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Document 52002DC0009

Bericht der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuß und den Ausschuß der Regionen - Vom Europäischen Rat in Stockholm angeforderter Bericht: ,Erhöhung der Erwerbsbeteiligung und Förderung des aktiven Alterns"

/* KOM/2002/0009 endg. */

52002DC0009

Bericht der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuß und den Ausschuß der Regionen - Vom Europäischen Rat in Stockholm angeforderter Bericht: ,Erhöhung der Erwerbsbeteiligung und Förderung des aktiven Alterns" /* KOM/2002/0009 endg. */


BERICHT DER KOMMISSION AN DEN RAT, DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN - Vom Europäischen Rat in Stockholm angeforderter Bericht: ,Erhöhung der Erwerbsbeteiligung und Förderung des aktiven Alterns"

1. Die Notwendigkeit einer verstärkten Erwerbsbeteiligung

2. Trends und Determinanten der Erwerbsbeteiligung

2.1 Haupttendenzen bei der Erwerbsbeteiligung

2.2 Die Erwerbsbeteiligung beeinflussende Schlüsselfaktoren

3. Strategische Erwägungen

3.1 Erarbeitung eines ganzheitlichen Ansatzes zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung

3.2 Prioritäre Aktionen

a) Eine gemeinsame Initiative von Regierung und Sozialpartnern, Arbeitnehmer länger im Arbeitsmarkt zu halten

b) Eine zielgerichtete Überprüfung der Steuer- und Sozialleistungssysteme

c) Ein vielgestaltiger Ansatz zur Behebung der geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Entlohnung und beim Zugang zum Arbeitsmarkt

d) Förderung der Erwerbsbeteiligung von Personen mit Betreuungsaufgaben

e) Überprüfung der Anstrengungen zur Senkung der Schulabbrecherquote

3.3 Weiteres Vorgehen

Der Europäische Rat von Stockholm ersuchte ,den Rat und die Kommission, gemeinsam rechtzeitig für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates im Jahre 2002 darüber Bericht zu erstatten, wie die Beschäftigungsquote angehoben und ein aktives Leben im Alter gefördert werden kann." Dieser Bericht ist die Antwort auf dieses Ersuchen.

Im Mittelpunkt dieses Berichts steht die Erwerbsbeteiligung im Zusammenhang mit demografischen Entwicklungen. Allerdings würden eine Tiefenanalyse und die Formulierung strategischer Antworten in einer Reihe von betroffenen Bereichen den Rahmen dieses Berichts sprengen. Diese Themen werden ausführlich in einigen anderen Dokumenten behandelt, die zum Gesamtpaket gehören, das für den Europäischen Rat von Barcelona im Frühjahr 2002 zu wirtschaftlichen und sozialen Fragen geschnürt wird.

Dies trifft auf die Renten und die dauerhafte Finanzierbarkeit von Rentensystemen zu, für die eine Zunahme der Erwerbsbeteiligung wichtig wäre, um einen tragbaren Altersabhängigkeitsquotienten zu gewährleisten. Ferner ist das auch bei den Gesundheitssystemen insbesondere dahingehend der Fall, dass sich das aktive Altern wesentlich auf die gesundheitliche Situation der älteren Bevölkerung und damit auf die sozialen Prioritäten sowie die dauerhafte Finanzierbarkeit von Gesundheitssystemen auswirkt.

Die jüngste Verschlechterung des makroökonomischen Szenarios könnte in gewisser Weise das schnelle Voranschreiten in Richtung auf die Erreichung der Ziele von Lissabon und Stockholm gefährden, sofern sich daraus eine Verschiebung von Reformen ergibt. Wichtig ist, dass die mittel- und längerfristige Strategie nicht durch kurzfristige Erwägungen durchkreuzt wird. Daher stellt das sofortige Handeln zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung einen wesentlichen Bestandteil jeglicher Bemühungen dar, die Veränderungen in den Griff zu bekommen und eine nachhaltigere wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu erreichen.

Darüber hinaus trägt das aktive Altern in erheblichem Maße zur Erreichung der Gesamtzielsetzung der Gemeinschaft gemäß Artikel 2 EG-Vertrag, d. h. zur Hebung der Lebensqualität, bei. Die in Stockholm unterstrichene Strategie von Lissabon befasst sich bereits mit dieser Dimension der Hebung des Lebensstandards und der Lebensqualität in politischer Hinsicht. Durch diesen Bericht in Verbindung mit den anderen Beiträgen zum Europäischen Rat von Barcelona dürften dieser Ansatz weiter verbessert und eindeutige Prioritäten festgelegt werden.

1. Die Notwendigkeit einer verstärkten Erwerbsbeteiligung

Auf den Tagungen des Europäischen Rates in Lissabon und Stockholm wurden ehrgeizige Ziele für die Erhöhung der Erwerbstätigenquoten in der Union bis 2010 gesetzt, und zwar auf fast 70 % für die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter insgesamt, auf über 60 % für Frauen und auf 50 % für ältere Arbeitnehmer. Zur Erreichung der Vorgaben von Lissabon und Stockholm ist eine Zunahme der Erwerbstätigen um insgesamt etwa 20 Millionen erforderlich (davon 11-12 Millionen Frauen und 5 Millionen ältere Arbeitnehmer). Dazu müsste eine beträchtliche Anzahl von nicht erwerbstätigen Personen ins Erwerbsleben eintreten.

Die Erreichung dieser Zielvorgaben hängt von einer Verbesserung der Funktionsweise der Kapital-, Produkt- und Arbeitsmärkte in Verbindung mit einer zu nachhaltigem Wachstum führenden makroökonomischen Stabilität ab, was für den sozialen Zusammenhalt und die Nachhaltigkeit bei den öffentlichen Finanzen vor allem im Hinblick auf Renten sowie die Gesundheitssysteme notwendig ist. Diese Vorgaben beziehen sich auf die Erwerbstätigen quote, doch während außer Zweifel steht, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Erhöhung der Beschäftigung und des Grades der Erwerbsbeteiligung besteht, darf auch der Abbau der Arbeitslosigkeit nicht vernachlässigt werden.

Es wird nicht leicht sein, die Erwerbsbeteiligung zu erhöhen, da dies einerseits von Veränderungen bei kulturellen und soziopsychologischen Faktoren, namentlich von der Einstellung zu älteren Erwerbstätigen, abhängt und andererseits wesentliche Veränderungen bei politischen Instrumenten erfordert, um das Verhalten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu verändern. Bei der Reformierung des Rechtsrahmens und der institutionellen Rahmenbedingungen müssen Regierungen und Sozialpartner zusammenarbeiten, um solche Veränderungen im Verhalten zu fördern. Eine bessere Erwerbsbeteiligung setzt ferner erhöhte Anstrengungen voraus, um Investitionen in die Humanressourcen zu erhöhen, wobei der Ausbildung der Erwerbsbevölkerung noch größere Beachtung geschenkt werden muss, wie dies auch in den beschäftigungspolitischen Leitlinien festgelegt ist.

Die in Angriff zu nehmenden politischen Maßnahmen müssen alle Altersgruppen der Erwerbsbevölkerung erfassen, vor allem auch deshalb, weil sich die Zusammensetzung der Erwerbsbevölkerung infolge des demografischen Alterns verändern wird. Allerdings werden sich die Schwerpunkte bei den verschiedenen Gruppen im Verlauf des Lebenszyklus unterscheiden. Daher wird in diesem Bericht ein vom Lebenszyklus ausgehender Ansatz für die Erwerbsbeteiligung - unterschiedlich für Männer und Frauen - gewählt, um die zugrunde liegenden Tendenzen zu ermitteln und damit besser die politischen Antworten formulieren zu können, mit denen auf diese Trends reagiert werden könnte. Besonders verwiesen wird dabei auf Personen, die konkrete Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt haben.

2. Trends und Determinanten der Erwerbsbeteiligung

Der Anhang [1] enthält eine Analyse der jüngsten Trends und Determinanten der Erwerbsbeteiligung. Nachstehend werden die wichtigsten Schlussfolgerungen zusammengefasst.

[1] Beruht im Wesentlichen auf Angaben in der Arbeitskräfteerhebung und dem Haushaltspanel der Europäischen Gemeinschaft.

2.1 Haupttendenzen bei der Erwerbsbeteiligung

Im Laufe der vergangenen 30 Jahre hat sich das Muster der Erwerbsbeteiligung erheblich verändert. Seit den 70er-Jahren hat die Erwerbstätigkeit der Frauen im Alter zwischen 25 und 60 Jahren stark zugenommen, während die Erwerbstätigkeit der Männer aller Altersgruppen rückläufig war. Seit Mitte der 80er-Jahre ist die Gesamterwerbsbeteiligung von etwas unter 66 % auf 69 % im Jahre 2000 gestiegen, doch verschleiert dieses Gesamtbild äußerst unterschiedliche Tendenzen nach Alter und Geschlecht sowie die unterschiedliche Lage in den einzelnen Mitgliedstaaten und Regionen.

Jugendliche (15-24)

Seit Mitte der 90er-Jahre ist die Erwerbsbeteiligung der Jugendlichen im Steigen begriffen, worin einerseits der wirtschaftliche Aufschwung zum Ausdruck kommt, andererseits jedoch auch eine Verhaltensänderung, da mehr Jugendliche in das Erwerbsleben eintreten, ohne dabei zwangsläufig den Bildungsbereich zu verlassen. Ein Großteil der jetzt erwerbstätigen Jugendlichen verbindet Teilzeitarbeit mit irgendeiner Form der allgemeinen oder beruflichen Bildung, was bei vielen aber dennoch nicht der Fall ist (8 % der 15- bis 19-Jährigen und mehr als 40 % der 20- bis 24-Jährigen sind nur erwerbstätig). Die geschlechtsspezifischen Unterschiede sind in diesen beiden Altersgruppen relativ gering (5 bzw. 10 Prozentpunkte).

Haupterwerbsalter (25-49)

Es haben sich speziell in dieser Altersgruppe in den letzten 30 Jahren die Muster der Erwerbsbeteiligung am stärksten verändert, bei einer leicht rückläufigen Erwerbstätigkeit der Männer und einer starken Zunahme bei den Frauen von unter 40 % auf über 70 % in dieser Altersgruppe insgesamt. Es sind Spitzenwerte der Erwerbsbeteiligung in dieser Altersgruppe und Unterschiede zwischen Männern und Frauen sowie zwischen hoch qualifizierten und gering qualifizierten Arbeitnehmern festzustellen. Diese Entwicklungen können sich auf spätere Tendenzen bei der Erwerbsbeteiligung auswirken.

Die Erwerbsbeteiligung von Frauen hat in den letzten drei Jahrzehnten ständig zugenommen, so dass sie gegenwärtig der von Männern gleicht. Allerdings zeigt sich ein erheblicher geschlechtsspezifischer Unterschied ab dem 25. Lebensjahr selbst bei Frauen, die keine Kinder haben. Die Erwerbsquoten für Frauen mit Kindern variieren je nach Alter der Kinder, mit Unterschieden von 6-7 Prozentpunkten auf EU-Ebene zwischen den Erwerbsquoten von Frauen ohne Kinder (72 %), mit schulpflichtigen Kindern (65 %) und mit Kindern im Vorschulalter (59 %). Diese Kluft hat sich in den 90er-Jahren etwas verringert. Ein weiterer Sonderfall ist die Situation allein erziehender Eltern, bei denen im Allgemeinen eine höhere Erwerbsbeteiligung als bei anderen Frauen zu verzeichnen ist, außer in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich. In diesen beiden Ländern sind die Kinderbetreuungseinrichtungen unter EU-Durchschnitt.

Die Teilnahme von hoch qualifizierten Arbeitnehmern an einer Ausbildung liegt wesentlich über der von Geringqualifizierten, deren Erwerbsbeteiligung schneller abnimmt. 68 % der Hochqualifizierten sind in Unternehmen beschäftigt, die selbst Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen anbieten, gegenüber nur 34 % bei den Geringqualifizierten. 40 % der hoch qualifizierten Arbeitnehmer und 17 % der gering qualifizierten nehmen Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen in Anspruch.

Ältere Altersgruppen (50-65)

Im Verlauf der letzten dreißig Jahre sind die Erwerbs- und Erwerbstätigenquoten älterer Arbeitnehmer ständig zurückgegangen.

Ab einem Alter von 50 Jahren beginnt die Erwerbsquote von Männern, insbesondere bei den eine geringe Qualifikation erfordernden manuellen Tätigkeiten, schnell abzunehmen, in den 70er-Jahren betraf dies erst Männer über 60 Jahre. Die Quoten für Frauen gehen früher zurück (etwa im Alter von 45 Jahren), jedoch in einem geringeren Tempo, und die Erwerbsquote für Frauen zwischen 50 und 60 Jahren liegt immer noch über der im Jahr 1970. Dieser Rückgang der Erwerbsbeteiligung ist zum Teil auf den unfreiwilligen Vorruhestand zurückzuführen, der mit der wirtschaftlichen Umstrukturierung einhergeht, und zum Teil auf die Auswirkungen der Vorruhestandsregelungen. Die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen verringert sich bei über 50-jährigen Arbeitnehmern erheblich, wobei die Geringqualifizierten in sehr geringem Maße vertreten sind. Zwar arbeitet fast die Hälfte der älteren Arbeitnehmer eigentlich in Ausbildungsbetrieben, doch nehmen weniger als 15 % von ihnen an - betrieblichen oder privaten - Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen teil; gerade einmal 7 % der gering qualifizierten älteren Arbeitnehmer, gegenüber mehr als einem Viertel der hoch qualifizierten, besuchen Aus- oder Weiterbildungskurse.

