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Document 31995H0198

95/198/EG: Empfehlung der Kommission vom 12. Mai 1995 über die Zahlungsfristen im Handelsverkehr

ABl. L 127 vom 10.6.1995, p. 19–22 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

Legal status of the document In force

ELI: http://data.europa.eu/eli/reco/1995/198/oj

31995H0198

95/198/EG: Empfehlung der Kommission vom 12. Mai 1995 über die Zahlungsfristen im Handelsverkehr

Amtsblatt Nr. L 127 vom 10/06/1995 S. 0019 - 0022


EMPFEHLUNG DER KOMMISSION vom 12. Mai 1995 über die Zahlungsfristen im Handelsverkehr (1*)(Text von Bedeutung für den EWR) (95/198/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

in Erwägung nachstehender Gründe:

In der Entschließung des Europäischen Parlamentes vom 21. April 1993 zu den Mitteilungen der Kommission an den Rat über "Den Weg zu einem europäischen Markt für das Zulieferwesen" und über "Die Teilnahme der kleinen und mittleren Unternehmen am öffentlichen Auftragswesen innerhalb der Gemeinschaft" (2) wird die Kommission aufgefordert, spezifische Vorschläge zur Frage des Zahlungsverzuges zu machen.

Der Wirtschafts- und Sozialausschuß hat am 30. Juni 1993 (3) eine Stellungnahme zum "Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen über Zahlungsfristen im Handelsverkehr" (4) abgegeben.

Die Kommission hat in ihrem Weißbuch über Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung (5) eine Initiative auf dem Gebiet der Zahlungsfristen angekündigt.

Die Kommission hat am 25. Mai 1994 eine Mitteilung über die Durchführung des "Integrierten Programms zugunsten der KMU und des Handwerks" (6) verabschiedet.

In seiner Entschließung zum Integrierten Programm für die KMU und das Handwerk hat das Europäische Parlament die Kommission nachdrücklich aufgefordert, Vorschläge zur Lösung des Zahlungsverzugsproblems zu machen (7).

Den Unternehmen, insbesondere den kleinen und mittleren, entsteht durch die Länge der Zahlungsfristen im Handelsverkehr ein hoher administrativer und finanzieller Aufwand; durch die Zahlungsverzögerungen wird das finanzielle Gleichgewicht und sogar das Überleben der Unternehmen gefährdet.

In den letzten Jahren war in der Mehrzahl der Mitgliedstaaten eine Verschlechterung der Zahlungspraktiken festzustellen; dies ist nicht nur auf konjunkturelle Entwicklungen zurückzuführen, sondern spiegelt auch eine strukturelle Veränderung der Beziehungen zwischen den Unternehmen wider; es besteht die Gefahr, daß die Intensivierung des Handels und des Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt zu einer allgemeinen Verlängerung der Zahlungsfristen in der Gemeinschaft führt.

Die unterschiedlichen Zahlungsbestimmungen und -praktiken in den Mitgliedstaaten stellen ein Hemmnis für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes dar.

Ohne die Vertragsfreiheit bei der Feststellung der Zahlungsfristen in Frage zu stellen, sollte eine größere Transparenz der für die Vertragsparteien geltenden Fristen sowie die Einhaltung der vertraglich vereinbarten Fristen gefördert werden.

Eine bessere Information und Schulung der Unternehmen, insbesondere der kleinen und mittleren, auf dem Gebiet der Zahlungsfristen würde zur Verbesserung der Praktiken der Unternehmen in diesem Bereich beitragen.

Die Mechanismen zur Ahndung von Zahlungsverzögerungen in den Mitgliedstaaten müssen so gestaltet sein, daß sie zum einen von der Überziehung der Zahlungsfristen abschrecken und zum anderen gewährleisten, daß den betroffenen Gläubigern die durch den Zahlungsverzug entstandenen Kosten vollständig ersetzt werden.

Sanktionsmaßnahmen können nur dann abschrecken, wenn sie an schnelle, wirksame und kostengünstige Klagewege für den Gläubiger gekoppelt sind.

