URTEIL DES GERICHTS (Neunte erweiterte Kammer)

12. Dezember 2018 ( *1 ) ( i )

„Wettbewerb – Kartelle – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Markt für das Herz-Kreislauf-Medikament Perindopril (Originalpräparat und Generika) – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen die Art. 101 und 102 AEUV festgestellt wird – Grundsatz der Unparteilichkeit – Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen – Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf – Kürze der Klagefrist im Verhältnis zur Länge des angefochtenen Beschlusses – Vereinbarungen zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten – Lizenzvereinbarungen – Vereinbarungen über den Erwerb von Technologie – Alleinbezugsvereinbarung – Potenzieller Wettbewerb – Bezweckte Wettbewerbsbeschränkung – Bewirkte Wettbewerbsbeschränkung – Abstimmung zwischen Wettbewerbsrecht und Patentrecht – Einstufung als gesonderte Zuwiderhandlungen oder als einheitliche Zuwiderhandlung – Definition des relevanten Marktes auf der Ebene des Moleküls des betreffenden Arzneimittels – Geldbußen – Kumulierung von Geldbußen nach den Art. 101 und 102 AEUV – Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen – Umsatz – Berechnungsmethode im Fall der Kumulierung von Zuwiderhandlungen auf denselben Märkten“

In der Rechtssache T‑691/14,

Servier SAS mit Sitz in Suresnes (Frankreich),

Servier Laboratories Ltd mit Sitz in Wexham (Vereinigtes Königreich),

Les Laboratoires Servier SAS mit Sitz in Suresnes,

Prozessbevollmächtigte: zunächst I. S. Forrester, QC, J. Killick, Barrister, Rechtsanwalt O. de Juvigny und M. Utges Manley, Solicitor, dann J. Killick, O. de Juvigny, M. Utges Manley sowie Rechtsanwälte J. Jourdan und T. Reymond,

Klägerinnen,

unterstützt durch

European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA) mit Sitz in Genf (Schweiz), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte F. Carlin, Barrister, N. Niejahr und C. Paillard,

Streithelferin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten zunächst durch T. Christoforou, B. Mongin, C. Vollrath, F. Castilla Contreras und T. Vecchi, dann durch T. Christoforou, B. Mongin, C. Vollrath, F. Castilla Contreras und J. Norris-Usher als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2014) 4955 final der Kommission vom 9. Juli 2014 in einem Verfahren zur Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV (Sache AT.39612 – Perindopril [Servier]), soweit er die Klägerinnen betrifft, hilfsweise, auf Herabsetzung der mit diesem Beschluss gegen sie verhängten Geldbuße,

erlässt

DAS GERICHT (Neunte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni (Berichterstatter), der Richter E. Bieliūnas, L. Madise und R. da Silva Passos sowie der Richterin K. Kowalik-Bańczyk,

Kanzler: G. Predonzani, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. bis 9. Juni 2017

folgendes

Urteil ( 1 )

I. Sachverhalt

A. Die Klägerinnen

1

Die Servier-Gruppe, die u. a. aus der Servier SAS, ihrer in Frankreich niedergelassenen Muttergesellschaft, der Laboratoires Servier SAS und der Servier Laboratories Ltd (im Folgenden einzeln oder zusammen: Servier oder Klägerinnen) besteht, umfasst pharmazeutische Unternehmen weltweit. Die alleinige Kontrolle der Verwaltung der Muttergesellschaft der Gruppe liegt bei der Stichting FIRS, einer Stiftung ohne Gewinnzweck niederländischen Rechts.

B. Perindopril und seine Patente

1.   Perindopril

2

Servier entwickelte Perindopril, ein Herz-Kreislauf-Medikament, das hauptsächlich zur Behandlung von arterieller Hypertonie und Herzinsuffizienz durch Hemmung des Angiotensin-konvertierenden Enzyms (im Folgenden: ACE) bestimmt ist.

3

Der pharmazeutische Wirkstoff von Perindopril, also die biologisch aktive chemische Substanz, die die gewünschte therapeutische Wirkung hervorruft, liegt in Form eines Salzes vor. Das ursprünglich eingesetzte Salz war Erbumin (oder tert-Butylamin), das wegen des von Servier zu seiner Synthese verwendeten Verfahrens Kristallform hat.

2.   Patent für das Molekül

4

Das Patent für das Perindopril-Molekül (Patent EP0049658) wurde am 29. September 1981 beim Europäischen Patentamt (EPA) angemeldet. Es sollte am 29. September 2001 ablaufen, sein Schutz wurde aber in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 des Rates vom 18. Juni 1992 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats (ABl. 1992, L 182, S. 1) verlängert, darunter im Vereinigten Königreich bis zum 22. Juni 2003. In Frankreich wurde es bis zum 22. März 2005 und in Italien bis zum 13. Februar 2009 verlängert.

3.   Sekundärpatente

5

1988 meldete Servier beim EPSA zudem mehrere Patente für Verfahren zur Herstellung des Perindopril-Moleküls an, die am 16. September 2008 abliefen: Patente EP0308339, EP0308340, EP0308341 und EP0309324 (im Folgenden: Patent 339, Patent 340, Patent 341 und Patent 324).

6

2001 meldete Servier beim EPA neue Patente für Erbumin und Verfahren zu seiner Herstellung an, darunter das Patent EP1294689 (sogenanntes Beta-Patent, im Folgenden: Patent 689), das Patent EP1296948 (sogenanntes Gamma-Patent, im Folgenden: Patent 948) und das Patent EP1296947 (sogenanntes Alpha-Patent, im Folgenden: Patent 947).

7

Das Patent 947 betreffend die Alpha-Kristallform von Erbumin und das Verfahren zu ihrer Zubereitung wurde am 6. Juli 2001 angemeldet und am 4. Februar 2004 vom EPA erteilt.

8

Servier meldete auch nationale Patente in mehreren Mitgliedstaaten der Union an, bevor diese dem Europäischen Patentübereinkommen, das am 5. Oktober 1973 in München unterzeichnet wurde und am 7. Oktober 1977 in Kraft trat (im Folgenden: EPÜ), beitraten. Zum Beispiel meldete Servier dem Patent 947 entsprechende Patente in Bulgarien (BG 107532), in der Tschechischen Republik (PV2003‑357), in Estland (P200300001), in Ungarn (HU225340), in Polen (P348492) und in der Slowakei (PP0149‑2003) an. Alle diese Patentanmeldungen trugen dasselbe Einreichungsdatum, den 6. Juli 2001. Die Patente wurden am 16. Mai 2006 in Bulgarien, am 17. August 2006 in Ungarn, am 23. Januar 2007 in der Tschechischen Republik, am 23. April 2007 in der Slowakei und am 24. März 2010 in Polen erteilt.

4.   Perindopril der zweiten Generation

9

2002 begann Servier mit der Entwicklung eines Perindoprils der zweiten Generation, das auf der Basis eines anderen Salzes als Erbumin, nämlich Arginin, hergestellt wurde. Perindopril-Arginin sollte Verbesserungen hinsichtlich der Haltbarkeit (drei statt zwei Jahre), der Stabilität (einheitliche Darreichungsform für alle Klimazonen) und der Lagerung (keine besonderen Lagerbedingungen) aufweisen.

10

Servier meldete für Perindopril-Arginin am 17. Februar 2003 ein europäisches Patent an (Patent EP1354873B, im Folgenden: Patent 873). Das Patent 873 wurde am 17. Juli 2004 mit Ablaufdatum 17. Februar 2023 erteilt. Die Einführung von Perindopril-Arginin auf den Märkten der Union begann 2006.

C. Die Rechtsstreitigkeiten betreffend Perindopril

1.   Streitigkeiten vor dem EPA

11

Zehn Generikahersteller, darunter die Niche Generics Ltd (im Folgenden: Niche), die Krka Tovarna Zdravil d.d. (im Folgenden: Krka), die Lupin Ltd und die Norton Healthcare Ltd, Tochtergesellschaft der Ivax Europe (im Folgenden: Ivax), die später mit der Teva Pharmaceuticals Ltd fusionierte (im Folgenden einzeln oder zusammen mit den anderen Gesellschaften der Teva-Gruppe: Teva), legten 2004 beim EPA Einspruch gegen das Patent 947 ein, um dessen Widerruf zu erwirken, wobei sie das Fehlen von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit sowie unzureichende Offenbarung der Erfindung geltend machten.

12

Am 27. Juli 2006 bestätigte die Einspruchsabteilung des EPA nach kleineren Änderungen der ursprünglichen Patentansprüche von Servier die Gültigkeit des Patents 947 (im Folgenden: Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006). Sieben Gesellschaften legten Beschwerde gegen diese Entscheidung ein. Niche zog sich am 9. Februar 2005, Krka am 11. Januar 2007 und Lupin am 5. Februar 2007 vom Einspruchsverfahren zurück. Mit Entscheidung vom 6. Mai 2009 hob die Technische Beschwerdekammer des EPA die Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 auf und widerrief das Patent 947. Der von Servier gestellte Antrag auf Überprüfung dieser Entscheidung wurde am 19. März 2010 zurückgewiesen.

13

Niche legte am 11. August 2004 beim EPA ebenfalls Einspruch gegen das Patent 948 ein, zog sich aber am 14. Februar 2005 vom Verfahren zurück.

14

Teva legte am 13. April 2005 Einspruch gegen das Patent 873 ein. Die Einspruchsabteilung wies diesen Einspruch mit der Begründung zurück, Teva habe nicht nachgewiesen, dass dieses Patent auf einer unzureichenden erfinderischen Tätigkeit beruhe. Teva legte gegen diese Entscheidung am 22. Dezember 2008 Beschwerde ein, die sie am 8. Mai 2012 zurücknahm.

2.   Rechtsstreitigkeiten vor nationalen Gerichten

15

Das Patent 947 wurde von Generikaherstellern zudem vor den Gerichten einiger Mitgliedstaaten, u. a. der Niederlande und des Vereinigten Königreichs, angefochten.

a)   Rechtsstreit zwischen Servier und Niche sowie Matrix

16

Im Vereinigten Königreich erhob Servier am 25. Juni 2004 beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer], Vereinigtes Königreich) unter Berufung auf ihre Patente 339, 340 und 341 eine Klage wegen Patentverletzung gegen Niche, nachdem diese Anträge auf Genehmigung für das Inverkehrbringen einer generischen Version von Perindopril im Vereinigten Königreich gestellt hatte, die sie in Zusammenarbeit mit der Matrix Laboratories Ltd (im Folgenden: Matrix) auf der Grundlage einer am 26. März 2001 geschlossenen Vereinbarung (im Folgenden: Niche-Matrix-Vereinbarung) entwickelt hatte. Am 9. Juli 2004 stellte Niche Servier eine Gegenklage auf Nichtigerklärung des Patents 947 zu.

17

Die mündliche Verhandlung vor dem vorgenannten Gericht über die Begründetheit der geltend gemachten Patentverletzung wurde auf den 7. und 8. Februar 2005 anberaumt, dauerte jedoch nur einen halben Tag, da Servier und Niche am 8. Februar 2005 einen Vergleich schlossen, mit dem der Rechtsstreit zwischen diesen beiden Parteien beendet wurde.

18

Matrix wurde von Niche über den Verlauf dieses Gerichtsverfahrens informiert und in dieses auch einbezogen und gab vor dem High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) Erklärungen im Namen von Niche ab. Servier übersandte Matrix am 7. Februar 2005 im Übrigen ein förmliches Abmahnungsschreiben, in dem sie dieser Gesellschaft die Verletzung der Patente 339, 340 und 341 vorwarf und ihr mit der Erhebung einer Patentverletzungsklage drohte.

19

Im Herbst 2004 begann Servier, einen Erwerb von Niche zu erwägen. Zu diesem Zweck ließ Servier eine Due-Diligence-Prüfung durchführen, deren erste Phase am 10. Januar 2005 abgeschlossen wurde; an diesem Tag legte sie ein nicht bindendes Vorangebot für den Erwerb des Kapitals von Niche für einen Betrag zwischen 15 und 45 Mio. Pfund Sterling (GBP) vor. Im Anschluss an die zweite Phase der Due-Diligence-Prüfung, die am 21. Januar 2005 stattfand, teilte Servier Niche am 31. Januar 2005 mündlich mit, dass sie deren Erwerb nicht mehr beabsichtige.

b)   Rechtsstreitigkeiten zwischen Servier und Ivax sowie Teva

20

Im Vereinigten Königreich erhob Ivax am 9. August 2005 beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) eine Klage auf Widerruf des Patents 947. Servier und Ivax verständigten sich jedoch im Oktober 2005 auf eine Aussetzung des Verfahrens bis zum Erlass des endgültigen Beschlusses im Einspruchsverfahren vor dem EPA. Im Gegenzug verpflichtete sich Servier gegenüber Ivax, ihren Lizenznehmern und ihren Kunden, für die Dauer der Aussetzung und im Vereinigten Königreich keine rechtlichen Schritte einzuleiten, keine Erstattung von Gewinnen und keinen anderen finanziellen Ausgleich als eine angemessene Gebühr für die Verletzung des Patents 947 zu verlangen und keinen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz oder Aushändigung von Waren zu stellen. Servier verpflichtete sich ferner, das Verfahren vor dem EPA zügig weiterzuverfolgen und keine einstweilige Verfügung im Rahmen einer Patentverletzungsklage nach Abschluss des Verfahrens vor dem EPA zu beantragen.

21

In den Niederlanden erhob die Pharmachemie BV, eine Tochtergesellschaft von Teva, bei der Rechtbank Den Haag (Bezirksgericht Den Haag, Niederlande) am 15. August 2007 eine Klage auf Widerruf des Patents 947 in der in den Niederlanden bestätigten Fassung wegen Fehlens von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit sowie Nichtreproduzierbarkeit. Das angerufene Gericht gab dieser Klage am 11. Juni 2008 statt. Servier legte gegen dieses Urteil am 7. Oktober 2008 Berufung ein, reichte jedoch in der Folge keine Berufungsbegründung ein.

c)   Rechtsstreit zwischen Servier und Krka

22

Am 30. Mai 2006 stellte Servier in Ungarn einen Antrag auf einstweilige Verfügung, um den Vertrieb einer von Krka auf den Markt gebrachten generischen Version von Perindopril wegen Verletzung des Patents 947 verbieten zu lassen. Dieser Antrag wurde im September 2006 zurückgewiesen.

23

Im Vereinigten Königreich erhob Servier am 28. Juli 2006 beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) gegen Krka eine Klage wegen Verletzung des Patents 340. Am 2. August 2006 erhob sie gegen Krka zudem eine Klage wegen Verletzung des Patents 947 und beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Am 1. September 2006 erhob Krka eine Widerklage auf Nichtigerklärung des Patents 947 und am 8. September 2006 eine weitere Widerklage auf Nichtigerklärung des Patents 340. Am 3. Oktober 2006 gab das angerufene Gericht dem Antrag von Servier auf einstweilige Verfügung statt und wies den von Krka am 1. September 2006 gestellten Antrag auf Durchführung eines summarischen Verfahrens (motion of summary judgment) zur Ungültigerklärung des Patents 947 zurück. Nachdem die Parteien einen Vergleich geschlossen hatten, wurde das anhängige Verfahren am 1. Dezember 2006 für erledigt erklärt, und die einstweilige Verfügung wurde aufgehoben.

d)   Rechtsstreit zwischen Servier und Lupin

24

Am 18. Oktober 2006 erhob Lupin beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) eine Klage auf Ungültigerklärung des Patents 947 in der im Vereinigten Königreich bestätigten Fassung und auf Feststellung, dass keine Verletzung dieses Patents durch die generische Version von Perindopril vorliege, die sie in diesem Land vertreiben wolle.

e)   Rechtsstreitigkeiten zwischen Servier und Apotex

25

Im Vereinigten Königreich erhob Servier am 1. August 2006 beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) gegen die Apotex Inc., die am 28. Juli 2006 eine generische Version von Perindopril auf den Markt gebracht hatte, eine Klage wegen Verletzung des Patents 947. Apotex erhob eine Widerklage auf Nichtigerklärung dieses Patents. Am 8. August 2006 erging eine einstweilige Verfügung, mit der Apotex untersagt wurde, Perindopril einzuführen, zum Verkauf anzubieten oder zu verkaufen. Am 6. Juli 2007 entschied das angerufene Gericht, dass das Patent 947 wegen Fehlens von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem Patent 341 ungültig sei. Die einstweilige Verfügung wurde demgemäß mit sofortiger Wirkung aufgehoben, und Apotex konnte den Verkauf ihrer generischen Version von Perindopril auf dem Markt des Vereinigten Königreichs wieder aufnehmen. Die von Servier gegen das vorgenannte Urteil eingelegte Berufung wies der Court of Appeal (England & Wales) (Civil division) (Berufungsgericht [England und Wales] [Zivilabteilung], Vereinigtes Königreich) am 9. Mai 2008 zurück.

26

Am 9. Oktober 2008 erkannte der High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) Apotex wegen der während der Geltung der einstweiligen Verfügung erlittenen Umsatzeinbuße Schadensersatz in Höhe von 17,5 Mio. GBP zu. Am 29. März 2011 gab dieses Gericht Apotex jedoch auf, Servier diesen Betrag zurückzuerstatten, wobei es sich auf den Grundsatz ex turpi causa stützte, da Perindopril bis 2018 durch ein gültiges kanadisches Patent geschützt sei und Apotex ihr Arzneimittel in Kanada herstelle und verkaufe. Der Court of Appeal (England & Wales) (Civil division) (Berufungsgericht [England und Wales] [Zivilabteilung]) hob diese Entscheidung indes mit Urteil vom 3. Mai 2012 auf. Am 29. Oktober 2014 wies der Supreme Court of the United Kingdom (Oberster Gerichtshof des Vereinigten Königreichs) das von Servier gegen dieses Urteil eingelegte Rechtsmittel zurück.

27

In den Niederlanden erhob die Katwijk Farma BV, eine Tochtergesellschaft von Apotex, bei der Rechtbank Den Haag (Bezirksgericht Den Haag) am 13. November 2007 eine Klage auf Nichtigerklärung des Patents 947 in der in den Niederlanden bestätigten Fassung. Servier stellte am 7. Dezember 2007 einen Antrag auf einstweilige Verfügung gegen Katwijk Farma, der am 30. Januar 2008 von diesem Gericht zurückgewiesen wurde. Nachdem die Rechtbank Den Haag (Bezirksgericht Den Haag) am 11. Juni 2008 das Patent 947 im Verfahren über die von Pharmachemie erhobene Klage für die Niederlande für nichtig erklärt hatte, zogen sich Servier und Katwijk Farma aus den laufenden Verfahren zurück.

D. Die Vergleiche in den Rechtsstreitigkeiten über die Patente

28

Servier schloss eine Reihe von Patentvergleichsvereinbarungen mit mehreren Generikaunternehmen, mit denen sie Patentrechtsstreitigkeiten führte. Mit Apotex schloss sie jedoch keinen Vergleich.

1.   Von Servier mit Niche und Unichem und mit Matrix geschlossene Vereinbarungen

29

Am 8. Februar 2005 schloss Servier zwei Vergleichsvereinbarungen, die eine mit Niche und deren Muttergesellschaft, der Unichem Laboratories Ltd (im Folgenden: Unichem), und die andere mit Matrix. Am selben Tag schloss Niche einen Lizenz- und Liefervertrag mit Biogaran, einer 100%igen Tochtergesellschaft von Laboratoires Servier.

30

Die von Servier mit Niche und Unichem geschlossene Vereinbarung im Folgenden: Niche-Vereinbarung) galt für alle Länder, in denen die Patente 339, 340, 341 und 947 bestanden (Art. 3).

31

Mit der Niche-Vereinbarung verpflichteten sich Niche und Unichem, bis zum gebietlichen Ablaufdatum dieser Patente kein generisches Perindopril, das nach dem von Niche entwickelten Verfahren hergestellt worden war und von Servier als Verletzung der Patente 339, 340 und 341 in der im Vereinigten Königreich bestätigten Fassung angesehen wurde, oder das nach einem im Wesentlichen gleichartigen Verfahren oder nach irgendeinem anderen Verfahren, durch das die Patente 339, 340 und 341 verletzt werden könnten, hergestellt worden war (im Folgenden: streitiges Verfahren), herzustellen, herstellen zu lassen, zu besitzen, einzuführen, zu liefern, seine Lieferung anzubieten oder darüber zu verfügen (Art. 3). Dagegen sollten sie gemäß der Niche-Vereinbarung nach dem streitigen Verfahren ohne Verletzung dieser Patente hergestelltes Perindopril nach deren Ablauf frei vertreiben können (Art. 4 und 6). Niche war zudem verpflichtet, alle von ihr bereits geschlossenen Verträge über nach dem streitigen Verfahren hergestelltes Perindopril und über Anträge auf Genehmigung für das Inverkehrbringen solchen Perindoprils bis zum Ablauf dieser Patente aufzuheben, zu kündigen oder auszusetzen (Art. 11). Ferner verpflichteten sich Niche und Unichem, keinen Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von nach dem streitigen Verfahren hergestelltem Perindopril zu stellen und keinen Dritten dabei zu unterstützen, eine solche Genehmigung zu erlangen (Art. 10). Schließlich mussten sie es unterlassen, Klage wegen Patentverletzung oder auf Feststellung des Fehlens einer Patentverletzung in Bezug auf die Patente 339, 340, 341, 947, 689 und 948 bis zu deren Ablauf außer zur Verteidigung im Rahmen einer Patentverletzungsklage zu erheben (Art. 8). Niche willigte außerdem darin ein, ihre beim EPA erhobenen Einsprüche gegen die Patente 947 und 948 zurückzuziehen (Art. 7).

32

Im Gegenzug verpflichtete sich Servier zum einen, gegen Niche und Unichem keine auf die Patente 339, 340, 341 und 947 gestützte Klage wegen vermeintlicher Patentverletzungshandlungen aus der Zeit vor Abschluss der Niche-Vereinbarung zu erheben (Art. 5), und zum anderen, an Niche und an Unichem einen Betrag von 11,8 Mio. GBP in zwei Raten zu zahlen (Art. 13). Dieser Betrag stellte die Gegenleistung dar für die von Niche und Unichem eingegangenen Verpflichtungen sowie die „erheblichen Kosten und die potenzielle Haftung von Niche und Unichem wegen Einstellung ihres Programms zur Entwicklung von nach dem [streitigen] Verfahren hergestelltem Perindopril“.

33

Zudem schloss Niche am 8. Februar 2005 einen Lizenz- und Liefervertrag mit Biogaran (im Folgenden: Biogaran-Vereinbarung) betreffend die Überlassung zum einen aller im Besitz von Niche befindlichen und für die Erlangung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen erforderlichen Informationen und Daten zu drei Arzneimitteln und zum anderen ihrer französischen Genehmigung für das Inverkehrbringen für eines dieser Arzneimittel. Im Gegenzug sollte Biogaran an Niche einen Betrag von 2,5 Mio. GBP zahlen, der nicht rückzahlbar war, und zwar auch dann nicht, wenn Biogaran die Genehmigungen für das Inverkehrbringen nicht erhalten sollte. Biogaran musste ferner nach Erlangung ihrer Genehmigungen für das Inverkehrbringen die betreffenden Erzeugnisse bei Niche bestellen. Falls die Genehmigungen für das Inverkehrbringen nicht innerhalb von 18 Monaten nach Inkrafttreten der Vereinbarung erteilt würden, sollte diese automatisch aufgelöst werden (Art. 14.4), ohne dass eine der Parteien Anspruch auf eine Entschädigung hätte (Art. 14.5).

34

Die zwischen Servier und Matrix geschlossene Vereinbarung (im Folgenden: Matrix-Vereinbarung) galt für alle Länder, in denen die Patente 339, 340, 341 und 947 bestanden, mit Ausnahme eines nicht zum Europäischen Wirtschaftraum (EWR) gehörenden Staates (Abschnitt 1 Abs. 1 Ziff. xiii der Matrix-Vereinbarung).

35

Mit der Matrix-Vereinbarung verpflichtete sich Matrix, bis zum gebietlichen Ablaufdatum dieser Patente kein nach dem streitigen Verfahren hergestelltes generisches Perindopril herzustellen, herstellen zu lassen, zu besitzen, einzuführen, zu liefern, seine Lieferung anzubieten oder darüber zu verfügen (Art. 1 und 2). Dagegen sollte Matrix gemäß der Vereinbarung nach dem streitigen Verfahren ohne Verletzung dieser Patente hergestelltes Perindopril nach deren Ablauf frei vertreiben können (Art. 4). Matrix war zudem verpflichtet, alle von ihr bereits geschlossenen Verträge über nach dem streitigen Verfahren hergestelltes Perindopril und über Anträge auf Genehmigung für das Inverkehrbringen solchen Perindoprils bis zum 30. Juni 2005 aufzuheben, zu kündigen oder auszusetzen (Art. 7 und 8). Ferner verpflichtete sie sich, keinen Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von nach dem streitigen Verfahren hergestelltem Perindopril zu stellen und keinen Dritten dabei zu unterstützten, eine solche Genehmigung zu erlangen (Art. 6). Schließlich musste es Matrix unterlassen, Klage wegen Patentverletzung oder auf Feststellung des Fehlens einer Patentverletzung in Bezug auf die Patente 339, 340, 341, 947, 689 und 948 bis zu deren Ablauf außer zur Verteidigung im Rahmen einer Patentverletzungsklage zu erheben (Art. 5).

36

Im Gegenzug verpflichtete sich Servier zum einen, gegen Matrix keine auf die Patente 339, 340, 341 und 947 gestützte Klage wegen vermeintlicher Patentverletzungshandlungen aus der Zeit vor Abschluss der Matrix-Vereinbarung zu erheben (Art. 3), und zum anderen, an Matrix einen Betrag von 11,8 Mio. GBP in zwei Raten zu zahlen (Art. 9). Dieser Betrag stellte die Gegenleistung dar für die von Matrix eingegangenen Verpflichtungen sowie die „erheblichen Kosten und die potenzielle Haftung vom Matrix wegen Einstellung ihres Programms zur Entwicklung von nach dem [streitigen] Verfahren hergestelltem Perindopril“.

2.   Von Servier mit Teva geschlossene Vereinbarung

37

Am 13. Juni 2006 schloss Servier mit Teva eine Vergleichs- und Alleinbezugsvereinbarung (im Folgenden: Teva-Vereinbarung). Die Teva-Vereinbarung bezog sich auf Perindopril-Erbumin (Art. 1.12).

38

Gemäß den Klauseln betreffend den Vergleich verpflichtete sich Teva, sämtliches in ihrem Eigentum oder unter ihrer Kontrolle stehendes und zum Verkauf im Vereinigten Königreich bestimmtes Perindopril zu vernichten (Art. 2.2). Teva durfte zudem im Vereinigten Königreich bis zur Kündigung oder zum Auslaufen der Teva-Vereinbarung oder bis zum Ablauf der Patente 339, 340, 341 und 947 kein generisches Perindopril, das nach dem von ihr entwickelten Verfahren hergestellt worden war und von Servier als Verletzung dieser Patente in der im Vereinigten Königreich bestätigten Fassung angesehen wurde, herstellen, herstellen lassen, besitzen, einführen, liefern, seine Lieferung anbieten oder darüber verfügen (Art. 2.3). Ferner verpflichtete sich Teva, während der Laufzeit der Teva-Vereinbarung im Vereinigten Königreich die vorgenannten Patente nicht anzufechten, wobei es ihr nicht verwehrt war, ihr Einspruchsverfahren gegen die streitigen Patente beim EPA weiterzuverfolgen (Art. 2.4).

39

Als Gegenleistung für die von Teva eingegangenen Verpflichtungen verpflichtete sich Servier, auf alle Ansprüche gegen Teva aus einer etwaigen Verletzung der streitigen Patente im Vereinigten Königreich aus der Zeit vor Inkrafttreten der Teva-Vereinbarung zu verzichten (Art. 2.1).

40

Gemäß den Klauseln betreffend die Alleinbezugsverpflichtung verpflichtete sich Teva, während der Laufzeit der Teva-Vereinbarung ihren gesamten Bedarf an zum Vertrieb im Vereinigten Königreich bestimmtem generischem Perindopril bei Servier zu decken (Art. 3.1 und 1.14). Für den Fall der Nichtlieferung durch Servier stand Teva kein Klage- oder Kündigungsrecht, sondern ein Anspruch auf eine pauschale Entschädigung in Höhe von monatlich 500000 GBP zu (Art. 1.8 und 3.8.3).

41

Gemäß ihren allgemeinen Bestimmungen wurde die Teva-Vereinbarung für eine Laufzeit von drei Jahren geschlossen und konnte um zwei weitere Jahre verlängert werden (Art. 8.1 und 8.2). Ferner sollte Servier bei Unterzeichnung der Teva-Vereinbarung gegen Vorlage einer „angemessenen Rechnung“ an Teva einen Betrag von 5 Mio. GBP zahlen als „Beitrag zu den Teva bei der Vorbereitung dieser Vereinbarung entstandenen Kosten, einschließlich und ohne Begrenzung der Kosten im Zusammenhang mit der Kündigung ihrer für das Vereinigte Königreich bestehenden Lieferverträge“ (Art. 10).

42

Am 23. Februar 2007 vereinbarten Servier und Teva einen Zusatz zur Teva-Vereinbarung (im Folgenden: Zusatz zur Teva-Vereinbarung), mit dem die tatsächliche Durchführung der Alleinbezugsverpflichtung bestätigt und ein Zeitpunkt festgesetzt wurde, ab dem Teva das von Servier gelieferte generische Perindopril sollte vertreiben können. Dieser Zeitpunkt sollte entweder einseitig von Servier festgelegt werden oder aber dem Zeitpunkt des Widerrufs bzw. des Ablaufs des Patents 947 oder dem Zeitpunkt entsprechen, zu dem Apotex im Anschluss an die Beendigung des Rechtsstreits zwischen ihr und Servier mit dem Vertrieb des generischen Perindoprils im Vereinigten Königreich beginnen würde.

3.   Von Servier mit Krka geschlossene Vereinbarungen

43

Am 27. Oktober 2006 schloss Servier mit Krka eine Vergleichs- und eine Lizenzvereinbarung, die durch einen Zusatz vom 2. November 2006 ergänzt wurde.

44

Nach der mit Krka geschlossenen Vergleichsvereinbarung deckte das Patent 947 auch die entsprechenden nationalen Patente ab (Anhang B).

45

Mit dieser Vergleichsvereinbarung, die bis zum Ablauf oder bis zum Widerruf der Patente 947 oder 340 in Kraft war, verpflichtete sich Krka, auf jeden in Bezug auf das Patent 947 weltweit und in Bezug auf das Patent 340 im Vereinigten Königreich bestehenden Anspruch zu verzichten und weltweit keines dieser beiden Patente künftig anzufechten (Art. I Ziff. ii). Zudem war es Krka und ihren Tochtergesellschaften untersagt, eine das Patent 947 verletzende generische Version von Perindopril während der Laufzeit dieses Patents in den Ländern, in denen es noch gültig war, ohne ausdrückliche Genehmigung durch Servier auf den Markt zu bringen oder zu vertreiben (Art. V). Ferner durfte Krka eine das Patent 947 verletzende generische Version von Perindopril nicht ohne ausdrückliche Genehmigung durch Servier an Dritte liefern (Art. V Abs. 2) Im Gegenzug war Servier verpflichtet, die weltweit gegen Krka anhängigen, auf eine Verletzung der Patente 947 und 340 gestützten Rechtsbehelfe zurückzunehmen, einschließlich ihrer Anträge auf einstweilige Verfügung (Art. I Ziff. i).

46

Mit der mit Krka für die Dauer der Gültigkeit des Patents 947 geschlossenen Lizenzvereinbarung (Art. 5) gewährte Servier Krka eine „exklusive“ und unwiderrufliche Lizenz für das Patent 947, um ihre eigenen die Alpha-Kristallform von Erbumin enthaltenden Erzeugnisse (Art. 2) in der Tschechischen Republik, in Lettland, in Litauen, in Ungarn, in Polen, in Slowenien und in der Slowakei zu verwenden, herzustellen, zu verkaufen, zum Verkauf anzubieten, zu bewerben und einzuführen (Art. 1). Im Gegenzug war Krka verpflichtet, an Servier eine Gebühr in Höhe von 3 % ihrer Nettoverkäufe in sämtlichen genannten Gebieten abzuführen (Art. 3). Servier durfte in diesen Staaten das Patent 947 direkt oder indirekt (d. h. für eine ihrer Tochtergesellschaften oder für einen einzigen Dritten je Staat) verwenden (Art. 2).

47

Am 5. Januar 2007 schloss Servier zudem eine Übertragungs- und Lizenzvereinbarung mit Krka.

48

Gemäß der Übertragungs- und Lizenzvereinbarung übertrug Krka zwei Patentanmeldungen auf Servier, die ein Verfahren zur Synthese von Perindopril (WO 2005 113500) bzw. die Zubereitung von Perindopril-Präparaten (WO 2005 094793) betrafen (Art. 1). Die durch diese Patentanmeldungen geschützte Technologie wurde für die Herstellung des Perindoprils von Krka verwendet.

49

Krka verpflichtete sich, die Patente, die auf der Grundlage der betreffenden Anmeldungen erteilt würden, nicht anzufechten (Art. 3).

50

Als Gegenleistung für diese Übertragung zahlte Servier an Krka einen Betrag von 15 Mio. Euro für jede dieser Anmeldungen (Art. 2).

51

Servier gewährte Krka ebenfalls eine nicht ausschließliche, unwiderrufliche, nicht übertragbare und gebührenfreie Lizenz ohne Recht zur Gewährung von Unterlizenzen (außer an ihre Tochtergesellschaften) an den Anmeldungen oder den auf diese hin erteilten Patenten, wobei diese Lizenz zeitlich, räumlich und hinsichtlich ihrer möglichen Verwendung unbegrenzt war (Art. 4).

4.   Von Servier mit Lupin geschlossene Vereinbarung

52

Am 30. Januar 2007 schloss Servier mit Lupin eine Vergleichsvereinbarung (im Folgenden: Lupin-Vereinbarung).

53

Damit legten beide Parteien ihre Rechtsstreitigkeiten betreffend Perindopril bei (Art. 1.1, 1.2 und 1.4).

54

Zudem verpflichtete sich Lupin, nicht zu versuchen, sei es unmittelbar oder mittelbar, und keinen Dritten dabei zu unterstützen oder damit zu beauftragen, das Patent 947 oder irgendein von Servier oder deren Tochtergesellschaften gehaltenes Patent zum Schutz von Perindopril in irgendeinem Land mit Ausnahme eines nicht dem EWR angehörenden Staates zu widerrufen oder für ungültig erklären zu lassen oder sonst anzufechten (Art. 1.3). Ferner durften Lupin und ihre Tochtergesellschaften keine Arzneimittel, die als pharmazeutischen Wirkstoff „Perindopril[‑]Erbumin … und eines seiner Salze“ enthielten, in irgendeinem Land mit Ausnahme eines nicht dem EWR angehörenden Staates verkaufen oder zum Verkauf anbieten (Art. 1.6). Lupin durfte jedoch von Servier gelieferte Erzeugnisse oder ihr eigenes Perindopril in den Ländern vertreiben, in denen eine von Servier genehmigte generische Version von Perindopril auf dem Markt war, oder wenn sämtliche einschlägigen Patente von Servier abgelaufen waren, oder in den Ländern, in denen ein Dritter eine generische Version von Perindopril auf den Markt gebracht und Servier keine einstweilige Verfügung zum Verbot ihres Verkaufs beantragt hatte (Art. 1.6 und 4.1).

55

Ferner schlossen Servier und Lupin im Rahmen der Lupin-Vereinbarung auch eine Vereinbarung über die Übertragung von Rechten des geistigen Eigentums und eine Lizenzvereinbarung.

56

Damit erwarb Servier drei von Lupin eingereichte Anmeldungen von Verfahrenspatenten für Perindopril:

die Anmeldung WO 2004/075889 (EP1603558 B1) betreffend ein neues Verfahren zur Zubereitung von Perindopril und Salzen davon für 20 Mio. Euro;

die Anmeldung WO 2006/097941 (EP1861367 A) betreffend ein neues verbessertes Verfahren zur Reinigung von Perindopril für 10 Mio. Euro;

die Anmeldung WO 2005/037788 (EP1675827 A 1) betreffend ein neues Verfahren zur Zubereitung von Perindopril-„Erbumin kristallin“ für 10 Mio. Euro.

57

Servier gewährte Lupin zudem eine nicht ausschließliche, nicht übertragbare, nicht unterlizenzfähige, gebührenfreie, permanente und unwiderrufliche Lizenz für diese drei Patentanmeldungen zur Herstellung von Perindopril in den von diesen Anmeldungen betroffenen Ländern (Art. 3.1).

58

Die Lupin-Vereinbarung sah schließlich den Abschluss eines Liefervertrags zwischen den Parteien binnen vier Wochen vor, der indes nicht abgeschlossen wurde.

E. Der Erwerb von Enabling-Technologien

59

Am 3. September 2001 schlossen die Klägerinnen mit der Rolabo, SL eine Vereinbarung über den Verkauf einer von dieser am 24. Juli 2001 eingereichten Patentanmeldung betreffend einen pharmazeutischen Wirkstoff von Perindopril und ein chemisches Dossier für den pharmazeutischen Wirkstoff von Perindopril für 10 Mio. US‑Dollar (USD).

60

Am 9. November 2004 schlossen die Klägerinnen mit der Azad Pharmaceutical Ingredients AG (im Folgenden: Azad) eine Vereinbarung zur Übertragung einer von Letzterer eingereichten Patentanmeldung für zwei neue polymorphe Formen von Perindopril, Delta und Epsilon, und des entsprechenden Know-hows weltweit für 13374243 Euro.

61

Am 15. Oktober 2007 schlossen die Klägerinnen eine Grundsatzvereinbarung mit der Sandoz AG, wonach sie die von Sandoz entwickelte Technologie des pharmazeutischen Wirkstoffs von Perindopril, wenn sich diese Technologie als patentfrei und als eine gewerblich lebensfähige Quelle von Wettbewerb erweisen sollte, für einen Betrag, der 50 Mio. USD übersteigen konnte, erwerben sollten. Die Verhandlungen wurden bis Juli 2008 fortgesetzt, führten jedoch nicht zum Abschluss einer Vereinbarung.

F. Die Sektoruntersuchung

62

Am 15. Januar 2008 beschloss die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, eine Untersuchung des Arzneimittelsektors auf der Grundlage von Art. 17 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) einzuleiten, um zum einen die Ursachen für den Rückgang der Innovation in diesem Sektor, gemessen an der Zahl der neu auf den Markt gelangenden Arzneimittel, und zum anderen die Gründe für die Verzögerung des Markteintritts bestimmter Generika zu ermitteln.

63

Die Kommission veröffentlichte am 28. November 2008 einen Vorabbericht über die Ergebnisse ihrer Untersuchung, auf den eine öffentliche Anhörung folgte. Am 8. Juli 2009 erließ sie eine Mitteilung mit einer Zusammenfassung ihres Berichts über die Untersuchung des Arzneimittelsektors. Darin heißt es u. a., es sei angezeigt, die von den Herstellern des Originalpräparats und den Generikaherstellern in Patentrechtsstreitigkeiten geschlossenen Vergleiche weiterhin zu überwachen, um besser zu verstehen, wie diese Vereinbarungen eingesetzt würden, und um diejenigen Vereinbarungen zu ermitteln, die den Markteintritt von generischen Arzneimitteln zum Nachteil der Verbraucher der Union verzögerten und Verstöße gegen die Wettbewerbsregeln darstellen könnten. Die Kommission legte in der Folge sechs Jahresberichte über die Überwachung der Vergleichsvereinbarungen in Patentsachen vor.

G. Verwaltungsverfahren und angefochtener Beschluss

64

Am 24. November 2008 führte die Kommission u. a. in den Geschäftsräumen von Servier nicht angekündigte Nachprüfungen durch. Im Januar 2009 richtete sie Auskunftsverlangen an mehrere Gesellschaften, darunter Servier. Am 2. Juli 2009 erließ die Kommission einen Beschluss über die Einleitung des Verfahrens.

65

Im August 2009 und sodann von Dezember 2009 bis Mai 2012 richtete die Kommission weitere Auskunftsverlangen an Servier. Da diese die Beantwortung verschiedener Teile der Auskunftsverlangen vom 7. Februar und 11. April 2011 betreffend die Biogaran-Vereinbarung verweigert hatte, erließ die Kommission einen Beschluss nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003. Servier lieferte die verlangten Angaben am 7. November 2011.

66

Zwischen 2009 und 2012 wurde Servier zur Teilnahme an mehreren Treffen zum Verfahrensstand eingeladen.

67

Am 27. Juli 2012 erließ die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, die an mehrere Gesellschaften gerichtet war, darunter auch Servier, die am 14. Januar 2013 darauf antwortete.

68

Nach der Anhörung der betroffenen Gesellschaften am 15., 16., 17. und 18. April 2013 wurden weitere Treffen zum Verfahrensstand abgehalten und weitere Auskunftsverlangen an Servier gesandt.

69

Am 18. Dezember 2013 gewährte die Kommission Servier Einsicht in die nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte gesammelten oder weiter offengelegten Beweise und übersandte eine Darstellung des Sachverhalts, auf die Servier am 31. Januar 2014 antwortete. Der Anhörungsbeauftragte legte am 7. Juli 2014 seinen Abschlussbericht vor.

70

Am 9. Juli 2014 erließ die Kommission den Beschluss C(2014) 4955 final in einem Verfahren zur Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV (Sache AT.39612 – Perindopril [Servier]), der den Klägerinnen am 11. Juli 2014 bekannt gegeben wurde.

71

Die Kommission befand, dass die Klägerinnen zum einen gegen Art. 101 AEUV verstoßen hätten, indem sie sich an fünf Pay-for-Delay-Vergleichen über Patente beteiligt hätten (Art. 1 bis 5 des angefochtenen Beschlusses), und zum anderen gegen Art. 102 AEUV, indem sie eine Ausschlussstrategie, die den Markt für Perindopril-Präparate in Frankreich, in den Niederlanden, in Polen und im Vereinigten Königreich sowie den Markt für die Technologie zur Herstellung des pharmazeutischen Wirkstoffs von Perindopril abdecke, erarbeitet und durch einen Technologieerwerb sowie fünf Vergleichsvereinbarungen durchgeführt hätten (Art. 6 des angefochtenen Beschlusses).

72

Wegen der Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV verhängte die Kommission gegen die Klägerinnen folgende Geldbußen in Höhe von insgesamt 289727200 Euro (Art. 7 Abs. 1 bis 5 des angefochtenen Beschlusses):

wegen der Niche-Vereinbarung 131532600 Euro, gemeinschaftlich und gesamtschuldnerisch mit Biogaran;

wegen der Matrix-Vereinbarung 79121700 Euro;

wegen der Teva-Vereinbarung 4309000 Euro;

wegen der mit Krka geschlossenen Vereinbarungen 37661800 Euro;

wegen der Lupin-Vereinbarung 37102100 Euro.

73

Wegen der Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV verhängte die Kommission gegen die Klägerinnen eine Geldbuße von 41270000 Euro (Art. 7 Abs. 6 des angefochtenen Beschlusses).

II. Verfahren und Anträge der Parteien

74

Die Klägerinnen haben mit Klageschrift, die am 21. September 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

75

Die Klägerinnen beantragen,

die Art. 1 bis 8 des angefochtenen Beschlusses ganz oder teilweise für nichtig zu erklären, soweit diese sie betreffen;

hilfsweise, die ihnen auferlegten Geldbußen für nichtig zu erklären oder ganz erheblich herabzusetzen;

ihnen eine vollständige oder teilweise Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses im Rahmen der von Biogaran und den übrigen Adressaten dieses Beschlusses erhobenen Klagen zugutekommen zu lassen;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

76

Die Kommission beantragt,

die Klage abzuweisen;

den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

77

Mit am 2. Februar 2015 eingereichtem Schriftsatz hat die European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (im Folgenden: EFPIA oder Streithelferin) beantragt, sie als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen zum Rechtsstreit zuzulassen.

78

Die Klägerinnen und die Kommission haben beantragt, bestimmte Angaben in der Klageschrift, der Klagebeantwortung, der Erwiderung, der Gegenerwiderung, der Antwort auf bestimmte prozessleitende Maßnahmen, den Stellungnahmen zu diesen Antworten und der Stellungnahme der Klägerinnen zum Streithilfeschriftsatz vertraulich zu behandeln.

79

Mit Beschluss vom 14. Oktober 2015 hat der Präsident der Zweiten Kammer des Gerichts die EFPIA als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen zugelassen. Da die EFPIA den Anträgen auf vertrauliche Behandlung nicht entgegengetreten ist, hat das Gericht nicht über deren Begründetheit entschieden.

80

Die Streithelferin beantragt,

den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit er die Klägerinnen betrifft;

ihre Kosten der Kommission aufzuerlegen.

81

Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Art. 89 Abs. 3 Buchst. a und d der Verfahrensordnung des Gerichts ist die Kommission zur Vorlage von Dokumenten aufgefordert worden, die insbesondere die Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen, die Berechnung der Geldbuße und die im angefochtenen Beschluss als vertraulich behandelten Daten zu den mit Krka geschlossenen Vereinbarungen betreffen. Sie hat ihre Antworten fristgemäß übermittelt.

82

Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Neunten Kammer zugeteilt worden, der deshalb die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist.

83

Auf Vorschlag der Neunten Kammer hat das Gericht gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung die Rechtssache an einen erweiterten Spruchkörper verwiesen.

84

Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen, und hat den Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Art. 89 Abs. 3 Buchst. a der Verfahrensordnung schriftliche Fragen zur Beantwortung in der mündlichen Verhandlung gestellt.

85

Am 24. Februar 2017 hat das Gericht die Parteien gemäß Art. 89 Abs. 3 Buchst. e zu einer informellen Sitzung vor dem Präsidenten der Neunten Kammer und Berichterstatter geladen, um die Einzelheiten des Ablaufs der mündlichen Verhandlung und die vertrauliche Behandlung bestimmter Daten zu erörtern. Die Klägerinnen und die Kommission haben an dieser Sitzung teilgenommen, die am 3. Mai 2017 beim Gericht stattgefunden hat.

86

Die Parteien haben in der Sitzung, die vom 6. bis 9. Juni 2017 stattgefunden hat, mündlich verhandelt und die schriftlichen und mündlichen Fragen des Gerichts beantwortet.

III. Rechtliche Würdigung

A. Zur Zulässigkeit

1.   Zur Zulässigkeit des dritten Klageantrags

a)   Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

b)   Würdigung durch das Gericht

89

Nach ständiger Rechtsprechung sind die Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Klagen unverzichtbare Prozessvoraussetzungen, deren Vorliegen der Unionsrichter von Amts wegen prüfen kann und gegebenenfalls muss (Urteile vom 21. März 2002, Joynson/Kommission,T‑231/99, EU:T:2002:84, Rn. 154, und vom 14. Dezember 2005, Honeywell/Kommission, T‑209/01, EU:T:2005:455, Rn. 53). Obwohl die Kommission die Zulässigkeit des dritten Klageantrags nicht in ihren Schriftsätzen, sondern lediglich in der Sitzung in Beantwortung einer Frage des Gerichts bestritten hat, hat das Gericht sie folglich von Amts wegen zu prüfen.

90

Nach Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der gemäß deren Art. 53 Abs. 1 auf das Verfahren vor dem Gericht Anwendung findet, und Art. 44 § 1 Buchst. c und d der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991, die zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage anwendbar war, muss die Klageschrift den Streitgegenstand, die Anträge und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Mit diesem Erfordernis wird bezweckt, hinreichend klare und genaue Angaben zu erhalten, damit der Beklagte sich zweckmäßig verteidigen und der Unionsrichter – gegebenenfalls ohne sich auf weitere Informationen zu stützen – seine gerichtliche Kontrolle ausüben kann (Urteile vom 29. Juni 1995, ICI/Kommission, T‑37/91, EU:T:1995:119, Rn. 42, vom 24. Februar 2000, ADT Projekt/Kommission, T‑145/98, EU:T:2000:54, Rn. 66, und vom 16. März 2004, Danske Busvognmænd/Kommission, T‑157/01, EU:T:2004:76, Rn. 45). Somit genügt, wie die Kommission in der Sitzung geltend gemacht hat, eine allgemeine Bezugnahme auf die Klagegründe und Argumente, die zur Stützung einer in einer konnexen Rechtssache erhobenen Klage angeführt werden, diesem Erfordernis nicht (Urteil vom 24. März 2011, Legris Industries/Kommission, T‑376/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:107, Rn. 32).

91

Allerdings hat der Unionsrichter bisweilen nicht ausdrücklich in der Klageschrift dargestellte Klagegründe wegen einer solchen Verweisung als ordnungsgemäß geltend gemacht zugelassen, wenn der Kläger auf seine eigenen Schriftsätze in einer anderen Rechtssache verwiesen hat (Urteil vom 14. Dezember 2005, Honeywell/Kommission, T‑209/01, EU:T:2005:455, Rn. 61 und 62 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). In diesen Fällen waren die Parteien identisch, wie auch die sie vertretenden Bevollmächtigten und Anwälte. Demgegenüber ist das Gericht der Ansicht, dass es eine Umgehung der zwingenden Anforderungen von Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 44 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 ermöglichen würde, wenn Klagegründe, die nicht ausdrücklich in der Klageschrift dargestellt worden sind, mit der Begründung als zulässig angesehen würden, dass sie von einem Dritten in einer anderen Rechtssache geltend gemacht worden sind, auf die in der Klageschrift verwiesen wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Dezember 2005, Honeywell/Kommission, T‑209/01, EU:T:2005:455, Rn. 63 und 64, vom 27. September 2012, Dura Vermeer Infra/Kommission, T‑352/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:483, Rn. 25 und 26, vom 27. September 2012, Koninklijke BAM Groep/Kommission, T‑355/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:486, Rn. 26 und 27, und vom 27. September 2012, Heijmans/Kommission, T‑360/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:490, Rn. 25 und 26). Schließlich ist zu beachten, dass nach dem namentlich in Art. 43 § 1 der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 niedergelegten Grundsatz jede Partei für den Inhalt der von ihr eingereichten Schriftsätze selbst verantwortlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. Juni 1995, ICI/Kommission, T‑37/91, EU:T:1995:119, Rn. 46, und vom 14. Dezember 2005, Honeywell/Kommission, T‑209/01, EU:T:2005:455, Rn. 66). Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Klägerinnen sich auf eine gegebenenfalls von Dritten erwirkte Nichtigerklärung zu berufen wünschen und dass folglich weder die Parteien noch ihre Vertreter identisch sind.