Qualifikation und Erwerbsbeteiligung

Je höher die Qualifikation, desto höher ist auch die Erwerbsquote in allen Altersgruppen. Das trifft auf Frauen stärker zu als auf Männer, wobei selbst hoch qualifizierte Frauen niedrigere Erwerbsquoten aufweisen als Männer mit dem gleichen Bildungsniveau. Allerdings bestehen zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten Unterschiede, so dass die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei den Hochqualifizierten in den nordischen Ländern und in Portugal wesentlich geringer ausfallen als in den meisten südlichen Mitgliedstaaten.

Personen mit speziellen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt

Vielfach besteht die Meinung, das bestimmte sozioökonomische Faktoren mit einer deutlich geringeren Erwerbsbeteiligung einhergehen.

Recht unterschiedlich ist die Erwerbsbeteiligung von Arbeitnehmern, die aus Nicht-EU-Staaten zugewandert sind. Die Gesamterwerbsquote von Drittausländern liegt bei ungefähr 61 % im Vergleich zu etwa 72 % bei EU-Staatsbürgern. Die größten Unterschiede sind an den jeweiligen Enden des Beschäftigungs-/Qualifikationsspektrums zu verzeichnen. Die Erwerbsquoten sind unter EU-Staatsbürgern bei den hoch qualifizierten Arbeitnehmern, die keine manuellen Tätigkeiten verrichten, viel höher, während sie bei den zugewanderten Arbeitnehmern für ungelernte, manuell tätige Arbeitnehmer höher liegen. Aufgrund der Schwierigkeiten, in den Arbeitsmarkt einzusteigen und dort Fuß zu fassen, sind Behinderte gewöhnlich eher nicht erwerbstätig als Personen ohne Behinderungen. Zwei Drittel der Personen mit einer Behinderung sind nicht erwerbstätig. Selbst etwa die Hälfte derjenigen, die durch ihre Behinderung in ihren täglichen Verrichtungen nicht beeinträchtigt sind, zählen zu den Nichterwerbspersonen.

Regionale Unterschiede

Die regionalen Erwerbsquoten und Erwerbstätigenquoten stehen in einem positiven Zusammenhang. So weisen Regionen mit einer guten Wirtschafts- und Beschäftigungsleistung auch höhere Erwerbsquoten insbesondere bei Jugendlichen und älteren Arbeitnehmern auf. In Regionen mit Entwicklungsrückstand hängen die Verbesserung der Beschäftigungsleistung und das Wirtschaftswachstum in starkem Maße davon ab, wie gut sie in der Lage sind, ihre potenziellen Arbeitskräfteressourcen maximal zu nutzen, in die allgemeine und berufliche Bildung der derzeitigen Erwerbsbevölkerung zu investieren sowie davon, wie es ihnen gelingt, neues Humankapital zu gewinnen.

2.2 Die Erwerbsbeteiligung beeinflussende Schlüsselfaktoren [2]

[2] Analyse beruht auf Angaben in der Arbeitskräfteerhebung und dem Haushaltspanel der Europäischen Gemeinschaft.

In der EU insgesamt besteht ein beachtliches potenzielles Arbeitskräfteangebot. Ungefähr ein Sechstel der gegenwärtig 77 Millionen Nichterwerbstätigen würde zurzeit gern arbeiten. Außerdem haben 56 % der Männer und 49 % der Frauen, die derzeit keiner bezahlten Arbeit nachgehen, den Wunsch, innerhalb der nächsten fünf Jahre eine Arbeit aufzunehmen, und nur ein Drittel von ihnen hat nicht die Absicht, in Zukunft berufstätig zu sein.

Die Hauptgründe, nicht erwerbstätig zu sein, sind persönliche oder familiäre Pflichten (fast 20 % der Nichterwerbstätigen insgesamt), eigene Krankheit oder Behinderung (9 %), allgemeine oder berufliche Bildungsmaßnahmen (27 %, fast 90 % der 15- bis 24-Jährigen) und Ruhestand (16 %, ca. 90 % der 55- bis 64-Jährigen).

Es gibt bei den Gründen große geschlechtsspezifische Unterschiede. Die Männer sind vor allem deshalb nicht erwerbstätig, weil sie an Bildungsmaßnahmen teilnehmen oder im Ruhestand sind, während fast die Hälfte der Frauen zwischen 25 und 54 Jahren aus familiären Gründen oder wegen Betreuungsaufgaben nicht arbeitet. Eigene Krankheit oder Behinderung sind der wichtigste Grund der Nichterwerbstätigkeit bei Männern im Alter von 25 bis 54 Jahren und der zweitwichtigste Grund bei den Frauen derselben Altersgruppe. Es wurden vier Hauptdeterminanten der Erwerbsbeteiligung ermittelt. Zwar wirkt sich jede auf eigene Weise aus, doch besteht zwischen ihnen ein enger Zusammenhang.

Verfügbarkeit und Attraktivität der Arbeit

Zwei Faktoren wirken sich auf die Verfügbarkeit von Arbeitsplätzen aus. Zu jedem Zeitpunkt beeinflusst die makroökonomische Situation die Nachfrage nach Arbeitskräften in einer Volkswirtschaft. Andererseits bestimmen die der Beschäftigungsstruktur und der Funktionsweise des Arbeitsmarktes zugrunde liegenden Tendenzen, einschließlich Löhnen, den Umfang, in dem Arbeitsplätze angeboten werden. Des Weiteren kann es regionale Unterschiede beim Arbeitskräftebedarf geben, die die Struktur und Konzentration der Wirtschaftsaktivitäten in den Regionen widerspiegeln.

Die Tatsache, dass geeignete Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, ist der wichtigste Faktor, der Menschen dazu bewegt, in den Arbeitsmarkt erstmals oder wieder einzutreten. Die Nachfrage nach Arbeitskräften führt zum Angebot, das dann wiederum eine weitere Nachfrage auslöst. Andererseits kann die Annahme, dass keine Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, Menschen dazu veranlassen, nicht einmal nach Arbeit zu suchen und ,entmutigt" zu werden. In welchem Maße darauf reagiert wird, hängt von der Qualität dieser Arbeitsplätze im Hinblick auf Bezahlung und Produktivität, Arbeitsbedingungen und Sicherheit am Arbeitsplatz insbesondere für ältere Arbeitnehmer, Arbeitszeit und Flexibilität, der Möglichkeit, Arbeit und Familie miteinander in Einklang zu bringen, sowie Sicherheit der Vertragsverhältnisse ab.

Die Ausgewogenheit der finanziellen Anreize

Die Teilnahme am Arbeitsmarkt wird von der Ausgewogenheit zwischen Erwerbseinkommen und den vorhandenen Alternativen sowie eventuellen damit verbundenen Kosten bestimmt. Ausschlaggebend für den Umfang der Arbeitslosigkeit und die Armutsfallen ist die Wechselwirkung zwischen Steuer- und Sozialleistungssystemen und Lohnniveau. Die tatsächlichen Auswirkungen auf das Arbeitskräfteangebot hängen davon ab, wie die Wirtschaftsakteure auf veränderte Anreize jeweils reagieren. Ein hohes Arbeitslosengeld und andere einschlägige Sozialleistungen können in Verbindung mit einer langen Dauer der Zahlungen und einer liberalen Handhabung der Anspruchsvoraussetzungen Anreize für die Aufnahme einer Arbeit untergraben und das Risiko einer langfristigen Abhängigkeit von Sozialleistungen erhöhen. Andererseits kann der Zugang zu beschäftigungsbezogenen Sozialversicherungssystemen, insbesondere zur Arbeitslosenversicherung, sehr wohl einen Anreiz für die Aufnahme einer offiziellen Arbeit (oder die Umwandlung von inoffiziellen Beschäftigungsverhältnissen in offizielle Beschäftigungsverhältnisse) darstellen. Außerdem bedeutet die Arbeitslosenversicherung für die Anspruchsberechtigten eine viel stärkere Bindung an den Arbeitsmarkt als andere Sozialleistungsprogramme, insbesondere wenn die vorausgesetzte Bereitschaft zur Aufnahme einer Arbeit ernst genommen und die Arbeitsuche gefördert wird.

Einige Gruppen scheinen eher auf Änderungen der Steuern und der Sozialleistungen anzusprechen als andere. Beispielsweise scheint das Arbeitskräfteangebot bei Männern im Haupterwerbsalter oder bei jenen, die Aussicht auf höhere Löhne in der Zukunft haben, am wenigsten von veränderten Anreizen im Bereich der Steuer-/Sozialleistungssysteme beeinflusst zu werden. Im Gegenteil, es wird allgemein festgestellt, dass Ehepaare, bei denen ein Partner (normalerweise die Frau) nicht arbeitet, und Alleinerziehende, was die Erwerbsbeteiligung angeht, am stärksten auf Anreize reagieren. Steuerliche Nachteile wirken sich auf die Erwerbsentscheidung von Frauen aus, insbesondere in Verbindung mit Betreuungsaufgaben und in Anbetracht der fortbestehenden Unterschiede bei der Bezahlung von Männern und Frauen, was ein niedrigeres Einkommen erwarten lassen kann.

Allgemeine und berufliche Bildung

Fähigkeiten und Kompetenzen bestimmen nicht nur, inwieweit diejenigen, die in den Arbeitsmarkt einsteigen oder dahin zurückkehren, die angebotenen Arbeitsplätze besetzen oder eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen können, sondern - und das ist wesentlich wichtiger - inwieweit diejenigen, die bereits einer Erwerbstätigkeit nachgehen, ihren Arbeitsplatz in einem sich verändernden technologischen und wirtschaftlichen Umfeld behalten können und Aufstiegschancen haben.

Bei der besser ausgebildeten Erwerbsbevölkerung liegen die Erwerbsquoten in allen Altersgruppen bedeutend höher. Auf EU-Ebene betrug die Erwerbsquote im Jahr 2000 für die Hochqualifizierten 87 %, gegenüber 57 % für die Geringqualifizierten. Bei den Frauen sind die Unterschiede größer: gering qualifizierte Frauen sind die einzige Bevölkerungsgruppe, in der mehr als die Hälfte nicht erwerbstätig ist.

Der Anteil der Jugendlichen mit abgeschlossener Hochschulbildung (d. h. der hoch qualifizierten Jugendlichen) hat im Laufe der Zeit zugenommen. Die Zahl der erwerbstätigen Jugendlichen, die als gering qualifiziert eingestuft werden (d. h. die keinen Abschluss der Sekundarstufe II haben) scheint zurückzugehen, ist aber dennoch erheblich.

Voraussichtliche Qualifikationstrends beim Arbeitskräftebedarf, die aus Arbeitgebererhebungen deutlich werden, zeigen ganz klar, dass die Beschäftigung qualifizierter Arbeitnehmer weiterhin zunehmen wird, während die Beschäftigung ungelernter Arbeiter abnimmt; die Beschäftigungszuwächse werden auch in Zukunft im Dienstleistungssektor und höchstwahrscheinlich in den wissensintensiven Sektoren am größten sein, wo ein breites Spektrum an Fähigkeiten verlangt wird, wie IKT-Kenntnisse, Kommunikationsfähigkeiten usw.

Ein begünstigendes Umfeld

Für viele hängt die Entscheidung über die Teilnahme am Arbeitsleben möglicherweise nicht von der Bewertung der beschriebenen Faktoren ab, die in erster Linie für die Attraktivität des Arbeitsplatzes ausschlaggebend sind, sondern von solchen Faktoren wie Verfügbarkeit von und Zugang zu Tagesbetreuungseinrichtungen, Verkehrsverbindungen und Beratungsdiensten oder steht mit dem kulturellen Umfeld im Zusammenhang.

Die Verfügbarkeit von Betreuungseinrichtungen und der Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln ist auch dafür ausschlaggebend, ob Bibliotheken und Erwachsenenbildungseinrichtungen jedem offenstehen, der sie zur Verbesserung seines Arbeitsmarktstatus benötigt. Ein Großteil dessen gehört in den Bereich öffentlicher Maßnahmen oder Vorschriften und eignet sich daher für politische Aktionen - jedoch sind nicht viele Mitgliedstaaten in diesen Bereichen aktiv geworden.

