen aus nicht rostendem Stahl ausgeweitet habe.

    (33)

    Die Kommission wies darauf hin, dass sie die interessierten Parteien am 30. Januar 2023 über die wesentlichen Tatsachen und Erwägungen, auf die sich ihre Schlussfolgerungen stützten, unterrichtet hatte. Allen Parteien wurde eine Frist von 15 Tagen zur Stellungnahme eingeräumt. Alle von Çolakoğlu und anderen interessierten Parteien vorgebrachten Argumente wurden berücksichtigt, was jedoch nicht bedeutet, dass jedes einzelne Vorbringen in der Unterrichtung ausdrücklich behandelt werden musste (6). Die Kommission muss, so wie sie es in dem Unterrichtungsdokument getan hat, ihre Feststellungen und Schlussfolgerungen hinreichend begründen und ausführlich erläutern. Nach der Unterrichtung übermittelte Çolakoğlu eine Stellungnahme und ihm wurde eine Anhörung gewährt. Die Kommission hat alle Stellungnahmen, wie nachstehend ausgeführt, gebührend berücksichtigt. Im Hinblick auf die Einfuhren indonesischer Brammen aus nicht rostendem Stahl in die Union wies die Kommission darauf hin, dass sie in der Unterrichtung hinreichend erläutert hat, wie in Erwägungsgrund 31 wiedergegeben, warum diese mutmaßliche Praxis nicht Gegenstand der laufenden Untersuchung war. Entgegen dem Vorbringen von Çolakoğlu übte die Kommission auch kein Ermessen aus, da die Einleitungsverordnung ihr nur erlaubte, andere mögliche Umgehungspraktiken, die außerhalb der Union und insbesondere in der Türkei stattfanden, zu untersuchen. Daher vertrat die Kommission die Auffassung, dass Çolakoğlus Verteidigungsrechte in vollem Umfang gewahrt wurden, und wies das Vorbringen zurück.

    1.7.   Untersuchungszeitraum und Betrachtungszeitraum

    (34)

    Der Untersuchungszeitraum erstreckte sich vom 1. Januar 2018 bis zum 30. Juni 2022 (im Folgenden „Untersuchungszeitraum“ oder „UZ“). Für den Untersuchungszeitraum wurden Daten erhoben, um u. a. Folgendes zu untersuchen: die mutmaßliche Veränderung des Handelsgefüges seit der Einführung der Maßnahmen gegenüber der betroffenen Ware sowie das Vorliegen einer Praxis, eines Fertigungsprozesses oder einer Arbeit, für die es außer der Einführung des Zolls keine hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung gab. Detailliertere Daten wurden für den Zeitraum vom 1. Juli 2021 bis zum 30. Juni 2022 (im Folgenden „Betrachtungszeitraum“) erhoben, um zu untersuchen, ob die Abhilfewirkung der geltenden Maßnahmen durch die Preise und/oder Mengen von Einfuhren untergraben wurde und ob Dumping vorlag.

    1.8.   Untersuchung

    (35)

    Die Kommission unterrichtete die Behörden von Indonesien und der Türkei, die bekannten ausführenden Hersteller in diesen Ländern, den Wirtschaftszweig der Union und den Präsidenten des Assoziationsrates EU-Türkei offiziell über die Einleitung der Untersuchung.

    (36)

    Darüber hinaus ersuchte die Kommission die Vertretung der Türkei bei der Europäischen Union, ihr die Namen und Anschriften von ausführenden Herstellern und/oder repräsentativen Verbänden mitzuteilen, die neben den im Antrag des Antragstellers genannten türkischen ausführenden Herstellern an einer Mitarbeit an der Untersuchung interessiert sein könnten.

    (37)

    Die Formulare für den Antrag auf Befreiung für die Hersteller/Ausführer in der Türkei, die Fragebögen für die Hersteller/Ausführer in Indonesien und die Fragebögen für Einführer in der Union wurden auf der Website der Generaldirektion Handel zur Verfügung gestellt.

    (38)

    Fünf Unternehmen mit Sitz in der Türkei reichten Anträge auf Befreiung ein. Hierzu zählten:

    Saritas Celik San.ve tic. A.S. (im Folgenden „Saritas“),

    Üças Paslanmaz Çelik iç ve tic. A.S. (im Folgenden „UCAS“),

    AST Turkey Metal Sanayi ve tic. A.S. (im Folgenden „AST“),

    Poyraz Paslanmaz Sanayi ve diş ticaret Limited Sirk (im Folgenden „Poyraz“),

    Çolakoğlu Metalurji A.Ş. (im Folgenden „Çolakoğlu“).

    (39)

    Außerdem übermittelte ein Einführer und Verwender in der Union, Marcegaglia, eine Antwort auf den Fragebogen.

    (40)

    Die interessierten Parteien erhielten Gelegenheit, innerhalb der in der Einleitungsverordnung gesetzten Frist zu der Sache schriftlich Stellung zu nehmen und eine Anhörung zu beantragen. Allen Parteien wurde mitgeteilt, dass bei Nichtvorlage aller relevanten Informationen oder bei Vorlage unvollständiger, unwahrer oder irreführender Informationen Artikel 18 der Grundverordnung zur Anwendung kommen könnte und die Feststellungen dann auf der Grundlage der verfügbaren Informationen getroffen würden.

    (41)

    Am 4. Oktober 2022 fand eine Anhörung mit Marcegaglia statt.

    (42)

    Nach der Unterrichtung am 30. Januar 2023 fanden am 8. Februar 2023 eine Anhörung mit Marcegaglia und am 10. Februar 2023 eine Anhörung mit Çolakoğlu statt.

    2.   UNTERSUCHUNGSERGEBNISSE

    2.1.   Allgemeine Erwägungen

    (43)

    Um zu beurteilen, ob eine Umgehung vorliegt, sollte nach Artikel 13 Absatz 1 der Grundverordnung untersucht werden,

    ob sich das Handelsgefüge zwischen Indonesien, der Türkei und der Union verändert hat,

    ob sich diese Veränderung aus einer Praxis, einem Fertigungsprozess oder einer Arbeit ergeben hat, für die es außer der Einführung der geltenden Antidumpingmaßnahmen keine hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung gab,

    ob Beweise für eine Schädigung oder dafür vorliegen, dass die Abhilfewirkung der geltenden Antidumpingmaßnahmen im Hinblick auf die Preise und/oder Mengen der untersuchten Ware untergraben wurde,

    ob Beweise für Dumping im Verhältnis zu den vorher für die betroffene Ware festgestellten Normalwerten vorliegen.

    (44)

    In dem Antrag wurde angegeben, dass die betroffene Ware aus der Türkei in die Union versandt werde, nachdem Montage- oder Fertigstellungsvorgänge an ihr vorgenommen wurden. Diesbezüglich hat die Kommission im Einzelnen geprüft, ob die Kriterien des Artikels 13 Absatz 2 der Grundverordnung erfüllt waren, insbesondere,

    ob die Montage oder Fertigstellung seit oder kurz vor der Einleitung der Antidumpinguntersuchung begonnen oder erheblich ausgeweitet wurde und ob die verwendeten Teile ihren Ursprung in dem von Maßnahmen betroffenen Land haben,

    ob der Wert dieser Teile 60 % oder mehr des Gesamtwerts der Teile der montierten Ware ausmacht und ob der Wert, der während der Montage oder Fertigstellung den verwendeten eingeführten Teilen hinzugefügt wurde, mehr als 25 % der Herstellkosten beträgt.

    2.2.   Mitarbeit und Status der ausführenden Hersteller

    (45)

    Wie in Erwägungsgrund 38 dargelegt, beantragten fünf Unternehmen mit Sitz in der Türkei, im Falle einer Ausweitung der Maßnahmen auf die Türkei von den Maßnahmen befreit zu werden.

    (46)

    Drei von ihnen — Saritas, UCAS und AST — wurden nicht als ausführende Hersteller eingestuft. Nach Prüfung der in den jeweiligen Anträgen zur Verfügung gestellten Informationen kam die Kommission zu dem Schluss, dass die Unternehmen zwar am Kauf und Weiterverkauf der untersuchten Ware beteiligt waren, diese aber nicht herstellten. Die untersuchte Ware wurde von anderen Unternehmen, den eigentlichen Herstellern, erworben. Die betreffenden Unternehmen konnten folglich nicht als Hersteller eingestuft werden. Artikel 13 Absatz 4 der Grundverordnung räumt nur Herstellern die Möglichkeit ein, eine Befreiung von der Ausweitung der Antidumpingzölle zu beantragen. Hierzu wurde in Erwägungsgrund 27 der Einleitungsverordnung ausdrücklich festgelegt, dass Befreiungen nur Herstellern der untersuchten Ware mit Sitz in der Türkei gewährt werden können. Da festgestellt wurde, dass diese Unternehmen keine Hersteller sind, waren sie nicht berechtigt, eine Befreiung zu beantragen.