92

Zudem stellt ein mehrere Unternehmen betreffender Wettbewerbsbeschluss, obgleich er in Form eines einzigen Beschlusses abgefasst und veröffentlicht worden ist, ein Bündel von Einzelbeschlüssen dar, mit denen gegenüber jedem der Unternehmen, die Adressaten des Beschlusses sind, festgestellt wird, welche Zuwiderhandlung oder Zuwiderhandlungen es begangen hat, und diesem gegebenenfalls eine Geldbuße auferlegt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. September 1999, Kommission/AssiDomän Kraft Products u. a., C‑310/97 P, EU:C:1999:407, Rn. 49, und vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, EU:C:2002:582, Rn. 100). Wie der Gerichtshof entschieden hat, wird der Unionsrichter, wenn ein Adressat eines Beschlusses Nichtigkeitsklage erhebt, nur mit den Teilen des Beschlusses befasst, die diesen Adressaten betreffen, während diejenigen Teile, die andere Adressaten betreffen, die den Beschluss nicht angefochten haben, nicht Teil des Streitgegenstands sind, über den der Unionsrichter zu entscheiden hat (Urteile vom 14. September 1999, Kommission/AssiDomän Kraft Products u. a., C‑310/97 P, EU:C:1999:407, Rn. 53, vom 29. März 2011, ArcelorMittal Luxembourg/Kommission und Kommission/ArcelorMittal Luxembourg u. a., C‑201/09 P und C‑216/09 P, EU:C:2011:190, Rn. 142, und vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 66). Folglich hat nach Ansicht des Gerichtshofs ein Punkt der Begründung eines Nichtigkeitsurteils keine Verbindlichkeit für Personen, die nicht Partei des Verfahrens waren und für die das Urteil daher keine wie auch immer geartete Entscheidung enthalten kann (Urteil vom 14. September 1999, Kommission/AssiDomän Kraft Products u. a., C‑310/97 P, EU:C:1999:407, Rn. 55). Somit entfaltet die Nichtigerklärung eines Einzelfallbeschlusses zwar Erga-omnes-Wirkung und ist für jedermann verbindlich, sie kommt aber – anders als bei der Nichtigerklärung eines Rechtsakts mit allgemeiner Geltung – nicht jedem zugute (vgl. Urteil vom 15. Juli 2015, Emesa-Trefilería und Industrias Galycas/Kommission, T‑406/10, EU:T:2015:499, Rn. 126 und die dort angeführte Rechtsprechung).

93

Allerdings hat der Gerichtshof diesen Grundsatz im Urteil vom 22. Januar 2013, Kommission/Tomkins (C‑286/11 P, EU:C:2013:29, Rn. 43 bis 49), nuanciert, in dem er befunden hat, dass das Gericht, weil sich die Haftung der Muttergesellschaft ausschließlich von der Haftung der Tochtergesellschaft ableitete und Mutter- und Tochtergesellschaft Parallelklagen mit demselben Streitgegenstand erhoben hatten, nicht ultra petita entschieden hat, indem es das Ergebnis der von der Tochtergesellschaft erhobenen Klage berücksichtigt und die streitige Entscheidung für den fraglichen Zeitraum auch hinsichtlich der Muttergesellschaft für nichtig erklärt hat, obwohl diese das Vorliegen der Zuwiderhandlung für den gesamten von ihrer Tochtergesellschaft bestrittenen Zeitraum nicht selbst bestritten hatte. Nach Ansicht des Gerichtshofs setzt jedoch die Anwendung einer solchen Lösung auf die gegen eine Muttergesellschaft, deren Haftung sich ausschließlich von der Haftung ihrer Tochtergesellschaft ableitet, verhängte Geldbuße voraus, dass besondere Umstände vorliegen, namentlich, dass die beiden Gesellschaften Klagegründe mit „demselben Streitgegenstand“ angeführt haben und dass die klagende Muttergesellschaft solche Umstände geltend macht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2013, Team Relocation/Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 66).

94

Der Gerichtshof hat den Begriff „derselbe Streitgegenstand“ jedoch nicht definiert und seine Haltung zu der Frage, ob das Vorliegen besonderer Umstände, wie sie im Urteil vom 22. Januar 2013, Kommission/Tomkins (C‑286/11 P, EU:C:2013:29), in Rede standen, vom Gericht von Amts wegen zu prüfen ist, weiterentwickelt. Er hat diese Lösung zunächst in dem Fall angewandt, in dem die beiden Gesellschaften die Dauer der Zuwiderhandlung bestritten hatten und ein Teil dieses Zeitraums identisch war (Urteil vom 22. Januar 2013, Kommission/Tomkins, C‑286/11 P, EU:C:2013:29, Rn. 43 und 44). Er hat aber auch ein Urteil des Gerichts, in dem dieses in einem Fall, in dem die Tochtergesellschaft eine Herabsetzung der ihr auferlegten Geldbuße wegen fehlerhafter Berücksichtigung ihrer Zusammenarbeit nach der Kronzeugenregelung erwirkt hatte, so vorgegangen war, unter Hinweis darauf bestätigt, dass im vorliegenden Fall die Muttergesellschaft hilfsweise beantragt hatte, die ihrer Tochtergesellschaft und ihr selbst gesamtschuldnerisch auferlegte Geldbuße herabzusetzen, und dass einige ihrer Klagegründe „u. a. die Rechtfertigung einer solchen Herabsetzung zum Gegenstand hatten“ (Urteil vom 26. September 2013, Alliance One International/Kommission, C‑679/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:606, Rn. 103 bis 107). Schließlich hat der Gerichtshof mit einem Urteil vom 17. September 2015, Total/Kommission (C‑597/13 P, EU:C:2015:613, Rn. 31 bis 42), ein Urteil des Gerichts aufgehoben, mit dem dieses in dem die Muttergesellschaft betreffenden Urteil die Herabsetzung der Geldbuße nicht berücksichtigt hatte, die ihrer Tochtergesellschaft in einem an demselben Tag erlassenen Urteil wegen der von der Kommission bei der Berechnung der Geldbuße angewandten Methode zur Bestimmung des Multiplikationsfaktors für die Dauer der Zuwiderhandlung gewährt worden war. Die Muttergesellschaft hatte indes weder einen solchen Klagegrund geltend gemacht (sie hatte dagegen die Dauer der Zuwiderhandlung bestritten) noch beantragt, ihr eine Herabsetzung der Geldbuße zugutekommen zu lassen, falls ihrer Tochtergesellschaft eine solche gewährt werden sollte.

95

Im vorliegenden Fall hat Biogaran, eine Tochtergesellschaft von Servier, ebenfalls eine Klage (über die mit Urteil vom heutigen Tag, Biogaran/Kommission, T‑677/14, entschieden worden ist) gegen die Art. 1, 7 und 8 des angefochtenen Beschlusses erhoben. Wie die Kommission in der Sitzung ausgeführt hat, unterscheiden sich jedoch die Umstände der vorliegenden Rechtssache von denen in der Rechtssache, die mit dem Urteil vom 22. Januar 2013, Kommission/Tomkins (C‑286/11 P, EU:C:2013:29), entschieden worden ist, und denen, zu der die darauffolgende Rechtsprechung ergangen ist, und zwar insbesondere dadurch, dass die Haftung der Klägerinnen nicht ausschließlich von der ihrer Tochtergesellschaft Biogaran abgeleitet ist (Rn. 3006 bis 3013 des angefochtenen Beschlusses). Zudem kann der Antrag der Klägerinnen, ihnen eine zugunsten von Biogaran ausgesprochene Nichtigerklärung zugutekommen zu lassen, jedenfalls deshalb keinen Erfolg haben, weil die von Biogaran in der Rechtssache, in der das Urteil vom heutigen Tag, Biogaran/Kommission (T‑677/14), ergangen ist, erhobene Klage abgewiesen worden ist.

96

Die Klägerinnen machen auch geltend, eine von einem anderen Adressaten des angefochtenen Beschlusses erwirkte Nichtigerklärung müsse ihnen zugutekommen, „um jede unterschiedliche Behandlung von rechtlich und tatsächlich identischen Situationen zu vermeiden“. Ein solches Vorgehen sei sowohl wegen des Grundsatzes der Gleichbehandlung als auch durch eine „allgemeine Kohärenzpflicht“ geboten.

97

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung ein in den Art. 20 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerter allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, der es gebietet, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, eine solche Behandlung ist objektiv gerechtfertigt (vgl. Urteil vom 14. September 2010, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission u. a., C‑550/07 P, EU:C:2010:512, Rn. 54 und 55 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Ein mehrere Unternehmen betreffender Wettbewerbsbeschluss stellt aber, obgleich er in Form eines einzigen Beschlusses abgefasst und veröffentlicht worden ist, ein Bündel von Einzelbeschlüssen dar, mit denen gegenüber jedem der Unternehmen, die Adressaten des Beschlusses sind, festgestellt wird, welche Zuwiderhandlung oder Zuwiderhandlungen es begangen hat, und ihm gegebenenfalls eine Geldbuße auferlegt wird (siehe oben, Rn. 92). Diese Unternehmen befinden sich somit a priori und vorbehaltlich von Ausnahmen in unterschiedlichen Situationen. Demzufolge erlaubt es der Grundsatz der Gleichbehandlung dem Unionsrichter nicht, von den für die Zulässigkeit der Anträge geltenden Verfahrensregeln abzuweichen und einem Unternehmen, das Adressat eines wettbewerbsrechtlichen Beschlusses ist, eine Nichtigerklärung dieses Beschlusses zugutekommen zu lassen, die ein anderer Adressat desselben auf der Grundlage von nur von ihm geltend gemachten Klagegründen erwirkt hat.

98

Zudem kann die Pflicht des Gerichts zur Begründung seiner Urteile nicht so weit gehen, dass es die in einer Rechtssache gewählte Lösung gegenüber der in einer anderen von ihm entschiedenen Rechtssache gewählten zu rechtfertigen hätte, selbst wenn sie denselben Beschluss betreffen sollte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2013, Team Relocation/Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 66).

99

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der dritte Antrag der Klägerinnen, ihnen eine Nichtigerklärung zugutekommen zu lassen, die etwa von anderen Adressaten des angefochtenen Beschlusses auf der Grundlage der von diesen geltend gemachten Klagegründe erwirkt worden ist, unzulässig ist. Selbst wenn dieser Antrag zulässig sein sollte, ist er im Übrigen als unbegründet zurückzuweisen, da die Klägerinnen, wie sich aus den vorstehenden Rn. 92 bis 98 ergibt, eine zugunsten der anderen Adressaten des angefochtenen Beschlusses gewählte Lösung nicht mit Erfolg zu ihren Gunsten in Anspruch nehmen können.

2.   Zur Zulässigkeit einiger Anlagen zur Klageschrift

a)   Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

b)   Würdigung durch das Gericht

102

Die Kommission macht in erster Linie geltend, die Anlagen A 2 und A 3 zur Klageschrift seien gemäß dem Grundsatz iura novit curia unzulässig. Die Anlagen, die lediglich eine Beweis- und Hilfsfunktion hätten, könnten nicht verwendet werden, um eine Auffassung zu einer Frage des Unionsrechts geltend zu machen oder zu vertiefen, deren Beurteilung allein Sache des Gerichts sei. Sie beruft sich hierfür auf die Urteile vom 5. Juli 2011, Edwin/HABM (C‑263/09 P, EU:C:2011:452, Rn. 53), und vom 20. März 2013, El Corte Inglés/HABM – Chez Gerard (CLUB GOURMET) (T‑571/11, EU:T:2013:145, Rn. 35), wonach der Grundsatz iura novit curia nur für das Unionsrecht und nicht für nationales Recht gelte. Es ist darauf hinzuweisen, dass dieser Grundsatz bedeutet, dass die Bestimmung des Sinns des Gesetzes allein Sache des Richters und nicht der Parteien ist. Die Rechtsprechung hat diesen Grundsatz angewandt, um hervorzuheben, dass der Richter, obzwar er nur über das Begehren der Parteien zu entscheiden hat, deren Sache es ist, den Rahmen des Rechtsstreits abzugrenzen, nicht verpflichtet sein kann, allein die Argumente zu berücksichtigen, auf die diese ihr Vorbringen gestützt haben, da er seine Entscheidung sonst gegebenenfalls auf unzutreffende rechtliche Erwägungen stützen müsste (Beschlüsse vom 27. September 2004, UER/M6 u. a., C‑470/02 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2004:565, Rn. 69, und vom 13. Juni 2006, Mancini/Kommission, C‑172/05 P, EU:C:2006:393, Rn. 41, sowie Urteile vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 65, und vom 8. Juli 2010, Kommission/Putterie-De-Beukelaer, T‑160/08 P, EU:T:2010:294, Rn. 65). Nach diesem Grundsatz fällt die Bestimmung des Sinns einer Rechtsvorschrift auch nicht in den Geltungsbereich eines Grundsatzes, wonach die Parteien über den Rechtsstreit frei verfügen können, so dass der Unionsrichter nicht verpflichtet ist, den Parteien die Auslegung, die er vornehmen wird, mitzuteilen, damit diese hierzu Stellung nehmen können (vgl. Urteil vom5. Oktober 2009, Kommission/Roodhuijzen, T‑58/08 P, EU:T:2009:385, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung), solange der Richter die Verpflichtung beachtet, den Parteien die Kenntnis sowohl der tatsächlichen wie der rechtlichen Umstände zu ermöglichen, die für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sind (Urteil vom 2. Dezember 2009, Kommission/Irland u. a., C‑89/08 P, EU:C:2009:742, Rn. 56). Dieser Grundsatz kann jedoch nicht bedeuten, dass Anlagen zur Klageschrift, die sich auf die Auslegung des Unionsrechts beziehen, unzulässig wären.

103

Die von der Kommission erhobene Rüge der Unzulässigkeit scheint zudem dadurch motiviert zu sein, dass die beiden fraglichen Anlagen Gutachten zugunsten der Klägerinnen enthalten, die Sir Jacobs und Frau Macken als Anwälte erstattet haben, wobei deren Eigenschaft als ehemalige Mitglieder des Gerichtshofs allgemein bekannt ist und die Klägerinnen sich auf diese Eigenschaft berufen. Auf die in der Sitzung gestellte Frage, ob sie durch das Bestreiten der Zulässigkeit dieser Rechtsgutachten geltend machen wolle, dass diese ehemaligen Mitglieder des Gerichtshofs ihre Pflichten aus dem Verhaltenskodex für die ehemaligen Mitglieder des Gerichtshofs der Europäischen Union (ABl. 2007, C 223, S. 1), insbesondere aus dessen Art. 6 über die Verpflichtung der Mitglieder nach dem Ende ihrer Amtszeit, missachtet hätten, hat die Kommission geantwortet, dass dies nicht ihre Absicht sei. Das Gericht hat dies im Sitzungsprotokoll vermerkt.

104

Hilfsweise macht die Kommission geltend, nach der Rechtsprechung sei ein der Klageschrift als Anlage beigefügtes Rechtsgutachten nur zulässig, um die wesentlichen Gesichtspunkte, die in der Klageschrift enthalten sein müssten, zu untermauern und zu ergänzen, sofern die einschlägigen Abschnitte der Anlagen in der Klageschrift genau bezeichnet und in Bezug genommen seien. Hinsichtlich einiger Klagegründe enthielten aber im vorliegenden Fall die Ausführungen und Argumente in den Anlagen A 2 und A 3 zur Klageschrift das wesentliche, wenn nicht gar das gesamte Vorbringen der Klägerinnen.

105

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach der oben in Rn. 90 angeführten Rechtsprechung gemäß Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991, die zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage anwendbar war, die Klageschrift den Streitgegenstand, die Anträge und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss und dass es für die Zulässigkeit eines Klagegrundes erforderlich ist, dass sich die tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die er gestützt ist, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus dem Text der Klageschrift ergeben.

106

Der Text der Klageschrift kann zwar zu speziellen Punkten durch Bezugnahmen auf bestimmte Abschnitte beigefügter Schriftstücke untermauert und ergänzt werden, doch kann eine pauschale Bezugnahme auf andere Schriftstücke, auch wenn sie der Klageschrift als Anlagen beigefügt sind, nicht das Fehlen der wesentlichen Elemente der Rechtsausführungen ausgleichen, die nach den oben genannten Vorschriften in der Klageschrift enthalten sein müssen. Es ist nicht Sache des Gerichts, die Gründe und Argumente, auf die sich der Rechtsbehelf möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen und zu bestimmen, denn die Anlagen haben eine bloße Beweis- und Hilfsfunktion (vgl. Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung). Folglich kann das Gericht im vorliegenden Fall die Anlagen A 2 und A 3 zur Klageschrift nur insoweit berücksichtigen, als sie Klagegründe oder Argumente untermauern oder ergänzen, die die Klägerinnen in der Klageschrift ausdrücklich angeführt haben, und genau bestimmt werden kann, welche darin enthaltenen Elemente die fraglichen Klagegründe oder Argumente untermauern oder ergänzen (Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 99).

107

Was im Einzelnen die Anlage A 2 zur Klageschrift angeht, ist entgegen dem Vorbringen der Kommission festzustellen, dass die wesentliche Argumentation der Klägerinnen sehr wohl in der Klageschrift selbst enthalten ist und dass die in dieser Anlage dargelegten Elemente nur Klagegründe und Argumente in bestimmten Punkten untermauern und ergänzen, die in der Klageschrift enthalten sind und die das Gericht unschwer bestimmen kann.

108

So haben die Klägerinnen in Rn. 103 der Klageschrift festgestellt, im angefochtenen Beschluss werde anerkannt, dass Vergleiche in Patentrechtsstreitigkeiten im Allgemeinen ein legitimes Ziel verfolgten und dass die Mitgliedstaaten den Abschluss solcher Vergleiche förderten. In Rn. 24 der Anlage A 2 zur Klageschrift, auf die in deren Rn. 103 verwiesen wird, heißt es ebenfalls, dass die gütliche Beilegung von Rechtsstreitigkeiten von hohem öffentlichem Interesse sei, dass zahlreiche nationale Rechtssysteme das Bemühen um einen Vergleich förderten oder gar vorschrieben, bevor eine Klage bei Gericht erhoben werden könne, und dass der angefochtene Beschluss dadurch, dass er das Recht zum Abschluss eines Vergleichs beschränke, dieser Politik zuwiderlaufe und den Beteiligten sowie den Gerichten unnötige Kosten verursache. Da die Klägerinnen damit in Rn. 24 der Anlage A 2 zur Klageschrift Argumente angeführt haben, durch die die in der Klageschrift selbst ausdrücklich angeführten Gesichtspunkte lediglich untermauert und ergänzt werden, sind diese Argumente zulässig.

109

In Bezug auf die Rn. 29 und 818 der Klageschrift, zu denen die Kommission geltend macht, die Klägerinnen hätten dort lediglich auf das Gutachten von Sir Jacobs Bezug genommen, ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen in den Rn. 816 bis 822 der Klageschrift eingehend ihre Auffassung dargelegt haben, dass die Kommission wegen der Neuheit und Unvorhersehbarkeit des von ihr vertretenen Standpunkts gegen sie keine Geldbuße habe verhängen können, und dass die Rn. 70 und 76 der Anlage A 2 zur Klageschrift in dieser Hinsicht keine neuen Argumente oder Ausführungen enthalten.

110

Zu Rn. 147 der Klageschrift, in der die Klägerinnen ausführen, dass der von ihnen vertretene Ansatz zur Bestimmung der Art. 101 AEUV zuwiderlaufenden Vergleichsvereinbarungen im Einklang mit dem Urteil des Supreme Court of the United States vom 17. Juni 2013, Federal Trade Commission v. Actavis (570 U. S. [2013], im Folgenden: Urteil Actavis), stehe, ist festzustellen, dass dort in Fn. 153 auf die Rn. 32 und 33 der Anlage A 2 zur Klageschrift verwiesen wird. In Rn. 32 dieser Anlage untermauern die Klägerinnen jedoch lediglich dieses Argument, und in Rn. 33 dieser Anlage machen sie nur geltend, dass die Bedeutung des Urteils Actavis nicht auf einen nicht unter das Unionsrecht fallenden nationalen Zusammenhang beschränkt werden könne und dass der Standpunkt des Supreme Court of the United States (Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten) wegen des Rufes und der Erfahrung dieses Gerichts im Wettbewerbsrecht besondere Beachtung verdiene. Folglich sind diese Argumente zulässig.

111

Zur Anlage A 3 zur Klageschrift ist mit der Kommission festzustellen, dass die Klägerinnen zwar in Rn. 11 der Klageschrift die Haltung der Kommission als nicht neutral im Hinblick auf die Rechte des geistigen Eigentums bezeichnen, sich aber mit einem Verweis auf die Rn. 8, 15, 31, 34 und 41 der Anlage A 3 zur Klageschrift begnügen, in denen Frau Macken ausführt, dass zwischen den einzelnen Bereichen des geistigen Eigentums unterschieden werden müsse, dass die Einräumung eines Monopols auf Patente das Gegenstück zur Offenlegung der Erfindung gegenüber dem Publikum sei und dass die Kommission den Begriff „Marktexklusivitätsrecht“ im angefochtenen Beschluss unrichtig verwendet und das EPÜ fehlerhaft ausgelegt habe. Folglich sind diese Argumente unzulässig, mit Ausnahme desjenigen zur Einräumung eines Monopols auf Patente als Gegenstück zur Offenlegung der Erfindung gegenüber dem Publikum. In Rn. 67 der Klageschrift haben die Klägerinnen nämlich darauf hingewiesen, dass die Kommission „diesen wesentlichen Aspekt der Patente – ihre der Verbreitung der Erfindungen dienende Veröffentlichung – völlig ignoriert“ habe.

112

In Rn. 68 der Klageschrift machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe die Ausführungen des Richters des Court of Appeal (England & Wales) (Civil division) (Berufungsgericht [England und Wales] [Zivilabteilung]) im Urteil vom 9. Mai 2008, mit dem das von Servier eingelegte Rechtsmittel gegen das Urteil des High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) zurückgewiesen worden sei, verzerrt zitiert, und werfen der Kommission vor, das Gutachten von Professor S., das die Klägerinnen ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte beigefügt hätten, nicht berücksichtigt zu haben. Sie verweisen darüber hinaus auf die Rn. 113 bis 117 der Anlage A 3 zur Klageschrift. In diesen Randnummern beschränkt sich jedoch Frau Macken nicht auf die Ergänzung oder Vertiefung dieser Argumente, sondern führt aus, die Kommission habe die Beweise, die ihr den Schluss auf die Ungültigkeit des Patents 947 erlaubt hätten, fehlerhaft herangezogen. Damit bringt sie Argumente vor, mit denen die Auslegung in Frage gestellt werden soll, die die Kommission der in den Rn. 127 und 185 des angefochtenen Beschlusses erwähnten Erklärung der für Patente zuständigen Direktorin der Klägerin, der in Rn. 883 dieses Beschlusses genannten Erklärung des Rechtsberaters von Krka und der in Rn. 895 dieses Beschlusses erwähnten Erklärung des Verkaufsdirektors von Krka für Osteuropa gegeben hat. Diese Argumente sind daher unzulässig.

113

Zu Rn. 76 der Klageschrift ist mit der Kommission ebenfalls festzustellen, dass die Klägerinnen zwar in Fn. 79 der Klageschrift die Übersendung von Mahnschreiben als legitim bezeichnet, sich jedoch damit begnügt haben, auf die Rn. 58 bis 67 der Anlage A 3 zur Klageschrift zu verweisen, um die Gründe darzulegen, die die Feststellung erlaubten, dass diese Übersendung legitim gewesen sei. Die in der Anlage A 3 zur Klageschrift hierzu vorgetragenen Argumente sind daher unzulässig.

114

In Rn. 103 der Klageschrift stellen die Klägerinnen lediglich fest, dass im angefochtenen Beschluss anerkannt werde, dass Vergleiche in Patentrechtsstreitigkeiten im Allgemeinen ein legitimes Ziel verfolgten und dass die Mitgliedstaaten den Abschluss solcher Vergleiche förderten. Dagegen wird in den Rn. 50 bis 54 der Anlage A 3 zur Klageschrift, auf die in Rn. 103 der Klageschrift (Fn. 113) verwiesen wird, der Kommission vorgeworfen, die eingehend dargelegten weltweit angewandten Vergleichspraktiken nicht ausreichend evaluiert zu haben.

115

In Rn. 46 der Erwiderung machen die Klägerinnen geltend, der Gedanke, es sei vorzuziehen, dass jeder Rechtsstreit zu einem Urteil führe, laufe „den derzeitigen Überlegungen zum Gerichtsverfahren zuwider“, wobei sie auf Rn. 112 der Anlage A 3 zur Klageschrift verweisen, in der es heißt, dass der Ansatz der Kommission der Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2008, L 136, S. 3) zuwiderlaufe. Da diese Argumente nicht lediglich die in der Klageschrift selbst ausdrücklich angeführten Gesichtspunkte untermauern oder ergänzen, sind sie unzulässig.

116

Schließlich haben die Klägerinnen in Rn. 262 der Klageschrift ausgeführt, für Teva sei es von wesentlicher Bedeutung gewesen, als einer der ersten Generikahersteller in den Markt des Vereinigten Königreichs einzutreten, wobei sie auf Rn. 90 der Anlage A 3 zur Klageschrift verwiesen haben. Entgegen dem Vorbringen der Kommission haben die Klägerinnen in dieser Randnummer der Anlage A 3 zur Klageschrift diesen Vortrag lediglich untermauert und ergänzt mit dem Hinweis auf die Gründe, aus denen ein Generikahersteller nur dann am Eintritt in einen Markt interessiert sei, wenn er dabei zu den Ersten gehöre. Demzufolge sind die hierzu in der Anlage A 3 zur Klageschrift vorgebrachten Argumente zulässig.

B. Zur Begründetheit

1.   Zur Verletzung des Grundsatzes der Unparteilichkeit und des Rechts auf gute Verwaltung

a)   Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

b)   Würdigung durch das Gericht

119

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass zu den Garantien, die die Unionsrechtsordnung für Verwaltungsverfahren vorsieht, u. a. der in Art. 41 der Charta der Grundrechte verankerte Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung gehört, der die Verpflichtung des zuständigen Organs umfasst, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen (Urteile vom 30. September 2003, Atlantic Container Line u. a./Kommission, T‑191/98 und T‑212/98 bis T‑214/98, EU:T:2003:245, Rn. 404, und vom 27. September 2012, Shell Petroleum u. a./Kommission, T‑343/06, EU:T:2012:478, Rn. 170). Dieses Unparteilichkeitsgebot umfasst zum einen die subjektive Unparteilichkeit in dem Sinne, dass kein mit der Sache betrautes Mitglied des betroffenen Organs Voreingenommenheit oder persönliche Vorurteile zum Ausdruck bringen darf, und zum anderen die objektive Unparteilichkeit in dem Sinne, dass das Organ hinreichende Garantien bieten muss, um jeden berechtigten Zweifel in dieser Hinsicht auszuschließen (Urteil vom 11. Juli 2013, Ziegler/Kommission, C‑439/11 P, EU:C:2013:513, Rn. 155 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nicht als „Gericht“ im Sinne von Art. 6 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) eingestuft werden kann, so dass das Verwaltungsverfahren vor der Kommission in Kartellsachen Art. 41 der Charta der Grundrechte und nicht deren Art. 47 unterliegt (vgl. Urteil vom 11. Juli 2013, Ziegler/Kommission, C‑439/11 P, EU:C:2013:513, Rn. 154 und die dort angeführte Rechtsprechung).

120

Die Klägerinnen berufen sich auf zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR). Als Erstes führen sie das Urteil des EGMR vom 25. März 2008, Vitan/Rumänien (CE:ECHR:2008:0325JUD004208402), an, das die in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankerte Unschuldsvermutung betrifft und in dem der EGMR eine Verletzung dieser Bestimmung festgestellt hat, weil der mit den strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Kläger beauftragte Staatsanwalt diesen bei einer Pressekonferenz als der missbräuchlichen Einflussnahme schuldig bezeichnet hat, obwohl dessen Schuld noch nicht rechtmäßig festgestellt war, und weil er „seine Äußerungen nicht nuanciert und nicht darauf geachtet hat, sie in den Zusammenhang des Strafverfahrens gegen den Kläger zu stellen“ (§§ 70 und 71). Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des EGMR eine Verletzung der Unschuldsvermutung nicht nur von einem Richter oder einem Gericht ausgehen kann, sondern auch von anderen Behörden, dass es von großer Bedeutung ist, wie die Staatsbediensteten ihre Worte in den Erklärungen wählen, die sie abgeben, bevor gegen eine Person ein Urteil ergeht und sie schuldig gesprochen wird, und dass es für die Anwendung von Art. 6 Abs. 2 EMRK auf den wirklichen Sinn der Erklärungen und nicht auf ihren Wortlaut ankommt (vgl. EGMR, 15. März 2011, Begu/Rumänien, CE:ECHR:2011:0315JUD002044802, § 126 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der EGMR erkennt jedoch an, dass Art. 6 Abs. 2 EMRK in Anbetracht ihres Art. 10, der die Freiheit der Meinungsäußerung schützt, die Behörden nicht daran hindern kann, die Öffentlichkeit über laufende Strafverfahren zu unterrichten, aber verlangt, dies mit der Diskretion und Zurückhaltung zu tun, die die Wahrung der Unschuldsvermutung gebietet (EGMR, 10. Februar 1995, Allenet de Ribemont/Frankreich, CE:ECHR:1995:0210JUD001517589, § 38).

121

Als Zweites führen die Klägerinnen das Urteil des EGMR vom 16. September 1999, Buscemi/Italien (CE:ECHR:1999:0916JUD002956995), an, in dem der EGMR eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK und des Rechts jeder Person darauf, dass ihre Sache von einem unparteiischen und unabhängigen Gericht in einem fairen Verfahren gehört wird, festgestellt hat, weil der Vorsitzende des Gerichts öffentlich Ausdrücke, die eine negative Beurteilung der Sache des Klägers nahelegten, verwendet hat, bevor er den Vorsitz des zur Entscheidung dieser Rechtssache berufenen Gerichts geführt hat (§§ 68 und 69). Der EGMR hat in diesem Urteil weiter ausgeführt, dass die zur Entscheidung berufenen Gerichte zu größtmöglicher Diskretion verpflichtet sind, um ihr Bild als unparteiische Richter zu gewährleisten, und dass diese Diskretion sie dazu veranlassen muss, sich nicht der Presse zu bedienen, und zwar auch nicht zur Antwort auf Provokationen (§ 67). Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung der Unionsgerichte die Kommission nicht als „Gericht“ im Sinne von Art. 6 Abs. 2 EMRK einzustufen ist (siehe oben, Rn. 119).

122

Die Klägerinnen führen ferner das Urteil vom 8. Juli 2008, Franchet und Byk/Kommission (T‑48/05, EU:T:2008:257, Rn. 210 bis 219), an, in dem das Gericht im Rahmen einer Schadensersatzklage festgestellt hat, dass das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) die Grundsätze der Unschuldsvermutung und der guten Verwaltung sowie seine Pflicht zur Vertraulichkeit verletzt hat, indem es die Verbreitung sensibler Punkte von Untersuchungen in der Presse herbeigeführt und angegeben hat, dass die Kläger eines „groß angelegten Vorhabens zur Plünderung von [Unions]mitteln“ verdächtig sind (Rn. 216).

123

Das Gericht hat zudem bereits Klarstellungen zur Pflicht zur Unparteilichkeit und zur Wahrung des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung vorgenommen, die der Kommission in Wettbewerbssachen obliegt. So hat es im Urteil vom 20. März 2002, ABB Asea Brown Boveri/Kommission (T‑31/99, EU:T:2002:77, Rn. 99 und 107), einen Klagegrund zurückgewiesen, mit dem die Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung in einem Fall geltend gemacht worden war, in dem sich die Klägerin bei ihrer Anhörung vor der Kommission einer abwertenden Bemerkung in Bezug auf ihren Ruf und einer Reihe tendenziöser Fragen zu von ihr nicht mehr bestrittenen Tatsachen seitens eines mit dem Fall, der Gegenstand des angefochtenen Beschlusses war, betrauten Beamten der Kommission ausgesetzt gesehen hatte und sich derselbe Beamte bei einer Konferenz zu Fragen des Wettbewerbsrechts unter Verwendung eines Zitats geäußert hatte, das die Aktivitäten der Klägerin diskreditierte. Das Gericht hat anerkannt, dass diese Bemerkungen von unbedachten Verhaltens- und Ausdrucksweisen eines Mitglieds der bei der Kommission mit dem vorliegenden Fall betrauten Gruppe zeugten, und darauf hingewiesen, dass sich der Generaldirektor der Generaldirektion (GD) Wettbewerb der Kommission im Anschluss an diese bei der Konferenz gefallene Bemerkung bei der Klägerin entschuldigt hat; es hat diese Bemerkungen jedoch nicht als geeignet angesehen, Zweifel an der Sorgfalt und Unparteilichkeit zu wecken, mit der die Kommission ihre Untersuchung der von der Klägerin begangenen Zuwiderhandlung durchgeführt hat, und befunden, dass das bedauerliche Verhalten eines Mitglieds der mit einer Sache betrauten Gruppe für sich genommen die Rechtmäßigkeit der vom Kollegium der Kommissionsmitglieder getroffenen Entscheidung nicht beeinträchtigt.

124

Zur Kumulierung der Funktionen der Ermittlung und der Sanktion von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln durch die Kommission hat der Gerichtshof entschieden, dass sie für sich genommen nicht gegen Art. 6 EMRK in seiner Auslegung durch den EGMR verstößt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, Schindler Holding u. a./Kommission, C‑501/11 P, EU:C:2013:522, Rn. 33 und 34), und das Gericht hat in ihr keine Verletzung des Gebots der Unparteilichkeit gesehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Juni 2012, Bolloré/Kommission, T‑372/10, EU:T:2012:325, Rn. 65 bis 67). Das Fehlen einer Trennung zwischen der Ermittlungs- und der Sanktionsfunktion innerhalb der Dienststellen der Kommission bedingt jedoch eine besondere Verantwortung der Mitglieder der Kommission, insbesondere des für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissionsmitglieds, sich jeder Parteinahme bei der Ermittlung von Wettbewerbsverstößen und der Führung der Verfahren zu ihrer Ahndung zu enthalten, weil sie die Befugnis haben, am Ende dieser Verfahren Sanktionen gegen die betreffenden Unternehmen zu verhängen.

125

Das Gericht hat zudem festgestellt, dass die Bekundung ihrer Entschlossenheit, die an wettbewerbswidrigen Kartellen Beteiligten nicht aus verfahrensrechtlichen Gründen ohne unionsrechtliche Sanktion davonkommen zu lassen, durch die Kommission keine Verletzung des Grundsatzes der Unparteilichkeit ist, sondern nur die Erklärung eines klaren, voll im Einklang mit dem Auftrag der Kommission stehenden Willens, im Einzelfall festgestellte Verfahrensfehler zu beseitigen, um die Wirksamkeit des Wettbewerbsrechts der Union nicht zu schwächen (Urteil vom 27. Juni 2012, Bolloré/Kommission, T‑372/10, EU:T:2012:325, Rn. 73 und 74).

126

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der Unionsrichter bereits einen Klagegrund der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren oder des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung wegen öffentlicher Stellungnahmen der Kommission oder eines ihrer Bediensteten während des Verwaltungsverfahrens mit der Begründung zurückgewiesen hat, dass die Akten keine Anhaltspunkte für die Annahme enthielten, dass die angefochtene Entscheidung ohne die umstrittenen Äußerungen nicht ergangen oder inhaltlich anders ausgefallen wäre (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Dezember 1975, Suiker Unie u. a./Kommission, 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, EU:C:1975:174, Rn. 91, und vom 7. Juli 1994, Dunlop Slazenger/Kommission, T‑43/92, EU:T:1994:79, Rn. 29). Nach der Rechtsprechung ist es somit Sache des Klägers, zumindest Anhaltspunkte für eine solche Schlussfolgerung vorzubringen (Urteil vom 15. März 2006, BASF/Kommission, T‑15/02, EU:T:2006:74, Rn. 606).

127

Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Tätigkeit der Kommission dem aus Art. 250 AEUV folgenden Kollegialprinzip unterliegt, das auf der Gleichheit der Kommissionsmitglieder bei der Teilnahme an der Beschlussfassung beruht und insbesondere bedingt, dass die Beschlüsse gemeinsam beraten werden und dass alle Mitglieder des Kollegiums für sämtliche gefassten Beschlüsse politisch gemeinsam verantwortlich sind. Dies gilt insbesondere für die ausdrücklich als Beschlüsse gekennzeichneten Rechtsakte, die die Kommission gegenüber Unternehmen im Interesse der Einhaltung der Wettbewerbsregeln erlässt und die darauf gerichtet sind, eine Zuwiderhandlung gegen diese Regeln festzustellen, Anordnungen gegenüber diesen Unternehmen zu erlassen und ihnen finanzielle Sanktionen aufzuerlegen. Da der verfügende Teil und die Begründung eines Beschlusses somit ein unteilbares Ganzes bilden, ist es nach dem Kollegialprinzip ausschließlich Sache des Kollegiums, beide zugleich anzunehmen (Urteil vom 27. September 2012, Heijmans Infrastructuur/Kommission, T‑359/06, nicht veröffentlicht,EU:T:2012:489, Rn. 126 und 127). Das Gericht hat zudem auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen entschieden, dass eine Meinungsäußerung des für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissionsmitglieds über ein anhängiges Verfahren, soweit sie streng persönlich ist und zurückhaltend formuliert wurde, nur diesem Mitglied zuzurechnen ist und der Beurteilung nicht vorgreift, zu der das Kollegium der Kommissionsmitglieder am Ende des Verfahrens gelangt (Urteil vom 8. Juli 1999, Vlaamse Televisie Maatschappij/Kommission, T‑266/97, EU:T:1999:144, Rn. 49 und 54). Im Übrigen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Mitglieder der Kommission in ihrer Beurteilungsfreiheit von einem unangebrachten Gefühl der Solidarität gegenüber ihrem für Wettbewerbsfragen zuständigen Kollegen beeinflusst wurden (Urteil vom 15. März 2006, BASF/Kommission, T‑15/02, EU:T:2006:74, Rn. 610).

128

Was die objektive Unparteilichkeit betrifft, bei der es darum geht, dass das Unionsorgan hinreichende Garantien für den Ausschluss jedes berechtigten Zweifels bieten muss, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission, wie sie in der Sitzung auf eine Frage des Gerichts dargelegt hat, mehrere interne Regelungen erlassen hat, die sie zur Einhaltung bestimmter Regeln bei der öffentlichen Kommunikation verpflichten. Im Einzelnen heißt es in dem 2011 angenommenen Verhaltenskodex für Kommissionsmitglieder (C[2011] 2904) in Punkt 1.7, dass es das Kollegialitätsprinzip gebietet, dass sich die Kommissionsmitglieder jeglicher Äußerung enthalten, die einen Beschluss der Kommission in Frage stellt, und sie über die Beratungen der Kommission Stillschweigen zu wahren haben. Des Weiteren heißt es im Anhang des Beschlusses 2000/633/EG, EGKS, Euratom der Kommission vom 17. Oktober 2000 zur Änderung ihrer Geschäftsordnung (ABl. 2000, L 267, S. 63) mit dem Titel „Kodex für gute Verwaltungspraxis in den Beziehungen der Bediensteten der Europäischen Kommission zur Öffentlichkeit“, dass „[h]ohe Qualität … voraus[setzt], dass sich die Kommission und ihre Bediensteten höflich, sachlich und unparteiisch verhalten“, und in Nr. 2 betreffend Objektivität und Unparteilichkeit, dass „Bedienstete … stets objektiv und unparteiisch sowie im Interesse der [Union] und zum Wohl der Allgemeinheit [handeln]“ und dass sie „[i]nnerhalb des von der Kommission festgelegten politischen Rahmens … in voller Unabhängigkeit [entscheiden], ohne sich von persönlichen oder nationalen Interessen leiten zu lassen oder politischem Druck nachzugeben“. Ebenso wird in dem am 28. Juni 2010 angenommenen Ethik- und Integritätskodex der GD Wettbewerb deren Bediensteten empfohlen, hinsichtlich der Freiheit der Meinungsäußerung jede Erörterung einer Sache, zu der die Kommission noch keine offizielle Stellungnahme festgelegt hat, zu vermeiden und hinsichtlich der Kontakte mit den Medien zu vermeiden, von einer Sache zu sprechen, die noch Gegenstand einer Ermittlung ist und zu der die Kommission noch keine offizielle Stellungnahme festgelegt hat.

129

Die Klägerinnen machen geltend, der Bürgerbeauftragte habe bereits einen Fall von Missstand in der Verwaltungstätigkeit bezüglich desselben Kommissionsmitglieds für Wettbewerbsfragen festgestellt, das zur Zeit des Erlasses des angefochtenen Beschlusses im Amt gewesen sei, weil dieses Mitglied – wie in der vorliegenden Rechtssache – öffentliche Äußerungen getätigt habe, die so zu verstehen gewesen seien, dass es bereits vor Abschluss der Untersuchung zu einer Schlussfolgerung gelangt sei.

130

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Schlussfolgerungen des Bürgerbeauftragten, mit denen dieser einen „Missstand in der Verwaltungstätigkeit“ feststellt, den Unionsrichter nicht binden und nur ein einfacher Anhaltspunkt für die Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung durch das betreffende Unionsorgan sein können. Das Verfahren vor dem Bürgerbeauftragten, der nicht zum Erlass bindender Entscheidungen befugt ist, ist im Verhältnis zu einer Klage vor dem Unionsrichter ein alternativer, außergerichtlicher Weg für die Unionsbürger, für den besondere Kriterien gelten und der nicht notwendig dasselbe Ziel hat wie eine Klage (Urteil vom 25. Oktober 2007, Komninou u. a./Kommission, C‑167/06 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2007:633, Rn. 44). Daher sind Auslegungen des Unionsrechts durch den Bürgerbeauftragten erst recht nicht geeignet, den Unionsrichter zu binden.

131

Im vorliegenden Fall werfen die Klägerinnen, was die subjektive Unparteilichkeit betrifft, bei der es darum geht, dass kein mit der Sache betrautes Mitglied des betreffenden Organs Voreingenommenheit oder persönliche Vorurteile zum Ausdruck bringen darf, den beiden nacheinander für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissionsmitgliedern, Frau N. Kroes und Herrn J. Almunia, vor, sich bei drei Gelegenheiten zum Ausgang des die Klägerinnen betreffenden Verwaltungsverfahrens geäußert zu haben. Wie die Klägerinnen in der Sitzung hervorgehoben haben, waren diese beiden Kommissionsmitglieder bei der Annahme des angefochtenen Beschlusses noch im Amt, haben bei der Annahme mitgewirkt und waren während unterschiedlicher Zeiträume unmittelbar mit der Ermittlung in der Sache betraut. Der angefochtene Beschluss ist im Übrigen von Herrn Almunia unterzeichnet.

132

Als Erstes geht aus den Akten hervor, dass sich Frau Kroes bei der Pressekonferenz zur Vorlage der Schlussfolgerungen des Untersuchungsberichts betreffend den Arzneimittelsektor dahin gehend äußerte, dass „[d]er Bericht … leider [bestätigt], dass es Wettbewerbsprobleme im Arzneimittelsektor gibt“, und dass „[d]er Bericht … insbesondere zu dem Schluss [kommt], dass die Hersteller des Originalpräparats aktiv versuchen, den Eintritt von Generika in den Markt zu verzögern“ (auf der Website der GD Wettbewerb veröffentlichte Rede). Den Klägerinnen zufolge soll Frau Kroes weiter ausgeführt haben, dass „[i]nsgesamt … festgestellt werden [kann], dass etwas faul im Königreich ist“ (zitiert nach der Website der Onlinezeitung EU Observer). Die Kommission macht in der Gegenerwiderung geltend, diese Äußerungen seien nur von einem Journalisten berichtet worden und der Artikel bestätige, dass sich der Ausdruck „faul“ auf die Sektoruntersuchung und nicht auf die Klägerinnen bezogen habe. Bei derselben Pressekonferenz sprach dasselbe für Wettbewerbsfragen zuständige Kommissionsmitglied in einem gesonderten Teil „Wettbewerb und Kontrolle“ die Einleitung eines Verfahrens gegen die Klägerinnen und bestimmte Generikahersteller an und führte aus, dass es „um vermutete Verstöße gegen die Regeln des [AEUV] betreffend den Wettbewerb einschränkende Handelspraktiken (Art. [101 AEUV]) wie auch den Missbrauch einer beherrschenden Stellung (Art. [102 AEUV]) [geht]“, dass „[i]m Rahmen dieser Sache … die Vereinbarungen zwischen Servier und einer Reihe von Generikaherstellern untersucht [werden]“, und dass „[d]iese Vereinbarungen … den Eintritt von generischen Konkurrenzerzeugnissen von Perindopril, einem sehr wichtigen Arzneimittel zur Behandlung von Herzkrankheiten und arterieller Hypertonie, verzögert [haben]“. Das für Wettbewerbsfragen zuständige Kommissionsmitglied unterschied somit sehr wohl zwischen den Ergebnissen der Sektoruntersuchung und dem Beschluss, ein Verfahren gegen die Klägerinnen einzuleiten. Hinsichtlich dieses Verfahrens wies das für Wettbewerbsfragen zuständige Kommissionsmitglied ausdrücklich darauf hin, dass es um mögliche Verletzungen der Wettbewerbsregeln gehe. Der Umstand allein, dass dieses Kommissionsmitglied im folgenden Satz von einer Beeinträchtigung des Markteintritts der Generika durch die fraglichen Vereinbarungen sprach, kann unter Berücksichtigung des im Satz davor dargestellten Kontexts nicht so verstanden werden, als sei das Kommissionsmitglied der Ansicht gewesen, dass eine Verletzung der Wettbewerbsregeln vorliege. Das für Wettbewerbsfragen zuständige Kommissionsmitglied hat sich damit bei dieser Pressekonferenz darauf beschränkt, die Öffentlichkeit mit der zur Wahrung der Unschuldsvermutung gebotenen Diskretion und Zurückhaltung über ein laufendes Verfahren zu unterrichten.

133

Als Zweites ist darauf hinzuweisen, dass Herr Almunia am 8. Oktober 2012 in einer Rede zur Vorstellung des Tätigkeitsberichts der Kommission auf dem Gebiet des Wettbewerbs im Europäischen Parlament u. a. das Verfahren betreffend die streitigen Vereinbarungen erwähnte und ausführte, dass „[i]m Arzneimittelsektor … Servier die Beschwerdepunkte [der Kommission] vor dem Sommer mitgeteilt [wurden]“, dass er „befürchte[t], dass diese Gesellschaften ihre Patente missbraucht haben, um den Eintritt preiswerterer Generika in den Markt zu behindern“, und dass er „hoff[t], dass die – idealerweise 2013 – zu erlassenden Beschlüsse eine Änderung der gegenwärtigen Praktiken bestimmter Akteure dieses Sektors, die sehr zu wünschen übrig lassen, bewirken werden“ (auf der Website der GD Wettbewerb veröffentlichte Rede). Mit der Angabe, dass die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an die Klägerinnen und andere Unternehmen versandt habe und dass 2013 Beschlüsse erlassen würden, hat das Kommissionsmitglied jedoch seine Verpflichtung zur Unparteilichkeit nicht verletzt und das Parlament lediglich mit der zur Wahrung der Unschuldsvermutung gebotenen Diskretion und Zurückhaltung über ein laufendes Verfahren unterrichtet. Die Mitteilung der Beschwerdepunkte ist nämlich nur ein vorläufiges Dokument, dem durch die Unionsverordnungen der Zweck zugewiesen ist, den Unternehmen alle erforderlichen Angaben zur Verfügung zu stellen, damit sie sich sachgerecht verteidigen können, bevor die Kommission einen endgültigen Beschluss erlässt (vgl. Urteil vom 27. September 2012, Koninklijke Wegenbouw Stevin/Kommission, T‑357/06, EU:T:2012:488, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung). So darf die Kommission zwar nach Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 ihre endgültige Entscheidung nur auf Beschwerdepunkte stützen, zu denen sich die Parteien äußern konnten, sie ist jedoch nicht verpflichtet, auf alle in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannten Umstände einzugehen, zumal wenn diese ungenügend erscheinen. Die Mitteilung der Beschwerdepunkte ist daher ihrem Wesen nach vorläufig und Änderungen anlässlich der späteren Beurteilung zugänglich, die die Kommission auf der Grundlage der von den Beteiligten vorgelegten Stellungnahmen und weiterer Tatsachenfeststellungen vornimmt (Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 63). Zudem besteht nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte, mit der die Kommission aufgrund einer ersten Prüfung ihre Ansicht bekundet, dass eine Zuwiderhandlung begangen wurde, nicht unbedingt mehr eine so weitgehende Pflicht des für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissionsmitglieds zur Zurückhaltung, denn dieses kann in öffentlichen Erklärungen mit aller gebotenen Vorsicht, da es sich um eine vorläufige Beurteilung handelt, die in diesem Stadium des Verfahrens gegen ein Unternehmen erhobenen Vorwürfe erwähnen.

134

Schließlich ist als Drittes festzustellen, dass nach den Akten Herr Almunia am 12. April 2013 in einer vor der amerikanischen Anwaltskammer in Washington gehaltenen und in der Presse wiedergegebenen Rede gesagt haben soll, dass „die Kommission … sich in den kommenden Monaten zur Rechtmäßigkeit der zwischen den Arzneimittelherstellern zur Verzögerung des Markteintritts preiswerterer Generika geschlossenen Vereinbarungen äußern“ werde und dass „die Ergebnisse der Sektoruntersuchung in Beschlüsse in den Sachen … und Servier umgewandelt“ würden (zitiert nach der Website MLex). Es ist zu beachten, dass in diesem Artikel die Äußerungen des Kommissionsmitglieds nur indirekt wiedergegeben werden. Zudem können diese Äußerungen, sollte das für Wettbewerbsfragen zuständige Kommissionsmitglied sie tatsächlich getätigt haben, nur in dem Sinne ausgelegt werden, dass der Erlass eines Beschlusses in der in Rede stehenden Sache möglich war (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 8. Juli 1999, Vlaamse Televisie Maatschappij/Kommission, T‑266/97, EU:T:1999:144, Rn. 53). Somit hat sich das für Wettbewerbsfragen zuständige Kommissionsmitglied darauf beschränkt, die Öffentlichkeit mit der zur Wahrung der Unschuldsvermutung gebotenen Diskretion und Zurückhaltung von der laufenden Untersuchung zu unterrichten. Jedenfalls ist darauf hinzuweisen, dass diese Äußerungen nur eine Meinungsbekundung des für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissionsmitglieds zu einem laufenden Verfahren darstellten, die nur diesem Mitglied zuzurechnen ist und der Beurteilung nicht vorgreift, zu der das Kollegium der Kommissionsmitglieder am Ende des Verfahrens gelangt ist (siehe oben, Rn. 127).

