EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52007XX0426(02)

Zweite Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten zu dem Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates über den Schutz personenbezogener Daten, die im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen verarbeitet werden

ABl. C 91 vom 26.4.2007, p. 9–14 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

26.4.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 91/9


Zweite Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten zu dem Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates über den Schutz personenbezogener Daten, die im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen verarbeitet werden

(2007/C 91/02)

DER EUROPÄISCHE DATENSCHUTZBEAUFTRAGTE —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 286,

gestützt auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 8,

gestützt auf die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, (1)

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr (2), insbesondere auf Artikel 41 —

HAT FOLGENDE STELLUNGNAHME ANGENOMMEN:

1.

Der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB) hat am 19. Dezember 2005 eine Stellungnahme (3) zu dem Vorschlag der Kommission für einen Rahmenbeschluss des Rates über den Schutz personenbezogener Daten, die im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen verarbeitet werden, abgegeben. In dieser Stellungnahme hat er die Bedeutung des Vorschlags als eines wirksamen Instruments für den Schutz personenbezogener Daten in dem durch Titel VI des EU-Vertrags abgedeckten Bereich hervorgehoben. Ein solches Instrument sollte nicht nur den Grundsätzen für den Schutz personenbezogener Daten gemäß dem Übereinkommen Nr. 108 des Europarates (4) und insbesondere der Richtlinie 95/46/EG entsprechen, sondern zusätzliche Regeln enthalten, die dem besonderen Charakter der Strafverfolgung Rechnung tragen. Der EDSB hält es für überaus wichtig, dass der Rahmenbeschluss die gesamte Verarbeitung polizeilicher und justizieller Daten erfasst, selbst wenn diese nicht von den zuständigen Behörden anderer Mitgliedstaaten übermittelt oder zur Verfügung gestellt werden. Die Kohärenz des Schutzes personenbezogener Daten ist unerlässlich, unabhängig davon, wo, durch wen und zu welchem Zweck die Daten verarbeitet werden. Der EDSB hat mehrere Vorschläge zur Verbesserung des Schutzniveaus unterbreitet.

2.

Das Europäische Parlament hat am 27. September 2006 eine legislative Entschließung zu dem Kommissionsvorschlag angenommen. Insgesamt verfolgt die Entschließung die gleichen Ziele wie die Stellungnahme des EDSB, nämlich Unterstützung des Vorschlags im Allgemeinen sowie der Abänderungen, mit denen das in dem Rahmenbeschluss vorgesehene Schutzniveau erhöht werden soll.

3.

Der Kommissionsvorschlag wird gegenwärtig im Rat erörtert. Der Rat soll offenbar (5) gut vorankommen und ist derzeit damit befasst, wesentliche Textteile des Vorschlags zu ändern. Der Ratsvorsitz unternimmt große Anstrengungen, um noch deutlichere Fortschritte zu erzielen. Er möchte bis Dezember 2006 zu einem gemeinsamen Konzept in Bezug auf die wichtigsten Elemente gelangen.

4.

Der EDSB begrüßt, dass der Rat diesem wichtigen Vorschlag große Aufmerksamkeit widmet. Er ist jedoch besorgt über die Richtung der Entwicklungen. Die derzeit im Rat erörterten Texte enthalten weder die vom Europäischen Parlament vorgeschlagenen Abänderungen noch berücksichtigen sie die Stellungnahmen des EDSB oder die der Konferenz der europäischen Datenschutzbehörden. Vielmehr wurden in etlichen Fällen sogar von der Kommission vorgeschlagene Bestimmungen, die den Bürgern Schutzgarantien boten, gestrichen oder deutlich abgeschwächt. Infolgedessen besteht die Gefahr, dass das Schutzniveau niedriger als dem Schutzniveau der Richtlinie 95/46/EG oder gar des allgemeiner gefassten Übereinkommens Nr. 108 des Europarates, das für die Mitgliedstaaten bindend ist sein wird.

5.

Der EDSB weist darauf hin, dass auch der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des Europäischen Parlaments vor kurzem seine Besorgnis über die Entscheidungen des Rates zu diesem Vorschlag für einen Rahmenbeschluss zum Ausdruck gebracht hat.

6.