    (47)

    Im Falle von Poyraz erhielt die Kommission eine äußerst unzureichende Antwort, bei der große Teile des Fragebogens zum Antrag auf Befreiung gar nicht oder unvollständig beantwortet wurden. Als Reaktion auf ein Schreiben zur Anforderung noch fehlender Informationen übermittelte das Unternehmen eine Antwort, in der die erforderlichen Informationen immer noch sehr unzureichend waren oder fehlten. Daher teilte die Kommission dem Unternehmen ihre Absicht mit, bei der Feststellung, ob es sich bei diesem Unternehmen um einen Hersteller im Sinne des Artikels 13 Absatz 4 der Grundverordnung handelt, im Einklang mit Artikel 18 Absatz 1 der Grundverordnung die verfügbaren Informationen zugrunde zu legen. In seiner Antwort erläuterte das Unternehmen, warum es keine vollständigeren Angaben gemacht hatte, und ersuchte die Kommission, in seinen Räumlichkeiten weitere Daten zu erheben. Das Unternehmen übermittelte keine weiteren Informationen zur Berichtigung oder Vervollständigung der unzureichend beantworteten Teile des Fragebogens.

    (48)

    Obwohl die Antwort unvollständig war, ging daraus hervor, dass Poyraz SSHR-Coils vor allem in Indonesien einkaufte und sie dann (ggf. zugeschnitten und nach Größe sortiert) teilweise auf dem Unionsmarkt weiterverkaufte. Während das Unternehmen der Kommission keine Kostenaufstellung zu einer etwaigen Umwandlung oder eine detaillierte Auflistung der Verkäufe in die Union vorlegen konnte, geht aus der Antwort eindeutig hervor, dass Poyraz die betroffene Ware zum Weiterverkauf einkaufte. Poyraz konnte daher nicht als Hersteller im Sinne von Artikel 13 Absatz 4 der Grundverordnung eingestuft werden und kam somit nicht für eine Befreiung in Betracht. Der Antrag auf Befreiung wurde daher zurückgewiesen.

    (49)

    Çolakoğlu arbeitete während der gesamten Untersuchung mit, indem es Formulare für den Antrag auf Befreiung vorlegte und Schreiben zur Anforderung fehlender Informationen beantwortete. Infolgedessen war das Maß der Mitarbeit der türkischen ausführenden Hersteller insgesamt relativ hoch: Die von Çolakoğlu in die Union ausgeführten Mengen an SSHR machten [88 % bis 93 %] der Gesamtmenge aus, die den Eurostat-Einfuhrstatistiken zufolge im Betrachtungszeitraum aus der Türkei eingeführt wurde.

    (50)

    Die Kommission führte gemäß Artikel 16 der Grundverordnung einen Kontrollbesuch in den Räumlichkeiten von Çolakoğlu durch. Çolakoğlu führte seinen wichtigsten Input (Brammen aus nicht rostendem Stahl) fast gänzlich aus Indonesien ein.

    (51)

    Der Einführer und Verwender in der Union, Marcegaglia, arbeitete ebenfalls mit und lieferte Informationen über den Kauf von aus nicht rostendem Stahl gefertigten Brammen aus Indonesien, deren anschließende Verarbeitung in der Türkei und die Einfuhren von SSHR in die Union. Marcegaglia beantragte, als ausführender Hersteller behandelt zu werden. Das Unternehmen begründete seinen Antrag mit der Art seiner Tätigkeit: Es beziehe Brammen aus Indonesien, lasse diese Brammen anschließend im Rahmen einer Veredelungsvereinbarung mit Çolakoğlu in der Türkei warmwalzen und führe die Coils (SSHR) später in die Union ein. Folglich sei Marcegaglia während des gesamten Vorgangs Eigentümer des Rohmaterials (Brammen) und des Endprodukts (SSHR), was durch die Untersuchung bestätigt wurde. Da die eigentliche Herstellung/Verarbeitung jedoch bei Çolakoğlu (7) in der Türkei stattfand, kam die Kommission zu dem Schluss, dass Marcegaglia nicht als ausführender Hersteller eingestuft werden konnte und deshalb nicht berechtigt war, eine Befreiung zu beantragen.

    2.3.   Veränderung des Handelsgefüges

    2.3.1.   Einfuhren von SSHR

    (52)

    Aus Tabelle 1 geht die Entwicklung der Einfuhren von SSHR aus Indonesien und der Türkei im Untersuchungszeitraum hervor.

    Tabelle 1

    SSHR-Einfuhren in die Union im Untersuchungszeitraum (in Tonnen)

     

    2018

    2019

    2020

    2021

    Betrachtungszeitraum

    Indonesien

    44 647

    81 041

    3 695

    105 784

    128 191

    Index (Basis = 2018)

    100

    182

    8

    237

    287

     

     

     

     

     

     

    Türkei

    1 611

    2 137

    21 500

    33 236

    50 015

    Index (Basis = 2018)

    100

    133

    1 335

    2 064

    3 106

    Quelle: Eurostat.

    (53)

    Aus Tabelle 1 geht hervor, dass die Menge der Einfuhren von SSHR aus der Türkei von 1 611 Tonnen im Jahr 2018 auf 50 015 Tonnen im Betrachtungszeitraum anstieg. Der stärkste Anstieg der Einfuhrmenge war von 2019 zu 2020 zu verzeichnen, als diese sich mehr als verzehnfachte: von 2 137 Tonnen im Jahr 2019 auf 21 500 Tonnen im Jahr 2020. Dieser Anstieg fiel zeitlich mit der Einleitung der Ausgangsuntersuchung im August 2019 und der Einführung der endgültigen Maßnahmen im Oktober 2020 zusammen. Ab 2020 stieg die Menge der Einfuhren aus der Türkei weiter stark an und erreichte während des Betrachtungszeitraums 50 015 Tonnen. Insgesamt erhöhte sich die Menge der Einfuhren aus der Türkei im Untersuchungszeitraum um mehr als das 30-Fache.

    (54)

    Gleichzeitig stieg die Menge der Einfuhren von SSHR aus Indonesien von 44 647 Tonnen im Jahr 2018 auf 128 191 Tonnen im Betrachtungszeitraum an. Sie erhöhte sich von 2018 zu 2019 um 82 %. Von 2018 bis 2020, also während der Ausgangsuntersuchung, ging die Menge der Einfuhren von SSHR aus Indonesien deutlich zurück. Im Jahr 2020 sank die Einfuhrmenge auf weniger als den zwanzigsten Teil der im Jahr 2019 eingeführten Menge. Von 2021 bis zum Betrachtungszeitraum erholte sich die Menge der Einfuhren von SSHR aus Indonesien und begann im Vergleich zu den Werten von 2019 wieder zu steigen (um mehr als 50 %). Insgesamt hat sich die Menge der Einfuhren von SSHR aus Indonesien in die Union im Untersuchungszeitraum fast verdreifacht, aber dieser Anstieg war im Verhältnis sehr viel geringer als der Anstieg der Einfuhren aus der Türkei.

    2.3.2.   Menge der Ausfuhren von Brammen aus nicht rostendem Stahl aus Indonesien in die Türkei

    (55)

    Tabelle 2 zeigt die Entwicklung der Einfuhren von Brammen aus nicht rostendem Stahl aus Indonesien in die Türkei auf der Grundlage der türkischen Einfuhrstatistiken aus der GTA-Datenbank (8).

    Tabelle 2

    Einfuhren von Brammen aus nicht rostendem Stahl aus Indonesien in die Türkei im Untersuchungszeitraum (in Tonnen)

     

    2018

    2019

    2020

    2021

    Betrachtungszeitraum

    Indonesien

    0

    6 368

    14 172

    60 684

    40 513

    Index (Basis = 2019)

    0

    100

    223

    953

    636

    Quelle: GTA.

    (56)

    Brammen aus nicht rostendem Stahl sind der wichtigste Input für die Herstellung von SSHR. Dieser Input wird für die Herstellung von SSHR weiterverarbeitet, nämlich warmgewalzt. Aus den der Kommission vorliegenden Beweisen geht hervor, dass die aus der Türkei in die Union ausgeführten SSHR hauptsächlich aus Brammen aus nicht rostendem Stahl hergestellt wurden.