Öffentliche Arbeitsverwaltungen

Ein wichtiger Faktor sind die öffentlichen Arbeitsverwaltungen: Die Bereitstellung von Informationen über vorhandene Arbeitsplätze sowie Möglichkeiten im Bereich der Abstimmung von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt und Unterstützung bei der Mobilität können die Arbeitsmarktaktivitäten in erheblichem Umfang fördern.

Kinder- und Seniorenbetreuung

Die Betreuung von Familienmitgliedern - Kindern bzw. Eltern - stellt vor allem für viele Frauen ein großes Hindernis für eine Erwerbstätigkeit dar, wenn es keine Alternativen gibt. Die von den Mitgliedstaaten ergriffenen Initiativen sind etwas uneinheitlich und bestehen aus isolierten Maßnahmen, die sich in Verbindung mit ungenügendem Zugang bisher noch nicht sichtbar auf die Erwerbsbeteiligung der Frauen ausgewirkt haben; sie unterstreichen die Notwendigkeit weiterer Investitionen in die Kinderbetreuung.

Das Angebot an Unterstützungsdienstleistungen hat in der Tat einen doppelten Effekt für die Erwerbsbeteiligung. Es wird nicht nur jenen, die diese Dienste in Anspruch nehmen, der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert, sie sind vielmehr selbst eine wichtige Quelle neuer Arbeitsplätze. Seit 1995 sind im Gesundheits- und Sozialbereich netto mehr als 2 Millionen Arbeitsplätze geschaffen worden.

Unterstützung der Mobilität

Der Einstieg oder Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt kann oftmals nicht erfolgen, weil es einfach nicht möglich ist, einen örtlichen Arbeitsmarkt zu erreichen. So sind eventuell die Verkehrssysteme in ländlichen Gebieten nicht an die Arbeitsroutine angepasst und andere Alternativen vielleicht nicht vorhanden. Beschäftigungsstandorte mit gut erreichbaren und bezahlbaren Verkehrsmitteln oder die Entwicklung von alternativen Geschäftsmöglichkeiten, einschließlich Telearbeit mit elektronischen Hilfsmitteln, können erheblich dazu beitragen, die Erwerbsbeteiligung zu erhöhen.

3. Strategische Erwägungen

Die Erreichung der Lissabonner und Stockholmer Beschäftigungsziele erfordert entschlossene Anstrengungen in allen Mitgliedstaaten, wenn auch in unterschiedlichem Umfang. In der vorstehenden Analyse wurden die wichtigsten Herausforderungen und die Hauptfaktoren dargelegt, die sich auf die Teilnahme am Arbeitsmarkt auswirken. Der zu verwendende Policymix sollte die gegenseitige Abhängigkeit dieser Faktoren in umfassender und ausgewogener Art und Weise zum Ausdruck bringen.

Die im Rahmen der in Luxemburg und Lissabon festgelegten Strategie erreichten Fortschritte bilden die Ausgangsbasis für die Mitgliedstaaten zur Verfolgung von Politiken, die eine Erwerbsbeteiligung fördern und die Beschäftigungsfähigkeit der Erwerbsbevölkerung verbessern. Mit ihrem Präventions- und Aktivierungsansatz fördert eine solche Strategie die Beschäftigungsfähigkeit und effektive Integration in den Arbeitsmarkt. Andererseits schafft diese Strategie die Bedingungen für die Anpassung an den Strukturwandel, indem sie ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt herstellt.

Ein Konjunkturabschwung sollte dazu genutzt werden, die Arbeitnehmer auf den nächsten Aufschwung vorzubereiten. Entmutigende Aktivitäten, insbesondere die Anwendung von Vorruhestandsregelungen, müssen vermieden werden; solche Maßnahmen, mit denen Kurzzeitprobleme bekämpft werden sollen, die sich aus einer unzureichenden Gesamtnachfrage ergeben, sind gewöhnlich schwer wieder rückgängig zu machen, wenn sich die konjunkturellen Bedingungen verbessern.

Das Gesamtziel muss in Folgendem bestehen:

Sicherstellung, dass gegenwärtige und zukünftige Generationen mit zunehmendem Alter erwerbstätig bleiben,

dauerhafte Gewinnung eines wesentlichen Teils der gegenwärtigen Nichterwerbspersonen, die jedoch in der Lage sind zu arbeiten, für den Arbeitsmarkt;

Beibehaltung der Erwerbsbeteiligung der heutigen älteren Arbeitnehmer, da bei den über 50-Jährigen die Gefahr besteht, in den Vorruhestand zu treten.

Die derzeitigen beschäftigungspolitischen Leitlinien und die Grundzüge der Wirtschaftspolitik enthalten eine Reihe von Bestimmungen, die für dieses Ziel von unmittelbarer Bedeutung sind, sei es im Hinblick auf das lebenslange Lernen, auf aktive Maßnahmen, die Steuer-/Leistungssysteme, auf aktives Altern, die Qualität der Arbeit oder Chancengleichheit. Wie jedoch im Gemeinsamen Beschäftigungsbericht 2001 erkannt wird, verfolgen die meisten Mitgliedstaaten diesbezüglich einen unsystematischen Ansatz und fehlt es ihnen an einer umfassenden Strategie, mit der sich die Herausforderung, die Erwerbsbeteiligung zu erhöhen, bewältigen ließe. Außerdem haben nur sehr wenige nationale Ziele festgelegt, um die beschäftigungspolitischen Ziele der EU von Lissabon und Stockholm zu erfuellen, die in engem Zusammenhang mit der Erwerbsbeteiligung stehen.

Kommission und Rat ersuchen daher jeden Mitgliedstaat in Abhängigkeit von den jeweiligen Bedingungen seine eigenen Beschäftigungsziele, durch die die Vorgaben von Lissabon in konkrete Verpflichtungen umgewandelt werden, sowie eine geeignete Strategie zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung festzulegen, um diese Ziele zu erreichen, und zwar in Übereinstimmung mit den unter nachstehendem Punkt 3.1 dargelegten Grundsätzen.

Im Rahmen eines solchen Ansatzes sollte einigen Schlüsselinitiativen sofort Vorrang eingeräumt werden, siehe weiter unten unter Punkt 3.2.

3.1 Erarbeitung eines ganzheitlichen Ansatzes zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung

In Abhängigkeit von den konkreten Bedingungen ist es Aufgabe der Mitgliedstaaten, die Maßnahmen festzulegen, die am besten geeignet sind, um eine Steigerung der Erwerbsbeteiligung zu erreichen. Allerdings ist es notwendig, dass diese Maßnahmen Bestandteil eines ganzheitlichen, dynamischen und ausgewogenen Ansatzes sind, bei dem alle genannten Hauptfaktoren berücksichtigt werden. Ein solcher Ansatz sollte die Erwerbsbeteiligung während eines ganzen Lebenszyklus berücksichtigen. Er müsste vier Ziele thematisieren: für mehr Arbeitsplätze und eine bessere Qualität der Arbeit zu sorgen; dafür zu sorgen, dass Arbeit sich lohnt; für höhere und anpassungsfähige Qualifikationen am Arbeitsplatz zu sorgen, und dafür zu sorgen, dass Arbeit eine echte Option für alle darstellt. Dieser Ansatz würde letztlich durch Partnerschaften umgesetzt werden.

Ein dynamischer, auf dem Lebenszyklus basierender Ansatz

Das Ziel einer ganzheitlichen Strategie sollte darin bestehen, die Fähigkeit jedes Einzelnen zu maximieren, während seines ganzen Lebenszyklus erwerbstätig zu sein. Der Schlüssel, um Menschen erfolgreich in den Arbeitsmarkt zu integrieren und diese auch dort zu halten, ist die Prävention. Das Ziel besteht darin, eine positive Wechselwirkung zwischen Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik zu sichern, um ein langes zukunftsfähiges Arbeitsleben zu fördern, in dem alle Humanressourcen der Gesellschaft voll genutzt werden.

Daher wirkt sich das erreichte grundlegende Bildungsniveau langfristig wesentlich auf die Erwerbsbeteiligung aus. Je gebildeter die Erwerbsbevölkerung ist, desto höher sind die Erwerbsquoten in allen Altersgruppen.

Durch die Verhinderung des Abbaus der Fertigkeiten im Laufe des Arbeitslebens des Erwachsenen erhöhen sich die Chancen, dass Menschen länger erwerbstätig bleiben. Aus hohen Erwerbstätigen- und Erwerbsquoten innerhalb der Gruppe im Haupterwerbsalter könnten sich bis zu einem Jahrzehnt später entscheidend höhere Erwerbstätigenquoten bei älteren Arbeitnehmern entwickeln, wenn ein dynamischer Ansatz gewählt wird, um diese Arbeitnehmer durch bessere Arbeitszeitregelungen und eine höhere Qualität der Arbeit länger im Arbeitsmarkt zu halten.

Außerdem verhindern geeignete Anreize und Leistungen in entscheidenden Lebensphasen wie beispielsweise die Bereitstellung von Kinderbetreuungseinrichtungen für Eltern und eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Familie das vorzeitige Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt.

Im Rahmen eines solchen dynamischen Ansatzes ist eine Abnahme der Erwerbsbeteiligung an bestimmten Punkten des Lebens - junge Menschen, die ein Studium aufnehmen, Erwachsene, die sich für eine Arbeitszeitverkürzung entscheiden - gegen den Vorteil einer höheren Erwerbsbeteiligung während des gesamten Lebens abzuwägen. Während es notwendig ist, junge Menschen, sowohl Männer als auch Frauen, für den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu gewinnen, sollten Jugendliche durch politische Maßnahmen ermutigt werden, eine allgemeine/berufliche Bildung aufzunehmen, vor allem diejenigen, die aus dem Bildungssystem vorzeitig ausscheiden und Gefahr laufen, arbeitslos bzw. nicht erwerbstätig zu werden.

Mehr Arbeitsplätze und eine höhere Qualität in der Arbeit

Das Bestehen einer Nachfrage nach Arbeitskräften wirkt sich unmittelbar auf die Entscheidung aus, in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Eine solche Nachfrage hängt von einer Kombination der allgemeinen makroökonomischen Lage und dem ihr zugrunde liegenden Funktionieren des Arbeitsmarktes sowie von der Förderung eines Umfelds ab, das sich positiv auf die Gründung von Unternehmen und die Selbständigkeit auswirkt.

Die Qualität der angebotenen Arbeitsplätze beeinflusst den Einstieg in den Arbeitsmarkt, jedoch stärker noch die Entscheidung über einen Verbleib an einem Arbeitsplatz oder im Erwerbsleben.

Zur Attraktivität eines Arbeitsplatzes insgesamt gehören mehrere Aspekte: Zufriedenheit mit dem Verdienst und den Arbeitsbedingungen; Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (staatliche Behörden und Arbeitgeber müssen die Risikofaktoren im Zusammenhang mit einer immer älter werdenden Erwerbsbevölkerung einschätzen und kontrollieren); Ausgewogenheit zwischen Flexibilität und Sicherheit der Vertragsverhältnisse (hohe Raten der freiwilligen Teilzeitbeschäftigung gehen einher mit höheren Erwerbsquoten bei Frauen und älteren Arbeitnehmern; umgekehrt besteht ein Zusammenhang zwischen unfreiwilliger Teilzeitbeschäftigung und befristeten Arbeitsverträgen und höheren Ausscheidungsquoten, die entweder zu Arbeitslosigkeit (15 %) oder Nichterwerbstätigkeit (10 %) führen); Produktivitätssteigerungen; flexible Arbeitsorganisation und Arbeitszeitregelungen, die Zugang und Wahl namentlich von Frauen und älteren Arbeitnehmern verbessern.

Entsprechende Vorkehrungen am Arbeitsplatz sind ausschlaggebend dafür, dass Arbeitnehmer mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt einsteigen oder dort bleiben.

Arbeitsmarktpolitiken sind so zu gestalten, dass sie nicht nur die Stabilität von anständigen und guten Arbeitsplätzen sichern, sondern auch benachteiligten Personen, die mit Arbeiten geringer Qualität beschäftigt sind, dabei helfen, einen besseren Arbeitsplatz zu finden. Beschränkungen, die den Einstieg in den Arbeitsmarkt überhaupt verhindern, sollten vermieden werden.

Arbeit muss sich lohnen

Die Wahl, ob man am Erwerbsleben teilnimmt oder nicht, hängt von den jeweiligen finanziellen Umständen und den zur Verfügung stehenden Alternativen ab. Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit wird anderen Einkommensquellen und etwaigen Kosten gegenübergestellt. Die unterschiedlichen Auswirkungen der Steuer- und Sozialleistungssysteme sowie der Lohnsysteme sind im Hinblick auf die Entscheidung von Männern und Frauen über eine Arbeitsaufnahme oder einen Verbleib am Arbeitsmarkt hin zu überprüfen, besonders in Situationen, in denen das Familieneinkommen einer Bedürftigkeitsprüfung unterzogen wird. Es sollte verstärkt auf Folgendes geachtet werden: die allgemeine Anspruchsberechtigung, einschließlich Höhe und Dauer, die Bedingungen für den Erhalt der Leistung und die Voraussetzungen hinsichtlich der Verfügbarkeit von Arbeitsplätzen.