Aus diesen Gründen gibt der EDSB jetzt eine zweite Stellungnahme ab. Er konzentriert sich darin auf einige wesentliche Bedenken und greift nicht alle Punkte erneut auf, die in der Stellungnahme des EDSB vom Dezember 2005 behandelt wurden; diese behalten alle ihre Gültigkeit.

Generelle Bedenken

7.

In dem im Aufbau befindlichen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts gewinnt der Austausch von polizeilichen und justiziellen Informationen zwischen den Mitgliedstaaten immer mehr an Bedeutung. Es wurden verschiedene Rechtsinstrumente vorgeschlagen bzw. angenommen, um diesen Informationsaustausch zu erleichtern. Der EDSB unterstreicht noch einmal, dass es in diesem Zusammenhang eines soliden Rechtsrahmens bedarf, der die betroffenen Personen schützt, damit die Achtung der Grundrechte der Bürger gewährleistet ist. Der vorliegende (Vorschlag für einen) Rahmenbeschluss steht mit den Vorschlägen zur Vereinfachung des Austauschs der genannten Informationen in einem unmittelbaren Zusammenhang.

8.

Der EDSB erkennt an, wie wichtig es ist, dass der Rahmenbeschluss vom Rat so bald wie möglich angenommen wird; er weist aber nachdrücklich darauf hin, dass eine zügige Entscheidungsfindung nicht zu einer Absenkung der Schutzstandards führen darf. Die derzeit im Rat erörterten Texte lassen Zweifel aufkommen, ob ein ausreichend solides Ergebnis zustande kommt, damit den Bürgern ein wirksames Schutzniveau geboten wird. Im Moment scheint die angestrebte Zügigkeit zur Folge zu haben, dass Bestimmungen, die möglicherweise umstritten sind, gestrichen oder abgeschwächt werden. Durch die fehlende Zeit, um einen Konsens über gegebenenfalls umstrittene Bestimmungen zu erzielen, könnte die Qualität des Rahmenbeschlusses beeinträchtigt werden.

9.

Daher empfiehlt der EDSB, dass sich der Rat mehr Zeit für die Verhandlungen nimmt, damit im Ergebnis ein ausreichender Schutz geboten wird.

Anwendbarkeit auf die innerstaatliche Datenverarbeitung

10.

Diese Frage bildete ein wesentliches Element der Stellungnahme vom Dezember 2005, und sie wurde in der Folge eingehend erörtert. Gemeinsame Datenschutzvorschriften sollten für alle Daten im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit gelten und nicht auf den grenzüberschreitenden Austausch zwischen den Mitgliedstaaten beschränkt werden. Mit einem engeren Anwendungsbereich könnte kein ausreichender Schutz geboten werden, wie er in Artikel 30 Absatz 1 Buchstabe b des EU-Vertrags gefordert wird. Dieser Punkt ist nicht nur vom EDSB, sondern auch von anderen Beteiligten mehrfach hervorgehoben worden.

11.

Der EDSB hat in seiner Stellungnahme vom Dezember 2005 festgestellt, dass eine Beschränkung auf Daten, die mit einem anderen Mitgliedstaat ausgetauscht werden, zu großer Ungewissheit und Unsicherheit bezüglich des Anwendungsbereichs des Rahmenbeschlusses führen würde, was dem grundlegenden Ziel des Rahmenbeschlusses entgegenstünde. Zum Zeitpunkt der Erhebung oder Verarbeitung personenbezogener Daten steht noch nicht fest, ob diese Daten später für einen Austausch mit den zuständigen Behörden anderer Mitgliedstaaten von Belang sein werden.

12.

Aus diesem Grund erweist sich ein enger gefasster Anwendungsbereich als nicht umsetzbar und ein solcher würde, sofern er vorgesehen würde, schwierige und sehr genaue Unterscheidungen in den Datenbanken der Strafverfolgungsbehörden erforderlich machen, was nur mehr Aufwand und zusätzliche Kosten für diese Behörden mit sich bringen und zudem die Rechtssicherheit des Einzelnen beeinträchtigen würde.

13.