    (57)

    Tabelle 2 zeigt, dass die Einfuhren von Brammen aus nicht rostendem Stahl aus Indonesien in die Türkei beträchtlich gestiegen sind: von null im Jahr 2018 auf 40 513 Tonnen im Betrachtungszeitraum. Die Einfuhren aus Indonesien machten in jedem Jahr des Zeitraums von 2019 bis zum Betrachtungszeitraum rund 99,9 % der Gesamtmenge der Einfuhren von Brammen aus nicht rostendem Stahl in die Türkei aus. Außerdem fiel der erhebliche Anstieg der Einfuhren von Brammen aus nicht rostendem Stahl aus Indonesien in die Türkei ab 2019 zeitlich mit dem Beginn der Lieferungen von Çolakoğlu an seinen Abnehmer in der Union (Marcegaglia) zusammen, was zu einem höheren Verbrauch von Brammen aus nicht rostendem Stahl in der Türkei für die Herstellung von SSHR führte. Ferner stellte die Kommission fest, dass die gesamten Einfuhren von Brammen aus nicht rostendem Stahl aus Indonesien in die Türkei bei Çolakoğlu eingingen.

    (58)

    Der deutliche Anstieg der Menge an Einfuhren von Brammen aus nicht rostendem Stahl aus Indonesien in die Türkei weist auf eine steigende Nachfrage nach diesen Inputs in der Türkei hin, was sich großteils durch den Anstieg der Herstellung und Ausfuhr von SSHR aus der Türkei während des Betrachtungszeitraums erklären lässt. Auch die von Çolakoğlu übermittelten Informationen bestätigten diesen Sachverhalt.

    (59)

    Nach der Unterrichtung brachte Çolakoğlu vor, dass sich das Handelsgefüge nicht geändert habe, weil die Einfuhren aus Indonesien gestiegen und die Einfuhren von SSHR aus Indonesien nicht durch Einfuhren von SSHR aus der Türkei ersetzt worden seien. Zudem sei die Kommission angesichts dessen, dass keine Einfuhrsubstitution vorliege, von ihrer üblichen Praxis bei der Feststellung einer Veränderung des Handelsgefüges abgewichen.

    (60)

    Die Kommission stellte fest, dass es nach Artikel 13 der Grundverordnung zur Feststellung einer Veränderung des Handelsgefüges nicht erforderlich ist, dass die Einfuhren aus dem von Maßnahmen betroffenen Land vollständig durch Einfuhren aus anderen Ländern ersetzt werden. Auch ist die Kommission bei ihrer Schlussfolgerung bezüglich einer Veränderung des Handelsgefüges nicht von ihrer üblichen Praxis abgewichen, denn schon in einigen früheren Fällen wurde eine Veränderung des Handelsgefüges festgestellt, obwohl die Einfuhren aus dem von den Antidumpingmaßnahmen betroffenen Land gestiegen waren (9).

    2.3.3.   Schlussfolgerung zur Veränderung des Handelsgefüges

    (61)

    Wenngleich die Einfuhren von SSHR aus der Türkei die Einfuhren aus Indonesien, die ebenfalls gestiegen sind, nicht ersetzt haben, ergab die Untersuchung, dass die beträchtlichen Mengen der aus Indonesien eingeführten Brammen aus nicht rostendem Stahl in der Türkei zu SSHR weiterverarbeitet wurden, die später in die Union ausgeführt werden sollten. Der Anstieg der Ausfuhren von SSHR aus der Türkei in die Union, der aus Tabelle 1 hervorgeht, stellt gemeinsam mit dem beträchtlichen Anstieg der Ausfuhren von Brammen aus nicht rostendem Stahl aus Indonesien in die Türkei während des Untersuchungszeitraums (siehe Tabelle 2) eine Veränderung des Handelsgefüges zwischen Indonesien, der Türkei und der Union im Sinne des Artikels 13 Absatz 1 der Grundverordnung dar.

    2.4.   Praxis, Fertigungsprozess oder Arbeit, für die/den es keine andere hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung als die Einführung des Antidumpingzolls gibt

    (62)

    Die Untersuchung ergab, dass zwischen Marcegaglia und Çolakoğlu eine Veredelungsvereinbarung bestand, in deren Rahmen Marcegaglia Brammen aus nicht rostendem Stahl aus Indonesien bezog, diese in die Türkei lieferte, wo sie von Çolakoğlu zu SSHR weiterverarbeitet wurden, die später von Marcegaglia in die Union eingeführt wurden. Diese Veredelungsvereinbarung wurde Ende 2018 ausgehandelt, also vor der Einleitung der Ausgangsuntersuchung.

    (63)

    Tabelle 3 zeigt die Entwicklung der Ausfuhren von SSHR in die Union, die Çolakoğlu im Rahmen der Veredelungsvereinbarung mit Marcegaglia tätigte.

    Tabelle 3

    Von Çolakoğlu getätigte Ausfuhren von SSHR in die Union (in Tonnen)

     

    2018

    2019

    2020

    2021

    BZ

    Von Çolakoğlu getätigte Ausfuhren von SSHR in die Union

    0

    5 -10

    10 000 -15 000

    25 000 -30 000

    40 000 -50 000

    Quelle: Daten überprüfter Unternehmen.

    (64)

    Tabelle 3 zeigt, dass die von Çolakoğlu getätigten Ausfuhren beträchtlich gestiegen sind: von null im Jahr 2018 auf mehr als 40 000 Tonnen im Betrachtungszeitraum.

    (65)

    Die Untersuchung ergab auch, dass fast die gesamten von Çolakoğlu in die Union getätigten Ausfuhren im Rahmen der Veredelungsvereinbarung mit Marcegaglia erfolgten. Gleichermaßen wurden fast alle aus Indonesien in die Türkei eingeführten Brammen von Çolakoğlu im Rahmen der zwischen den beiden Unternehmen geschlossenen Veredelungsvereinbarung zu SSHR weiterverarbeitet.

    (66)

    Auch wenn es für die Einführung dieser Praxis andere Gründe als die geltenden Maßnahmen gegeben haben mag, nämlich die Versorgungssicherheit für Marcegaglia sicherzustellen und den Markt für nicht rostenden Stahl in der Türkei zu beliefern, deuten andere Faktoren stark auf einen Zusammenhang mit der Einführung der Zölle hin:

    Die Veredelungsvereinbarung wurde zwar vor der Einleitung der Ausgangsuntersuchung ausgehandelt, kam aber vor der Einleitung der Ausgangsuntersuchung noch nicht vollständig zum Tragen.

    Der Umfang der im Rahmen der Veredelungsvereinbarung erfolgenden Praxis nahm erst nach dem Beginn der Ausgangsuntersuchung erheblich zu und stieg nach der Einführung der endgültigen Maßnahmen noch einmal deutlich an.

    (67)

    Die Kommission stellte fest, dass die Veredelungsvereinbarung mit dem Ziel geschlossen wurde, den Unionsmarkt zu beliefern und nicht den türkischen Inlandsmarkt. Tatsächlich verkaufte Çolakoğlu weniger als 2 % SSHR, die aus aus Indonesien eingeführten Brammen hergestellt wurden, auf dem türkischen Inlandsmarkt.

    (68)

    Die Kommission prüfte auch das Vorbringen von Marcegaglia, die Veredelungsvereinbarung sei zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit geschlossen worden, da die Nachfrage erheblich gestiegen sei und vom Wirtschaftszweig der Union nicht hätte gedeckt werden können. In diesem Zusammenhang wurde festgestellt, dass die Montage- bzw. Fertigstellungsvorgänge in der Türkei erst nach der Einleitung der Ausgangsuntersuchung gegenüber Indonesien in nennenswertem Umfang aufgenommen wurden. Die Vereinbarung bezog sich nicht nur auf die Sicherung einer Bezugsquelle in der Türkei, sondern aufgrund ihres Schwerpunkts auf der Veredelung insbesondere auf die Versorgung mit Brammen aus nicht rostendem Stahl aus Indonesien, dem von den Maßnahmen betroffenen Land. Darüber hinaus war der indonesische Hersteller von Brammen aus nicht rostendem Stahl auch der Lieferant von SSHR. Es ist nicht üblich, aus Gründen der Versorgungssicherheit in der Wertschöpfungskette seines vertikal integrierten Lieferanten eine Stufe höher zu steigen. Es sei denn, die Gefahr, die abgewendet werden soll, sind potenzielle Maßnahmen, die die vorherige Stufe dieser Wertschöpfungskette betreffen — in diesem Fall der Antidumpingzoll auf Einfuhren von SSHR aus Indonesien.

