EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 7.7.2016
COM(2016) 445 final
BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT
über die Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 89/106/EWG des Rates
Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 89/106/EWG des Rates
1.Einleitung
Die Bauprodukte-Verordnung (BauPVO) trat an die Stelle der Bauprodukte-Richtlinie (Bauprodukte-RL), in der harmonisierte Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten in der EU festgelegt wurden. Die BauPVO findet seit Juli 2013 in vollem Umfang Anwendung.
Dieser in Artikel 67 Absatz 2 der BauPVO vorgeschriebene Bericht an das Europäische Parlament und den Rat beschreibt den Stand der Durchführung der BauPVO und gibt über die bisherigen Erfahrungen, das Ausmaß der Verwirklichung der angestrebten Ziele und etwaigen Verbesserungsbedarf Aufschluss.
Dieser Bericht stützt sich auf Fakten, die Berichten von Mitgliedstaaten und Interessenträgern an die Kommission entnommen sind, ferner auf regelmäßige Rückmeldungen der Mitgliedstaaten und der wichtigsten Interessenträger, die vornehmlich über die Beratungsgruppe und den Ständigen Ausschuss für das Bauwesen und die Gruppe für die Verwaltungszusammenarbeit im Bereich der Marktüberwachung (AdCo-CPR) gegeben wurden, sowie auf die im Juli 2015 fertiggestellte externe Studie „Analysis of implementation of the Construction Products Regulation“.
Dieser Bericht behandelt keine Fragen, auf die schon in spezifischen Studien, in von der Kommission erstellten Berichten und in später in diesem Jahr vorzulegenden Berichten eingegangen wird. Hierzu gehören der Bericht über gefährliche Stoffe (2014), der 2015 angenommene Bericht über die übertragenen Befugnisse und der bis zum 1. Januar 2017 vorzulegende Bericht über die Finanzierung der Europäischen Organisation für technische Bewertung (EOTA).
Analog dazu werden die Kohärenz der für das Baugewerbe geltenden EU-Rechtsvorschriften (einschließlich der BauPVO) sowie die damit für die Baubranche verbundenen Kosten und Vorteile in einem für 2017 geplanten sektorspezifischen Eignungstest überprüft. Zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der BauPVO wurde eine Studie in Auftrag gegeben, mit deren Ergebnissen im Sommer 2016 gerechnet wird.
2.Ansatz der BauPVO
Die Ziele der BauPVO
Das wichtigste Ziel der BauPVO bleibt gegenüber der Bauprodukte-RL unverändert und besteht somit darin, durch die Festlegung von harmonisierten Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten das Funktionieren des Binnenmarktes effizienter zu gestalten und den freien Verkehr von Bauprodukten in der EU zu verbessern.
Mit der BauPVO wird zudem eine Vereinfachung des bestehenden Systems, eine Klärung der verwendeten Begriffe und Begriffsbestimmungen sowie ein insgesamt vertrauenswürdigeres System angestrebt. Alle diese Ziele leisten auch einen Beitrag zur KMU-Politik der EU, mit der gleiche Wettbewerbsbedingungen für KMU und insbesondere Kleinstunternehmen geschaffen werden sollen.
Der Ansatz der BauPVO unterstützt die Strategie der Europäischen Union „Europa 2020“ und die mit der Initiative „Construction 2020“ angestrebte nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit des Baugewerbes und seiner Unternehmen.
Funktionsweise der BauPV
Das auf der BauPVO basierende System harmonisiert die Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten durch die Einführung einheitlicher technischer Begriffe, mit denen die wesentlichen Merkmale in Bezug auf ihre Leistung in harmonisierten technischen Spezifikationen (harmonisierte Normen und Europäische Bewertungsdokumente festgelegt werden. Sie sollen den Bereich der Grundanforderungen an Bauwerke abdecken. Wenn ein Bauprodukt von einer harmonisierten Norm erfasst ist oder dafür eine Europäische Technische Bewertung ausgestellt wurde, arbeitet der Hersteller eine Leistungserklärung aus und bringt die CE-Kennzeichnung an diesem Produkt an.
