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Document 32016H0818(09)

Empfehlung des Rates vom 12. Juli 2016 zum nationalen Reformprogramm Belgiens 2016 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Belgiens 2016

ABl. C 299 vom 18.8.2016, p. 36–40 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

18.8.2016   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 299/36


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 12. Juli 2016

zum nationalen Reformprogramm Belgiens 2016 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Belgiens 2016

(2016/C 299/09)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Am 26. November 2015 nahm die Kommission den Jahreswachstumsbericht an, mit dem das Europäische Semester für wirtschaftspolitische Koordinierung 2016 eingeleitet wurde. Die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts wurden am 17./18. März 2016 vom Europäischen Rat gebilligt. Am 26. November 2015 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) den Warnmechanismus-Bericht an, in dem sie Belgien als einen der Mitgliedstaaten nannte, für die eine eingehende Überprüfung durchzuführen sei. Am selben Tag nahm die Kommission auch eine Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets an. Diese Empfehlung wurde am 18./19. Februar 2016 vom Europäischen Rat gebilligt und am 8. März 2016 vom Rat verabschiedet (3). Als Land, dessen Währung der Euro ist, und angesichts der engen Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften in der Wirtschafts- und Währungsunion sollte Belgien die vollständige und fristgerechte Umsetzung der Empfehlung sicherstellen.

(2)

Der Länderbericht Belgien 2016 wurde am 26. Februar 2016 veröffentlicht. Darin wurden die Fortschritte Belgiens bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Rates vom 14. Juli 2015 bewertet; der Länderbericht enthielt außerdem die eingehende Überprüfung nach Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011. Am 8. März 2016 legte die Kommission die Ergebnisse der eingehenden Überprüfung vor. Die Kommission gelangt aufgrund ihrer Analyse zu dem Schluss, dass in Belgien keine makroökonomischen Ungleichgewichte bestehen. Jedoch könnte die schwächere außenwirtschaftliche Leistung in Verbindung mit dem hohen öffentlichen Schuldenstand in Zukunft Probleme bereiten. Die jüngsten Entwicklungen deuten allerdings auf eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit hin. Korrekturmaßnahmen — wie Lohnzurückhaltung und Senkungen der Sozialversicherungsbeiträge — haben zu einer Verlangsamung des Wachstums der Arbeitskosten geführt. Der öffentliche Schuldenstand ist zwar nicht rückläufig, aber die kurzfristigen Risiken scheinen eingedämmt zu sein.

(3)

Am 29. April 2016 übermittelte Belgien sein nationales Reformprogramm 2016 und sein Stabilitätsprogramm 2016. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet.

(4)

Die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen wurden bei der Programmplanung der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds für den Zeitraum 2014-2020 berücksichtigt. Gemäß Artikel 23 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) kann die Kommission einen Mitgliedstaat zur Überarbeitung seiner Partnerschaftsvereinbarung und der jeweiligen Programme und zur Unterbreitung von Änderungsvorschlägen auffordern, wenn dies für die Förderung der Umsetzung der einschlägigen Empfehlungen des Rates notwendig ist. In den Leitlinien für die Anwendung von Maßnahmen zur Schaffung einer Verbindung zwischen der Wirksamkeit der europäischen Struktur- und Investitionsfonds und der ordnungsgemäßen wirtschaftspolitischen Steuerung hat die Kommission erläutert, wie sie diese Bestimmung anzuwenden gedenkt.

(5)