    (69)

    Nach der Unterrichtung brachten Marcegaglia und Çolakoğlu vor, dass ihre Geschäftsbeziehung nicht von dem Antidumpingzoll auf die Einfuhren von SSHR aus Indonesien abhängig sei. Beide Unternehmen argumentierten, dass die Veredelungsvereinbarung zwischen Marcegaglia und Çolakoğlu vor der Einleitung der Ausgangsuntersuchung ausgehandelt worden sei und dass die beiden Unternehmen ihre langjährige Geschäftsbeziehung vor mehr als zehn Jahren aufgenommen hätten. Ihre Veredelungsvereinbarung sei Teil einer umfassenderen Vereinbarung, in deren Rahmen Çolakoğlu Erzeugnisse aus nicht rostendem Stahl, aber auch aus Kohlenstoffstahl verarbeite.

    (70)

    Die Kommission stellte fest, dass, auch wenn die Geschäftsbeziehung zwischen Marcegaglia und Çolakoğlu schon länger als zehn Jahre bestand und ihre Veredelungsvereinbarung mutmaßlich Teil einer umfassenderen Vereinbarung war (vgl. Erwägungsgrund 66), die Tatsache fortbesteht, dass die im Rahmen dieser Untersuchung beurteilte Praxis, d. h. die Verarbeitung von Brammen aus nicht rostendem Stahl aus Indonesien zu SSHR in der Türkei und die anschließende Ausfuhr dieser SSHR in die Union, vor Einleitung der Ausgangsuntersuchung nicht in vollem Umfang umgesetzt wurde. Die Praxis nahm nach der Einleitung der Ausgangsuntersuchung erheblich zu und stieg nach der Einführung der endgültigen Maßnahmen noch einmal deutlich an. Anders ausgedrückt, wurde die fragliche Praxis ungeachtet der langjährigen Geschäftsbeziehung zeitgleich mit der Einleitung der Ausgangsuntersuchung und der späteren Einführung von Maßnahmen aufgenommen und nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt. Daher wies die Kommission dieses Vorbringen zurück.

    (71)

    Çolakoğlu brachte vor, es gebe eine wirtschaftliche Rechtfertigung, die mit der bestehenden Nachfrage nach SSHR sowohl in der EU als auch in der Türkei zusammenhänge. Diese Nachfrage sei der Grund für die Investitionen, die vor der Einleitung der Ausgangsuntersuchung getätigt worden seien, um die Produktion von SSHR in der Türkei auszubauen.

    (72)

    Zunächst stellte die Kommission fest, dass die als Umgehung der geltenden Antidumpingzölle ermitteltee Praxis nicht die Herstellung von SSHR in der Türkei an sich ist. Die Umgehungspraxis besteht darin, Brammen aus nicht rostendem Stahl aus Indonesien in die Türkei einzuführen, sie zu SSHR zu walzen und auf dem Unionsmarkt zu verkaufen. Daher war die Frage, ob die Investitionen in den Kapazitätsausbau wirtschaftlich gerechtfertigt waren, für die Feststellungen der Kommission zu einer Umgehung unerheblich. Ferner stellte die Kommission fest, dass Çolakoğlu die eigenen Kapazitäten zur Herstellung von Brammen aus nicht rostendem Stahl in der Türkei zwar ausgebaut hat, die betreffende Produktion jedoch sehr begrenzt war. Wie in Erwägungsgrund 91 dargelegt, machten Brammen türkischen Ursprungs im Betrachtungszeitraum weniger als 0,5 % der von Çolakoğlu für die Herstellung von in die Union ausgeführten SSHR verwendeten Brammen aus. Unabhängig davon, ob es für Çolakoğlus Investitionen in Anlagen zur Herstellung von nicht rostendem Stahl andere Gründe als die Umgehung der Maßnahmen gab, wurden die fraglichen Investitionen nicht dazu verwendet, aus Brammen türkischen Ursprungs hergestellte SSHR in die Union zu liefern, da im Betrachtungszeitraum fast alle von Çolakoğlu getätigten Ausfuhren auf aus indonesischen Brammen hergestellten SSHR beruhten. Daher wurde das Vorbringen zurückgewiesen.

    (73)

    Nach der Unterrichtung brachte Marcegaglia vor, es gebe eine wirtschaftliche Rechtfertigung angesichts seines Geschäftsmodells, das erstens auf der Diversifizierung der Bezugsquellen und zweitens auf Flexibilität beruhe, die erforderlich sei, um sich an die Verfügbarkeit von SSHR auf dem Markt, die von den Schwankungen der Nachfrage nach nachgelagerten Produkten abhänge, anzupassen. Die Tatsache, dass schwarze SSHR auf dem Unionsmarkt auch mit den Einfuhren aus Drittländern nur in begrenztem Umfang verfügbar seien, rechtfertige Marcegaglias Strategie, Brammen aus nicht rostendem Stahl in Indonesien zu kaufen, um sie dann im Rahmen von Veredelungsvereinbarungen zu schwarzen SSHR zu verarbeiten. Ferner sei die Kommission nicht auf die Tatsache eingegangen, dass Indonesien über die weltweit größte Kapazität bei Brammen aus nicht rostendem Stahl verfüge und im Gegensatz zu anderen Ländern bereit sei, Brammen in der von Marcegaglia benötigten Qualität und Menge zu liefern. In anderen Ländern liege entweder der Schwerpunkt auf SSHR oder es bestehe eine starke Nachfrage nach SSHR für nachgelagerte Produkte.

    (74)

    Die Kommission stellte fest, dass auch unter Berücksichtigung des oben beschriebenen Geschäftsmodells dieses Vorbringen die unter den Erwägungsgründen 66 bis 68 dargelegten Argumente nicht entkräftet hat. Außerdem waren SSHR aus Indonesien auch nach der Einführung der Antidumpingzölle auf dem Unionsmarkt verfügbar, wie der Anstieg der Einfuhren aus Indonesien belegt. Ferner liegen keine Beweise vor, dass die mutmaßlichen Schwankungen bei der Verfügbarkeit nachgelagerter Produkte sich nur auf die Verfügbarkeit von SSHR auswirken, nicht aber auf deren unmittelbar vorgelagerten Input, d. h. Brammen aus nicht rostendem Stahl, und dass dies zu einem Überangebot an Brammen aus Indonesien und einer Knappheit an SSHR aus Indonesien führt. Darüber hinaus wurde die Behauptung, dass alle anderen Länder außer Indonesien nicht in der Lage oder nicht willens seien, Marcegaglia mit Brammen in ausreichender Menge und Qualität zu beliefern, durch keinerlei Beweise gestützt. Dieses Vorbringen wurde daher zurückgewiesen.

    (75)

    Nach der Unterrichtung argumentierte Marcegaglia, dass die wirtschaftliche Rechtfertigung bezüglich der Veredelungsvereinbarung mit Çolakoğlu durch die kürzlich von Marcegaglia getätigten erheblichen Investitionen bestätigt werde. Im Januar 2023 habe Marcegaglia ein Stahlwerk im Vereinigten Königreich erworben. Dieser Erwerb einer Produktionsanlage für Brammen aus nicht rostendem Stahl sei auf die Notwendigkeit zurückzuführen, sich eine eigene, zuverlässige und stabile Bezugsquelle für SSHR zu sichern. Allerdings sei Marcegaglia künftig auf die Partnerschaft mit einem anderen Werk angewiesen, um die im Vereinigten Königreich hergestellten Brammen aus nicht rostendem Stahl innerhalb oder außerhalb der Union zu SSHR zu verarbeiten, da in dem erworbenen Stahlwerk Brammen aus nicht rostendem Stahl hergestellt werden, das Werk aber nicht über Warmwalzanlagen verfügt. Diesbezüglich habe sich Çolakoğlu als zuverlässiger und effizienter Partner erwiesen, der potenziell damit beauftragt werden könnte, im Vereinigten Königreich hergestellte Brammen zu SSHR zu verarbeiten. Ferner wies Marcegaglia darauf hin, dass es seinen Bedarf an Brammen aus nicht rostendem Stahl bald durch die Herstellung von Brammen im Vereinigten Königreich decken könne, weshalb in Zukunft keine weiteren Einfuhren von Brammen aus Indonesien zu erwarten seien.

    (76)

    Die Kommission stellte fest, dass diese jüngste Entwicklung in naher Zukunft durchaus zu einem Wechsel der Bezugsquellen für Brammen aus nicht rostendem Stahl führen könnte. Der genannte Kauf erfolgte jedoch im Januar 2023, also nach dem Betrachtungszeitraum, und bietet keinerlei Garantie hinsichtlich der Frage, ob oder wann die festgestellte Umgehungspraxis beendet wird.