Die mit der BauPVO angepeilte Konsolidierung des Binnenmarkts für Bauprodukte folgte einer anderen Ausrichtung als die allgemeinen Grundsätze, die ursprünglich in der Entschließung des Rates über eine neue Konzeption auf dem Gebiet der technischen Harmonisierung und der Normung festgelegt und in der Zwischenzeit durch den Beschluss Nr. 768/2008/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten überarbeitet wurden. Die wichtigsten Unterschiede sind:
Die Zuständigkeitsverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten: Die EU befasst sich mit den Vorschriften für den Zugang zum Binnenmarkt. Die Mitgliedstaaten sind für die Anforderungen an Sicherheit, Umweltverträglichkeit und Energieeffizienz verantwortlich, die für die Bauwerke gelten.
Harmonisierte Marktbedingungen: Anstatt die Bauprodukte oder die an sie gestellten Anforderungen zu harmonisieren, beschränken sich die EU-Rechtsvorschriften (die BauPVO) darauf, harmonisierte Bedingungen für die Vermarktung dieser Produkte zu schaffen. Die harmonisierten technischen Spezifikationen sollen den freien Verkehr von Bauprodukten vereinfachen und die Wirtschaftsakteure in die Lage versetzen, die Vorteile des Binnenmarkts voll auszuschöpfen.
Durch die Verwendung einheitlicher technischer Begriffe verfügen die Fachleute, Behörden und Verwender von Bauprodukten über zuverlässige Informationen für einen Vergleich der Leistung der Produkte. Weitere Vorteile:
Die Produkte müssen nur einmal nach einer harmonisierten Norm oder einem Europäischen Bewertungsdokument geprüft werden;
die nationalen Behörden können Leistungsanforderungen mit Hilfe von harmonisierten Normen oder Europäischen Bewertungsdokumenten festlegen;
die Verwender von Bauprodukten können ihre Leistungsvorgaben klarer festlegen;
die Marktüberwachung kann sich auf ein gemeinsames Informationssystem stützen.
Allgemeine Durchführung
Da mit der BauPVO neue Unterlagen, Verfahren und Pflichten eingeführt wurden, ist ein Übergangszeitraum vorgesehen. Die BauPVO findet erst seit dem 1. Juli 2013, d. h. seit weniger als drei Jahren vor Vorlage dieses Berichts, in vollem Umfang Anwendung. Die Durchführung einiger Aspekte der BauPVO kann unter anderem aus diesem Grund noch nicht vollständig bewertet werden kann, so dass diese Bewertung teilweise vorläufigen Charakters ist.
In der Übergangsphase hat sich die Kommission mit Informationskampagnen vornehmlich an die Wirtschaftsteilnehmer, insbesondere KMU, aber auch an die öffentlichen Behörden und Verwender von Bauprodukten gerichtet.. Mehrere Branchenverbände und öffentliche Behörden haben ebenfalls Informationskampagnen durchgeführt, die sich an ihre jeweiligen Mitglieder bzw. Gebiete richteten.
Generell wurden alle Vorschriften der BauPVO von allen Betroffenen umgesetzt: Beispielsweise gibt es europaweit notifizierte Stellen und Technische Bewertungsstellen; in den Mitgliedstaaten wurden Produktinformationsstellen für das Bauwesen eingerichtet. Bei einigen, noch nicht in vollem Umfang umgesetzten Aspekten sind weitere Anstrengungen erforderlich, wie in den folgenden Abschnitten ausgeführt wird.
3.Vorschriften über die Vermarktung von Bauprodukten
Damit ein Bauprodukt in der EU in Verkehr gebracht werden kann, sind die Leistungserklärung und die CE-Kennzeichnung erforderlich. Die Hersteller von Produkten, die in den harmonisierten Bereich fallen, müssen sie verwenden. Sie sind außerdem das einzige Mittel, um Informationen über die Leistungen der Produkte in Bezug auf die durch die BauPVO festgelegten wesentlichen Merkmale zur Verfügung zu stellen.
Damit das durch die BauPVO eingeführte System zur Bereitstellung von Informationen über die Leistung von Produkten auch effizient ist, muss es einheitlich angewendet werden. Daher müssen die Vorschriften über die harmonisierten Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten auf EU-Ebene in der oder durch die BauPVO festgelegt werden. Würden die Behörden der Mitgliedstaaten ihren jeweils eigenen Ansätzen folgen, wäre dies einem kohärenten Vorgehen abträglich und würde zu einer Zersplitterung des Binnenmarkts beitragen.