Es müssen ergänzende Maßnahmen ergriffen werden, um eine bessere Einhaltung der Zahlungsfristen im grenzüberschreitenden Handel zu gewährleisten.

Die öffentliche Verwaltung und die öffentlichen Unternehmen leisten umfangreiche Zahlungen an Unternehmen, und eine strenge Zahlungsdisziplin von seiten dieser Stellen hätte eine Sogwirkung auf die gesamte Wirtschaft; die Öffnung der Märkte für öffentliche Aufträge für alle Unternehmen, insbesondere für kleine und mittlere, erfordert eine Verbesserung bei einigen der gegenwärtigen Praktiken -

EMPFIEHLT DEN MITGLIEDSTAATEN:

Artikel 1

Ziele

Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, die rechtlichen und praktischen Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der vertraglich vereinbarten Zahlungsfristen im Handelsverkehr zu erzwingen; ferner werden sie aufgefordert, für eine zügigere Bezahlung öffentlicher Aufträge Sorge zu tragen.

Sie werden insbesondere aufgefordert, die Maßnahmen zu ergreifen, die am besten geeignet sind, den rechtlichen und administrativen Rahmen so zu ergänzen, daß folgende Ziele erreicht werden:

- Erhöhung der Transparenz der Vertragsbeziehungen, Verbesserung von Ausbildungs- und Informationsstand in den Unternehmen sowie Abschwächung der steuerlich bedingten Negativfolgen des Zahlungsverzugs;

- Gewährleistung eines angemessenen Schadensersatzes bei Zahlungsverzug;

- Gewährleistung geeigneter Klagemöglichkeiten;

- Beseitigung der spezifischen Probleme im grenzüberschreitenden Handel;

- Verbesserung des Zahlungsverhaltens bei öffentlichen Aufträgen.

Artikel 2

Transparenz, Information und Schulung, Mehrwertsteuer

(1) Es sollte eine größere Transparenz bei den für Handelstransaktionen geltenden Zahlungsfristen gefördert werden. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, zu diesem Zweck folgende Maßnahmen zu ergreifen:

a) Förderung der genauen Festlegung der geltenden Zahlungsfrist und des Fälligkeitstermins in Handelsverträgen, z. B. mittels Angabe auf der Rechnung. Für den Fall, daß kein schriftlicher Vertrag vorliegt oder die Rechnung keine genaue Fristangabe enthält, sehen die Mitgliedstaaten eine einfache und präzise Bestimmung vor, mit der festgelegt wird, welche Frist und welcher Fälligkeitstermin mangels entsprechender vertraglicher Bestimmungen gelten.

b) Förderung der Angabe der im Falle früherer oder verspäteter Zahlung geltenden Ab- oder Zuschläge in den Handelsdokumenten.

c) Förderung der Festlegung in den Handelsverträgen einer Frist ab Wareneingang oder Leistungserbringung, innerhalb deren der Empfänger quantitative oder qualitative Beanstandungen geltend machen kann. Ferner sollte eine gesetzliche Regelung geschaffen werden, die mangels entsprechender vertraglicher Bestimmungen gilt.

d) Genaue Angabe der von den öffentlichen Auftraggebern in Anspruch genommenen Zahlungsfristen und der entsprechenden Fälligkeitstermine in den Bekanntmachungen öffentlicher Aufträge oder in den Lastenheften.

(2) Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, öffentliche und private Initiativen einschließlich Initiativen der Berufsverbände zu fördern, die darauf zielen, den Informations- und Ausbildungsstand in den Unternehmen, insbesondere in den kleinen und mittleren Unternehmen, im Hinblick auf die Handhabung der Zahlungsfristen zu verbessern. Die Aktionen können insbesondere folgende Bereiche betreffen:

a) Rechtliche Beratung und Unterstützung bei der Abfassung von Handelsdokumenten und Verträgen.

b) Informations- und Schulungsmaßnahmen über die Zahlungsregeln und -praktiken, die für bestimmte Unternehmen, Branchen, Regionen oder Länder am besten geeignet sind sowie über interne oder externe Maßnahmen zur Beitreibung von Forderungen.

c) Entwicklung eines praktischen Instrumentariums für das Finanzmanagement, insbesondere im DV-Bereich, und Förderung des elektronischen Datenaustausches (EDA) zwischen den KMU.

d) Inanspruchnahme von Techniken zur Refinanzierung von Forderungen, wie Factoring.