Um zu gewährleisten, dass sich Arbeit lohnt, ist eine Untersuchung des Zusammenwirkens von Lohnniveau, insbesondere am unteren Ende der Lohnskala, und den Anreizen und Hemmnissen, die das Steuer- und Sozialleistungssystem enthält, erforderlich. Das Verhältnis zwischen Mindestlohn, Sozialleistungen und Besteuerung der Arbeit wirkt sich auf die Entscheidung vieler Arbeitnehmer mit geringer Qualifikation aus, sich am Arbeitsmarkt zu beteiligen.

Durch ein beschäftigungsfreundlicheres Herangehen an die Steuer- und Sozialleistungssysteme (Steuern, Arbeitslosengeld, Erwerbsminderungsrente, Betreuungsgeld und Renten) ist zu sichern, dass Reformen die Lage derjenigen, die sich an der untersten Grenze der Einkommensskala oder an der Armutsgrenze befinden, nicht noch verschlechtern. Die Verknüpfung von Sozialleistungen und Arbeitsplatzsuche leistet einen wichtigen Beitrag zur Einkommenssicherheit und Attraktivität der Arbeit, während der Übergang von passiven zu zielgerichteten aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen notwendig ist, um die Chancen der Arbeitslosen und Nichterwerbspersonen zu verbessern.

Widersprüchliche Steuer- und Sozialleistungspolitiken etwa der Art, dass ältere Arbeitnehmer durch staatliche Maßnahmen ermutigt werden, ihre Tätigkeit fortzusetzen, und Unternehmen Arbeitnehmer darin bestärken, in den Vorruhestand zu gehen, müssen unbedingt beseitigt werden, um Einheitlichkeit mit langfristiger Fairness und Nachhaltigkeit der staatlichen Finanzen im Zusammenhang mit den Renten zu gewährleisten.

Bessere und anpassungsfähige Fertigkeiten am Arbeitsplatz

Eine gute Ausgewogenheit zwischen den vorhandenen Arbeitsplätzen und den Fertigkeiten und Kompetenzen der Bevölkerung muss unbedingt gewährleistet sein, wenn eine maximale Erwerbsbeteiligung in allen Stadien des Arbeitslebens erreicht werden soll.

Die kontinuierliche Aktualisierung ihrer Fertigkeiten während des Arbeitslebens, damit sie auf die sich verändernden Anforderungen des Arbeitsmarktes reagieren können, spielt eine maßgebliche Rolle, wenn ältere Arbeitnehmer länger am Arbeitsmarkt gehalten werden sollen. Verstärkt muss ferner darauf geachtet werden, dass Personen, die einer größeren Gefahr ausgesetzt sind, frühzeitig aus dem Arbeitsmarkt auszuscheiden, wie gering qualifizierte Arbeitnehmer und Frauen, Zugang zu Ausbildung erhalten. Staatliche Behörden und Unternehmen müssen mehr in die Ausbildung dieser Arbeitnehmer investieren.

Der Zugang zu entsprechender Ausbildung für Arbeitslose sowie Nichterwerbspersonen (z. B. Wiedereinsteigerinnen) ist durch Intensivierung der aktiven Arbeitsmarktpolitiken zu fördern, die auf die Bedürfnisse des Einzelnen und der Arbeitgeber ausgerichtet sind.

Arbeit muss zu einer echten Option für alle werden

Die Verfügbarkeit und Attraktivität von Arbeitsplätzen allein genügt möglicherweise nicht, um Arbeit zu einer echten Option für alle werden zu lassen. So müssen eine Reihe von anderen wichtigen Bedingungen erfuellt sein, um ein begünstigendes Umfeld für alle zu schaffen. Dazu gehört das Vorhandensein moderner und effizienter staatlicher Arbeitsverwaltungen sowie die Stärkung ihrer Rolle bei der Information über Arbeitsplätze und der Suche nach einer passenden Tätigkeit sowohl für Nichterwerbspersonen als auch für Arbeitslose, die Anpassung der Methoden und Verfahren an die Bedürfnisse und Bedingungen von Frauen, älteren Menschen und benachteiligten Personen. Besondere Beachtung verdienen die Bedürfnisse von Personen mit Behinderungen und Zuwanderern mit konkreten Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche und beim Zugang zum Arbeitsmarkt.

Erwerbstätige Eltern und insbesondere Alleinerziehende sehen sich mit der Aufgabe konfrontiert, qualitativ gute, sichere und bezahlbare Tagesbetreuungseinrichtungen für ihre Kinder zu finden. Ebenso besteht ein Bedarf an Betreuungsdiensten für andere Familienangehörige.

Der Weg zur und von der Arbeit ist für viele ein großes Problem, wenn es um die Annahme eines angebotenen Arbeitsplatzes geht. Die Bereitstellung von geeigneten, bezahlbaren Verkehrsmöglichkeiten für Geringverdiener und benachteiligte Gruppen würde sich auch positiv auf die Erwerbsbeteiligung auswirken.

Ein partnerschaftlicher Ansatz

Staatliche Behörden tragen eine wesentliche Verantwortung für die Erarbeitung und Durchsetzung eines ganzheitlichen Ansatzes für die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung. Allerdings kann ihnen das nur mit Unterstützung einer Vielzahl von Partnern gelingen.

Das aktive Engagement der Sozialpartner ist ein wesentliches Element für den Erfolg des vorgeschlagenen politischen Gesamtansatzes. Ihre Aufgabe ist es - natürlich bei voller Achtung ihrer Autonomie - Arbeitsbedingungen entsprechend dem konkreten Kontext auszuhandeln, um ältere Arbeitnehmer zum Wohl von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie von Wirtschaft und Gesellschaft als Ganzes länger im Arbeitsmarkt zu halten.

Ausgehend von der sozialen Verantwortung des Unternehmens müssen Arbeitgeber einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie beispielsweise Initiativen auf den Weg bringen, die auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtet sind wie Umfeld und Qualität der Arbeit, und indem sie vor allem Bedingungen schaffen, die es älteren Arbeitnehmern ermöglichen, länger im Arbeitsleben zu bleiben.

In den einzelnen institutionellen Bereichen sollten die regionalen und lokalen Behörden Verantwortung dahingehend übernehmen, die Übereinstimmung von Politiken auf regionaler und nationaler Ebene zu gewährleisten.

Anbieter von allgemeiner und beruflicher Bildung müssen die Ausbildungsanforderungen von Unternehmen unterstützen, indem sie eine maßgeschneiderte Ausbildung am Arbeitsplatz für alle Arbeitnehmer (Männer, Frauen, Ältere, Geringqualifizierte, Zuwanderer, Behinderte) anbieten. Sie sollten ihre Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern und den staatlichen Behörden auf nationaler, regionaler bzw. lokaler Ebene erweitern und eine Ausbildung für Arbeitslose und Nichterwerbspersonen anbieten.

3.2 Prioritäre Aktionen

Im Rahmen des vorstehend aufgezeigten ganzheitlichen Ansatzes muss den folgenden Initiativen Vorrang eingeräumt werden, um den in vielen Mitgliedstaaten beobachteten ernsten Defiziten zu begegnen.

a) Eine gemeinsame Initiative von Regierung und Sozialpartnern, Arbeitnehmer länger im Arbeitsmarkt zu halten

Im Mittelpunkt einer solchen Initiative müsste Folgendes stehen:

Zugang zu betrieblicher Ausbildung: Arbeitgeber sollten eine größere Verantwortung übernehmen und Investitionen in ihr Humankapital erhöhen. Insbesondere sollten sie die Unterstützung der Ausbildung und das Angebot von Aufstiegschancen für geringverdienende/wenig qualifizierte Arbeitnehmer und Behinderte ins Auge fassen. Solche Investitionen sollten einer möglichen wirtschaftlichen Umstrukturierung vorausgehen und die Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmer erhöhen. Veränderungen bei finanziellen Anreizen zur Förderung eines späteren Eintritts in den Ruhestand könnten sich als kontraproduktiv erweisen, wenn die älteren Menschen die erforderlichen höheren Qualifikationen nicht erwerben und sich nicht an Veränderungen im betrieblichen und Arbeitsumfeld anpassen.

Qualitative Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Arbeitsorganisation, um insbesondere Frauen und erfahrene Arbeitnehmer dafür zu gewinnen, länger im Arbeitsleben zu bleiben, und um den Bedürfnissen von behinderten Arbeitnehmern gerechter zu werden.

Änderung der Ansicht, dass der Vorruhestand eine akzeptable Lösung von Problemen im Zusammenhang mit Personalabbau und Umstrukturierung darstellt.

Bei einer solchen Initiative muss davon ausgegangen werden, dass diese Bemühungen für die Gesellschaft als Ganzes von erheblichem Interesse und Vorteil sind und deshalb eine Umleitung der öffentlichen Mittel zugunsten dieses Bereichs mit sich bringen können.

b) Eine zielgerichtete Überprüfung der Steuer- und Sozialleistungssysteme

In vielen Mitgliedstaaten sind umfassende Reformen der kombinierten Anreizwirkung von Steuern und Sozialleistungen dringend erforderlich. Solche Reformen sowie die Stärkung der Kontrollsysteme und die Überprüfung der Anspruchsvoraussetzung sind darauf auszurichten, Arbeitsanreize zu fördern. Die Betonung sollte dabei auf Folgendem liegen:

Überprüfung - mit Blick auf ihre Beseitigung - von Anreizen, die den Vorruhestand sowohl für den Einzelnen als auch für Unternehmen als Maßnahme unterstützen, um Stellenabbau und umfangreiche Umstrukturierung in den Griff zu bekommen. Förderung eines teilweisen/schrittweisen Übergangs zur Pensionierung und Belohnung derjenigen, die nach Erreichung des gesetzlichen Rentenalters weiterhin erwerbstätig bleiben, sowie stärkere Betonung der Verbesserung der Arbeitsorganisation.

Überprüfung der Auswirkungen bestehender Maßnahmenkombinationen, die sich auf die Erwerbsbeteiligung auswirken (Anreizsysteme, Strafen für eine alternative Beschäftigung während des Vorruhestands/Ruhestands); Überprüfung der Reformen von Leistungen, die an Bedürftigkeitsprüfungen geknüpft sind (ohne die sozialpolitischen Zielsetzungen oder Anreize für allgemeine und berufliche Bildung zu gefährden), so dass jedes Mitglied des Haushalts einen Anreiz zur Arbeit hat.

c) Ein entschiedener Ansatz zur Behebung der geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Entlohnung und beim Zugang zum Arbeitsmarkt

Um geschlechtsspezifische Unterschiede im öffentlichen und privatwirtschaftlichen Sektor zu verringern, ist eine überzeugende Initiative erforderlich. Dazu müsste Folgendes gehören:

Eine Gesamteinschätzung der Gründe - einschließlich der Produktivitätsunterschiede - für das Bestehen von mehr oder weniger großen Unterschieden in der Entlohnung von Männern und Frauen in jedem Mitgliedstaat.

Eine Prüfung, wodurch die Arbeitsmarktmöglichkeiten für Frauen und Männer eingeschränkt werden, insbesondere im Zusammenhang mit den Bildungssystemen, den Einstellungspraktiken von Arbeitgebern und der bestehenden Organisations- und Arbeitskultur.

Überprüfung der Berufsklassifikations- und Lohnsysteme, um eine einseitige geschlechtsspezifische Ausrichtung zu beseitigen und eine Unterbewertung der Arbeit in Sektoren und Berufen, in denen Frauen überwiegen, zu verhindern, Verbesserung der Statistik- und Überwachungssysteme, Erhöhung der Sensibilisierung für die Entlohnung und deren Transparenz.

d) Förderung der Erwerbsbeteiligung von Personen mit Betreuungsaufgaben

Betreuungsaufgaben stellen ein wesentliches Hindernis für die Erwerbsbeteiligung insbesondere von vielen Frauen dar. Im Mittelpunkt der Bemühungen sollte Folgendes stehen:

Erweiterung der Kinderbetreuungsangebote, um die bessere Eingliederung von Eltern, insbesondere Frauen, in den Arbeitsmarkt zu erleichtern; genauso wichtig, wie solche Angebote zur Verfügung zu stellen, ist es, deren Erschwinglichkeit und hohe Qualitätsstandards zu gewährleisten, und

Erhöhung der Effektivität von Einrichtungen für die gesundheitliche und die Seniorenbetreuung und deren bessere Verknüpfung mit der Sozialpolitik im Allgemeinen. Das Ziel von Reformen muss vor allem darin bestehen, dass das Betreuungssystem den Bedürfnissen einer älter werdenden Bevölkerung besser gerecht wird.

e) Überprüfung der Anstrengungen zur Senkung der Schulabbrecherquote

In den beschäftigungspolitischen Leitlinien werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, Maßnahmen auf den Weg zu bringen, mit deren Hilfe die Zahl der Schulabbrecher bis 2010 halbiert wird. Die Betonung sollte dabei auf Folgendem liegen:

Konzipierung von effektiven Maßnahmen im Rahmen der Politik der sozialen Eingliederung, um Schulabbrechern die Möglichkeit zu geben, wieder an einer formalen und/oder nicht formellen allgemeinen und beruflichen Bildungsmaßnahme teilzunehmen. Solche Maßnahmen sollten auch auf die spezifischen Bedürfnisse junger Menschen mit Behinderungen oder mit Lernschwierigkeiten ausgerichtet sein. Dabei sind partnerschaftliche Ausbildungsprogramme zu entwickeln, um diese Menschen näher an die Schule und die Welt der Arbeit heranzuführen.

