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Document 62013CO0064

Beschluss des Gerichtshofs (Siebte Kammer) vom 5. September 2013.
H-Holding AG gegen Europäisches Parlament.
Rechtsmittel – Untätigkeitsklage – Art. 265 AEUV – Schadensersatzklage – Unterlassene Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch das Parlament – Unterlassene Aufforderung des Parlaments an das OLAF, Ermittlungen aufzunehmen – Offensichtliche Unzulässigkeit.
Rechtssache C‑64/13 P.

Sammlung der Rechtsprechung 2013 -00000

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2013:557

BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)

5. September 2013(*)

„Rechtsmittel – Untätigkeitsklage – Art. 265 AEUV – Schadensersatzklage – Unterlassene Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch das Parlament – Unterlassene Aufforderung des Parlaments an das OLAF, Ermittlungen aufzunehmen – Offensichtliche Unzulässigkeit“

In der Rechtssache C‑64/13 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 7. Februar 2013,

H-Holding AG mit Sitz in Cham (Schweiz), Prozessbevollmächtigter: R. Závodný, advokát,

Rechtsmittelführerin,

andere Partei des Verfahrens:

Europäisches Parlament,

Beklagter im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten G. Arestis (Berichterstatter) sowie der Richter J.‑C. Bonichot und J. L. da Cruz Vilaça,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund der nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Entscheidung, durch mit Gründen versehenen Beschluss nach Art. 181 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die H‑Holding AG (im Folgenden: H‑Holding) die Aufhebung des Beschlusses des Gerichts der Europäischen Union vom 27. November 2012, H‑Holding/Parlament (T‑672/11, im Folgenden: angefochtener Beschluss), mit dem das Gericht ihre Klage auf Feststellung, dass das Europäische Parlament es in rechtswidriger Weise unterlassen hat, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Tschechische Republik einzuleiten und das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) aufzufordern, Ermittlungen in Bezug auf eine tschechische politische Partei aufzunehmen, sowie auf Ersatz des Schadens, der der Rechtsmittelführerin aufgrund dieser geltend gemachten Untätigkeit des Parlaments entstanden sein soll, als unzulässig abgewiesen hat.

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtener Beschluss

2        Die H‑Holding erhob ihre Klage mit Klageschrift, die am 23. Dezember 2011 bei der Kanzlei des Gerichts einging.

3        Mit dieser Klage beantragte die H‑Holding,

–        die Rechtssache nach Art. 256 Abs. 3 Unterabs. 2 AEUV an den Gerichtshof zu verweisen;

–        festzustellen, dass sie in Bezug auf ihre Petition vom 24. August 2011 „[d]urch die Untätigkeit des … Parlaments … [g]eschädigt [wurde]“;

–        festzustellen, dass die Europäische Union „für die Einhaltung der Regeln (gegeben durch das … Parlament und den Rat für die Finanzierung der politischen Parteien auf europäischer Ebene) [zuständig ist]“;

–        festzustellen, dass das Parlament in Verbindung mit dem Rechnungshof der Europäischen Union verpflichtet ist, das OLAF zu einer Finanzprüfung der Konten der Tschechischen Sozialdemokratischen Partei zu ermächtigen;

–        festzustellen, dass das Parlament verpflichtet ist, gegen die Tschechische Republik wegen mehrerer Verstöße gegen ihre Verpflichtungen ein Verfahren einzuleiten;

–        das Parlament zu verurteilen, ihr 33 614 084 tschechische Kronen (CZK) als Schadensersatz zu zahlen;

–        dem Parlament die Kosten aufzuerlegen.

4        In Randnr. 15 des angefochtenen Beschlusses hat das Gericht ausgeführt, dass die Europäische Kommission als einziges Organ der Union befugt sei, gemäß Art. 258 AEUV eine Vertragsverletzungsklage gegen einen Mitgliedstaat zu erheben.