Zwei Beispiele sollen diese Folgen veranschaulichen. Zunächst würden sich ein Mehraufwand und zusätzliche Kosten daraus ergeben, dass Strafakten in relativ vielen Fällen aus Daten verschiedener Behörden zusammengestellt werden. Die Folge eines begrenzten Anwendungsbereichs wäre, dass Teile solcher zusammengestellter Akten, nämlich die Teile, die Daten von Behörden aus anderen Mitgliedstaaten enthalten, durch den Rahmenbeschluss geschützt wären, andere Teile hingegen nicht. Zweitens würde die Rechtssicherheit des Einzelnen beeinträchtigt, weil — im Falle eines enger gefassten Anwendungsbereichs — Daten aus Drittländern, die nicht zwischen Mitgliedstaaten ausgetauscht werden, von dem Rahmenbeschluss nicht erfasst würden. Natürlich birgt die Verarbeitung solcher Daten besondere Risiken für die betroffenen Personen, wenn beispielsweise keine rechtliche Pflicht zur Überprüfung ihrer Richtigkeit besteht. Ein gutes Beispiel wäre die Verwendung der Listen unerwünschter Flugpassagiere (No Fly Lists) von Drittländern für Strafverfolgungszwecke in einem Mitgliedstaat.

14.

Der EDSB betont noch einmal, dass ein hohes Datenschutzniveau im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit erforderlich ist, da die Verarbeitung personenbezogener Daten hier naturgemäß besondere Risiken für den Bürger birgt, was unter anderem in Artikel 30 Absatz 1 Buchstabe b des EU-Vertrags anerkannt wird. Darüber hinaus würde durch starke Abweichungen im Datenschutz zwischen der ersten und der dritten Säule nicht nur das Recht der Bürger auf den Schutz personenbezogener Daten beeinträchtigt, sondern auch die Wirksamkeit der Strafverfolgung und das gegenseitige Vertrauen unter den Mitgliedstaaten eingeschränkt.

15.

Der Vorschlag dient beiden Zielen. Er soll den Bürgern Garantien gegen die missbräuchliche Verwendung ihrer persönlichen Daten bieten. Für die betroffenen Bürger ist es unerheblich, ob die sie betreffenden Daten im Rahmen eines Austauschs zwischen den Mitgliedstaaten oder in einem rein innerstaatlichen Kontext verarbeitet werden. Außerdem soll der Vorschlag zu gegenseitigem Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten als Voraussetzung für einen erfolgreichen Informationsaustausch beitragen. Wenn gemeinsame Standards für die Datenverarbeitung gelten, wird der Datenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten leichter akzeptiert werden.

16.

Der EDSB macht darauf aufmerksam, dass durch die Beschränkung des Anwendungsbereichs des Rahmenbeschlusses auf Daten in Verbindung mit einem Austausch die Vertrauensbildung zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten nicht im vollen Umfang gewährleistet werden kann. Außerdem würden durch einen Text mit eingeschränkter Tragweite die Bürger nicht angemessen geschützt. Unter diesen Umständen würde der Rahmenbeschluss den Bürgern nicht mehr eine ausreichende Garantie gegen einen möglichen Missbrauch ihrer Daten durch staatliche Behörden bieten. Nach Ansicht des EDSB ist diese „Schutzschild-Funktion “der Gesetzgebung wesentlich, und sei es nur, um sicherzustellen, dass die Europäische Union die Grundrechte nach Artikel 6 des EU-Vertrags achtet.

17.

Ferner gibt es ein strategisches Argument, das dafür spricht, den Rahmenbeschluss auf die gesamte Datenverarbeitung anzuwenden. Wie die jüngsten Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten über ein neues Abkommen über die Verarbeitung und Übermittlung von Fluggastdatensätzen (6) zeigen, würden solide EU-Rechtsvorschriften, die den Bürger in allen Situationen innerhalb der EU schützen, auch die Position der EU in Verhandlungen mit Drittländern stärken. Ohne ein solches Rechtsvorschrift wäre es ziemlich schwierig, auf einem angemessenen Schutzniveau in Drittländern als Vorbedingung für die Übermittlung von personenbezogenen Daten zu bestehen.

Weitere Bedenken

18.