Verbesserung des Zugangs und Unterstützung von Infrastruktur-/Bildungseinrichtungen, die den spezifischen Bedürfnissen und Bedingungen dieser Gruppe von Lernenden entsprechen, gemeinsam mit verschiedenen Akteuren des öffentlichen Sektors.

Erarbeitung von speziellen Ausbildungsprogrammen, die auf die Bedürfnisse und Bedingungen jugendlicher Zuwanderer zugeschnitten sind, die besondere Schwierigkeiten haben, in die Bildungssysteme integriert zu werden oder Zugang zum Arbeitsmarkt zu finden und sich diesem anzupassen.

3.3 Weiteres Vorgehen

Der Herausforderung, die eine Erhöhung der Erwerbsbeteiligung darstellt, kann energischer begegnet werden, wenn man auf die effektive Umsetzung der arbeitsmarktpolitischen Reformen im Rahmen der beschäftigungspolitischen Leitlinien und der Grundzüge der Wirtschaftspolitik setzt. Die beschäftigungspolitischen Leitlinien, insbesondere mit ihrem neuen Schwerpunkt auf Erwerbsquoten, Arbeitsqualität und lebenslangem Lernen, schaffen die Rahmenbedingungen für die Konzipierung eines ganzheitlichen Ansatzes zur Förderung der Erwerbsbeteiligung von Männern und Frauen aller Altersgruppen. Durch die Betonung von Wachstum und einer auf Stabilität ausgerichteten makroökonomischen Politik sowie von Strukturreformen verstärken die Grundzüge der Wirtschaftspolitik diesen politischen Rahmen. Das Ziel einer Erhöhung der Erwerbsbeteiligung wird auch für künftige Leitlinien eine Priorität darstellen.

Maßnahmen zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung und zur Förderung des aktiven Alterns müssten den Zusammenhang mit Renten und gesundheitlicher Betreuung einschließlich der sozialen Zielsetzungen und der finanziellen Nachhaltigkeit ihrer Systeme berücksichtigen.

Ausgehend von den politischen Prioritäten müssen die Sozialpartner einen wichtigen Beitrag bei der Bewältigung der Herausforderung einer älter werdenden Bevölkerung leisten - ein erstrangiges Thema des sozialen Dialogs.

Von Regierungen und Sozialpartnern eingeleitete Aktionen werden nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn sie mit einer grundlegenden Veränderung der Einstellung von Unternehmen und Bildungssystemen zu geschlechtsspezifischen Unterschieden, zu älteren Arbeitnehmern sowie zu anderen benachteiligten Gruppen einschließlich von Zuwanderern und Arbeitnehmern mit Behinderungen einhergehen. Um einen solchen Einstellungswandel zu erreichen, muss die gesamte Gesellschaft mobilisiert werden, allen voran die höchste politische Ebene, wozu der Europäische Rat bereits in Lissabon und Stockholm den Anstoß gegeben hat.

Anhang

Analyse der Trends und Determinanten der Erwerbsbeteiligung

Die Faktoren, die die Erwerbsbeteiligung fördern oder ihr abträglich sind, entsprechen nicht unbedingt denen, die ausschlaggebend dafür sind, ob jemand eine bestimmte Arbeit annimmt oder nicht oder ob er sich für eine Arbeit oder die Arbeitslosigkeit entscheidet. Bei der Entscheidung, am Arbeitsmarkt teilzuhaben, handelt es sich um eine grundlegendere Wahl, nämlich ob man Teil der Welt der Arbeit sein möchte oder nicht, und die beiden Entscheidungen sollten nicht durcheinander gebracht werden. Ferner gibt es zwei Dimensionen der eigentlichen Entscheidung für eine Erwerbstätigkeit - Einstieg in den Arbeitsmarkt oder Verbleib am Arbeitsmarkt. Bei den Faktoren, die Menschen bewegen, in den Arbeitsmarkt einzutreten, handelt es sich nicht unbedingt um die gleichen, die sie im Arbeitsmarkt halten, wenn sie dort einmal Fuß gefasst haben. Der erste Komplex von Faktoren betrifft im Wesentlichen junge Menschen sowie Frauen, die ins Arbeitsleben zurückkehren, während der zweite hauptsächlich auf ältere Arbeitnehmer (sowohl Frauen als auch Männer) zutrifft. In Verbindung mit demografischen Entwicklungen ist eine Tendenz dahingehend zu beobachten, dass dieser zweite Komplex im Hinblick auf die Förderung der Gesamterwerbsbeteiligung an Bedeutung gewinnt.

Trends bei der Erwerbsbeteiligung

Grundlage für die Analyse ist die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, d. h. die gesamte Bevölkerung zwischen 15 und 64 Jahren. Bei dem Prozentsatz der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, der erwerbstätig ist oder arbeitslos ist, jedoch Arbeit sucht (ILO-Definition), handelt es sich um die Erwerbspersonen. Die Erwerbsquote gibt die Erwerbspersonen einer bestimmten Altersgruppe oder eines bestimmten Geschlechts, bezogen auf die erwerbsfähige Bevölkerung der gleichen Altersgruppe bzw. des gleichen Geschlechts, an.

Im Verlauf der letzten 30 Jahre hat sich das Bild der Erwerbsbeteiligung merklich verändert (Schaubild 1). Seit 1970 hat die Beteiligung von Frauen zwischen 25 und 60 Jahren stark zugenommen, während die Beteiligung von Männern in allen Altersgruppen zurückgegangen ist, vor allem am unteren und oberen Ende der Alterspyramide.

Erwerbsbeteiligung im Verlauf des Lebenszyklus

Jugendliche (15-24)

Über das Alter und den Zeitpunkt, wann junge Menschen in den Arbeitsmarkt eintreten, entscheidet in erster Linie das erreichte Abschlussniveau der Vollzeitausbildung. Hierbei kann es sich anfangs auch um eine Kombination mit verschiedenen Arten von Beschäftigung handeln, so dass der Übergang von der Ausbildung ins Arbeitsleben durchaus ein Prozess und nicht lediglich ein Wechsel sein kann. Zu diesem Zeitpunkt des Lebenszyklus bestehen kaum oder keinerlei geschlechtsspezifische Unterschiede in den Erwerbsquoten, da die Entscheidungen, die die Erwerbsbeteiligung von Frauen beeinflussen, noch keine Rolle spielen.

Anfang der 90er-Jahre war ein beträchtlicher Rückgang der Erwerbsbeteiligung Jugendlicher zu beobachten, der weitgehend mit einem Anstieg der Teilnahme an allgemeinen und beruflichen Bildungsmaßnahmen einherging. Ende der 90er-Jahre verbesserte sich die Erwerbsbeteiligung junger Menschen in gewissem Umfang. Diese Verbesserung scheint zwischen 1995 und 2000 in jeder der einzelnen Altersgruppen zwischen 15 und 24 Jahren erfolgt zu sein, insbesondere bei jungen Männern. Ferner scheint dieser Anstieg mit einer Kombination von Teilzeitarbeit und irgendeiner Form von Ausbildung verbunden zu sein. Etwa 48 % der jugendlichen Arbeitnehmer erklärten 1995, der Hauptgrund für die Teilzeitbeschäftigung sei die Teilnahme an einer allgemeinen oder beruflichen Bildungsmaßnahme. Die für 2000 zur Verfügung stehenden Daten zeigen, dass dieser Prozentsatz um über 13 Prozentpunkte auf etwa 61 % in der EU als Ganzes angestiegen ist.

In der Altersgruppe der 15- bis 19-Jährigen ist die Erwerbsbeteiligung beträchtlich geringer als 1970, und fast alle, die nicht erwerbstätig sind, befinden sich in irgendeiner Form von allgemeiner oder beruflicher Ausbildung. Darüber hinaus absolvieren auch von den 24 % derjenigen, die einen Arbeitsplatz haben, zwei Drittel eine allgemeine oder berufliche Ausbildung. In der Altersgruppe 20-24 Jahre geht der Prozentsatz der Nichterwerbspersonen auf 34 % zurück (fast identisch mit 1970), jedoch befinden sich fast 80 % noch in der allgemeinen oder beruflichen Ausbildung, und ein Viertel der Erwerbstätigen nimmt auch an irgendeiner Form der allgemeinen oder beruflichen Ausbildung teil.

Noch immer scheiden viele junge Menschen aus dem Bildungssystem aus, ohne die Sekundarstufe II abgeschlossen zu haben - die im Allgemeinen als Mindestabschluss angesehen wird, der für die Anpassungsfähigkeit im Arbeitsmarkt im Verlauf des Lebenszyklus erforderlich ist. Trotz einiger Verbesserungen in den letzten Jahren haben fast 25 % der Altersgruppe 25-29 die Sekundarstufe II nicht abgeschlossen, und 18 % der 18- bis 24-Jährigen sind Schulabbrecher.

Hauptaltersgruppe 25-49

In dieser Altersgruppe hat sich die Erwerbsbeteiligungsstruktur in den letzten dreißig Jahren am stärksten verändert. 1970 erreichten Personen bis zu einem Alter von 25 Jahren mit über 68 % Spitzenwerte bei der Gesamterwerbsbeteiligung; 2000 konnten die höchsten Erwerbsquoten in der Altersgruppe 25-49 (über 80 %) beobachtet werden. Dabei erfolgte insgesamt ein leichter Rückgang der Erwerbsbeteiligung von Männern, jedoch eine erhebliche Zunahme bei den Frauen - von knapp 40 % auf über 70 % in dieser Altersgruppe als Ganzes.

Die Erwerbsbeteiligung von Männern weist die höchsten Werte in dieser Altersgruppe - vor allem nach dem 30. Lebensjahr - auf und bleibt im Allgemeinen über den gesamten Zeitraum hoch. Diese Tendenz hat sich seit 1995 im Wesentlichen nicht verändert (Schaubild 5). Die Erwerbsbeteiligung von Frauen hat in allen Altersgruppen seit 1995 zugenommen.

Noch immer bestehen in allen Altersgruppen beträchtliche Unterschiede zwischen den Erwerbsquoten von Männern und Frauen, auch wenn diese keine Kinder haben (Tabelle 1 und Schaubild 3). Die Erwerbsquoten von Frauen unterscheiden sich auch nach dem Alter der Kinder (Schaubild 4). Namentlich in den südlichen Ländern sind die Frauenerwerbsquoten insgesamt gering, und es bestehen kaum Unterschiede im Hinblick auf das Alter der Kinder. In Deutschland und im Vereinigten Königreich beträgt die Kluft zwischen den Erwerbsquoten von Frauen mit Kindern im Vorschulalter und von Frauen mit Schulkindern nahezu 20 Prozentpunkte. Während die Gesamterwerbsquoten in Frankreich denen von Deutschland und dem Vereinigten Königreich ähneln, ist andererseits ein Rückgang der Erwerbsbeteiligung von Frauen mit Kindern im Vorschulalter zu beobachten, jedoch besteht fast kein Unterschied bei den Erwerbsquoten von Frauen ohne Kinder und mit Kindern im Schulalter. Diese auffälligen Unterschiede weisen auf die Bedeutung von Kinderbetreuungseinrichtungen und anderen Betreuungsangeboten für die Erhöhung der Erwerbsquoten bei Personen mit Betreuungsaufgaben - gegenwärtig vor allem Frauen - hin. Dies deutet darauf hin, dass Betreuungsangebote für Kinder im Vorschulalter bei der Erwerbsstruktur eine Rolle spielen.

Höhere Altersgruppen

Die Gesamterwerbsbeteiligung nimmt im Augenblick wesentlich schneller ab als noch 1970, als ein stärkerer Rückgang nur bei der Altersgruppe der über Sechzigjährigen beobachtet wurde. Die Erwerbsbeteiligung sowohl von Männern als auch Frauen sinkt in dieser Altersgruppe drastisch, obgleich die Erwerbsquoten von Frauen im Alter zwischen 50 und 60 noch über den Werten von 1970 liegen und bei den über Sechzigjährigen nur leicht darunter. Die Erwerbsquoten von Männern ab 55 Jahre liegen erheblich unter denen von 1970.

Ab einem Alter von 50 Jahren gehen die Erwerbsquoten von Männern oftmals recht schnell zurück; geschuldet ist dies zum größten Teil der erzwungenen Freisetzung infolge des Rückgangs der Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe, insbesondere in Zeiten eines hohen Arbeitsplatzabbaus, in Verbindung mit der Schwierigkeit - insbesondere für Männer mit geringer Qualifikation - auch bei einem konjunkturellen Aufschwung wieder eine Beschäftigung zu finden.