(3) Angesichts der besonderen Merkmale der KMU und insbesondere mit Blick auf die finanziellen Belastungen die ein Zahlungsverzug für sie mit sich bringt, werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, dafür zu sorgen, daß für diese Unternehmen die günstigsten Fristen gemäß der Richtlinie 77/388/EWG des Rates (8) (Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie) gelten. Es handelt sich dabei um die Möglichkeit:

a) zumindest für die kleinen Unternehmen die Zahlung der Mehrwertsteuer bis zur Vereinnahmung des Preises zu verschieben;

b) den kleinen Unternehmen zu gestatten, die Umsatzsteuererklärung für einen längeren Zeitraum abzugeben.

Artikel 3

Schadenersatzzahlungen bei Zahlungsverzug

Es sollten Voraussetzungen geschaffen werden, die eine angemessene Entschädigung des Gläubigers für den ihm durch den Zahlungsverzug seines Schuldners entstandenen Schaden ermöglichen. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, zu diesem Zweck folgende Maßnahmen zu ergreifen:

a) Anerkennung eines Anspruchs des Gläubigers auf Verzugszinsen, sobald die gesetzliche oder vertragliche Zahlungsfrist überschritten ist.

b) Festlegung eines mangels vertraglicher Bestimmungen anzuwendenden Satzes für die Verzugszinsen, der säumige Zahler ausreichend abschreckt.

c) Neben der Anerkennung des Anspruchs auf Verzugszinsen Anerkennung eines Anspruchs auf andere Schadenersatzzahlungen, zum Ausgleich des Schadens, der dem Gläubiger durch die verspätete Zahlung entsteht. Diese Schadenersatzzahlungen decken insbesondere die administrativen Kosten und die Verfahrenskosten, die durch die Beitreibung der Forderung entstanden sind.

Artikel 4

Klagemöglichkeiten

Es sollte sichergestellt werden, daß Gläubigern, die Opfer verzögerter Zahlungen sind, zügige, wirksame und kostengünstige Klagemöglichkeiten zur Verfügung stehen, über die sie den geschuldeten Betrag sowie Schadenersatzzahlungen erlangen können. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, zu diesem Zweck folgende Maßnahmen zu ergreifen:

a) Förderung der Einführung außergerichtlicher Verfahren, die eine rasche, wirksame und kostengünstige Beilegung von Zahlungsstreitigkeiten ermöglichen.

b) Erhöhung der Effizienz der vereinfachten gerichtlichen Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten über geringere Beträge. Für diese Verfahren sollten vereinfachte und kostengünstige Klageerhebungsmodalitäten gelten. Die Schwellenbeträge für die Anwendung dieser Verfahren sollten so bemessen sein, daß eine nicht unerhebliche Zahl von Handelstransaktionen abgedeckt wird. Es sollte sichergestellt werden, daß die Voraussetzungen für die wirksame Vollstreckung der in diesen vereinfachten Verfahren ergangenen Urteile geschaffen werden.

c) Erhöhung der Effizienz der beschleunigten Verfahren zur Beitreibung von Forderungen. Diese Verfahren sollten es ermöglichen, bei Forderungen, gegen die kein Widerspruch eingelegt wird, mit geringem formalem Aufwand und innerhalb kürzerer Fristen einen Vollstreckungstitel zu erlangen. Diese Verfahren sollten schnell und mit einem Minimum an Formalitäten und finanziellem Aufwand für den Gläubiger abgewickelt werden und unabhängig von der Höhe des Streitwertes anwendbar sein.