5        In den Randnrn. 16 und 17 des angefochtenen Beschlusses hat das Gericht darauf hingewiesen, dass die Untätigkeitsklage eine Verpflichtung des betreffenden Organs zum Tätigwerden voraussetze. Die Rechtsmittelführerin habe jedoch nicht den Nachweis erbracht, dass es im Unionsrecht eine Vorschrift gebe, nach der das Parlament verpflichtet sei, das OLAF mit einer Prüfung der Konten einer politischen Partei zu betrauen. Ferner könnten sich natürliche oder juristische Personen auf Art. 265 Abs. 3 AEUV nur berufen, um feststellen zu lassen, dass ein Organ, eine Einrichtung oder eine sonstige Stelle der Union es unter Verletzung des Vertrags unterlassen habe, einen anderen Akt als eine Empfehlung oder eine Stellungnahme zu erlassen, deren Adressaten sie sein könnten oder die sie entweder unmittelbar oder gegebenenfalls unmittelbar und individuell beträfen.

6        Den Antrag der Rechtsmittelführerin auf Ersatz des Schadens, der ihr durch die geltend gemachte Untätigkeit des Parlaments entstanden sein soll, hat das Gericht in Randnr. 19 des angefochtenen Beschlusses dahin gehend beschieden, dass nach ständiger Rechtsprechung, da dem Parlament keine rechtswidrige Untätigkeit vorgeworfen werden könne, die außervertragliche Haftung der Union nicht ausgelöst werden könne.

7        In Randnr. 22 des angefochtenen Beschlusses ist das Gericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klage abzuweisen sei, da sie teils offensichtlich unzulässig sei und ihr teils offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehle.

 Rechtsmittelanträge

8        In ihrer Rechtsmittelschrift beantragt die H‑Holding,

–        festzustellen, dass durch den angefochtenen Beschluss das ihr aufgrund des am 21. Juni 1999 in Luxemburg unterzeichneten Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (ABl. 2002, L 114, S. 6) zustehende Recht auf ein faires Verfahren nicht gewährleistet ist;

–        den angefochtenen Beschluss aufzuheben;

–        festzustellen, dass ihr durch die Untätigkeit des Parlaments in Bezug auf ihre Petition vom 24. August 2011 ein erheblicher Schaden entstanden ist (Missbrauch des Vertrauens auf die bindenden Verträge);

–        festzustellen, dass die Europäische Union für die Einhaltung der vom Parlament und vom Rat festgelegten Regeln für die Finanzierung politischer Parteien auf europäischer Ebene zuständig ist;

–        festzustellen, dass das Parlament wegen des Missbrauchs des Vertrauens der H‑Holding auf die Verbindlichkeit der Verträge und aufgrund der diskriminierenden Untätigkeit dieses Organs verpflichtet ist, ihr eine Satisfaktion in Höhe von 33 614 084 CZK innerhalb von 30 Tagen nach Verkündung dieser Entscheidung zu zahlen;

–        der Tschechischen Republik die Kosten der H‑Holding aufzuerlegen.

 Zum Rechtsmittel

9        Nach Art. 181 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs kann dieser das Rechtsmittel jederzeit auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts teilweise oder ganz durch Beschluss, der mit Gründen zu versehen ist, zurückweisen, wenn es ganz oder teilweise offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist.

10      Im vorliegenden Fall hält sich der Gerichtshof durch die Verfahrensunterlagen für ausreichend informiert und beschließt gemäß Art. 181 nach Anhörung der Generalanwältin, ohne Fortsetzung des Verfahrens durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden.

11      Zur Stützung ihres Rechtsmittels trägt die H‑Holding vor, im angefochtenen Beschluss sei die Begründung des Gerichts zur Zulässigkeit der Klage unzureichend. Das Gericht habe gegen Art. 111 der Verfahrensordnung verstoßen, da es seiner Pflicht, seine Entscheidung in rechtlich wirksamer Weise zu begründen, nicht nachgekommen sei. Zudem verstoße die Begründung des Gerichts gegen Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der einen wirksamen und durch das in Randnr. 8 des vorliegenden Beschlusses angeführte Assoziierungsabkommen garantierten gerichtlichen Rechtsschutz gewährleisten solle.

12      Ferner stelle die Argumentation des Gerichts, wonach die Unionsgerichte nicht befugt seien, die Verträge in einer den Rechtsschutz der Unionsbürger gewährleistenden Weise auszulegen, den gerichtlichen Schutz aller Grundrechte und infolgedessen die Kohärenz des Unionsrechts und die Wirksamkeit seiner Verträge in Frage.