Die Erwerbsbeteiligung von Frauen sinkt ungefähr ab einem Alter von 45 Jahren, allerdings im Allgemeinen deutlich langsamer als bei Männern bis zum Rentenalter. Dieser Rückgang ist bei Männern deutlicher und setzt bei Personen mit durchschnittlicher und geringer Qualifikation früher ein (vor 50 bis zu 60 Jahren). Bei Frauen beginnt er bei den Geringqualifizierten bereits ab 45 Jahren, ist jedoch bei denen mit hoher und durchschnittlicher Qualifikation ab dem 50. Lebensjahr wesentlich ausgeprägter (Schaubilder 7 und 8).

Faktoren, die die Eingliederung in den Arbeitsmarkt behindern

Oft werden sozioökonomische Faktoren mit der wesentlich geringeren Erwerbsbeteiligung in Verbindung gebracht.

Zuwanderung

Die Erwerbsbeteiligung von zugewanderten Arbeitnehmern unterscheidet sich zwischen den einzelnen Ländern und in Abhängigkeit vom Qualifikationsniveau. Die Erwerbsquote von Drittausländern insgesamt liegt bei etwa 61 % im Vergleich zu ungefähr 72 % bei EU-Bürgern (Schaubild 9). Am deutlichsten sind die Unterschiede in der Erwerbsbeteiligung am oberen und unteren Ende der Beschäftigungs-/Qualifikationsskala. Unter den hoch qualifizierten, nicht manuell tätigen Arbeitnehmern weisen die Erwerbsquoten deutlich höhere Werte für EU-Bürger auf und sind weniger ausgeprägt bei den nicht manuell tätigen Arbeitnehmern mit durchschnittlicher Qualifikation, während für nicht qualifizierte manuell tätige Arbeitnehmer das Gegenteil zutrifft (Schaubild 10).

Das zeigt sich auch in der Verteilung der Beschäftigung von Drittausländern nach Wirtschaftszweigen (Schaubild 11). Der Beschäftigungsanteil von Drittausländern ist in 5 Sektoren höher als für EU-Bürger, in 3 von ihnen ist der Unterschied erheblich: Gastgewerbe, private Haushalte, Baugewerbe sowie Grundstücks- und Wohnungswesen und Vermietung gewerblicher Sachen.

Behinderung

Es liegen deutliche Beweise dafür vor, dass es für Personen mit Behinderungen schwerer ist, in den Arbeitsmarkt einzusteigen und dort zu bleiben. Behinderte gehören viel eher zu den Nichterwerbspersonen als Menschen ohne Behinderung. Mehr als die Hälfte von ihnen mit einem guten Gesundheitszustand ist nicht erwerbstätig, aber über drei Viertel derjenigen, die einen schlechten oder sehr schlechten Gesundheitszustand aufweisen, sind nicht erwerbstätig.

Fast zwei Drittel aller Personen, die unter chronischen körperlichen oder psychischen Gesundheitsproblemen, Krankheiten oder Behinderungen leiden, sind nicht erwerbstätig (ein Viertel aller Europäer erklärt, dass sie solche Probleme haben).

Während über 80 % der Schwerbehinderten und fast zwei Drittel der bis zu einem gewissen Grad Behinderten nicht erwerbstätig sind, gehört auch etwa die Hälfte derjenigen, die in der Ausübung ihrer täglichen Aktivitäten nicht beeinträchtigt sind, zu den Nichterwerbspersonen.

Regionale Ungleichgewichte

Angesichts der ausgeprägten Wechselbeziehung von Erwerbsquoten und Erwerbstätigenquoten weisen Regionen mit hohen Erwerbstätigenquoten auch höhere Erwerbsquoten auf; das trifft insbesondere auf junge und ältere Menschen zu.

In den Regionen mit Entwicklungsrückstand hängt die Verbesserung der Beschäftigungsleistung in starkem Maße davon ab, wie gut sie in der Lage sind, ihre potenziellen Arbeitskräfteressourcen maximal zu nutzen, sowie davon, wie es ihnen gelingt, neues Humankapital zu gewinnen. In Regionen mit geringem Beschäftigungswachstum ging die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter im Zeitraum 1996-2000 jährlich um etwa 0,2 % zurück, während die Zuwachsrate in den Regionen mit hohem Wachstum bei 0,5 % im Jahr lag. Diese Dynamik zeigt sich auch in einer Zunahme der durchschnittlichen Qualifikationen, die in den Regionen schneller erfolgte, in denen Beschäftigungs- und Bevölkerungswachstum vergleichsweise höher waren. Im Jahre 2000 wies über die Hälfte der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in den Regionen mit geringer Beschäftigung eine niedrige Qualifikation auf, während es in den Regionen mit hoher Beschäftigung weniger als ein Viertel war.

Die Erwerbsbeteiligung beeinflussende Schlüsselfaktoren

Die vorstehende Analyse hat gezeigt, dass die EU über ein beträchtliches Arbeitskräftepotenzial verfügt. 31,1 % der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter ist nicht erwerbstätig (d. h. 77 Millionen Menschen, davon 50 Millionen Frauen und 27 Millionen Männer). Selbst wenn man die Altersgruppe der 15-19-Jährigen nicht berücksichtigt, von denen sich viele in der allgemeinen oder beruflichen Ausbildung befinden, liegt diese Zahl noch immer bei 53 Millionen (Tabelle 2 und Schaubild 12).

Viele von ihnen möchten gerne arbeiten. Laut Arbeitskräfteerhebung würden etwa 14 % der gegenwärtigen Nichterwerbspersonen jetzt gerne eine Tätigkeit aufnehmen. Mittelfristig betrachtet nimmt diese Zahl noch beträchtlich zu. Mindestens die Hälfte der gegenwärtig keiner bezahlten Tätigkeit nachgehenden Männer (56 %) und Frauen (49 %) möchte innerhalb der nächsten fünf Jahre eine Arbeit aufnehmen bzw. plant es; ihnen steht ein Fünftel gegenüber, die unentschlossen sind, und weniger als ein Drittel, die keine Absicht haben, in Zukunft eine Tätigkeit aufzunehmen [3].

[3] Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen ,Beschäftigungsmöglichkeiten und Erwerbsbeteiligung 2000"

Die wichtigste Determinante für die Erwerbsbeteiligung ist das Vorhandensein von akzeptablen und angemessenen Arbeitsplätzen. Das Ergebnis fällt um so besser aus, je mehr Art und Charakter der angebotenen Arbeitsplätze der Charakteristik und den Wünschen der potenziellen Arbeitskräfte entsprechen. Die größte Rolle spielt dabei die Übereinstimmung von Wirtschaftszweig und Beruf mit den Fähigkeiten und Qualifikationen des potenziellen Arbeitnehmers. Folglich hängt die Entscheidung, in den Arbeitsmarkt einzusteigen, wesentlich davon ab, inwieweit die finanziellen Anreize zwischen Arbeit und weiterer Nichterwerbstätigkeit im Zusammenhang mit den individuellen Umständen ausgewogen sind. Ferner könnte eine ganze Reihe anderer Erwägungen vor allem in Form von Hindernissen jemanden davon abhalten, sich am Erwerbsleben zu beteiligen.

Zwischen all diesen Faktoren besteht ein enger Zusammenhang, und sie wirken in der Praxis als einheitliches Ganzes.

Verfügbarkeit und Attraktivität der Arbeit

Personen mit Betreuungsaufgaben könnten die Suche nach einer bezahlten Tätigkeit aufgeben und sich auf die Hausarbeit konzentrieren, wodurch sich oftmals ihre Aussichten auf eine berufliche Laufbahn bzw. eine Rückkehr ins Erwerbsleben insgesamt verringern. Ältere Menschen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben und der Meinung sind, dass Arbeitgeber sie nicht einmal für Arbeitsplätze mit einem wesentlich niedrigeren Lohn und schlechteren Bedingungen in Erwägung ziehen, könnten möglicherweise in den Vorruhestand gehen.

Sektoren

Zwischen der Zunahme von Arbeitsplätzen in bestimmten Wirtschaftszweigen und Berufen und der Verfügbarkeit von Arbeitskräften, die diese Stellen besetzen, besteht ein enger Zusammenhang. Die Erhöhung der Frauenerwerbsbeteiligung in den letzten zehn Jahren ging mit einer schnellen Steigerung der Beschäftigung von Frauen im Dienstleistungssektor im Allgemeinen und im Gesundheits- und Bildungswesen im Besonderen einher. So könnte auch der Trend zu geringerer körperlicher Belastung bei vielen Arbeitsplätzen in Verbindung mit den demografischen Veränderungen und der besseren Gesundheit älterer Menschen durchaus zur Förderung der Erwerbsbeteiligung von Älteren führen.

Attraktivität der Arbeitsplätze

Die Qualität der Arbeit im Hinblick auf Arbeitszufriedenheit und Arbeitsbedingungen beeinflusst den Einstieg in den Arbeitsmarkt, vor allem jedoch die Entscheidung, eine Tätigkeit weiter auszuführen und im Arbeitsmarkt zu bleiben. Zur Gesamtattraktivität eines Arbeitsplatzes gehören mehrere Aspekte, die von der Arbeitszufriedenheit insgesamt über die Arbeitszeit bis hin zu den Vertragsbedingungen reichen.

In ,Beschäftigung in Europa 2001" heißt es, dass der Übergang von einer Beschäftigung in die Arbeitslosigkeit bzw. Nichterwerbstätigkeit in einem engen Zusammenhang mit der Qualität der Arbeit steht: Bei Arbeitnehmern, die eine qualitativ geringwertige Arbeit haben (definiert als eine Tätigkeit ohne Zugang zu Ausbildung, ohne Sicherheit des Arbeitsplatzes oder gering bezahlt/niedrige Produktivität), besteht eine bedeutend höhere Gefahr, dass sie aus dem Erwerbsleben ausscheiden, als bei Arbeitnehmern mit qualitativ hochwertigeren Tätigkeiten. Etwa ein Viertel aller und ein Drittel jugendlicher Arbeitnehmer mit solchen Arbeitsplätzen scheiden aus der Erwerbstätigkeit von einem Jahr zum anderen aus; während Männer im Allgemeinen und insbesondere die Geringqualifizierten stärker Gefahr laufen, arbeitslos zu werden, besteht bei Frauen eher die Tendenz zur Nichterwerbstätigkeit; ferner sind Frauen und Jugendliche bei Tätigkeiten mit niedrigem Lohn/niedriger Produktivität überrepräsentiert und oftmals in dieser Berufskategorie gefangen, aus der mehr Menschen in die Arbeitslosigkeit bzw. Nichterwerbstätigkeit übergehen als aus jeder anderen.

Im Allgemeinen ist die Quote des Übergangs von Arbeitsplätzen geringer Qualität in die Arbeitslosigkeit 5-10-mal höher als von Arbeitsplätzen hoher Qualität, und der Übergang zur Nichterwerbstätigkeit ist 2-5-mal höher. Der Übergang in die Arbeitslosigkeit bzw. Nichterwerbstätigkeit ist bei älteren Arbeitnehmern, die einer Tätigkeit von geringer Qualität nachgehen, wesentlich größer. Die Ausscheidequote aus dem Erwerbsleben verbunden mit dem Übergang in die Nichterwerbstätigkeit ist bei Behinderten dreimal so hoch wie bei Personen ohne Behinderung.

Auch ein hohes Maß an unfreiwilligen Zeitarbeitsverträgen und Teilzeitbeschäftigung steht in einem engen Zusammenhang mit hohen Ausscheidequoten (etwa 15 % werden arbeitslos und 10 % nicht erwerbstätig). Die meisten Menschen bevorzugen einen unbefristeten Arbeitsvertrag (70 % der Arbeitslosen oder weibliche Wiedereinsteiger und 50 % junger Einsteiger in den Arbeitsmarkt), doch die Akzeptanz von Zeitarbeit ist unter jungen Menschen (50 %) auch relativ weit verbreitet. Zwar kehren viele nach einer vorübergehenden Auszeit wieder ins Erwerbsleben zurück, doch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Nichterwerbstätigkeit zur Dauererscheinung wird, um so größer, je öfter eine Unterbrechung eintritt. Behinderte (schwer- oder leichtbehindert) sind etwas öfter auf Teilzeitarbeitsplätzen oder auch in Zeitarbeitsverhältnissen anzutreffen, als dies bei Personen ohne Behinderung der Fall ist.