    (77)

    Bezüglich der mutmaßlichen künftigen Änderung der Umstände stellte die Kommission fest, dass — falls diese Änderung dauerhaft sein sollte — Marcegaglia oder Çolakoğlu nach Artikel 11 Absatz 3 der Grundverordnung die Möglichkeit haben, ein Jahr nach der Ausweitung der Maßnahmen eine Überprüfung der Antiumgehungsmaßnahme zu beantragen. Eine solche Änderung könnte sich durchaus aus dem Kauf von im Vereinigten Königreich hergestellten Brammen aus nicht rostendem Stahl ergeben, wenn dies den Kauf von Brammen aus nicht rostendem Stahl aus Indonesien ersetzt und nachgewiesen werden kann, dass diese Änderung dauerhaft ist.

    (78)

    In Anbetracht all dieser Faktoren kam die Kommission zu dem Schluss, dass es für die von Çolakoğlu durchgeführten Fertigstellungsvorgänge keine andere hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung als die Einführung des Zolls gab. Die Veränderung des Handelsgefüges ergab sich daraus, dass die Tätigkeiten aufgenommen wurden und dann nach der Einleitung der Ausgangsuntersuchung erheblich anstiegen.

    2.5.   Beginn oder erhebliche Ausweitung der Montage- bzw. Fertigstellungsvorgänge

    (79)

    In Bezug auf Montage- bzw. Fertigstellungsvorgänge erfordert Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a der Grundverordnung, dass die Montage oder Fertigstellung seit oder kurz vor der Einleitung der Antidumpinguntersuchung begonnen oder erheblich ausgeweitet wurde und die verwendeten Teile ihren Ursprung überwiegend in dem Land haben, für das Antidumpingmaßnahmen gelten.

    (80)

    Wie in Abschnitt 2.4 beschrieben, steigerte Çolakoğlu seine Ausfuhrverkäufe im Untersuchungszeitraum erheblich, und fast alle Einkäufe des wichtigsten Inputs, Brammen aus nicht rostendem Stahl, wurden aus Indonesien eingeführt.

    (81)

    Daher kam die Kommission zu dem Schluss, dass die Montage oder Fertigstellung nach der Einleitung der Ausgangsuntersuchung erheblich ausgeweitet wurde, wie in Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a der Grundverordnung vorgesehen.

    2.6.   Wert der Teile und Wertschöpfung

    (82)

    Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe b der Grundverordnung besagt, dass in Bezug auf einen Montage- oder Fertigstellungsvorgang eine Voraussetzung für den Nachweis einer Umgehung lautet, dass die Teile aus den von Maßnahmen betroffenen Ländern 60 % oder mehr des Gesamtwerts der Teile der montierten Ware ausmachen und dass der Wert, der während der Montage oder Fertigstellung den verwendeten eingeführten Teilen hinzugefügt wurde, weniger als 25 % der Herstellkosten beträgt.

    (83)

    Nach der Unterrichtung bekräftigte Çolakoğlu sein Vorbringen, dass die Praxis, der Fertigungsprozess oder die Arbeit nicht unter Artikel 13 Absatz 1 und Artikel 13 Absatz 2 der Grundverordnung fallen würden, da die untersuchte Ware, SSHR, eine andere Ware sei als der Input, Brammen aus nicht rostendem Stahl. Brammen würden unter andere Tarifpositionen als SSHR eingereiht, da die an ihnen vorgenommenen Verarbeitungsvorgänge erheblich seien, und würden den SSHR einen nicht-präferenziellen Ursprung in der Türkei verleihen. Çolakoğlu wies auch darauf hin, dass die Ursprungsregeln zwar die Welthandelsorganisation (WTO) festlege, auf WTO-Ebene jedoch keine Einigung zur Umgehung erzielt worden sei. Daher würde ein Beschluss, mit dem die geltenden Maßnahmen auf Einfuhren von SSHR aus der Türkei ausgeweitet werden, die Position der Union als führender Verfechter der globalen Konvergenz für den Handel untergraben. Des Weiteren verwies Çolakoğlu auf den Kommissionsbeschluss zu Einfuhren von Kabeln und Seilen aus Stahl (Indien) (10), in dem die Kommission die Auffassung vertreten habe, dass die nicht-präferenziellen Ursprungsregeln für die Feststellung, ob die Antidumpingzölle gelten, relevant sind.

    (84)

    Die Kommission vertrat die Auffassung, dass die zolltarifliche Einreihung und der Ursprung der untersuchten Ware oder der wichtigsten Inputs für diese Ware bzw. deren Änderung für die Feststellung, ob ein Montage- oder Fertigstellungsvorgang eine Umgehung darstellt, unerheblich ist. Rechtsgrundlage für eine Umgehungsuntersuchung ist Artikel 13 der Grundverordnung und nicht das Zollrecht in Bezug auf den Ursprung. Tatsächlich hat der Gerichtshof der Europäischen Union festgestellt, dass eine Verordnung zur Ausweitung eines Antidumpingzolls allein die Gewährleistung der Wirksamkeit des Zolls und das Verhindern seiner Umgehung bezweckt (11). Um zu beurteilen, ob eine Umgehung wie in Erwägungsgrund 82 beschrieben vorliegt, prüfte die Kommission, ob die in Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe b der Grundverordnung angeführten Kriterien erfüllt waren. Insbesondere prüfte sie, ob der Wert der Teile 60 % oder mehr des Gesamtwerts der Teile der montierten Ware ausmachte und ob der Wert, der während der Montage oder Fertigstellung den verwendeten eingeführten Teilen hinzugefügt wurde, mehr als 25 % der Herstellkosten betrug. Zudem bestehen auf WTO-Ebene, obwohl die Mitglieder der WTO das Problem der Umgehung von Antidumpingmaßnahmen ausdrücklich anerkannt haben (12), keine einheitlichen Regeln gegen Umgehungen, mit denen die diesbezüglichen Unionsvorschriften unvereinbar sein könnten. Schließlich betraf der von Çolakoğlu angeführte Beschluss der Kommission nicht die Anwendung von Artikel 13 an sich, sondern die Vereinnahmung von Antidumpingzöllen im Falle der Nichteinhaltung einer Verpflichtung. Ferner ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die Verwendung von „Herkunft“ und nicht von „mit Ursprung in“ in Artikel 13 der Grundverordnung bedeutet, dass „der Unionsgesetzgeber die bewusste Entscheidung getroffen hat, sich von den Ursprungsregeln des Zollrechts zu distanzieren, und dass daher der Begriff ‚Herkunft‘ (‚from‘) … einen eigenständigen Inhalt aufweist, der sich von dem des Ursprungsbegriffs im zollrechtlichen Sinne unterscheidet.“ (13) Das Vorbringen wurde daher zurückgewiesen.

    2.6.1.   Wert der Teile

    (85)

    Brammen aus nicht rostendem Stahl sind der wichtigste Input zur Herstellung von SSHR. Fast 100 % der von Çolakoğlu verarbeiteten Brammen aus nicht rostendem Stahl wurden aus Indonesien eingeführt. Durch einen Warmwalzprozess, der als Fertigstellungsvorgang in der Türkei durchgeführt wurde, wurden diese Brammen aus nicht rostendem Stahl zu SSHR weiterverarbeitet. Den von Çolakoğlu übermittelten und geprüften Informationen zufolge machten die Brammen aus nicht rostendem Stahl nahezu 100 % des Gesamtwerts der Teile der montierten bzw. fertiggestellten Ware im Sinne von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe b der Grundverordnung aus.

    (86)

    Nach der Unterrichtung wiederholte Çolakoğlu sein Vorbringen, dass die Herstellung von SSHR aus Brammen aus nicht rostendem Stahl keine Montage von Teilen im Rahmen eines Montagevorgangs im Sinne des Artikels 13 Absatz 2 der Grundverordnung darstelle, da SSHR aus nur einem Teil hergestellt würden. Außerdem sei der Begriff der Fertigstellung in Artikel 13 Absatz 2 der Grundverordnung im Zusammenhang mit der Wertschöpfung nach Abschluss der Montage auszulegen. Da es sich bei den von Çolakoğlu durchgeführten Vorgängen nicht um Montage handele, seien die in Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a und Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe b der Grundverordnung festgelegten Voraussetzungen nicht erfüllt.

