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Document 32001D0466

Entscheidung der Kommission vom 21. Dezember 2000 über die staatliche Beihilfe, die Italien zugunsten der Stahlunternehmen Lucchini SpA und Siderpotenza SpA gewähren will (Text von Bedeutung für den EWR) (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2000) 4368)

ABl. L 163 vom 20.6.2001, p. 24–29 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

Legal status of the document In force

ELI: http://data.europa.eu/eli/dec/2001/466/oj

32001D0466

Entscheidung der Kommission vom 21. Dezember 2000 über die staatliche Beihilfe, die Italien zugunsten der Stahlunternehmen Lucchini SpA und Siderpotenza SpA gewähren will (Text von Bedeutung für den EWR) (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2000) 4368)

Amtsblatt Nr. L 163 vom 20/06/2001 S. 0024 - 0029


Entscheidung der Kommission

vom 21. Dezember 2000

über die staatliche Beihilfe, die Italien zugunsten der Stahlunternehmen Lucchini SpA und Siderpotenza SpA gewähren will

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2000) 4368)

(Nur der italienische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2001/466/EGKS)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, insbesondere auf Artikel 4 Buchstabe c),

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a) in Verbindung mit Protokoll 14,

gestützt auf die Entscheidung Nr. 2496/96/EGKS der Kommission vom 18. Dezember 1996 zur Einführung gemeinschaftlicher Vorschriften über Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie (im Folgenden "Stahlbeihilfenkodex")(1),

nach Aufforderung der Beteiligten zur Stellungnahme gemäß den genannten Artikeln(2) und unter Berücksichtigung der eingegangenen Stellungnahmen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I. DAS VERFAHREN

(1) Mit Schreiben vom 16. März 1999 hat Italien bei der Kommission eine Beihilfe gemäß Artikel 3 des Stahlbeihilfenkodex zugunsten der Lucchini SpA für im Werk Piombino getätigte Investitionen angemeldet. Des Weiteren hat Italien mit Schreiben vom 29. November 1999 eine Beihilfe gemäß Artikel 3 des Stahlbeihilfenkodex zugunsten der Lucchini SpA, Piombino, und des gleichfalls im Besitz der Familie Lucchini befindlichen Stahlunternehmens Siderpotenza SpA bei der Kommission angemeldet.

(2) Die Kommission hat Italien mit Schreiben vom 26. April 2000 von ihrem Beschluss in Kenntnis gesetzt, wegen dieser Beihilfe das Verfahren nach Artikel 6 Absatz 5 des Stahlbeihilfenkodex einzuleiten.

(3) Der Beschluss der Kommission über die Einleitung des Verfahrens wurde im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht(3). Die Kommission hat die Beteiligten zur Stellungnahme zu der betreffenden Beihilfe aufgefordert.

(4) Die Kommission hat zwei Stellungnahmen erhalten: eine von der UK Steel Association und eine von der Ständigen Vertretung des Vereinigten Königreichs bei der Europäischen Union. Diese wurden Italien zugeleitet, das mit Schreiben vom 13. Oktober 2000 hierzu seine Stellungnahme abgegeben hat.

II. BESCHREIBUNG DER BEIHILFE

(5) Eine detaillierte Beschreibung der angemeldeten Investitionen und der erwarteten Auswirkung auf die Umwelt findet sich in dem Beschluss über die Einleitung des Verfahrens. Sie dient auch als Bezugsgrundlage für die vorliegende Entscheidung.

(6) Die von der Lucchini SpA durchgeführten und als förderfähig nach den Bestimmungen für Umweltschutzbeihilfen angemeldeten Investitionen betreffen die Kokerei, das Stahlwerk, den Hochofen, die Rauchgasabsaugung des Stahlwerks sowie das Wasser- und Abwassersystem. Das von den italienischen Behörden angemeldete, als beihilfefähig erachtete Gesamtinvestitionsvolumen beträgt 190,9 Mrd. ITL (98,58 Mio. EUR). Das Beihilfevorhaben beläuft sich auf 13,5 Mrd. ITL (6,98 Mio. EUR); die Beihilfeintensität beträgt somit 7 %.

(7) Die von der Siderpotenza SpA durchgeführten und als förderfähig nach den Bestimmungen für Umweltschutzbeihilfen angemeldeten Investitionen betreffen die Rauchgasabsaugung des Stahlwerks, die Nachverbrennung und die neue Direktbeschickung des Walzwerks. Das von den italienischen Behörden als beihilfefähig erachtete Gesamtinvestitionsvolumen beträgt 5,9 Mrd. ITL (3,4 Mio. EUR), und das Beihilfevorhaben beläuft sich auf 1,3 Mrd. ITL (0,68 Mio. EUR); die Beihilfeintensität beträgt somit 22,3 %.