Dennoch werden in mehreren Mitgliedstaaten entgegen den Grundsätzen der BauPVO weiterhin nationale Kennzeichnungen verwendet. Nationale Ex-ante-Verfahren oder -Prüfungen, die den harmonisierten Bereich abdecken, sind nicht zulässig. Dies gilt auch für freiwillige Kennzeichnungen ohne jede nationale Konnotation, da sie den freien Verkehr von Bauprodukten mit CE-Kennzeichnung in unangemessener Weise behindern, wenn sie beispielsweise an ein anspruchsvolleres System für die Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit gebunden sind, das von Bauaufsichtsstellen oder Versicherungsgesellschaften auferlegt wird, oder wenn sie mit finanziellen Anreizen verknüpft sind.
Dies wurde durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-100/13 bestätigt, laut dem es die Mitgliedstaaten unterlassen müssen, zusätzliche Anforderungen festzusetzen. Die Anwendbarkeit dieses Urteils unter der Geltung der BauPVO und seine große Reichweite über alle harmonisierten Normen bestätigen den zwingenden Charakter der gemeinsamen Fachsprache. Da das in der oder durch die BauPVO geschaffene harmonisierte System als abschließend angesehen wird, bleibt kein Raum für irgendwelche anderen Systeme zum Umgang mit der Vermarktung von Bauprodukten innerhalb des harmonisierten Bereichs. Die Kommission hat daher alle Mitgliedstaaten gebeten, ihre nationalen Systeme an diese Grundsätze anzugleichen, und beobachtet genau die von ihnen vorgenommenen Anpassungen.
Ein weiterer Schlüsselaspekt der Durchführung, auf den viele Interessenträger hingewiesen haben, sind erhebliche Überschneidungen zwischen den in der Leistungserklärung und der CE-Kennzeichnung verlangten Informationen, die zusätzlichen administrativen und finanziellen Aufwand verursachen. Bei einer flexiblen Auslegung von Artikel 9 Absatz 2 könnte die CE-Kennzeichnung nur die maßgeblichen Informationen und bezüglich der anderen Informationen einen Hinweis auf die Leistungserklärung enthalten. Die Leistungserklärung würde in Papierform mit dem Produkt, in elektronischer Form oder über eine Website zur Verfügung gestellt werden. Dies könnte die Hersteller entlasten und wäre im Sinne der mit der BauPVO angestrebten Vereinfachung. Die Kommission setzt sich weiterhin für eine derartige vereinfachte und flexible Lösung ein, um unter anderem die Rechtssicherheit für die Hersteller zu gewährleisten, die keine unterschiedlichen Auslegungen auf der Ebene der Mitgliedstaaten wünschen.
4.Informationsstellen für Bauprodukte
Die zur Unterrichtung über die nationalen Vorschriften von allen Mitgliedstaaten eingerichteten Produktinformationsstellen für das Bauwesen haben die Arbeit aufgenommen und antworten auf die Informationsanfragen der Wirtschaft. Die Europäische Kommission veröffentlicht eine Liste der Produktinformationsstellen für das Bauwesen und lädt sie regelmäßig zu Sitzungen ein, um eine angemessene Koordination und den Austausch über bewährte Praktiken zu gewährleisten.
Allerdings ist das Serviceangebot der Produktinformationsstellen bei der Industrie relativ wenig bekannt; zudem gab es Fragen zu den Antwortzeiten und zur Qualität der Auskünfte.
Die Kommission prüft Möglichkeiten zur Verbesserung dieser Situation, auch im Rahmen der Initiative für ein zentrales digitales Zugangstor, mit der die auf EU- und nationaler Ebene bestehenden Plattformen und ihr Informations- und Serviceangebot in Sachen Binnenmarktrechte optimiert werden sollen.
Parallel zu den Initiativen der Kommission müssen die Mitgliedstaaten ihre Produktinformationsstellen weiter dabei unterstützen, ihre Funktionsweise zu verbessern. Ferner müssen sie deren Bekanntheitsgrad im Baugewerbe steigern.