Im Stabilitätsprogramm 2016 wird auf die signifikanten Haushaltsauswirkungen des außergewöhnlich starken Flüchtlingszustroms in den Jahren 2015 und 2016 und die außergewöhnlichen Sicherheitsmaßnahmen im Jahr 2016 verwiesen, und es werden ausreichend Belege für Umfang und Art der zusätzlichen Haushaltsbelastung geliefert. Der Kommission zufolge betrugen die berücksichtigungsfähigen zusätzlichen Ausgaben für Flüchtlinge im Jahr 2015 0,03 % des BIP; die zusätzlichen Aufwendungen im Jahr 2016 werden auf 0,17 % des BIP für Flüchtlinge und auf 0,12 % des BIP für Sicherheitsmaßnahmen geschätzt. Nach den Bestimmungen in Artikel 5 Absatz 1 und Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 tragen diesen zusätzlichen Ausgaben Rechnung, da der Flüchtlingszustrom und die akute terroristische Bedrohung außergewöhnliche Ereignisse darstellen, die erhebliche Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen Belgiens haben, deren Tragfähigkeit durch die Gewährung einer Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Ziel nicht gefährdet würde. Um die zusätzlichen Kosten für Flüchtlinge zu berücksichtigen, wurde die erforderliche Anpassung in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel für 2015 daher nach unten korrigiert. Was 2016 anbelangt, wird im Frühjahr 2017 auf der Grundlage der von den belgischen Behörden bereitgestellten beobachteten Daten eine endgültige Bewertung vorgenommen, die auch die berücksichtigungsfähigen Werte umfassen wird.

(6)

Belgien befindet sich derzeit in der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts und unterliegt der Übergangsregelung für den Schuldenabbau. Am 18. Mai 2016 veröffentlichte die Kommission einen Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV, da Belgien 2015 keine ausreichenden Fortschritte im Hinblick auf die Einhaltung der Schuldenregel erzielt hatte. Die Analyse ergab, dass das Schuldenstandskriterium als eingehalten bewertet werden sollte. In seinem Stabilitätsprogramm 2016 veranschlagt Belgien eine allmähliche Verbesserung des Gesamtsaldos von einem Defizit von 2,6 % des BIP im Jahr 2015 auf – 0,2 % des BIP im Jahr 2019. Das geänderte mittelfristige Haushaltsziel, d. h. ein strukturell ausgeglichener Haushalt, dürfte im Jahr 2018 erreicht werden. Der neu berechnete strukturelle Haushaltssaldo (5) deutet jedoch noch immer auf ein strukturelles Defizit von 0,4 % des BIP im Jahr 2018 hin. Dem Stabilitätsprogramm zufolge wird die gesamtstaatliche Schuldenquote im Jahr 2016 mit 106,2 % des BIP ihren Höchststand erreichen und bis 2019 auf 99,6 % sinken. Das makroökonomische Szenario, auf dem diese Budgetprognosen beruhen, ist plausibel. Allerdings wurden die Maßnahmen, die zur Erreichung der ab 2017 anvisierten Defizitziele erforderlich sind, nicht ausreichend spezifiziert. Die Kommission geht in ihrer Frühjahrsprognose 2016 davon aus, dass 2016 — und bei unveränderter Politik auch in den beiden Jahren 2016 und 2017 — das Risiko einer signifikanten Abweichung von der empfohlenen Anpassung besteht. Würden die Haushaltsauswirkungen des außergewöhnlich starken Flüchtlingszustroms und die außergewöhnlichen Sicherheitsmaßnahmen aus der Bewertung ausgenommen, so wäre die projizierte Abweichung im Jahr 2016 nicht mehr signifikant. Belgien wird der Übergangsregelung für den Schuldenabbau im Jahr 2016 voraussichtlich nicht gerecht werden und nach Ablauf des Übergangszeitraums im Jahr 2017 wahrscheinlich nicht den Richtwert für den Schuldenabbau erreichen. Ausgehend von seiner Bewertung des Stabilitätsprogramms und unter Berücksichtigung der Frühjahrsprognose 2016 der Kommission sieht der Rat ein Risiko, dass Belgien die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts nicht einhalten wird. Es sind daher weitere Maßnahmen notwendig, um die Erfüllung der Vorgaben 2016 und 2017 zu gewährleisten.