III. STELLUNGNAHMEN VON BETEILIGTEN

(8) Die UK Steel Association und die Vertretung des Vereinigten Königreichs bei der Europäischen Union haben der Kommission Stellungnahmen zugeleitet, in denen sie das Beihilfevorhaben der italienischen Behörden als unvereinbar mit den im Stahlbeihilfenkodex enthaltenen Bestimmungen über Umweltschutzbeihilfen bezeichnen, da die Investitionen überwiegend aus wirtschaftlichen Gründen und nicht aus Umweltschutzgründen getätigt worden seien.

IV. STELLUNGNAHME ITALIENS

Lucchini SpA

(9) Die italienischen Behörden weisen die von der Kommission geäußerten Zweifel an der Beihilfefähigkeit der von der Lucchini SpA in Piombino getätigten Investitionen zurück. Insbesondere widersprechen sie der Annahme der Kommission, die angemeldeten Investitionen seien in erster Linie zur Ausweitung der Produktionskapazität erfolgt und nicht zur Verbesserung des Umweltschutzes, und erklären, die Umgestaltungsmaßnahmen in der Produktion seien parallel zu einem Plan zur Verringerung der Umweltbelastung durchgeführt worden. Die Umweltschutzvorrichtungen von Hochofen und Stahlwerk seien in technischer Hinsicht durchaus auch für den Betrieb in Verbindung mit den neuen Produktionsanlagen geeignet gewesen und hätten die Einhaltung der geltenden Emissionsgrenzwerte weiterhin sichergestellt. Ihr Austausch sei - unabhängig von den Veränderungen bei den Produktionsmitteln (Hochofen und Konverter) - allein mit dem Ziel einer weiteren deutlichen Reduzierung der Emissionen unter die gegenwärtig geltenden Grenzwerte erfolgt, die bereits zuvor eingehalten worden seien.

(10) Hierzu teilen die italienischen Behörden mit, was die Roheisenerzeugungsanlagen angehe, sei die wichtigste zu Produktionszwecken ergriffene Maßnahme der Austausch des alten Hochofens gegen einen den geänderten Anforderungen entsprechenden neuen Hochofen gewesen. Technisch gesehen hätte die Gichtgasentstaubungs- und -reinigungsanlage des alten Hochofens unter Einhaltung der geltenden Emissionsgrenzwerte auch mit dem neuen Hochofen betrieben werden können (die Gasmenge sei trotz der - maßvollen - Produktionsausweitung durch den neuen Hochofen unverändert geblieben). Die Umgestaltung des Gichtgasentstaubungs- und -reinigungssystems durch Installation eines neuen Sprüh-Waschturms (Baumco-Wäscher anstelle des vorhandenen Venturi-Systems) sei nur zu dem Zweck erfolgt, eine spürbare Verringerung der Umweltbelastung gegenüber den geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu erreichen, d. h. niedrigere Emissionswerte gewährleisten zu können.

(11) Beim Stahlwerk hätten die wichtigsten zu Produktionszwecken getätigten Investitionen den Austausch der vorhandenen Konverter gegen geeignetere neue Konverter ermöglicht. Die zugehörigen Rauchgasabsaug- und Nassentstaubungssysteme hätten auch mit den neuen Konvertern die Einhaltung der geltenden Emissionsgrenzwerte sichergestellt (die Rauchgasmenge sei ungeachtet der - maßvollen - Produktionsausweitung nach dem Einbau der neuen Konverter niedriger als zuvor). Die Installation neuer Konverter sei nur zu dem Zweck erfolgt, eine spürbare Verringerung der Umweltbelastung gegenüber den geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu erreichen. Durch die neuen Trockenabscheider mit Elektrofiltern ließen sich deutlich niedrigere Emissionswerte erzielen.