Andererseits kann sich die Fähigkeit, freiwillig flexibel zu arbeiten, auf die Entscheidung auswirken, zu einem späteren Zeitpunkt ins Erwerbsleben einzutreten oder weiterhin im Erwerbsleben zu bleiben. Unter Wiedereinsteigerinnen besteht eine erhebliche Nachfrage nach Teilzeitbeschäftigung (2/3 würden eine Teilzeitarbeit bevorzugen und insgesamt würden drei Viertel eine solche Tätigkeit akzeptieren), und auch 1/3 der jugendlichen Einsteiger oder Arbeitslosen würde einer Teilzeitbeschäftigung den Vorzug geben. Darüber hinaus möchte über die Hälfte aller Einsteiger in den Arbeitsmarkt und aller Wiedereinsteiger zumindest während eines Teils ihrer Arbeitszeit von zu Hause aus arbeiten; 20 % der Wiedereinsteigerinnen wollen ganz zu Hause arbeiten.

Ältere Arbeitnehmer würden sich möglicherweise gern nach und nach vom Arbeitsmarkt durch Verkürzung der Arbeitszeit zurückziehen. Besteht eine solche Möglichkeit nicht, beschränkt sich ihre Wahl allerdings darauf, entweder vollständig auszuscheiden oder bis zu ihrer Rente eine weniger qualifizierte Tätigkeit aufzunehmen. Es deutet in der Tat einiges darauf hin, dass ältere Arbeitnehmer im Hinblick auf die Arbeitszeit nur begrenzt flexibel sind. Eine erhöhte Flexibilität der Beschäftigung, gemessen am Vorhandensein von flexiblen Arbeitszeitregelungen und Teilzeitarbeit sowie Selbständigkeit, sowie spezielle Regelungen wie Heimarbeit oder Telearbeit würden generell die Erwerbsbeteiligung von älteren Menschen sowie das Rentenalter erhöhen. Bei der freiwilligen Teilzeitarbeit sind ältere Menschen bereits überrepräsentiert.

Drei Viertel der älteren Nichterwerbspersonen, die nach einer Arbeit suchen, würden eine Teilzeitbeschäftigung vorziehen und ein Viertel eine Arbeit von weniger als 20 Stunden pro Woche. Am meisten sind ältere Arbeitnehmer mit ihrer Arbeitszeit unzufrieden (23 %; 22 % der Männer und 25 % der Frauen).

Die Auswirkungen der Arbeitsplatzmerkmale (außer Verdienst und Betriebsrentensysteme, die später erörtert werden) sowie der Arbeitsbedingungen auf das Arbeitskräfteangebot und den Rückzug älterer Arbeitnehmer vom Arbeitsmarkt sind schwer einzuschätzen, sofern nicht eine Veränderung des Gesundheitszustandes der älteren Arbeitnehmer der ausschlaggebende Faktor für eine solche Entscheidung ist. Ältere Arbeitnehmer können keine gefährlichen, unangenehmen und körperlich anspruchsvollen Tätigkeiten mehr ausüben und sind oft gezwungen, diese aufzugeben. Ferner scheiden sie früher aus einer schwierigen oder komplexen und stressigen Tätigkeit sowie aus Tätigkeiten aus, die keine weiteren Aufstiegschancen bieten.

Dennoch äußern sich ältere Arbeitnehmer, die weiterhin ihrer Tätigkeit nachgehen, eher relativ zufrieden über ihre Arbeit. Über die Hälfte der erwerbstätigen älteren Arbeitnehmer zeigt eine große Zufriedenheit mit ihrer Arbeit im Vergleich zu lediglich 8 %, die unzufrieden sind; die letztgenannte Quote ähnelt der von Erwerbstätigen im Haupterwerbsalter, liegt jedoch wesentlich unter der von jungen Erwerbstätigen. Ältere mit qualitativ geringwertigeren Tätigkeiten - vor allem Arbeitsplätze ohne Entwicklungsmöglichkeiten - zeigen eine weitaus größere Unzufriedenheit (fast ein Drittel ist sehr unzufrieden) als junge Menschen oder Arbeitnehmer im Haupterwerbsalter, während Personen, die einen Arbeitsplatz von guter Qualität haben, eine weitaus höhere Zufriedenheit angeben (fast zwei Drittel).

Allgemeine und berufliche Bildung

Die allgemeine und berufliche Bildung wirkt sich direkt auf die Beschäftigung und das Funktionieren des Arbeitsmarkts aus. Sie ist eine der politischen Prioritäten in der gesamten Union, wobei alle Mitgliedstaaten Schritte zur Entwicklung und Umsetzung von ganzheitlichen Strategien des lebenslangen Lernens im Rahmen der Europäischen Beschäftigungsstrategie unternehmen. Dabei steht die verstärkte Betonung des lebenslangen Lernens im Zusammenhang mit einer erhöhten Aufmerksamkeit für die Verbesserung von Fähigkeiten, Mobilität und Qualität der Arbeitsplätze.

Unabdingbar ist die Sicherung einer guten Übereinstimmung zwischen den vorhandenen Arbeitsplätzen und den Fähigkeiten und Kompetenzen der Bevölkerung, wenn die Erwerbsbeteiligung maximal erhöht werden soll. Das trifft auf alle Etappen des Arbeitslebens zu. Grundlegende langfristige Auswirkungen auf die Erwerbsbeteiligung hat dabei das erreichte Niveau der allgemeinen Grundbildung.

Bei mangelndem lebenslangen Lernen und fehlender innerbetrieblicher Ausbildung in den Unternehmen zur Verbesserung der Fertigkeiten im Verlauf des Arbeitslebens nimmt die Gefahr für ältere Arbeitnehmer zu, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Je umfassendere Fertigkeiten und Kompetenzen die Arbeitnehmer haben, desto besser können diese genutzt werden. Ferner gibt es deutliche Hinweise darauf, dass ab einem bestimmten Alter ältere Arbeitnehmer weniger Zugang zu beruflicher Bildung haben als jüngere Arbeitskräfte oder weniger bereit sind, an einer Ausbildung teilzunehmen.

Im Jahre 2000 lagen die Erwerbsquoten von Hochqualifizierten EU-weit bei 87 %, während sie für die Geringqualifizierten 57 % betrugen. Bei den Frauen sind die Unterschiede noch größer; gering qualifizierte Frauen sind die einzige Bevölkerungsgruppe, bei der über die Hälfte zu den Nichterwerbspersonen gehört (Tabelle 3). (Beschäftigung in Europa, 2001).

Der Anteil der Jugendlichen mit abgeschlossener Hochschulbildung (d. h. hoch qualifiziert) hat im Laufe der Zeit zugenommen. Die Zahl der Erwerbspersonen, die als gering qualifiziert eingeschätzt werden (d. h. weniger als Sekundarstufe II), scheint zurückzugehen, ist allerdings nach wie vor beachtlich (siehe oben).

Daher bildet eine gute Erstausbildung die Grundlage sowohl für den ersten Einstieg ins Erwerbsleben als auch für die Entwicklung von Fertigkeiten im Verlauf des Arbeitslebens. Zugang zu Ausbildung und lebenslangem Lernen zwecks Anpassung dieser Fertigkeiten im Verlauf des Arbeitslebens erleichtert den Verbleib auf dem Arbeitsmarkt angesichts sich verändernder Bedingungen. So scheint das Grundprinzip im Hinblick auf den Zugang zu beruflicher Bildung zu lauten: ,Je mehr du hast, desto mehr erreichst du".

Ältere und gering qualifizierte Arbeitnehmer profitieren erheblich weniger von beruflichen Bildungsmaßnahmen. Zwar arbeitet fast die Hälfte der älteren Arbeitnehmer in Unternehmen, die eine Ausbildung anbieten, doch nehmen weniger als 15 % an Bildungsmaßnahmen - entweder vom Arbeitgeber angeboten oder privat - teil; lediglich 7 % der gering qualifizierten älteren Arbeitnehmer gegenüber mehr als einem Viertel der hoch qualifizierten älteren Arbeitnehmer besuchen Aus- und Weiterbildungskurse. (Beschäftigung in Europa 2001).

Aus Unternehmererhebungen zu zukünftigen Trends bei der Qualifikation von benötigten Arbeitskräften geht eindeutig hervor, dass die Beschäftigung von qualifizierten Arbeitnehmern weiter steigen wird, während die von Ungelernten abnehmen wird; der Beschäftigungszuwachs wird am deutlichsten im Dienstleistungsgewerbe und vermutlich auch in den wissensintensiven Sektoren anhalten, wo eine Reihe von Fertigkeiten wie IKT-Kompetenzen, Kommunikationskenntnisse usw. benötigt werden.

Mit sinkender Qualifikation und Produktivität der älteren Arbeitnehmer gewinnen Ausbildung, Anpassungsfähigkeit an neue Fertigkeiten und Technologien, Mobilität und Lohnflexibilität an Bedeutung. Fehlen diese, könnten Arbeitgeber versucht sein, die relativ hohen Kosten, die mit der Einstellung älterer Arbeitnehmer verbunden sind, zu umgehen. Häufig wirken sich auch neue Technologien auf die Beschäftigung und Ruhestandspläne von älteren Arbeitnehmern aus, was durch einen potenziellen Mangel an Qualifikationen für neue Technologien bedingt ist: Wenn sich aufgrund neuer Technologien die Anforderungen an Arbeitsplatz und Qualifikation verändern, dann sind ältere Arbeitnehmer anders davon betroffen als Arbeitnehmer im Haupterwerbsalter, weil ihre Qualifikationen älter sind, weil sie im Durchschnitt weniger gebildet sind und somit ihre Arbeitsplätze leichter wegfallen können und weil sie darüber hinaus anders reagieren, da sich ihr Zeithorizont aufgrund des bevorstehenden Ruhestands verringert, wenn sie überlegen, ob sie ihre Qualifikation verbessern sollten oder nicht. Es spricht einiges dafür, dass die Nutzer von Computern unter den älteren Arbeitnehmern - d. h. diejenigen, die die für neue Technologien erforderlichen Fertigkeiten erworben haben - durchaus weiter erwerbstätig bleiben dürften.

Die Nichtbeachtung der Auswirkungen des technologischen Wandels auf die Beschäftigungsmöglichkeiten von älteren Arbeitnehmern könnte in der Tat zu falschen politischen Schlussfolgerungen führen: Bemühungen der Politiker, ein späteres Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu fördern, könnten von wenig Erfolg gekrönt sein, wenn sich die älteren Arbeitnehmer durch den technologischen Wandel unter Druck gesetzt sehen. Andererseits könnte ein zukünftiges Hinausschieben des Ruhestands, das sich möglicherweise aus der steigenden Lebenserwartung oder Veränderungen beim Sozialversicherungssystem und bei den privaten Renten ergeben könnte, ältere Arbeitnehmer veranlassen, in neue Qualifikationen zu investieren, wenn sich neue Technologien entwickeln. (L. Friedberg, 2001).

Wesentliche Hindernisse für den Verbleib älterer und wenig qualifizierter Arbeitnehmer im Erwerbsleben und die Entwicklung ihrer Fähigkeiten sind deren ehemals abgebrochene Ausbildung, der gegenwärtige Mangel an Ausbildungsmöglichkeiten und eine fehlende angemessene Ausbildung, die auf erworbenem Wissen aufbauen und davon ausgehen kann, was sie am besten für ihre Tätigkeit lernen könnten. Der kurze Zeitraum, in dem sich Investitionen in eine Ausbildung für die Unternehmen auszahlen, scheint gegen die älteren Kandidaten zu arbeiten (potenzielle Neueinstellungen/vorhandene Arbeitskräfte), wobei die höhere Fluktuation unter jungen Mitarbeitern und die Veränderungen im Arbeitsinhalt zu berücksichtigen sind. Ein weiteres großes Problem im Hinblick auf die Unternehmensgröße (KMU sind dabei am stärksten benachteiligt) wie auch auf das Ausbildungsprofil der Arbeitnehmer (Bildungsabschluss älterer Arbeitnehmer und wenig qualifizierter Gruppen) ist der gleichberechtigte Zugang aller Arbeitnehmer - männlicher und weiblicher - zu beruflicher Bildung.

Es ist durchaus möglich, dass Personen mit Behinderungen in Unternehmen tätig sind, die eine Ausbildung anbieten, doch - und das trifft insbesondere auf die Schwerbehinderten zu - ist ihre Teilnahme an Ausbildungsmaßnahmen gering.

Die Ausgewogenheit finanzieller Anreize

Die Entscheidung für eine Teilnahme am Erwerbsleben hängt im Wesentlichen von den individuellen finanziellen Umständen und den vorhandenen Alternativen ab. Das Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit muss gegen andere Einkommensquellen und etwaige Kosten abgewogen werden. Es bestehen Wechselbeziehungen zwischen dem Lohnniveau und der Höhe der Sozialleistungen und dem Steuersystem, wenn es um die Frage geht, ob Anreize für eine Erwerbstätigkeit vorhanden sind. Daher sind Höhe des Lohns, die Besteuerung und Sozialleistungssysteme bei der Analyse der generellen Auswirkungen auf die Erwerbsbeteiligung in Betracht zu ziehen.