(7)

Der hohe öffentliche Schuldenstand geht mit einer schwachen Exportleistung und einer geringen Wettbewerbsfähigkeit einher. Wie anhand der Verluste von Weltmarktanteilen deutlich wird, hat sich die außenwirtschaftliche Leistungsfähigkeit seit dem Jahr 2000 verschlechtert; diese Entwicklung verstärkte sich noch dadurch, dass sich die Exporte hauptsächlich auf weniger dynamische Märkte konzentrieren. Wenngleich dem negativen Trend bei den Marktanteilen in den vergangenen Jahren Einhalt geboten wurde, bleiben die aufgelaufenen Verluste beträchtlich. Zudem beeinträchtigt die Spezialisierung auf Marktsegmente, in denen ein hoher Preiswettbewerb herrscht, die Exportkapazität Belgiens. Dies ist besonders schwer mit den hohen Arbeitskosten in Belgien zu vereinbaren. Die Lohnstückkosten sind angesichts des niedrigen Produktivitätswachstums und insbesondere infolge des raschen Lohnwachstums bis vor kurzem stark angestiegen. Das rasche Lohnwachstum lässt sich auf bestimmte Merkmale des Lohnfindungssystems zurückführen. Zum einen wurden die Margen für das Reallohnwachstum wiederholt zu hoch angesetzt. Zum anderen lag die Inflation mehrfach über den Erwartungen und über der Inflation in den Nachbarländern. Die strukturellen Unterschiede zwischen den Kerninflationsraten Belgiens und der Nachbarländer sind hauptsächlich auf das stärkere Preiswachstum bei den Dienstleistungen und die suboptimale Funktionsweise des Einzelhandels zurückzuführen. Diese Inflation wurde durch die allgemeine Praxis der automatischen Lohnindexierung auf das Lohnwachstum übertragen. All diese Faktoren zusammengenommen haben die Wirksamkeit des stark koordinierten Lohnfindungssystems untergraben. Um dem Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit und dessen negativen Auswirkungen auf die Exportleistung Einhalt zu gebieten, haben die belgischen Behörden in den vergangenen Jahren in den Lohnfindungsprozess eingegriffen. Es wurden Lohnzurückhaltungsmaßnahmen ergriffen, wie etwa eine Begrenzung von Reallohnerhöhungen und eine Aussetzung der Lohnindexierungssysteme. Darüber hinaus wurden Kürzungen bei den Sozialversicherungsbeiträgen beschlossen. Um sicherzustellen, dass die Korrektur von Dauer ist, sind jedoch im Einklang mit den Empfehlungen des Rates aus den vergangenen Jahren strukturelle Reformen des Lohnfindungssystems erforderlich. Obwohl die Regierung eine Überarbeitung des Gesetzes von 1996 über die Beschäftigungsförderung und die vorbeugende Sicherung der Konkurrenzfähigkeit plant, das die Grundlage für die alle zwei Jahre stattfindende Festlegung der „Lohnnorm“ durch die Sozialpartner bildet, sind bislang nur wenige Fortschritte erzielt worden. Die Gewährleistung einer formelleren Bindung der Löhne an die Produktivität würde dazu beitragen, an den jüngsten Fortschritten festzuhalten und ein erneutes Auftreten früherer Probleme zu verhindern.

(8)