    (87)

    Die Kommission wies diese Vorbringen zurück. Die in Erwägungsgrund 82 beschriebene Praxis wurde als Fertigstellung eingestuft, die unter den Begriff „Montagevorgänge“ im Sinne des Artikels 13 Absatz 2 der Grundverordnung fällt (vgl. auch Erwägungsgrund 44). Darüber hinaus wurden weitere Aspekte berücksichtigt, die im Folgenden erläutert werden.

    (88)

    In der Grundverordnung werden die Begriffe „Montagevorgang“ und „Fertigstellung“ nicht definiert. Der Aufbau von Artikel 13 Absatz 2 der Grundverordnung lässt jedoch eine Auslegung des Begriffs „Montagevorgang“ zu, der nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe b ausdrücklich auch den „Fertigstellungsvorgang“ einschließt. Daraus folgt, dass der Begriff „Montagevorgang“ im Sinne von Artikel 13 Absatz 2 nicht nur Vorgänge umfasst, die im Zusammenfügen von Teilen eines zusammengesetzten Erzeugnisses bestehen, sondern auch die Weiterverarbeitung, d. h. die Endbearbeitung eines Erzeugnisses, einschließen kann.

    (89)

    Wie im Erwägungsgrund 84 dargelegt, dienen Untersuchungen gemäß Artikel 13 der Grundverordnung dazu, die Wirksamkeit von Antidumpingzöllen zu gewährleisten und ihre Umgehung zu verhindern. Folglich wird mit Artikel 13 Absatz 2 der Grundverordnung bezweckt, Praktiken, Fertigungsprozesse oder Arbeiten zu erfassen, bei denen überwiegend Teile aus dem Land, für das die Maßnahmen gelten, verwendet werden und diese Teile mit einer begrenzten Wertsteigerung montiert oder fertiggestellt werden.

    (90)

    Nach der Unterrichtung brachte Çolakoğlu vor, dass mit Brammen türkischen Ursprungs hergestellte SSHR nicht Gegenstand der Untersuchung seien. Daher dürfe sich die Ausweitung der Maßnahmen nur auf aus indonesischen Brammen hergestellte SSHR beziehen und nicht auf SSHR, die aus Brammen türkischen Ursprungs hergestellt wurden. Çolakoğlu brachte weiter vor, dass der Ursprung von den nationalen Zollbehörden überprüft werden könne, da es ein durchführbares und zweckmäßiges Verfahren zur Überprüfung des türkischen Ursprungs gebe. Insbesondere die Erlangung der Warenverkehrsbescheinigung EUR.1, die den präferenziellen Ursprung nachweise, dürfte hinreichende Garantien dafür bieten, dass die SSHR, die Gegenstand dieser Bescheinigung sind, aus Brammen türkischen Ursprungs hergestellt wurden.

    (91)

    Artikel 13 Absatz 1 der Grundverordnung sieht vor, dass die Zölle auf die Einfuhren gleichartiger Ware aus Drittländern ausgeweitet werden können, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. Nach Artikel 13 Absatz 4 können Herstellern der betroffenen Ware, die nachweislich nicht an Umgehungspraktiken beteiligt sind, Befreiungen von der Ausweitung der Maßnahmen gewährt werden. Bei ihrer Prüfung war die Kommission gehalten, alle Verkäufe der untersuchten Ware durch den fraglichen ausführenden Hersteller in die Union zu berücksichtigen, einschließlich derjenigen, die aus Brammen mit Ursprung in der Türkei hergestellt wurden, und nicht nur die Verkäufe der aus indonesischen Brammen hergestellten Ware. Diesbezüglich bestätigte die Untersuchung, dass Çolakoğlu SSHR in die Union ausführte, die überwiegend aus indonesischen Brammen hergestellt wurden. Im Einzelnen ergab die Untersuchung, dass im Betrachtungszeitraum von den [40 000-50 000] Tonnen der von Çolakoğlu in die Union ausgeführten SSHR nur [20-200] Tonnen aus Brammen türkischen Ursprungs hergestellt worden waren, was im Höchstfall 0,5 % der Teile entsprach. Dementsprechend machten die aus Indonesien eingeführten Teile, Brammen aus nicht rostendem Stahl, im Betrachtungszeitraum mehr als 99,5 % aller für die Gesamtproduktion von SSHR verwendeten Teile aus. Das Vorbringen wurde daher zurückgewiesen.

    (92)

    Nach der Unterrichtung brachte Çolakoğlu vor, dass seine Verteidigungsrechte verletzt worden seien, insbesondere die in Artikel 6 Absatz 7 der Grundverordnung und Artikel 296 AEUV vorgesehenen Rechte, denn sein ursprünglicher Befreiungsantrag habe sich nicht nur auf aus indonesischen Brammen hergestellte SSHR, sondern gesondert davon auch auf aus Brammen türkischen Ursprungs hergestellte SSHR bezogen. Dieser Aspekt sei in der Unterrichtung nicht behandelt worden.

    (93)

    Wie in Erwägungsgrund 85 dargelegt, betrifft die Ausweitung nach Artikel 13 Absatz 1 der Grundverordnung Einfuhren gleichartiger Ware aus Drittländern und sieht Artikel 13 Absatz 4 Befreiungen für Hersteller vor, die „nicht an Umgehungspraktiken … beteiligt sind“. Im Unterrichtungsdokument stellte die Kommission fest, dass sie bei der Bewertung des 60%-Kriteriums alle von Çolakoğlu verarbeiteten Brammen berücksichtigt hat und dass fast 100 % der von Çolakoğlu verarbeiteten Brammen aus nicht rostendem Stahl aus Indonesien eingeführt wurden. Folglich machten die Brammen aus nicht rostendem Stahl nahezu 100 % des Gesamtwerts der Teile der montierten bzw. fertiggestellten Ware im Sinne von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe b der Grundverordnung aus. Auf der Grundlage dieser Beurteilung wurde festgestellt, dass Çolakoğlu an Umgehungspraktiken im Sinne von Artikel 13 Absatz 4 der Grundverordnung beteiligt war und dem Unternehmen daher keine Befreiung nach dieser Bestimmung gewährt werden konnte. Ferner bestätigte die Kommission nach der Unterrichtung in Erwägungsgrund 91, dass die aus Brammen mit Ursprung in der Türkei hergestellten SSHR bei der Prüfung der Kommission berücksichtigt werden mussten und nicht aus dem Gegenstand der Untersuchung ausgeschlossen werden konnten. Daher vertrat die Kommission die Auffassung, dass Çolakoğlus Verteidigungsrechte in vollem Umfang gewahrt wurden, und wies das Vorbringen zurück.

    (94)

    Die Kommission kam daher zu dem Schluss, dass das 60%-Kriterium nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe b der Grundverordnung erfüllt ist.

    2.6.2.   Wertschöpfung

    (95)

    Es wurde festgestellt, dass der für den Betrachtungszeitraum ermittelte durchschnittlich hinzugefügte Wert weniger als 5 % betrug und damit erheblich unter dem in Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe b der Grundverordnung festgelegten Schwellenwert von 25 % lag. Daher gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass der Wert, der den verwendeten eingeführten Teilen während der Montage oder Fertigstellung hinzugefügt wurde, weniger als 25 % der Herstellkosten betrug, wie es nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe b der Grundverordnung erforderlich ist, damit diese Vorgänge eine Umgehung darstellen.

    2.7.   Untergrabung der Abhilfewirkung des Antidumpingzolls

    (96)

    Die Kommission prüfte nach Artikel 13 Absatz 1 der Grundverordnung, ob die Abhilfewirkung der derzeit geltenden Maßnahmen durch die Mengen und die Preise der eingeführten untersuchten Ware untergraben wurde.

    (97)

    Den von Çolakoğlu und Marcegaglia vorgelegten und geprüften Daten zufolge führte Çolakoğlu im Betrachtungszeitraum 40 000-50 000 Tonnen aus. Gleichzeitig schätzte der Antragsteller, dass der Unionsverbrauch auf dem freien Markt im Betrachtungszeitraum sich auf rund 1 200 000 Tonnen belief. Somit entsprach der Marktanteil der Einfuhren aus der Türkei rund 4 % des für den Betrachtungszeitraum ermittelten Unionsverbrauchs auf dem freien Markt und mehr als 3 % des für den Untersuchungszeitraum der Ausgangsuntersuchung ermittelten Unionsverbrauchs auf dem freien Markt. Da die Kommission außerdem erhebliche Kapazitätsreserven in Çolakoğlus Warmwalzwerk festgestellt hat, könnte das Unternehmen sein Ausfuhrvolumen in Zukunft erheblich steigern.