135

Folglich ist das Argument der Klägerinnen, der angefochtene Beschluss wäre ohne diese Erklärungen der Kommissionsmitglieder anders ausgefallen, zurückzuweisen.

136

Die Klägerinnen stützen diesen Klagegrund ferner auf den Vorwurf, dass das für Wettbewerbsfragen zuständige Kommissionsmitglied und sein Kabinett während des Großteils der Anhörung nicht zugegen gewesen seien. Der von den Klägerinnen in der Sitzung hervorgehobene Umstand, dass Herr Almunia an ihrer Anhörung vor der Kommission nicht teilgenommen und sich durch einen Mitarbeiter seines Kabinetts habe vertreten lassen, ist nicht geeignet, zu beweisen, dass der Sanktionsbeschluss im Grundsatz bereits vor dieser Anhörung getroffen worden wäre. Zudem ist die Teilnahme des Kommissionsmitglieds oder eines Mitarbeiters seines Kabinetts an der Anhörung in keiner Bestimmung vorgeschrieben. Nach Auffassung des Unionsrichters lässt sich jedoch unter Berufung auf den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung nicht in eine Verpflichtung umwandeln, was der Gesetzgeber nicht als eine solche angesehen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. September 2012, Koninklijke Wegenbouw Stevin/Kommission, T‑357/06, EU:T:2012:488, Rn. 242).

137

Die Klägerinnen werfen der Kommission weiter vor, die geltenden Beweisregeln und ‑maßstäbe verkannt zu haben, und verweisen dazu auf mehrere Randnummern des angefochtenen Beschlusses, gegen die sie sich mit anderen Klagegründen wenden (Verfälschung von Tatsachen, Fehler hinsichtlich des für die Einstufung als bezweckte Zuwiderhandlung geltenden rechtlichen Kriteriums, zu weite Auslegung des Begriffs des potenziellen Wettbewerbs usw.). In der Erwiderung führen sie aus, mit diesen Beispielen solle die Verzerrung nachgewiesen werden, die die Untersuchung beeinträchtige. Wie die Kommission geltend macht, fällt dieses Vorbringen der Klägerinnen jedoch mit der Frage zusammen, ob die im angefochtenen Beschluss getroffenen Tatsachenfeststellungen durch die von der Kommission vorgelegten Beweise gebührend untermauert sind und ob diese bei ihrer Analyse Rechtsfehler begangen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Oktober 1991, Atochem/Kommission, T‑3/89, EU:T:1991:58, Rn. 39). Dieses Vorbringen wird daher später, im Rahmen der materiellen Klagegründe, geprüft. Jedenfalls ist darauf hinzuweisen, dass dieses Vorbringen auf bloße Behauptungen gegründet und nicht zum Beweis dafür geeignet ist, dass die Kommission tatsächlich dem Ausgang des Verwaltungsverfahrens vorgegriffen oder voreingenommen ermittelt hätte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Juli 2000, Volkswagen/Kommission, T‑62/98, EU:T:2000:180, Rn. 272).

138

Die Klägerinnen machen schließlich geltend, das Fehlen einer Gegenuntersuchung der Sache durch ein internes Panel der GD Wettbewerb zeige die Parteilichkeit des angefochtenen Beschlusses und rechtfertige seine Nichtigerklärung wegen Verletzung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung und von Art. 41 der Charta der Grundrechte. Insoweit ist jedoch zu beachten, dass keine Verordnungsbestimmung oder für die Kommission geltende interne Regel dieser vorschreibt, eine Gegenuntersuchung sämtlicher Sachen durch ein internes Panel durchzuführen, und dass der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung nicht in eine Verpflichtung umwandeln kann, was der Gesetzgeber nicht als eine solche angesehen hat (siehe oben, Rn. 136). 2004 wurde zwar ein System der Peer-Review eingeführt. Aus einem im September 2011 von der Kommission veröffentlichten Dokument mit dem Titel „Verfahren für die Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV: Hauptakteure und Kräftegleichgewicht“ geht jedoch hervor, dass der Generaldirektor der GD Wettbewerb im Einvernehmen mit dem für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissionsmitglied entscheidet, in welchen Sachen dieses interne Panel eingesetzt wird, dass die Entscheidung für ein solches Panel und dessen Zusammensetzung nicht öffentlich bekannt gegeben werden und dass in die Peer-Review einer Sache keinesfalls die von dem Verfahren Betroffenen oder irgendein Dritter einbezogen sind. Die Durchführung einer solchen Gegenuntersuchung durch die GD Wettbewerb ist somit nicht in allen Verfahren vorgeschrieben, so dass nicht zu beanstanden ist, dass die Kommission im vorliegenden Fall keine derartige Gegenuntersuchung durchgeführt hat.

139

Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

2.   Zum Fehlen einer wirksamen Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen

a)   Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

b)   Würdigung durch das Gericht

142

Art. 14 der Verordnung Nr. 1/2003, der zu deren Kapitel IV betreffend die Zusammenarbeit zwischen der Kommission auf der einen und den Wettbewerbsbehörden und den Gerichten der Mitgliedstaaten auf der anderen Seite gehört, sieht in Abs. 1 vor, dass die Kommission „[v]or jeder Entscheidung, die nach Maßgabe der Artikel 7, 8, 9, 10 und 23, Artikel 24 Absatz 2 und Artikel 29 Absatz 1 [dieser Verordnung] ergeht, … einen Beratenden Ausschuss für Kartell- und Monopolfragen [hört]“. Nach Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 setzt sich „[f]ür die Erörterung von Einzelfällen … der Beratende Ausschuss … aus Vertretern der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten zusammen“. Gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 nimmt der Beratende Ausschuss zu dem vorläufigen Entscheidungsvorschlag der Kommission schriftlich Stellung, und nach Art. 14 Abs. 5 dieser Verordnung berücksichtigt „[d]ie Kommission … so weit wie möglich die Stellungnahme des Ausschusses [und] unterrichtet [ihn] darüber, inwieweit sie seine Stellungnahme berücksichtigt hat“. Zudem werden „[a]uf Antrag eines oder mehrerer Mitglieder … die in der Stellungnahme aufgeführten Standpunkte mit einer Begründung versehen“ (Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003). Nach Ziff. 58 der Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden (ABl. 2004, C 101, S. 43, im Folgenden: Bekanntmachung über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden) ist zudem „[d]er Beratende Ausschuss … das Forum, in dem Fachleute aus den verschiedenen Wettbewerbsbehörden Einzelfälle und allgemeine Fragen des europäischen Wettbewerbsrechts erörtern“.

143

Auf verfahrensrechtlicher Ebene sieht Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 vor, dass die Anhörung des Beratenden Ausschusses „in einer von der Kommission einberufenen Sitzung, in der die Kommission den Vorsitz führt, frühestens 14 Tage nach Absendung der Einberufung, der eine Darstellung des Sachverhalts unter Angabe der wichtigsten Schriftstücke sowie ein vorläufiger Entscheidungsvorschlag beigefügt wird, erfolgen [kann]“. Gleichwohl kann, wenn „eine von der Kommission abgesendete Einberufung zu einer Sitzung eine kürzere Ladungsfrist als die vorerwähnten Fristen [enthält], … die Sitzung zum vorgeschlagenen Zeitpunkt stattfinden, wenn kein Mitgliedstaat einen Einwand erhebt“. So heißt es auch in Ziff. 66 der Bekanntmachung über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden, dass „[d]ie Ratsverordnung … vor[sieht], dass die Mitgliedstaaten einem kürzeren Zeitraum zwischen der Absendung der Einladung und der Sitzung zustimmen können“. Nach Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 kann der Beratende Ausschuss zudem „seine Stellungnahme auch dann abgeben, wenn einzelne Mitglieder des Ausschusses nicht anwesend und nicht vertreten sind“. In Art. 14 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 schließlich heißt es: „Die Anhörung kann auch im Wege des schriftlichen Verfahrens erfolgen. Die Kommission muss jedoch eine Sitzung einberufen, wenn ein Mitgliedstaat dies beantragt. Im Fall eines schriftlichen Verfahrens setzt die Kommission den Mitgliedstaaten eine Frist von mindestens 14 Tagen für die Übermittlung ihrer Bemerkungen, die an die anderen Mitgliedstaaten weitergeleitet werden.“

144

Das Dokument „Bestimmungen über die Arbeitsweise des Beratenden Ausschusses“ vom 19. Dezember 2008, das die Kommission auf eine prozessleitende Maßnahme hin am 6. November 2015 vorgelegt hat, legt die einzelnen der Anhörung des Beratenden Ausschusses vorausgehenden Abschnitte fest, insbesondere diejenigen, in denen die nationalen Wettbewerbsbehörden je nach Fortgang der Ermittlung in der Sache Kenntnis von der Akte nehmen können.

145

Als Erstes ist hierzu auf Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 hinzuweisen, der wie folgt lautet: „Die Kommission übermittelt den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten eine Kopie der wichtigsten Schriftstücke, die sie zur Anwendung der Artikel 7, 8, 9, 10 und 29 Absatz 1 zusammengetragen hat. Die Kommission übermittelt der Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats auf Ersuchen eine Kopie anderer bestehender Unterlagen, die für die Beurteilung des Falls erforderlich sind.“ Art. 11 Abs. 6 dieser Verordnung sieht vor: „Leitet die Kommission ein Verfahren zum Erlass einer Entscheidung nach Kapitel III ein, so entfällt damit die Zuständigkeit der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten für die Anwendung der Artikel [101 und 102 AEUV]. Ist eine Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats in einem Fall bereits tätig, so leitet die Kommission ein Verfahren erst ein, nachdem sie diese Wettbewerbsbehörde konsultiert hat.“ In Anwendung dieser Bestimmungen übermittelt die Kommission den nationalen Wettbewerbsbehörden die ursprüngliche Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens, die an das betroffene Unternehmen gerichtete Mitteilung der Beschwerdepunkte, dessen Antwort hierauf und die wichtigsten Dokumente der Sache unmittelbar nach deren Bekanntgabe an oder deren Erhalt durch dieses Unternehmen (vgl. Rn. 6 und 7 der Bestimmungen über die Arbeitsweise des Beratenden Ausschusses).

146

Als Zweites ist zu beachten, dass nach den Rn. 33 bis 36 der Bestimmungen über die Arbeitsweise des Beratenden Ausschusses die Kommission für jede Sache, in der sie eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an ein Unternehmen richtet, binnen 45 Tagen nach Übersendung dieser Mitteilung an die Betroffenen nach einer dem turnusmäßigen Wechsel der Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union entsprechenden Reihenfolge eine der nationalen Wettbewerbsbehörden als Berichterstatterin (im Folgenden: berichterstattende NWB) benennt, sofern nicht im Interesse der Objektivität die Wahl einer anderen nationalen Wettbewerbsbehörde geboten ist, in welchem Fall die Kommission vorbehaltlich der Zustimmung der ersten nationalen Wettbewerbsbehörde die dieser im Verzeichnis des turnusmäßigen Wechsels der Präsidentschaft folgende Wettbewerbsbehörde wählen kann (Rn. 28, 33 und 34). Die berichterstattende NWB soll zum Verständnis der Sache durch die anderen nationalen Wettbewerbsbehörden beitragen und diese von den wesentlichen Abschnitten der Ermittlung in der Sache unterrichten und arbeitet zu diesem Zweck eng mit der Kommission zusammen (Rn. 40 und 42). In den Bestimmungen über die Arbeitsweise des Beratenden Ausschusses wird der berichterstattenden NWB ebenfalls empfohlen, mindestens fünf Tage vor dem Zusammentreten des Beratenden Ausschusses eine Liste der für die Sache wesentlichen Fragen in Umlauf zu bringen (Rn. 44 Ziff. i) sowie die Sache und die mit ihr aufgeworfenen Probleme zu Beginn der Sitzung des Beratenden Ausschusses vorzustellen (Rn. 44 Ziff. ii).

147

Als Drittes ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel [101 und 102 AEUV] durch die Kommission (ABl. 2004, L 123, S. 18) „[d]ie Kommission … den Parteien, an die sie eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet hat, Gelegenheit zur Äußerung [gibt], bevor sie den Beratenden Ausschuss nach Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung … Nr. 1/2003 hört“. Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 sieht zudem vor: „Die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten werden von der Kommission zu der Anhörung eingeladen. Die Kommission kann auch Beamte und Bedienstete anderer Behörden der Mitgliedstaaten einladen.“ Nach Rn. 12 der Bestimmungen über die Arbeitsweise des Beratenden Ausschusses dient die Teilnahme der nationalen Wettbewerbsbehörden der wirksamen Arbeit des Beratenden Ausschusses. Dagegen weist keine Bestimmung der berichterstattenden NWB eine besondere Rolle bei der Anhörung zu.

148

Nach der Rechtsprechung zu den entsprechenden Bestimmungen der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [101 und 102 AEUV] (ABl. 1962, 13, S. 204), deren Nachfolgeregelung die Verordnung Nr. 773/2004 ist, stellt die Anhörung des Beratenden Ausschusses eine wesentliche Förmlichkeit dar, deren Verletzung die Rechtmäßigkeit der endgültigen Entscheidung beeinträchtigt, sofern erwiesen ist, dass der Beratende Ausschuss seine Stellungnahme nicht in voller Kenntnis der Umstände abgeben konnte. Der Inhalt der sich aus dieser Vorschrift ergebenden Verpflichtungen und die Frage, ob es sich um wesentliche Verpflichtungen handelt, sind in jedem Einzelfall aufgrund dieses Zwecks der Vorlage der Schriftstücke zu prüfen, der darin besteht, es dem Ausschuss zu ermöglichen, seine beratenden Funktionen in voller Kenntnis der Umstände auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Juli 1991, RTE/Kommission, T‑69/89, EU:T:1991:39, Rn. 21 und 23, und vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T‑25/95, T‑26/95, T‑30/95 bis T‑32/95, T‑34/95 bis T‑39/95, T‑42/95 bis T‑46/95, T‑48/95, T‑50/95 bis T‑65/95, T‑68/95 bis T‑71/95, T‑87/95, T‑88/95, T‑103/95 und T‑104/95, EU:T:2000:77, Rn. 742).

149

Hinsichtlich der dem Beratenden Ausschuss zu übermittelnden Dokumente ist entschieden worden, dass, obwohl die Anhörung im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten erfolgt und nicht bezweckt, ein kontradiktorisches Verfahren gegenüber den betroffenen Unternehmen durchzuführen, der Ausschuss insbesondere in aller Objektivität über den Standpunkt und die wesentlichen Argumente dieser Unternehmen unterrichtet sein muss, wie sie in deren Erklärungen zu allen von der Kommission im Anschluss an die Untersuchung gegen sie erhobenen Beschwerdepunkten zum Ausdruck gekommen sind. So gehört u. a. die Niederschrift über die Anhörung grundsätzlich zu den wichtigsten Schriftstücken im Sinne des Art. 10 Abs. 5 der Verordnung Nr. 17 und muss dem Ausschuss somit bei seiner Einberufung übermittelt werden. Die Übersendung der Niederschrift über die Anhörung stellt jedoch nur dann eine wesentliche Förmlichkeit dar, wenn sie im gegebenen Fall erforderlich ist, damit der Beratende Ausschuss seine Stellungnahme in voller Kenntnis der Umstände abgeben kann, d. h., ohne durch Ungenauigkeiten oder Auslassungen in einem wesentlichen Punkt irregeführt zu werden. Dies ist nicht der Fall, wenn die Niederschrift über die Anhörung keine wichtigen neuen Informationen enthält, die in den der Einberufung des Beratenden Ausschusses beigefügten schriftlichen Antworten des betroffenen Unternehmens auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht enthalten sind. In einem solchen Fall beeinträchtigt nämlich der Umstand, dass die Kommission dem Beratenden Ausschuss die Niederschrift über die Anhörung bei dessen Einberufung nicht übersendet, nicht die Verteidigungsrechte des betroffenen Unternehmens und hat auch keine Auswirkungen auf den Ausgang des Anhörungsverfahrens. Deshalb ist eine solche Unterlassung nicht geeignet, das gesamte Verwaltungsverfahren ungültig zu machen und dadurch die Rechtmäßigkeit der endgültigen Entscheidung in Frage zu stellen (Urteil vom 10. Juli 1991, RTE/Kommission, T‑69/89, EU:T:1991:39, Rn. 21 bis 23).

150

Des Weiteren ist darin, dass die Kommission den Beratenden Ausschuss nicht über den genauen Betrag der Geldbußen unterrichtet hatte, keine Verletzung der wesentlichen Förmlichkeit der Anhörung des Beratenden Ausschusses gesehen worden, da sie diesem alle wesentlichen für die Ausarbeitung einer Stellungnahme zu den Geldbußen erforderlichen Unterlagen übermittelt hatte. Der Beratende Ausschuss muss nur über die für die Verhängung der Geldbußen vorgesehenen Kriterien unterrichtet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T‑25/95, T‑26/95, T‑30/95 bis T‑32/95, T‑34/95 bis T‑39/95, T‑42/95 bis T‑46/95, T‑48/95, T‑50/95 bis T‑65/95, T‑68/95 bis T‑71/95, T‑87/95, T‑88/95, T‑103/95 und T‑104/95, EU:T:2000:77, Rn. 747 und 748). So wird in Rn. 23 der Bestimmungen über die Arbeitsweise des Beratenden Ausschusses auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Vertraulichkeit der Erörterungen in diesem Ausschuss, insbesondere hinsichtlich der Höhe der Geldbuße, sicherzustellen. Rn. 24 dieser Bestimmungen sieht bezüglich der Festsetzung der Geldbuße vor, dass die Kommission in der Sitzung des Beratenden Ausschusses ein Dokument verteilt, in dem die gewählte Berechnungsmethode unter Bezugnahme auf die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2; im Folgenden: Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen) erläutert wird, dass die Mitglieder des Beratenden Ausschusses um zusätzliche Zeit für die Prüfung dieses Dokuments ersuchen können und dass das Dokument am Ende der Sitzung an die Kommission zurückgegeben wird.

151

Im vorliegenden Fall machen die Klägerinnen als Erstes geltend, die Kommission habe keine wirksame Anhörung des Beratenden Ausschusses durchgeführt, weil der die Geldbußen betreffende Teil des vorläufigen Beschlussvorschlags und die Antworten der Unternehmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht übermittelt worden seien, der vorläufige Vorschlag für den angefochtenen Beschluss den Ausschussmitgliedern erst kurz vor der Sitzung übermittelt worden sei, die den nationalen Wettbewerbsbehörden übersandte Zusammenfassung des vorläufigen Beschlussvorschlags Lücken aufgewiesen habe und die Begründung der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses unzureichend gewesen sei. Diese verschiedenen Argumente sind anhand der Akten und insbesondere der von der Kommission am 6. November 2015 auf eine prozessleitende Maßnahme hin und in der Sitzung gegebenen tatsächlichen Erläuterungen zu prüfen.

152

Ihr Argument, der die Geldbußen betreffende Teil des vorläufigen Beschlussvorschlags und die Antworten der Unternehmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte seien nicht übermittelt worden, haben die Klägerinnen in der Sitzung fallen gelassen; dies ist im Sitzungsprotokoll vermerkt worden. In der Sitzung haben die Klägerinnen zwar geltend gemacht, den nationalen Wettbewerbsbehörden sei bei den Sitzungen des Beratenden Ausschusses die Methode zur Berechnung der Geldbuße nicht mitgeteilt worden, doch geht dieses Vorbringen in tatsächlicher Hinsicht fehl, denn ausweislich der Akten übersandte die Kommission den nationalen Wettbewerbsbehörden am 3. Juli 2014 das Kapitel 10 betreffend die Geldbußen, das eine Erläuterung der wesentlichen Elemente dieser Methode enthielt, zusammen mit einer Erinnerung an die Einberufung des Beratenden Ausschusses zur zweiten Sitzung am 7. Juli 2014. Hierbei ist zu beachten, dass an die nationalen Wettbewerbsbehörden zuvor am 23. Juli 2013 die Antworten der Unternehmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, am 19. Dezember 2013 eine Sachverhaltsdarstellung und am 13. Februar 2014 die Antworten der Unternehmen auf Letztere gesandt worden waren. Am 20. Mai 2014 schließlich hatte ihnen die Kommission eine Sachverhaltsdarstellung betreffend die Zurechnung der Zuwiderhandlungen sowie die Antworten von Mylan, Niche und Unichem auf diese übersandt.

153

Hinsichtlich des Zeitpunkts der Übermittlung des vorläufigen Beschlussvorschlags geht aus den Akten hervor, dass die Kommission den nationalen Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten diesen Entwurf in drei Stufen übermittelte: Die Kapitel 1 bis 4 wurden ihnen am 12. Juni 2014 mit der Einberufung des Beratenden Ausschusses zur ersten Sitzung am 30. Juni 2014 übermittelt, die Kapitel 5 bis 9 am 20. Juni 2014 mit einer Zusammenfassung des vorläufigen Beschlussvorschlags und Kapitel 10 betreffend die Geldbußen (mit Ausnahme der genauen Beträge) am 3. Juli 2014 mit einer Erinnerung an die am 30. Juni 2014 übersandte Einberufung des Beratenden Ausschusses zur zweiten Sitzung am 7. Juli 2014, in der der vorläufige Beschlussvorschlag in seiner Gesamtheit behandelt werden sollte. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass, wie die Klägerinnen geltend machen, die Bestimmungen des Verfahrenshandbuchs für den Bereich der Wettbewerbspolitik der GD Wettbewerb in Nr. 10 auf S. 109 zwar vorsehen, dass im Allgemeinen zwei Sitzungen dieses Ausschusses abgehalten werden, von denen die eine die materiell-rechtlichen Aspekte der Sache und die andere die Höhe der Geldbußen betrifft, dass sie aber keine systematische Einhaltung dieses Organisationsschemas vorschreiben. Zudem geht aus den Akten hervor, dass im vorliegenden Fall die Kommission in der am 30. Juni 2014 versandten Einberufung zur zweiten Sitzung und in einer E‑Mail vom 3. Juli 2014 darauf hinwies, dass die Tagesordnung der Sitzung vom 7. Juli 2014 die Erörterung der Sache in ihrer Gesamtheit betreffe.

154

Es trifft zu, dass eine solche abgestufte Übersendung der Dokumente, die in einzelnen Fällen unter Missachtung der 14‑Tage-Frist erfolgte, eine Form von Eile erkennen lässt, die möglicherweise damit zusammenhing, dass die Kommission schon bei der Übersendung der Einberufung zu der Sitzung vom 30. Juni 2014 gegenüber den nationalen Wettbewerbsbehörden ihre Absicht angekündigt hatte, ihren Beschluss am 9. Juli 2014 zu erlassen, und dass sie für die Ausschussmitglieder nicht die besten Bedingungen für eine Stellungnahme schuf. Es ist jedoch festzustellen, dass keine nationale Wettbewerbsbehörde Einwände gegen die Termine dieser Sitzungen erhob, obwohl solche Einwände gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 die Abhaltung der Sitzungen verhindert hätten. Zudem geht aus den Akten hervor, dass die Kommission den nationalen Wettbewerbsbehörden am 6. Juli 2009 die ursprüngliche Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens, am 31. Juli 2012 die an die betroffenen Unternehmen gerichtete Mitteilung der Beschwerdepunkte, am 23. Juli 2013 die Antworten der Unternehmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, am 19. Dezember 2013 eine Sachverhaltsdarstellung, am 13. Februar 2014 die Antworten der Unternehmen auf diese und am 20. Mai 2014 eine Sachverhaltsdarstellung betreffend die Zurechnung der Zuwiderhandlungen sowie die Antworten von Mylan, Niche und Unichem auf diese übersandte. Überdies übersandte die Kommission diesen Unternehmen am 25. Juni 2014 den vom Anhörungsbeauftragten erstellten Vorentwurf des Protokolls der Anhörung.

155

Folglich mag es zwar insbesondere wegen der Länge der Kapitel 5 bis 9 des vorläufigen Beschlussvorschlags (fast 600 Seiten) und deren Komplexität als bedauerlich angesehen werden, dass diese den nationalen Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten von der Kommission erst zehn Tage vor der ersten Sitzung des Beratenden Ausschusses übersandt wurden, doch ist unter Berücksichtigung sämtlicher in den vorstehenden Rn. 153 und 154 aufgeführten Gesichtspunkte festzustellen, dass die Mitglieder des Beratenden Ausschusses hinreichend über den Gehalt der Akte und den Inhalt des vorläufigen Beschlussvorschlags unterrichtet waren und der Beratende Ausschuss somit seine Stellungnahme in voller Kenntnis der Umstände abgeben konnte.

156

Zudem ist darauf hinzuweisen, dass entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen weder Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 noch Ziff. 66 der Bekanntmachung über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden der Kommission vorschreibt, die vorherige ausdrückliche Zustimmung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten zu einer Abweichung von der 14‑Tage-Frist zwischen der Versendung der Einberufung an die Mitglieder des Beratenden Ausschusses und dessen Sitzung einzuholen. Nach Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 ist es nämlich, wenn die Kommission die Einberufung zu einer Sitzung weniger als 14 Tage vor dieser versendet, Sache der Mitgliedstaaten, sich gegebenenfalls dagegen auszusprechen; andernfalls findet die Sitzung an dem von der Kommission festgelegten Datum statt. Soweit eine Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung gerügt wird, ist überdies erneut darauf hinzuweisen, dass unter Berufung auf den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung nicht in eine Verpflichtung umgewandelt werden kann, was der Gesetzgeber nicht als eine solche angesehen hat (siehe oben, Rn. 136).

157

Zur Stellungnahme der Beratenden Ausschusses ist darauf hinzuweisen, dass diese zum einen gemäß Art. 14 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht systematisch veröffentlicht wird und dass es nach der Rechtsprechung nicht gegen den Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte verstößt, wenn sie den betroffenen Unternehmen nicht übermittelt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, EU:C:1983:158, Rn. 35 und 36), und dass zum anderen nach Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 die in der Stellungnahme aufgeführten Standpunkte nur auf Antrag mindestens eines der Mitglieder mit einer Begründung versehen werden und ein solcher Antrag im vorliegenden Fall nicht gestellt worden ist. Zudem haben nach Art. 27 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 die Parteien, gegen die sich ein Verfahren der Kommission nach Art. 101 AEUV richtet, kein Recht auf Einsicht in die Korrespondenz zwischen der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten oder zwischen den Letztgenannten, einschließlich der gemäß den Art. 11 und 14 dieser Verordnung erstellten Schriftstücke. Ferner sind nach Art. 28 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 die Beamten und Bediensteten der Kommission und der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten verpflichtet, keine Informationen preiszugeben, die sie bei der Anwendung dieser Verordnung erlangt oder ausgetauscht haben und die ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fallen, eine Verpflichtung, die auch für alle Vertreter und Experten der Mitgliedstaaten gilt, die an Sitzungen des Beratenden Ausschusses nach Art. 14 teilnehmen. Demgemäß können die Klägerinnen nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Stellungnahme des Beratenden Ausschusses nicht hinreichend begründet gewesen sei. Auch der Umstand, dass die Stellungnahme kurz und wenig detailliert war, bedeutet angesichts der anwendbaren Bestimmungen nicht, dass der Beratende Ausschuss nicht über alle Informationen verfügte, um in Kenntnis der Umstände zu befinden, und ebenso wenig, dass dieser Ausschuss sich nicht in voller Kenntnis der Umstände geäußert hat, auch wenn diese Äußerung knapp war.

158

Schließlich machen die Klägerinnen geltend, da die Zusammenfassung des vorläufigen Beschlussvorschlags, die die Kommission an die Mitglieder des Beratenden Ausschusses versandt habe, parteiisch und unvollständig gewesen sei, habe der Ausschuss nicht in voller Kenntnis der Umstände befinden können. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass diese Zusammenfassung, wie die Kommission geltend macht, nicht den Zweck hat, die Verteidigungsargumente des betroffenen Unternehmens aufzuführen, sondern dass sie die Erörterung des vorläufigen Beschlussvorschlags im Beratenden Ausschuss erleichtern soll. Jedenfalls geht im vorliegenden Fall aus der Antwort der Kommission auf die prozessleitende Maßnahme hervor, dass die Kommission in ihrer Zusammenfassung des vorläufigen Beschlussvorschlags die wesentlichen Punkte dieses Vorschlags dargestellt und dabei die heikelsten Aspekte ihrer Analyse (Kriterien für das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung, Marktdefinition, Anwendung von Art. 102 AEUV) hervorgehoben hat. Aus dem bloßen Umstand, dass sie in dieser Zusammenfassung nicht den Stand aller Rechtsstreitigkeiten über das Patent 947, die Auslegung der Bedeutung bestimmter Klauseln der Vergleichsvereinbarungen, die nach der Ungültigerklärung des Patents 947 durch das EPA liegenden Tatsachen oder die Unterschiede zwischen dem Erwerb der Technologie von Rolabo und der eines anderen Unternehmens erwähnt hat, folgt nicht, dass der Beratende Ausschuss, der im Übrigen über eine beträchtliche Anzahl von Dokumenten zu der Sache und insbesondere über die Argumente verfügte, die die Klägerinnen in ihren Stellungnahmen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte und zur Sachverhaltsdarstellung vorgetragen hatten (siehe oben, Rn. 152 bis 154), seine Stellungnahme nicht in voller Kenntnis der Umstände abgeben konnte.

159

Als Zweites machen die Klägerinnen geltend, der Beratende Ausschuss sei nicht ordnungsgemäß gehört worden, da nur eine geringe Anzahl seiner Mitglieder bei den Sitzungen anwesend gewesen sei, und die in der Sache berichterstattende NWB, die erst spät benannt worden sei, sei bei der Anhörung der Parteien und der zweiten Sitzung des Beratenden Ausschusses nicht zugegen gewesen.

160

Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, die berichterstattende NWB nicht binnen 45 Tagen nach Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte benannt und bewusst eine nationale Wettbewerbsbehörde gewählt zu haben, die bei der Anhörung nicht anwesend gewesen sei.

161

Es steht fest, dass die Bestimmungen über die Arbeitsweise des Beratenden Ausschusses vorsehen, dass die berichterstattende NWB grundsätzlich binnen 45 Tagen nach Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte an die Unternehmen und nach einem objektiven Kriterium, nämlich in einer dem turnusmäßigen Wechsel der Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union entsprechenden Reihenfolge, benannt wird (siehe oben, Rn. 146). Im vorliegenden Fall geht aus den Akten hervor, dass das Verfahren der Bestimmung der berichterstattenden NWB am 7. Mai 2014 begann und dass die Bundeswettbewerbsbehörde (Österreich; im Folgenden: BWB) am 3. Juni 2014 als berichterstattende NWB benannt wurde, d. h. nach der Anhörung, jedoch deutlich vor den Sitzungen des Beratenden Ausschusses, und dass diese Benennung nach einem objektiven Kriterium, nämlich gemäß dem turnusmäßigen Wechsel der Präsidentschaft im Rat, erfolgte. In der bloßen Nichteinhaltung der 45‑Tage-Frist für die Benennung der berichterstattenden NWB, die die Kommission in der Sitzung eingeräumt hat, kann im vorliegenden Fall kein Umstand gesehen werden, der den Beratenden Ausschuss daran gehindert hat, seine Aufgaben in Kenntnis der Umstände wahrzunehmen. Die Rolle der berichterstattenden NWB für das Verständnis der Sache durch die nationalen Wettbewerbsbehörden und deren Information wird erst im Stadium der Vorbereitung der Sitzungen des Beratenden Ausschusses besonders wichtig (siehe unten, Rn. 164), und in diesem Verfahrensabschnitt war im vorliegenden Fall die berichterstattende NWB bereits bestimmt. Zur Benennung der BWB als berichterstattende NWB ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen nichts dafür vorgetragen haben, dass diese im Zusammenhang mit dem Fehlen dieser nationalen Wettbewerbsbehörde bei der Anhörung vom 15., 16., 17. und 18. April 2013 gestanden hätte, und dass diese Benennung jedenfalls nach einem rein objektiven Kriterium, nämlich dem turnusmäßigen Wechsel der Präsidentschaft im Rat, erfolgte.

162

Die Klägerinnen machen auch geltend, der Beratende Ausschuss habe sich nicht in voller Kenntnis der Umstände äußern können, weil die berichterstattende NWB weder an der Anhörung der Parteien vom 15., 16., 17. und 18. April 2013 noch an der Sitzung des Beratenden Ausschusses vom 7. Juli 2014 teilgenommen habe. Die Kommission meint, dass die obligatorische Teilnahme der berichterstattenden NWB an der Anhörung in keiner Bestimmung vorgesehen sei, und trägt vor, dass acht Mitgliedstaaten bei der Anhörung zugegen gewesen seien.

163

Es ist darauf hinzuweisen, dass zwar nach Rn. 12 der Bestimmungen über die Arbeitsweise des Beratenden Ausschusses die Teilnahme der nationalen Wettbewerbsbehörden der wirksamen Arbeit des Beratenden Ausschusses dient, dass aber keine Bestimmung die Anwesenheit der berichterstattenden NWB bei der Anhörung vorschreibt und Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 nur vorsieht, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden zu der Anhörung eingeladen werden, zumal alle nationalen Wettbewerbsbehörden eine Abschrift des Protokolls der Anhörung erhalten. Zudem wurden, wie die Kommission geltend macht, die nationalen Wettbewerbsbehörden ordnungsgemäß zu der Anhörung eingeladen, und acht von ihnen waren tatsächlich bei dieser vertreten (vgl. zu einem Fall, in dem die nationalen Wettbewerbsbehörden nicht zu der Anhörung eingeladen worden waren, Urteil vom 21. September 2017, Feralpi/Kommission, C‑85/15 P, EU:C:2017:709, Rn. 38 bis 44). Ferner ist zu beachten, dass die Rolle der berichterstattenden NWB für das Verständnis der Sache durch die Wettbewerbsbehörden und deren Information besonders wichtig vor dem Beratenden Ausschuss ist, nicht aber im Stadium der Anhörung. In den Bestimmungen über die Arbeitsweise des Beratenden Ausschusses wird demgemäß der berichterstattenden NWB empfohlen, mindestens fünf Tage vor dem Zusammentreten des Beratenden Ausschusses eine Liste der für die Sache wesentlichen Fragen in Umlauf zu bringen, um insbesondere festzustellen, ob die Wettbewerbsbehörden dem vorläufigen Beschlussvorschlag insgesamt zustimmen können, ob sie Bemerkungen zu bestimmten Aspekten haben und ob sie eine Veröffentlichung der Stellungnahme wünschen (Rn. 44 Ziff. i), sowie die Sache und die mit ihr aufgeworfenen Hauptprobleme zu Beginn der Sitzung des Beratenden Ausschusses vorzustellen (Rn. 44 Ziff. ii). Wie aus den Akten hervorgeht, erörterte die BWB mit der Kommission, welche Fragen diese den Mitgliedern des Beratenden Ausschusses zur Prüfung übersenden sollte, und nahm an der ersten Sitzung des Beratenden Ausschusses teil, in der sie ihren Bericht vorlegte; die Klägerinnen bestreiten nicht, dass die BWB bei dieser Gelegenheit ihre Rolle als berichterstattende NWB in vollem Umfang wahrnahm. Zudem lässt der bloße Umstand, dass die Kommission den nationalen Wettbewerbsbehörden die Liste der für die Sache wesentlichen Fragen am Morgen des 26. Juni 2014, also vier Tage vor der ersten Sitzung des Beratenden Ausschusses, übermittelte, während die Bestimmungen über die Arbeitsweise des Beratenden Ausschusses hierfür eine Frist von fünf Tagen vorsehen, nicht den Schluss zu, dass der Beratende Ausschuss nicht in der Lage war, sich in voller Kenntnis der Umstände zu äußern. Anders als die Klägerinnen meinen, war die Kommission ferner nicht verpflichtet, eine andere berichterstattende NWB zu benennen, denn Rn. 38 der Bestimmungen über die Arbeitsweise des Beratenden Ausschusses sieht nur die Möglichkeit der Ersetzung einer die nationale Wettbewerbsbehörde vertretenden natürlichen Person durch eine andere natürliche Person vor, wenn dies erforderlich ist. Folglich hinderte die Tatsache, dass im vorliegenden Fall die BWB nicht an der Anhörung vom 15., 16., 17. und 18. April 2013 und, was bedauerlich ist, an der zweiten Sitzung des Beratenden Ausschusses vom 7. Juli 2015 teilgenommen hat, den Beratenden Ausschuss nicht daran, sich in voller Kenntnis der Umstände zu äußern.

164

Was die Rüge betrifft, bei den Sitzungen des Beratenden Ausschusses sei nur eine begrenzte Anzahl von Mitgliedstaaten zugegen gewesen, geht aus den Akten hervor, dass in der Sitzung vom 30. Juni 2014 nur fünf nationale Wettbewerbsbehörden (die des Königreichs Spanien, der Italienischen Republik, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden) und in der Sitzung vom 7. Juli 2014 nur zwei nationale Wettbewerbsbehörden (die der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Finnland) vertreten waren. Somit war im vorliegenden Fall in der Tat nur eine begrenzte Anzahl von Vertretern der Mitgliedstaaten an der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses beteiligt, da nach den Rn. 20 und 21 der Bestimmungen über die Arbeitsweise des Beratenden Ausschusses nur die Kommentare und Bemerkungen der in der Sitzung anwesenden Mitglieder in der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses berücksichtigt werden. Auf eine in der mündlichen Verhandlung gestellte Frage nach den Gründen für eine so geringe Beteiligung und der Möglichkeit einer Verschiebung der Sitzungen des Beratenden Ausschusses hat die Kommission dargelegt, sie habe Kenntnis von Eisenbahnstreiks gehabt und habe die Mitglieder des Ausschusses kontaktiert, um zu erfahren, ob sie spezielle Kommentare abzugeben hätten, sie habe aber keine Verschiebung der Sitzungen erwogen.

165

Auch wenn unter solchen Umständen eine Verschiebung der Sitzungen durch die Kommission angebracht gewesen wäre, kann doch aus der geringen Zahl von Vertretern der Mitgliedstaaten in den Sitzungen nicht geschlossen werden, dass die Kommission das wesentliche Formerfordernis der Anhörung des Beratenden Ausschusses missachtet hat.

166

Zunächst ist nämlich festzustellen, dass keine Bestimmung ein Quorum für die Annahme der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses vorsieht, auch wenn dies ungewöhnlich und mit einer bestimmten Vorstellung von ordnungsgemäßer Verwaltung schwer vereinbar erscheint. Zudem kann nach Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 der Beratende Ausschuss „seine Stellungnahme auch dann abgeben, wenn einzelne Mitglieder des Ausschusses nicht anwesend und nicht vertreten sind“. Sodann ist zu beachten, dass die Kommission den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten ermöglichen muss, im Beratenden Ausschuss mitzuwirken, und dass sie im vorliegenden Fall alles hierfür Erforderliche getan hat, da sie ihnen die Einladungen zu den Sitzungen des Beratenden Ausschusses vom 30. Juni und 7. Juli 2014 sowie alle notwendigen Dokumente seit der Einleitung des Verfahrens übersandt hat (siehe oben, Rn. 153 und 154), und dass keine Einwände gegen die Termine dieser Sitzungen erhoben wurden (siehe oben, Rn. 154). Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Beratende Ausschuss nur dann, wie im 19. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehen, als Diskussionsforum dazu beitragen kann, dass die Wettbewerbsregeln der Union einheitlich angewandt werden, wenn die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten bereit sind, dort wirksam mitzuarbeiten, da die Kommission insoweit über keinerlei Zwangsgewalt verfügt.

167

Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

3.   Zur Verletzung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf, der Verteidigungsrechte und des Grundsatzes der Waffengleichheit

a)   Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

b)   Würdigung durch das Gericht

170

Der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes ist ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der nunmehr in Art. 47 der Grundrechtecharta zum Ausdruck kommt (Urteil vom 8. Dezember 2011, Chalkor/Kommission, C‑386/10 P, EU:C:2011:815, Rn. 52). Dieser Grundsatz umfasst mehrere Elemente, zu denen u. a. die Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Waffengleichheit, das Recht auf Zugang zu den Gerichten sowie das Recht, sich beraten, verteidigen und vertreten zu lassen, gehören (Urteil vom 6. November 2012, Otis u. a., C‑199/11, EU:C:2012:684, Rn. 48). Der Grundsatz der Waffengleichheit, der eine logische Folge aus dem Begriff des fairen Verfahrens ist, gebietet, dass es jeder Partei angemessen ermöglicht wird, ihren Standpunkt sowie ihre Beweise unter Bedingungen vorzutragen, die sie nicht in eine gegenüber ihrem Gegner deutlich nachteilige Position versetzen (Urteile vom 6. November 2012, Otis u. a., C‑199/11, EU:C:2012:684, Rn. 71, und vom 12. November 2014, Guardian Industries und Guardian Europe/Kommission, C‑580/12 P, EU:C:2014:2363, Rn. 31).

171

Die Klägerinnen machen geltend, die Vorgaben für die Erhebung ihrer Klage hätten sie gegenüber der Kommission in eine deutlich nachteilige Position versetzt, die ihrerseits bei der Abfassung des angefochtenen Beschlusses keinerlei Vorgaben hinsichtlich Zeit oder Umfang unterlegen habe. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des EGMR zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 EMRK, die gemäß Art. 52 Abs. 3 der Charta der Grundrechte heranzuziehen ist, kein absolutes Recht auf ein Gericht besteht. Die Ausübung dieses Rechts unterliegt Beschränkungen, u. a. hinsichtlich der Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Klage (Urteil vom 28. Februar 2013, Überprüfung Arango Jaramillo u. a./EIB, C‑334/12 RX‑II, EU:C:2013:134, Rn. 43). Die Betroffenen müssen zwar mit der Anwendung dieser Regeln rechnen, doch darf ihre Anwendung die Bürger nicht daran hindern, einen verfügbaren Rechtsbehelf in Anspruch zu nehmen (Urteil vom 28. Februar 2013, Überprüfung Arango Jaramillo u. a./EIB, C‑334/12 RX‑II, EU:C:2013:134, Rn. 43). Nach der Rechtsprechung des EGMR dürfen die Beschränkungen den freien Zugang eines Bürgers mithin nicht in einer Weise oder so sehr einschränken, dass sein Recht auf ein Gericht in seinem Wesensgehalt angetastet wird, da sie nur dann mit Art. 6 Abs. 1 EMRK im Einklang stehen, wenn sie ein legitimes Ziel verfolgen und wenn die eingesetzten Mittel in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel stehen (vgl. EGMR, 6. Dezember 2011, Anastasakis/Griechenland, CE:ECHR:2011:1206JUD004195908, § 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

172

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs entspricht die strikte Anwendung der unionsrechtlichen Vorschriften über die Verfahrensfristen dem Erfordernis der Rechtssicherheit und der Notwendigkeit, jede Diskriminierung oder willkürliche Behandlung bei der Gewährung von Rechtsschutz zu vermeiden (vgl. Urteil vom 15. Januar 1987, Misset/Rat, 152/85, EU:C:1987:10, Rn. 11 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Beschluss vom 8. November 2007, Belgien/Kommission, C‑242/07 P, EU:C:2007:672, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung), und beeinträchtigt in keiner Weise das Recht auf effektiven Rechtsschutz (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 17. Mai 2002, Deutschland/Parlament und Rat, C‑406/01, EU:C:2002:304, Rn. 20). Wie die Kommission geltend macht, gebietet der Grundsatz der Waffengleichheit nicht, dass die Frist für die Erhebung der Nichtigkeitsklage der Dauer des Verwaltungsverfahrens entsprechen muss. Das Verwaltungsverfahren soll der Kommission die Untersuchung im Hinblick darauf ermöglichen, ob ein Beschluss, mit dem eine Verletzung der Art. 101 und 102 AEUV festgestellt wird, zu erlassen ist, und den Unternehmen erlauben, sich zu verteidigen. Die Wahrung der Verteidigungsrechte erfordert es, dem betroffenen Unternehmen im Verwaltungsverfahren Gelegenheit zu geben, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der von der Kommission angeführten Tatsachen und Umstände sowie zu den von ihr zur Stützung ihres Vorbringens, dass eine Zuwiderhandlung gegen den Vertrag vorliege, herangezogenen Schriftstücken sachgerecht Stellung zu nehmen (Urteile vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, EU:C:1983:158, Rn. 10, und vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 66). In diesem Sinne sieht die Verordnung Nr. 1/2003 vor, dass den Beteiligten eine Mitteilung der Beschwerdepunkte übersandt wird, in der alle wesentlichen Tatsachen, auf die sich die Kommission in diesem Verfahrensstadium stützt, klar angegeben werden müssen. Diese Darstellung kann jedoch in gedrängter Form erfolgen, und der Beschluss braucht nicht notwendig ein Abbild der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu sein, da es sich bei dieser um ein vorbereitendes Schriftstück handelt, dessen tatsächliche und rechtliche Wertungen lediglich vorläufiger Natur sind. Aus diesem Grund kann die Kommission die Ergebnisse des Verwaltungsverfahrens berücksichtigen – und muss dies sogar –, um etwa Beschwerdepunkte fallen zu lassen, die sich als nicht ausreichend begründet erwiesen haben (Urteil vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 67).

173

Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Frist von zwei Monaten und zehn Tagen ab Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses, über die die Klägerinnen gemäß Art. 263 Abs. 6 AEUV und Art. 102 § 2 der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 für die Erhebung ihrer Klage gegen diesen Beschluss verfügten, zwar die Erstellung der Klageschrift angesichts der außergewöhnlichen Länge des angefochtenen Beschlusses, der zudem noch im Sommer bekannt gegeben wurde, besonders schwierig machte, dass sie jedoch während des Verwaltungsverfahrens Gelegenheit zu umfangreichem Meinungsaustausch mit der Kommission über die Sache gehabt hatten. Die Kommission richtete im Januar 2009, im August 2009 sowie von Dezember 2009 bis Mai 2012 Auskunftsverlangen an die Klägerinnen. Diese wurden zudem zur Teilnahme an mehreren Sitzungen zum Verfahrensstand von 2009 bis 2012 eingeladen. Am 27. Juli 2012 erließ die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, auf welche die Klägerinnen am 14. Januar 2013 antworteten. Die Klägerinnen wurden sodann am 15., 16., 17. und 18. April 2013 angehört, es wurden weitere Sitzungen zum Verfahrensstand abgehalten, und den Klägerinnen wurden weitere Auskunftsverlangen übersandt. Am 18. Dezember 2013 gewährte die Kommission den Klägerinnen Einsicht in die nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte gesammelten oder weiter offengelegten Beweise und übersandte eine Darstellung des Sachverhalts, auf die die Klägerinnen am 31. Januar 2014 antworteten. Zudem wurden den Klägerinnen im schriftlichen Abschnitt des Verfahrens vor dem Gericht alle von ihnen beantragten Fristverlängerungen gewährt, so dass sie sich trotz der besonderen Vorgaben, denen sie sich bei der Erhebung ihrer Klage gegenübersahen, im vorliegenden Verfahren insgesamt nicht in einer gegenüber der Kommission deutlich nachteiligen Position befanden.

174

Zur Länge der Klageschrift ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des EGMR die Regeln über die bei der Erhebung von Klagen einzuhaltenden Förmlichkeiten eine geordnete Rechtspflege sicherstellen sollen und die Betroffenen mit der Anwendung dieser Regeln rechnen müssen (EGMR, 6. Dezember 2011, Anastasakis/Griechenland, CE:ECHR:2011:1206JUD004195908, § 24). Im Verfahren vor dem Gericht ist gemäß Nr. 15 der Praktischen Anweisungen für die Parteien vor dem Gericht vom 24. Januar 2012 (ABl. 2012, L 68, S. 23), die bei Klageerhebung in Kraft waren, die Länge der Klageschrift grundsätzlich auf 50 Seiten begrenzt, hängt aber immer von der rechtlichen und/oder tatsächlichen Komplexität der betreffenden Rechtssache ab (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 10. April 2014, Langguth Erben/HABM, C‑412/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:269, Rn. 63). Im vorliegenden Fall ist den Klägerinnen, die sich auf die rechtliche Komplexität der Rechtssache berufen haben, vom Gericht gestattet worden, eine Klageschrift von 186 Seiten mit reduziertem Zeilenabstand nebst 10158 Seiten Anlagen einzureichen. Es trifft zwar zu, dass der angefochtene Beschluss besonders lang ist und in mancher Hinsicht Wiederholungen enthält, doch erklärt sich dies, wie die Kommission geltend macht, mit der Zahl der den Klägerinnen vorgeworfenen Zuwiderhandlungen, die bestimmte Gemeinsamkeiten aufweisen, und mit den von der Unionsrechtsprechung bei Zuwiderhandlungen gegen die Art. 101 und 102 AEUV angelegten Beweismaßstäben. Zudem hatten die Klägerinnen, wie die Kommission ausführt, Gelegenheit, auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte mit einer Länge von 755 Seiten unter Vorlage eines über 600‑seitigen Schriftstücks zu antworten. Die Länge der Klageschrift und die Zahl der geltend gemachten Klagegründe zeigen im Übrigen, dass die Klägerinnen Zeit hatten, ihr Vorbringen, wenn auch unter zweifellos erheblichen Anstrengungen, vorzubereiten. Sie können daher nicht mit Erfolg geltend machen, sie hätten sich unüberwindlichen Schwierigkeiten für ihren Zugang zum Gericht gegenübergesehen und sich insgesamt in einer gegenüber der Kommission deutlich nachteiligen Position befunden.