Einige Fortschritte wurden im Hinblick auf die allgemeine Funktionsweise des Arbeitsmarktes erzielt. Durch Maßnahmen zur Verringerung der Steuer- und Abgabenbelastung und Änderungen des Systems der Arbeitslosenunterstützung sind stärkere Arbeitsanreize geschaffen worden. Allerdings führen die erheblichen Unterschiede zwischen den Beschäftigungsquoten bestimmter Bevölkerungsgruppen nach wie dazu, dass das Arbeitskräftepotenzial dauerhaft zu wenig ausgeschöpft wird; dies ist insbesondere der Fall bei geringqualifizierten Personen, jungen und älteren Menschen sowie bei Menschen mit Migrationshintergrund. Darüber hinaus bergen die Grenzsteuersätze beim Eintritt bzw. Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt für Zweitverdiener und bestimmte Arten von Haushalten wie Alleinstehende und Alleinerziehende die Gefahr, in eine Nichterwerbstätigkeits- oder Niedriglohnfalle zu geraten. Daher ist es wichtig, Maßnahmen zu optimieren und umzusetzen, die die Förderung des Übergangs von der Erwerbs- oder Arbeitslosigkeit in die Beschäftigung zum Ziel haben. Die mit dem sozioökonomischen Hintergrund verbundenen Unterschiede im Bildungsstand zählen zu den größten in der Union, und der schlechte Bildungsstand erklärt zum Teil das schlechte Abschneiden von Menschen mit Migrationshintergrund auf dem Arbeitsmarkt. Die Bildungsreformen, die derzeit auf den Weg gebracht werden, sind speziell darauf ausgelegt, Probleme im Zusammenhang mit frühen Schulabgängen zu lösen sowie die frühkindliche Betreuung und die frühkindliche Bildung und Erziehung zu verbessern. Die zuständigen Behörden arbeiten an der Verbesserung der Qualität und der Relevanz des Berufsbildungssystems. Diese Reformen könnten dazu beitragen, den Übergang zu einer wissensintensiven und zunehmend dienstleistungsorientierten Wirtschaft reibungsloser zu gestalten und das Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage sowie den anhaltenden Arbeitskräftemangel in bestimmten Berufen zu verringern. Die sehr niedrigen Erwerbs- und Beschäftigungsquoten älterer Arbeitskräfte erfordern politische Maßnahmen zur Förderung des aktiven Alterns und zur Stützung der Nachfrage nach älteren Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt. Darüber hinaus könnten sich zusätzliche steuerliche Maßnahmen zur Erleichterung der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit als notwendig erweisen.

(9)

Es besteht noch immer ein beträchtlicher Spielraum für die Verbesserung der nichtpreislichen internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Im Hinblick auf die Erhaltung und die Steigerung des derzeitigen Wohlstandsniveaus muss Produktivitätszuwächsen und Investitionen in wissensbasiertes Kapital mehr Bedeutung beigemessen werden. Dazu bedarf es eines nachhaltigen Impulses in Bezug auf Produkte und damit verbundene Dienstleistungen an höherer Stelle der Wertschöpfungskette, der auf einer verbesserten Innovationsleistung und einer verstärkten Nutzung der Erkenntnisse von FuE basieren soll. Trotz seines hochrangigen öffentlichen Forschungssystems gibt es in Belgien nur vergleichsweise wenige rasch wachsende Unternehmen in innovativen Wirtschaftszweigen. Zudem wird das Geschäftsklima durch den Verwaltungs- und Regulierungsaufwand getrübt, der die Gründung und Expansion von Unternehmen beeinträchtigt. Die Auflagen für die Beteiligung an Gesellschaftskapital sowie Beschränkungen im Hinblick auf Stimmrechte, Rechtsform und multidisziplinäre Tätigkeiten hemmen die Marktdynamik bei den Unternehmensdienstleistungen. Betriebsbeschränkungen und Beschränkungen in Bezug auf die Niederlassung von Einzelhändlern haben die gleiche Wirkung im Einzelhandel. Darüber hinaus gibt es Mängel bei der Effizienz des Justizwesens, in dem Informations- und Kommunikationstechnologien bislang nur unzureichend genutzt werden. Diese Faktoren stellen zusammengenommen erhebliche Hemmnisse für private Investitionen dar. Auch die unterdurchschnittliche Infrastruktur und langwierige Engpässe wirken sich negativ auf das Produktivitätswachstum und Investitionen aus. Im Verkehrsnetz besteht die akuteste Investitionslücke. Die geografische Lage Belgiens und die Präsenz internationaler Organisationen haben die Ansiedlungen vieler Vertriebs- und Logistikzentren und internationaler Hauptsitze zahlreicher Unternehmen begünstigt. Allerdings stellt die Verkehrsüberlastung in den Hauptverkehrszeiten ein wachsendes Problem dar, das das Land für ausländische Investoren weniger attraktiv macht und große wirtschaftliche und ökologische Folgen hat. Belgien wird voraussichtlich das für das Jahr 2020 gesteckte Emissionsreduktionsziel nicht erreichen und leidet unter gravierenden Luftverschmutzungsproblemen. Angesichts der hohen Konzentration der Wirtschaftstätigkeit in unmittelbarer Umgebung der Hauptstadt und der Häfen sind die Verbesserung der grundlegenden Schienen- und Straßenverkehrsinfrastruktur und die Überbrückung der fehlenden Verbindungen zwischen den wichtigsten Wirtschaftszentren die dringlichsten Herausforderungen. Gleichzeitig muss etwas gegen die Verkehrsüberlastung in den Hauptverkehrszeiten unternommen werden, indem das Angebot an öffentlichen Verkehrsdiensten verbessert, das Verkehrsmanagement optimiert und Marktverzerrungen und steuerliche Fehlanreize wie die Vorzugsbehandlung von Dienstwagen beseitigt werden.