(12) Zur Stützung ihrer These, der Austausch der Umweltschutzvorrichtungen sei nicht aus wirtschaftlichen Gründen erfolgt, verweisen die italienischen Behörden auch auf das der Anmeldung beigefügte Gutachten eines externen Sachverständigen. Dieser gelangt zu dem Schluss, die Umweltschutzvorrichtungen hätten zum Zeitpunkt ihres Austauschs bzw. ihrer Umgestaltung noch über eine Restnutzungsdauer von mindestens 25 % verfügt. Die Investitionen seien getätigt worden, weil mit den alten Vorrichtungen eine spürbare Verringerung der Umweltbelastung, wie sie aufgrund der Lage des Werks in einem dicht besiedelten Gebiet bereits vor der Errichtung der neuen Produktionsanlagen notwendig gewesen sei, nicht möglich gewesen wäre. Die vorhandenen Umweltschutzvorrichtungen hätten zwar auch in Verbindung mit den neuen Produktionsanlagen die Einhaltung der geltenden Emissionsgrenzwerte garantiert, aber keine spürbare Verringerung der Umweltbelastung erlaubt. Sie seien im Hinblick auf dieses Ziel technisch überholt gewesen und aus diesem Grund ausgetauscht bzw. umgebaut worden.

(13) Im Hinblick auf die Anforderung an den Investor, er habe den Nachweis dafür zu erbringen, dass er eine klare Entscheidung für höhere Umweltnormen getroffen hat, die zusätzliche Investitionen erforderlich machen, vertreten die italienischen Behörden die Ansicht, alle angemeldeten Investitionen seien als zusätzliche Investitionen zu betrachten, da das Unternehmen die Entscheidung für einen spürbar besseren Umweltschutz unabhängig von den Investitionen in die Produktionsanlagen getroffen habe. Für die Einhaltung der geltenden Grenzwerte wären an sich keine weiteren Investitionen in Umweltschutzausrüstung erforderlich gewesen.

(14) Was den geringen Umfang der durch die Investitionen in die Kokerei bewirkten Emissionsreduzierung angeht, verweisen die italienischen Behörden darauf, dass diese Umweltschutzinvestitionen zwar in zwei Schritten angemeldet, aber nacheinander im Rahmen eines einzigen Programms durchgeführt worden seien. Deshalb müssten die nach der letzten Investitionsmaßnahme erreichten Emissionswerte zur vorherigen Situation in Beziehung gesetzt werden. Somit hätten sich die Emissionen der Koksöfen um etwa 25 % verringert, was durchaus ein spürbarer Rückgang sei.

(15) Zu den Bedenken der Kommission, die vorgeblich für den Umweltschutz bestimmten Vorrichtungen könnten auch zur Steigerung des Produktionsumfangs verwendet werden, teilen die italienischen Behörden mit, das Unternehmen habe Investitionen für Umweltschutzmaßnahmen in Höhe von insgesamt 247,6 Mrd. ITL (206,2 + 41,4) getätigt. Gleichwohl hätten sie auf der Grundlage des externen Gutachtens entschieden, nur 190,9 Mrd. ITL (152,5 Mrd. ITL aus der ersten Anmeldung und 38,4 Mrd. aus der zweiten) von den Gesamtkosten als beihilfefähig zu betrachten, da einige Maßnahmen die strengeren Anforderungen des Stahlbeihilfekodex ganz oder teilweise nicht erfuellten.

(16) Was den Standpunkt der Kommission zur Einbeziehung der Abschreibungskosten der Investitionen in die Berechnung des Produktionskostenvorteils angeht, so verweisen die italienischen Behörden noch einmal auf die übliche buchhalterische Praxis zur Berechnung der Produktionskosten. Da die Abschreibungskosten ein normaler Bestandteil der Produktionskosten seien, stehe außer Frage, dass ihnen Rechnung zu tragen ist.

(17) In Bezug auf den Zeitraum, für den der Kostenvorteil berechnet wird, teilen die italienischen Behörden mit, sie hätten den von ihnen verwendeten jährlichen Abschreibungssatz gemäß den einschlägigen italienischen Bestimmungen ermittelt. Für das in Rede stehende Investitionsvorhaben ergebe sich aus den gesetzlich festgelegten Koeffizienten ein Zeitraum von 100/15 = 6,66 Jahren, in dem die in Form niedrigerer Produktionskosten entstehenden Vergünstigungen gegenzurechnen seien.

Siderpotenza SpA

(18) Die italienischen Behörden begründen die Intensität der Beihilfe zu den Kosten der Rauchgasabsaugung und der Nachverbrennung von 22,3 % mit dem Hinweis, im vorliegenden Fall sei eine Beihilfeintensität von maximal 50 % zulässig. Zur Verringerung der Umweltbelastung erklären sie, die Staubbindung von bis zu 30 % und die Reduzierung des CO-Gehalts im Rauchgas um 10 % seien von größter Bedeutung, da sie die Stabilität der erreichten (niedrigen) Emissionswerte garantierten. Die Beurteilung der Investition dürfe nicht nur anhand der zahlenmäßigen Reduzierung der Emissionswerte erfolgen, auch die Sicherung ihrer Beständigkeit und damit einer höheren Zuverlässigkeit der Gesamtanlage müsse dabei Berücksichtigung finden.