Steuer- und Sozialleistungssysteme (einzeln und durch ihr Zusammenspiel) wirken sich auf alle Entscheidungen über Wechsel auf dem Arbeitsmarkt aus, d. h. die Erwerbsbeteiligung, die Wahl zwischen Schule und Arbeit, die Entscheidung zum vorzeitigen Ruhestand und die Dauer der Arbeitslosigkeit. Obwohl jüngste Reformen zeigen, dass die Betonung eindeutig auf den Steuersystemen liegt, können zwei Merkmale des Zusammenspiels zwischen Steuern und Sozialleistungen einen erheblichen Einfluss auf das Arbeitskräfteangebot ausüben. Beim ersten handelt es sich um die Höhe der Leistungen gegenüber dem Einkommen und die Auswirkungen dieses Verhältnisses auf die Entscheidung über die Erwerbsbeteiligung, was zur sogenannten Arbeitslosigkeitsfalle führen kann. Das zweite Merkmal besteht in der Veränderung des verfügbaren Einkommens (unter Berücksichtigung des kombinierten Effekts von steigender Besteuerung und dem Wegfall von Leistungen, die an Bedürftigkeitsprüfungen gebunden sind) mit steigendem Einkommen und die entsprechenden Auswirkungen auf die Arbeitsbemühungen oder die Zahl der gearbeiteten Stunden (was zur Armutsfalle führt).

Die tatsächlichen Auswirkungen auf das Arbeitskräfteangebot hängen von der jeweiligen Reaktion der Wirtschaftsakteure auf Veränderungen bei den Anreizen ab. Ein hohes Arbeitslosengeld und andere relevante Leistungen in Verbindung mit einer langen Zeitdauer und einer liberalen Handhabung der Anspruchsvoraussetzungen können durchaus die Anreize für die Aufnahme einer Tätigkeit unterhöhlen und das Risiko einer langfristigen Abhängigkeit von Leistungen erhöhen. Andererseits ermöglicht die bezahlte Beschäftigung den Zugang zu Sozialversicherungssystemen, insbesondere zur Arbeitslosenversicherung, und bietet daher Anreize für die Aufnahme einer legalen Beschäftigung (oder die Umwandlung einer nicht angemeldeten Tätigkeit in eine legale). Darüber hinaus bedeutet die Arbeitslosenversicherung für die Empfänger eine wesentlich stärkere Bindung an den Arbeitsmarkt als andere Sozialleistungsregelungen, vor allem wenn die vorausgesetzte Bereitschaft zur Aufnahme einer Beschäftigung ernst genommen und die Arbeitsuche gefördert wird.

Einige Gruppen scheinen stärker auf Veränderungen im Steuer-/Sozialleistungssystem zu reagieren als andere. So scheint das Arbeitskräfteangebot an Männern im Haupterwerbsalter oder Personen, die Aussicht auf höhere Löhne in der Zukunft haben, weniger stark auf Veränderungen bei Anreizen zu reagieren, die sich aus den Steuer-/Sozialleistungssystemen ergeben. Im Gegenteil. Paare, bei denen ein Ehepartner nicht arbeitet (gewöhnlich die Frauen), und Alleinerziehende reagieren im Allgemeinen am stärksten auf Anreize, was sich in der Erwerbsbeteiligung widerspiegelt. Auch die Steuer kann die Entscheidung beeinflussen, ob ein zweites Haushaltsmitglied in den Arbeitsmarkt eintritt, und kann die Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung fördern oder davon abhalten. Die Reaktion auf Veränderungen bei Steuern und Sozialleistungen fällt in Bezug auf den Eintritt ins Erwerbsleben oder das Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt stärker aus als im Hinblick auf die geleisteten Arbeitsstunden.

Ungeachtet verschiedener politischer Initiativen seitens der Mitgliedstaaten (entsprechend den NAP) gibt es wenig Hinweise darauf, dass sie zu einer erheblichen Erhöhung der Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer geführt haben. Das spiegelt im Wesentlichen eine tief verwurzelte Kultur des vorgezogenen Ruhestands und das anhaltende Bestehen von Vorruhestandsregelungen (die oftmals neben Regelungen existieren, deren Ziel in der Verlängerung des Arbeitslebens älterer Arbeitnehmer besteht) sowie negative Einstellungen wider, die nicht nur unter Arbeitgebern, sondern auch unter den Gewerkschaften und den politischen Entscheidungsträgern nach wie vor eine Rolle spielen. Vorruhestandsregelungen werden dann attraktiv, wenn keine Beschäftigungsalternative vorhanden ist.

Es kann zwischen verschiedenen Formen des Ruhestands und entsprechenden Mustern für den Verbleib bzw. Nichtverbleib älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt unterschieden werden: Erstens der einmalige Übergang von einer lebenslangen Vollzeitbeschäftigung zum vollständigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben. Hierbei handelt es sich um die in Europa am weitesten verbreitete Situation. Zweitens der Teilruhestand (hierbei wird der Ruhestand nach einer lebenslangen Vollzeitbeschäftigung mit einer weiteren beruflichen Tätigkeit oder verschiedenen Formen von Arbeitslosengeld und Erwerbsminderungsrente kombiniert, ohne dass ein vollständiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben erfolgt). Beispiele aus den USA zeigen, dass dies am häufigsten am oberen und unteren Ende des Spektrums der Arbeitsplatzqualität zu beobachten ist. Drittens der sehr oft durch Freisetzung aufgrund von Umstrukturierung bedingte ,Ruhestand", bei dem sich Zeiten der Nichterwerbstätigkeit (Arbeitsuche und Umschulung) mit Erwerbstätigkeit abwechseln.

Was nun tatsächlich geschieht, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Vorruhestandsentgelt und Erwerbsminderungsrente können in bestimmten Situationen an die Stelle von Arbeitslosengeld treten, und daher ist die Höhe dieser Leistungen von Bedeutung. Gewöhnlich fällt der Vergleich zwischen der Höhe der Altersrente und der Erwerbsminderungsrente gegenüber dem Arbeitslosengeld günstig aus, und die Zeiträume, in denen sie gewährt werden, sind länger. Bei einigen dieser mit der Arbeitslosigkeit im Zusammenhang stehenden Programmen handelt es sich de facto um Vorruhestandsregelungen, da sie mit keiner Arbeitsuche für ältere Arbeitnehmer verbunden sind. Für ältere Arbeitnehmer ist die Höhe der gesetzlichen Altersrente im Verhältnis zur Höhe der Einkünfte und der Besteuerung der Arbeit für die Entscheidung maßgeblich, in Rente zu gehen, und oft ergeben sich im Falle der Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit hohe ,effektive Steuersätze". Für die Hälfte aller älteren Menschen in der Altersgruppe 55-65 stellen Sozialleistungen die Haupteinkommensquelle dar.

Krankenversicherungsregelungen und vom Arbeitgeber aufgestellte Pensionspläne könnten einige Arbeitnehmer dazu veranlassen, ihr Ausscheiden aus einer lebenslangen Berufstätigkeit hinauszuzögern, und andere dazu bringen, sich nach einer Tätigkeit umzusehen, um die Zeit bis zum Erreichen des Rentenalters zu überbrücken. Andererseits begünstigen private Pensionspläne im Allgemeinen eher eine Vollpensionierung als eine Teilpensionierung, da die Ruhestandsgelder normalerweise auf dem durchschnittlichen Jahresverdienst basieren. Dafür wird der Durchschnitt der letzten drei oder fünf Arbeitsjahre berechnet. Für den Erhalt von Pensionsleistungen könnte eine Vollpensionierung erforderlich sein. Ferner sollten auch höhere Ersparnisse und der Wohlstand älterer Arbeitnehmer zum Vorruhestand bzw. zum vollständigen Ausscheiden aus dem Arbeitsleben positiv in Beziehung gesetzt werden.

Finanzielle Anreize und Sozialversicherungsregelungen sind nicht die einzige Determinante für das Arbeitskräfteangebot an älteren Arbeitnehmern. Für ihren Entschluss, auf dem Arbeitsmarkt zu bleiben oder wieder ins Erwerbsleben einzusteigen, spielen auch nicht materielle Faktoren eine wichtige Rolle [4].

[4] Haider und Loughran (2001) stellen unter anderem in einer Untersuchung zum Angebot an älteren Arbeitskräften (65 Jahre und darüber) in den USA fest, dass nicht materielle Fragen für die Entscheidungen der älteren Arbeitskräfte ausschlaggebend sind, die im Allgemeinen auf Löhne unelastisch reagieren. Daher kommen die Autoren zu dem Schluss, dass Politiken, die sich dahingehend auswirken, dass Ältere aus finanziellen Gründen ins Erwerbsleben zurückkehren, weniger stark das Arbeitskräfteangebot in dieser Bevölkerungsgruppe beeinflussen als Politiken, die auf eine verstärkte Rückkehr ins Erwerbsleben aus nicht finanziellen Gründen ausgerichtet sind.

Ein begünstigendes Umfeld

Für viele dürfte die Entscheidung über die Teilnahme am Arbeitsmarkt nicht von der Bewertung der oben beschriebenen Arbeitsmarktfaktoren abhängen, sondern sie wird möglicherweise von einer Reihe anderer Faktoren beeinflusst. Solche Faktoren sind ausschlaggebend dafür, wie und ob Menschen die für ihre berufliche Tätigkeit aufgewandte Zeit mit anderen Aufgaben wie Hausarbeit und insbesondere Einkaufen sowie Kinderbetreuung (in Abhängigkeit von den Schulzeiten) vereinbaren können.

Kinder- und Seniorenbetreuung

Die Betreuung von Familienmitgliedern - Kindern bzw. Eltern - stellt vor allem für viele Frauen ein großes Hindernis für eine Erwerbstätigkeit dar, wenn es keine Alternativen gibt. 14,1 % aller Nichterwerbspersonen möchten gerne arbeiten (10,9 Millionen, davon 7 Millionen Frauen). 30 % dieser Frauen können nicht arbeiten, weil sie durch persönliche oder familiäre Verpflichtungen davon abgehalten werden.

Das Angebot von Betreuungsleistungen wirkt sich in zweifacher Hinsicht auf die Erwerbsbeteiligung aus. Einerseits wird dadurch der Zugang zum Arbeitsmarkt für diejenigen erleichtert, die diese Leistungen in Anspruch nehmen, und andererseits werden dadurch in großem Umfang Arbeitsplätze angeboten. Seit 1995 wurden im Sektor Gesundheits- und Sozialwesen über 2 Millionen Nettoarbeitsplätze geschaffen.

Unterstützung der Mobilität

Viele Menschen haben vielleicht keinen Zugang zu einem lokalen Arbeitsmarkt, möchten aber dennoch nicht umziehen. Einer neuen Eurobarometer-Umfrage zufolge sind 54 % der 37,5 % der Europäer, die in den letzten 10 Jahren umgezogen sind, aus familiären/persönlichen Gründen, 18 % wegen der Wohnbedingungen und 15 % aus beruflichen Gründen umgezogen.

Etwa 46 % der 18,5 %, die davon ausgehen, dass sie in den nächsten 5 Jahren umziehen werden, gaben familiäre/persönliche Gründe dafür an, während 27 % berufliche Gründe nannten. 34 % der Europäer würden es vorziehen, arbeitslos zu sein und in ihrer Wohngegend zu bleiben, anstatt in eine andere Region umzuziehen und dort einen Arbeitsplatz zu erhalten. 38 % würden lieber in eine andere Region ziehen, wobei diese Bereitschaft mit zunehmendem Alter jedoch abnimmt, und 16 % antworten, dass dies vom Arbeitsplatz abhängt, den sie erhalten können.

Über 40 % bzw. 29 % der Europäer antworteten, dass sie eine ,bessere finanzielle Lage" und ,bessere Berufsaussichten" zu einem Umzug bewegen könnten.

Alle diese Fakten zu Mobilität und Pendlern deuten darauf hin, dass Arbeitsort und leicht zugängliche und kostengünstige Verkehrsmittel oder die Entwicklung von Geschäftsmöglichkeiten, einschließlich Telearbeit mit elektronischen Hilfsmitteln, in den Kommunen für die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung wichtig sind.

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Quelle: Arbeitskräfteerhebung, Eurostat. ILO für 1970.

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Quelle: Arbeitskräfteerhebung, Eurostat.

TABELLE 1

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Quelle: Arbeitskräfteerhebung, Eurostat.

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Hinweis: Gemeint ist das Alter des jüngsten Kindes (z. B. Frauen mit Kindern im Alter von 2 und 10 Jahren gehören in die erste Gruppe 0-6).

Quelle: Arbeitskräfteerhebung, Eurostat

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Quelle: Arbeitskräfteerhebung, Eurostat

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Quelle: Rohdaten aus der Arbeitskräfteerhebung, Eurostat.

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Quelle: Arbeitskräfteerhebung, Eurostat.

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Quelle: Arbeitskräfteerhebung, Eurostat.

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Quelle: Arbeitskräfteerhebung, Eurostat.

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Quelle: Arbeitskräfteerhebung, Eurostat.

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Quelle: Arbeitskräfteerhebung, Eurostat.

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Quelle: Arbeitskräfteerhebung, Eurostat.

TABELLE 2

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TABELLE 3

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