(10)

Eine weitere Herausforderung bezieht sich auf die Angemessenheit der inländischen Stromerzeugung und die Versorgungssicherheit im Allgemeinen. Die ungeplanten Ausfälle mehrerer Kernkraftwerke haben Besorgnisse hinsichtlich der Frage hervorgerufen, wie ein Ausgleich zwischen Stromnachfrage und Stromangebot geschaffen werden kann; gleichzeitig hat die mehrfache Änderung des Zeitplans für den Atomausstieg ein Klima geschaffen, das dem Treffen langfristiger Investitionsentscheidungen nicht zuträglich ist. Dies spiegelt sich in höheren Importen und einer zunehmenden Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit wider. Obwohl das Risiko kurzfristiger Versorgungsengpässe abgenommen hat, ist der langfristige Investitionsbedarf nach wie vor hoch. Neben umfangreichen neuen inländischen Produktionskapazitäten und einem weiteren Ausbau der Verbundnetze werden intelligente Stromnetze zur Entwicklung des Lastmanagements benötigt. Angesichts der beträchtlichen Vorlaufzeit für große Projekte im Energiesektor und des großen Bedarfs an Ersatzkapazitäten in den nächsten zehn Jahren ist ein rasches Handeln — insbesondere durch Schaffung eines angemessenen rechtlichen Rahmens zur Erhöhung der Erzeugungskapazität — erforderlich.

(11)

Belgien hat bei der Reform des Steuersystems einige Fortschritte erzielt, insbesondere durch Verlagerung der Besteuerung vom Faktor Arbeit auf andere Steuerbemessungsgrundlagen, was schrittweise zu einer Verringerung der Steuer- und Abgabenbelastung des Faktors Arbeit führen wird. Senkungen der Einkommenssteuer und der Sozialbeiträge der Arbeitgeber werden ebenfalls zur Verringerung der Kluft beitragen. Dennoch bleibt das Steuersystem komplex, und die Steuerbemessungsgrundlagen werden durch spezifische Ausnahmen, Abzugsmöglichkeiten und geminderte Sätze beschnitten. Dies führt unter Umständen zu Einnahmenverlusten, wirtschaftlichen Verzerrungen und einem hohen Verwaltungsaufwand. Darüber hinaus scheint die Verlagerung der Steuerlast nicht haushaltsneutral zu erfolgen. Es besteht noch immer ein beträchtlicher Spielraum, die Gestaltung des Steuersystems durch eine weitere Verbreiterung der Steuerbemessungsgrundlagen zu verbessern, was sowohl zu niedrigeren Regelsteuersätzen als auch zu geringeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Ferner besteht unter anderem aufgrund der steuerlichen Vorzugsbehandlung von Dienstwagen und Tankkarten, die Umweltverschmutzung, Verkehrsüberlastung und Treibhausgasemissionen begünstigen, ein erhebliches Potenzial für eine „grüne“ Verlagerung der Steuerlast.