175

Zu dem Vorbringen, das die in dem angefochtenen Beschluss enthaltenen Wiederholungen und Verweise betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass es nach Art. 296 AEUV Sache der Kommission ist, ihre Überlegungen so klar und eindeutig zum Ausdruck zu bringen, dass die Betroffenen die Gründe für die erlassene Maßnahme erkennen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Dieses Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere von dem Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Anforderungen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom 27. September 2012, Heijmans Infrastructuur/Kommission, T‑359/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:489, Rn. 133 und die dort angeführte Rechtsprechung). Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen genügt der Umstand allein, dass die Kommission in dem angefochtenen Beschluss an vielen Stellen dieselben Dokumente erwähnt und zahlreiche Verweise auf andere Teile dieses Beschlusses vorgenommen hat, nicht für den Nachweis, dass der angefochtene Beschluss ihnen nicht erlaubt hätte, die Begründung der erlassenen Maßnahme zu erkennen, oder das Gericht daran hinderten, seine Kontrollaufgabe wahrzunehmen.

176

Das Vorbringen zum Fehlen eines klaren rechtlichen Kriteriums entspricht den Klägerinnen zufolge anderen Klagegründen. Demgemäß ist darauf im Rahmen dieser Klagegründe einzugehen.

177

Schließlich greift auch das Vorbringen nicht durch, dass die Klägerinnen auf die Urteile des EGMR vom 27. Oktober 1993, Dombo Beheer B. V./Niederlande (CE:ECHR:1993:1027JUD001444888), vom 15. Juli 2003, Ernst u. a./Belgien (CE:ECHR:2003:0715JUD003340096), und vom 18. April 2006, Vezon/Frankreich (CE:ECHR:2006:0418JUD006601801), stützen. Die tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten in diesen Rechtssachen unterscheiden sich erheblich von denen der vorliegenden Rechtssache. So ging es in der Rechtssache, in der das Urteil des EGMR vom 27. Oktober 1993, Dombo Beheer B. V./Niederlande (CE:ECHR:1993:1027JUD001444888), ergangen ist und in dem der EGMR eine Verletzung von Art. 6 EMRK festgestellt hat, um einen Rechtsstreit zwischen zwei Privatpersonen, in dem sich die eine der beiden Parteien gegenüber der anderen in einer deutlich nachteiligen Position befand, da nur Letztere sich auf eine Zeugenaussage stützen konnte. In der Rechtssache, in der das Urteil des EGMR vom 15. Juli 2003, Ernst u. a./Belgien (CE:ECHR:2003:0715JUD003340096), ergangen ist und in dem der EGMR eine Verletzung von Art. 6 EMRK verneint hat, ging es um die Frage, ob ein Staat den Zugang zu den Gerichten für einen Kläger auf eine die Zulässigkeit betreffende Vorfrage mit der Begründung einschränken konnte, dass dessen Klage gegen einen Richter gerichtet sei, der als solcher einen privilegierten Gerichtsstand genoss. In der Rechtssache schließlich, in der das Urteil des EGMR vom 18. April 2006, Vezon/Frankreich (CE:ECHR:2006:0418JUD006601801), ergangen ist, ging es um eine Verletzung des Rechts auf einen fairen Prozess durch ein Eingreifen des Gesetzgebers, durch das in bei den nationalen Gerichten anhängigen Rechtsstreitigkeiten materielle Ansprüche abschließend und rückwirkend geregelt wurden, ohne dass dies durch einen hinreichenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt war.

178

Nach alledem ist dieser Klagegrund, seine Geeignetheit zur Stützung des Vorwurfs der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses unterstellt, jedenfalls unbegründet.

4.   Zur Verfälschung von Tatsachen

a)   Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

b)   Würdigung durch das Gericht

184

Die Kommission bezweifelt die Zulässigkeit dieses Klagegrundes vor dem Hintergrund von Art. 44 § 1 Buchst. c der im vorliegenden Fall anwendbaren Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991, wonach die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss. Diese Angaben müssen so klar und genau sein, dass dem Beklagten die Vorbereitung seiner Verteidigung und dem Gericht die Entscheidung über die Klage, gegebenenfalls auch ohne weitere Informationen, ermöglicht wird. Um die Rechtssicherheit und eine ordnungsgemäße Rechtspflege zu gewährleisten, ist es für die Zulässigkeit einer Klage erforderlich, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die sich die Klage stützt, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben (Beschluss vom 28. April 1993, De Hoe/Kommission, T‑85/92, EU:T:1993:39, Rn. 20). Im Einzelnen hat der Gerichtshof entschieden, dass es zwar bei der Angabe der Klagegründe nicht unbedingt erforderlich ist, auf die Ausdrucksweise und die Aufzählung in Art. 263 Abs. 2 AEUV zurückzugreifen; es reicht aus, wenn das Vorbringen des Klägers seinem Inhalt nach den Klagegrund erkennen lässt, ohne diesen außerdem in der Sprache des Vertrags ausdrücklich zu bezeichnen; Voraussetzung ist jedoch, dass aus der Klageschrift deutlich genug hervorgeht, welcher der im Vertrag genannten Klagegründe geltend gemacht wird (Urteil vom 15. Dezember 1961, Fives Lille Cail u. a./Hohe Behörde, 19/60, 21/60, 2/61 und 3/61, EU:C:1961:30, S. 588).

185

Im vorliegenden Fall werfen die Klägerinnen der Kommission im Wesentlichen vor, sie habe bestimmte Tatsachen nicht objektiv dargestellt und nicht relevante Tatsachen angeführt, um das Vorliegen einer Zuwiderhandlung festzustellen. Obwohl sie diesen Klagegrund als gegen die „Verfälschung des tatsächlichen Kontexts, in dem die Verhaltensweisen zu sehen sind, die Gegenstand des Beschlusses sind“, gerichtet bezeichnen, haben die Klägerinnen aber nicht im Einzelnen dargelegt, auf welche Rechtsvorschrift die Klage gestützt werden kann, und die dazu in der Klageschrift gemachten Angaben sind nicht hinreichend klar und genau, um der Kommission die Antwort auf die angeführten Argumente und dem Gericht die Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe zu ermöglichen. Die von ihnen entwickelten Argumente könnten nämlich unter den Klagegrund eines Tatsachenfehlers, den einer fehlerhaften rechtlichen Qualifizierung, den einer Verletzung des Grundsatzes der Unparteilichkeit oder der Sorgfaltspflicht, den eines Amtsfehlers oder den einer Rufschädigung, die die Erhebung einer Schadensersatzklage rechtfertigen könnte, fallen.

186

Somit ist dieser Klagegrund aus diesem Grund für unzulässig zu erklären.

187

Hilfsweise macht die Kommission geltend, dieser Klagegrund sei auch deshalb unzulässig, weil die Klägerinnen nur durch die Teile des angefochtenen Beschlusses, mit denen ihr Verhalten als Zuwiderhandlungen gegen die Art. 101 und 102 AEUV eingestuft worden sei, beschwert seien und nur diese Teile Gegenstand einer Klage sein könnten.

188

Nach der Rechtsprechung kann nur der verfügende Teil einer Entscheidung Rechtswirkungen erzeugen und damit eine Beschwer darstellen, während die in den Gründen enthaltenen Beurteilungen nicht als solche Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein können. Diese Beurteilungen können der Rechtmäßigkeitskontrolle durch den Unionsrichter nur unterliegen, soweit sie als Begründung einer beschwerenden Maßnahme die tragenden Gründe für den verfügenden Teil dieser Maßnahme darstellen (Beschluss vom 28. Januar 2004, Niederlande/Kommission, C‑164/02, EU:C:2004:54, Rn. 21, und Urteil vom 17. September 1992, NBV und NVB/Kommission, T‑138/89, EU:T:1992:95, Rn. 31) und wenn diese Begründung insbesondere geeignet ist, den materiellen Gehalt des verfügenden Teils der fraglichen Maßnahme zu ändern (vgl. Urteil vom 12. Oktober 2007, Pergan Hilfsstoffe für industrielle Prozesse/Kommission, T‑474/04, EU:T:2007:306, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Begründung eines Rechtsakts ist zu berücksichtigen, um zu bestimmen, was im verfügenden Teil entschieden worden ist (Urteile vom 15. Mai 1997, TWD/Kommission, C‑355/95 P, EU:C:1997:241, Rn. 21, und vom 20. November 2002, Lagardère und Canal+/Kommission, T‑251/00, EU:T:2002:278, Rn. 67).

189

Im vorliegenden Fall ist daher zu bestimmen, ob die von den Klägerinnen beanstandeten, in Abschnitt 4 des angefochtenen Beschlusses enthaltenen Elemente die tragenden Gründe für den verfügenden Teil dieser Maßnahme darstellen und ob diese Beurteilungen geeignet sind, den materiellen Gehalt dessen zu ändern, was im verfügenden Teil entschieden worden ist.

190

Die Kommission führt in den Rn. 85 und 110 des angefochtenen Beschlusses, in denen die einzelnen die Antigenerika-Strategie der Klägerinnen konstituierenden Elemente (u. a. Bildung eines „Patent-Clusters“ mit „Papierpatenten“ und allmählicher Übergang zu Argininsalz) dargestellt werden, aus, dass die Beschreibung der Verhaltensweisen, die nicht in den Abschnitten 5 (Prüfung der Vergleiche anhand von Art. 101 AEUV) und 8 (Prüfung des Technologieerwerbs und der Vergleiche anhand von Art. 102 AEUV) des angefochtenen Beschlusses geprüft würden, die Frage ihrer wettbewerbsrechtlichen Rechtmäßigkeit unberührt lasse. So heißt es in Rn. 2764 des angefochtenen Beschlusses, dass kein Bestandteil der allgemeinen Strategie der Klägerinnen „als per se problematisch aus der Sicht des Wettbewerbsrechts der Union eingestuft werden“ könne. In den Rn. 2917 und 2960 heißt es zudem: „Hinsichtlich des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung ist Gegenstand dieses Beschlusses die umfassende Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV, die in der Kombination einer Folge von Patentvergleichsvereinbarungen und des Erwerbs der Technologie von Azad besteht.“ Im Übrigen haben die Klägerinnen selbst beim Gericht beantragt, zahlreiche Abschnitte des angefochtenen Beschlusses betreffend ihre Antigenerika-Strategie gegenüber der Streithelferin vertraulich zu behandeln, weil diese Tatsachen und ihre Interpretation nicht von den ihnen von der Kommission zur Last gelegten Beschwerdepunkten umfasst seien und ihre Offenlegung sie durch Beeinträchtigung der Unschuldsvermutung und ihres Rufes schwer schädigen würde. Da die die Antigenerika-Strategie der Klägerinnen konstituierenden Elemente von der Kommission demnach nicht als Zuwiderhandlung eingestuft wurden, wurden sie folglich für die Feststellung und Ahndung der im verfügenden Teil des angefochtenen Beschlusses genannten Zuwiderhandlungen nicht berücksichtigt.

191

Die Klägerinnen machen jedoch geltend, in Rn. 2766 in Abschnitt 8 des angefochtenen Beschlusses habe die Kommission dargelegt, dass die Prüfung der nach Art. 102 AEUV geahndeten Verhaltensweisen „den vollständigen Sachverhalt berücksichtigen [wird], einschließlich der aus dieser Strategie folgenden übrigen Verhaltensweisen, für die im vorliegenden Beschluss der Beitrag zur Ausschlusswirkung nicht nachgewiesen wird“. Zudem habe die Kommission in Rn. 2772 des angefochtenen Beschlusses dargelegt, dass die in Abschnitt 4 beschriebene Antigenerika-Strategie der Klägerinnen, u. a. die Bildung von Patent-Clustern, „wichtige Tatsachen dar[stellt], mit denen sich erklären lässt, z. B. bei der Prüfung der wettbewerbswidrigen Ausschlusswirkung des Verhaltens von Servier, warum der Grad des (potenziellen) Wettbewerbs bei der Lieferung von generischem Perindopril besonders begrenzt ist“.

192

In ihrer Klagebeantwortung macht die Kommission geltend, sie sei verpflichtet gewesen, im angefochtenen Beschluss Verhaltensweisen darzulegen, die zur Antigenerika-Strategie der Klägerinnen gehörten, aber nicht als Zuwiderhandlungen gegen die Art. 101 und 102 AEUV eingestuft worden seien, um die Zuwiderhandlungen in ihrem rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Kontext prüfen zu können. In der Sitzung hat die Kommission die Bedeutung von Abschnitt 4 des angefochtenen Beschlusses für das Verständnis der umfassenden Strategie von Servier gegenüber den Generikaherstellern und die Tragweite dieser Verhaltensweisen für den Markt betont und dabei zwischen dem tatsächlichen Kontext dieser Verhaltensweisen, der insbesondere im genannten Abschnitt 4 erläutert werde, und deren Charakter als Zuwiderhandlungen unterschieden. In Rn. 2766 des angefochtenen Beschlusses sei diese Unterscheidung klar getroffen worden.

193

Nach ständiger Rechtsprechung ist zwar bei der Prüfung der Frage, ob eine Vereinbarung zwischen Unternehmen eine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs darstellt, um als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV angesehen zu werden, u. a. auf den wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang, in dem sie steht, abzustellen (vgl. Urteil vom 16. Juli 2015, ING Pensii, C‑172/14, EU:C:2015:484, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zur Beurteilung der in Rede stehenden Vereinbarung ist diese in dem wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext zu betrachten, in dem die Parteien sie geschlossen haben; ein solches Vorgehen kann nicht als Eingriff in Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse angesehen werden, die nicht Gegenstand des Verfahrens vor der Kommission waren (Urteil vom 13. Juli 1966, Consten und Grundig/Kommission, 56/64 und 58/64, EU:C:1966:41, S. 497). Im Rahmen der Beurteilung dieses Kontexts sind auch die Art der betroffenen Waren und Dienstleistungen, die auf dem betreffenden Markt oder den betreffenden Märkten bestehenden tatsächlichen Bedingungen und die Struktur dieses Marktes oder dieser Märkte zu berücksichtigen (vgl. Urteile vom 11. September 2014, CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 19. März 2015, Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, C‑286/13 P, EU:C:2015:184, Rn. 117 und die dort angeführte Rechtsprechung).

194

Ebenso muss die Kommission bei ihrer Untersuchung des Verhaltens eines Unternehmens in beherrschender Stellung und für die Zwecke der Feststellung eines etwaigen Missbrauchs einer solchen Stellung alle relevanten tatsächlichen Umstände dieses Verhaltens berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. März 2007, British Airways/Kommission, C‑95/04 P, EU:C:2007:166, Rn. 67, und vom 27. März 2012, Post Danmark, C‑209/10, EU:C:2012:172, Rn. 26). Insoweit ist zudem festzustellen, dass die Kommission, wenn sie das Verhalten eines Unternehmens in beherrschender Stellung bewertet, wobei es sich um eine Untersuchung handelt, die unerlässlich ist, um zu einem Ergebnis in Bezug auf das Vorliegen eines Missbrauchs einer solchen Stellung zu gelangen, zwangsläufig die Geschäftsstrategie des Unternehmens beurteilen muss. In diesem Rahmen erscheint es normal, dass die Kommission subjektive Faktoren wie die der betreffenden Geschäftsstrategie zugrunde liegenden Motive anführt (Urteil vom 19. April 2012, Tomra Systems u. a./Kommission, C‑549/10 P, EU:C:2012:221, Rn. 19).

195

Wie sich aus den vorstehenden Rn. 193 und 194 ergibt, ist die Kommission zwar gehalten, zur Prüfung der Vereinbarkeit des Verhaltens eines Unternehmens mit den Art. 101 und 102 AEUV den Kontext zu berücksichtigen, in den sich dieses Verhalten einfügt, doch darf diese Berücksichtigung sie nicht dazu führen, die Feststellung einer Zuwiderhandlung aus einem anderen Verhalten abzuleiten oder durch ein solches bestätigt zu sehen, das für wettbewerbswidrig oder kaum im Einklang mit dem Wettbewerbsrecht stehend befunden wird, ohne jedoch selbst als Zuwiderhandlung eingestuft zu werden.

196

Im vorliegenden Fall geht aus dem angefochtenen Beschluss (siehe oben, Rn. 190) hervor, dass die die Antigenerika-Strategie der Klägerinnen konstituierenden Elemente, die in Abschnitt 4 des angefochtenen Beschlusses genannt sind und ein negatives Bild des Vorgehens von Servier zeichnen, von der Kommission nicht als Zuwiderhandlung eingestuft und nicht für die Einstufung der mit einer Geldbuße geahndeten Verhaltensweisen als Zuwiderhandlung berücksichtigt worden sind. Hätte die Kommission sie tatsächlich herangezogen, um die geahndeten Verhaltensweisen als Zuwiderhandlung einzustufen, hätte sie sich dem Vorwurf ausgesetzt, die Feststellung von Zuwiderhandlungen auf Verdächtigungen oder Behauptungen zu stützen, die auf andere Verhaltensweisen zurückgehen als die Verhaltensweisen, die sie zu ahnden beschlossen hat. Ein solches Vorgehen könnte dazu führen, dass der vermeintlich schlechte Ruf eines Unternehmens, der aus bloßen Behauptungen oder nicht klar bewiesenen Tatsachen abgeleitet wird, als ein Parameter der Prüfung der ihm vorgeworfenen wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen angesehen würde. Die Unparteilichkeit und Objektivität, die die Einstufung von Zuwiderhandlungen und ihre Verfolgung durch die Kommission bestimmen müssen, sowie das Recht auf Wahrung der Unschuldsvermutung schließen jedoch derartige Vorannahmen aus. Die Mehrdeutigkeit, die die Kommission hinsichtlich der Bedeutung dieser sehr kritischen, in Abschnitt 4 des angefochtenen Beschlusses dargestellten Elemente des Verhaltens von Servier unterhält, von denen sie gleichzeitig behauptet, sie seien für ihre Analyse wichtig, könnten aber nicht vor Gericht beanstandet werden, offenbart die Zweifel, die diese Gründe des angefochtenen Beschlusses hervorrufen können.

197

Schließlich ist selbst dann, wenn diese verschiedenen Aspekte der umfassenden Antigenerika-Strategie der Klägerinnen zu den Elementen gehören sollten, die den Kontext der mit dem angefochtenen Beschluss festgestellten Zuwiderhandlungen konstituieren, doch nicht zu erkennen, dass diese Beurteilungen den verfügenden Teil des angefochtenen Beschlusses substanziell hätten verändern können. Bei der Feststellung des wettbewerbswidrigen Zwecks kann nämlich die Berücksichtigung des Kontexts nicht das Fehlen der tatsächlichen Feststellung eines wettbewerbswidrigen Zwecks heilen (vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Wahl in der Rechtssache CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:1958, Nr. 44). Zudem muss die Kommission im Rahmen von Art. 102 AEUV bei ihrer Untersuchung des Verhaltens eines Unternehmens in beherrschender Stellung und für die Zwecke der Identifizierung eines etwaigen Missbrauchs einer solchen Stellung zwar alle relevanten tatsächlichen Umstände dieses Verhaltens berücksichtigen, doch ist das Vorliegen einer etwaigen wettbewerbswidrigen Absicht nur einer der tatsächlichen Umstände, die berücksichtigt werden können, um einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung festzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. April 2012, Tomra Systems u. a./Kommission, C‑549/10 P, EU:C:2012:221, Rn. 18 bis 20).

198

Folglich ist dieser Klagegrund jedenfalls als ins Leere gehend zurückzuweisen, da er gegen Gründe des angefochtenen Beschlusses gerichtet ist, die sich nicht auf die Verhaltensweisen und Praktiken der Klägerinnen beziehen, die Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht darstellen und mit diesem Beschluss geahndet werden. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass zahlreiche tatsächliche Elemente, die die Klägerinnen im Rahmen dieses Klagegrundes rügen (u. a. der Erwerb alternativer Technologien und die Vergleiche in Patentrechtsstreitigkeiten), direkt mit den von der Kommission als Zuwiderhandlung eingestuften Verhaltensweisen zusammenhängen und auch im Rahmen anderer Klagegründe behandelt werden, wie die Kommission in ihrer Klagebeantwortung geltend macht. Diese Elemente können ebenfalls relevant sein und werden bei der Untersuchung dieser Klagegründe geprüft.

5.   Zu den Rechtsfehlern betreffend die Bestimmung des Begriffs der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung

[nicht wiedergegeben]

211

Mit diesem Klagegrund machen die Klägerinnen und die Streithelferin geltend, die Kommission habe mit der Einstufung der Vergleichsvereinbarungen in Patentrechtsstreitigkeiten als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen Rechtsfehler begangen und die Reichweite der Rechte des geistigen Eigentums, die die Patente darstellten, verkannt. Folglich hat das Gericht zu bestimmen, ob und unter welchen Umständen solche Vergleichsvereinbarungen eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung sein können, wobei zu prüfen ist, ob die Kommission bei ihrer Analyse den Schutzbereich der Patente verkannt hat.

212

Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission dargelegt, wie nach ihrer Ansicht die Vergleichsvereinbarungen in Patentrechtsstreitigkeiten mit Blick auf Art. 101 Abs. 1 AEUV zu beurteilen seien und dass solche Vereinbarungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen eingestuft werden könnten (Rn. 1102 bis 1155 des angefochtenen Beschlusses).

213

Die Kommission hat zwar grundsätzlich das Recht der Unternehmen anerkannt, einen Rechtsstreit, auch einen solchen über Patente, durch Vergleich beizulegen (Rn. 1118 des angefochtenen Beschlusses), war jedoch der Auffassung, dass Patentvergleichsvereinbarungen das Wettbewerbsrecht der Union, insbesondere Art. 101 Abs. 1 AEUV, beachten müssten (vgl. u. a. Rn. 1119, 1122 und 1123 des angefochtenen Beschlusses).

214

Die Kommission hat auch den besonderen Kontext berücksichtigt, in dem sich im Arzneimittelsektor der Wettbewerb zwischen den Originalpräparate- und den Generikaherstellern vollzieht (Rn. 1125 bis 1132 des angefochtenen Beschlusses).

215

Vor diesem Hintergrund hat die Kommission befunden, dass es für die Parteien grundsätzlich gerechtfertigt sein könne, einen Vergleich zur Beilegung eines Rechtsstreits zu schließen und in diesen Vergleich sogar Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln aufzunehmen (Rn. 1133 und 1136 des angefochtenen Beschlusses).

216

Allerdings könne je nach den besonderen Umständen der Sache eine Patentvergleichsvereinbarung, mit der ein Generikahersteller gegen eine Wertübertragung in Form der Zahlung eines signifikanten Geldbetrags oder eines anderen signifikanten Anreizes Beschränkungen seiner Fähigkeit und der Anreize, mit seinen Wettbewerbern in Wettbewerb zu treten, akzeptiere, eine Art. 101 AEUV zuwiderlaufende bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellen (Rn. 1134 des angefochtenen Beschlusses). In diesem Fall ergebe sich nämlich der Verzicht des Generikaherstellers auf seine eigenständigen Bemühungen um Marktzugang nicht aus der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Patents, sondern aus der Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller (Rn. 1137 des angefochtenen Beschlusses) und somit aus einer Ausschlusszahlung, mit der ein Verzicht auf Wettbewerb gekauft werde (Rn. 1140 des angefochtenen Beschlusses).

217

Die Kommission hat daher angekündigt, dass sie für die Prüfung, ob die in Rede stehenden Vergleichsvereinbarungen bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen seien, eine Einzelfallprüfung der jede dieser Vereinbarungen betreffenden Tatsachen vornehmen werde. Hierfür werde sie im Einzelnen prüfen, ob erstens „der Generikahersteller und der Hersteller des Originalpräparats zumindest potenzielle Wettbewerber waren“, ob zweitens „der Generikahersteller sich in der Vereinbarung verpflichtet hat, seine unabhängigen Bemühungen, ein Generikum auf einem oder mehreren EU-Märkten in den Verkehr zu bringen, zu beschränken“, und ob drittens „die Vereinbarung mit einer Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats als wesentlichem Anreiz verbunden war, der das Interesse des Generikaherstellers an der Fortsetzung seiner unabhängigen Bemühungen, das Generikum auf einem oder mehreren EU-Märkten in den Verkehr zu bringen, erheblich verringert hat“ (Rn. 1154 des angefochtenen Beschlusses).

218

Die Kommission hat sodann die drei in der vorstehenden Rn. 217 genannten Kriterien auf jede der in Rede stehenden Vergleichsvereinbarungen angewandt und ist für jede von ihnen zu dem Schluss gekommen, dass diese drei Kriterien erfüllt und diese Vergleiche folglich u. a. als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen einzustufen seien.

a)   Zu dem ihrem Zweck nach beschränkenden Charakter von Patentvergleichsvereinbarungen

1) Zu den bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen

219

Nach Art. 101 Abs. 1 AEUV sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen verboten, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs auf dem niederländischen Markt oder einem Teil davon „bezwecken oder bewirken“. Nach ständiger Rechtsprechung seit dem Urteil vom 30. Juni 1966, LTM (56/65, EU:C:1966:38, S. 303), ergibt sich aus dem durch die Konjunktion „oder“ gekennzeichneten alternativen Charakter dieser Voraussetzung die Notwendigkeit, zunächst den eigentlichen Zweck der abgestimmten Verhaltensweise in Betracht zu ziehen, wobei die wirtschaftlichen Begleitumstände ihrer Durchführung zu berücksichtigen sind. Lässt jedoch die Prüfung des Inhalts der Vereinbarung keine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen, sind ihre Auswirkungen zu untersuchen, und es müssen, damit sie vom Verbot erfasst wird, Voraussetzungen vorliegen, aus denen sich insgesamt ergibt, dass der Wettbewerb tatsächlich spürbar verhindert, eingeschränkt oder verfälscht worden ist (vgl. Urteile vom 19. März 2015, Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, C‑286/13 P, EU:C:2015:184, Rn. 116 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 16. Juli 2015, ING Pensii, C‑172/14, EU:C:2015:484, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung). Steht dagegen der wettbewerbswidrige Zweck einer Vereinbarung fest, brauchen ihre Auswirkungen auf den Wettbewerb nicht geprüft zu werden (vgl. Urteil vom 20. Januar 2016, Toshiba Corporation/Kommission, C‑373/14 P, EU:C:2016:26, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung). Demnach hat die Kommission in dem angefochtenen Beschluss zu Recht darauf hingewiesen, dass zum einen der wettbewerbswidrige Zweck und die wettbewerbswidrige Wirkung einer Vereinbarung alternative und nicht kumulative Kriterien für die Prüfung seien, ob eine Vereinbarung unter das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV falle (Rn. 1109), und dass es zum anderen nicht erforderlich sei, die konkreten wettbewerbswidrigen Wirkungen eines Verhaltens darzutun, wenn dessen wettbewerbswidriger Zweck bereits nachgewiesen sei (Rn. 1112).

220

Der Begriff der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung kann nur auf bestimmte Arten der Koordinierung zwischen Unternehmen angewandt werden, die schon ihrer Natur nach das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs hinreichend beeinträchtigen, um davon ausgehen zu können, dass die Prüfung ihrer Wirkungen nicht notwendig ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. Juni 1966, LTM, 56/65, EU:C:1966:38, S. 282, 303 f., vom 11. September 2014, CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 49, 50 und 58 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, vom 16. Juli 2015, ING Pensii, C‑172/14, EU:C:2015:484, Rn. 31, und vom 26. November 2015, Maxima Latvija, C‑345/14, EU:C:2015:784, Rn. 20).

221

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist bei der Prüfung der Frage, ob eine Vereinbarung zwischen Unternehmen eine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen lässt, um als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV aufgefasst zu werden, auf den Inhalt ihrer Bestimmungen und die mit ihr verfolgten Ziele sowie auf den wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext, in dem sie steht, abzustellen (vgl. Urteil vom 16. Juli 2015, ING Pensii, C‑172/14, EU:C:2015:484, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im Rahmen der Beurteilung dieses Kontexts sind auch die Art der betroffenen Waren und Dienstleistungen, die auf dem betreffenden Markt oder den betreffenden Märkten bestehenden tatsächlichen Bedingungen und die Struktur dieses Marktes oder dieser Märkte zu berücksichtigen (vgl. Urteil vom 19. März 2015, Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, C‑286/13 P, EU:C:2015:184, Rn. 117 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zu beachten ist jedoch, dass die Prüfung der tatsächlichen Bedingungen des Funktionierens und der Struktur des betreffenden Marktes das Gericht nicht dazu führen darf, die Wirkungen der fraglichen Koordinierung zu beurteilen (vgl. Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 72 bis 82), soll nicht der in Art. 101 Abs. 1 AEUV vorgesehenen Unterscheidung die praktische Wirksamkeit genommen werden.

222

Ferner ist es den Wettbewerbsbehörden sowie den innerstaatlichen Gerichten und denen der Union nicht verwehrt, die Absicht der Beteiligten zu berücksichtigen, auch wenn sie kein notwendiges Element ist, um festzustellen, ob eine Art der Koordinierung zwischen Unternehmen wettbewerbsbeschränkenden Charakter hat (vgl. Urteil vom 19. März 2015, Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, C‑286/13 P, EU:C:2015:184, Rn. 118 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der Umstand allein, dass eine Vereinbarung auch zulässige Zwecke verfolgt, hindert jedoch nicht an ihrer Einstufung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung (Urteil vom 20. November 2008, Beef Industry Development Society und Barry Brothers, C‑209/07, EU:C:2008:643, Rn. 21; vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 8. November 1983, IAZ International Belgium u. a./Kommission, 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, EU:C:1983:310, Rn. 25, und vom 6. April 2006, General Motors/Kommission, C‑551/03 P, EU:C:2006:229, Rn. 64).

223

Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, rechtsfehlerhaft befunden zu haben, dass der Umstand allein, dass sich eine Vereinbarung negativ auf den Wettbewerb auswirken könne, ausreiche, um sie als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung einzustufen. Es trifft zu, dass die Kommission in Rn. 1111 des angefochtenen Beschlusses unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteile vom 4. Juni 2009, T‑Mobile Netherlands u. a., C‑8/08, EU:C:2009:343, Rn. 31, und vom 14. März 2013, Allianz Hungária Biztosító u. a., C‑32/11, EU:C:2013:160, Rn. 35 bis 38) ausgeführt hat, dass es „[f]ür die Einstufung einer Vereinbarung als wettbewerbswidrig genügt …, dass sie sich negativ auf den Wettbewerb auswirken kann. Mit anderen Worten muss die Vereinbarung lediglich geeignet sein, in einem konkreten Fall und unter Berücksichtigung ihres rechtlichen und wirtschaftlichen Kontexts den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen.“

224

Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss zutreffend auf die oben in den Rn. 219 bis 222 angeführte Rechtsprechung zur Definition des Begriffs der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung Bezug genommen hat. Wie sich aus den Rn. 1109 und 1110, 1112 bis 1117 und 1211 des angefochtenen Beschlusses ergibt, hat die Kommission diese Rechtsprechung rechtsfehlerfrei angeführt und sie bei der Prüfung jeder Vereinbarung herangezogen (vgl. u. a. Rn. 1369 bis 1375, 1475 bis 1481, 1622 bis 1627, 1763, 1804 bis 1810 und 1994 bis 2000 des angefochtenen Beschlusses). Es ist unerheblich, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss nicht den Ausdruck „hinreichende Beeinträchtigung“ verwendet hat, da aus diesem Beschluss hervorgeht, dass sie den Begriff der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung richtig erfasst hat. Im Einzelnen hat sie in den Rn. 1110 und 1113 dieses Beschlusses ausgeführt, dass es sich um Beschränkungen handle, die „schon ihrer Natur nach als schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs angesehen werden können“, dass „bei der Prüfung der Frage, ob eine Vereinbarung eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung enthält, auf den Inhalt ihrer Bestimmungen und die mit ihr verfolgten Ziele sowie auf den wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext, in dem sie steht, abzustellen ist“ und dass „bei der Bestimmung dieses Kontexts auch die Natur der betroffenen Waren und Dienstleistungen, die auf dem betreffenden Markt oder den betreffenden Märkten bestehenden tatsächlichen Bedingungen und die Struktur dieses Marktes oder dieser Märkte zu berücksichtigen sind“. Zu Recht hat sie auch darauf hingewiesen, dass „es der Kommission und den Unionsgerichten, auch wenn die Absicht der Beteiligten kein für die Bestimmung des dem Zweck nach wettbewerbsbeschränkenden Charakters einer Vereinbarung notwendiges Element ist, nicht verwehrt ist, sie zu berücksichtigen“ (Rn. 1113 des angefochtenen Beschlusses).

225

Sodann ist zu beachten, dass der Gerichtshof in Rn. 31 des Urteils vom 4. Juni 2009, T‑Mobile Netherlands u. a. (C‑8/08, EU:C:2009:343), die in Rn. 38 des Urteils vom 14. März 2013, Allianz Hungária Biztosító u. a. (C‑32/11, EU:C:2013:160), wieder aufgegriffen wird, nicht sagen wollte, dass eine wenig schädliche und sich somit eventuell negativ auf den Wettbewerb auswirkende Vereinbarung eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellen kann, sondern nur, dass zum einen die Bestimmung der konkreten Wirkungen einer Vereinbarung auf den Wettbewerb für die Prüfung der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung nicht relevant ist und dass zum anderen der Umstand allein, dass eine Vereinbarung nicht umgesetzt worden ist, ihrer Einstufung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung nicht entgegensteht. Liest man Rn. 31 des Urteils vom 4. Juni 2009, T‑Mobile Netherlands u. a. (C‑8/08, EU:C:2009:343), u. a. im Licht der Rn. 29 und 30 dieses Urteils sowie von Nr. 46 der Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in dieser Rechtssache, auf die das Urteil ausdrücklich verweist, und Nr. 47 dieser Schlussanträge, so lässt sie sich in den Kontext der Unterscheidung zwischen bewirkten und bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen einordnen.

226

Folglich ist das Vorbringen der Klägerinnen, die Kommission habe in Rn. 1111 des angefochtenen Beschlusses einen Rechtsfehler begangen, zurückzuweisen.

227

Die Klägerinnen und die Streithelferin machen ferner unter Berufung auf das Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission (C‑67/13 P, EU:C:2014:2204), geltend, der Begriff der bezweckten Zuwiderhandlung müsse entgegen dem von der Kommission im angefochtenen Beschluss verfolgten Ansatz eng ausgelegt werden.

228

Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission (C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 58), befunden hat, dass der Begriff der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung nur auf bestimmte Arten von Koordinierung zwischen Unternehmen angewandt werden kann, die den Wettbewerb so hinreichend beeinträchtigen, dass davon ausgegangen werden kann, dass die Prüfung ihrer Auswirkungen nicht notwendig ist, und nicht auf Vereinbarungen, bei denen überhaupt nicht feststeht, dass sie schon ihrer Natur nach schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs sind. Er hat demzufolge die Feststellung des Gerichts, der Begriff der bezweckten Zuwiderhandlung sei nicht eng auszulegen, als rechtsfehlerhaft beanstandet. Der Gerichtshof hat jedoch nicht die Rechtsprechung in Frage gestellt, wonach die in Art. 101 Abs. 1 Buchst. a bis e AEUV genannten Arten von Vereinbarungen keine abschließende Liste der verbotenen Kollusionen darstellen (Urteil vom 20. November 2008, Beef Industry Development Society und Barry Brothers, C‑209/07, EU:C:2008:643, Rn. 23; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 58), wie sich aus der Verwendung des Wortes „insbesondere“ in Art. 101 Abs. 1 AEUV ergibt (Schlussanträge von Generalanwältin Trstenjak in der Rechtssache Beef Industry Development Society und Barry Brothers, C‑209/07, EU:C:2008:467, Nr. 46).

229

Sodann ist festzustellen, dass die Kommission im vorliegenden Fall im Einklang mit dem Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission (C‑67/13 P, EU:C:2014:2204), vorgegangen ist, indem sie die streitigen Vereinbarungen anhand der oben in den Rn. 219 bis 222 genannten Kriterien geprüft hat (siehe oben, Rn. 224), die als solche restriktiv sind, da sie die Feststellung eines hinreichenden Schädlichkeitsgrades voraussetzen. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen und der Streithelferin musste die Kommission bei ihrer Prüfung nicht a priori einen restriktiveren Maßstab anlegen, als er durch die Kriterien des Begriffs der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung vorgegeben ist, sondern diese Prüfung erforderte die Feststellung einer hinreichend schädlichen Wettbewerbsbeschränkung oder in Ermangelung einer solchen die Prüfung der konkreten wettbewerbswidrigen Wirkungen der streitigen Vereinbarungen.

230

Die Klägerinnen führen ferner aus, das Fehlen von Präzedenzfällen stehe einer Einstufung als bezweckte Beschränkung entgegen, und machen geltend, der mit der Sache befasste frühere Referatsleiter habe öffentlich deren Neuartigkeit anerkannt, wie auch die Kommission im angefochtenen Beschluss selbst. Es ist jedoch zu beachten, dass die in Art. 101 Abs. 1 Buchst. a bis e AEUV genannten Verhaltensweisen keine abschließende Liste der verbotenen Kollusionen darstellen (Urteil vom 20. November 2008, Beef Industry Development Society und Barry Brothers, C‑209/07, EU:C:2008:643, Rn. 23) und dass, obwohl die Erfahrung unbestreitbar bestätigen kann, dass bestimmte Arten der Kooperation per se für den Wettbewerb schädlich sind (Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 51), der Umstand, dass die Kommission in der Vergangenheit Vereinbarungen eines bestimmten Typs nicht als schon ihrem Zweck nach wettbewerbsbeschränkend angesehen hat, als solcher kein Hinderungsgrund ist, dies künftig aufgrund einer eingehenden Einzelprüfung der streitigen Maßnahmen im Hinblick auf ihren Inhalt, Zweck und Kontext zu tun (vgl. Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 438 und die dort angeführte Rechtsprechung).

231

Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen steht auch der bloße Umstand, dass eine Einzelfallprüfung nötig ist, um eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung festzustellen, einer solchen Einstufung nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung ist es nicht erforderlich, dass eine Vereinbarung auf den ersten Blick oder zweifelsfrei – ohne eine eingehende Prüfung ihres Inhalts, ihres Zwecks sowie des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts, in dem sie steht, durch die Kommission oder den Unionsrichter – hinreichend schädlich für den Wettbewerb ist, um sie als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV einstufen zu können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. März 2013, Allianz Hungária Biztosító u. a., C‑32/11, EU:C:2013:160, Rn. 51, und vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 775).

232

Die Klägerinnen und die Streithelferin rügen ferner eine widersprüchliche Begründung des angefochtenen Beschlusses, weil es in Rn. 2764 heiße, dass Patentvergleiche nicht als solche wettbewerbswidrig im Sinne von Art. 102 AEUV seien. Aus dem strittigen Satz der Rn. 2764 des angefochtenen Beschlusses geht jedoch klar hervor, dass die Kommission nur auf die Verhaltensweisen Bezug nimmt, die im angefochtenen Beschluss als Teil der Antigenerika-Strategie der Klägerinnen beschrieben werden, aber dort nicht als Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht eingestuft worden sind. Folglich bezieht sich dieser Satz nicht auf die von den Klägerinnen geschlossenen Vergleiche. Im Übrigen ergibt sich aus dem angefochtenen Beschluss, insbesondere seinem Abschnitt 8.3, dass die Kommission die von den Klägerinnen geschlossenen Vergleiche als missbräuchliches Verhalten angesehen hat, das zu der umfassenden einheitlichen und fortgesetzten Ausschlussstrategie beigetragen habe, die eine Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV darstelle. Mithin ist der angefochtene Beschluss nicht wegen widersprüchlicher Begründung fehlerhaft.

233

Nach dieser Darstellung der Tatbestandsmerkmale des Begriffs der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung und der Prüfung der von den Klägerinnen gegen die Auslegung dieses Begriffs erhobenen Rügen ist darauf hinzuweisen, dass die im vorliegenden Fall streitigen Vereinbarungen den Klägerinnen zufolge dem Zweck dienten, Rechtsstreitigkeiten zwischen den Vertragsparteien gütlich beizulegen, und im besonderen Kontext des Patentrechts geschlossen worden waren, denn diese Rechtsstreitigkeiten betrafen die Patente der Klägerinnen. Da die Feststellung des Vorliegens einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung die Prüfung des Inhalts, der Ziele und des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts der in Rede stehenden Vereinbarung voraussetzt (siehe oben, Rn. 221), sind im vorliegenden Fall die Nichtangriffsklauseln betreffend die Patente und die Vermarktungsverbote für diese Patente verletzende Erzeugnisse, die in den Vergleichen im Allgemeinen und in den streitigen Vereinbarungen im Besonderen enthalten sind, mit Blick auf ihren Zweck, die Patentrechtsstreitigkeiten gütlich beizulegen, und den besonderen patentrechtlichen Kontext zu prüfen, um festzustellen, ob die Kommission diese Vereinbarungen zu Recht und anhand angemessener rechtlicher Kriterien als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen eingestuft hat.

2) Zu den Rechten des geistigen Eigentums und insbesondere den Patenten

234

Der spezifische Gegenstand des gewerblichen Eigentums lässt sich dahin kennzeichnen, dass der Inhaber zum Ausgleich für seine schöpferische Erfindertätigkeit das ausschließliche Recht erlangt, gewerbliche Erzeugnisse herzustellen und in den Verkehr zu bringen, mithin die Erfindung entweder selbst oder im Wege der Lizenzvergabe an Dritte zu verwerten, und dass er ferner das Recht erlangt, sich gegen jegliche Zuwiderhandlung zur Wehr zu setzen (Urteil vom 31. Oktober 1974, Centrafarm und de Peijper, 15/74, EU:C:1974:114, Rn. 9). Wird ein Recht des geistigen Eigentums von einer öffentlichen Stelle eingeräumt, besteht normalerweise die Vermutung, dass das Recht gültig ist und einem Unternehmen rechtmäßig zusteht. Ist ein Unternehmen Inhaber eines ausschließlichen Rechts, hat schon dies allein normalerweise zur Folge, dass die Wettbewerber ferngehalten werden, da sie aufgrund staatlicher Vorschriften zur Beachtung dieses Rechts verpflichtet sind (Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 362).

235

Die Ausübung der Rechte aus einem nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats erteilten Patent bedeutet für sich allein keinen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrags (Urteil vom 29. Februar 1968, Parke, Davis and Co., 24/67, EU:C:1968:11, S. 111). Die Regeln im Bereich des geistigen Eigentums sind für die Aufrechterhaltung eines unverfälschten Wettbewerbs im Binnenmarkt sogar wesentlich (Urteil vom 16. April 2013, Spanien und Italien/Rat, C‑274/11 und C‑295/11, EU:C:2013:240, Rn. 22). Zum einen trägt nämlich das Patentrecht dadurch, dass es einen Ausgleich für die schöpferische Tätigkeit des Erfinders bietet, zur Förderung eines innovations- und investitionsfreundlichen Umfelds bei, und zum anderen zielt es darauf ab, die Funktionsweise der Erfindungen öffentlich zu machen und weitere Fortschritte zu ermöglichen. So heißt es in Rn. 7 der Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen, die in vollem Umfang als Rn. 7 in die Leitlinien von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen übernommen worden ist:

„[Es gibt keinen] immanenten Konflikt zwischen Rechten des geistigen Eigentums und den Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft … Hauptziel beider Rechtsbereiche ist die Förderung des Wohls der Verbraucher und eine effiziente Ressourcenallokation. Innovation ist ein wesentlicher und dynamischer Bestandteil einer offenen und wettbewerbsfähigen Marktwirtschaft. Die Rechte des geistigen Eigentums tragen zu einem dynamischen Wettbewerb bei, indem sie Unternehmen dazu motivieren, in die Entwicklung neuer oder verbesserter Erzeugnisse und Verfahren zu investieren. Dies gilt auch für den Wettbewerb, der Unternehmen ebenfalls zur Innovation veranlasst. Daher sind sowohl gewerbliche Schutzrechte als auch Wettbewerb notwendig, um Innovationen zu fördern und deren wettbewerbsfähige Verwertung sicherzustellen.“

236

Nach ständiger Rechtsprechung gehört das Eigentumsrecht, zu dem die Rechte des geistigen Eigentums gehören, zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts (Urteil vom 29. Januar 2008, Promusicae, C‑275/06, EU:C:2008:54, Rn. 62; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 12. Juli 2005, Alliance for Natural Health u. a., C‑154/04 und C‑155/04, EU:C:2005:449, Rn. 126 und die dort angeführte Rechtsprechung).

237

Das Recht des geistigen Eigentums und namentlich das Patentrecht kann jedoch keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen, sondern muss im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen und mit anderen Grundrechten abgestimmt werden, und es kann Beschränkungen unterworfen werden, um dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Union zu entsprechen, ohne dass diese jedoch einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet (vgl. Urteil vom 12. Juli 2005, Alliance for Natural Health u. a., C‑154/04 und C‑155/04, EU:C:2005:449, Rn. 126 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der Gerichtshof hat z. B. in Rechtsstreitigkeiten betreffend die Auslegung der Verordnung (EG) Nr.o469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel (ABl. 2009, L 152, S. 1) befunden, dass zwischen den Interessen der Pharmaindustrie und denen der Volksgesundheit abzuwägen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. März 2015, Actavis Group PTC und Actavis UK, C‑577/13, EU:C:2015:165, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

238

Gemäß Art. 3 Abs. 3 EUV errichtet die Union einen Binnenmarkt, der nach dem dem Vertrag von Lissabon beigefügten Protokoll Nr. 27 über den Binnenmarkt und den Wettbewerb (ABl. 2010, C 83, S. 309), das nach Art. 51 EUV den Verträgen im Rang gleichsteht, ein System umfasst, das den Wettbewerb vor Verfälschungen schützt. Die Art. 101 und 102 AEUV gehören zu den Wettbewerbsregeln im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b AEUV, die für das Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich sind. Diese Regeln sollen nämlich gerade verhindern, dass der Wettbewerb entgegen dem öffentlichen Interesse und zum Schaden der einzelnen Unternehmen und der Verbraucher verfälscht wird, und sollen damit zum wirtschaftlichen Wohl in der Union beitragen (Urteil vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige, C‑52/09, EU:C:2011:83, Rn. 20 bis 22).

239

Auch wenn die Verträge nie ausdrücklich eine Abstimmung zwischen den Rechten des geistigen Eigentums und dem Wettbewerbsrecht vorgesehen haben, sah doch Art. 36 EG, dessen Bestimmungen in Art. 36 AEUV übernommen worden sind, eine Abstimmung zwischen den Rechten des geistigen Eigentums und dem Grundsatz des freien Warenverkehrs vor, indem er feststellte, dass die Vertragsbestimmungen über das Verbot von mengenmäßigen Beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten Einfuhr‑, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder ‑beschränkungen nicht entgegenstehen, die u. a. aus Gründen des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind, wobei diese Verbote oder Beschränkungen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen dürfen. Nach Ansicht des Gerichtshofs unterscheidet Art. 36 EG damit zwischen der Existenz eines von der Gesetzgebung eines Mitgliedstaats anerkannten Rechts auf Schutz des geistigen und künstlerischen Eigentums, das durch die Bestimmungen des Vertrags nicht berührt werden kann, und der Ausübung dieses Rechts, die unter Umständen eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 1982, Coditel u. a., 262/81, EU:C:1982:334, Rn. 13).

240

Der Unionsgesetzgeber hat im Übrigen auf die Notwendigkeit einer solchen Abstimmung hingewiesen. So heißt es in der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. 2004, L 157, S. 45), mit der die nationalen Rechtsvorschriften einander angenähert werden sollen, um ein hohes, gleichwertiges und homogenes Schutzniveau für geistiges Eigentum im Binnenmarkt zu gewährleisten (zehnter Erwägungsgrund), und die „im Einklang mit Artikel 17 Absatz 2 der Charta [der Grundrechte] die uneingeschränkte Achtung geistigen Eigentums sicherstellen [soll]“ (32. Erwägungsgrund), dass sie „die Anwendung der Wettbewerbsvorschriften, insbesondere der Artikel [101] und [102 AEUV], nicht berühren [darf]“ und dass die „in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen … nicht dazu verwendet werden dürfen, den Wettbewerb entgegen den Vorschriften des Vertrags unzulässig einzuschränken“ (zwölfter Erwägungsgrund).

241

Der Gerichtshof hat eine Rechtsprechung zu den verschiedenen Arten von Rechten des geistigen Eigentums entwickelt, mit der die Wettbewerbsregeln und die Ausübung dieser Rechte aufeinander abgestimmt werden sollen, ohne dass diese in ihrer Substanz beeinträchtigt werden, wobei er dieselben Überlegungen wie bei der Abstimmung zwischen diesen Rechten und dem freien Warenverkehr zugrunde gelegt hat. Demgemäß geht es dem Gerichtshof darum, den anormalen Gebrauch der Rechte des geistigen Eigentums zu ahnden, nicht aber ihre legitime Ausübung, die der Gerichtshof anhand ihres spezifischen Gegenstands definiert, ein Begriff, der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs als Synonym für die Begriffe der eigentlichen Substanz dieser Rechte und der wesentlichen Befugnisse ihrer Inhaber verwendet wird. Dem Gerichtshof zufolge betrifft die Ausübung von Befugnissen, die zum spezifischen Gegenstand eines Immaterialgüterrechts gehören, dessen Existenz (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwalt Gulmann in der Rechtssache RTE und ITP/Kommission, C‑241/91 P, EU:C:1994:210, Nrn. 31 und 32 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Die Ausübung des ausschließlichen Rechts durch den Inhaber kann jedoch nach Ansicht des Gerichtshofs unter außergewöhnlichen Umständen auch ein wettbewerbswidriges Verhalten darstellen (Urteil vom 6. April 1995, RTE und ITP/Kommission, C‑241/91 P und C‑242/91 P, EU:C:1995:98, Rn. 50; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 691).

242

Wie der Gerichtshof zu Patenten entschieden hat, ist nicht auszuschließen, dass die Vorschriften dieses Artikels angewendet werden können, wenn Unternehmen sich über die Verwertung eines oder mehrerer Patente abstimmen und dadurch eine Lage schaffen, die unter die Begriffe Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV zu fallen geeignet ist (Urteil vom 29. Februar 1968, Parke, Davis and Co., 24/67, EU:C:1968:11, S. 112). 1974 hat er erneut entschieden, dass die von der Gesetzgebung eines Mitgliedstaats anerkannten gewerblichen Schutzrechte zwar durch Art. 101 AEUV in ihrem Bestand nicht berührt werden, dass ihre Ausübung jedoch unter die in diesem Artikel ausgesprochenen Verbote fallen kann und dass dies der Fall ist, wenn sich herausstellt, dass die Ausübung eines solchen Rechts Zweck, Mittel oder Folge einer Kartellabsprache ist (Urteil vom 31. Oktober 1974, Centrafarm und de Peijper, 15/74, EU:C:1974:114, Rn. 39 und 40).