5.Harmonisierte Normen
Gemäß der BauPVO sind die bestehenden 457 harmonisierten Normen, die im Amtsblatt der Europäischen Union aufgeführt sind, und ihre mehr als 2000 begleitenden Normen die Hauptquelle der einheitlichen technischen Begriffe auf diesem Gebiet. Die harmonisierten Normen erfassen bislang schätzungsweise rund 75 bis 80 % aller Bauprodukte. Die Mehrzahl dieser Normen erlangte Gültigkeit, kurz bevor die BauPVO ihre volle Wirkung entfaltete. Dies liefert teilweise eine Erklärung dafür, dass nach dem Empfinden einiger Interessenträger mit der BauPVO drastische Änderungen eingetreten sind.
Anders als die im Rahmen der Harmonisierungsvorschriften der Union ausgearbeiteten harmonisierten Normen, die vollständig auf dem neuen Rechtsrahmen basieren, sollen die auf der BauPVO beruhenden harmonisierten Normen nur die Verfahren und Kriterien für die Bewertung der Leistung von Bauprodukten in Bezug auf ihre wesentlichen Merkmale umreißen. Sie legen im Allgemeinen keine Anforderungen an die Leistung der Produkte selbst fest. Dies ergibt sich aus der oben beschriebenen Zuständigkeitsverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten.
Eine der Besonderheiten der BauPVO besteht darin, dass die Anwendung von harmonisierten Normen für die Hersteller beim Inverkehrbringen der Bauprodukte und für die Behörden der Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Anforderungen für deren Verwendung verbindlich ist. Das bedeutet, dass sich alle Interessenträger auf einheitliche Vorschriften stützen können und dafür nicht auf andere (nationale) Instrumente zurückgreifen müssen.
Da die Anwendung harmonisierter Normen bei Bauprodukten zwingend vorgeschrieben ist und diese Normen große Auswirkungen auf den Markt haben, müssen sie von besonders hoher Qualität sein. Bei der Gestaltung und Anwendung der Verfahren zur Annahme von Normen ist dies berücksichtigen. Es kommt besonders darauf an, dass die verschiedenen Kategorien von Interessenträgern gerecht und ausgewogen vertreten sind und dass die Vorschriften von Artikel 3 Absatz 3 und Artikel 27 der BauPVO über die Festlegung neuer Schwellenwerte oder Leistungsklassen eingehalten werden. Bei diesen beiden Aspekten lässt einiges noch zu wünschen übrig.
Da die meisten harmonisierten Normen auf die Zeit der Bauprodukte-RL zurückgehen und alle auf der Grundlage von Normungsaufträgen ausgearbeitet wurden, die im Allgemeinen vor zehn bis zwanzig Jahren erteilt wurden, müssen einige dieser Normen jetzt überarbeitet und damit an den Stand der Technik und die Marktentwicklung angepasst werden. Überdies wurden nicht alle spezifischen Merkmale der BauPVO in der Praxis in vollem Umfang übernommen. Als die Bauprodukte-RL durch die BauPVO ersetzt wurde, mussten die Interessenträger, die europäischen Normungsorganisationen und die Behörden der Mitgliedstaaten sich erst mit den neuen Merkmalen vertraut machen und diese in harmonisierte Normen übertragen. Dieser Prozess lief nur zögerlich an und die Umstellung ist nach wie vor in Gang.
Diese Umstände erforderten eine verstärkte Kontrolle und Überwachung seitens der Kommission. Daher werden zahlreiche in Frage kommende harmonisierte Normen nicht im Amtsblatt der EU aufgeführt, bevor nicht die geeigneten Anpassungen vorgenommen bzw. die delegierten Rechtsakte für die Aufnahme von Schwellenwerten und/oder Leistungsklassen erlassen wurden. Die ständige Zusammenarbeit mit den Beratern des Europäischen Komitees für Normung (CEN) wird wesentlich zu einer Verbesserung der Situation beitragen, bevor die harmonisierten Normen der Kommission zur Veröffentlichung ihrer Nummer im Amtsblatt der Europäischen Union vorgelegt werden.