13      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 258 AEUV das Parlament nicht für die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen einen Mitgliedstaat zuständig ist. Auch eine Klage gegen die Weigerung des für die Einleitung eines solchen Verfahrens zuständigen Organs, und zwar der Kommission, wäre im Übrigen unzulässig, da ein Einzelner nicht die Weigerung der Kommission angreifen kann, gegen einen Mitgliedstaat ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse vom 12. Juni 1992, Asia Motor France/Kommission, C‑29/92, Slg. 1992, I‑3935, Randnr. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 22. Juni 2011, Grúas Abril Asistencia/Kommission, C‑521/10 P, Randnr. 29, vom 15. Dezember 2011, Altner/Kommission, C‑411/11 P, Randnr. 8, und vom 28. Februar 2013, H‑Holding/Kommission, C‑235/12 P, Randnr. 11).

14      Im vorliegenden Fall hat das Gericht somit in Randnr. 15 des angefochtenen Beschlusses zutreffend entschieden, dass die Kommission als einziges Organ befugt ist, gemäß Art. 258 AEUV eine Vertragsverletzungsklage gegen einen Mitgliedstaat zu erheben.

15      Überdies ist festzustellen, dass sich Einzelne nach der Rechtsprechung zu Art. 265 AEUV auf dessen Abs. 3 nur berufen können, um die Feststellung zu erwirken, dass ein Organ, eine Einrichtung oder eine sonstige Stelle der Union es unter Verletzung des Vertrags unterlassen hat, andere Akte als Empfehlungen oder Stellungnahmen zu erlassen, deren Adressaten sie sein können oder die sie entweder unmittelbar oder gegebenenfalls unmittelbar und individuell betreffen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. November 1996, T. Port, C‑68/95, Slg. 1996, I‑6065, Randnr. 59, und Beschluss vom 1. Oktober 2004, Pérez Escolar/Kommission, C‑379/03 P, Randnr. 15).

16      Genau dies hat das Gericht in Randnr. 16 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, so dass es keinen Rechtsfehler begangen hat.

17      Was insbesondere den Klagegrund anbelangt, mit dem gerügt wurde, dass das Parlament es in rechtswidriger Weise unterlassen habe, das OLAF zu einer Finanzprüfung der Konten einer tschechischen politischen Partei aufzufordern, hat das Gericht in Randnr. 17 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass die H‑Holding nicht dargetan habe, aufgrund welcher Vorschriften des Unionsrechts das Parlament verpflichtet gewesen sein soll, das OLAF zu befassen. Die Rechtsmittelführerin hat hierzu nichts Ergänzendes vorgetragen.

18      Daher waren die von der H‑Holding beim Gericht gestellten Anträge, die sich gegen die Weigerung des Parlaments richteten, ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV gegen die Tschechische Republik einzuleiten und das OLAF zur Einleitung von Ermittlungen aufzufordern, nicht zulässig. Das Gericht hat somit in Randnr. 18 des angefochtenen Beschlusses den Antrag der H‑Holding auf Feststellung, dass das Parlament es in rechtswidriger Weise unterlassen habe, das genannte Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten und das OLAF zu befassen, zu Recht für offensichtlich unzulässig erklärt.

19      Nach alledem ist festzustellen, dass dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin, mit dem eine unzureichende Begründung des angefochtenen Beschlusses gerügt wird, nicht gefolgt werden kann.

20      Im Übrigen sind die weiteren, gegen die Stichhaltigkeit der Begründung des angefochtenen Beschlusses gerichteten Rechtsmittelgründe nicht hinreichend genau angegeben und erfüllen nicht die Anforderungen von Art. 58 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 168 Abs. 1 Buchst. d seiner Verfahrensordnung; sie sind daher als unzulässig zurückzuweisen (vgl. Beschluss vom 21. März 2013, Simov/Kommission und Bulgarien, C‑465/12 P, Randnr. 12).

21      Folglich ist das Rechtsmittel als teils offensichtlich unzulässig und teils offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

 Kosten

22      Nach Art. 137 der Verfahrensordnung, der nach ihrem Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren anzuwenden ist, wird in dem das Verfahren beendenden Beschluss über die Kosten entschieden. Da der vorliegende Beschluss ohne Zustellung der Rechtsmittelschrift an die andere Partei erlassen worden ist, sind der H‑Holding ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) beschlossen:

1.      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2.      Die H‑Holding AG trägt ihre eigenen Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.

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