243

Da es an einer Harmonisierung des im vorliegenden Fall anwendbaren Patentrechts in der Union fehlt, ist der Umfang des Patentschutzes für ein von einem nationalen Patentamt oder vom EPA erteiltes Patent nicht anhand von Vorschriften des Unionsrechts, sondern solchen des nationalen Rechts oder des EPÜ zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. September 1999, Farmitalia, C‑392/97, EU:C:1999:416, Rn. 26, und vom 24. November 2011, Medeva, C‑322/10, EU:C:2011:773, Rn. 22 und 23). Hat der Unionsrichter im Rahmen einer gegen einen Beschluss der Kommission gerichteten Nichtigkeitsklage einen Vergleich zur Beilegung eines Patentrechtsstreits zu prüfen, ist es folglich nicht seine Sache, den Schutzbereich dieses Patents zu bestimmen oder sich zu seiner Gültigkeit zu äußern. Im vorliegenden Fall hat die Kommission im Übrigen zwar in den Rn. 113 bis 123 des angefochtenen Beschlusses von einer Strategie der Klägerinnen der Bildung eines „Patent-Clusters“ und von „Papierpatenten“ gesprochen, sie hat sich jedoch nicht zur Gültigkeit der streitigen Patente bei Abschluss der Vergleiche geäußert.

244

Auch wenn es weder Sache der Kommission noch des Gerichts ist, sich zur Gültigkeit eines Patents zu äußern, muss doch dessen Bestehen bei der Prüfung im Rahmen der Wettbewerbsregeln der Union berücksichtigt werden. Wie der Gerichtshof bereits befunden hat, ist es zwar nicht Sache der Kommission, den Schutzbereich eines Patents zu bestimmen, doch kann sie sich in dieser Hinsicht nicht jeder Beurteilung enthalten, wenn dieser Schutzbereich für die Frage von Bedeutung ist, ob ein Verstoß gegen die Art. 101 und 102 AEUV vorliegt. Die Kommission muss nämlich selbst dann, wenn der tatsächliche Schutzbereich eines Patents Gegenstand eines Rechtsstreits vor einem inländischen Gericht ist, ihre Befugnisse gemäß den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1/2003 wahrnehmen können. Diese greifen den Würdigungen der innerstaatlichen Gerichte in den dort anhängigen Patentrechtsstreitigkeiten in keiner Weise vor, und die Entscheidung der Kommission unterliegt der Nachprüfung durch den Gerichtshof (Urteil vom 25. Februar 1986, Windsurfing International/Kommission, 193/83, EU:C:1986:75, Rn. 26 und 27).

245

Zu beachten ist schließlich, dass die Rechte des geistigen Eigentums durch die Charta der Grundrechte geschützt sind. Art. 17 Abs. 1 der Charta der Grundrechte, die gemäß dem Vertrag von Lissabon den Verträgen im Rang gleichsteht (Art. 6 Abs. 1 EUV) sieht vor: „Jede Person hat das Recht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in einem Gesetz vorgesehen sind, sowie gegen eine rechtzeitige angemessene Entschädigung für den Verlust des Eigentums. Die Nutzung des Eigentums kann gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist.“ Nach Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte wird zudem „[g]eistiges Eigentum … geschützt“. Folglich gelten die Garantien des Art. 17 Abs. 1 der Charta der Grundrechte auch für die Rechte des geistigen Eigentums. Der Gerichtshof hat befunden, dass sich aus der Anerkennung der Rechte des geistigen Eigentums in der Charta der Grundrechte das Erfordernis eines Schutzes dieser Rechte auf hohem Niveau ergibt und dass die Erhaltung eines freien Wettbewerbs, zu dessen Schutz das Primärrecht, insbesondere die Art. 101 und 102 AEUV, die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung verbietet, und die notwendige Gewährleistung der Rechte des geistigen Eigentums des Patentinhabers und dessen Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz, die in Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte garantiert werden, gegeneinander abzuwägen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2015, Huawei Technologies, C‑170/13, EU:C:2015:477, Rn. 42 und 58).

3) Zu den Vergleichen in Patentrechtsstreitigkeiten

246

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die folgenden Ausführungen nicht die Fälle von betrügerisch erlangten Patenten, „fiktiven“ Rechtsstreitigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten, die noch nicht vor Gericht gelangt sind, betreffen. Denn wie die Kommission in Rn. 1170 des angefochtenen Beschlusses eingeräumt hat, waren zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vergleichsvereinbarungen die Klägerinnen und die Generikahersteller sämtlich Parteien oder Beteiligte eines Rechtsstreits vor einem nationalen Gericht oder vor dem EPA über die Gültigkeit bestimmter Patente der Klägerinnen oder über die Frage, ob das von dem Generikahersteller entwickelte Erzeugnis eine Patentverletzung darstellt.

247

Zunächst ist festzustellen, dass es für die Parteien eines Patentrechtsstreits a priori legitim ist, einen Vergleich zu schließen, statt einen Rechtsstreit vor einem Gericht fortzusetzen. Wie die Kommission zutreffend in Rn. 1102 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, sind Unternehmen im Allgemeinen befugt, Rechtsstreitigkeiten, eingeschlossen Patentrechtsstreitigkeiten, durch Vergleich zu beenden, da solche Vergleiche oft für beide Parteien des Rechtsstreits vorteilhaft sind und eine effizientere Ressourcenallokation ermöglichen, als wenn der Rechtsstreit bis zum Erlass eines Urteils fortgesetzt würde. Ein Kläger ist nämlich nicht verpflichtet, einen Rechtsstreit fortzusetzen, den er selbst aus freiem Willen vor Gericht gebracht hat. Zudem kann die Beendigung von Rechtsstreitigkeiten durch gerichtliche Entscheidung, abgesehen davon, dass sie der Allgemeinheit Kosten verursacht, nicht als der privilegierte und ideale Weg der Konfliktlösung angesehen werden. Die Vervielfachung von Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten kann Ausdruck von Funktionsstörungen oder Unzulänglichkeiten sein, für die es andere Formen der Abhilfe oder geeignete Vorbeugungsmaßnahmen geben kann. Sollten in den nationalen Systemen der Patenterteilung oder im System des EPA derartige Schwierigkeiten bestehen, etwa indem Verfahren ohne Erfindungscharakter zu großzügig Schutz zuerkannt wird, können diese Probleme keine Verpflichtung oder auch nur eine Ermunterung der Unternehmen rechtfertigen, Patentrechtsstreitigkeiten bis zu einer gerichtlichen Klärung fortzusetzen.

248

Zudem wird in den Rn. 204 und 209 der Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen, die zumindest auf Technologie-Lizenzvereinbarungen anwendbar sind, die Möglichkeit anerkannt, Anspruchsregelungs- und ‑verzichtsvereinbarungen, einschließlich Lizenzvereinbarungen, zu schließen, und festgestellt, dass Nichtangriffsklauseln in Anspruchsregelungs- und ‑verzichtsvereinbarungen in der Regel nicht unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen. In Rn. 235 der Leitlinien von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen, die an die Stelle der Leitlinien von 2004 getreten sind, heißt es ebenfalls: „Streitbeilegungsvereinbarungen im Zusammenhang mit Technologiestreitigkeiten sind, ebenso wie in vielen anderen Bereichen der Wirtschaftskonflikte, grundsätzlich eine legitime Möglichkeit, einen für beide Seiten akzeptablen Kompromiss in einer Bona-fide-Rechtsstreitigkeit zu finden. Die Parteien ziehen es möglicherweise vor, die Auseinandersetzung oder Streitigkeit einzustellen, da sie sich als zu kostspielig oder zu zeitaufwändig erweist und/oder zu ungewiss erscheint. Infolge von Streitbeilegungen brauchen Gerichte und/oder zuständige Verwaltungsorgane ferner möglicherweise nicht über die Sache zu entscheiden, was sich wohlstandsfördernd auswirkt.“

249

Die Kommission selbst macht im Übrigen von einem Verwaltungsverfahren in Kartellfällen Gebrauch, das in bestimmten Aspekten einem Vergleich ähnelt. Ziel des mit der Verordnung (EG) Nr. 622/2008 der Kommission vom 30. Juni 2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 hinsichtlich der Durchführung von Vergleichsverfahren in Kartellfällen (ABl. 2008, L 171, S. 3) eingeführten Vergleichsverfahrens ist nämlich die Vereinfachung und Beschleunigung der Verwaltungsverfahren sowie die Reduzierung der vor den Unionsgerichten erhobenen Klagen, damit die Kommission bei gleichbleibenden Ressourcen mehr Fälle bearbeiten kann (Urteil vom 20. Mai 2015, Timab Industries und CFPR/Kommission, T‑456/10, EU:T:2015:296, Rn. 59 und 60).

250

Ferner sind nach der Rechtsprechung die Befugnis des Rechteinhabers, seine Rechte gerichtlich geltend zu machen, und die darauf beruhende gerichtliche Kontrolle Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, der den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten zugrunde liegt und auch in den Art. 6 und 13 EMRK verankert ist. Da der Zugang zu den Gerichten ein Grundrecht ist und ein allgemeines Prinzip darstellt, das die Wahrung des Rechts sicherstellt, kann die Erhebung einer Klage nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht darstellen (Urteil vom 17. Juli 1998, ITT Promedia/Kommission, T‑111/96, EU:T:1998:183, Rn. 60). Wie der Gerichtshof entschieden hat, impliziert das Erfordernis des hohen Schutzes der Rechte des geistigen Eigentums, dass ihrem Inhaber grundsätzlich nicht die Möglichkeit genommen werden kann, gerichtliche Schritte zu unternehmen, durch die gewährleistet wird, dass seine ausschließlichen Rechte tatsächlich beachtet werden (Urteil vom 16. Juli 2015, Huawei Technologies, C‑170/13, EU:C:2015:477, Rn. 58). Entsprechend ist die Entscheidung eines Unternehmens, auf den Rechtsweg zu verzichten und stattdessen eine außergerichtliche Beilegung des Rechtsstreits zu suchen, nur Ausdruck derselben Freiheit in der Wahl der Mittel zur Verteidigung seiner Rechte und kann grundsätzlich keine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht darstellen.

251

Der Zugang zu den Gerichten ist zwar ein Grundrecht, er kann jedoch nicht als Verpflichtung angesehen werden, auch wenn er dazu beitragen sollte, den Wettbewerb zwischen Wirtschaftsteilnehmern zu beleben. Zum einen besteht nämlich trotz der Vielfalt der Verfahren und Systeme zur Erteilung von Patenten, die zur Zeit der hier in Rede stehenden Sachverhalte in den Mitgliedstaaten der Union und vor dem EPA herrschte, normalerweise die Vermutung, dass ein von einer öffentlichen Stelle eingeräumtes Recht des geistigen Eigentums gültig ist und einem Unternehmen rechtmäßig zusteht (Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 362). Zum anderen liegt es zwar im öffentlichen Interesse, alle Hindernisse für die Wirtschaftstätigkeit auszuräumen, die sich aus einem zu Unrecht erteilten Patent ergeben könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Februar 1986, Windsurfing International/Kommission, 193/83, EU:C:1986:75, Rn. 92 und 93), und ist allgemein anerkannt, dass die öffentlichen Budgets, namentlich die zur Deckung der Gesundheitskosten bestimmten, erheblichen Zwängen unterliegen und dass der Wettbewerb, insbesondere der von Produkten der Generikahersteller ausgehende, wirksam zur Begrenzung dieser Budgets beitragen kann, doch ist auch zu beachten, dass, wie die Kommission in Rn. 1201 des angefochtenen Beschlusses zu Recht ausgeführt hat, jedem Unternehmen die Entscheidung freisteht, Klage gegen die von den Originalherstellern gehaltenen Patente an den Originalpräparaten zu erheben oder nicht. Zudem hindert die Entscheidung für oder gegen die Erhebung einer solchen Klage oder für einen Vergleich zur Beilegung eines Rechtsstreits andere Unternehmen grundsätzlich nicht daran, sich für die Anfechtung dieser Patente zu entscheiden.

252

Aus alledem ergibt sich, dass zur Abstimmung des Patentrechts mit dem Wettbewerbsrecht im besonderen Rahmen des Abschlusses von Vergleichen zwischen Parteien eines Patentrechtsstreits ein Ausgleich zu finden ist zwischen einerseits der Notwendigkeit, den Unternehmen den Abschluss von für die Allgemeinheit günstigen Vergleichen zu ermöglichen, und andererseits der Notwendigkeit, der Gefahr eines zweckwidrigen, dem Wettbewerbsrecht zuwiderlaufenden Einsatzes von Vergleichsvereinbarungen vorzubeugen, der zur Aufrechterhaltung von ungültigen Patenten und insbesondere im Arzneimittelsektor zu einer nicht gerechtfertigten finanziellen Belastung der öffentlichen Haushalte führt.

4) Zur Abstimmung zwischen Patentvergleichsvereinbarungen und Wettbewerbsrecht

253

Der Abschluss eines Vergleichs in einem Patentrechtsstreit stellt die Parteien nicht von der Anwendung des Wettbewerbsrechts frei (vgl. Urteile vom 27. September 1988, Bayer und Maschinenfabrik Hennecke, 65/86, EU:C:1988:448, Rn. 15, und vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 118; vgl. entsprechend Urteil vom 30. Januar 1985, BAT Cigaretten-Fabriken/Kommission, 35/83, EU:C:1985:32, Rn. 33; vgl. auch Rn. 204 der Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen und Rn. 237 der Leitlinien von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen).

254

Demgemäß hat der Gerichtshof entschieden, dass eine Abrede über die Unterlassung von Angriffen gegen ein Patent auch dann, wenn sie in einem Vertrag enthalten ist, durch den ein vor Gericht anhängiger Rechtsstreit beendet werden soll, aufgrund des rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhangs, in dem sie steht, den Wettbewerb im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV beschränken kann (Urteil vom 27. September 1988, Bayer und Maschinenfabrik Hennecke, 65/86, EU:C:1988:448, Rn. 14 bis 16).

255

Daher sind die Merkmale zu bestimmen, anhand deren auf den dem Zweck nach wettbewerbsbeschränkenden Charakter einer Abrede über die Unterlassung eines Angriffs gegen ein Patent und allgemeiner einer Patentvergleichsvereinbarung geschlossen werden kann, wobei die Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung die Prüfung des Inhalts der in Rede stehenden Vereinbarung, der mit ihr verfolgten Ziele sowie des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts, in dem sie steht, voraussetzt (siehe oben, Rn. 221).

256

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass ein Vergleich in einem Patentrechtsstreit nicht unbedingt negative Auswirkungen auf den Wettbewerb haben muss. Dies ist z. B. dann nicht der Fall, wenn die Parteien der Vereinbarung das streitige Patent einvernehmlich für ungültig erachten und daher den sofortigen Markteintritt des Generikaherstellers vorsehen.

257

Die hier in Rede stehenden Vereinbarungen gehören nicht zu dieser Kategorie, da sie Nichtangriffsklauseln betreffend Patente und Vermarktungsverbote für Erzeugnisse enthalten, die als solche wettbewerbsbeschränkend sind. Denn die Nichtangriffsklausel läuft dem öffentlichen Interesse zuwider, alle Hindernisse für die Wirtschaftstätigkeit auszuräumen, die sich aus einem zu Unrecht erteilten Patent ergeben könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Februar 1986, Windsurfing International/Kommission, 193/83, EU:C:1986:75, Rn. 92), und das Vermarktungsverbot führt zum Ausschluss eines Wettbewerbers des Patentinhabers.

258

Die Aufnahme solcher Klauseln kann jedoch legitim sein, allerdings nur, soweit ihr die Anerkennung der Gültigkeit des betreffenden Patents (und damit des rechtsverletzenden Charakters der betreffenden Generika) durch die Parteien zugrunde liegt.

259

Zum einen sind nämlich Wettbewerbsverbots- und Nichtangriffsklauseln zur gütlichen Beilegung bestimmter Patentrechtsstreitigkeiten nötig. Könnten die Parteien des Rechtsstreits solche Klauseln nicht verwenden, verlöre die gütliche Beilegung des Rechtsstreits jedes Interesse für Rechtsstreitigkeiten, in denen beide Parteien von der Gültigkeit des Patents ausgehen. Im Übrigen bezeichnet es die Kommission in Rn. 209 der Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen als „charakteristisch für solche Vereinbarungen, dass sich die Parteien darauf einigen, die betreffenden Rechte des geistigen Eigentums nicht im Nachhinein anzugreifen. Es ist ja gerade der Sinn dieser Vereinbarung, bestehende Konflikte zu lösen und/oder künftige zu vermeiden.“ Zur Erreichung dieses Ziels ist es ebenso notwendig, dass sich die Parteien darauf einigen, dass kein rechtsverletzendes Erzeugnis vertrieben werden kann.

260

Zum anderen werden mit der Aufnahme von Vermarktungsverbotsklauseln zum Teil nur die bereits bestehenden rechtlichen Wirkungen eines Patents bestätigt, das die Parteien ausdrücklich oder stillschweigend als gültig anerkennen. Das Patent bewirkt nämlich zugunsten seines Inhabers normalerweise, dass Wettbewerber daran gehindert sind, das den Gegenstand des Patents bildende Erzeugnis oder das Erzeugnis, das durch das den Gegenstand des Patents bildende Verfahren gewonnen wurde, zu vertreiben (siehe oben, Rn. 234). Mit der Unterwerfung unter ein Vermarktungsverbot verpflichtet sich der Generikahersteller, keine Erzeugnisse zu verkaufen, die eine Verletzung des in Rede stehenden Patents darstellen können. Wenn sich dieses Verbot auf den Geltungsbereich des streitigen Patents beschränkt, kann angenommen werden, dass es im Wesentlichen die Wirkungen dieses Patents wiedergibt, da es auf der Anerkennung von dessen Gültigkeit beruht. Was Nichtangriffsklauseln betrifft, lässt sich das Patent nicht in dem Sinne auslegen, dass es auch gegen Angriffe auf die Gültigkeit eines Patents Schutz gewährt (Urteil vom 25. Februar 1986, Windsurfing International/Kommission, 193/83, EU:C:1986:75, Rn. 92). Die Wirkungen dieser Klauseln decken sich demnach nicht mit denen des Patents. Wird jedoch eine Nichtangriffsklausel im Rahmen einer gütlichen Beilegung eines wirklichen Rechtsstreits vereinbart, in dem der Wettbewerber bereits Gelegenheit zur Anfechtung des Patents hatte und schließlich dessen Gültigkeit anerkennt, kann sie nicht als dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufend angesehen werden, alle Hindernisse für die Wirtschaftstätigkeit auszuräumen, die sich aus einem zu Unrecht erteilten Patent ergeben könnten (siehe oben, Rn. 257).

261

Die Kommission selbst hat im angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln in der Regel jedem Vergleich inhärent seien. Es sei „wenig wahrscheinlich, dass ein Vergleich, der im Rahmen einer Patentauseinandersetzung oder eines Patentrechtsstreits auf der Grundlage der Einschätzung dieses Streits durch jede Partei geschlossen wird, gegen das Wettbewerbsrecht verstößt, auch wenn der Vergleich die Verpflichtung für den Generikahersteller vorsieht, die durch das Patent geschützte Erfindung während der Schutzdauer nicht zu verwenden (z. B. durch ein Vermarktungsverbot) und/oder das in Rede stehende Patent nicht gerichtlich anzufechten (z. B. durch eine Nichtangriffsklausel)“ (Rn. 1136 des angefochtenen Beschlusses).

262

Somit erlaubt die bloße Aufnahme von Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln, deren Wirkungen auf die des betreffenden Patents beschränkt sind, in Vergleichsvereinbarungen trotz des Umstands, dass diese Klauseln als solche wettbewerbsbeschränkend sind (siehe oben, Rn. 257), nicht den Schluss auf eine Beschränkung des Wettbewerbs, die hinreichend schädlich ist, um als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft zu werden, wenn diesen Vergleichen die Anerkennung der Gültigkeit des Patents (und damit des rechtsverletzenden Charakters der betreffenden Generika) durch die Parteien zugrunde liegt.

263

Die Aufnahme von Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln, deren Reichweite sich auf die des Patents beschränkt, ist dagegen problematisch, wenn der Unterwerfung des Generikaherstellers unter diese Klauseln nicht die Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch diesen zugrunde liegt. Wie die Kommission zu Recht ausführt, stellen, „[s]elbst wenn sie nicht über den materiellen Geltungsbereich des Patents hinausgehen, … die in dem Vergleich enthaltenen Beschränkungen der kaufmännischen Autonomie des Generikaherstellers einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV dar, wenn diese Beschränkungen nicht gerechtfertigt werden können und sich nicht aus der Beurteilung des Bestehens des ausschließlichen Rechts selbst durch die Parteien ergeben“ (vgl. Rn. 1137 des angefochtenen Beschlusses).

264

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Vorliegen einer „umgekehrten Zahlung“, d. h. einer Zahlung des Herstellers des Originalpräparats an den Generikahersteller, im Rahmen einer Vergleichsvereinbarung doppelt verdächtig ist. Denn erstens soll durch das Patent die schöpferische Tätigkeit des Erfinders dadurch vergütet werden, dass er einen angemessenen Gewinn aus seiner Investition ziehen kann (siehe oben, Rn. 234), und ein gültiges Patent muss daher grundsätzlich einen Werttransfer an seinen Inhaber – z. B. durch eine Lizenzvereinbarung – und nicht in die umgekehrte Richtung ermöglichen. Zweitens erregt das Vorliegen einer umgekehrten Zahlung insofern Verdacht, als unklar ist, ob dem Vergleich die Anerkennung der Gültigkeit des fraglichen Patents durch die Parteien der Vereinbarung zugrunde liegt.

265

Allerdings lässt das Vorliegen einer umgekehrten Zahlung allein nicht den Schluss auf eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung zu. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass bestimmte umgekehrte Zahlungen, wenn sie dem Vergleich inhärent sind, gerechtfertigt sind (siehe unten, Rn. 277 bis 280). Dagegen ist im Fall einer nicht gerechtfertigten umgekehrten Zahlung bei Abschluss des Vergleichs davon auszugehen, dass der Generikahersteller durch diese Zahlung dazu angereizt wurde, sich der Vermarktungsverbots- und der Nichtangriffsklausel zu unterwerfen, und auf das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung zu schließen. In diesem Fall hängen die Vermarktungsverbots- und die Nichtangriffsklausel nicht mehr mit dem Patent zusammen, sondern sind mit der Gewährung eines Vorteils zu erklären, durch den der Generikahersteller dazu angereizt werden soll, auf seine Wettbewerbsanstrengungen zu verzichten.

266

Zwar sind weder die Kommission noch die Unionsgerichte dafür zuständig, über die Gültigkeit des Patents zu entscheiden (siehe oben, Rn. 243 und 244), doch können sie im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten und ohne Entscheidung über die Gültigkeit des Patents selbst das Vorliegen eines anormalen Gebrauchs desselben feststellen, der nichts mit dem spezifischen Gegenstand des Patents zu tun hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. Februar 1968, Parke, Davis and Co., 24/67, EU:C:1968:11, S. 111 bis 113, und vom 31. Oktober 1974, Centrafarm und de Peijper, 15/74, EU:C:1974:114, Rn. 7 und 8; vgl. auch entsprechend Urteile vom 6. April 1995, RTE und ITP/Kommission, C‑241/91 P und C‑242/91 P, EU:C:1995:98, Rn. 50, und vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a., C‑403/08 und C‑429/08, EU:C:2011:631, Rn. 104 bis 106).

267

Einen Wettbewerber dazu anzureizen, Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln in dem oben in Rn. 265 beschriebenen Sinne zu akzeptieren, oder ihn dazu zu bringen, sich aufgrund eines solchen Anreizes derartigen Klauseln zu unterwerfen, stellt einen anormalen Gebrauch des Patents dar.

268

Wie die Kommission in Rn. 1137 des angefochtenen Beschlusses zu Recht ausgeführt hat, „sieht das Patentrecht nicht das Recht vor, seine wirklichen oder potenziellen Wettbewerber dafür zu bezahlen, dass sie dem Markt fernbleiben oder vor einem Markteintritt von der Anfechtung eines Patents absehen“. Die Patentinhaber sind auch, so die Kommission weiter, „nicht berechtigt, Generikahersteller zu bezahlen, um sie vom Markt fernzuhalten und die vom Wettbewerb ausgehenden Risiken zu verringern, sei es im Rahmen einer Patentvergleichsvereinbarung oder auf anderem Wege“ (Rn. 1141 des angefochtenen Beschlusses). Wie die Kommission schließlich zutreffend meint, „gehört es nicht zu irgendeinem mit den Patenten zusammenhängenden Recht und entspricht keinem der im Patentrecht zur Durchsetzung der Patente vorgesehenen Mittel, potenzielle Wettbewerber dafür zu bezahlen oder auf andere Weise dazu anzureizen, dem Markt fernzubleiben“ (Rn. 1194 des angefochtenen Beschlusses).

269

Ist das Bestehen eines Anreizes festgestellt, können die Parteien nicht mehr geltend machen, sie hätten die Gültigkeit des Patents im Rahmen des Vergleichs anerkannt. Der Umstand, dass die Gültigkeit des Patents von einem Gericht oder einer Verwaltungsstelle bestätigt worden ist, ist insoweit nicht von Belang.

270

Es ist dann der Anreiz und nicht die Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch die Parteien des Vergleichs, der als eigentlicher Grund für die mit der Vermarktungsverbots- und der Nichtangriffsklausel eingeführte Wettbewerbsbeschränkung anzusehen ist (siehe oben, Rn. 257), für die es in diesem Fall keinerlei Rechtfertigung gibt und die daher hinreichend schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs ist, um als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden zu können.

271

Bei Bestehen eines Anreizes müssen die in Rede stehenden Vereinbarungen somit als Marktausschlussvereinbarungen angesehen werden, mit denen die im Markt verbleibenden die aus diesem ausscheidenden Unternehmen entschädigen. Derartige Vereinbarungen stellen aber in Wirklichkeit einen Abkauf von Wettbewerb dar und müssen deshalb als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen eingestuft werden, wie sich aus dem Urteil vom 20. November 2008, Beef Industry Development Society und Barry Brothers (C‑209/07, EU:C:2008:643, Rn. 8 und 31 bis 34), und den Schlussanträgen von Generalanwältin Trstenjak in der Rechtssache Beef Industry Development Society und Barry Brothers (C‑209/07, EU:C:2008:467, Nr. 77) ergibt, die u. a. in den Rn. 1139 und 1140 des angefochtenen Beschlusses angeführt werden. Zudem stellt der Marktausschluss von Wettbewerbern eine extreme Form der Marktaufteilung und der Produktionsbeschränkung dar (Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 435), die in einem Kontext wie dem der streitigen Vereinbarungen umso wettbewerbsschädlicher ist, als die ausgeschlossenen Unternehmen Generikahersteller sind, deren Markteintritt grundsätzlich wettbewerbsfördernd ist und außerdem zum öffentlichen Interesse beiträgt, die Gesundheitskosten zu senken. Schließlich wird dieser Ausschluss in den streitigen Vereinbarungen dadurch verstärkt, dass die Generikahersteller das streitige Patent nicht anfechten können.

272

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass im Kontext von Patentvergleichsvereinbarungen die Einstufung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung voraussetzt, dass die Vergleichsvereinbarung sowohl einen als Anreiz wirkenden Vorteil für den Generikahersteller als auch eine entsprechende Beschränkung der Anstrengungen dieses Herstellers enthält, mit dem Hersteller des Originalpräparats in Wettbewerb zu treten. Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, ist die Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung wegen des Grades der Schädlichkeit dieser Vereinbarung für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs geboten.

273

Somit erlaubt im Fall einer Patentvergleichsvereinbarung, die Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln enthält, deren per se wettbewerbsbeschränkender Charakter (siehe oben, Rn. 257) nicht stichhaltig in Frage gestellt worden ist, das Bestehen eines Anreizes für den Generikahersteller, sich diesen Klauseln zu unterwerfen, die Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung, und zwar auch dann, wenn ein echter Rechtsstreit besteht, wenn die Vergleichsvereinbarung Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln enthält, deren Reichweite nicht über die des streitigen Patents hinausgeht, und wenn dieses Patent in Anbetracht insbesondere der Entscheidungen der zuständigen Verwaltungsbehörden oder Gerichte von den Parteien der Vereinbarung bei deren Abschluss zu Recht als gültig angesehen werden könnte.

274

In dem angefochtenen Beschluss hat die Kommission zu Recht geprüft, ob die in Rede stehenden Vereinbarungen eine Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller umfassten, die einen „signifikanten“, d. h. geeigneten, Anreiz darstellte, Letzteren dazu zu veranlassen, sich Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu unterwerfen, um daraus angesichts eines solchen Anreizes zu folgern, dass eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung vorlag.

275

Indem die Kommission so auf das Kriterium des Anreizes abgestellt hat, um zwischen Vergleichsvereinbarungen, die eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellen, und solchen, bei denen das nicht der Fall ist, zu unterscheiden – im Folgenden als Kriterium des „Anreizes“ oder des „als Anreiz wirkenden Vorteils“ bezeichnet –, hat sie nach alledem ihren Beschluss nicht mit einem Rechtsfehler belastet.

276

Ein solcher Rechtsfehler lässt sich auch nicht aus einer vermeintlichen Nichtberücksichtigung des Zusammenhangs, in dem die streitigen Vereinbarungen stehen, ableiten (vgl. zum Begriff des Zusammenhangs Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 53), denn aus den vorstehenden Ausführungen geht auch hervor, dass das Kriterium des Anreizes auf einer Analyse des Inhalts der streitigen Vereinbarungen anhand nicht nur ihres erklärten Gegenstands – der gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten –, sondern auch ihres spezifischen Kontexts beruht, der dadurch gekennzeichnet ist, dass im Arzneimittelsektor ausschließliche Rechte einräumende Patente bestehen, die als gültig vermutet werden und deren Innehabung normalerweise zur Folge hat, dass die Wettbewerber ferngehalten werden (siehe oben, Rn. 234). Der Kontext, in dem die streitigen Vereinbarungen geschlossen wurden, ist im vorliegenden Fall umso mehr berücksichtigt worden, als die Kommission für jede dieser Vereinbarungen dargetan hat, dass der betreffende Generikahersteller ein potenzieller Wettbewerber von Servier war, d. h., dass es ihm tatsächlich und konkret möglich war, in den Markt einzutreten (siehe unten, Rn. 317 ff.). Um die Antwort auf den Klagegrund zu vervollständigen, die Kommission habe rechtsfehlerhaft auf das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung erkannt, und um sodann prüfen zu können, ob der Kommission für jede Vereinbarung ein Beurteilungsfehler unterlaufen ist, muss noch geklärt werden, unter welchen Voraussetzungen das Bestehen eines Anreizes festgestellt werden kann.

5) Zum Anreiz

277

Für die Feststellung, ob eine umgekehrte Zahlung, d. h. eine Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller, einen Anreiz dazu darstellt, Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu akzeptieren, ist unter Berücksichtigung ihrer Natur und ihrer Rechtfertigung zu prüfen, ob die umgekehrte Zahlung dem Vergleich inhärente Kosten (im Folgenden: vergleichsinhärente Kosten) deckt. Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission daher zu Recht geprüft, ob die Wertübertragung den vom Generikahersteller getragenen spezifischen Kosten des Vergleichs entsprach (Rn. 1333 ff., 1461 ff., 1592 ff. und 1969 ff. des angefochtenen Beschlusses).

278

Wenn durch die umgekehrte Zahlung, die in einer Vergleichsvereinbarung mit wettbewerbsbeschränkenden Klauseln vorgesehen ist, die vergleichsinhärenten Kosten des Generikaherstellers ausgeglichen werden sollen, so kann diese Zahlung grundsätzlich nicht als Anreiz angesehen werden. Dass diese Kosten durch den Vergleich bedingt sind, bedeutet, dass sie als solche auf der Anerkennung der Gültigkeit der streitigen Patente beruhen, die mit diesem Vergleich festgeschrieben werden soll, indem der Streit über diese Gültigkeit und die mögliche Verletzung dieser Patente beendet wird. Daher kann nicht gesagt werden, dass eine solche umgekehrte Zahlung Verdacht hinsichtlich der Frage erregt, ob der Vergleich auf der Anerkennung der Gültigkeit des in Rede stehenden Patents durch die Parteien der Vereinbarung beruht (siehe oben, Rn. 264 und 265). Die Feststellung des Bestehens eines Anreizes und einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung ist in diesem Fall gleichwohl nicht ausgeschlossen. Sie setzt aber den Nachweis durch die Kommission voraus, dass die Beträge, die diesen vergleichsinhärenten Kosten entsprechen, auch wenn sie von den Parteien dieses Vergleichs belegt und genau beziffert sind, übermäßig sind (vgl. in diesem Sinne Rn. 1338, 1465, 1600 und 1973 des angefochtenen Beschlusses). Ein solches Missverhältnis würde dazu führen, dass die betreffenden Kosten nicht mehr als vergleichsinhärent anzusehen wären und dass aus der Erstattung dieser Kosten nicht gefolgert werden könnte, dass die fragliche Vergleichsvereinbarung auf der Anerkennung der Gültigkeit der streitigen Patente beruht.

279

Wie die Klägerinnen und die Kommission in der Sitzung eingeräumt haben, decken die vergleichsinhärenten Kosten u. a. die Kosten, die der Generikahersteller in dem von ihm mit dem Hersteller des Originalpräparats geführten Rechtsstreit zu tragen hat. Diese Kosten sind nämlich nur für die Zwecke der Auseinandersetzungen über die Gültigkeit oder die Verletzung der in Rede stehenden Patente angefallen, die mit dem Vergleich gerade durch die einvernehmliche Anerkennung der Gültigkeit der Patente beendet werden sollten. Ihre Übernahme steht daher in direktem Zusammenhang mit einem solchen Vergleich. Wenn die Beträge der Rechtsverfolgungskosten des Generikaherstellers von den Parteien des Vergleichs nachgewiesen sind, kann folglich die Kommission ihren Anreizcharakter nur feststellen, indem sie dartut, dass sie unverhältnismäßig sind. In dieser Hinsicht sind als unverhältnismäßig Beträge anzusehen, die Rechtsverfolgungskosten entsprechen, für die nicht auf der Grundlage genauer und detaillierter Unterlagen nachgewiesen ist, dass sie für die Führung des streitigen Verfahrens in Anbetracht namentlich der rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeit der behandelten Fragen und des wirtschaftlichen Interesses, das der Generikahersteller an dem Rechtsstreit hat, objektiv unerlässlich sind.

280

Dagegen liegen bestimmte Kosten des Generikaherstellers a priori zu weit außerhalb des Rechtsstreits und seiner Beilegung, als dass sie als dem Vergleich in einem Patentrechtsstreit inhärent angesehen werden könnten. Es handelt sich z. B. um die Kosten der Herstellung der rechtsverletzenden Erzeugnisse, die dem Lagerwert dieser Erzeugnisse entsprechen, sowie die für die Bereitstellung dieses Erzeugnisses angefallenen Forschungs- und Entwicklungskosten. Solche Kosten und Aufwendungen fallen nämlich a priori unabhängig von der Entstehung von Rechtsstreitigkeiten und ihrer Beilegung an und schlagen sich nicht in Verlusten aufgrund dieser Beilegung nieder, was sich insbesondere daran zeigt, dass die betreffenden Erzeugnisse oft trotz des mit der Vergleichsvereinbarung erfolgten Vermarktungsverbots auf nicht von dieser Vereinbarung erfassten Märkten verkauft werden und die entsprechenden Forschungen für die Entwicklung anderer Erzeugnisse genutzt werden können. Gleiches gilt für Beträge, die der Generikahersteller wegen außerhalb des Rechtsstreits eingegangener vertraglicher Verpflichtungen (z. B. aus Lieferverträgen) an Dritte zahlen muss. Solche Aufwendungen zur Auflösung von Verträgen mit Dritten oder zu deren Entschädigung sind im Allgemeinen in den betreffenden Verträgen zwingend vorgesehen oder stehen in direktem Zusammenhang mit diesen Verträgen, die der Generikahersteller überdies unabhängig von jedem Rechtsstreit mit dem Hersteller des Originalpräparats oder von seiner Beilegung geschlossen hat. Wenn die Parteien der Vereinbarung wollen, dass die Zahlung dieser Kosten nicht als Anreiz und als Indiz für das Bestehen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung eingestuft wird, ist es ihre Sache, darzutun, dass diese Kosten dem Rechtsstreit oder seiner Beilegung inhärent sind, und sodann ihre Höhe zu rechtfertigen. Sie könnten sich hierfür auch darauf berufen, dass der Betrag zur Erstattung dieser a priori nicht der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits inhärenten Kosten unbedeutend sei und daher nicht ausreiche, um einen signifikanten Anreiz dazu darzustellen, die in der Vergleichsvereinbarung vorgesehenen Wettbewerbsverbote zu akzeptieren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 360).

281

Zum Abschluss der Prüfung, ob die Kommission rechtsfehlerhaft das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung festgestellt hat, sind noch drei von den Klägerinnen und der Streithelferin angeführte Nebenargumente zu untersuchen, mit denen die Anwendbarkeit der Theorie der Nebenabreden auf die in Rede stehenden Vereinbarungen, die Auswirkungen des amerikanischen Rechts auf die Entscheidung des Rechtsstreits und die ambivalenten Wirkungen von Patentvergleichsvereinbarungen geltend gemacht werden.

6) Zur Anwendbarkeit der Theorie der Nebenabreden auf Vergleichsvereinbarungen

282

Die Klägerinnen und die Streithelferin machen geltend, wegen des rechtmäßigen Ziels der Vergleichsvereinbarungen in Patentrechtsstreitigkeiten hätte die Kommission das Kriterium der objektiven Notwendigkeit anwenden müssen, das es erlaube, Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht auf eine Vereinbarung anzuwenden, wenn diese einem rechtmäßigen Ziel diene und die mit ihr eingeführten Wettbewerbsbeschränkungen objektiv notwendig und verhältnismäßig seien.

283

Vorab ist festzustellen, dass die Klägerinnen sich während des Verwaltungsverfahrens nicht auf die Anwendung der Theorie der Nebenabreden berufen haben und dass diese Theorie in dem angefochtenen Beschluss nicht erwähnt wird.

284

Nach der Rechtsprechung fällt, wenn eine bestimmte Maßnahme oder Tätigkeit wegen ihrer Neutralität für oder ihrer positiven Wirkung auf den Wettbewerb nicht vom grundsätzlichen Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV erfasst wird, auch eine Beschränkung der kaufmännischen Selbständigkeit eines oder mehrerer an dieser Maßnahme oder Tätigkeit Beteiligten nicht unter dieses grundsätzliche Verbot, wenn sie für die Durchführung dieser Maßnahme oder Tätigkeit objektiv notwendig ist und zu den Zielen der einen oder der anderen in einem angemessenen Verhältnis steht (vgl. Urteil vom 11. September 2014, MasterCard u. a./Kommission, C‑382/12 P, EU:C:2014:2201, Rn. 89 und die dort angeführte Rechtsprechung). Wenn nämlich eine solche Beschränkung nicht von der Hauptmaßnahme oder Haupttätigkeit unterschieden werden kann, ohne deren Bestehen oder Ziele zu gefährden, muss die Vereinbarkeit dieser Beschränkung mit Art. 101 AEUV zusammen mit der Vereinbarkeit der Hauptmaßnahme oder Haupttätigkeit, zu der sie eine Nebenabrede bildet, untersucht werden, und dies auch dann, wenn die Beschränkung als solche auf den ersten Blick unter das grundsätzliche Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV zu fallen scheint (Urteil vom 11. September 2014, MasterCard u. a./Kommission, C‑382/12 P, EU:C:2014:2201, Rn. 90).

285

Die Kommission macht geltend, die Voraussetzung für die Anwendung des Kriteriums der objektiven Notwendigkeit sei nicht erfüllt, da ein Vergleich in einem Patentrechtsstreit grundsätzlich nicht als Maßnahme eingestuft werden könne, die wegen ihrer wettbewerblichen Neutralität oder ihrer positiven Wirkung auf den Wettbewerb nicht wettbewerbswidrig sei. Nach ständiger Rechtsprechung stellt zwar der Vergleich in einem Rechtsstreit die Parteien nicht von der Anwendung des Wettbewerbsrechts frei, da Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht zwischen Vereinbarungen, mit denen ein Rechtsstreit beendet werden soll, und solchen unterscheidet, mit denen andere Ziele verfolgt werden (siehe oben, Rn. 253). Wie jedoch die Klägerinnen und die Streithelferin zu Recht ausführen, schließt die Rechtsprechung nicht aus, dass ein Vergleich in einem Rechtsstreit wegen seiner wettbewerblichen Neutralität oder seiner positiven Wirkung auf den Wettbewerb nicht unter das grundsätzliche Verbot nach Art. 101 Abs. 1 AEUV fällt. Die Anwendung des Kriteriums der objektiven Notwendigkeit in einem gegebenen Fall setzt nämlich voraus, dass die Hauptmaßnahme oder die Haupttätigkeit wegen ihrer wettbewerblichen Neutralität oder positiven Wirkung auf den Wettbewerb nicht wettbewerbswidrig ist, verlangt aber nicht, dass die Hauptmaßnahme oder die Haupttätigkeit ihrer Natur nach und unabhängig von den Umständen des Einzelfalls nicht wettbewerbswidrig ist. Nach der Rechtsprechung kann im Übrigen die Prüfung der Hauptmaßnahme oder der Haupttätigkeit nicht abstrakt, sondern nur aufgrund der im Einzelfall bestehenden Nebenklauseln oder ‑abreden erfolgen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. Januar 1986, Pronuptia de Paris, 161/84, EU:C:1986:41, Rn. 14, vom 15. Dezember 1994, DLG, C‑250/92, EU:C:1994:413, Rn. 31, und vom 12. Dezember 1995, Oude Luttikhuis u. a., C‑399/93, EU:C:1995:434, Rn. 12 bis 14). Zudem wird die gütliche Beilegung von Rechtsstreitigkeiten in zahlreichen unionsrechtlichen Bestimmungen befürwortet (siehe oben, Rn. 247 bis 250).

286

Die Kommission kann sich nicht auf das Urteil vom 27. September 1988, Bayer und Maschinenfabrik Hennecke (65/86, EU:C:1988:448), berufen, um grundsätzlich jede Möglichkeit der Anwendung der Theorie der Nebenabreden auf die gütliche Beilegung von Rechtsstreitigkeiten auszuschließen. In diesem Urteil ist der Gerichtshof zwar dem Vorbringen der Kommission, dass eine in einem Lizenzvertrag enthaltene Nichtangriffsabrede als mit Art. 101 Abs. 1 AEUV vereinbar anzusehen sei, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt seien, nicht gefolgt und hat ausgeführt, dass Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht zwischen Vereinbarungen, die zur Beendigung eines Rechtsstreits geschlossen werden, und solchen, mit denen andere Zwecke verfolgt werden, differenziert; er hat indes nicht ausgeschlossen, dass eine Vereinbarung über die gütliche Beilegung eines Rechtsstreits, die Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln enthält, aufgrund ihres rechtlichen und wirtschaftlichen Kontexts keinen wettbewerbsbeschränkenden Charakter haben kann (Urteil vom 27. September 1988, Bayer und Maschinenfabrik Hennecke, 65/86, EU:C:1988:448, Rn. 21). Dieses Urteil ist zudem nicht im Kontext eines Vergleichs in einem Rechtsstreit, sondern in dem eines Lizenzvertrags ergangen.

287

Auch wenn ein Vergleich in einem Patentrechtsstreit, der eine neutrale oder positive Wirkung auf den Wettbewerb hat, nicht grundsätzlich vom Anwendungsbereich der Theorie der Nebenabreden ausgeschlossen werden kann, ist doch die Reichweite der wettbewerbsbeschränkenden Nebenabrede in zweifacher Hinsicht zu prüfen. Zum einen ist zu untersuchen, ob die Einschränkung für die Durchführung der Hauptmaßnahme objektiv notwendig ist, und zum anderen, ob sie im rechten Verhältnis zu ihr steht (Urteile vom 18. September 2001, M6 u. a./Kommission, T‑112/99, EU:T:2001:215, Rn. 106, und vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 64).

288

Was die erste Voraussetzung angeht, ist nach der Rechtsprechung zu ermitteln, ob die Durchführung dieser Maßnahme oder dieser Tätigkeit ohne die fragliche Beschränkung unmöglich wäre. Daher verleiht der Umstand, dass die Maßnahme ohne die Beschränkung nur schwerer durchführbar oder weniger rentabel wäre, dieser Beschränkung nicht den für ihre Qualifizierung als Nebenabrede erforderlichen Charakter einer objektiv notwendigen Beschränkung. Eine solche Auslegung würde nämlich darauf hinauslaufen, diesen Begriff auf Beschränkungen auszudehnen, die für die Durchführung der Hauptmaßnahme nicht strikt unerlässlich sind. Dieses Ergebnis würde die praktische Wirksamkeit des in Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgesprochenen Verbots beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2014, MasterCard u. a./Kommission, C‑382/12 P, EU:C:2014:2201, Rn. 91).

289

Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln sind nur bestimmten Vergleichen inhärent, und zwar denen, die auf der Anerkennung der Gültigkeit des oder der in Rede stehenden Patente beruhen (siehe oben, Rn. 259). Solche Klauseln spiegeln die Anerkennung der Gültigkeit des betreffenden Patents durch jede Partei wider, und ihre Reichweite ist auf die des Patents begrenzt, so dass sie die erste Voraussetzung für die von der Theorie der Nebenabreden vorgesehene Abweichung erfüllen können.

290

Was die zweite Voraussetzung angeht, ist darauf hinzuweisen, dass, wenn eine Wettbewerbsbeschränkung zur Durchführung einer Hauptmaßnahme oder einer Haupttätigkeit objektiv erforderlich ist, noch geprüft werden muss, ob ihre Dauer und ihr materieller, zeitlicher und räumlicher Geltungsbereich nicht über das hinausgehen, was zur Durchführung dieser Maßnahme oder Tätigkeit erforderlich ist. Geht die Dauer oder der Geltungsbereich der beschränkenden Abrede über das für die Verwirklichung der Maßnahme Notwendige hinaus, so ist sie getrennt im Rahmen von Art. 101 Abs. 3 AEUV zu prüfen (Urteil vom 18. September 2001, M6 u. a./Kommission, T‑112/99, EU:T:2001:215, Rn. 113). Folglich könnte auf eine Vergleichsvereinbarung, deren Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln nicht über die Laufzeit und den Geltungsbereich des Patents hinausgehen, dessen Gültigkeit mit ihr anerkannt wird, die Theorie der Nebenabreden Anwendung finden.

291

Im vorliegenden Fall hat die Kommission jedoch zu Recht nicht geprüft, ob die Theorie der Nebenabreden anzuwenden war, da sie der Ansicht war, dass die Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln nicht auf einer Anerkennung der Gültigkeit des Patents beruhten, sondern auf einer Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller, die einen Anreiz für dieses Unternehmen darstellte, keinen Wettbewerbsdruck auf den Inhaber des Patents auszuüben. In diesem Fall stellt die Vergleichsvereinbarung eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung dar, die nicht als Maßnahme angesehen werden kann, die wegen ihrer wettbewerblichen Neutralität oder ihrer positiven Wirkung auf den Wettbewerb nicht wettbewerbswidrig ist. Zudem können Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln nur notwendige Nebenabreden einer Vergleichsvereinbarung sein, die auf der Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch die Parteien dieser Vereinbarung beruht (siehe oben, Rn. 289). Bei Bestehen eines Anreizes beruht aber der Vergleich nicht auf einer solchen Anerkennung. Die Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln können dann nicht als für einen solchen Vergleich notwendig angesehen werden.

7) Zur Abstimmung zwischen Patentvergleichsvereinbarungen und amerikanischem Wettbewerbsrecht

292

Die Klägerinnen berufen sich auf das Urteil Actavis und machen geltend, der Supreme Court of the United States (Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten) habe die im vorliegenden Fall von der Kommission vertretene Ansicht verworfen. Die Kommission, die dieses Urteil in dem angefochtenen Beschluss angeführt hat (Rn. 1199), macht jedoch geltend, sie habe dieselbe Auffassung vertreten wie der Supreme Court of the United States (Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten), indem sie befunden habe, dass es keine Vermutung der Rechtswidrigkeit von Vergleichsvereinbarungen gebe, die eine Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller umfassten.

293

Das Urteil Actavis betrifft Vergleichsvereinbarungen im Arzneimittelsektor, in dem sich Generikahersteller verpflichtet hatten, bis zu einem vor dem Ablaufdatum des Patents des Herstellers des Originalpräparats liegenden Zeitpunkt (65 Monate vor dem Ablauf des Patents für Actavis) nicht in den Markt einzutreten und das betreffende Arzneimittel gegen erhebliche Zahlungen bei den Ärzten zu fördern (für Actavis jährliche Zahlungen von 19 bis 30 Mio. USD während neun Jahren).

294

Nach ständiger Rechtsprechung können nationale Praktiken, selbst wenn sie allen Mitgliedstaaten gemeinsam wären, der Anwendung der Wettbewerbsregeln des Vertrags nicht vorgehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Januar 1984, VBVB und VBBB/Kommission, 43/82 und 63/82, EU:C:1984:9, Rn. 40), was umso mehr gilt, wenn es sich um nationale Praktiken von Drittstaaten handelt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Februar 2002, Compagnie générale maritime u. a./Kommission, T‑86/95, EU:T:2002:50, Rn. 341 und die dort angeführte Rechtsprechung). Hinsichtlich der Unterscheidung zwischen bezweckten und bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen unterscheidet sich das Wettbewerbsrecht der Union vom amerikanischen Antitrustrecht, das Wettbewerbsbeschränkungen per se, die auf Fälle beschränkt sind, in denen die wettbewerbswidrigen Wirkungen so offenkundig sind, dass sie nur eine rasche und nicht vertiefte Prüfung (quick look approach) ohne Berücksichtigung des Kontexts erfordern, und die zwingend und unheilbar verboten sind, von Verstößen unterscheidet, die nach einer „rule of reason“ nachzuweisen sind, d. h. aufgrund einer Abwägung der wettbewerbsfördernden und der wettbewerbswidrigen Wirkungen der Vereinbarung. Zum einen gilt aber nach dem Unionsrecht keine Wettbewerbsbeschränkung als zwingend und unheilbar rechtswidrig, denn eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung kann grundsätzlich unter die Ausnahmen nach Art. 101 Abs. 3 AEUV fallen. Zum anderen gibt es nach der Rechtsprechung im Wettbewerbsrecht der Union keine „rule of reason“ (Urteil vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 65; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 23. Oktober 2003, Van den Bergh Foods/Kommission, T‑65/98, EU:T:2003:281, Rn. 106). Zudem machen es die Unterschiede zwischen dem in den Vereinigten Staaten und dem in der Union bestehenden rechtlichen Rahmen noch schwieriger, das Urteil Actavis im vorliegenden Rechtsstreit entsprechend heranzuziehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 513).