Obgleich die BauPVO keine umfangreichen Änderungen am allgemeinen Rahmen für harmonisierte Normen auf diesem Gebiet mit sich gebracht hat, forderten die Interessenträger kürzlich, den Normungsprozess zu beschleunigen und zu straffen sowie besser an die Bedürfnisse der Verwender anzupassen. Der abschließende Charakter der auf der BauPVO basierenden harmonisierten Normen, der vom EuGH in der oben erwähnten Rechtssache C-100/13 bestätigt wurde, erfordert noch die Anpassung einer ganzen Reihe von Normen. Außerdem müssen neue oder überarbeitete Normungsaufträge vorgelegt werden, ferner ist der derzeitige Rückstand bei den noch nicht im Amtsblatt der EU aufgeführten harmonisierten Normen abzuarbeiten. All das kann nur durch die verstärkte Kooperation zwischen CEN, Mitgliedstaaten, Wirtschaft, Kommission und betroffenen Interessenträgern, insbesondere im Wege der gemeinsamen Normungsinitiative, bewerkstelligt werden.
6.Europäische Organisation für technische Bewertung (EOTA)
Für Produkte, deren Leistung nicht vollständig anhand harmonisierter Normen bewertet werden kann, werden durch die BauPVO spezielle Verfahren festgelegt, in deren Verlauf Hersteller eine Europäische Technische Bewertung und die Erstellung und Annahme von Europäischen Bewertungsdokumenten durch die EOTA (Organisation Technischer Bewertungsstellen) beantragen.
Die der EOTA gesteckten Ziele, die in der BauPVO festgelegt sind und auf die mit der Bauprodukte-RL gewonnenen Erfahrungen und deren Unzulänglichkeiten zurückgehen, wurden erreicht: Verkürzung und Vereinfachung der Verfahren, Senkung der Kosten für die Hersteller und transparentere Verfahren. Für den Schritt von der Erteilung von Produktzulassungen zur bloßen Bewertung der Leistung der Produkte musste zunächst eine Reihe von Grundsätzen eingeführt werden, die in der Folge zu spezifischen Verfahren für die Erstellung und Annahme der Europäischen Bewertungsdokumente umgestaltet wurden. Da sich die betroffenen Hersteller und die Kommission stärker an diesen Verfahren beteiligten, wurden diese Grundsätze weitgehend eingehalten.
Seit November 2011 haben die meisten Mitgliedstaaten mit Hilfe der IT-Tools der Kommission nach den strengen Kriterien, die in der BauPVO festgelegt sind und auf der BauPVO beruhen, Technische Bewertungsstellen benannt. Die Anträge auf Europäische Technische Bewertungen und folglich auch die Ausarbeitung der Entwürfe der Europäischen Bewertungsdokumente werden überwiegend von einer begrenzten Anzahl von Technischen Bewertungsstellen abgewickelt.
Allerdings ist die Umstellung von der Bauprodukte-RL zur BauPVO noch nicht abgeschlossen. Fast 90 % der gemäß der BauPVO erstellten Europäischen Technischen Bewertungen basieren nach wie vor auf den Leitlinien für europäische technische Zulassungen, die als Europäische Bewertungsdokumente verwendet werden. Grundsätze für diese Praktiken wurden mit der EOTA vereinbart und müssen eingehalten werden, um Komplikationen, vor allem für die betroffenen Hersteller, vorzubeugen. Die Umwandlung von Leitlinien für europäische technische Zulassungen in Europäische Bewertungsdokumente ist im Gange. Europäische technische Zulassungen, die gemäß der Bauprodukte-RL (bis zum 30. Juni 2013) ausgestellt wurden, dürfen von den Herstellern als Europäische Technische Bewertungen bis zum Ende ihrer Gültigkeit (maximal fünf Jahre, unter Umständen also bis zum 30. Juni 2018) verwendet werden.
Der Paradigmenwechsel innerhalb der Technischen Bewertungsstellen von der „Produktzulassung“ zur „Leistungsbewertung“ ist die größte Herausforderung bei der ordnungsgemäßen Durchführung der Bestimmungen der BauPVO über die Erstellung und Annahme der Europäischen Bewertungsdokumente. Nach der Annahme der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1062/2013 der Kommission über das Format der Europäischen Technischen Bewertung für Bauprodukte haben die EOTA und die Kommission Grundsätze für die Erstellung der Europäischen Bewertungsdokumente vereinbart und auf der Grundlage der bei diesen Verfahren gesammelten Erfahrung ausführliche Anweisungen ausgearbeitet. All dies ermöglichte im Juli 2015 die erste Veröffentlichung der Referenzen Europäischer Bewertungsdokumente im Amtsblatt.