(19) Zu den Investitionen im Bereich Heißeinsatz stranggegossener Knüppel und den möglichen Auswirkungen auf den Produktionsumfang erklären die italienischen Behörden, die Produktionskapazität des Walzwerks werde in keiner Weise verändert. Die Leistungsfähigkeit derartiger Anlagen, die aus einer Reihe nachgeschalteter Maschinen bestehen, werde durch die "langsamste" Maschine bestimmt, die den "Engpass" der Anlage darstelle. Die Investition in den Heißeinsatz trage im vorliegenden Fall nicht zur Beseitigung der Engpässe bei, die bei der Trägerplatte und den Verpackungsanlagen für die Fertigerzeugnisse (Träger) zu lokalisieren seien.

(20) Zur Bemerkung der Kommission, die Investition würde zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer und der Sicherheit am Arbeitsplatz getätigt, erklären die italienischen Behörden, diese Annahme gehe an der Realität vorbei. Die Investition diene zur Modifizierung des Verfahrens zum Wärmen der zu walzenden Knüppel, was eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes in die Atmosphäre zur Folge habe. Das Wärmen erfolge in einem Durchstoßofen, d. h. einer SPS-gesteuerten, vollautomatischen statischen Vorrichtung. Die Steuerung des Ofenbetriebs erfolge durch einen Bedienungsmann pro Schicht von einem separaten Steuerraum aus, in dem die Schalt- und Bedienfelder der Vor-Ort-Geräte für den Prozessablauf zusammengefasst sind. In Bezug auf die Sicherheit am Arbeitsplatz hätte sich somit keine Änderung gegenüber dem Zustand vor Durchführung der Investition ergeben.

Stellungnahmen von Beteiligten

(21) Die italienischen Behörden teilen mit, sie hätten die Stellungnahmen der UK Steel Association und der Ständigen Vertretung des Vereinigten Königreichs zur Kenntnis genommen, würden aber nicht von ihrem bereits in der Antwort auf den Beschluss der Kommission dargelegten Standpunkt abrücken.

V. WÜRDIGUNG DER BEIHILFE

Rechtsgrundlage für die Beurteilung

(22) Nach Artikel 3 des Stahlbeihilfenkodex sind Beihilfen möglich für Stahlunternehmen, die Investitionen zur Verbesserung des Umweltschutzes tätigen wollen. Die Vorschriften und Bedingungen für die Gewährung solcher Beihilfen sind im Anhang zum Stahlbeihilfenkodex und im Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen(4) festgelegt.

(23) Beihilfen, die angeblich Umweltschutzzwecken dienen, in Wirklichkeit aber allgemeine Investitionen fördern, fallen nicht unter den Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen. Beihilfefähig sind ausschließlich die Mehrkosten für Investitionen, die getätigt werden müssen, um Umweltschutzziele zu erreichen(5). Außerdem ist nach Ziffer 3.2.3 B erster Absatz des Gemeinschaftsrahmens im Fall von Investitionen, die zu einem deutlich höheren Umweltschutzniveau führen sollen als in den geltenden Bestimmungen vorgesehen, je nach Umfang der Reduzierung der Umweltbelastung und Höhe der erforderlichen Investitionen die Genehmigung von Beihilfen von bis zu 30 % möglich.

(24) Nach dem Anhang zum Stahlbeihilfenkodex legt die Kommission bei Bedarf für alle staatlichen Umweltschutzbeihilfen strenge Bedingungen und Grenzwerte fest, um ihre missbräuchliche Verwendung für allgemeine Investitionen zum Bau neuer Werke bzw. zur Installation neuer Anlagen zu verhindern.

24.1. Im Fall von Beihilfen, die den Unternehmen einen Anreiz zur spürbaren Verbesserung des Umweltschutzes bieten sollen, muss der Investor nachweisen, dass eine klare Entscheidung für höhere Umweltnormen getroffen wurde, die zusätzliche Investitionen erforderlich machte, d. h. dass die geltenden Umweltnormen auch mit einer kostengünstigeren Lösung hätten erfuellt werden können. Eine Heraufsetzung der Höhe der Beihilfe ist in jedem Fall nur bei Investitionen möglich, die zu einer entsprechend deutlicheren Verbesserung des Umweltschutzes führen, wobei alle erzielten Produktionskostenvorteile gegenzurechnen sind.