Betonung der Datenqualität. Artikel 4 des Kommissionsvorschlags enthält nicht nur die wichtigsten, die Datenqualität betreffenden Grundsätze der Richtlinie 95/46/EG, sondern auch einige spezifische Vorschriften. So wird zwischen verschiedenen Kategorien von betroffenen Personen (Verdächtige, verurteilte Personen, Opfer, Zeugen usw.) unterschieden. Die betreffende Daten sollten auf andere Weise — mit speziellen Schutzgarantien — behandelt werden, besonders im Hinblick auf nicht verdächtige Personen. Außerdem werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, eine Unterscheidung der Daten nach ihrer sachlichen Richtigkeit und Zuverlässigkeit vorzunehmen. Diese Bestimmung ist wichtig, da die Strafverfolgungsbehörden auch weiche Daten nutzen, die auf Vermutungen und nicht unbedingt auf Fakten beruhen. Nach Ansicht des EDSB stellen diese Bestimmungen wichtige Schutzgarantien dar und sollten daher nicht aus dem Vorschlag gestrichen oder in fakultative Bestimmungen umgewandelt werden.

19.

Datenverarbeitung und Zweckbeschränkung. In seiner Stellungnahme vom Dezember 2005 hat der EDSB untersucht, ob bessere Rechtsvorschriften für die Weiterverwendung von Daten erforderlich sind, die von einer Behörde zu einem bestimmten Zweck erhoben wurden. Jetzt vertritt der EDSB im Zusammenhang mit seinen Bedenken zu Artikel 5 vor allem die Auffassung, dass einerseits die (Weiter)Verarbeitung von Daten für umfassendere Zwecke gestattet werden muss, andererseits aber die Voraussetzungen für diese Verarbeitung rechtlich genau festgelegt werden müssen, um die betroffene Person zu schützen. Der EDSB warnt vor Lösungen, die diese Frage allein dem Ermessen im Rahmen des einzelstaatlichen Rechts überlassen oder die Voraussetzungen für die Weiterverarbeitung nicht im Einklang mit der Richtlinie 95/46/EG und dem Übereinkommen Nr. 108 des Europarates abgrenzen (7). Die Verarbeitung besonderer Kategorien von Daten ihrerseits wird in der Richtlinie 95/46/EG und im Übereinkommen Nr. 108 generell untersagt, jedoch werden Ausnahmen zugelassen (8). Der EDSB befürchtet, dass in dem Rahmenbeschluss das generelle Verbot gestrichen wird und damit eine Ausnahme zur Regel wird. Eine solche Lösung stünde nicht nur im Widerspruch zur Richtlinie 95/46/EG, sondern wäre auch nicht mit dem Übereinkommen Nr. 108 zu vereinbaren.

20.

Datenaustausch mit anderen Behörden und nicht-öffentlichen Stellen. Der Kommissionsvorschlag enthält Einschränkungen und spezielle Schutzbestimmungen für den Informationsaustausch mit Behörden, die keine Polizei- und Justizbehörden sind, sowie mit nicht-öffentlichen Stellen und Behörden von Drittländern. Der EDSB unterstreicht die Bedeutung dieser speziellen Bestimmungen aus folgenden Gründen: Erstens birgt der Informationsaustausch mit solchen „Dritten “besondere Risiken (Verstöße gegen die Sicherheitsvorschriften, Weiterverarbeitung für andere Zwecke usw.). Zweitens wird die Beteiligung von Dritten an der Strafverfolgung und der Verarbeitung strafverfolgungsrelevanter Informationen immer üblicher. Die Richtlinie 2006/24/EG über die Vorratsspeicherung von Daten (9), das Abkommen mit den Vereinigten Staaten über Fluggastdaten und der so genannte SWIFT-Fall (10) sind gute Beispiele hierfür. Drittens lässt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 30. Mai 2006 zu Fluggastdaten (11) ernsthafte Zweifel hinsichtlich des Schutzes personenbezogener Daten aufkommen, die von nicht-öffentlichen Stellen zu kommerziellen Zwecken erhoben und später für Zwecke der Strafverfolgung verarbeitet werden.

21.

Was die Datenübermittlung an bzw. durch andere — öffentliche oder nicht-öffentliche — Stellen innerhalb der EU anbelangt, so ist es wichtig, dass diese Frage in dem Vorschlag genau geregelt wird und Lösungen gewählt werden, die im Einklang mit der Richtlinie 95/46/EG stehen. Diese Lösungen müssen gewährleisten, dass die Folgen der Säulenstruktur — insbesondere die Unsicherheit hinsichtlich der Abgrenzung zwischen beiden Säulen, soweit es um den Austausch personenbezogener Daten zwischen Strafverfolgungsbehörden und anderen Stellen geht, — nicht die Wirksamkeit des Schutzes beeinträchtigen.

22.