295

Folglich ist das auf eine Verkennung der Position des Supreme Court of the United States (Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten) gestützte Vorbringen der Klägerinnen als ins Leere gehend zurückzuweisen.

8) Zu den ihrer Natur nach ambivalenten Wirkungen von Vergleichsvereinbarungen

296

Nach Ansicht der Klägerinnen sind die Wirkungen von Vergleichsvereinbarungen ihrer Natur nach ambivalent und können deshalb nicht als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden.

297

Sie machen als Erstes geltend, solche Vereinbarungen hätten im Fall paralleler Rechtsstreitigkeiten ambivalente potenzielle Auswirkungen auf die Anfechtung von Patenten, denn in den Verfahren vor dem EPA verhindere die Rücknahme eines Einspruchs durch eine Partei nicht die Fortsetzung des Verfahrens, da deren Argumente von der Einspruchsabteilung oder der Beschwerdekammer von Amts wegen aufgegriffen werden könnten. Zudem sei in dem angefochtenen Beschluss nicht berücksichtigt worden, dass die Vergleichsvereinbarungen nur ambivalente Wirkungen auf künftige Rechtsstreitigkeiten hätten, da es den Generikaherstellern freistehe, kostspielige Gerichtsverfahren einzuleiten oder nicht, und da sich diese jedenfalls in manchen Mitgliedstaaten als nutzlos erweisen könnten, wenn ein Verfahren beim EPA anhängig sei.

298

Als Zweites meinen die Klägerinnen, die potenziellen Auswirkungen dieser Vereinbarungen auf den Markteintritt der Generika seien je nach den Bestimmungen der Vereinbarungen und dem Kontext ihres Abschlusses ebenfalls ambivalent. So müssten das Bestehen des Rechtsstreits und die Erfolgsaussichten der Parteien, das Bestehen anderer Rechtsstreitigkeiten und die Möglichkeit der Entwicklung alternativer Formen des Erzeugnisses berücksichtigt werden. Zudem könnten diese Vereinbarungen einen schnelleren Markteintritt der Generika ermöglichen. Schließlich müsse die Kommission die Fähigkeit und die Absicht der Generikahersteller berücksichtigen, einen Risikomarkteintritt zu vollziehen.

299

Als Drittes führen die Klägerinnen aus, die Kommission könne Patentvergleichsvereinbarungen nicht ahnden, ohne deren konkrete Auswirkungen auf den Markt zu beurteilen, wie es der Supreme Court of the United States (Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten) im Urteil Actavis getan habe.

300

Nach Ansicht der Kommission geht dieses Argument ins Leere, da für die Frage, ob eine Vereinbarung eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstelle, nicht deren Auswirkungen zu berücksichtigen seien und eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung sogar in bestimmten Fällen wegen später eintretender Umstände keinerlei Auswirkung haben könne. Zur Prüfung des Vorliegens einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung brauche daher nicht dargetan zu werden, welche kontrafaktischen Situationen sich ohne die Vereinbarungen ergeben könnten.

301

Hilfsweise führt die Kommission zu den Auswirkungen der Patentvergleichsvereinbarungen auf die Anfechtung der Patente aus, dass sich die Klägerinnen im vorliegenden Fall bemüht hätten, Vereinbarungen mit allen ihren potenziellen Wettbewerbern zu schließen, und dass nur zwei der fünf von ihnen geschlossenen Vereinbarungen einen Markteintritt der Generikahersteller im Fall der Nichtigerklärung des streitigen Patents erlaubt hätten.

302

Zudem habe die Kommission in dem angefochtenen Beschluss die Fähigkeit und die Absicht der Generikahersteller berücksichtigt, einen Risikomarkteintritt zu vollziehen.

303

Schließlich stehe der angefochtene Beschluss nicht im Widerspruch zu der vom Supreme Court of the United States (Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten) im Urteil Actavis eingenommenen Haltung, berücksichtige man die Unterschiede zwischen dem europäischen Begriff der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung und dem amerikanischen Begriff der Wettbewerbsbeschränkung per se. In der Rechtsprechung der Union sei auch die Geltung einer „rule of reason“ nicht anerkannt, vielmehr seien die Vorteile einer Vereinbarung für den Wettbewerb im Rahmen von Art. 101 Abs. 3 AEUV zu prüfen.

304

Den Klägerinnen folgend ist festzustellen, dass die Kommission und der Richter bei der Prüfung des wettbewerbsbeschränkenden Zwecks einer Vereinbarung und insbesondere im Rahmen der Berücksichtigung ihres wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts die potenziellen Wirkungen dieser Vereinbarung nicht völlig außer Betracht lassen dürfen (Schlussanträge von Generalanwalt Wahl in der Rechtssache ING Pensii, C‑172/14, EU:C:2015:272, Nr. 84). Ihrem Zweck nach wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen sind nämlich solche, die den Wettbewerb hinreichend beeinträchtigen, weil sie derart negative wettbewerbswidrige Auswirkungen haben können, dass der Nachweis konkreter Auswirkungen auf den Markt als überflüssig erachtet werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 49 und 51 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Folglich können Vereinbarungen, die angesichts ihres Kontexts ambivalente potenzielle Auswirkungen auf den Markt haben, nicht als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen angesehen werden (Schlussanträge von Generalanwalt Wahl in der Rechtssache CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:1958, Nr. 56).

305

Da die Klägerinnen jedoch im vorliegenden Fall ihr Vorbringen zu den ambivalenten potenziellen Wirkungen der streitigen Vereinbarungen im Wesentlichen auf Argumente im Zusammenhang mit den einzelnen Vereinbarungen und ihrem Kontext stützen, ist auf dieses Vorbringen im Rahmen der Behandlung der Rügen einzugehen, die gegen die Einstufung jeder einzelnen Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung gerichtet sind, zumal das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung für jede Vereinbarung als Ganzes zu beurteilen ist, ohne dass die Prüfung des wettbewerbsbeschränkenden Charakters der Nichtangriffs- von der der Vermarktungsverbotsklauseln zu trennen ist.

306

Daher wird bei der Behandlung der Klagegründe, die gegen die Beurteilung jeder einzelnen der streitigen Vereinbarungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung gerichtet sind, die Frage geprüft werden, ob die Kommission trotz der behaupteten potenziellen wettbewerbsfördernden Wirkungen, die sich namentlich aus dem Kontext des Abschlusses dieser Vereinbarungen ergeben sollen, zutreffend das Vorliegen einer solchen Wettbewerbsbeschränkung angenommen hat, wobei nur diejenigen Wirkungen Berücksichtigung finden werden, die sich im Rahmen der Prüfung der bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen bewegen (siehe unten, Rn. 525, 644 und 989).

307

Darüber hinaus können sich die Klägerinnen, wie aus den Rn. 293 bis 295 des vorliegenden Urteils hervorgeht, nicht mit Erfolg auf das Urteil Actavis berufen.

b)   Zu den von der Kommission herangezogenen Kriterien für die Einstufung der Vergleichsvereinbarungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung

308

Im Licht der vorstehenden Erwägungen ist das Vorbringen der Klägerinnen zu prüfen, das sich speziell auf jedes der drei Hauptkriterien bezieht, die die Kommission für die Einstufung der in Rede stehenden Vergleichsvereinbarungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen herangezogen hat; dies sind erstens die Eigenschaft der Generikahersteller als potenzielle Wettbewerber, zweitens die Verpflichtung dieser Unternehmen, ihre Bemühungen um einen Markteintritt mit einem Generikum zu begrenzen, und drittens eine Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller, die einen signifikanten Anreiz für Letzteren darstellt, seine Markteintrittsbemühungen zu begrenzen (Rn. 1154 des angefochtenen Beschlusses).

1) Zum Kriterium des potenziellen Wettbewerbs

i) Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

ii) Würdigung durch das Gericht

316

Die Klägerinnen werfen der Kommission im Wesentlichen vor, rechtsfehlerhaft irrige Kriterien herangezogen zu haben, um die Generikahersteller, die die streitigen Vereinbarungen mit ihnen geschlossen hätten, als potenzielle Wettbewerber einzustufen. Sie rügen zudem die Beurteilung der sich aus ihren Patenten ergebenden Hindernisse für das Vorliegen dieses potenziellen Wettbewerbs durch die Kommission.

– Zu den Kriterien für die Beurteilung des potenziellen Wettbewerbs

Zur Definition des Begriffs des potenziellen Wettbewerbers

317

Die Klägerinnen rügen, die Kommission habe sich für die Feststellung des Bestehens von potenziellem Wettbewerb zwischen den Parteien der streitigen Vereinbarungen mit der Prüfung begnügt, ob unüberwindliche Hindernisse für den Markteintritt der Generikahersteller bestanden hätten, und habe nicht geprüft, ob diese Unternehmen tatsächliche und konkrete Markteintrittsmöglichkeiten gehabt hätten (siehe oben, Rn. 309).

318

Nach der von den Klägerinnen angeführten Rechtsprechung ist ein Unternehmen ein potenzieller Wettbewerber, wenn tatsächliche und konkrete Möglichkeiten bestehen, dass es in den genannten Markt eintreten und den dort etablierten Unternehmen Konkurrenz machen kann. Um dies darzutun, genügt keine bloße Annahme, sondern es müssen dafür tatsächliche Gegebenheiten oder eine Untersuchung der Strukturen des relevanten Marktes angeführt werden. So kann ein Unternehmen nicht als potenzieller Wettbewerber eingestuft werden, wenn sein Markteintritt nicht mit einer lebensfähigen wirtschaftlichen Strategie einhergeht (Urteil vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 86; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission, T‑461/07, EU:T:2011:181, Rn. 166 und 167 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass zwar die Markterschließungsabsicht eines Unternehmens für die Prüfung, ob es als potenzieller Wettbewerber auf dem betreffenden Markt angesehen werden kann, gegebenenfalls von Bedeutung ist, dass aber der wesentliche Gesichtspunkt, auf dem eine solche Einstufung beruhen muss, in der Markterschließungsfähigkeit des Unternehmens besteht (Urteil vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission, T‑461/07, EU:T:2011:181, Rn. 168, und vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 87).

319

In anderen Zusammenhängen ist zudem entschieden worden, dass ein Unternehmen ein potenzieller Wettbewerber ist, wenn für seinen Markteintritt kein unüberwindliches Hindernis besteht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Mai 2014, Toshiba/Kommission, T‑519/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:263, Rn. 230, bestätigt durch Urteil vom 20. Januar 2016, Toshiba Corporation/Kommission, C‑373/14 P, EU:C:2016:26, Rn. 28, 29, 32 und 34, und vom 28. Juni 2016, Portugal Telecom/Kommission, T‑208/13, EU:T:2016:368, Rn. 181).

320

Somit ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass je nach dem Kontext und dem in Rede stehenden rechtswidrigen Verhalten die Schwelle für das Bestehen von potenziellem Wettbewerb unterschiedlich hoch sein kann. Werden nur die unüberwindlichen Hindernisse für den Markteintritt geprüft, genügt jede auch nur theoretische Möglichkeit des Markteintritts für den Nachweis des Bestehens von potenziellem Wettbewerb, während die Prüfung der tatsächlichen und konkreten Eintrittsmöglichkeiten dazu führt, das Bestehen von potenziellem Wettbewerb nur im Fall realistischer Eintrittsmöglichkeiten anzuerkennen, die sich ohne beschränkende Maßnahme hätten verwirklichen können.

321

Gleichwohl stellt die Untersuchung, ob bestimmte Hindernisse für den Markteintritt, die im vorliegenden Fall vor allem in den Patenten und in der Notwendigkeit der Erlangung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen bestehen, unüberwindlich sind, weder die Prüfung der tatsächlichen und konkreten Eintrittsmöglichkeiten der Generikahersteller in Frage, die auf der Prüfung ihrer Eintrittsfähigkeit und ‑absicht beruht, noch steht sie zu dieser Prüfung im Widerspruch. Wie die Kommission im angefochtenen Beschluss (Fn. 1666) und in der Sitzung zutreffend ausgeführt hat, diente die Untersuchung, ob unüberwindliche Hindernisse fehlen, „der Feststellung, ob es trotz der allgemeinen Fähigkeit der Generikahersteller und ihrer nachgewiesenen Absicht, in den Markt einzutreten, objektive Gründe gab, die deren Markteintritt unmöglich machten“, und damit der Vervollständigung der auf dem Kriterium der tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten beruhenden Analyse. Bei Bestehen unüberwindlicher Hindernisse für den Eintritt in einen Markt kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass ein Wirtschaftsteilnehmer tatsächliche und konkrete Eintrittsmöglichkeiten hat. Wenn also ein Markt durch Eintrittshindernisse gekennzeichnet ist, vervollständigt die objektive Prüfung, ob diese unüberwindlich sind, in sachdienlicher Weise die Prüfung der tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten, die auf den individuellen Kriterien der Eintrittsfähigkeit und ‑absicht des betreffenden Unternehmens beruht.

322

Entgegen der Ansicht der Klägerinnen lässt sich demnach aus der mehrfachen Bezugnahme auf das Kriterium der unüberwindlichen Hindernisse in dem angefochtenen Beschluss (vgl. u. a. Rn. 1125 und 1181) nicht ableiten, dass die Kommission eine nur auf dieses Kriterium gestützte Definition des potenziellen Wettbewerbs herangezogen hat.

323

Dies gilt umso mehr, als die Kommission neben dem Urteil vom 21. Mai 2014, Toshiba/Kommission (T‑519/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:263), in dem das Kriterium der unüberwindlichen Hindernisse angewandt worden ist (siehe oben, Rn. 319), die Urteile vom 15. September 1998, European Night Services u. a./Kommission (T‑374/94, T‑375/94, T‑384/94 und T‑388/94, EU:T:1998:198), und vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission (T‑461/07, EU:T:2011:181), in denen das Kriterium der tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten herangezogen worden ist, angeführt und überdies in der Einleitung zu ihrer Darstellung der Regeln zur Bestimmung der potenziellen Wettbewerber (vgl. Rn. 1156 und 1157 des angefochtenen Beschlusses) erwähnt hat sowie einige weitere Urteile, in denen diese Definition des potenziellen Wettbewerbs herangezogen worden ist, darunter das Urteil vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission (T‑360/09, EU:T:2012:332) (siehe oben, Rn. 318). Sie hat zudem klar dargelegt, dass die Fähigkeit zum Eintritt in einen Markt, die für das Kriterium der tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten kennzeichnend ist (siehe oben, Rn. 318), „der ausschlaggebende Aspekt für den Nachweis des potenziellen Wettbewerbs [bleibt]“ (Rn. 1163 des angefochtenen Beschlusses). Vor allem aber hat die Kommission schließlich im Rahmen ihrer Prüfung, ob jeder der in Rede stehenden Generikahersteller ein potenzieller Wettbewerber war, aus verschiedenen konkreten und individuellen Daten jedes einzelnen Herstellers betreffend seine Produktionskapazitäten, seine Lagerbestände, seine Handelsverträge, seine Schritte zur Erlangung der Genehmigung für das Inverkehrbringen und seiner Klagen gegen Servier abgeleitet, dass alle tatsächliche und konkrete Markteintrittsmöglichkeiten hatten (siehe unten, Rn. 432 bis 438, 579 bis 585 und 718 bis 722). Eine solche eingehende Analyse anhand der individuellen Daten jedes vermeintlichen potenziellen Wettbewerbers ist kennzeichnend für die Prüfung seiner tatsächlichen und konkreten Markteintrittsmöglichkeiten und unterscheidet sich von der auf unüberwindliche Hindernisse für den Eintritt in einen bestimmten Markt beschränkten Prüfung, die zur Feststellung von potenziellem Wettbewerb allein deshalb führen kann, weil irgendein Wirtschaftsteilnehmer in den betreffenden Markt eingetreten ist.

324

Diese Feststellungen werden nicht durch das Vorbringen der Klägerinnen in Frage gestellt, die Kommission habe sich im Wesentlichen auf die Absicht der Generikahersteller, in den Markt einzutreten, und auf eine Anhäufung nicht realistischer Hypothesen gestützt (siehe oben, Rn. 309), da aus der Erwiderung hervorgeht, dass die Klägerinnen mit diesem Vorbringen nicht dem herangezogenen Kriterium, sondern der Anwendung des Kriteriums der tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten im vorliegenden Fall entgegentreten, die im Folgenden im Rahmen der Behandlung der gegen die Beurteilung der einzelnen Vereinbarungen geprüft wird.

325

Folglich hat die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen den potenziellen Wettbewerb auf dem relevanten Markt anhand des Kriteriums der tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten beurteilt.

326

Überdies ist zu beachten, dass sich die Kommission entgegen ihrem Vorbringen in der Gegenerwiderung unter Berufung auf das Urteil vom 20. Januar 2016, Toshiba Corporation/Kommission (C‑373/14 P, EU:C:2016:26) (siehe oben, Rn. 312), im vorliegenden Fall nicht auf die Prüfung des Bestehens unüberwindlicher Hindernisse für den Markteintritt beschränken konnte, um aus deren Fehlen auf das Bestehen von potenziellem Wettbewerb auf diesem Markt zu schließen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 99 bis 101).

327

Aus den Rn. 28, 29, 32 und 34 des Urteils vom 20. Januar 2016, Toshiba Corporation/Kommission (C‑373/14 P, EU:C:2016:26), geht zwar hervor, dass bei Vereinbarungen über die Aufteilung von Märkten die Analyse des wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs, in dem die Verhaltensweise steht, auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt werden kann, um auf das Bestehen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung zu schließen, und insoweit insbesondere die Feststellung genügt, dass die Hindernisse für den Markteintritt nicht als unüberwindbar eingestuft werden können (vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 28. Juni 2016, Portugal Telecom/Kommission, T‑208/13, EU:T:2016:368, Rn. 177 und 181).

328

Zunächst ist jedoch festzustellen, dass aus dem Urteil vom 20. Januar 2016, Toshiba Corporation/Kommission (C‑373/14 P, EU:C:2016:26), unter Berücksichtigung der Schlussanträge von Generalanwalt Wathelet in der Rechtssache Toshiba Corporation/Kommission (C‑373/14 P, EU:C:2015:427, Nrn. 69, 70, 89 und 90) hervorgeht, dass sich die in diesem Urteil erfolgte Beschränkung der Prüfung des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts aus der besonderen Offenkundigkeit bestimmter bezweckter Wettbewerbsbeschränkungen ergibt, die, weil die in Rede stehenden Vereinbarungen weder atypisch noch komplex sind, keiner vertieften Analyse des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts für den Nachweis bedürfen, dass sie ihrer Natur nach hinreichend wettbewerbsschädlich sind.

329

Im vorliegenden Fall war es aber möglich, dass die Rechtswidrigkeit und insbesondere der dem Zweck nach wettbewerbsbeschränkende Charakter der streitigen Vereinbarungen, die in der Form von Patentvergleichen geschlossen worden waren, für einen Außenstehenden nicht offenkundig waren. In dieser Hinsicht ist bezeichnend, dass die Kommission sowohl den wettbewerbswidrigen Zweck als auch die wettbewerbswidrige Wirkung der Vereinbarungen geprüft hat. Bestätigt wird dies auch durch die Einstufung der streitigen Vereinbarungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des Urteils vom 20. November 2008, Beef Industry Development Society und Barry Brothers (C‑209/07, EU:C:2008:643), durch die Kommission, ohne dass an dieser Stelle auf diese Einstufung einzugehen ist. Auch wenn nach Rn. 34 dieses Urteils Marktausschlussvereinbarungen „offenkundig“ dem Grundgedanken der Wettbewerbsbestimmungen des Vertrags zuwiderlaufen, hat der Gerichtshof nicht entschieden, dass die in jener Rechtssache in Rede stehenden Vereinbarungen für einen Außenstehenden offenkundig Marktausschlussvereinbarungen und somit bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen waren, die keiner eingehenden Analyse ihres wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts bedurften. Er hat im Gegenteil eine solche Analyse dieses Kontexts sowie der Klauseln und der Ziele dieser Vereinbarungen vorgenommen, um daraus zu schließen, dass es sich um Marktausschlussvereinbarungen und folglich „offenkundig“ ihrem Zweck nach wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen handelte (Urteil vom 20. November 2008, Beef Industry Development Society und Barry Brothers, C‑209/07, EU:C:2008:643, Rn. 31 bis 40).

330

Sodann ist hervorzuheben, dass in der Rechtssache, in der das Urteil vom 20. Januar 2016, Toshiba Corporation/Kommission (C‑373/14 P, EU:C:2016:26), ergangen ist, die Fähigkeit der an den streitigen Praktiken beteiligten Hersteller zu Produktion und Vermarktung nicht bestritten war und auf dem relevanten Markt kein Monopol bestand. Im vorliegenden Fall wird indes gerade die Fähigkeit der Generikahersteller zur Produktion und Vermarktung des streitigen Erzeugnisses bestritten, namentlich wegen der ausschließlichen Rechte, die die Patente darstellen (siehe oben, Rn. 234, und unten, Rn. 357). Aus diesem Urteil kann daher nicht abgeleitet werden, dass die Feststellung des ihrem Zweck nach wettbewerbsbeschränkenden Charakters einer Vereinbarung im Allgemeinen und unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen im Besonderen nicht die Prüfung der tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten eines Eintritts der Parteien der Vereinbarung in den in Rede stehenden Markt erfordert.

331

Nach alledem ist die Rüge der Anwendung einer irrigen Definition des potenziellen Wettbewerbs zurückzuweisen.

Zum Kriterium des hinreichend schnellen Markteintritts

332

Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission, gestützt auf die Urteile vom 3. April 2003, BaByliss/Kommission (T‑114/02, EU:T:2003:100), und vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission (T‑461/07, EU:T:2011:181), ausgeführt, der wesentliche Gesichtspunkt für die Einstufung eines Unternehmens als potenzieller Wettbewerber sei, dass es hinreichend schnell in den Markt eintreten könne, um Druck auf die Marktteilnehmer auszuüben. Zwar könnten Kosten- und Zeitprobleme zu Verzögerungen führen, die den Markteintritt wirtschaftlich weniger attraktiv machen könnten, doch stellten derartige Verzögerungen als solche nicht die Fähigkeit zum Markteintritt oder den Druck auf Servier oder auf die anderen Generikahersteller in Frage. Folglich erschienen bei Zugrundelegung der Zeitangaben in Freistellungsverordnungen und in den Leitlinien der Kommission – u. a. den Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 101 [AEUV] auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (ABl. 2011, C 11, S. 1, im Folgenden: Leitlinien zu Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit von 2011), die einen Zeitraum von höchstens drei Jahren vorsähen – sowie der indikativen und tatsächlichen Dauer von Gerichtsverfahren, der Verfahren zur Erlangung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen und der Entwicklung der pharmazeutischen Wirkstoffe die von den Klägerinnen angeführten Verzögerungen nicht lang genug, um das Fehlen eines Wettbewerbsdrucks seitens des Generikaherstellers anzunehmen (Rn. 1158, 1159 und 1182 sowie Fn. 1669 des angefochtenen Beschlusses; vgl. auch Rn. 1125, 1126 und 1296 dieses Beschlusses).

333

Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen entspricht diese von der Kommission in zeitlicher Hinsicht vorgenommene Analyse des potenziellen Wettbewerbs den geltenden Grundsätzen.

334

Nach ständiger Rechtsprechung muss, um einen Wirtschaftsteilnehmer als potenziellen Wettbewerber einstufen zu können, dessen potenzieller Markteintritt so schnell erfolgen können, dass er disziplinierend auf die Marktbeteiligten wirkt und so einen Wettbewerbsdruck auf sie ausübt (Urteil vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission, T‑461/07, EU:T:2011:181, Rn. 189; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 114).

335

Diese Rechtsprechung berücksichtigt die Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel [101 AEUV] auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (ABl. 2001, C 3, S. 2, im Folgenden: Leitlinien zu Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit von 2001) (vgl. auch die Leitlinien zu Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit von 2011), in denen nicht nur das Erfordernis eines hinreichend schnellen Markteintritts aufgestellt wird, sondern auch Richtwerte dafür genannt werden, was ein hinreichend schneller Markteintritt sein kann – je nach Fall höchstens ein oder drei Jahre –, wobei auf andere Leitlinien und auf Gruppenfreistellungsverordnungen verwiesen wird.

336

Wie jedoch aus diesen Leitlinien (Fn. 9 der Leitlinien zu Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit von 2001 und Fn. 3 der Leitlinien zu Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit von 2011) und aus der Rechtsprechung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission, T‑461/07, EU:T:2011:181, Rn. 171 und 189) hervorgeht, sind diese Zeiträume nur als Richtwerte genannt, und der Begriff des „hinreichend schnellen“ Markteintritts hängt vom jeweiligen Sachverhalt und von seinem rechtlichen und wirtschaftlichen Kontext ab, die für die Feststellung berücksichtigt werden müssen, ob das marktfremde Unternehmen einen Wettbewerbsdruck auf die aktuell auf dem betreffenden Markt tätigen Unternehmen ausübt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission, T‑461/07, EU:T:2011:181, Rn. 169).

337

Im vorliegenden Fall hat die Kommission die Besonderheiten des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts der Sache berücksichtigt, indem sie die Dauer jedes einzelnen für den Markteintritt erforderlichen Abschnitts beurteilt hat. Es ist darauf hinzuweisen, dass gerade wegen der Besonderheiten des Arzneimittelsektors, nämlich u. a. der verschiedenen dort zu durchlaufenden Abschnitte und des Bestehens von Patenten, die Generikahersteller Schritte zum Markteintritt häufig schon lange vor dem Ablauf der Patente unternehmen, um die erforderlichen Abschnitte spätestens zu diesem Zeitpunkt durchlaufen zu haben. Von diesen Schritten kann demnach schon vor oder sogar schon lange vor dem Ablauf der Patente und dem tatsächlichen Markteintritt der Generikahersteller ein Wettbewerbsdruck auf den Hersteller des Originalpräparats ausgehen (siehe unten, Rn. 356; vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 6. Dezember 2012, AstraZeneca/Kommission, C‑457/10 P, EU:C:2012:770, Rn. 108, vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 163, und vom 8. September 2016, Sun Pharmaceutical Industries und Ranbaxy [UK]/Kommission, T‑460/13, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:453, Rn. 77 bis 79).

338

Wie die Klägerinnen zu Recht geltend machen (siehe oben, Rn. 311), lässt sich daraus jedoch nicht ableiten, dass ein Generikahersteller schon dann und allein deshalb als einer ihrer potenziellen Wettbewerber angesehen werden kann, wenn und weil er mit der Entwicklung eines generischen Perindoprils begonnen hat. Die Kommission hat zwar in Rn. 1125 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass der potenzielle Wettbewerb der Generikahersteller beginne, wenn diejenigen, die ein Generikum auf den Markt bringen wollten, die Entwicklung von wirtschaftlich lebensfähigen Technologien für die Herstellung des pharmazeutischen Wirkstoffs und des Endprodukts aufnähmen. Aus den weiteren Ausführungen in dieser Randnummer, in denen auf die spätere Prüfung der Frage verwiesen wird, ob die in Rede stehenden Generikahersteller jeweils potenzielle Wettbewerber seien, und insbesondere aus dieser Prüfung und aus den allgemeinen Erwägungen im angefochtenen Beschluss zum Kriterium des hinreichend schnellen Markteintritts (siehe oben, Rn. 332) geht jedoch hervor, dass die Kommission den Beginn der Ausübung eines Wettbewerbsdrucks nicht auf den Zeitpunkt der Aufnahme der Entwicklung des Generikums legen, sondern hervorheben wollte, dass von diesem Zeitpunkt an die Möglichkeit der Ausübung eines Wettbewerbsdrucks bestand, falls die Voraussetzungen für die Ausübung eines solchen Drucks erfüllt wären. Jedenfalls wäre auch bei einer Auslegung von Rn. 1125 in dem Sinne, dass darin der Beginn des potenziellen Wettbewerbs auf den Zeitpunkt der Aufnahme der Entwicklung des Generikums gelegt wird, die gegen diese Beurteilung gerichtete Kritik als ins Leere gehend zurückzuweisen, da die Kommission sich nicht auf diese Randnummer gestützt hat, um festzustellen, dass die in Rede stehenden Generikahersteller potenzielle Wettbewerber seien. Die Kommission war nämlich, wie sie zutreffend ausführt, zum Zeitpunkt der Beurteilung der Frage, ob die Generikahersteller potenzielle Wettbewerber waren, oder zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen der Ansicht, dass diese Unternehmen ein fortgeschrittenes Stadium der Entwicklung ihres Perindoprils erreicht hätten, und hat sich nicht zu der Frage geäußert, ob diese früher, zum Zeitpunkt der Aufnahme dieser Entwicklung, potenzielle Wettbewerber waren (siehe oben, Rn. 315).

339

Ebenso hat die Kommission zwar in Fn. 1840 zu Rn. 1296 des angefochtenen Beschlusses auf den in den Leitlinien zu Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit von 2011 genannten Zeitraum von drei Jahren hingewiesen, daraus aber für den vorliegenden Fall keine entscheidende Schlussfolgerung gezogen, so dass die Rügen, sie habe diesen Zeitraum insbesondere bei der für die Entwicklung von Perindopril erforderlichen Zeit berücksichtigt (Rn. 3137 des angefochtenen Beschlusses), als ins Leere gehend zurückzuweisen sind.

340

Ferner hat sich die Kommission auf den Gedanken des von potenziellem Wettbewerb notwendig ausgehenden Wettbewerbsdrucks gestützt, um zu befinden, dass die von den Generikaherstellern eventuell verzeichneten Verzögerungen beim Markteintritt allein nicht ausreichten, um ihre Eigenschaft als potenzielle Wettbewerber auszuschließen, wenn sie aufgrund ihrer Fähigkeit zum Markteintritt weiter einen solchen Druck ausübten, und hat hierfür das Urteil vom 3. April 2003, BaByliss/Kommission (T‑114/02, EU:T:2003:100), angeführt. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen hat sich die Kommission zu Recht auf dieses Urteil gestützt, da sich das Gericht dort zwar zu einem von dem des vorliegenden Falles sehr verschiedenen Kontext geäußert, gleichwohl aber zu der Frage Stellung genommen hat, wie sich die mehrfache Verschiebung ihres Markteintritts durch BaByliss auf deren Eigenschaft als potenzieller Wettbewerber ausgewirkt hat, wobei eben diese Auswirkung in der angefochtenen Entscheidung geprüft worden war. Das Gericht hat dazu entschieden, ohne dass die Klägerinnen dies im Übrigen bestreiten, dass die Verschiebungen des Markteintritts die Eigenschaft von BaByliss als potenzieller Wettbewerber nicht in Frage stellten, und hat sich dafür auf mehrere Faktoren gestützt, aus denen hervorging, dass von der Markteintrittsfähigkeit von BaByliss ein Wettbewerbsdruck ausging (Urteil vom 3. April 2003, BaByliss/Kommission, T‑114/02, EU:T:2003:100, Rn. 102 bis 106). Da sich das Interesse der Generikahersteller, die Ersten auf dem Markt zu sein, allenfalls auf ihre Markteintrittsabsicht nach Maßgabe der erwarteten Gewinne auswirken kann, nicht aber als solches auf ihre Fähigkeit zum Markteintritt, hat die Kommission in Rn. 1182 des angefochtenen Beschlusses entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen zu Recht dieses Interesse der Generikahersteller als irrelevant für ihre Beurteilung der geltend gemachten Verzögerungen angesehen. Die Fähigkeit zum Markteintritt ist nämlich anhand des Kriteriums der lebensfähigen wirtschaftlichen Strategie (siehe oben, Rn. 318) zu prüfen; sie ist schon bei einem schlicht einträglichen Eintritt und nicht erst bei der einträglichsten von mehreren Eintrittsmöglichkeiten gegeben, da der betreffende Generikahersteller als Erster in den Markt eintreten würde und er allein während eines bestimmten Zeitraums mit dem Hersteller des Originalpräparats im Wettbewerb stünde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Xellia Pharmaceuticals und Alpharma/Kommission, T‑471/13, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:460, Rn. 124).

341

Folglich sind sämtliche Rügen, die sich gegen die Beurteilung des potenziellen Wettbewerbs in zeitlicher Hinsicht durch die Kommission richten, zurückzuweisen.

Zum Kriterium der Wahrnehmung der auf dem Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmer

342

Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission, gestützt auf die Urteile vom 12. Juli 2011, Hitachi u. a./Kommission (T‑112/07, EU:T:2011:342), und vom 21. Mai 2014, Toshiba/Kommission (T‑519/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:263), ausgeführt, dass die Wahrnehmung eines bereits auf dem Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmers bei der Beurteilung des potenziellen Wettbewerbs eine Rolle spiele. Wenn ein solcher Wirtschaftsteilnehmer, der über Erfahrung verfüge, eine Wettbewerbsbedrohung durch Generikahersteller wahrnehme, könne von einer solchen Wahrnehmung ein Wettbewerbsdruck auf sein Marktverhalten ausgehen und diese sei für die Beurteilung des potenziellen Wettbewerbs relevant. Nach dem Urteil vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission (T‑461/07, EU:T:2011:181), könne der potenzielle Wettbewerb von der bloßen Existenz eines marktfremden Unternehmens ausgehen, und schon diese könne zu einem in der Wahrscheinlichkeit des Markteintritts liegenden Wettbewerbsdruck führen (Rn. 1160 bis 1162). Folglich sei für die Frage, ob die Generikahersteller einen Wettbewerbsdruck auf Servier ausgeübt hätten, auch die Wahrnehmung des auf dem Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmers, Servier, und der übrigen Generikahersteller berücksichtigt worden (Rn. 1163). Im vorliegenden Fall seien die Generikahersteller sowohl von Servier als auch von ihren Generika-Rivalen als potenzielle Wettbewerber wahrgenommen worden (Rn. 1183).

343

Es ist festzustellen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss das Kriterium der Wahrnehmung des auf dem Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmers als eines von mehreren Kriterien dafür herangezogen hat, ob die Generikahersteller potenzielle Wettbewerber waren, wie das in der vorstehenden Rn. 342 erwähnte Adverb „auch“ und die Prüfung der übrigen Kriterien zur Beurteilung des potenziellen Wettbewerbs für jedes dieser Unternehmen zeigen (siehe unten, Rn. 432 bis 438, 579 bis 585 und 718 bis 722).

344

Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen steht die Verwendung des Kriteriums der Wahrnehmung des auf dem Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmers als eines von mehreren Kriterien zur Beurteilung des potenziellen Wettbewerbs im Einklang mit der einschlägigen Rechtsprechung, wie sie von den Klägerinnen angeführt wird.

345

Anders als die Klägerinnen geltend machen, hat das Gericht nämlich das Kriterium der Wahrnehmung des auf dem Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmers im Urteil vom 12. Juli 2011, Hitachi u. a./Kommission (T‑112/07, EU:T:2011:342), klar für den Nachweis des Bestehens von potenziellem Wettbewerb berücksichtigt. Wie sich aus den Rn. 90, 226 und 319 dieses Urteils, auf die in Rn. 1160 des angefochtenen Beschlusses verwiesen wird, ergibt, waren die zwischen den europäischen und den japanischen Herstellern geschlossenen Vereinbarungen nicht nur ein gewichtiges Indiz, dass Letztere von Ersteren als ernsthafte Wettbewerber auf dem europäischen Markt wahrgenommen wurden, sondern zeigten auch, dass es für die japanischen Hersteller Möglichkeiten zum Eindringen in den europäischen Markt gab (vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 21. Mai 2014, Toshiba/Kommission, T‑519/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:263, Rn. 231). Das Gericht hat zwar auch den potenziellen Wettbewerb objektiv analysiert, indem es u. a. die Fähigkeit der japanischen Hersteller geprüft hat, in den europäischen Markt einzutreten (Urteil vom 12. Juli 2011, Hitachi u. a./Kommission, T‑112/07, EU:T:2011:342, Rn. 157 und 160), worauf im Übrigen die Kommission in Rn. 1160 des angefochtenen Beschlusses hinweist. Diese objektive Analyse zeigt jedoch nur, dass das subjektive Kriterium der Wahrnehmung des auf dem Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmers nur eines von mehreren Kriterien für die Beurteilung des Bestehens von potenziellem Wettbewerb ist.

346

In dem von den Klägerinnen angeführten Urteil vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission (T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 115), hat das Gericht entschieden, dass das Bestehen einer Vereinbarung und damit die Wahrnehmung der Parteien dieser Vereinbarung allein nicht ausreichte, um das Bestehen von potenziellem Wettbewerb zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Vereinbarung darzutun oder notwendig zu implizieren. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen ist in diesem Urteil somit nicht entschieden worden, dass das Kriterium der Wahrnehmung des auf dem Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmers irrelevant ist, sondern nur, dass die Wahrnehmung dieses Wirtschaftsteilnehmers allein nicht für den Nachweis des Bestehens von potenziellem Wettbewerb genügt, wenn dafür weitere Anhaltspunkte fehlen.

347

Folglich ist nach der Rechtsprechung das Kriterium der Wahrnehmung des auf dem Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmers ein relevantes, aber nicht ausreichendes Kriterium für die Beurteilung des Bestehens von potenziellem Wettbewerb. Wie die Klägerinnen zutreffend geltend machen, kann nämlich allein aufgrund der Wahrnehmung der betreffenden Wirtschaftsteilnehmer – auch wenn sie erfahren sind – wegen des subjektiven und damit je nach Wirtschaftsteilnehmer variablen Charakters ihrer Kenntnis des Marktes wie auch ihrer Beziehungen zu ihren hypothetischen Wettbewerbern ein bestimmter anderer Wirtschaftsteilnehmer nicht als einer ihrer potenziellen Wettbewerber angesehen werden. Dagegen kann diese Wahrnehmung die Fähigkeit eines Wirtschaftsteilnehmers zum Eintritt in einen Markt bestätigen und damit zu seiner Einstufung als potenzieller Wettbewerber beitragen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 103 und 104, und vom 8. September 2016, Sun Pharmaceutical Industries und Ranbaxy [UK]/Kommission, T‑460/13, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:453, Rn. 88).

348

Das Vorbringen, mit dem die Klägerinnen rügen, dass die Kommission die Wahrnehmung der auf dem Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmer für den Nachweis des Bestehens von potenziellem Wettbewerb berücksichtigt hat, ist folglich zurückzuweisen.

– Zu den durch die Patente der Klägerinnen gebildeten Hindernissen für den potenziellen Wettbewerb

349

Die Klägerinnen und die Streithelferin werfen der Kommission vor, sie habe die Generikahersteller trotz der Hindernisse, die die von Servier gehaltenen Patente für deren Markteintritt darstellten, als potenzielle Wettbewerber eingestuft.

350

Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission ausgeführt, die Parteien könnten nicht unter Berufung auf das Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission (T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 362), mit Erfolg geltend machen, dass der Markteintritt unmöglich sei, weil das Bestehen eines Patents jede Wettbewerbsmöglichkeit ausschließe, und daraus ableiten, dass die Patente von Servier eine „einseitige Sperre“ im Sinne der Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen schüfen, die überdies im vorliegenden Fall nicht anwendbar seien (Rn. 1167 und 1168 sowie Fn. 1638).

351

Die Kommission hat dem hinzugefügt, erstens hätten die Generikahersteller jedenfalls die Möglichkeit gehabt, die Patente von Servier anzufechten. Sie verweist hierzu auf das Urteil vom 25. Februar 1986, Windsurfing International/Kommission (193/83, EU:C:1986:75, Rn. 92), wonach es im öffentlichen Interesse liege, alle Hindernisse für die Wirtschaftstätigkeit, die sich aus einem zu Unrecht erteilten Patent ergeben könnten, insbesondere durch Klagen gegen die Gültigkeit des Patents auszuräumen, und auf das Urteil vom 6. Dezember 2012, AstraZeneca/Kommission (C‑457/10 P, EU:C:2012:770, Rn. 108), dem sich entnehmen lasse, dass potenzieller Wettbewerb schon vor Ablauf des Patents auf das Molekül bestehen könne (Rn. 1132, 1165 und 1169 sowie Fn. 1640 des angefochtenen Beschlusses). Der Umstand, dass Servier eine Verletzung ihrer Patente geltend gemacht habe oder geltend machen werde, sei ohne Belang für die Frage, ob diese Patente den Markteintritt für die Generika hätten versperren können, wobei zu beachten sei, dass es keine Vermutung für eine Patentverletzung gebe und keine Gerichtsentscheidung vorliege, mit der eine solche Patentverletzung während des relevanten Zeitraums festgestellt worden sei (Rn. 1169 bis 1171 des angefochtenen Beschlusses). Was die wahrgenommene Möglichkeit der Ungültigkeit oder der Verletzung der Patente von Servier angehe, werde sich die Kommission auf die Einschätzungen durch die Parteien selbst und durch Dritte stützen, wie sie in Dokumenten dargelegt seien, die aus der Zeit vor dem Abschluss der streitigen Vereinbarungen oder der Zeit dieses Abschlusses stammten (Rn. 1172 des angefochtenen Beschlusses).

352

Nach Ansicht der Kommission boten sich den Generikaherstellern zweitens auch alternative Wege für den Zugang zu den Märkten, auf denen die Rechtsstreitigkeiten geführt worden seien (Rn. 1175). Zum einen habe es ihnen freigestanden, Perindopril auf die Gefahr hin auf den Markt zu bringen, dass der Hersteller des Originalpräparats eine Verletzungsklage erhebe. Wegen der Praxis der Einreichung des Verfahrenspatents nach Ablauf des Patents für das Molekül seien nahezu alle Verkäufe nach diesem Ablauf riskant gewesen, und der Risikomarkteintritt von Apotex im Jahr 2006 habe zu einem Urteil geführt, mit dem das Patent 947 für ungültig erklärt und Servier zu Schadensersatz verurteilt worden sei (Rn. 1176 und 1177 des angefochtenen Beschlusses). Zum anderen hätten die Generikahersteller ihre Verfahren zur Vermeidung von Verletzungsvorwürfen anpassen können, sei es direkt oder durch einen Wechsel des Anbieters des pharmazeutischen Wirkstoffs. Auch wenn diese Änderungen gegebenenfalls zu genehmigungsrechtlichen Verzögerungen geführt hätten, seien sie doch ein gangbarer alternativer Weg für den Marktzugang gewesen (Rn. 1178 des angefochtenen Beschlusses).

353

Die Kommission hat in Rn. 1179 des angefochtenen Beschlusses festgestellt:

„[D]ie Vergleiche wurden geschlossen, als das Patent auf das Molekül abgelaufen war und alle Generikahersteller direkt oder indirekt in Gerichtsverfahren oder Streitigkeiten verwickelt waren, die eines oder mehrere der verbleibenden Patente von Servier betrafen, sei es als Beklagte in Verletzungsverfahren oder als Kläger oder Widerkläger in Verfahren zur Ungültigerklärung dieser Patente. Die Generikahersteller konnten auch andere patentrechtliche Schritte als mögliche Wege für den Marktzugang wählen. Die Kommission wird eingehend prüfen, ob die Generikahersteller, die die patentrechtlichen Hindernisse überwinden und ihr generisches Perindopril auf den Markt bringen wollen, trotz der Patente von Servier eine Quelle von Wettbewerbsdruck für diese waren. Dazu ist darauf hinzuweisen, dass alle von dem vorliegenden Beschluss erfassten Vereinbarungen zu einem Zeitpunkt geschlossen wurden, da Ungewissheit darüber bestand, ob irgendeines der Patente verletzt worden war, und insbesondere, ob das Patent 947 ungültig sein konnte. Das bloße Bestehen der Patente von Servier und die Berufung auf sie haben somit nicht jede Möglichkeit potenziellen oder tatsächlichen Wettbewerbs verhindert.“

354

Die Klägerinnen und die Streithelferin machen im Wesentlichen geltend, diese Analyse der Kommission lasse die mit einem für gültig erklärten oder als gültig vermuteten Patent verbundenen Wirkungen, wie sie in den Rechtsvorschriften vorgesehen oder in der Rechtsprechung anerkannt seien, außer Betracht. Zudem habe die Kommission die Leitlinien von 2004 und die von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen und bestimmte Erwägungen nicht beachtet, die sie im angefochtenen Beschluss und in anderen Beschlüssen bei der Beurteilung des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung durch Servier angestellt habe.

Zur Nichtbeachtung der Wirkungen der für gültig erklärten oder als gültig vermuteten Patente von Servier

355

Nach Ansicht der Klägerinnen und der Streithelferin stellt ein als gültig vermutetes Patent zumindest ab der Gültigerklärung und bis zu seinem Ablauf ein gesetzliches Verbot des Eindringens in den Markt dar, das jeden potenziellen Wettbewerb ausschließe.

356

Aus Rn. 108 des Urteils vom 6. Dezember 2012, AstraZeneca/Kommission (C‑457/10 P, EU:C:2012:770), das die Kommission im angefochtenen Beschluss anführt (siehe oben, Rn. 351), ergibt sich jedoch, dass ein potenzieller Wettbewerb auch schon vor Ablauf eines Patents bestehen kann. Im Einzelnen hat der Gerichtshof entschieden, dass ergänzende Schutzzertifikate, mittels deren die Wirkungen eines Patents verlängert werden sollen, eine erhebliche Ausschlusswirkung nach Ablauf der Grundpatente haben, dass sie aber auch die Marktstruktur verändern, indem sie den potenziellen Wettbewerb bereits vor Patentablauf beeinträchtigen, wobei die Ausübung eines potenziellen Wettbewerbs vor Ablauf der Patente unabhängig davon festgestellt wurde, dass die in Rede stehenden ergänzenden Schutzzertifikate auf betrügerische oder unrechtmäßige Weise erlangt worden waren (Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten EU:T:2016:449, Rn. 164). Somit hindert das ausschließliche Recht, das das Patent darstellt, nicht die Entfaltung von potenziellem Wettbewerb während des betreffenden Ausschließlichkeitszeitraums.

357

Wie die Klägerinnen und die Streithelferin ausführen, hat nämlich ein solches ausschließliches Recht zwar normalerweise zur Folge, die Wettbewerber fernzuhalten, weil sie dieses ausschließliche Recht aufgrund staatlicher Vorschriften beachten müssen (Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 362; siehe auch oben, Rn. 234), doch betrifft diese Wirkung des Ausschlusses von Wettbewerb tatsächliche Wettbewerber, die patentverletzende Erzeugnisse vermarkten. Das Patent verleiht seinem Inhaber das ausschließliche Recht, eine Erfindung für die Herstellung und das erste Inverkehrbringen von Industrieerzeugnissen zu nutzen, sowie das Recht, sich gegen jede Patentverletzung zur Wehr zu setzen (Urteile vom 31. Oktober 1974, Centrafarm und de Peijper, 15/74, EU:C:1974:114, Rn. 9, und vom 16. Juli 2015, Huawei Technologies, C‑170/13, EU:C:2015:477, Rn. 46; siehe auch oben, Rn. 234), es hindert aber als solches Wirtschaftsteilnehmer nicht daran, die erforderlichen Schritte zu unternehmen, um bei Ablauf des Patents in den betreffenden Markt eintreten zu können, und so auf den Inhaber des Patents einen Wettbewerbsdruck auszuüben, der für einen potenziellen Wettbewerb vor dem Ablauf des Patents kennzeichnend ist. Ebenso wenig hindert es Wirtschaftsteilnehmer daran, die für die Herstellung und die Vermarktung eines nicht patentverletzenden Erzeugnisses nötigen Maßnahmen zu treffen, um ab ihrem Markteintritt als tatsächliche Wettbewerber des Patentinhabers und bis dahin gegebenenfalls als potenzielle Wettbewerber angesehen zu werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 164).

358

Dies gilt umso mehr, als im Arzneimittelsektor, in dem die Bestimmungen über die Erteilung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen, die für den Vertrieb eines Arzneimittels auf dem Markt erforderlich sind, den zuständigen Behörden erlauben, eine Genehmigung für das Inverkehrbringen zu erteilen, obwohl das Referenzerzeugnis durch ein Patent geschützt ist. Nach der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2001, L 311, S. 67) in geänderter Fassung können nämlich Anträge auf Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen von Generika in einem abgekürzten Verfahren behandelt werden, in dem die Test- und Versuchsergebnisse zugrunde gelegt werden, die mit den für das Originalpräparat gestellten Anträgen auf Erteilung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen übermittelt wurden, und die Daten betreffend diese Ergebnisse können herangezogen werden und erlauben daher die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen vor Ablauf des Patents für das Originalpräparat (Art. 10 der Richtlinie 2001/83; vgl. auch Rn. 74 und 75 des angefochtenen Beschlusses). Somit sehen die Bestimmungen über die Vermarktung von Arzneimitteln selbst vor, dass ein Generikahersteller während des für das Patent des Herstellers des Originalpräparats bestehenden Schutzzeitraums dank einer rechtmäßig erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen in den Markt eintreten oder zumindest das Verfahren zur Erlangung einer solchen Genehmigung einleiten kann. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen gilt dies auch für die nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2001/83, da sich aus dem von ihnen angeführten Abschlussbericht der Kommission über die Untersuchung im Arzneimittelsektor vom 8. Juli 2009 ergibt, dass die slowakischen Behörden ihre Rechtsvorschriften in diesem Sinne geändert haben und die ungarischen Behörden nur eine „Patenterklärung“ verlangen, mit der sich der Generikahersteller verpflichtet, vor Ablauf des in Rede stehenden Patents kein rechtsverletzendes Erzeugnis zu vermarkten. Der von den Klägerinnen hervorgehobene Umstand, dass nach einer internen E‑Mail von Servier „die Perindopril-Vorgänge [bestimmter Generikahersteller] anscheinend von den [slowakischen Behörden] so lange blockiert werden, wie das Patent 947 in Kraft ist“, kann diese Feststellung nicht in Frage stellen.