(12)

In den vergangenen Jahren hat Belgien bei der Reform des Rentensystems große Fortschritte erzielt. Im Gesetz vom 10. August 2015 zur Anhebung des gesetzlichen Alters für die Ruhestandspension und zur Abänderung der Bedingungen für den Zugang zur Vorruhestandspension und des Mindestalters für die Hinterbliebenenpension wurden in Bezug auf Ruhestandspensionen ein neues Mindestalter und neue Kriterien für Länge der Berufstätigkeit festgelegt. Allerdings wird der Anteil der Pensionsausgaben am BIP voraussichtlich auch nach den jüngsten Reformen weiter stark zunehmen. Eine automatische Kopplung an Änderungen der Lebenserwartung, wie in der Vergangenheit empfohlen, würde die Risiken im Hinblick auf die mittel- und langfristige Tragfähigkeit des Pensionssystems verringern. In diesem Zusammenhang hat die Regierung angekündigt, ein auf Anrechnungspunkten basierendes Rentensystem einführen zu wollen, das automatische Mechanismen zur Anpassung an demografische Entwicklungen umfassen könnte. Diese Aspekte werden im Rahmen des Europäischen Semesters auch weiterhin genau beobachtet.

(13)

Im Rahmen des Europäischen Semesters hat die Kommission die Wirtschaftspolitik Belgiens umfassend analysiert und diese Analyse im Länderbericht 2016 veröffentlicht. Sie hat auch das Stabilitätsprogramm und das nationale Reformprogramm sowie die Maßnahmen zur Umsetzung der an Belgien gerichteten Empfehlungen der Vorjahre bewertet. Dabei hat sie nicht nur deren Relevanz für eine auf Dauer tragfähige Haushalts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik in Belgien berücksichtigt, sondern angesichts der Notwendigkeit, die wirtschaftspolitische Steuerung der EU insgesamt durch auf EU-Ebene entwickelte Vorgaben für künftige nationale Entscheidungen zu verstärken, auch deren Übereinstimmung mit EU-Vorschriften und -Leitlinien beurteilt. Die Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters spiegeln sich in den nachstehenden Empfehlungen 1 bis 3 wider.

(14)

Vor dem Hintergrund dieser Bewertung hat der Rat das Stabilitätsprogramm geprüft; seine Stellungnahme (6) hierzu spiegelt sich insbesondere in der nachstehenden Empfehlung 1 wider —

EMPFIEHLT, dass Belgien 2016 und 2017

1.

eine jährliche Haushaltskorrektur von mindestens 0,6 % des BIP in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel für 2016 und 2017 erreicht; unerwartete Mehreinnahmen nutzt, um den Abbau des gesamtstaatlichen Schuldenstands zu beschleunigen; sich auf eine durchsetzbare Streuung der haushaltspolitischen Ziele auf alle Ebenen des Staates einigt; das Steuersystem vereinfacht und wettbewerbsverzerrende Steueraufwendungen abschafft;

2.

in Abstimmung mit den Sozialpartnern die geplante Überprüfung des Gesetzes von 1996 über die Beschäftigungsförderung und die vorbeugende Sicherung der Konkurrenzfähigkeit durchführt; sicherstellt, dass sich die Löhne und Gehälter im Einklang mit der Produktivität entwickeln können; die Wirksamkeit von Arbeitsmarktaktivierungsmaßnahmen sicherstellt; die Reformen im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung voranbringt und Schulungsmaßnahmen für benachteiligte Gruppen, insbesondere für Menschen mit Migrationshintergrund, bereitstellt;

3.

die Innovationsfähigkeit stärkt, insbesondere durch die Förderung von Investitionen in wissensbasiertes Kapital; den Wettbewerb im Bereich der Unternehmensdienstleistungen und im Einzelhandel durch die Beseitigung ungerechtfertigter Betriebs- und Niederlassungsbeschränkungen steigert; Maßnahmen zur Schließung von Investitionslücken bei der Verkehrsinfrastruktur und den Energieerzeugungskapazitäten ergreift.

Geschehen zu Brüssel am 12. Juli 2016.

Im Namen des Rates

Der Präsident

P. KAŽIMÍR


(1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.

(2)  Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25).

(3)  ABl. C 96 vom 11.3.2016, S. 1.

(4)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(5)  Neuberechnung der Kommission auf der Grundlage der Angaben im Stabilitätsprogramm und nach der vereinbarten gemeinsamen Methodik.

(6)  Gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97.


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