Was die Datenübermittlung an Drittländer und seitens dieser betrifft, so ist in dem Kommissionsvorschlag eine Angemessenheitsentscheidung der Kommission vorgesehen. Falls dies im Rat keine Zustimmung findet, würde das bedeuten, dass jeder Mitgliedstaat selbst über die Angemessenheit entscheidet oder — noch schlimmer — dass die Datenübermittlung ohne eine Überprüfung des Schutzniveaus in dem jeweiligen Drittland erfolgt. Das Fehlen eines harmonisierten Systems für den Austausch personenbezogener Daten mit Drittländern könnte also Folgendes zur Folge haben:

Es könnte dem Vertrauen zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten abträglich sein, da eine Behörde möglicherweise Informationen weniger bereitwillig an die Behörde eines anderen Mitgliedstaates weitergibt, wenn dieser Mitgliedstaat die Informationen ohne klare Schutzbestimmungen auch an Behörden von Drittländern weiterleitet;

Es könnte Umgehungen bewirken. Wenn die Behörde eines Mitgliedstaates Informationen aufgrund des Schutzes durch den Rahmenbeschluss nicht direkt von einem anderen Mitgliedstaat erhalten kann, könnte sie die Behörde eines Drittlandes um Unterstützung bitten.

Es könnte „Forum-Shopping “durch die Behörden von Drittländern begünstigen. Diese könnten den Mitgliedstaat mit den niedrigsten rechtlichen Anforderungen an die Datenübermittlung um Informationen ersuchen.

Nach Ansicht des EDSB ist es äußerst wichtig, dass Mechanismen geschaffen werden, die gemeinsame Standards und koordinierte Angemessenheitsentscheidungen gewährleisten, auch um dem Übereinkommen Nr. 108 des Europarates (insbesondere dessen Artikel 12) (12) zu entsprechen. In dem Rahmenbeschluss sollten solche Mechanismen vorgesehen werden.

23.

Dem EDSB ist bekannt, dass mehrere Mitgliedstaaten die Rechtsgrundlage für die Aufnahme einer Bestimmung über den Austausch personenbezogener Daten mit Drittländern in Fällen, in denen diese Daten nicht von der zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaates empfangen oder zur Verfügung gestellt wurden, in Frage stellen. Nach Ansicht des EDSB gibt es keinen Grund die Rechtsgrundlage in Frage zu stellen. Die in der Stellungnahme vom Dezember 2005 dargelegten Beispiele sowie die unter Nummer 22 angeführten Argumente verdeutlichen den unmittelbaren Zusammenhang zwischen diesem Austausch mit Drittländern und der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit gemäß Artikel 29 des EU-Vertrags. Eine Bestimmung über den Austausch personenbezogener Daten mit Drittländern ist als eine zusätzliche und notwendige Bestimmung anzusehen, um die Ziele des Artikels 29 des EU-Vertrags in Verbindung mit Artikel 6 des EU-Vertrags, vor allem eine engere Zusammenarbeit der Polizeibehörden unter Achtung der Grundrechte, zu erreichen.

24.

Die Rechte der betroffenen Person. Die betroffene Person hat das Recht, über die Verarbeitung sie betreffender personenbezogener Daten informiert zu werden. Dieses Recht steht im Zusammenhang mit dem Grundsatz einer Verarbeitung personenbezogener Daten nach Treu und Glauben und auf rechtmäßige Weise, der seinerseits durch den Rahmenbeschluss befolgt wird und zudem durch das Übereinkommen Nr. 108 des Europarates, insbesondere dessen Artikel 5 Buchstabe a und dessen Artikel 8, geschützt ist. Ein wesentliches Element dieses Rechts ist, dass der für die Verarbeitung Verantwortliche diese Auskunft von Amts wegen erteilen muss. Da die betroffene Person in der Regel nicht weiß und nicht wissen kann, dass sie betreffende Daten verarbeitet werden, würde es der Natur dieses Rechts widersprechen, wenn man einen Antrag von der betroffenen Person verlangen würde. Natürlich bestehen Ausnahmen von diesem Auskunftsrecht und es ist klar, dass diese Ausnahmen im Bereich der Strafverfolgung eine wichtige Rolle spielen können, da Auskünfte über strafrechtliche Ermittlungen eben diese beeinträchtigen könnten. Jede Lösung, bei der das Auskunftsrecht von einem Antrag der betroffenen Person abhängig ist, wäre jedoch inakzeptabel und nicht mit dem Übereinkommen Nr. 108 des Europarates zu vereinbaren.