24.2. Die Kommission untersucht die wirtschaftlichen und umweltpolitischen Hintergründe der Entscheidung zum Austausch vorhandener Anlagen oder Ausrüstungen. Neuinvestitionen, die aus wirtschaftlichen Gründen oder wegen des Alters der vorhandenen Anlagen oder Ausrüstungen (Restnutzungsdauer unter 25 %) auf jeden Fall getätigt worden wären, sind grundsätzlich nicht beihilfefähig.

Beurteilung der Beihilfe vor dem Hintergrund der Stellungnahme der italienischen Behörden

Lucchini SpA, Piombino

(25) Als wichtigstes Argument führen die italienischen Behörden an, das Unternehmen habe zwar ein Investitionsprogramm zur Modernisierung und Rationalisierung der Produktionsanlagen durchgeführt, die Investitionen für Umweltschutzausrüstungen seien aber nicht im Rahmen dieses Programms getätigt worden. Zudem seien die Umweltschutzausrüstungen nicht veraltet gewesen, sondern hätten auch in Verbindung mit der neuen Produktionsanlage weiter genutzt werden können und die Einhaltung der Umweltnormen weiter sichergestellt. Ihr Austausch sei aufgrund einer freien Entscheidung des Unternehmens für eine Verbesserung des Umweltschutzes erfolgt.

(26) Es wurden jedoch weder Beweise dafür vorgelegt, dass die alten Umweltschutzausrüstungen tatsächlich zusammen mit der neuen Produktionsanlage hätten weiter genutzt werden können, noch dafür, dass die vorgenannten Überlegungen wirklich Grundlage der getroffenen Entscheidungen waren. Wie die UK Steel Association in ihrer Stellungnahme als Beteiligte erklärt, übersteigen die Kosten für Umweltschutzausrüstungen bei einer umfassenden Modernisierung vorhandener Produktionsanlagen wie im Fall der Lucchini SpA nicht den bei modernen Anlagen üblichen Umfang.

(27) Angesichts des Alters der Anlage, die aus den Jahren 1971 bzw. 1978 stammt, ist es kaum vorstellbar, dass das Unternehmen die alten Umweltschutzausrüstungen in Verbindung mit einer neuen Produktionsanlage weiter betrieben hätte. Im Übrigen entspricht die Nutzungsdauer der Umweltschutzausrüstungen - wie auch in dem von den italienischen Behörden vorgelegten Gutachten festgestellt wird - derjenigen der Gesamtanlage, deren Bestandteil sie sind. Dies gilt für alle drei betroffenen Bereiche Kokerei, Stahlwerk und Hochofen. Darüber hinaus ist es kaum vorstellbar, dass nach einem Austausch der technisch veralteten Hauptanlage die zugehörigen Umweltschutzausrüstungen noch normal funktioniert hätten.

(28) Weiter teilen die italienischen Behörden mit, angesichts der Lage des Werks in einem dicht besiedelten Gebiet habe die Notwendigkeit einer Reduzierung der Umweltbelastung bereits vor dem Investitionsplan zur Verbesserung der Produktion bestanden. Dies deckt sich mit der Darstellung in der Anmeldung (Schreiben vom 15. Februar 2000), in der es heißt: "Die Umweltschutzmaßnahmen ermöglichen den weiteren Betrieb des Stahlwerks im vorhandenen sozialen Umfeld und sichern die vorhandenen Arbeitsplätze, was angesichts der Lage des Werks Piombino in einer dicht besiedelten Gegend besonders wichtig ist". Auf der Grundlage dieser Informationen kann die Kommission nur zu dem Schluss gelangen, dass die Umweltschutzinvestitionen erforderlich waren, um die Fortsetzung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens zu ermöglichen. Somit war die Entscheidung, diese Investitionen zu tätigen, vor allem wirtschaftlich begründet.

(29) Was die Frage angeht, welche wesentlichen Gründe der Entscheidung für die von Lucchini, Piombino, in den Bereichen Kokerei, Stahlwerk und Hochofen getätigten Investitionen zugrunde lagen, so sind die italienischen Behörden nach Ansicht der Kommission den in der Anlage zum Stahlbeihilfekodex verlangten Nachweis schuldig geblieben, dass das Unternehmen eine klare Entscheidung für die Durchführung der Investitionen aus Gründen des Umweltschutzes getroffen hat. Im Gegenteil deuten alle angeführten Fakten darauf hin, dass die Umweltschutzinvestitionen Voraussetzung für Investitionen zur Verbesserung der Produktion bzw. eine Folge davon waren.