359

Das System des Patentschutzes ist vielmehr so ausgestaltet, dass zwar eine Vermutung zugunsten der Gültigkeit von Patenten besteht, sobald sie eingetragen sind (Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 362), diese Gültigkeitsvermutung aber nicht ipso facto bedeutet, dass alle auf den Markt gebrachten Erzeugnisse rechtsverletzend sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 121 und 122). Wie die Kommission im angefochtenen Beschluss (siehe oben, Rn. 351) zu Recht ausführt und ohne dass die Klägerinnen dem speziell widersprochen hätten, wird eine Rechtsverletzung nicht vermutet, sondern muss vielmehr von einem Gericht festgestellt werden. Nach dem Urteil vom 25. Februar 1986, Windsurfing International/Kommission (193/83, EU:C:1986:75, Rn. 52), könnte nämlich ein privater Wirtschaftsteilnehmer und Inhaber eines Patents, wenn er seine eigene Beurteilung des Vorliegens einer Verletzung seines Patentrechts an die Stelle derjenigen der zuständigen Behörde setzen könnte, diese Beurteilung zur Erweiterung des Schutzbereichs seines Patents nutzen (vgl. auch Rn. 1171 und Fn. 1642 des angefochtenen Beschlusses). Folglich hat ein Wirtschaftsteilnehmer die Möglichkeit, das Risiko eines Markteintritts mit einem das gültige Patent möglicherweise verletzenden Erzeugnis einzugehen, wobei dieser Markteintritt oder diese Markteinführung, die mit Risiken verbunden sind (vgl. u. a. Rn. 75 und 1176 des angefochtenen Beschlusses), erfolgreich sein kann, wenn der Patentinhaber von der Erhebung einer Patentverletzungsklage absieht oder wenn eine solche Klage, wäre sie erhoben worden, abgewiesen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 128 und 165). Diese Möglichkeit eines Risikomarkteintritts deutet darauf hin, dass die Patente keine unüberwindlichen Hindernisse für einen Markteintritt der Generikahersteller sind, sie bedeutet aber als solche nicht, dass diese über tatsächliche und konkrete Eintrittsmöglichkeiten verfügen, die von ihrer Fähigkeit und ihrer Absicht abhängen, einen solchen Risikomarkteintritt vorzunehmen.

360

Entgegen dem Vorbringen der Streithelferin kehrt dieser Ansatz der Kommission nicht die an Patente geknüpfte Gültigkeitsvermutung um, indem das Bestehen von potenziellem Wettbewerb angenommen wird, wenn nicht ein Gericht die Gültigkeit des Patents bestätigt und die Verletzung des gültigen Patents festgestellt hat. Die Streithelferin geht von einem unzutreffenden Verständnis des angefochtenen Beschlusses aus, da die Kommission dort im Wesentlichen und zu Recht befunden hat (siehe die vorstehenden Rn. 357 bis 359), dass bis zum Erlass einer gerichtlichen Entscheidung über die Gültigkeit des Patents und das Bestehen einer Verletzung die Vermutung der Gültigkeit des Patents nicht an einem Risikomarkteintritt hindert (Rn. 1171 und 1176 des angefochtenen Beschlusses), nicht aber, dass bis zum Erlass einer solchen Entscheidung die Ungültigkeit des Patents vermutet wird.

361

Es ist hervorzuheben, dass auch dann, wenn eine zuständige Behörde das in Rede stehende Patent für gültig erklärt, keine Vermutung einer Rechtsverletzung besteht. Da nämlich ein Patent als solches Wettbewerber nicht an einem tatsächlichen oder potenziellen Markteintritt hindert, schließt die Gültigerklärung dieses Patents, wenn sie nicht mit der Feststellung einer Rechtsverletzung verbunden ist, einen potenziellen Wettbewerb ebenso wenig aus. Somit genügt entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen der Umstand, dass das EPA mit Entscheidung vom 27. Juli 2006 das Patent 947 für gültig erklärt hat, allein nicht, um die Entfaltung eines potenziellen Wettbewerbs zu verhindern.

362

Diese Erwägungen werden durch die von der Streithelferin angeführte Rechtsprechung nicht in Frage gestellt.

363

Zum einen betrafen nämlich die Urteile vom 15. September 1998, European Night Services u. a./Kommission (T‑374/94, T‑375/94, T‑384/94 und T‑388/94, EU:T:1998:198), und vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission (T‑360/09, EU:T:2012:332), nicht Rechte des geistigen Eigentums, sondern Ausschließlichkeitsrechte, die die Erbringung der in Rede stehenden Dienstleistungen und den Zugang zur Infrastruktur tatsächlich oder rechtlich verhinderten. Selbst wenn die im Urteil vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission (T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 102), erwähnten „faktischen Gebietsmonopole“ den ausschließlichen Rechten, die Patente darstellen (siehe oben, Rn. 234), nicht unähnlich sind, geht aus diesem Urteil hervor, dass das Gericht das Fehlen von potenziellem Wettbewerb nicht aus dem bloßen Bestehen dieser Monopole, sondern daraus abgeleitet hat, dass die Kommission nicht rechtlich hinreichend dargetan hatte, dass für einen anderen Gasanbieter tatsächliche und konkrete Möglichkeiten bestanden, trotz dieser Monopole in den deutschen Gasmarkt einzutreten, womit es anerkannt hat, dass solche Monopole als solche nicht ausreichen, um das Bestehen von potenziellem Wettbewerb auszuschließen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 103 bis 107).

364

Zum anderen sind zwar die Urteile vom 31. Mai 1979, Hugin Kassaregister und Hugin Cash Registers/Kommission (22/78, EU:C:1979:138), und vom 6. Oktober 1994, Tetra Pak/Kommission (T‑83/91, EU:T:1994:246), zu Rechten des geistigen Eigentums – das zweite zu Patenten – ergangen, doch kann ihnen nicht entnommen werden, dass die in Rede stehenden Patente und anderen Rechte des geistigen Eigentums unüberwindliche Hindernisse für einen Markteintritt darstellten, die das Bestehen von potenziellem Wettbewerb ausschlössen. Im Urteil vom 31. Mai 1979, Hugin Kassaregister und Hugin Cash Registers/Kommission (22/78, EU:C:1979:138, Rn. 9), hat der Gerichtshof das Bestehen eines Monopols, das die Klägerin im Übrigen eingeräumt hatte, und damit das Fehlen eines tatsächlichen Wettbewerbs auf dem Markt für die von der Klägerin hergestellten Registrierkassen aus einem Bündel von „wirtschaftlichen Gründen“ abgeleitet, von denen einer, aber nicht der einzige – wie im Übrigen näher aus dem Sitzungsbericht in dieser Rechtssache (S. 1885) hervorgeht – die Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs über das Urheberrecht an Mustern und Modellen waren. Im Urteil vom 6. Oktober 1994, Tetra Pak/Kommission (T‑83/91, EU:T:1994:246, Rn. 110), hat das Gericht zwar befunden, dass die zahlreichen in Rede stehenden Patente dem Zugang neuer Wettbewerber zum Markt für aseptische Maschinen entgegenstanden. Angesichts der vom Gericht hervorgehobenen Vielzahl von Patenten, des Bestehens technologischer Schranken, das ebenfalls für die Feststellung von Hindernissen berücksichtigt wurde, und vor allem des Vorhandenseins eines Wettbewerbers mit einem Marktanteil von 10 % kann daraus aber nicht abgeleitet werden, dass die Patente als solche als unüberwindliche Hindernisse für den Eintritt in diesen Markt angesehen wurden.

365

Die vorstehenden Erwägungen werden auch nicht durch den ebenfalls von den Klägerinnen angeführten Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48 in Frage gestellt, wonach die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die zuständigen Gerichte die Möglichkeit haben, auf Antrag des Antragstellers gegen den angeblichen Verletzer eine einstweilige Maßnahme anzuordnen, um eine drohende Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums zu verhindern oder einstweilig die Fortsetzung angeblicher Verletzungen dieses Rechts zu untersagen.

366

Derartige einstweilige gerichtliche Maßnahmen oder Anordnungen verhindern zwar den Markteintritt eines mutmaßlichen Verletzers und so die Ausübung eines tatsächlichen Wettbewerbs auf diesem Markt während des in diesen Maßnahmen festgelegten Zeitraums. Wegen dieser Einstweiligkeit und des Fehlens einer Entscheidung, mit der endgültig über das Vorliegen einer Rechtsverletzung befunden und eine solche festgestellt wird sowie die gebotenen Abhilfemaßnahmen getroffen werden, sind diese einstweiligen Maßnahmen oder Anordnungen nur temporäre und keine unüberwindlichen Hindernisse, mit denen Schritte zur Vermarktung des angeblich rechtsverletzenden Erzeugnisses und so die Entfaltung eines potenziellen Wettbewerbs verhindert werden.

367

Angesichts der begrenzten Zeit, über die die zuständige Behörde für ihre Prüfung und den Erlass ihrer Entscheidung verfügt, und der nach Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2004/48 für den Erlass einer einstweiligen Maßnahme geltenden Anforderungen, insbesondere der Notwendigkeit einer hinreichend sicheren Überzeugung, dass ein Recht des geistigen Eigentums verletzt ist, ist der Erlass solcher einstweiliger Entscheidungen nur auf eine Prima-facie‑, notwendig summarische Prüfung der behaupteten Rechtsverletzung gestützt, die nach einer eingehenderen Würdigung der für die Feststellung einer Rechtsverletzung erforderlichen Voraussetzungen bestätigt oder gegebenenfalls verneint wird. Zudem haben die betreffenden Generikahersteller die Möglichkeit, den Erlass einer für sie ungünstigen Entscheidung zu verhindern, und zwar nicht nur durch den Vortrag von Gegenargumenten im Hauptsacheverfahren, sondern auch, indem sie parallel die Gültigkeit dieses Patents im Wege einer Widerklage in Frage stellen. Somit kann der Erlass einer einstweiligen Maßnahme oder Anordnung und erst recht die bloße Gefahr eines solchen Erlasses in Anbetracht u. a. des Erlasses solcher einstweiligen Entscheidungen gegenüber anderen Generikaherstellern als solcher nicht die Eigenschaft des tatsächlich oder potenziell von einer solchen Entscheidung betroffenen Generikaherstellers als potenzieller Wettbewerber ausschließen.

368

Zudem hat eine Entscheidung in der Sache, mit der das Vorliegen einer Rechtsverletzung festgestellt würde, selbst vorläufigen Charakter, solange mögliche Rechtsbehelfe nicht ausgeschöpft sind. Entgegen dem Vorbringen der Streithelferin hat die Kommission nämlich zu Recht in den Rn. 1132 und 1169 des angefochtenen Beschlusses befunden, dass die Anfechtung der Patente und der zu diesen ergangenen Entscheidungen „Ausdruck … des Wettbewerbs“ im Patentbereich sei. In Anbetracht der Gefahr der Rechtsverletzung, der jeder Generikahersteller ausgesetzt ist, und der fehlenden Zuständigkeit privater Wirtschaftsteilnehmer für die Entscheidung über das Vorliegen der Rechtsverletzung, auf die bereits hingewiesen worden ist (siehe oben, Rn. 359), ist eine gerichtliche Klage eines der dem Generikahersteller zur Verfügung stehenden Mittel, um diese Gefahr zu verringern und in den Markt einzutreten, indem er entweder eine Erklärung, dass keine Rechtsverletzung vorliegt, oder die Ungültigerklärung des möglicherweise verletzten Patents erwirkt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 122). Daraus ergibt sich auch, dass, solange dem Generikahersteller Rechtsbehelfe offenstehen, um die betreffenden Patente anzufechten und ihre Verletzung zu bestreiten und ihm so einen Zugang zum Markt zu eröffnen, angenommen werden kann, dass diese Patente grundsätzlich keine unüberwindlichen Hindernisse für diesen Zugang darstellen.

Zur Nichtbeachtung der Leitlinien von 2004 und der von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen

369

Es ist nicht zu erkennen, dass die Kommission die Leitlinien von 2004 und die von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen, ihre Anwendbarkeit im vorliegenden Fall vorausgesetzt, in dem angefochtenen Beschluss nicht beachtet hätte.

370

Erstens wird entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen und der Streithelferin in den Entscheidungen, mit denen die Gültigkeit der in Rede stehenden Patente festgestellt wird, insbesondere in der Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006, nicht festgestellt, dass wegen der Patente eine „Sperrposition“ im Sinne der Leitlinien von 2004 und der von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen besteht, durch die die Entfaltung eines potenziellen Wettbewerbs verhindert wird. In den Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen (Rn. 32) wie in denen von 2014 (Rn. 32) werden Sperrpositionen als Situationen definiert, in denen ein Wirtschaftsteilnehmer nicht in den Markt eintreten kann, ohne die Rechte des geistigen Eigentums eines anderen Wirtschaftsteilnehmers zu verletzen. Entscheidungen, mit denen die Gültigkeit eines Patents festgestellt wird, hindern aber als solche nicht an einem Risikomarkteintritt, der nur durch eine Entscheidung verhindert werden kann, mit der die Verletzung des betreffenden Rechts des geistigen Eigentums, also des in Rede stehenden Patents festgestellt wird (siehe oben, Rn. 359 und 361). Somit sind mit den in den Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen (Rn. 32) genannten „Gerichtsentscheidungen“ und den in den Leitlinien von 2014 genannten „rechtskräftigen Gerichtsentscheidung[en]“, die als sicherer Nachweis einer Sperrposition gelten, nicht Entscheidungen gemeint, mit denen die Gültigkeit eines Patents, sondern solche, mit denen die Verletzung dieses Patents festgestellt wird.

371

Zweitens ist der Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen auch keine Nichtbeachtung der in den Leitlinien von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen enthaltenen Empfehlungen für die Prüfung des potenziellen Wettbewerbs bei Fehlen einer durch Gerichtsentscheidung festgestellten Sperrposition vorzuwerfen. Nach Rn. 31 der Leitlinien von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen kann ein Wirtschaftsteilnehmer „als potenzieller Wettbewerber auf dem Produktmarkt betrachtet werden, wenn er ohne die Vereinbarung im Falle einer geringfügigen, aber dauerhaften Erhöhung der Produktpreise wahrscheinlich die notwendigen zusätzlichen Investitionen tätigen würde, um in den relevanten Markt einzutreten. Die Wahrscheinlichkeit des Markteintritts sollte auf der Grundlage realistischer Annahmen, das heißt des Sachverhalts des jeweiligen Falls, bewertet werden.“ Ferner heißt es in Rn. 33 dieser Leitlinien:

„Wenn in Ermangelung beispielsweise einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung keine Sicherheit in Bezug auf das Vorliegen einer Sperrposition besteht, müssen die Parteien bei der Beurteilung der Frage, ob sie potenzielle Wettbewerber voneinander sind, alle zum jeweiligen Zeitpunkt vorliegenden Umstände berücksichtigen, einschließlich der Möglichkeit, dass Rechte des geistigen Eigentums verletzt werden, sowie der Frage, ob es eine wirksame Möglichkeit gibt, bestehende Rechte des geistigen Eigentums zu umgehen. Wenn weit fortgeschrittene Pläne zum Eintritt in einen bestimmten Markt bestehen oder im Hinblick darauf bereits erhebliche Investitionen getätigt wurden, kann dies dafür sprechen, dass die Parteien zumindest potenzielle Wettbewerber sind, wenngleich eine Sperrposition nicht ausgeschlossen werden kann. …“

372

Wie sich aber aus den Rn. 323 und 325 des vorliegenden Urteils ergibt, hat die Kommission in diesem Fall das Kriterium der tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten für die Feststellung herangezogen, dass die in Rede stehenden Generikahersteller potenzielle Wettbewerber waren, und hat sich somit im Einklang mit den vorstehend angeführten Randnummern der Leitlinien von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen nicht darauf gestützt, dass ein Eintritt nicht unmöglich war, sondern auf dessen Wahrscheinlichkeit, beurteilt anhand realistischer Motive und der verfügbaren Daten, die u. a. den Streitstand zwischen den Parteien, den Stand der Entwicklung ihrer Erzeugnisse und ihre Schritte zur Erlangung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen betrafen (siehe auch unten, Rn. 432 bis 438, 579 bis 585 und 718 bis 722). Soweit das Vorbringen der Klägerinnen dahin zu verstehen sein sollte, dass sie damit die von der Kommission getroffene Feststellung der Wahrscheinlichkeit eines Markteintritts der Generikahersteller in Frage stellen, wird es nachstehend im Rahmen der Prüfung der Rügen untersucht, mit denen die Eigenschaft jedes einzelnen dieser Unternehmen als potenzieller Wettbewerber bestritten wird.

373

Hinzuzufügen ist auch, dass entgegen dem Vorbringen der Streithelferin aus dieser Untersuchung der Wahrscheinlichkeit eines Markteintritts der Generikahersteller, wie sie in den Leitlinien von 2004 und den von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen verlangt wird und von der Kommission durchgeführt worden ist, hervorgeht, dass das Bestehen von potenziellem Wettbewerb nicht ipso facto aus dem festgestellten Fehlen einer Sperrposition abzuleiten ist, sondern dass ihr Nachweis eine echte Untersuchung erfordert, die dazu führen kann, dass einem Unternehmen trotz des Fehlens einer durch die Patente bedingten Sperrposition die Eigenschaft des potenziellen Wettbewerbers nicht zuerkannt wird.

Zu dem im angefochtenen Beschluss enthaltenen Widerspruch

374

Nach Ansicht der Klägerinnen widerspricht die Position der Kommission deren im angefochtenen Beschluss vorgenommener Beurteilung des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung durch Servier. Insbesondere habe sie in widersprüchlicher Weise die Ausschlusswirkung der Patente von Servier in dem Teil des angefochtenen Beschlusses anerkannt, der dem Missbrauch der beherrschenden Stellung von Servier gewidmet sei (Rn. 2572, 2857 und 2972), und die Gefahr des Ausschlusses der Generikahersteller vom Markt infolge dieser Patente in dem Teil des angefochtenen Beschlusses verneint, der Art. 101 AEUV betreffe.

375

Dieser Vorwurf eines Widerspruchs kann schon an dieser Stelle zurückgewiesen werden, ohne dass auf die Definition der relevanten Märkte einzugehen ist, die die Kommission im Rahmen ihrer Untersuchung der wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der streitigen Vereinbarungen und des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung durch Servier vorgenommen hat.

376

Erstens ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss (Rn. 2857 und 2972) zwar das Fehlen einer tatsächlich lebensfähigen Quelle von Wettbewerb auf dem Markt festgestellt hat, dass sich aber der Begriff der Lebensfähigkeit, der in diesen Randnummern zur Definition des relevanten Marktes – der vorgelagerte Markt für die Technologie zur Herstellung des pharmazeutischen Wirkstoffs von Perindopril – und zur Feststellung des Bestehens einer beherrschenden Stellung auf diesem Markt zum Zweck der Anwendung von Art. 102 AEUV verwendet wird, von dem Begriff unterscheidet, anhand dessen im Rahmen der Anwendung von Art. 101 AEUV beurteilt wird, ob ein Markteintritt wirtschaftlich lebensfähig ist. Er hat eine weitere Bedeutung im Sinne einer „wirtschaftlichen und rechtlichen Lebensfähigkeit“, und diese rechtliche Lebensfähigkeit ist eng dahin zu verstehen, dass sie ausgeschlossen ist, wenn auf dem Markt ein Patent besteht, da dieses verhindert, die patentgeschützte Technologie als durch die in Rede stehende Technologie austauschbar anzusehen (Fn. 3386 des angefochtenen Beschlusses; vgl. auch Rn. 2748 und 2754 des angefochtenen Beschlusses). Um die Relevanz der Ausführungen der Kommission in den Rn. 2857 und 2972 des angefochtenen Beschlusses im vorliegenden Zusammenhang auszuschließen, sei noch darauf hingewiesen, dass diese das Bestehen eines tatsächlichen und wirksamen Wettbewerbs auf dem in Rede stehenden Markt und nicht die Aussichten für einen Markteintritt von potenziellen Wettbewerbern betreffen.

377

Ferner ist zweitens darauf hinzuweisen, dass die Kommission in den anderen von den Klägerinnen angeführten Passagen des angefochtenen Beschlusses (Rn. 2571 und 2572), die der Definition des Marktes für das Endprodukt und der Feststellung des Bestehens einer beherrschenden Stellung auf diesem Markt gewidmet sind, im Wesentlichen befunden hat, dass die Patente von Servier erhebliche, aber keine absoluten Schranken für einen Markteintritt seien, was im Einklang mit ihrer Beurteilung des potenziellen Wettbewerbs auf diesem Markt steht.

Zum Widerspruch zwischen dem angefochtenen Beschluss und anderen Entscheidungen oder Beschlüssen der Kommission

378

Nach Ansicht der Klägerinnen und der Streithelferin steht die Haltung der Kommission im Widerspruch zu einigen ihrer früheren Beschlüsse (Entscheidung 94/770/EG der Kommission vom 6. Oktober 1994 zu einem Verfahren nach Artikel [101 AEUV] und Artikel 53 des EWR-Abkommens [Sache IV/34.776 – Pasteur Merieux/Merck] und Beschluss C[2013] 8535 final der Kommission vom 26. November 2013 zu einem Verfahren nach Artikel 6 der Verordnung Nr. 139/2004 [Sache COMP/M.6944 – Thermo Fisher Scientific/Life Technologies]). Während die Kommission in diesen anderen Beschlüssen aus dem Bestehen der Patente oder von Patentrechtsstreitigkeiten abgeleitet habe, dass es keinen starken Wettbewerbsdruck seitens der Generikahersteller gegeben habe, habe sie im angefochtenen Beschluss die Generikahersteller trotz des Bestehens solcher Rechtsstreitigkeiten, die zu deren Ausschluss vom Markt führen könnten, als potenzielle Wettbewerber von Servier angesehen, die in der Lage seien, einen starken Wettbewerbsdruck auf das Perindopril von Servier auszuüben.

379

Hierzu ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss jedenfalls nicht im Widerspruch zu den von den Klägerinnen und der Streithelferin angeführten Beschlüssen der Kommission steht. Zunächst ist, da die Patente grundsätzlich keine unüberwindlichen Hindernisse für den Markteintritt eines Wettbewerbers darstellen, solche Hindernisse aber je nach Ausgang des Patentrechtsstreits schaffen und sich auf die tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten zum Eintritt auswirken können (siehe oben, Rn. 359 bis 368, und unten, Rn. 442 bis 453, 589 bis 597 sowie 726 bis 735), nicht ausgeschlossen, dass die Kommission in einigen ihrer Beschlüsse, darunter den beiden vorgenannten, aus dem Bestehen von Patenten das Fehlen eines potenziellen Wettbewerbs ableiten konnte. Sodann hat die Kommission in diesen beiden Beschlüssen die Feststellung des Bestehens von Markteintrittsschranken oder des Fehlens eines potenziellen Wettbewerbs nicht nur auf das Bestehen von Patenten oder von Patentrechtsstreitigkeiten gestützt, sondern auch auf andere Faktoren wie die Schwierigkeit der Erlangung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen, den Umfang der nötigen Investitionen oder die bestehenden Geschäftsbeziehungen, so dass nicht gefolgert werden kann, dass das Bestehen von Patenten oder von Patentrechtsstreitigkeiten als solches die Entfaltung von potenziellem Wettbewerb verhindert.

380

Aus alledem folgt, dass die Kommission rechtsfehlerfrei in den Patenten von Servier im vorliegenden Fall keine unüberwindlichen Hindernisse für den Markteintritt der Generikahersteller gesehen hat. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen lag nämlich keine endgültige Entscheidung über eine Verletzungsklage vor, mit der der rechtsverletzende Charakter der Erzeugnisse dieser Unternehmen festgestellt worden war.

381

Zu prüfen bleibt, ob die Kommission auch zutreffend angenommen hat, dass die Generikahersteller unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen besonderen Merkmale tatsächliche und konkrete Möglichkeiten des Eintritts in den betreffenden Markt hatten; hierzu ist auf die im Rahmen des spezifischen Vorbringens zu jeder dieser Vereinbarungen angeführten Argumente einzugehen, mit denen das Bestehen solcher Möglichkeiten in Abrede gestellt wird. Diese Prüfung der Rügen, die gegen die Beurteilung der tatsächlichen und konkreten Markteintrittsmöglichkeiten der Generikahersteller durch die Kommission gerichtet sind, muss anhand der folgenden vier Grundsätze und Erwägungen erfolgen.

382

Erstens ist nach der Rechtsprechung zum Bestehen tatsächlicher und konkreter Möglichkeiten des Eintritts in einen Markt (siehe oben, Rn. 318) der wesentliche Gesichtspunkt, auf dem die Einstufung als potenzieller Wettbewerber beruhen muss, die Markterschließungsfähigkeit des Unternehmens, während seine Markterschließungsabsicht für die Prüfung, ob es als potenzieller Wettbewerber auf dem betreffenden Markt angesehen werden kann, zwar von Bedeutung ist, aber nur ergänzend berücksichtigt wird. Genauer gesagt ist die Absicht, in einen Markt einzutreten, weder erforderlich für die Feststellung des Bestehens von potenziellem Wettbewerb auf diesem Markt (Urteil vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission, T‑461/07, EU:T:2011:181, Rn. 169), noch kann sie dieses in Frage stellen, sie ist jedoch, wenn sie nachgewiesen ist, geeignet, die Fähigkeit zum Markteintritt zu bestätigen und so zur Einstufung eines Wirtschaftsteilnehmers als potenzieller Wettbewerber beizutragen.

383

Auch das Kriterium, dass der Markteintritt einer lebensfähigen wirtschaftlichen Strategie, wie sie von der genannten Rechtsprechung gefordert wird, entspricht, ist kein autonomes und von dem Hauptkriterium der Markteintrittsfähigkeit und dem ergänzenden Kriterium der Eintrittsabsicht verschiedenes Kriterium (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Xellia Pharmaceuticals und Alpharma/Kommission, T‑471/13, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:460, Rn. 81). Zum einen wird es nämlich in den genannten Urteilen als Erläuterung des tatsächlichen und konkreten Charakters der Markteintrittsmöglichkeiten angeführt und geht der mit der Wendung „Daraus ergibt sich zwangsläufig“ eingeleiteten Nennung des Hauptkriteriums der Markteintrittsfähigkeit und des ergänzenden Kriteriums der Eintrittsabsicht voraus. Zum anderen wird es in diesen Urteilen nicht gesondert und unabhängig von der Prüfung der Markteintrittsfähigkeit und ‑absicht untersucht, da aus dem Umstand, dass ein Unternehmen sowohl die – an seinen Produktions- und Vermarktungsmitteln sowie seinen finanziellen Ressourcen zu erkennende – Fähigkeit zum Markteintritt als auch die – u. a. auf den Gewinn- und Rentabilitätsaussichten beruhende – Markteintrittsabsicht hat, vernünftigerweise geschlossen werden kann, dass dieser Markteintritt einer lebensfähigen wirtschaftlichen Strategie für das betreffende Unternehmen entspricht.

384

Zweitens können, wie die Kommission zu Recht im angefochtenen Beschluss (Rn. 1172; siehe auch oben, Rn. 351) ausführt, die von den Parteien selbst vorgenommenen Einschätzungen der Möglichkeiten, dass die Patente der Klägerinnen ungültig sind oder dass eine Verletzung dieser Patente vorliegt, für die Feststellung berücksichtigt werden, ob die Generikahersteller tatsächliche und konkrete Möglichkeiten des Markteintritts hatten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 141). Da nämlich eine Entscheidung einer öffentlichen Stelle über die Verletzung und die Gültigkeit der Patente von Servier fehlt, können die Einschätzungen der Parteien selbst hinsichtlich der Möglichkeiten, dass die Patente der Klägerinnen ungültig sind oder dass eine Verletzung dieser Patente vorliegt, einen Hinweis auf die Absichten dieser Parteien geben, u. a. was die Einleitung von Rechtsstreitigkeiten angeht. Wenn sie von Generikaherstellern stammen, können sie nach Maßgabe ihrer subjektiven Wahrnehmung der betreffenden Patente zum Nachweis ihrer Absicht beitragen, in den Markt einzutreten, nicht aber als solche zum Nachweis ihrer Fähigkeit zum Markteintritt, da nur die nationalen Gerichte und das EPA dafür zuständig sind, die Verletzung und die Gültigkeit der Patente festzustellen (siehe oben, Rn. 243 und 359). Da die Absicht als ein für die Feststellung der tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten des Markteintritts relevantes Kriterium angesehen wird (siehe oben, Rn. 382), können die subjektiven Einschätzungen der Parteien für den Nachweis solcher Möglichkeiten berücksichtigt werden. Da aber die Absicht, einen Markt zu erschließen, auch wenn sie für die Feststellung relevant ist, ob ein Unternehmen als potenzieller Wettbewerber eingestuft werden kann, nur ergänzend berücksichtigt wird, werden auch diese Einschätzungen für die Feststellung, ob dieses Unternehmen ein potenzieller Wettbewerber ist, nur ergänzend herangezogen. Sie müssen zudem anderen Gesichtspunkten gegenübergestellt werden, die die Absichten eines Unternehmens hinsichtlich seines Markteintritts ebenso gut bezeugen können.

385

Drittens ist das Bestehen tatsächlicher und konkreter Markteintrittsmöglichkeiten zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 138, 139 und 203, und vom 8. September 2016, Sun Pharmaceutical Industries und Ranbaxy [UK]/Kommission, T‑460/13, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:453, Rn. 94 und 95). Für die Feststellung, ob solche Vereinbarungen wettbewerbsbeschränkend im Sinne von Art. 101 AEUV sind, ist nämlich zu prüfen, welcher – tatsächliche oder potenzielle – Wettbewerb zur Zeit ihres Abschlusses auf dem in Rede stehenden Markt bestand. Folglich können Vorbringen und Dokumente, die sich auf Daten aus der Zeit nach Abschluss der streitigen Vereinbarungen beziehen, nicht berücksichtigt werden, da solche Daten die Durchführung dieser Vereinbarungen und nicht die Wettbewerbslage zum Zeitpunkt ihres Abschlusses widerspiegeln.

386

Viertens obliegt die Beweislast für das Bestehen tatsächlicher und konkreter Möglichkeiten des Markteintritts eines Wettbewerbers und allgemeiner das Vorliegen einer Zuwiderhandlung (Art. 2 der Verordnung Nr. 1/2003) der Kommission (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten,EU:T:2016:449, Rn. 105). Da aber der Großteil der Daten, anhand deren die Markteintrittsfähigkeit und ‑absicht der Generikahersteller und damit ihre tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten dazu nachgewiesen werden können, interne Daten dieser Unternehmen sind, die Letzteren am besten zugänglich sind, ist festzustellen, dass die Kommission in Ermangelung gegenteiliger Beweise für technische, rechtliche, geschäftliche oder finanzielle Schwierigkeiten das Bestehen solcher Möglichkeiten im Einzelfall hinreichend nachgewiesen hat, wenn sie ein Bündel von übereinstimmenden Indizien angeführt hat, die zumindest Schritte zur Herstellung und zur Vermarktung des betreffenden Erzeugnisses in so naher Zukunft belegen, dass davon Druck auf den auf dem Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmer ausgeht. Aus solchen Schritten kann nämlich abgeleitet werden, dass das betreffende Unternehmen nicht die Fähigkeit, sondern auch die Absicht hatte, das Risiko eines Markteintritts einzugehen (vgl. in diesem Sinne Rn. 33 der Leitlinien von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 8. September 2016, Arrow Group und Arrow Generics/Kommission, T‑467/13, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:450, Rn. 81).

2) Zum Kriterium der Verpflichtung der Generikahersteller zur Beschränkung ihrer unabhängigen Bemühungen um einen Markteintritt

i) Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

ii) Würdigung durch das Gericht

391

Zunächst ist festzustellen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss die allgemeine Zulässigkeit von Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln nicht isoliert geprüft hat. Wie sich aus Rn. 1154 des angefochtenen Beschlusses ergibt, hat sie sich für die Feststellung, ob die in Rede stehenden Vereinbarungen bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen darstellten, nicht auf die Prüfung beschränkt, ob sie Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln enthielten, sondern hat auch untersucht, ob die Parteien des Vergleichs potenzielle Wettbewerber waren und ob die Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln auf einer Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller beruhten, die einen Anreiz für dieses Unternehmen darstellte, von der Ausübung von Wettbewerbsdruck auf den Inhaber des Patents abzusehen. Folglich können die Klägerinnen und die Streithelferin der Kommission nicht vorwerfen, sie habe das bloße Vorhandensein von Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln in einem Vergleich als ausreichend für den Nachweis seines wettbewerbswidrigen Charakters angesehen.

392

Was sodann das Vorbringen der Klägerinnen und der Streithelferin angeht, jeder Vergleich enthalte notwendig Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln, ist auf die Ausführungen oben in den Rn. 258 bis 275 zu verweisen, in denen dargelegt worden ist, unter welchen Voraussetzungen die Kommission im Fall solcher Klauseln das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung feststellen kann.

393

Das Vorbringen der Klägerinnen und der Streithelferin zur Anwendung der Theorie der Nebenabreden im vorliegenden Fall ist unter Bezugnahme auf Rn. 291 des vorliegenden Urteils zurückzuweisen.

394

Zum Vorbringen der Klägerinnen, die Kommission habe eine Vereinbarung, durch die ein Generikahersteller verpflichtet wurde, sich bis zur Entscheidung eines parallel geführten Rechtsstreits gegen eine Entschädigung für den Fall des Unterliegens in diesem Rechtsstreit vom Markt zurückzuziehen, schon für unbedenklich erachtet, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung der Grundsatz der Gleichbehandlung, der ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, gebietet, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (Urteile vom 13. Dezember 1984, Sermide, 106/83, EU:C:1984:394, Rn. 28, und vom 14. Mai 1998, BPB de Eendracht/Kommission, T‑311/94, EU:T:1998:93, Rn. 309).

395

Ein Unternehmen, das durch sein Verhalten gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen hat, kann jedoch nicht deshalb jeder Sanktion entgehen, weil gegen ein anderes Unternehmen keine Geldbuße verhängt worden ist. Selbst wenn die Kommission die Lundbeck-Neolab-Vereinbarungen rechtsfehlerhaft als mit Art. 101 Abs. 1 AEUV vereinbar angesehen haben sollte, müsste der Grundsatz der Gleichbehandlung mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden, wonach sich niemand zu seinem Vorteil auf eine zugunsten eines anderen begangene Rechtsverletzung berufen kann (Urteile vom 31. März 1993, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, C‑89/85, C‑104/85, C‑114/85, C‑116/85, C‑117/85 und C‑125/85 bis C‑129/85, EU:C:1993:120, Rn. 197, und vom 14. Juli 1994, Parker Pen/Kommission, T‑77/92, EU:T:1994:85, Rn. 86).

396

Jedenfalls bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den streitigen Vereinbarungen und den Lundbeck-Neolab-Vereinbarungen, die die Kommission mit dem Beschluss C(2013) 3803 final vom 19. Juni 2013 in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache AT/39226 – Lundbeck) als wettbewerbsrechtlich unbedenklich eingestuft hat. Aus Rn. 164 dieses Beschlusses geht nämlich hervor, dass Neolab im Oktober 2002 in den Markt für Citalopram im Vereinigten Königreich eingetreten war, dass Lundbeck im November 2002 Klage wegen Verletzung eines ihrer Patente erhoben hatte und dass Neolab daraufhin Widerklage auf Nichtigerklärung des streitigen Patents erhoben hatte. Im Rahmen einer im nationalen Gerichtsverfahren erlassenen freiwilligen einstweiligen Verfügung („voluntary injunction“) hatte sich Neolab mit einer ersten Vereinbarung verpflichtet, ihr Generikum bis zum Erlass des Urteils in einem parallelen Rechtsstreit zwischen Lundbeck und dem Unternehmen Lagap über dasselbe Patent oder bis spätestens 30. November 2003 nicht zu vermarkten. Im Gegenzug hatte sich Lundbeck verpflichtet, im Fall der Ungültigerklärung des betreffenden Patents Schadensersatz an Neolab zu leisten. Nachdem Lundbeck jedoch am 13. Oktober 2003 einen Vergleich mit Lagap geschlossen hatte, waren die Verpflichtungen von Lundbeck und Neolab entfallen, und Neolab hatte den Verkauf seines Generikums am 30. Oktober 2003 wieder aufgenommen. Am 22. Dezember 2003 hatten Neolab und Lundbeck mit einer zweiten Vereinbarung einen Vergleich geschlossen, nach dem Lundbeck an Neoalb Schadensersatz zum Ausgleich dafür zahlte, dass das Generikum während des von der freiwilligen einstweiligen Verfügung erfassten Zeitraums nicht verkauft werden konnte, und beide Parteien der Vereinbarung auf die Fortsetzung des Rechtsstreits über die Verletzung des streitigen Patents und dessen Nichtigkeit bis zum 31. März 2004 verzichteten.

397

Die erste Vereinbarung unterschied sich von den im vorliegenden Fall in Rede stehenden Vereinbarungen dadurch, dass sie nach einem ersten Markteintritt des Generikaherstellers geschlossen wurde, dass die in Rede stehende Wettbewerbsbeschränkung aus einer im Rahmen eines Gerichtsverfahrens erlassenen Verfügung zu folgen schien, dass sie nur eine Nichtvermarktungsverpflichtung für einen begrenzten Zeitraum, nämlich bis zur Entscheidung in einem Rechtsstreit mit dem gleichen Gegenstand, zum Gegenstand hatte und dass sie die Leistung von Schadensersatz durch den Hersteller des Originalpräparats nur für den Fall der Nichtigerklärung seines Patents vorsah.

398

Die zweite Vereinbarung sah zwar eine Zahlung des Herstellers des Originalpräparats an den Generikahersteller vor, unterschied sich aber gleichfalls von den streitigen Vereinbarungen, da der Generikahersteller zum Zeitpunkt ihres Abschlusses bereits auf dem Markt tätig war und die Vereinbarung diese Marktpräsenz nicht in Frage stellte. Zudem sollte die Zahlung des Herstellers des Originalpräparats an den Generikahersteller nur ein Ausgleich dafür sein, dass das Generikum während des von der freiwilligen einstweiligen Verfügung erfassten Zeitraums nicht verkauft werden konnte, und so die Erhebung einer Schadensersatzklage durch Neolab verhindern.

399

Was schließlich das Vorbringen der Klägerinnen angeht, die Kommission müsse nachweisen, dass die Fortsetzung eines Rechtsstreits für die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs notwendig und ausreichend sei, um seine Unterbrechung als eine Wettbewerbsbeschränkung ansehen zu können, ist darauf hinzuweisen, dass die Definition der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung (siehe oben, Rn. 220 ff.) die Kommission weder dazu verpflichtet, zu messen, in welchem Grad der Wettbewerb durch die streitige Vereinbarung berührt sein kann, noch dazu, nachzuweisen, dass die Fortsetzung eines Rechtsstreits für die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs erforderlich ist.

3) Zu dem Kriterium der Wertübertragung zugunsten der Generikahersteller

i) Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

ii) Würdigung durch das Gericht

406

Zunächst ist festzustellen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss nicht befunden hat, dass schon die Tatsache einer Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller allein zum Nachweis des Vorliegens einer hinreichend schädlichen Wettbewerbsbeschränkung genügt. Wie sich aus Rn. 1154 des angefochtenen Beschlusses ergibt, hat die Kommission für die Feststellung, ob die in Rede stehenden Vereinbarungen bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen darstellten, geprüft, ob die Parteien des Vergleichs potenzielle Wettbewerber waren, ob die Vereinbarungen Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln enthielten und ob der Generikahersteller gegenüber dem Hersteller des Originalpräparats eine Nichtangriffs- und Nichtvermarktungsverpflichtung im Austausch gegen eine Wertübertragung eingegangen war (siehe auch oben, Rn. 265 bis 272).

407

Zudem geht aus den Rn. 265 bis 273 des vorliegenden Urteils hervor, dass im Fall einer Patentvergleichsvereinbarung zwischen zwei potenziellen Wettbewerbern, die Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln enthält, das Bestehen eines Anreizes für den Generikahersteller, sich diesen Klauseln zu unterwerfen, für sich allein die Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung begründet.

408

Diese Feststellung wird durch das Vorbringen der Klägerinnen und die Streithelferin nicht in Frage gestellt.

409

Was erstens das Vorbringen angeht, die Hersteller von Originalpräparaten müssten in Vergleichen weiter gehende Zugeständnisse machen als die Generikahersteller, da sie größeren Prozessrisiken ausgesetzt seien, ist mit der Kommission festzustellen, dass die Klägerinnen nichts zu dessen Stützung vorgetragen, sondern sich auf eine Bezugnahme auf ihre Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte beschränkt haben. Selbst wenn das Bestehen eines größeren Risikos für den Hersteller des Originalpräparats nachgewiesen wäre, könnte zudem ein solches Risiko eine umgekehrte Wertübertragung, die einen Anreiz für den Generikahersteller zum Verzicht auf seine Markteintrittsbemühungen darstellt, nicht rechtfertigen.

410

Das Vorbringen der Streithelferin, die nationalen Systeme der Festlegung der Arzneimittelpreise seien nachteilig für die Hersteller von Originalpräparaten und die nationalen Rechtsschutzmechanismen böten keinen wirksamen Schutz gegen den Risikomarkteintritt von Generika, ist, seine Stichhaltigkeit unterstellt, nicht geeignet, eine Vereinbarung mit wettbewerbswidrigem Zweck zu rechtfertigen. Nach ständiger Rechtsprechung kann nämlich nicht hingenommen werden, dass Unternehmen die Wirkungen von Rechtsvorschriften, die sie für allzu ungünstig halten, unter dem Vorwand, dass durch sie ein Ungleichgewicht zu ihren Lasten geschaffen worden sei, zu neutralisieren versuchen, indem sie Kartelle abschließen, die diese Nachteile korrigieren sollen (Urteil vom 27. Juli 2005, Brasserie nationale u. a./Kommission, T‑49/02 bis T‑51/02, EU:T:2005:298, Rn. 81; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, EU:C:2002:582, Rn. 487 und 488).

411

Was das Vorbringen der Klägerinnen betrifft, die Kommission hätte die kaufmännischen Überlegungen und die Gewinnaussichten der Parteien der Vergleiche berücksichtigen müssen, um den Anreizcharakter der Wertübertragung zu beurteilen, so geht aus Rn. 277 des vorliegenden Urteils hervor, dass die Kommission für die Feststellung, ob die Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller einen Anreiz darstellte, die Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln zu akzeptieren, zu Recht geprüft hat, ob die Wertübertragung den vom Generikahersteller getragenen spezifischen Kosten des Vergleichs entsprach. Das entscheidende Kriterium besteht somit in der Ermittlung der vergleichsinhärenten Kosten des Generikaherstellers und nicht in der Berücksichtigung der kaufmännischen Überlegungen der Parteien des Vergleichs.

412

Dem ist mit Bezug auf das gesamte in den drei vorstehenden Randnummern angeführte Vorbringen hinzuzufügen, dass der Umstand, dass sich ein wettbewerbswidriges Verhalten für ein Unternehmen als rentabelste oder risikoärmste Lösung erweisen kann, die Anwendung von Art. 101 AEUV keineswegs ausschließt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Juli 2004, Corus UK/Kommission, T‑48/00, EU:T:2004:219, Rn. 73, und vom 8. Juli 2004, Dalmine/Kommission, T‑50/00, EU:T:2004:220, Rn. 211), insbesondere wenn es darum geht, tatsächliche oder potenzielle Wettbewerber dafür zu bezahlen, dass sie dem Markt fernbleiben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 379 und 380).

413

Zweitens können die Klägerinnen der Kommission nicht vorwerfen, sie sei von den drei in Rn. 1154 des angefochtenen Beschlusses angeführten Kriterien abgewichen, indem sie Vereinbarungen über den vorzeitigen Markteintritt von Generikaherstellern als rechtmäßig eingestuft habe, obwohl diese Vereinbarungen einen signifikanten Anreiz enthalten hätten. Wie nämlich aus den Rn. 1138, 1200 und 1203 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, hat sich die Kommission auf den Hinweis darauf beschränkt, dass eine Vergleichsvereinbarung, mit der der Markteintritt eines Generikums vor Ablauf des streitigen Patents erlaubt werde, eine wettbewerbsfördernde und damit rechtmäßige Vereinbarung sein könne. Jedoch sehen in einer solchen Vereinbarung die Parteien zwar einen früheren Zeitpunkt für den Markteintritt des Generikums vor, nicht aber die Gewährung eines Anreizes durch den Hersteller des Originalpräparats für den Generikahersteller, den Markteintritt seines Erzeugnisses hinauszuzögern.

414

Die Klägerinnen können der Kommission ferner nicht vorwerfen, keine Untersuchung der 57 in ihren jährlichen Überwachungsberichten aufgeführten Vergleiche, die eine Wertübertragung umfassten, durchgeführt zu haben. Zum einen ist hierzu darauf hinzuweisen, dass ein Unternehmen, das durch sein Verhalten gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen hat, nicht deshalb jeder Sanktion entgehen kann, weil gegen ein anderes Unternehmen keine Geldbuße verhängt worden ist, da der Grundsatz der Gleichbehandlung mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden muss, wonach sich niemand zu seinem Vorteil auf eine zugunsten eines anderen begangene Rechtsverletzung berufen kann (siehe oben, Rn. 395). Zum anderen kann eine Patentvergleichsvereinbarung nicht allein deshalb, weil sie eine Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller umfasst, als rechtswidrig angesehen werden, was die Kommission im angefochtenen Beschluss auch nicht getan hat, in dem sie zu Recht geprüft hat, ob die Parteien der Vergleiche potenzielle Wettbewerber waren, ob diese Vergleiche Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln enthielten und ob der Generikahersteller die Nichtangriffs- und Nichtvermarktungsverpflichtung gegenüber dem Hersteller des Originalpräparats im Austausch gegen eine Wertübertragung eingegangen war (siehe oben, Rn. 406).

415

Drittens werfen die Klägerinnen der Kommission vor, eine weite Definition der signifikanten Wertübertragung zugrunde gelegt zu haben, indem sie zu Marktbedingungen geschlossene akzessorische Vereinbarungen berücksichtigt habe. Wie die Kommission jedoch zu Recht in Rn. 1190 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, kann der durch den Hersteller des Originalpräparats gebotene Anreiz dafür, Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln zu akzeptieren, die Form einer zu der Vergleichsvereinbarung akzessorischen Vereinbarung haben. Wenn die akzessorischen Vereinbarungen übliche Handelsvereinbarungen darstellen, die für sich bestehen könnten, hat die Kommission im vorliegenden Fall zu Recht geprüft, ob bestimmte akzessorische Vereinbarungen, die integraler Bestandteil der in Rede stehenden Vergleiche waren, mit Wertübertragungen durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller einhergingen.

416

Viertens werfen die Klägerinnen der Kommission vor, die Anreize für den Generikahersteller zur Fortsetzung des Rechtsstreits nur im Rahmen der Untersuchung des potenziellen Wettbewerbs und nicht bei der Beurteilung der Wertübertragung berücksichtigt zu haben. Wie sich jedoch aus Rn. 277 des vorliegenden Urteils ergibt, hat die Kommission für die Feststellung, ob die Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller einen Anreiz darstellte, Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln zu akzeptieren, zu Recht geprüft, ob die Wertübertragung den vom Generikahersteller getragenen spezifischen Kosten des Vergleichs entsprach. Das relevante Kriterium liegt somit in der Ermittlung der vergleichsinhärenten Kosten des Generikaherstellers und nicht in einer eventuell zwischen den Parteien bestehenden Informationsasymmetrie oder ihren jeweiligen kaufmännischen Interessen.

417

Schließlich rügen die Klägerinnen, die Kommission habe bestimmte vertragliche Klauseln der mit Teva, Krka und Lupin geschlossenen Vereinbarungen, durch die der Markteintritt der Generikahersteller habe beschleunigt werden können, außer Betracht gelassen. Dieses Vorbringen wird im Rahmen der Klagegründe betreffend diese Vereinbarungen geprüft.

418

Aus alledem ergibt sich, dass die Kommission die drei Kriterien, die sie für die Einstufung der Patentvergleichsvereinbarungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung herangezogen hat, zutreffend definiert und daher keinen Rechtsfehler bezüglich des Begriffs der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung begangen hat.

6.   Zu den mit Niche und mit Matrix geschlossenen Vereinbarungen

a)   Zur Einstufung von Niche und von Matrix als potenzielle Wettbewerber

[nicht wiedergegeben]

b)   Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Niche- und der Matrix-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung

1) Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

2) Würdigung durch das Gericht

525

Zu den Rechtsfehlern, die die Kommission mit der Einstufung der Niche- und der Matrix-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung ohne Prüfung der Frage begangen haben soll, ob sie „derart geeignet“ gewesen seien, negative Wirkungen zu haben, und obwohl ihre potenziellen Wirkungen ambivalent gewesen seien (siehe oben, Rn. 503), ist auf die Rn. 223 bis 226, 304 bis 306 und 418 des vorliegenden Urteils zu verweisen. Was die ambivalenten potenziellen Wirkungen angeht, die die Klägerinnen unter Berufung auf die patentrechtlichen sowie technischen, rechtlichen und finanziellen Schwierigkeiten geltend machen, denen sich Niche und Matrix gegenübergesehen hätten, ist hinzuzufügen, dass die Kommission diese zutreffend so beurteilt hat, dass sie die tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten von Niche und Matrix, in Wettbewerb mit den Klägerinnen zu treten, nicht beeinträchtigt haben (siehe oben, Rn. 501), so dass aus ihnen nicht abgeleitet werden kann, dass die Niche- und die Matrix-Vereinbarung ambivalente potenzielle Wirkungen entfalteten.

526

Was die geltend gemachten Beurteilungsfehler angeht, ist das Vorbringen der Klägerinnen zu prüfen, das das Vorhandensein in der Niche- und der Matrix-Vereinbarung eines als Vorteil wirkenden Anreizes für Niche und Matrix zum einen und einer entsprechenden Beschränkung ihrer Bemühungen, mit dem Hersteller des Originalpräparats in Wettbewerb zu treten, zum anderen betrifft, Voraussetzungen, bei deren Erfüllung das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung festzustellen ist (siehe oben, Rn. 272). Die Klägerinnen stellen nicht in Abrede, dass die Niche- und die Matrix-Vereinbarung Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln enthielten, die als solche wettbewerbsbeschränkenden Charakter haben (siehe oben, Rn. 257), machen aber geltend, diese Klauseln wiesen im vorliegenden Fall keinen hinreichenden Schädlichkeitsgrad auf und die in der Niche- und in der Matrix-Vereinbarung vorgesehenen Wertübertragungen könnten nicht für als Anreiz wirkende Wertübertragungen erachtet werden.

i) Zum Fehlen einer als Anreiz wirkenden Wertübertragung

527

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das Vorliegen einer Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller allein nicht den Schluss auf das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung zulässt. Nur wenn es beim Abschluss des Vergleichs zu einer nicht gerechtfertigten umgekehrten Zahlung kommt, wenn also diese Zahlung als Anreiz für den Generikahersteller wirkt, die Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu akzeptieren, ist auf das Vorliegen einer solchen Wettbewerbsbeschränkung zu schließen. In diesem Fall hängen die durch die Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln eingeführten Wettbewerbsbeschränkungen nicht mehr mit dem Patent und dem Vergleich zusammen, sondern sind durch den Anreiz zu erklären (siehe oben, Rn. 265).