25.

Der EDSB betont, dass die Stellung der Datenschutzbehörden im Einklang mit der Stellung stehen sollte, die ihnen in der Richtlinie 95/46/EG zuerkannt wird. Diese Stellung ist im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit von noch größerer Bedeutung. Bei der Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden zur wirksamen Bekämpfung des Terrorismus und anderer Formen der Schwerkriminalität müssen häufig sensible personenbezogene Daten verarbeitet werden und sind Ausnahmen von den Rechten der betroffenen Personen erforderlich (so z.B. das unter Nummer 24 erwähnte Auskunftsrecht).

26.

Der EDSB weist erstens darauf hin, dass die Behörden die Verarbeitung personenbezogener Daten im Anwendungsbereich des Rahmenbeschlusses wirksam überwachen und kontrollieren müssen, insbesondere wenn zwischen den Mitgliedstaaten personenbezogene Daten im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit ausgetauscht werden. Zweitens sollte die beratende Funktion der Behörden im nationalen Zuständigkeitsbereich wie auch im Rahmen des institutionalisierten Netzes der Datenschutzbehörden, d.h. der Arbeitsgruppe der Behörden (in der Richtlinie als „Artikel 29 Datenschutzgruppe “bezeichnet), gewährleistet sein. Der Beitrag der Datenschutzbehörden wird benötigt, um die Kohärenz zwischen dem durch den Rahmenbeschluss gebotenen Schutz und dem Schutz im Rahmen der Richtlinie 95/46/EG zu stärken, die Erfüllung der rechtlichen Verpflichtungen sicherzustellen und eine vollständige Harmonisierung zwischen den Mitgliedstaaten auch in der Praxis zu erreichen.

27.

Artikel 24 des Kommissionsvorschlags enthält detaillierte Sicherheitsvorschriften, die mit den entsprechenden Vorschriften im Europol-Übereinkommen vergleichbar sind. Der EDSB warnt davor, diese Vorschriften aus dem Vorschlag zu streichen. Ein harmonisiertes Sicherheitsniveau ist ein wichtiges Instrument, um das Vertrauen der betroffenen Personen wie auch der Behörden der Mitgliedstaaten zueinander zu stärken.

28.

In seiner Stellungnahme vom Dezember 2005 hat der EDSB empfohlen, spezielle Sicherheiten für die Verarbeitung bestimmter besonderer Kategorien von Daten, wie z.B. biometrische Daten und DNA-Profile, einzuführen. Im Bereich der Strafverfolgung werden diese Kategorien von Daten in immer stärkerem Maße verwendet, wobei diese Verwendung besondere Risiken für die betroffene Person bergen kann. Es werden gemeinsame Regeln benötigt. Der EDSB bedauert, dass der Rat diese Empfehlung nicht oder zumindest nicht sichtbar berücksichtigt hat. Er fordert die Kommission und den Rat nachdrücklich auf, einen Vorschlag zu dieser Frage anzunehmen, unabhängig davon, ob er mit dem Grundsatz der Verfügbarkeit in Zusammenhang steht oder nicht.

Schlussbemerkungen

29.

Der EDSB empfiehlt, dass sich der Rat mehr Zeit für die Verhandlungen nimmt, damit im Ergebnis ein ausreichendes Schutzniveau erreicht werden kann. Er erkennt zwar an, wie wichtig es ist, dass der Rahmenbeschluss vom Rat rasch angenommen wird, weist aber darauf hin, dass eine zügige Entscheidungsfindung nicht zu einer Verringerung der Schutzstandards führen darf.

30.

Die Kohärenz des Schutzes ist entscheidend, unabhängig davon, wo, durch wen und zu welchem Zweck personenbezogene Daten verarbeitet werden. Der EDSB fordert den Rat dringend auf, ein Schutzniveau einzuhalten, das nicht niederiger ist als dem Schutzniveau der Richtlinie 95/46/EG oder gar des allgemeiner gefassten Übereinkommens Nr. 108 des Europarates, das für die Mitgliedstaaten bindend ist.

31.