(30) Zu der Verpflichtung, die beihilfefähigen Kosten auf die zusätzlichen Investitionen zu beschränken, die erforderlich sind, um die geltenden Normen zu übertreffen, stellen die italienischen Behörden lediglich fest, alle angemeldeten Investitionen seien als zusätzliche Investitionen zu betrachten, da das Unternehmen die alten Umweltschutzausrüstungen durchaus hätte weiterverwenden können. Dieser Ansicht kann die Kommission nicht folgen. Nach Darstellung der italienischen Behörden, das Unternehmen habe sich ungeachtet der Möglichkeit, die alten Systeme weiter zu betreiben, für ihren Austausch gegen neue, im Hinblick auf den Umweltschutz effizientere Anlagen entschieden, dienten die getätigten Investitionen vor allem dem Austausch der vorhandenen Anlage. Da für den Betrieb des Unternehmens aber auf jeden Fall Umweltschutzausrüstungen erforderlich sind, die die Einhaltung der geltenden Normen sicherstellen, müssen deren hypothetische Kosten von den Kosten der Umweltschutzausrüstungen abgezogen werden, für die sich das Unternehmen zur Erzielung eines höheren Umweltschutzniveaus entschieden hat. Man kann nicht einfach die Kosten der alten Vorrichtungen ansetzen, da deren Restnutzungsdauer - auch nach Angaben der italienischen Behörden - nur noch 25 % beträgt, so dass in diesem Fall 75 % der Gesamtnutzungsdauer der Anlage illegal subventioniert würden. Die Kommission gelangt daher zu der Schlussfolgerung, dass nicht - wie in der Anlage zum Stahlbeihilfekodex gefordert - die gesamten angemeldeten Kosten für alle Anlagen als Mehrkosten für die Gewährleistung eines höheren Umweltschutzniveaus betrachtet werden können.

(31) Italien bestreitet, dass die angemeldeten Kosten möglicherweise auch Produktionszwecken dienende Ausrüstungsteile betreffen könnten, deren Förderung mit Umweltschutzbeihilfen nicht zulässig ist, führt zur Begründung aber lediglich an, die angemeldeten Kosten seien gegenüber den ursprünglichen Forderungen des Unternehmens bereits erheblich reduziert. Wie schon in der Entscheidung zur Einleitung des Verfahrens ausgeführt, kann die Kommission nur zu dem Schluss gelangen, dass der Großteil der angemeldeten Ausrüstungen auch für die Verwendung zu Produktionszwecken geeignet ist und nicht alle angemeldeten Kosten als förderfähig nach den Bestimmungen für Umweltschutzbeihilfen betrachtet werden können.

(32) Daraus zieht die Kommission den Schluss, dass die von den italienischen Behörden angemeldeten Investitionen nicht ausschließlich für Umweltschutzmaßnahmen bestimmt sind. Gleichwohl wurden die Kosten der Ausrüstungsteile, die auch für Produktionszwecke verwendet werden können, nicht entsprechend in Abzug gebracht, und im einzigen Fall, in dem eine Gegenrechnung der in Form von Energieeinsparungen erzielten wirtschaftlichen Vergünstigungen erfolgte, stellt die verwendete Methode nicht sicher, dass tatsächlich alle Vergünstigungen berücksichtigt wurden.

(33) Die italienischen Behörden bestehen nämlich bei der Berechnung der finanziellen Vorteile für das Unternehmen durch die neue Rauchgasabsauganlage im Stahlwerk auf dem Zeitraum von 6,66 Jahren für die Gegenrechnung der vom Unternehmen erzielten Einsparungen. Nach Ansicht der Kommission schließt der von den italienischen Behörden im vorliegenden Fall verwendete Abschreibungszeitraum nicht mit Sicherheit aus, dass es zu steuerlichen Vergünstigungen kommt. Italien liefert keinen Beweis dafür, dass dies nicht der Fall ist, sondern begründet den Abschreibungszeitraum einzig mit dem Hinweis, die getroffene Regelung entspreche den gesetzlichen Bestimmungen. Gemäß dem Stahlbeihilfekodex sind alle Vorteile in Abzug zu bringen. Nach Ansicht der Kommission ist dies nur gewährleistet, wenn der Nutzungsdauer der Anlage Rechnung getragen wird. Wenn aber, wie in dem von den italienischen Behörden vorgelegten Gutachten angeführt, die Gesamtnutzungsdauer der ausgetauschten Anlage 36 Jahre betrug, kann keinesfalls ein Abschreibungszeitraum von 6,66 Jahren für die Nutzungsdauer der in Rede stehenden Anlage angesetzt werden.