    (98)

    Hinsichtlich der Preise verglich die Kommission den in der Ausgangsuntersuchung ermittelten durchschnittlichen nicht schädigenden Preis mit den gewogenen durchschnittlichen CIF-Ausfuhrpreisen, die auf der Grundlage der Statistiken von Eurostat berechnet worden waren, wobei für nach der Abfertigung entstandene Kosten eine gebührende Berichtigung vorgenommen wurde. Die Kommission zog Statistiken von Eurostat heran, da die Geschäftsvorgänge zwischen Çolakoğlu und Marcegaglia auf einer Veredelungsvereinbarung beruhten und daher mit einer Dienstleistungsgebühr und nicht zu einem Marktpreis vergütet wurden. Aus diesem Preisvergleich ging hervor, dass die von Çolakoğlu stammenden Einfuhren die Unionspreise um mehr als 13 % unterboten.

    (99)

    Nach der Unterrichtung brachten Marcegaglia, Çolakoğlu und die Regierung der Republik Türkei vor, der Anstieg der Einfuhren aus Indonesien zeige, dass die für diese Einfuhren geltenden Maßnahmen keinerlei Abhilfewirkung hätten, die durch Einfuhren aus der Türkei — die in absoluten Zahlen erheblich geringer seien — untergraben werden könnte.

    (100)

    Çolakoğlu brachte ferner vor, dass, falls irgendwelche Einfuhren die Abhilfewirkung untergraben würden, dies nicht die Einfuhren von SSHR aus der Türkei seien, sondern die Einfuhren der angeblich in der Union zu SSHR verarbeiteten Brammen, da deren Mengen wesentlich größer seien.

    (101)

    Die Kommission stellte fest, dass in die Union zwar tatsächlich mehr Brammen aus Indonesien als SSHR aus der Türkei eingeführt wurden, dies jedoch nichts an der Feststellung der Untersuchung ändert, dass Einfuhren von SSHR aus der Türkei die Abhilfewirkung der Maßnahmen untergraben haben, konkret dass diese Einfuhren mehr als 4 % des gesamten Unionsverbrauchs im Betrachtungszeitraum ausmachten und die Unionspreise um mehr als 13 % unterboten. Darüber hinaus bedeutet das Anhalten der Einfuhren von SSHR aus Indonesien nicht, dass die ursprünglichen Maßnahmen unwirksam waren. Der Zweck der Maßnahmen bestand nicht darin, Einfuhren zu verhindern, sondern darin, gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Die Einfuhren von SSHR aus Indonesien in die Union halten an und haben sogar zugenommen, unterliegen jedoch einem Zoll, der den Auswirkungen des schädigenden Dumpings entgegenwirken soll.

    (102)

    Hinsichtlich der Einfuhren von Brammen aus Indonesien in die Union stellte die Kommission fest, dass es für die Feststellungen im vorliegenden Fall unerheblich ist, ob es andere Faktoren gibt, die die Abhilfewirkung der Maßnahmen untergraben könnten. Auch resultiert aus Artikel 13 Absatz 1 der Grundverordnung für die Kommission keine Pflicht, etwaige andere Faktoren zu prüfen, die die Abhilfewirkung des Zolls zusätzlich untergraben könnten.

    (103)

    Nach der Unterrichtung brachte Marcegaglia vor, dass Einfuhren schwarzer SSHR aus der Türkei angesichts ihres begrenzten Marktes die Abhilfewirkung der gegenüber den Einfuhren von SSHR aus Indonesien geltenden Maßnahmen nicht untergraben würden.

    (104)

    Wie in Erwägungsgrund 12 dargelegt, stellte die Kommission fest, dass in der Ausgangsuntersuchung der Schluss gezogen wurde, dass schwarze und weiße Coils dieselben grundlegenden materiellen und chemischen Eigenschaften aufweisen, dass sie miteinander konkurrieren und unter die Warendefinition fallen. Daher wurde das Vorbringen zurückgewiesen.

    (105)

    In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass die geltenden Maßnahmen sowohl durch die Mengen als auch durch die Preise der untersuchten Einfuhren aus der Türkei untergraben wurden.

    2.8.   Beweise für das Vorliegen von Dumping

    (106)

    Nach Artikel 13 Absatz 1 der Grundverordnung prüfte die Kommission auch, ob Beweise für Dumping im Verhältnis zu den vorher für die gleichartige Ware festgestellten Normalwerten vorlagen.

    (107)

    Zu diesem Zweck verglich die Kommission auf der Grundlage von Eurostat-Statistiken die durchschnittlichen Preise für Ausfuhren aus der Türkei mit den in der Ausgangsuntersuchung ermittelten Normalwerten, die um den in öffentlichen Datenbanken angegebenen Anstieg der Preise für SSHR-Coils in Indonesien berichtigt wurden. (14) Der Vergleich zwischen den Normalwerten und den Ausfuhrpreisen zeigte, dass im Betrachtungszeitraum SSHR zu gedumpten Preisen ausgeführt wurden.

    3.   MAẞNAHMEN

    (108)

    Auf der Grundlage der vorstehend aufgeführten Feststellungen gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass der gegenüber den Einfuhren von SSHR mit Ursprung in Indonesien eingeführte Antidumpingzoll durch die Einfuhren der aus der Türkei versandten untersuchten Ware durch Çolakoğlu umgangen wurden.

    (109)

    Angesichts dessen, dass das Maß der Mitarbeit hoch war und die im Betrachtungszeitraum gemeldeten, von Çolakoğlu getätigten Ausfuhrverkäufe [88 % bis 93 %] der gesamten Einfuhrmengen aus der Türkei in die Union ausmachten und dass kein anderer türkischer Hersteller im Sinne von Artikel 13 Absatz 4 der Grundverordnung eine Befreiung beantragte, kam die Kommission zu dem Schluss, dass die Feststellungen zu Umgehungspraktiken in Bezug auf Çolakoğlu repräsentativ für die gesamten Einfuhren aus der Türkei waren.

    (110)

    Daher sollten die für die Einfuhren von SSHR mit Ursprung in Indonesien geltenden Antidumpingmaßnahmen nach Artikel 13 Absatz 1 der Grundverordnung auf Einfuhren der untersuchten Ware ausgeweitet werden.

    (111)

    Nach Artikel 13 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Grundverordnung sollte die auszuweitende Maßnahme die in Artikel 1 Absatz 2 der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1408 für „alle übrigen Unternehmen“ festgelegte Maßnahme sein, bei der es sich um einen endgültigen Antidumpingzoll von 17,3 % auf den Nettopreis frei Grenze der Union, unverzollt, handelt.

    (112)

    Nach Artikel 13 Absatz 3 der Grundverordnung, nach dem eine etwaige Ausweitung der Maßnahme auf Einfuhren in die Union anwendbar sein sollte, die gemäß der Einleitungsverordnung zollamtlich erfasst wurden, sind die Zölle auf diese zollamtlich erfassten Einfuhren der untersuchten Ware zu erheben.

    4.   ANTRAG AUF ZOLLBEFREIUNG

    (113)

    Wie oben beschrieben, wurde festgestellt, dass Çolakoğlu an Umgehungspraktiken beteiligt ist. Daher konnte diesem Unternehmen eine Befreiung nach Artikel 13 Absatz 4 der Grundverordnung nicht gewährt werden.

    (114)

    Wie in Abschnitt 2.2 dargelegt, wurden Saritas, UCAS und AST nicht als ausführende Hersteller eingestuft und sind daher nicht berechtigt, eine Befreiung zu beantragen. Im Falle von Poyraz konnte die Kommission aufgrund der unzureichenden Antwort nicht feststellen, ob das Unternehmen ein echter Hersteller ist und somit für eine Befreiung infrage kommt.

    (115)

    Angesichts dieser Sachlage sollte keines der Unternehmen von der Ausweitung der Maßnahmen ausgenommen werden.

    5.   UNTERRICHTUNG

    (116)

    Am 30. Januar 2023 unterrichtete die Kommission alle interessierten Parteien über die wesentlichen Tatsachen und Erwägungen, die zu den dargestellten Schlussfolgerungen geführt haben, und forderte sie zur Stellungnahme auf. Von Çolakoğlu, Marcegaglia und der Regierung der Republik Türkei gingen Stellungnahmen ein und wurden gebührend berücksichtigt.