Die Kommission wurde von der EOTA nicht darüber unterrichtet, dass Uneinigkeiten zwischen Technischen Bewertungsstellen, wie sie in Artikel 23 der BauPVO genannt werden, beizulegen wären. Dies bedeutet jedoch nicht, dass keine solchen Uneinigkeiten bestehen, zumal es insbesondere bei der Annahme der Europäischen Bewertungsdokumente bei der EOTA zu Verzögerungen kam.
Abschließend lässt sich sagen, dass die Artikel 19, 20, 21 und 24 der BauPVO mit den angestrebten Zielen in Einklang stehen und ihren Zweck erfüllen. Die Umstellung von der Bauprodukte-RL zur BauPVO hätte in der Praxis schneller erfolgen können, die bestehenden Verfahren könnten weiter optimiert werden. Im Allgemeinen können die Verbesserungen, die erforderlich sind, um die Fertigstellung der Europäischen Bewertungsdokumente zu beschleunigen und transparenter zu gestalten, ohne regulatorische Vorschläge realisiert werden.
7.Notifizierte Stellen und notifizierende Behörden
Für die Vertrauenswürdigkeit des durch die BauPVO eingerichteten Systems sind weitgehend die notifizierten Stellen maßgeblich, die strenge Anforderungen an ihre fachliche Kompetenz, Unparteilichkeit und Verantwortlichkeit erfüllen müssen. Besonderes Augenmerk gilt ihrer Unabhängigkeit, was auch im Zuge des Verfahrens zum Erlass der BauPVO hervorgehoben wurde. Die von den Mitgliedstaaten benannten notifizierenden Behörden sind für die nationalen Notifizierungs- und Kontrollverfahren zuständig.
Die Aktivitäten der Gruppe notifizierter Stellen und ihrer Untergruppen haben sich durch einen verstärkten regulatorischen Rückhalt in der BauPVO intensiviert. Diese Koordination ist notwendig, damit die einheitliche Anwendung der bestehenden Vorschriften gewährleistet und so gelegentliche Kritik wegen abweichender Praktiken in diesem Bereich vermieden wird.
Die Änderung von Anhang V der BauPVO durch die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 568/2014 der Kommission vom 18. Februar 2014 brachte mehr Rechtssicherheit und Kohärenz. Durch diese Verordnung wurde das Ausmaß der Beteiligung der notifizierten Stellen und deren Funktion bei der Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit von Bauprodukten klargestellt. Seitdem herrscht bei den notifizierten Stellen mehr Klarheit über die ihnen obliegenden Aufgaben.
Der Ersatz der Bauprodukte-RL durch die BauPVO bedeutete auch für die notifizierten Stellen einen Paradigmenwechsel. Einige von ihnen müssen sich weiter anpassen, um mit der Entwicklung hin zu zielgerichteten Zertifizierungsaktivitäten vollständig Schritt zu halten, und sich darüber hinaus über ihre Funktionen noch weitere Klarheit verschaffen. Dies ist auch für die Anwendung der Akkreditierungsnormen, die zu Notifizierungszwecken herangezogen werden, von Bedeutung.
Die Rückmeldungen, die zur Anwendung der Bestimmungen der BauPVO in diesem Bereich eingegangen sind, deuten darauf hin, dass einige Vorschriften präziser formuliert sein könnten. Gleichermaßen wäre es für diese Bestimmungen vorteilhaft weiter zu prüfen, ob sie von den Grundsätzen des „neuen Konzepts“ abgehoben werden sollten.
8.Kleinstunternehmen und Vereinfachung
Zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen für KMU und Kleinstunternehmen sieht die BauPVO Ausnahmen von der Pflicht zur Ausstellung einer Leistungserklärung sowie vereinfachte Verfahren für das Inverkehrbringen von Bauprodukten vor.