(34) Im Hinblick auf die von der Kommission beanstandete Einbeziehung der Abschreibungskosten betonen die italienischen Behörden, die Berechnung des durch die Investition entstandenen Vorteils sei nach den üblichen buchhalterischen Regeln zu den Bestandteilen der Produktionskosten erfolgt. Nun beanstandet die Kommission zwar keineswegs die Berechnung der normalen Bestandteile der Produktionskosten, aber sie kann nicht hinnehmen, dass bei der Ermittlung des finanziellen Vorteils, der einem Unternehmen durch eine bestimmte Investition entsteht, auch die Abschreibungskosten der Investition selbst einbezogen werden. Wie in der Entscheidung zur Einleitung des Verfahrens dargestellt, würde dies praktisch die doppelte Berechnung der Kosten ein und derselben Investition bedeuten, wodurch derartige Investitionen grundsätzlich beihilfefähig würden. Anzustreben ist aber im Gegenteil, dass das Unternehmen mit staatlichen Mitteln geförderte Investitionen zur Verwirklichung von Umweltschutzzielen nicht zum eigenen Vorteil verwendet. Die Kommission gelangt daher zu dem Schluss, dass die italienischen Behörden bei der Berechnung des Kostenvorteils, der dem Unternehmen durch die Investition entstanden ist, nicht alle Vorteile des Unternehmens aus der Investition berücksichtigen.

(35) Was die Angaben zur Schadstoffbelastung in der zweiten Anmeldung von Investitionen in die Kokerei angeht, so scheinen die italienischen Behörden der Meinung der Kommission zuzustimmen, dass die angegebenen Werte im Hinblick auf die Beihilfefähigkeit nicht als signifikant betrachtet werden können. Sie sind jedoch der Ansicht, dass diese Angaben in Bezug auf die Investitionen aus der ersten Anmeldung zu berücksichtigen seien und dass zum Vergleich nur die Endergebnisse herangezogen werden dürften. Die italienischen Behörden haben aber den zweiten Teil der Investitionen nicht als Anhang zur ersten Anmeldung notifiziert: die erste Anmeldung erfolgte im März 1999 und die zweite im November desselben Jahres. Bei der Darstellung der Umweltverbesserung, die durch die im November angemeldeten Investitionen zu erwarten sei, gingen die italienischen Behörden von den Werten für die Schadstoffbelastung aus, die mit den im März angemeldeten Investitionen erzielt wurden. Diese Werte waren also bereits erreicht. Jedwede Investition zur Verbesserung des Umweltschutzes ist anhand der zum jeweiligen Zeitpunkt vorliegenden Schadstoffbelastung zu bewerten und nicht anhand von Werten aus der Vergangenheit. Die Kommission gelangt deshalb zu dem Schluss, dass die im September angemeldeten Investitionen in die Kokereianlage des Lucchini-Werks in Piombino nicht - wie im Stahlbeihilfenkodex verlangt - ein deutlich höheres Umweltschutzniveau ermöglichen und deshalb nicht für eine Umweltschutzbeihilfe in Betracht kommen.

Siderpotenza SpA

(36) Bei den Investitionen in die Rauchgasabsaugung und die Nachverbrennung räumt die Kommission ein, dass hier nicht die normale Beihilfehöchstgrenze von 30 % anzuwenden ist, sondern der Regionalbeihilfesatz von 50 %. Auf der Grundlage des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen (Ziffer 3.2.3 B, zweiter Absatz) können zu Investitionen, die KMU in Fördergebieten tätigen und mit denen ein gegenüber geltenden Normen deutlich höheres Umweltschutzniveau erreicht werden kann, Beihilfen bis in Höhe der von der Kommission für die entsprechende Region genehmigten normalen Beihilfeintensität gewährt werden. Auch die Bestimmungen im Anhang zum Stahlbeihilfekodex stehen dieser Erhöhung nicht im Wege.

(37) Da die in Rede stehenden Investitionen nicht der Produktionsausweitung dienen und die Beihilfehöhe nur der Hälfte des zulässigen Hoechstsatzes entspricht, betrachtet die Kommission ihre anfänglichen Zweifel als ausgeräumt und erkennt an, dass die für die beiden Projekte angemeldeten Beihilfen die Anforderungen des Stahlbeihilfenkodex für Umweltschutzbeihilfen erfuellen.