Gemeinsame Regeln für den Datenschutz sollten für alle Daten im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit gelten und sich nicht auf den grenzüberschreitenden Austausch zwischen Mitgliedstaaten beschränken. Die vorliegende Stellungnahme enthält Argumente, die zeigen, dass ein stärker begrenzter Anwendungsbereich nicht umsetzbar ist und, falls er vorgesehen werden sollte, zu komplexeren Handlungsabläufen und zusätzlichen Kosten für die Behörden führen und die Rechtssicherheit des Einzelnen beeinträchtigen würde.

32.

Weitere Anliegen des EDSB betreffen Folgendes:

Die speziellen Bestimmungen zur Datenqualität im Kommissionsvorschlag sollten weder aus dem Vorschlag gestrichen noch in fakultative Bestimmungen umgewandelt werden.

Die Bestimmungen über die Weiterverwendung von Daten und über besondere Kategorien von Daten sollten im Einklang mit der Richtlinie 95/46/EG und dem Übereinkommen Nr. 108 des Europarates stehen.

Die speziellen Bestimmungen über den Datenaustausch mit anderen Stellen als den Strafverfolgungsbehörden innerhalb der EU sollten nicht aus dem Vorschlag gestrichen oder ihr Anwendungsbereich eingeschränkt werden. Was den Datenaustausch mit Drittländern anbelangt, so sollten zumindest Mechanismen eingeführt werden, die gemeinsame Standards und koordinierte Angemessenheitsentscheidungen sicherstellen, auch um dem Übereinkommen Nr. 108 des Europarates zu entsprechen. Der Rahmenbeschluss sollte solche Mechanismen vorsehen.

Lösungen, bei denen das Auskunftsrecht von einem Antrag der betroffenen Person abhängig ist, sind nicht akzeptabel und nicht mit dem Übereinkommen Nr. 108 des Europarates zu vereinbaren.

Die Stellung der Datenschutzbehörden sollte der Stellung entsprechen, die ihnen in der Richtlinie 95/46/EG zuerkannt wird.

Die detaillierten Sicherheitsvorschriften, die mit den Vorschriften des Europol-Übereinkommens vergleichbar sind, sollten nicht aus dem Vorschlag gestrichen werden.

Die Kommission und der Rat sollten einen Vorschlag betreffend die Verarbeitung besonderer Kategorien von Daten (z.B. biometrische Daten und DNA-Profile) annehmen, unabhängig davon, ob diese mit dem Grundsatz der Verfügbarkeit in Zusammenhang stehen oder nicht.

Geschehen zu Brüssel am 29. November 2006

Peter HUSTINX

Europäischer Datenschutzbeauftragter


(1)  ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31.

(2)  ABl. L 8 vom 12.1.2001, S. 1.

(3)  ABl. C 47 vom 25.2.2006, S. 27.

(4)  Übereinkommen des Europarates vom 28. Januar 1981 zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten.

(5)  Offiziell stehen keine für die Öffentlichkeit zugänglichen Dokumente zur Verfügung und der EDSB ist nicht direkt an der Arbeit der Ratsgruppe beteiligt. Dokumente, die den Sachstand der Beratungen im Rat widerspiegeln, sind auf der Website von Statewatch (www.statewatch.org) zu finden.

(6)  Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (Passenger Name Records — PNR) und deren Übermittlung durch die Fluggesellschaften an das United States Department of Homeland Security, (ABl. L 298 vom 27.10.2006, S. 29).

(7)  Siehe Artikel 13 in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 95/46/EG und Artikel 9 in Verbindung mit Artikel 5 Buchstabe b des Übereinkommens Nr. 108.

(8)  Siehe Artikel 8 der Richtlinie 95/46/EG und Artikel 6 des Übereinkommens Nr. 108.

(9)  Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG (ABl. L 105 vom 13.4.2006, S. 54).

(10)  Siehe Stellungnahme Nr. 10/2006 der Artikel 29 Datenschutzgruppe vom 22. November 2006 zur Verarbeitung personenbezogener Daten bei der Society of Worldwide Interbank Financial Telecommunication (SWIFT).

(11)  Urteil in den Rechtssachen C-317/04 und C-318/04.

(12)  Siehe im Einzelnen auch Artikel 2 des (von mehreren Mitgliedstaaten ratifizierten) Zusatzprotokolls, der mit den Artikeln 25 und 26 der Richtlinie 95/46/EG übereinstimmt.


Top