Beim derzeitigen Stand der Durchführung verfügt man nach wie vor über geringe Erfahrungen, was die Praxistauglichkeit der meisten dieser Optionen betrifft. Dies gilt nicht für die Vorschriften über die vereinfachten Verfahren in Bezug auf Einstufung ohne Prüfung, Austausch und Übertragung. Diese Bestimmungen werden häufig genutzt, sofern dies angebracht ist.
Allerdings gibt es bislang kein Belegmaterial für die Verwendung der anderen in Frage kommenden Optionen. Dies könnte bedeuten, dass die erwartete Verringerung des Finanz- und Verwaltungsaufwands für die Unternehmen nicht eingetreten ist. Die Interessengruppen nennen unter anderem die folgenden Gründe für die begrenzte Inanspruchnahme:
abweichende Praktiken und Auslegungen in den Mitgliedstaaten;
geringe Bekanntheit dieser Optionen in der Wirtschaft;
Ungewissheit über die Bedeutung der Schlüsselbegriffe in der BauPVO;
Schwierigkeiten beim Nachweis der „Gleichwertigkeit“ und/oder beim Bereitstellen alternativer technischer Unterlagen;
Zweifel über die tatsächlich zutreffenden finanziellen Einsparungen;
Besorgnis, das Missfallen der Behörden oder Verwender zu erregen, wenn die Verfahren nicht (richtig) angewandt werden.
Insbesondere diese Zweifel haben die mögliche Anwendung der vereinfachten Verfahren nach Artikel 37 seitens der Kleinstunternehmen, wie sie bei der Ausarbeitung der BauPVO bezweckt wurde, behindert.
Es bedarf wohl eines Gesamtkonzepts und weiterer Überlegungen über das künftige Vorgehen, um den Erwartungen der im Baugewerbe der EU tätigen KMU und insbesondere Kleinstunternehmen besser gerecht zu werden. Es ist Aufgabe der Kommission, diese Entwicklungen durch Gespräche in einem Fachgremium voranzutreiben.
9.Marktüberwachung
Innerhalb des 2008 angenommenen neuen Rechtsrahmens wurde in der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 der übergeordnete Verwaltungsrahmen für die Marktüberwachung in den Mitgliedstaaten festgelegt, während der Beschluss Nr. 768/2008/EG Musterbestimmungen für einzelne Marktüberwachungsverfahren enthielt: Diese Bestimmungen waren dazu vorgesehen, in die bereichsspezifischen Rechtsvorschriften eingefügt zu werden. Die die Marktüberwachung betreffenden Artikel 56 bis 59 der BauPVO stützen sich daher weitgehend auf die Artikel R31 bis R34 des Beschlusses Nr. 768/2008/EG, mussten jedoch an den Kontext angepasst werden. Auf diese Anpassungen könnte man einige Herausforderungen im Zusammenhang mit der Marktüberwachung teilweise zurückzuführen, die bei der Durchführung der BauPVO aufgetreten sind.
Die Arbeitsweise der Marktüberwachungsbehörden in den Mitgliedstaaten beruhte seit deren Inkrafttreten am 1. Januar 2010 auf der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 und alle Mitgliedstaaten haben ordnungsgemäß derartige Stellen für Bauprodukte eingerichtet, wobei hinsichtlich der ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen und ihrer tatsächlichen Auswirkungen auf den Markt einige Unterschiede bestehen. Sie haben mit der Gruppe für die Verwaltungszusammenarbeit bei der Marktüberwachung (AdCo-CPR) in den letzten Jahren immer intensiver zusammengearbeitet, was zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass die EU nunmehr die Aktivitäten der Gruppe finanziell unterstützt. Die AdCo-CPR hat kürzlich mehrere gemeinsame Marktüberwachungsmaßnahmen organisiert und wirksam zur Entwicklung des ICSMS-Systems beigetragen, um den Bedürfnissen des Baugewerbes besser gerecht zu werden. Das gemäß der Richtlinie 2001/95/EG über die allgemeine Produktsicherheit eingerichtete RAPEX-System wurde im Interesse einer sicheren Nutzung auch für Bauprodukte eingesetzt.