Artikel 5

Grenzüberschreitender Handel

Die spezifischen Schwierigkeiten bei Zahlungen im grenzüberschreitenden Handel sollten beseitigt werden. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, zu diesem Zweck folgende Maßnahmen zu ergreifen:

a) Förderung eines besseren Informations- und Ausbildungsstandes der Unternehmen im Hinblick auf die Handhabung von Zahlungsfristen im grenzüberschreitenden Handel.

b) Erleichterung der Beitreibung von Forderungen im Ausland, gegen die kein Widerspruch eingelegt worden ist. Es sollte insbesondere die Erlangung eines Vollstreckungstitels für Forderungen dieser Art erleichtert werden.

c) Es sollten alle Maßnahmen ergriffen werden, die erforderlich sind, um die Verfahren zur Streitbeilegung und zur Urteilsvollstreckung im Falle des Zahlungsverzugs bei grenzüberschreitenden Transaktionen zu vereinfachen und zu beschleunigen.

Artikel 6

Öffentliche Aufträge

Die Zahlungsdisziplin der öffentlichen Auftraggeber und der öffentlichen Unternehmen (wie in der Richtlinie 93/38/EWG des Rates (9) definiert) sollte gewährleistet sein. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, zu diesem Zweck folgende Maßnahmen zu ergreifen:

a) Durchführung von Sensibilisierungsmaßnahmen bei allen betroffenen Behörden, um die Auswirkungen von Zahlungsverzögerungen auf die finanzielle Substanz der Marktteilnehmer bewußt zu machen.

b) Einhaltung einer Frist von 60 Tagen bei Zahlungen im Rahmen öffentlicher Aufträge, eventuell geltende kürzere Fristen sollen indessen nicht in Frage gestellt werden.

Die Mitgliedstaaten prüfen, inwieweit sie die von Behörden gegenüber Unternehmen in Anspruch genommenen Zahlungsfristen verkürzen und die für diesen Bereich geltenden Regeln vereinfachen können.

c) Entwicklung von Verwaltungsverfahren mit genau festgelegten Abläufen und Fristen, um die schnellstmögliche Bezahlung öffentlicher Aufträge zu garantieren. Es werden insbesondere Fristen festgelegt für die Abwicklung der der Zahlung vorausgehenden Verwaltungsformalitäten, wie z. B. der Abnahmeverfahren für öffentliche Bauaufträge.

d) Regelmäßige Kontrolle der Zahlungsfristen der öffentlichen Hand auf allen Ebenen und Veröffentlichung des Ergebnisses in einer offiziellen Mitteilung.

e) Automatische Zahlung von Verzugszinsen - gleichzeitig mit der Hauptschuld - bei einer durch den öffentlichen Auftraggeber bzw. das öffentliche Unternehmen verschuldeten Überziehung der vertraglichen Zahlungsfrist. Es werden geeignete Kontrollen vorgesehen, die die Einhaltung dieses Grundsatzes seitens der Behörden sicherstellen.

f) Maßnahmen, die erforderlich sind, um zu gewährleisten, daß Zulieferer im Rahmen öffentlicher Aufträge innerhalb angemessener Fristen bezahlt werden.

Artikel 7

Bericht

Damit die Kommission die Fortschritte bewerten kann, werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, ihr bis 31. Dezember 1997 einen Bericht vorzulegen über die im Zusammenhang mit den einzelnen Punkten dieser Empfehlung getroffenen Maßnahmen.

Artikel 8

Adressaten

Diese Empfehlung richtet sich an alle Mitgliedstaaten.

Brüssel, den 12. Mai 1995

Für die Kommission

Christos PAPOUTSIS

Mitglied der Kommission

(1*) Die Begründung dieser Empfehlung wurde als Mitteilung im ABl. Nr. C 144 vom 10. 6. 1995, S. 3, veröffentlicht.

(2) ABl. Nr. C 150 vom 31. 5. 1993, S. 71.

(3) ABl. Nr. C 249 vom 13. 9. 1993, S. 21.

(4) SEK(92) 2214 endg. vom 18. November 1992.

(5) Weißbuch über Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung, S. 14.

(6) KOM(94) 207 vom 3. Juni 1994.

(7) Entschließung A4-0022/94, PV 28 II, 24. Oktober 1994.

(8) ABl. Nr. L 145 vom 13. 7. 1977, S. 1.

(9) ABl. Nr. L 199 vom 9. 8. 1993, S. 84.

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