(38) Im Hinblick auf die Investition im Walzwerk nimmt die Kommission zur Kenntnis, dass diese nicht zu einer Verbesserung des Gesundheitsschutzes und der Sicherheit am Arbeitsplatz geführt hat. Allerdings haben die italienischen Behörden keinen Nachweis dafür vorgelegt, dass die Investitionsentscheidung nicht in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen getroffen wurde. Die Tatsache, dass sich der Gesamtproduktionsumfang des Werks nicht erhöht hat, weil die Wirkung der an einem bestimmten Punkt der Produktionskette erzielten Verbesserungen durch die an anderen Stellen vorhandenen Engpässe eingeschränkt wird, ist kein Beweis dafür, dass die Investitionen nicht aus wirtschaftlichen Gründen bzw. zu Produktionszwecken erfolgt sind. Andererseits wurden auch keine Informationen zum Umfang der Verringerung des Schadstoffausstoßes geliefert, die die Investition ermöglichen würde. Soweit die Kommission feststellen kann, sind die möglicherweise erzielten Verbesserungen lediglich eine indirekte Folge der getätigten Investition und nicht der entscheidende Grund für ihre Durchführung. Aus diesem Grund gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass die Investition nicht für eine Umweltschutzbeihilfe in Betracht kommt, da die entsprechenden Anforderungen in der Anlage zum Stahlbeihilfenkodex nicht erfuellt sind.

Schlussfolgerung

(39) Die von Italien angemeldete Beihilfe zugunsten der Lucchini SpA für Investitionen in den Bereichen Kokerei, Stahlwerk und Hochofen im Gesamtumfang von 13,5 Mrd. ITL ist nach den Bestimmungen über staatliche Umweltschutzbeihilfen nicht zulässig, weil die italienischen Behörden nicht nachgewiesen haben, dass die Durchführung der Investitionen nicht aus wirtschaftlichen Gründen erfolgte. Die Prüfung der angemeldeten Beihilfen anhand detaillierter Kriterien führt zu dem Ergebnis, dass sie - aus den oben im Einzelnen dargelegten Gründen - die gestellten Anforderungen nicht erfuellen. Die angemeldeten Kosten beziehen sich nicht ausschließlich auf die zur Verbesserung des Umweltschutzes erforderlichen Mehrkosten, nicht alle erzielten Kostenvorteile wurden gegengerechnet und in einigen Fällen kann angesichts der erzielten Schadstoffreduzierung nicht von einer "spürbaren" Verbesserung die Rede sein. Die Beihilfen sind daher mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und dürfen nicht gewährt werden.

(40) Die Beihilfe zugunsten der Siderpotenza SpA in Höhe von 203,2 Mio. ITL zu den im Walzwerk getätigten Investitionen mit einem Gesamtumfang von 910 Mio. ITL ist nach den Bestimmungen für Umweltschutzbeihilfen nicht zulässig, weil die italienischen Behörden nicht nachgewiesen haben, dass die Investitionen zur Verbesserung des Umweltschutzes getätigt wurden. Aus diesem Grund ist die Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und darf nicht gewährt werden.

(41) Die Beihilfe zugunsten der Siderpotenza SpA in Höhe von 1,112 Mrd. ITL zu Investitionen in die Rauchgasabsaugung und Nachverbrennung mit einem Gesamtumfang von 4,98 Mrd. ITL ist mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die staatlichen Beihilfen in Höhe von 13,5 Mrd. ITL (6,98 Mio. EUR) und 203,2 Mio. ITL (104944 EUR), die Italien den Stahlunternehmen Lucchini SpA bzw. Siderpotenza SpA gewähren will, sind mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.

Aus diesem Grund dürfen diese Beihilfen nicht gewährt werden.

Artikel 2

Die von Italien zugunsten der Siderpotenza SpA angemeldete Beihilfe in Höhe von 1,112 Mrd. ITL (574300 EUR) ist mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar.

Diese Beihilfe darf daher gewährt werden.

Artikel 3

Italien teilt der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe dieser Entscheidung die Maßnahmen mit, die getroffen wurden, um der Entscheidung nachzukommen.

Artikel 4

Diese Entscheidung ist an die Italienische Republik gerichtet.

Brüssel, den 21. Dezember 2000

Für die Kommission

Mario Monti

Mitglied der Kommission

(1) ABl. L 338 vom 28.12.1996, S. 42.

(2) ABl. C 184 vom 1.7.2000, S. 2.

(3) Siehe Fußnote 2.

(4) ABl. C 72 vom 10.3.1994, S. 3.

(5) Vgl. Ziffer 3.2.1 des Gemeinschaftsrahmens.

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