Zu den in der AdCo-CPR laufenden Entwicklungen gehört auch die Erarbeitung eines sektorspezifischen Ansatzes für die Risikobewertung bei Bauprodukten. Außerdem gehen die Behörden der Mitgliedstaaten die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Anwendung der Artikel 56 bis 58 der BauPVO an, um die diesbezüglichen Verfahren zu optimieren. Diese Entwicklungen wirken sich sehr positiv auf Entscheidungen aus, die künftig zur Verbesserung der Marktüberwachung in den Mitgliedstaaten getroffen werden.
10.Schlussfolgerungen, Empfehlungen und weitere Vorgehensweise
Da mit der Durchführung der BauPVO erst vor relativ kurzer Zeit begonnen wurde, konnten noch nicht alle damit angestrebten Ziele erreicht werden. Ein erheblicher Teil der oben dargelegten Herausforderungen hängt damit zusammen, dass bei der Durchführung Schwierigkeiten aufgetreten sind und die Interessenträger Anpassungen zu spät vorgenommen haben. Bevor ein endgültiges Urteil über die Leistungsfähigkeit dieser Rechtsvorschrift gefällt werden kann, bedarf es weiterer Arbeiten, um die Durchführung insbesondere auf nationaler Ebene (beispielsweise in Bezug auf die einheitliche Auslegung sowie die Beseitigung von Hindernissen für den freien Verkehr), aber auch durch andere Akteure wie CEN und EOTA zu verbessern. Daher ist es nach Auffassung der Kommission gegenwärtig nicht angebracht, Änderungen an der BauPVO vorzuschlagen.
Allerdings ist es nach Ansicht der Kommission eindeutig notwendig, den Dialog mit den Mitgliedstaaten und anderen Interessenträgern fortzusetzen, die Lage genau zu beobachten und die bestehenden Vorschriften durchzusetzen.
Die bislang zur Klarstellung geleisteten Arbeiten, mit denen die angemessene und einheitliche Durchführung der BauPVO vorangetrieben werden sollte, und die Konzentration auf die im vorliegenden Bericht aufgezeigten Bereiche könnten insbesondere durch die Erarbeitung von zusätzlichem Auslegungs- und Informationsmaterial sowie von Kommunikations- und Sensibilisierungsmaßnahmen weitergeführt werden.
Ein schnellerer und strafferer Normungsprozess, aus dem Normen hervorgehen, die den Bedürfnissen ihrer Anwender durch die enge und effiziente Zusammenarbeit zwischen CEN, Mitgliedstaaten, Wirtschaft und Kommission besser gerecht werden, birgt ein großes Potenzial.
Für die EOTA könnten die in Anhang II der BauPVO festgelegten Verfahrensregeln durch einen delegierten Rechtsakt optimiert werden, um die Fertigstellung der Europäischen Bewertungsdokumente zu beschleunigen und transparenter zu gestalten.
Zu diesem Zeitpunkt ist es nach Ansicht der Kommission notwendig, insbesondere die nachstehenden Bestimmungen der BauPVO im Interesse einer einheitlichen Anwendung weiter zu präzisieren:
•
Artikel 5 Ausnahmen von der Pflicht zur Erstellung einer Leistungserklärung;
•
Artikel 6 über den Inhalt der Leistungserklärung;
•
Artikel 9 Absatz 2 über die Informationen hinter der CE-Kennzeichnung;
•
Artikel 37 über vereinfachte Verfahren für Kleinstunternehmen;
•
Artikel 38 über vereinfachte Verfahren für individuell oder als Sonderanfertigung gefertigte Produkte;
•
Artikel 56 bis 58 über Verfahren für die Marktüberwachung.
Die Kommission beabsichtigt, die Durchführung der Verordnung weiterhin aufmerksam zu verfolgen, um weitere bislang ungelöste Auslegungsprobleme erkennen zu können.
Die Kommission wird den Dialog mit den relevanten Interessenträgern über die in Fachgremien aufgezeigten Probleme in Gesprächen fortsetzen, die für Ende 2016 anberaumt sind. Die Kommission wird, sobald absehbar ist, dass die Durchführung der BauPVO weiter fortgeschritten ist, auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse dieses Dialogs und der Resultate der in Auftrag gegebenen einschlägigen Studien, sektorspezifischen Bewertungen und Berichte, die Leistungsfähigkeit der BauPVO erneut prüfen.