    (117)

    Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen stehen im Einklang mit der Stellungnahme des nach Artikel 15 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/1036 eingesetzten Ausschusses —

    HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

    Artikel 1

    (1)   Der mit der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1408 eingeführte endgültige Antidumpingzoll auf die Einfuhren von flachgewalzten Erzeugnissen aus nicht rostendem Stahl, auch in Rollen (Coils) (auch nach Länge zugeschnittene Waren und Schmalband („narrow strip“)), nur warmgewalzt, ausgenommen Erzeugnisse nicht in Rollen (Coils) mit einer Breite von 600 mm oder mehr und einer Dicke von mehr als 10 mm, die ihren Ursprung in Indonesien, der Volksrepublik China und Taiwan haben, wird ausgeweitet auf die Einfuhren von flachgewalzten Erzeugnissen aus nicht rostendem Stahl, auch in Rollen (Coils) (auch nach Länge zugeschnittene Waren und Schmalband („narrow strip“)), nur warmgewalzt, ausgenommen Erzeugnisse nicht in Rollen (Coils) mit einer Breite von 600 mm oder mehr und einer Dicke von mehr als 10 mm, die derzeit unter den HS-Codes 7219 11, 7219 12, 7219 13, 7219 14, 7219 22, 7219 23, 7219 24, 7220 11 und 7220 12 eingereiht und aus der Türkei versandt werden, ob als Ursprungserzeugnisse der Türkei angemeldet oder nicht (TARIC-Codes 7219110010, 7219121010, 7219129010, 7219131010, 7219139010, 7219141010, 7219149010, 7219221010, 7219229010, 7219230010, 7219240010, 7220110010 und 7220120010).

    (2)   Bei dem ausgeweiteten Zoll handelt es sich um den Antidumpingzoll von 17,3 %, der für „alle übrigen Unternehmen“ in Indonesien (TARIC-Zusatzcode C999) gilt.

    (3)   Der nach den Absätzen 1 und 2 dieses Artikels ausgeweitete Zoll wird auf die Einfuhren erhoben, die nach Artikel 2 der Durchführungsverordnung (EU) 2022/1310 zollamtlich erfasst wurden.

    (4)   Sofern nichts anderes bestimmt ist, finden die geltenden Zollvorschriften Anwendung.

    Artikel 2

    Die Zollbehörden werden angewiesen, die zollamtliche Erfassung der Einfuhren nach Artikel 2 der Durchführungsverordnung (EU) 2022/1310, die hiermit aufgehoben wird, einzustellen.

    Artikel 3

    Die Anträge auf Befreiung von Saritas Celik San.ve tic. A.S., Üças Paslanmaz Çelik iç ve tic. A.S., AST Turkey Metal Sanayi ve tic. A.S., Poyraz Paslanmaz Sanayi ve diş ticaret Limited Sirk und Çolakoğlu Metalurji A.Ş. werden abgelehnt.

    Artikel 4

    (1)   Anträge auf Befreiung von dem nach Artikel 1 ausgeweiteten Zoll sind schriftlich in einer Amtssprache der Europäischen Union zu stellen und von einer bevollmächtigten Person des antragstellenden Unternehmens zu unterzeichnen. Der Antrag ist an die folgende Adresse zu richten:

    Europäische Kommission

    Generaldirektion Handel

    Direktion G

    Büro: CHAR 04/39

    1049 Bruxelles/Brussel

    BELGIQUE/BELGIЁ

    (2)   Nach Artikel 13 Absatz 4 der Verordnung (EU) 2016/1036 kann die Kommission beschließen, die Einfuhren von Unternehmen, die die mit der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1408 eingeführten Antidumpingmaßnahmen nicht umgehen, von dem mit Artikel 1 ausgeweiteten Zoll zu befreien.

    Artikel 5

    Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

    Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

    Brüssel, den 17. April 2023

    Für die Kommission

    Die Präsidentin

    Ursula VON DER LEYEN


    (1)  ABl. L 176 vom 30.6.2016, S. 21.

    (2)  Durchführungsverordnung (EU) 2020/1408 der Kommission vom 6. Oktober 2020 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter warmgewalzter Flacherzeugnisse aus nicht rostendem Stahl in Tafeln oder Rollen (Coils) mit Ursprung in Indonesien, der Volksrepublik China und Taiwan (ABl. L 325 vom 7.10.2020, S. 26)).

    (3)  Bekanntmachung der Einleitung eines Antidumpingverfahrens betreffend die Einfuhren bestimmter warmgewalzter Flacherzeugnisse aus nicht rostendem Stahl in Tafeln oder Rollen (Coils) mit Ursprung in der Volksrepublik China, Taiwan und Indonesien (ABl. C 269 I vom 12.8.2019, S. 1).

    (4)  Siehe Erwägungsgründe 44 bis 46 der Durchführungsverordnung (EU) 2020/508 der Kommission vom 7. April 2020 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter warmgewalzter Flacherzeugnisse aus nicht rostendem Stahl in Tafeln oder Rollen (Coils) mit Ursprung in Indonesien, der Volksrepublik China und Taiwan (ABl. L 110 vom 8.4.2020, S. 3), bestätigt in den Erwägungsgründen 20 bis 28 und 31 der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1408 der Kommission.

    (5)  Durchführungsverordnung (EU) 2022/1310 der Kommission vom 26. Juli 2022 zur Einleitung einer Untersuchung betreffend die mutmaßliche Umgehung der mit der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1408 eingeführten Antidumpingmaßnahmen gegenüber den Einfuhren bestimmter warmgewalzter Flacherzeugnisse aus nicht rostendem Stahl in Tafeln oder Rollen (Coils) mit Ursprung in Indonesien durch aus der Türkei versandte Einfuhren bestimmter warmgewalzter Flacherzeugnisse aus nicht rostendem Stahl in Tafeln oder Rollen (Coils), ob als Ursprungserzeugnisse der Türkei angemeldet oder nicht, und zur zollamtlichen Erfassung dieser Einfuhren (ABl. L 198 vom 27.7.2022, S. 8).

    (6)  Siehe hierzu das Urteil des Gerichts vom 5. Mai 2021, Acron/Kommission, T-45/19, ECLI:EU:T:2021:238, Rn. 95.

    (7)  Vgl. eine ähnliche Schlussfolgerung im Beschluss der Kommission vom 27. Juni 2012 zur Einstellung des Antidumpingverfahrens betreffend die Einfuhren bestimmter Waren aus Sojaprotein-Konzentrat mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. L 168 vom 28.6.2012, S. 38), Erwägungsgrund 79.

    (8)  https://www.gtis.com/gta/

    (9)  Siehe z. B. Durchführungsverordnung (EU) 2022/302 der Kommission vom 24. Februar 2022 zur Ausweitung des mit der Durchführungsverordnung (EU) 2020/492 in der durch die Durchführungsverordnung (EU) 2020/776 geänderten Fassung eingeführten endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter gewebter und/oder genähter Erzeugnisse aus Glasfasern (glass fibre fabrics, im Folgenden „GFF“) mit Ursprung in der Volksrepublik China (im Folgenden „VR China“) auf aus Marokko versandte Einfuhren von GFF, ob als Ursprungserzeugnis Marokkos angemeldet oder nicht, und zur Einstellung der Untersuchung betreffend die mutmaßliche Umgehung der mit der Durchführungsverordnung (EU) 2020/492 eingeführten Antidumpingmaßnahmen gegenüber den Einfuhren von GFF mit Ursprung in Ägypten durch aus Marokko versandte Einfuhren von GFF, ob als Ursprungserzeugnisse Marokkos angemeldet oder nicht (ABl. L 46 vom 25.2.2022, S. 49), Erwägungsgründe 50 bis 54.

    (10)  Beschluss 2006/38/EG der Kommission vom 22. Dezember 2005 zur Änderung des Beschlusses 1999/572/EG über die Annahme von Verpflichtungen im Rahmen der Antidumpingverfahren betreffend Einfuhren von Kabeln und Seilen aus Stahl mit Ursprung in unter anderem Indien (ABl. L 22 vom 26.1.2006, S. 54), Erwägungsgründe 42 bis 44.

    (11)  Urteil des Gerichtshofs vom 12. September 2019, Kommission/Kolachi Raj Industrial, C-709/17 P, ECLI:EU:C:2019:717, Rn. 96 und zitierte Rechtsprechung.

    (12)  Übereinkommen der Uruguay-Runde, Beschluss zur Frage der Umgehung.

    (13)  Urteil des Gerichtshofs vom 12. September 2019, Kommission/Kolachi Raj Industrial, C-709/17 P, ECLI:EU:C:2019:717, Rn. 90.

    (14)  Die Kommission stützte sich auf den im Metal Bulletin angegebenen Anstieg der Preise für SSHR-Coils in Ostasien, wo die Preise für SSHR aus Indonesien umfassend berücksichtigt werden. Die GTA-Daten über weltweite Einfuhren von SSHR aus Indonesien bestätigten diesen Preisanstieg.


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