528

Um festzustellen, ob eine umgekehrte Zahlung, d. h. eine Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller, einen Anreiz darstellt, Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln zu akzeptieren, ist unter Berücksichtigung ihrer Natur und ihrer Rechtfertigung zu prüfen, ob sie vergleichsinhärente Kosten deckt (siehe oben, Rn. 277). Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission somit zu Recht geprüft, ob die in der Niche- und in der Matrix-Vereinbarung vorgesehene Wertübertragung den vom Generikahersteller getragenen spezifischen Kosten des Vergleichs entsprach (Rn. 1333 bis 1337 und 1461 bis 1464 des angefochtenen Beschlusses).

529

Wenn die in einer Vergleichsvereinbarung mit wettbewerbsbeschränkenden Klauseln vorgesehene umgekehrte Zahlung die vergleichsinhärenten Kosten des Generikaherstellers ausgleichen soll, kann sie grundsätzlich nicht als Anreiz angesehen werden. Gleichwohl ist die Feststellung des Vorliegens eines Anreizes und einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung in diesem Fall nicht ausgeschlossen. Sie setzt jedoch den Nachweis durch die Kommission voraus, dass die Beträge, die diesen vergleichsinhärenten Kosten entsprechen, auch wenn sie von den Parteien dieses Vergleichs belegt und genau beziffert sind, übermäßig sind (siehe oben, Rn. 278).

530

Die vergleichsinhärenten Kosten umfassen u. a. die Rechtsverfolgungskosten des Generikaherstellers in einem Rechtsstreit mit dem Hersteller des Originalpräparats. Denn die Übernahme dieser Kosten steht in direktem Zusammenhang mit einem solchen Vergleich. Folglich kann die Kommission, wenn die Höhe der Rechtsverfolgungskosten des Generikaherstellers von den Parteien der Vereinbarung festgestellt worden ist, deren Anreizcharakter nur feststellen, wenn sie dartut, dass sie unverhältnismäßig sind (siehe oben, Rn. 279).

531

Dagegen liegen bestimmte Kosten des Generikaherstellers a priori zu weit außerhalb des Rechtsstreits und seiner Beilegung, als dass sie als dem Vergleich in einem Patentrechtsstreit inhärent angesehen werden könnten. Es handelt sich z. B. um die Kosten der Herstellung der rechtsverletzenden Erzeugnisse, die deren Lagerwert entsprechen, sowie die für die Bereitstellung dieser Erzeugnisse angefallenen Forschungs- und Entwicklungskosten. Gleiches gilt für die Beträge, die der Generikahersteller wegen außerhalb des Rechtsstreits eingegangener vertraglicher Verpflichtungen (z. B. aus Lieferverträgen) an Dritte zahlen muss. Wenn die Parteien der Vereinbarung wollen, dass die Zahlung dieser Kosten nicht als Anreiz und als Indiz für das Bestehen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung eingestuft wird, ist es ihre Sache darzutun, dass diese Kosten dem Rechtsstreit oder seiner Beilegung inhärent sind, und sodann ihre Höhe zu rechtfertigen. Sie könnten sich hierfür auch darauf berufen, dass der Betrag zur Erstattung dieser a priori nicht der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits inhärenten Kosten unbedeutend sei und daher nicht ausreiche, um einen signifikanten Anreiz dafür darzustellen, die in der Vergleichsvereinbarung vorgesehenen wettbewerbsbeschränkenden Klauseln zu akzeptieren (siehe oben, Rn. 280).

532

Im vorliegenden Fall geht für die Niche-Vereinbarung, wie die Kommission zu Recht in Rn. 1322 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, das Bestehen eines Anreizes klar aus dem Wortlaut der Vereinbarung selbst hervor, in deren Art. 13 es heißt: „Als Gegenleistung für die [in der Vereinbarung vorgesehenen] Verpflichtungen sowie die erheblichen Kosten und potenziellen Verbindlichkeiten, die Niche und Unichem möglicherweise wegen der Einstellung ihres Programms zur Entwicklung von Perindopril unter Verwendung des [streitigen] Verfahrens entstehen, zahlt Servier einen Betrag von 11,8 Mio. GBP an Niche und an Unichem.“ Bei den genannten Verpflichtungen handelt es sich um die Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln, für die diese Bestimmung somit ausdrücklich eine Zahlung vorsieht.

533

Diese Auslegung der Niche-Vereinbarung wird zudem nicht durch das Vorbringen der Klägerinnen in Frage gestellt, die Wendung „als Gegenleistung“ sei eine Standardformel des englischen Rechts, mit der die für die Wirksamkeit jedes Vertrags nötige Gegenseitigkeit zum Ausdruck gebracht werde. Selbst wenn nämlich daraus abzuleiten wäre, dass diese Wendung eine Art Stilformel ohne Bedeutung ist, bringt sie doch den Klägerinnen selbst zufolge die Gegenseitigkeit zum Ausdruck und bewirkt, dass der in Art. 13 der Niche-Vereinbarung vorgesehene Betrag für die Übernahme der Verpflichtungen geleistet wird, die Niche mit dieser Vereinbarung auferlegt werden.

534

Diese Auslegung der Niche-Vereinbarung wird auch weder durch die behauptete Asymmetrie zwischen den für den Hersteller des Originalpräparats und den für den Generikahersteller bestehenden Risiken noch durch das vermeintliche Verhandlungsgeschick von Niche in Frage gestellt. Durch eine solche Risikoasymmetrie wie auch durch das Verhandlungsgeschick des Generikaherstellers lässt sich zwar erklären, welche Gründe den Hersteller des Originalpräparats veranlassen können, erhebliche umgekehrte Zahlungen an den Generikahersteller zu leisten. Die Leistung einer erheblichen Zahlung dient jedoch gerade der Ausschaltung jedes, und sei es auch geringen, Risikos, dass die Generikahersteller in den Markt eintreten könnten, und bestätigt so, dass den Generikaherstellern ihr Fernbleiben vom Markt vom Hersteller des Originalpräparats abgekauft wurde. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass sich ein wettbewerbswidriges Verhalten für ein Unternehmen als rentabelste oder risikoärmste Lösung erweisen kann oder dass es ein zu seinen Lasten bestehendes Ungleichgewicht korrigieren soll, die Anwendung von Art. 101 AEUV keineswegs ausschließt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Juli 2004, Corus UK/Kommission, T‑48/00, EU:T:2004:219, Rn. 73, vom 8. Juli 2004, Dalmine/Kommission, T‑50/00, EU:T:2004:220, Rn. 211, und vom 27. Juli 2005, Brasserie nationale u. a./Kommission, T‑49/02 bis T‑51/02, EU:T:2005:298, Rn. 81), insbesondere wenn es darum geht, tatsächliche oder potenzielle Wettbewerber dafür zu bezahlen, dass sie dem Markt fernbleiben (Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 379 und 380).

535

Im vorliegenden Fall ist zudem ohne Belang, dass nach der vorgenannten Bestimmung der Niche-Vereinbarung die Zahlung des Betrags von 11,8 Mio. GBP nach einem nicht festgelegten Schlüssel die Gegenleistung nicht nur für die Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln, sondern auch für andere Kosten sein sollte, da diese andere Kompensation die Feststellung, dass die wettbewerbsbeschränkenden Klauseln von den Klägerinnen gekauft worden sind, und damit das Bestehen eines Anreizes für Niche, sich diesen Klauseln zu unterwerfen, nicht in Frage stellt.

536

Diese anderen Kosten, die in der Niche-Vereinbarung beschrieben werden als die „erheblichen Kosten und potenziellen Verbindlichkeiten, die Niche und Unichem möglicherweise wegen der Einstellung ihres Programms zur Entwicklung von Perindopril unter Verwendung des [streitigen] Verfahrens entstehen“, entsprechen nämlich nach der Darstellung von Niche im Verwaltungsverfahren (Rn. 1326 des angefochtenen Beschlusses) und der Klägerinnen selbst in ihren Schriftsätzen den Kosten der Entwicklung des Perindoprils von Niche und der Entschädigung, die Niche ihren Kunden wegen Verletzung ihrer Vertragspflichten diesen gegenüber schuldete. Solche Kosten sind aber a priori dem Vergleich in einem Patentrechtsstreit nicht inhärent (siehe oben, Rn. 531), und die Klägerinnen weisen nicht nach, dass sie der im vorliegenden Fall geschlossenen Vergleichsvereinbarung inhärent sind.

537

Selbst wenn, wie die Klägerinnen im Wesentlichen geltend machen, die den Kunden von Niche geschuldeten Entschädigungen diesen nicht zugestanden hätten, falls Niche den Rechtsstreit mit den Klägerinnen fortgesetzt hätte, liegen solche Entschädigungen im vorliegenden Fall zu weit außerhalb des Rechtsstreits und seiner Beilegung, als dass sie als diesem Vergleich inhärent angesehen werden könnten, da sie den Klägerinnen zufolge im Fall der „gewillkürten Beendigung des Vorhabens“ geschuldet waren, was eine Kündigung der Verträge mit ihren Kunden bedeutete, und die Vereinbarung Niche die Möglichkeit ließ, ihre vertraglichen Beziehungen zu ihren Kunden nicht zu beenden, sondern lediglich zu suspendieren (Art. 11 der Niche-Vereinbarung). Überdies haben die Klägerinnen in der Sitzung selbst eingeräumt, dass die fraglichen Entschädigungen den Kunden von Niche möglicherweise auch unabhängig von der Niche-Vereinbarung hätten gezahlt werden müssen. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Angaben der Klägerinnen, mit denen sie die Höhe dieser Entschädigungen bestreiten, die von der Kommission im angefochtenen Beschluss auf 1,3 Mio. GBP geschätzt werden (Rn. 1335), nicht beweiskräftig sind, da sie sich auf darunter liegende Beträge beziehen oder schlichte Behauptungen höherer Beträge enthalten.

538

Die im angefochtenen Beschluss (Rn. 1334) genannten „Rechtskosten“ hat Niche im Verwaltungsverfahren als in den Entwicklungskosten enthaltene Kosten für Rechtsberatung (Rn. 601 des angefochtenen Beschlusses) dargestellt, die nach Rn. 531 des vorliegenden Urteils nicht vergleichsinhärent sind, während die Klägerinnen sie als „Anwalts- und Patentkosten“ bezeichnen, die zu den vergleichsinhärenten Kosten der Rechtsverfolgung gehören können (siehe oben, Rn. 530). Selbst wenn es sich aber bei dem als „Anwalts- und Patentkosten“ bezeichneten Betrag von 1,1 Mio. GBP um Kosten der Rechtsverfolgung handeln sollte, deren Erstattung grundsätzlich rechtmäßig in einem Vergleich vorgesehen werden kann, kann dieser Betrag nicht zu den Kosten gehören, die dem im vorliegenden Fall geschlossenen Vergleich inhärent sind. Wie sich nämlich aus dem Vorbringen der Klägerinnen und den von ihnen vorgelegten Unterlagen ergibt, betreffen die in Rede stehenden Kosten einen Zeitraum bis Ende 2003, also vor der Entstehung der Rechtsstreitigkeiten zwischen Niche und den Klägerinnen (siehe oben, Rn. 11, 13 und 16), die mit der Niche-Vereinbarung beendet worden sind.

539

Ergänzend sei dem hinzugefügt, dass, selbst wenn dieser Betrag von 1,1 Mio. GBP zu den Entwicklungskosten und den Kosten der Entschädigungen für die Niche-Kunden hinzugerechnet werden müsste, die von der Kommission im angefochtenen Beschluss auf 1,2 bzw. 1,3 Mio. GBP geschätzt werden (Rn. 1336), ohne dass die Klägerinnen dem stichhaltig widersprochen haben (siehe u. a. oben, Rn. 537), der sich daraus ergebende Gesamtbetrag (3,6 Mio. GBP) deutlich unter dem Betrag von 11,8 Mio. GBP läge.

540

Folglich hat die Kommission im angefochtenen Beschluss (Rn. 1348) zutreffend festgestellt, dass die Niche-Vereinbarung einen Anreiz für Niche enthält, sich den in dieser Vereinbarung enthaltenen Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu unterwerfen, ohne dass sie darüber hinaus, wie die Klägerinnen geltend machen (siehe oben, Rn. 513) zu prüfen hatte, ob diese Klauseln ohne diese als Anreiz wirkende Zahlung eine weniger wettbewerbsbeschränkende Tragweite gehabt hätten. Die Feststellung eines Anreizes, sich Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu unterwerfen, erfordert nämlich nur das Bestehen solcher Klauseln, unabhängig von ihrer mehr oder weniger wettbewerbsbeschränkenden Tragweite, und eine Analyse der durch die fragliche Wertübertragung gedeckten Kosten (siehe oben, Rn. 528 bis 531).

541

Folglich ist auch die Rüge als ins Leere gehend zurückzuweisen, die Kommission habe einen Beurteilungsfehler begangen mit der Feststellung, dass der nach der Niche-Vereinbarung an Niche gezahlte Betrag den Prognosen von mehr als zehn Verkaufsjahren und mehr als zwanzig Jahren Bruttogewinnspanne entsprochen habe (siehe oben, Rn. 514). Unterstellt, die Kommission hätte einen solchen Fehler begangen, wäre dieser ohne Bedeutung für die Einstufung der Wertübertragung durch die Klägerinnen an Niche als Anreiz, da sich aus den Rn. 536 bis 538 des vorliegenden Urteils ergibt, dass diese Wertübertragung keine vergleichsinhärenten Kosten deckte, und auch nicht vorgetragen noch gar nachgewiesen worden ist, dass der Betrag dieser Übertragung unbedeutend und damit für einen Anreiz nicht ausreichend sei.

542

Was ferner den zusätzlichen Anreiz angeht, der sich aus dem Betrag ergeben soll, der in Anwendung der Biogaran-Vereinbarung gezahlt worden sein soll (Rn. 1349 bis 1354 des angefochtenen Beschlusses), ist, wie in den nachstehenden Rn. 798 bis 810 näher auszuführen sein wird, der Umstand, dass eine geschäftliche Vereinbarung, die normalerweise keinen Vergleich zum Gegenstand hat und mittels deren eine Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller erfolgt, eine Nebenabrede zu einer Vergleichsvereinbarung mit wettbewerbsbeschränkenden Klauseln bildet, ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer „umgekehrten Zahlung“ darstellt, d. h. einer Wertübertragung, der keine wirkliche unter diese akzessorische geschäftliche Vereinbarung fallende Gegenleistung entspricht (siehe unten, Rn. 804), und damit einer Zahlung, die ebenfalls einen Anreiz darstellt, wenn mit ihr nicht die vergleichsinhärenten Kosten erstattet werden sollen. Hat die Kommission Indizien oder Beweise vorgelegt, die geeignet sind, ein solches gewichtiges Indiz zu untermauern und so das Vorliegen einer umgekehrten Zahlung zu beweisen, können die Parteien der Vereinbarung ihre Version des Sachverhalts vortragen und ihr Vorbringen mit den ihnen verfügbaren Anhaltspunkten dafür untermauern, dass die geschäftliche Vereinbarung, obwohl sie eine zu einer Vergleichsvereinbarung akzessorische Vereinbarung bildet, aus anderen Gründen als dem des Ausschlusses eines Wettbewerbers mittels einer umgekehrten Zahlung gerechtfertigt ist.

543

Im vorliegenden Fall hat die Kommission mehrere Faktoren angeführt, die zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen der Niche- und der Biogaran-Vereinbarung besteht und dass es keine Entsprechung zwischen der in der Biogaran-Vereinbarung vorgesehenen Wertübertragung und den Niche durch diese Vereinbarung auferlegten Verpflichtungen gibt. Zum einen hat sie berücksichtigt, dass die Vereinbarungen während desselben Zeitraums ausgehandelt und zu demselben Zeitpunkt von denselben Unternehmen geschlossen wurden und dass beide Vereinbarungen eine Zahlung in zwei Raten zu denselben Zeitpunkten vorsahen. Zum anderen hat Niche, obwohl die Klägerinnen vorgetragen haben, dass es keinen Zusammenhang zwischen den beiden Vereinbarungen gebe, angegeben, dass die Klägerinnen die Biogaran-Vereinbarung vorgeschlagen haben, um ihr „die Gesamtheit der im Gegenzug für den Abschluss des Vergleichs vereinbarten Entschädigung“ zukommen zu lassen. Die Kommission hat zudem eine E‑Mail des Beraters von Biogaran an Niche vom 4. Februar 2005, in der es heißt: „Angesichts der Beträge, um die es geht, halten wir es für erforderlich, über zusätzliche Rechte an anderen Erzeugnissen und über eine gewisse Freiheit beim Produktangebot zu verfügen“, dahin ausgelegt, dass der an Niche zu zahlende Betrag vor einer Einigung der Parteien über den Bereich der von der Biogaran-Vereinbarung erfassten Erzeugnisse festgesetzt worden war. Die Kommission hat auch festgestellt, dass die Bestimmungen der Biogaran-Vereinbarung, insbesondere die Art. 14.4 und 14.5, deren automatische Kündigung für den Fall vorsahen, dass binnen 18 Monaten keine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt würde, ohne dass Biogaran eine Entschädigung von Niche fordern könnte, im Gegensatz zu den Bestimmungen in anderen von Biogaran geschlossenen Vereinbarungen über den Erwerb von Produkt-Dossiers. Schließlich hat die Kommission darauf hingewiesen, dass Biogaran mit Ausnahme eines Erzeugnisses keine Genehmigungen für das Inverkehrbringen auf der Grundlage der von Niche verkauften Dossiers erhalten und ihr mit der Biogaran-Vereinbarung zusammenhängender Umsatz zwischen 100000 und 200000 Euro gelegen habe.

544

Die Klägerinnen tragen nichts vor, was diese Analyse in Frage stellen kann, außer einer Rüge, mit der sie die Nichtberücksichtigung des Interesses von Biogaran am Abschluss der Biogaran-Vereinbarung beanstanden. Abgesehen davon, dass ein solches Interesse nicht als ausreichend angesehen werden kann, um den Betrag der in der Biogaran-Vereinbarung vorgesehenen Wertübertragung zu rechtfertigen, ist darauf hinzuweisen, dass aus Rn. 1351 des angefochtenen Beschlusses mehrere Feststellungen hervorgehen, die am Bestehen eines derartigen Interesses von Biogaran zweifeln lassen. Nach diesen von den Klägerinnen nicht bestrittenen Feststellungen war nämlich der von Biogaran an Niche zu zahlende Betrag vereinbart worden, bevor sich beide über die von der Biogaran-Vereinbarung betroffenen Erzeugnisse geeinigt hatten, wobei diese Vereinbarung von den Parteien binnen 18 Monaten gekündigt werden konnte, ohne dass eine von ihnen Anspruch auf eine Entschädigung hatte, und es war keine Erstattung an Biogaran vorgesehen, falls die verkauften Genehmigungen für das Inverkehrbringen nicht innerhalb einer bestimmten Frist erteilt würden. Daher konnte die Kommission in der Biogaran-Vereinbarung einen zusätzlichen Anreiz für Niche sehen, die wettbewerbsbeschränkenden Klauseln der Niche-Vereinbarung zu akzeptieren.

545

Zu den Anträgen der Klägerinnen, ihnen eine Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses oder eine Herabsetzung der Geldbuße für Biogaran im Rahmen der Rechtssache T‑677/14 zugutekommen zu lassen, ist auf die Rn. 89 bis 99 des vorliegenden Urteils zu verweisen.

546

Was die Matrix-Vereinbarung angeht, ist darauf hinzuweisen, dass ihr Art. 9 dem Art. 13 der Niche-Vereinbarung ähnlich ist und dass das Vorbringen, mit dem die Beurteilung der Matrix-Vereinbarung durch die Kommission aus denselben Gründen beanstandet wird wie die der Niche-Vereinbarung, mit derselben Begründung zurückzuweisen ist. Zu dem Vorbringen, das spezifisch gegen die Analyse der Matrix-Vereinbarung durch die Kommission gerichtet ist, wonach Matrix wegen gemeinsamer Haftung mit Niche ebenfalls von der Entschädigung der Niche-Kunden betroffen sei, ist darauf hinzuweisen, dass solche Kosten nicht als vergleichsinhärente Kosten angesehen werden können (siehe oben, Rn. 531) und daher die in der Matrix-Vereinbarung vorgesehene Wertübertragung nicht rechtfertigen können, zumal weder die Klägerinnen noch Matrix nachweisen konnten, dass der Betrag von 11,8 Mio. GBP derartigen Kosten oder anderen vergleichsinhärenten Kosten entsprach.

547

Folglich hat die Kommission im angefochtenen Beschluss (vgl. u. a. Rn. 1452, 1453, 1463, 1464 und 1467) ebenfalls zutreffend festgestellt, dass die Matrix-Vereinbarung einen Anreiz für Matrix enthielt, sich den in dieser Vereinbarung vorgesehenen Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu unterwerfen.

ii) Zum Fehlen hinreichender Schädlichkeit der Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln

548

Die Klägerinnen bestreiten nicht, dass die Niche- und die Matrix-Vereinbarung Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln enthielten.

549

Gemäß den in der Niche- und der Matrix-Vereinbarung enthaltenen Nichtangriffsklauseln durften diese beiden Unternehmen keine Klage wegen Patentverletzung oder auf Feststellung des Fehlens einer Patentverletzung in Bezug auf die Patente 339, 340, 341, 947, 689 und 948 erheben; Niche willigte außerdem darin ein, ihre beim EPA erhobenen Einsprüche gegen die Patente 947 und 948 zurückzuziehen (Art. 7 und 8 der Niche-Vereinbarung und Art. 5 der Matrix-Vereinbarung). Gemäß den in der Niche- und der Matrix-Vereinbarung enthaltenen Vermarktungsverbotsklauseln durften diese beiden Unternehmen kein Erzeugnis herstellen, besitzen, einführen, liefern, zu liefern anbieten, zu ihrer Verfügung haben und keine Handlung vornehmen, durch die die Patente 339 bis 341 im Zusammenhang mit Perindopril verletzt werden konnten (Art. 3 der Niche-Vereinbarung und Art. 1 der Matrix-Vereinbarung). Sie durften zudem keine Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Perindopril beantragen (Art. 10 der Niche-Vereinbarung und Art. 6 der Matrix-Vereinbarung) und mussten ihre mit Dritten geschlossenen Verträge betreffend Perindopril beenden oder aussetzen (Art. 11 der Niche-Vereinbarung und Art. 7 der Matrix-Vereinbarung).

550

Die Klägerinnen bestreiten jedoch, dass die in der Niche- und der Matrix-Vereinbarung enthaltenen Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln hinreichend schädlich oder spürbar sind.

551

Hierzu machen sie als Erstes geltend, Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln seien Vergleichen inhärent.

552

Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln sind zwar zur gütlichen Beilegung bestimmter Patentrechtsstreitigkeiten nötig (siehe oben, Rn. 259), doch verlieren solche Klauseln ihre Rechtfertigung und sind hinreichend schädlich für das Funktionieren des normalen Wettbewerbs, um als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden zu können, wenn der Anreiz, wie er im vorliegenden Fall festgestellt worden ist, und nicht die Anerkennung der Gültigkeit der in Rede stehenden Patente durch die Parteien der wirkliche Grund für die mit diesen Klauseln eingeführten Wettbewerbsbeschränkungen ist (siehe oben, Rn. 270).

553

Zu dem Vorbringen der Klägerinnen, der durch die Nichtangriffsklausel bedingte Verlust der Chance, in einem Rechtsstreit zu obsiegen, genüge nicht, um eine Vereinbarung, mit der ein tatsächlicher Rechtsstreit gütlich beigelegt werde, als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung einzustufen (siehe oben, Rn. 505), ist zudem hervorzuheben, dass die Nichtangriffsklausel zwar nicht als solche einen Markteintritt verhindert, wohl aber u. a. die Erhebung von Klagen, mit denen im Rahmen einer Risikomarkteinführung „der Weg geebnet“ werden soll, und damit die Nutzung eines der Instrumente zur Ermöglichung eines solchen Markteintritts (siehe oben, Rn. 257). Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im vorliegenden Fall als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung nicht die in der Niche- und der Matrix-Vereinbarung enthaltenen Nichtangriffsklauseln allein eingestuft hat, sondern diese Vereinbarungen als Ganzes, die sowohl Nichtangriffs- als auch Vermarktungsverbotsklauseln und einen Anreiz enthalten, sich diesen Klauseln zu unterwerfen (Rn. 1375 und 1481 des angefochtenen Beschlusses).

554

Die Klägerinnen machen als Zweites geltend, die in der Niche- und in der Matrix-Vereinbarung enthaltenen Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln wiesen keinen hinreichenden Schädlichkeitsgrad auf, da sich ihre Wirkungen aus dem Bestehen der Patente und nicht aus den Bestimmungen dieser Vereinbarungen ergäben.

555

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das Bestehen eines Anreizes für den Generikahersteller, sich Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu unterwerfen, die Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung erlaubt, und zwar auch dann, wenn die Vergleichsvereinbarung Klauseln enthält, deren Reichweite nicht über die des streitigen Patents hinausgeht (siehe oben, Rn. 273). Selbst wenn also die Vermarktungsverbotsklauseln, wie die Klägerinnen geltend machen, Niche und Matrix nicht an einem Markteintritt mit einem patentverletzenden Erzeugnis hindern und sich auf die Wirkungen einer einstweiligen Verfügung wegen Verletzung der in Rede stehenden Patente beschränken oder ihnen sogar erlauben sollten, auch dank des im Rahmen der Wertübertragung erhaltenen Geldbetrags mit ihren Partnern die Entwicklung des Projekts für ein neues, nicht patentverletzendes Perindopril aufzunehmen (siehe oben, Rn. 506), würden die Niche- und die Matrix-Vereinbarung gleichwohl eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellen.

556

Die Klägerinnen stellen als Drittes in Abrede, dass die Nichtangriffsklauseln hinreichend schädlich seien, und machen geltend, diese beträfen nur eines der Unternehmen, die beim EPA Einspruch gegen das Patent 947 erhoben hätten, und hätten wegen der Beschränkung des Rechtsstreits auf den Vorwurf der Patentverletzung keine Auswirkung auf die anderen Generikahersteller.

557

Selbst wenn diese Behauptungen, die Wirkungen der Niche- und der Matrix-Vereinbarung seien auf die Generikahersteller beschränkt, die Parteien dieser Vereinbarungen seien, zutreffen sollten, würde es deren Ausschluss vom Markt kraft der Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln als Gegenleistung für eine als Anreiz wirkende Wertübertragung und damit den hinreichenden Schädlichkeitsgrad dieser Vereinbarungen nicht in Frage stellen, so dass die Prüfung ihrer konkreten Wirkungen überflüssig ist.

558

Folglich hat die Kommission die Niche- und die Matrix-Vereinbarung nicht fehlerhaft als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung angesehen.

559

Dieses Ergebnis wird nicht durch Beurteilungsfehler in Frage gestellt, die die Kommission bei der Darstellung des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts der Niche- und der Matrix-Vereinbarung und bei der Berücksichtigung der subjektiven Absichten der Parteien begangen haben soll.

560

Das Vorbringen der Klägerinnen, die Parteien der Niche- und der Matrix-Vereinbarung hätten keine wettbewerbswidrigen Absichten gehabt und rechtmäßige Ziele verfolgt, was namentlich Niche veranlasst habe, von sich aus die Klägerinnen zu kontaktieren, kann weder das Vorliegen eines als Anreiz wirkenden Vorteils noch den wettbewerbsbeschränkenden Charakter der in diesen Vereinbarungen enthaltenen Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln in Frage stellen. Folglich wäre dieses Vorbringen, auch wenn es auf bewiesenen Tatsachen beruhen sollte, jedenfalls nicht geeignet, die Einstufung der Niche- und der Matrix-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung durch die Kommission in Frage zu stellen.

561

Dem ist auch hinzuzufügen, dass die Absicht der Parteien kein notwendiges Element für die Feststellung ist, ob eine bestimmte Art der Koordinierung zwischen Unternehmen wettbewerbsbeschränkenden Charakter hat (siehe oben, Rn. 222).

562

Da zudem die Niche- und die Matrix-Vereinbarung Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln enthielten, deren per se wettbewerbsbeschränkender Charakter nicht stichhaltig in Frage gestellt worden ist, konnte die Kommission diese Vereinbarungen wegen des Bestehens eines Anreizes als Marktausschlussvereinbarungen ansehen, die als solche einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgten. Nach ständiger Rechtsprechung hindert aber der Umstand allein, dass eine Vereinbarung auch zulässige Zwecke verfolgt, nicht an ihrer Einstufung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung (siehe oben, Rn. 222).

563

Zu den Beurteilungsfehlern, die die Kommission bei der Darstellung des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts der Niche- und der Matrix-Vereinbarung begangen haben soll, wiederholen die Klägerinnen ihr Vorbringen, mit dem sie unter Hinweis auf ihre Patente und die darüber geführten Rechtsstreitigkeiten sowie auf die finanziellen und rechtlichen Schwierigkeiten von Niche in Abrede stellen, dass Niche und Matrix die Fähigkeit und die Absicht gehabt hätten, in den Markt einzutreten (siehe oben, Rn. 507 und 519). Da dieses Vorbringen im Rahmen des Klagegrundes geprüft und zurückgewiesen worden ist, mit dem die Einstufung von Niche und Matrix als potenzielle Wettbewerber beanstandet wird (siehe oben, Rn. 432 bis 501), kann es die Einstufung der Niche- und der Matrix-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung nicht in Frage stellen.

564

Nach alledem ist der Klagegrund, mit dem Rechts- und Beurteilungsfehler hinsichtlich der Einstufung der Niche- und der Matrix-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung gerügt werden, insgesamt zurückzuweisen.

c)   Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Niche- und der Matrix-Vereinbarung als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung

565

Die Klägerinnen werfen der Kommission verschiedene Rechts- und Beurteilungsfehler betreffend die Einstufung der Niche- und der Matrix-Vereinbarung als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung vor.

566

Können bestimmte Gründe eines Beschlusses diesen bereits für sich allein rechtlich hinreichend rechtfertigen, so haben Mängel, mit denen andere Gründe des betreffenden Rechtsakts gegebenenfalls behaftet sind, keinen Einfluss auf dessen verfügenden Teil. Zudem ist, wenn der verfügende Teil eines Beschlusses der Kommission auf mehreren Begründungspfeilern ruht, von denen jeder für sich ausreichen würde, um ihn zu tragen, dieser Rechtsakt grundsätzlich nur dann für nichtig zu erklären, wenn jeder dieser Pfeiler fehlerhaft ist. In einem derartigen Fall kann ein Fehler oder ein anderer Mangel, der nur einen der genannten Begründungspfeiler betrifft, nicht genügen, um die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses herbeizuführen, da dieser Fehler den von dem betreffenden Organ erlassenen verfügenden Teil des Beschlusses nicht entscheidend beeinflussen kann (vgl. Urteil vom 14. Dezember 2005, General Electric/Kommission, T‑210/01, EU:T:2005:456, Rn. 42 und 43 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

567

Wie oben in Rn. 219 ausgeführt worden ist, brauchen für die Beurteilung der Frage, ob ein Kartell nach Art. 101 Abs. 1 AEUV verboten ist, seine konkreten Auswirkungen nicht berücksichtigt zu werden, wenn sich ergibt, dass es eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt bezweckt.

568

Folglich wirkt sich, wenn die Kommission die Feststellung einer Zuwiderhandlung auf das Vorliegen sowohl einer bezweckten als auch einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung stützt, ein Rechtsfehler in der Begründung betreffend das Vorliegen einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung jedenfalls nicht entscheidend auf den verfügenden Teil des Beschlusses aus, soweit die Begründung zum Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung, das für sich allein die Feststellung einer Zuwiderhandlung begründen kann, nicht mit einem Rechtsfehler behaftet ist.

569

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Prüfung des Klagegrundes, mit dem Rechts- und Beurteilungsfehler betreffend die Einstufung der Niche- und der Matrix-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung gerügt werden, dass die Klägerinnen nicht nachgewiesen haben, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss rechtsfehlerhaft befunden hat, dass die in Rede stehenden Vereinbarungen im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezweckten.

570

Der vorliegende Klagegrund ist daher als ins Leere gehend zurückzuweisen.

7.   Zu der mit Teva geschlossenen Vereinbarung

a)   Zur Einstufung von Teva als potenzieller Wettbewerber

[nicht wiedergegeben]

b)   Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Teva-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung

1) Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

2) Würdigung durch das Gericht

643

Zu prüfen ist das Vorbringen der Klägerinnen, das das Vorhandensein in der Teva-Vereinbarung eines als Vorteil wirkenden Anreizes für Teva zum einen und einer entsprechenden Beschränkung ihrer Bemühungen, mit dem Hersteller des Originalpräparats in Wettbewerb zu treten, zum anderen betrifft, Voraussetzungen, bei deren Erfüllung das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung festzustellen ist (siehe oben, Rn. 272). Da im vorliegenden Fall die Feststellung des Bestehens eines als Vorteil wirkenden Anreizes von der Feststellung des wettbewerbsbeschränkenden Charakters bestimmter Klauseln der Teva-Vereinbarung abhängt, sind zunächst die gegen die Beurteilung der Klauseln der Vereinbarung gerichteten Rügen zu prüfen und sodann diejenigen, mit denen die Beurteilung der in dieser Vereinbarung vorgesehenen Wertübertragung beanstandet wird. Zuletzt ist die hilfsweise erhobene Rüge zu prüfen, die die Dauer der den Klägerinnen im Zusammenhang mit der Teva-Vereinbarung vorgeworfenen Zuwiderhandlung betrifft.

i) Zum Fehlen einer Beschränkung der Bemühungen des Generikaherstellers, mit dem Hersteller des Originalpräparats in Wettbewerb zu treten

644

Vorab ist das Vorbringen der Klägerinnen zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern zurückzuweisen, die die Kommission mit der Einstufung der Teva-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung begangen habe, obwohl deren potenzielle Wirkungen wettbewerbsfördernd und ihre wettbewerbswidrigen Wirkungen rein hypothetisch gewesen seien (siehe oben, Rn. 634). Gewiss dürfen die Kommission und der Richter bei der Prüfung des wettbewerbsbeschränkenden Zwecks einer Vereinbarung und insbesondere im Rahmen der Berücksichtigung ihres wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts die potenziellen Wirkungen dieser Vereinbarung nicht völlig außer Betracht lassen (siehe oben, Rn. 304). Aus der Rechtsprechung ergibt sich aber auch, dass die Feststellung des Vorliegens einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung nicht unter dem Vorwand u. a. der Prüfung des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts der jeweiligen Vereinbarung dazu führen darf, deren Wirkungen zu beurteilen, soll nicht der in Art. 101 Abs. 1 AEUV vorgesehenen Unterscheidung zwischen bezweckter und bewirkter Wettbewerbsbeschränkung die praktische Wirksamkeit genommen werden (siehe oben, Rn. 221). Für die Prüfung, ob eine Vereinbarung besonders geeignet ist, wettbewerbsbeschränkende Wirkungen zu entfalten, die für Vereinbarungen mit wettbewerbswidrigem Zweck kennzeichnend sind, muss somit die Untersuchung der potenziellen Wirkungen einer Vereinbarung auf diejenigen Wirkungen beschränkt werden, die zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung objektiv vorhersehbar waren (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwalt Wahl in der Rechtssache ING Pensii, C‑172/14, EU:C:2015:272, Nr. 84; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 80 bis 82). Im vorliegenden Fall werden aber die behaupteten potenziellen Wirkungen, ob nun nicht wettbewerbsbeschränkend oder wettbewerbsfördernd, auf hypothetische und damit beim Abschluss der Teva-Vereinbarung nicht vorhersehbare Umstände gestützt, wie etwa die Entscheidung des EPA über die Gültigkeit des Patents 947 oder den Eintritt anderer Generikahersteller in den Markt des Vereinigten Königreichs, die im Rahmen der Untersuchung des wettbewerbswidrigen Zwecks nicht berücksichtigt werden können (siehe auch unten, Rn. 667 und 668).

645

Was sodann das Vorbringen angeht, die Klauseln der Teva-Vereinbarung seien per se nicht wettbewerbswidrig, ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln Vergleichen inhärent sind, nicht ausschließt, dass Vergleichsvereinbarungen, die solche Klauseln enthalten, als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden können (siehe oben, Rn. 273). Zudem ist zum Vorbringen der Klägerinnen, auf die Teva-Vereinbarung sei die Theorie der Nebenabreden anwendbar, weil deren Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln für die gütliche Beilegung des in Rede stehenden Rechtsstreits notwendig seien und hierzu im rechten Verhältnis stünden, bereits festgestellt worden, dass dieses Band der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit unterbrochen sein kann, wenn das Bestehen eines Anreizes festgestellt wird, sich solchen Klauseln zu unterwerfen (siehe oben, Rn. 291). Somit könnte diese Theorie nur dann Anwendung auf die Teva-Vereinbarung finden, wenn die in dieser vorgesehene Wertübertragung keinen Anreizcharakter hätte (siehe unten, Rn. 679 bis 699).

646

Als Zweites ist festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerinnen den wettbewerbsbeschränkenden Charakter der in der Teva-Vereinbarung enthaltenen Nichtangriffsklausel nicht in Frage stellen kann.

647

Nach dieser Klausel verpflichtete sich Teva, während der Laufzeit der Teva-Vereinbarung im Vereinigten Königreich nicht gegen die Patente 947 und 339 bis 341 vorzugehen, wobei es ihr nicht verwehrt war, ihr Einspruchsverfahren gegen die streitigen Patente beim EPA weiterzuverfolgen (Art. 2.4 der Teva-Vereinbarung).

648

Die Kommission hat im angefochtenen Beschluss befunden, dass diese Nichtangriffsklausel hauptsächlich zwei Folgen gehabt habe, und zwar erstens, Teva an der Erbringung des Nachweises zu hindern, dass das Erzeugnis, das sie vermarkten wollte, diese Patente nicht verletze, und zweitens, eine objektive rechtliche Prüfung der Gültigkeit der Patente der Klägerinnen im Vereinigten Königreich zu verhindern (Rn. 1546).

649

Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerinnen diese erste Folge der in der Teva-Vereinbarung enthaltenen Nichtangriffsklausel nicht in Abrede stellen, sondern geltend machen, eine solche Folge sei mit jeder in einem Vergleich enthaltenen Nichtangriffsklausel verbunden (siehe oben, Rn. 625). Wie bereits dargelegt, genügt aber der Umstand, dass eine solche Klausel einem Vergleich inhärent ist, allein nicht, um die Feststellung eines wettbewerbswidrigen Zwecks auszuschließen (siehe oben, Rn. 273 und 645).

650

Sodann ist im vorliegenden Fall unerheblich, dass die Nichtangriffsklausel nur die Rechtsstreitigkeiten im Vereinigten Königreich betrifft und nicht auch die vor dem EPA, da der räumliche Geltungsbereich der Teva-Vereinbarung auf das Vereinigte Königreich begrenzt ist, in dem jedes Vorgehen gegen das Patent 947 und die Verfahrenspatente untersagt ist. Eine Vereinbarung kann nämlich auch dann als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden, wenn ihr räumlicher Geltungsbereich auf einen Mitgliedstaat begrenzt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. September 2009, Erste Group Bank u. a./Kommission, C‑125/07 P, C‑133/07 P und C‑137/07 P, EU:C:2009:576, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

651

Selbst wenn zudem, wie die Klägerinnen geltend machen, die Nichtangriffsklausel nicht geeignet sein sollte, sich auf das im Vereinigten Königreich von einer Tochtergesellschaft von Teva eingeleitete Widerrufsverfahren betreffend das Patent 947 auszuwirken, das bis zu einer abschließenden Entscheidung in dem von der Teva-Vereinbarung nicht erfassten Einspruchsverfahren vor dem EPA ausgesetzt war, ist festzustellen, dass diese Klausel zumindest an der Erhebung weiterer Klagen auf Ungültigerklärung dieses Patents während der gesamten Laufzeit der Teva-Vereinbarung hindert und dass dieses Verbot nach Art. 2.4 dieser Vereinbarung sowohl die Teva UK Ltd als auch ihre Tochtergesellschaften und sowohl direkte Klagen als auch jede Unterstützung Dritter, um die Patente der Klägerinnen für ungültig erklären zu lassen, erfasst. Daher ist im vorliegenden Fall die aktive Beteiligung von Teva an dem Einspruchsverfahren vor dem EPA, u. a. durch die von den Klägerinnen behauptete Übermittlung der Entscheidungen der Gerichte des Vereinigten Königreichs betreffend die Gültigkeit des Patents 947, unbeachtlich (siehe oben, Rn. 635).

652

Ferner kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, nicht nachgewiesen zu haben, dass es eine ernst zu nehmende Grundlage dafür gab, die Gültigkeit der Verfahrenspatente der Klägerinnen in Frage zu stellen (siehe oben, Rn. 635). Denn ein solcher Nachweis ist nicht erforderlich für die Feststellung des wettbewerbsbeschränkenden Charakters einer Nichtangriffsklausel, der von der Beseitigung tatsächlicher und konkreter Möglichkeiten zur Überwindung der mit den Patenten zusammenhängenden Hindernisse abhängt, deren Bestehen nicht notwendig den Nachweis voraussetzt, dass die Klage auf Ungültigerklärung der betreffenden Patente wahrscheinlich Erfolg gehabt hätte (siehe oben, Rn. 368).

653

Unbeachtlich ist schließlich auch das Vorbringen der Klägerinnen, die Nichtangriffsklausel habe Dritte keineswegs an der Anfechtung ihrer Patente gehindert (siehe oben, Rn. 635). Denn dieses Vorbringen, das dahin geht, dass die Teva-Vereinbarung potenzielle Wirkungen nur für diesen Generikahersteller entfaltet habe, stellt als solches nicht den wettbewerbsbeschränkenden Charakter der in der Teva-Vereinbarung enthaltenen Nichtangriffsklausel in Frage (siehe auch oben, Rn. 556 und 557).

654

Als Drittes ist festzustellen, dass die Kommission die Alleinbezugsverpflichtung zu Recht als wettbewerbsbeschränkend eingestuft hat.

655

Diese in Art. 3 der Teva-Vereinbarung enthaltene Klausel lautet:

„3. Alleinbezugsverpflichtung

3.1.   Während der Laufzeit des vorliegenden Vertrags bezieht Teva sämtliches Perindopril, das sie und ihre Tochtergesellschaften zur Lieferung oder Bereitstellung im Vereinigten Königreich benötigten, ausschließlich von Servier oder deren Tochtergesellschaften.

3.3.   Teva verkauft das Erzeugnis nicht aktiv an Kunden außerhalb des Vereinigten Königreichs oder fördert dessen Verkauf bei diesen und sorgt dafür, dass ihre Tochtergesellschaften sich ebenso verhalten.

3.4.   Soweit Servier oder ihre Tochtergesellschaften von Teva bestätigte Bestellungen für die nachstehend genannten Mengen des Erzeugnisses zu den Bestelldaten oder davor erhalten, liefern Servier oder ihre Tochtergesellschaften die folgenden Mengen des Erzeugnisses bis zu folgenden Daten:

3.4.1. 150000 (einhundertfünfzigtausend) Packungen mit 30 Tabletten (2 mg) bis zum 1. August 2006 und während der folgenden Monate 75000 (fünfundsiebzigtausend) dieser Packungen monatlich;

3.4.2. 240000 (zweihundertvierzigtausend) Packungen mit 30 Tabletten (4 mg) bis zum 1. August 2006 und während der folgenden Monate 120000 (einhundertzwanzigtausend) dieser Packungen monatlich;

3.4.3. 80000 (achtzigtausend) Packungen mit 30 Tabletten (8 mg) bis zum 1. Januar 2007 (oder bis zu jedem von den Parteien vereinbarten Datum) und während der folgenden Monate 40000 (vierzigtausend) dieser Packungen monatlich.

3.8.   Wenn in irgendeinem Monat während der Laufzeit des vorliegenden Vertrags:

3.8.1. Servier von Teva bestätigte Bestellungen des Erzeugnisses zur Lieferung im Vereinigten Königreich in diesem Monat erhält, die zu den relevanten Bestelldaten oder davor eingegangen sind, und

3.8.2. Servier und ihre Tochtergesellschaften nicht binnen zehn Werktagen nach dem entsprechenden Lieferdatum an Teva das gesamte von dieser bestellte Erzeugnis gemäß den Art. 3.4 und 3.8.1 für eine Lieferung in diesem Monat geliefert haben,

3.8.3. zahlt Servier gemäß Art. 3.9 an Teva die pauschalen Entschädigungen für diesen Monat; Teva und ihren Tochtergesellschaften steht kein weiterer Anspruch oder Rechtsbehelf (einschließlich des Kündigungsrechts) wegen Nichtlieferung des Erzeugnisses durch Servier an Teva zu.

…“

656

Nach der in Art. 2.3 der Teva-Vereinbarung vorgesehenen Vermarktungsverbotsklausel durfte Teva zudem im Vereinigten Königreich bis zur Kündigung oder zum Auslaufen der Teva-Vereinbarung oder bis zum Ablauf der Patente 339, 340, 341 und 947 kein generisches Perindopril, das nach dem von ihr entwickelten Verfahren hergestellt worden war oder von Servier als Verletzung dieser Patente angesehen wurde, herstellen, herstellen lassen, besitzen, einführen, liefern, seine Lieferung anbieten oder darüber verfügen.

657

Die Kommission hat in den Rn. 1552 bis 1555 des angefochtenen Beschlusses befunden, dass die Vermarktungsverbotsklausel (Art. 2.3) und die Alleinbezugsklausel (Art. 3.1) der Teva-Vereinbarung als ein und dasselbe Wettbewerbsverbot geprüft würden, da diese Klauseln die Wettbewerbsfähigkeit von Teva und deren Freiheit beeinträchtigten, ihre Bezugsquellen für Perindopril, das für den Markt des Vereinigten Königreichs bestimmt war, in voller Unabhängigkeit zu wählen. Der patentrechtliche Status etwaiger alternativer Bezugsquellen für Perindopril (patentverletzend oder nicht) sei unerheblich, da die Alleinbezugsklausel Teva nur die Optionen lasse, ausschließlich das Erzeugnis von Servier zu verkaufen oder einen Geldbetrag zum Ausgleich der Nichtbelieferung zu erhalten (pauschale Entschädigung in Höhe von monatlich 500000 GBP).

658

Das gegen diese Beurteilung der Kommission gerichtete Vorbringen der Klägerinnen beruht auf einer irrigen Auslegung der Alleinbezugsklausel der Teva-Vereinbarung.

659

Aus der Teva-Vereinbarung geht nämlich eine Alternative zwischen einer Belieferung und einer Entschädigung bei Nichtbelieferung hervor, denn neben der Belieferungspflicht, die in der Tat als solche in Art. 3.4 der Teva-Vereinbarung erwähnt ist, war ausdrücklich die Möglichkeit einer Nichtbelieferung vorgesehen, die weder vor einem Gericht beanstandet werden noch zu einer Kündigung durch Teva führen konnte und die nicht einmal Bedingungen, namentlich einer zeitlichen Begrenzung, unterlag, sondern allein zur Zahlung einer Entschädigung führte (Art. 3.8.2, 3.8.3 und 8.3 der Teva-Vereinbarung).

660

Das in Art. 3.8.3 der Teva-Vereinbarung vorgesehene Verbot, gegen eine Nichtbelieferung vorzugehen oder deswegen zu kündigen (im Folgenden: Kündigungsverbotsklausel), spielt eine entscheidende Rolle für diese Auslegung der Alleinbezugsklausel, da es die Sanktion der Nichteinhaltung einer Vertragspflicht durch ein Gericht oder durch die Beendigung des Vertragsverhältnisses durch einen im Voraus festgesetzten finanziellen Ausgleich ersetzt und damit eine Alternative zwischen einer Belieferung und einer Entschädigung schafft. Insoweit ist unerheblich, ob dieser Ausgleich die Folge der Nichterfüllung einer Belieferungspflicht oder einer Servier gebotenen Möglichkeit ist, Teva nicht zu beliefern.

661

Daraus ergibt sich nämlich auf jeden Fall, wie die Kommission im angefochtenen Beschluss (Rn. 1559) zu Recht ausgeführt hat, eine völlig ins Belieben von Servier gestellte Nichtbelieferungsoption, durch die Teva am Markteintritt gehindert wird und die es ausschließt, die betreffenden Klauseln als Klauseln anzusehen, die gewöhnlich Teil einer Belieferungsvereinbarung sind.

662

Dagegen galt für Teva eine Alleinbezugsverpflichtung, die die Kommission zu Recht als „absolut“ eingestuft hat (Rn. 1588 des angefochtenen Beschlusses), da Teva sich ihrer nicht entledigen konnte, um Perindopril, sei es patentverletzend oder nicht, eventuell von anderen Anbietern zu beziehen und mit diesem Perindopril in den Markt einzutreten, und dies sogar im Fall der Nichtbelieferung durch Servier, denn eine Kündigung der Vereinbarung aus diesem Grund war durch die Kündigungsverbotsklausel ausgeschlossen. Wie die Kommission zu Recht in Rn. 1557 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, verpflichtete die Kündigungsverbotsklausel in Verbindung mit der Alleinbezugsklausel Teva, generisches Perindopril ausschließlich von Servier zu beziehen, und hinderte sie so an einem Bezug bei anderen Anbietern, einschließlich solcher, die die Patente von Servier nicht verletzten.

663

Folglich decken sich die Alleinbezugs- und die Kündigungsverbotsklausel nicht nur teilweise mit der Nichtvermarktungsverpflichtung aus Art. 2.3 der Teva-Vereinbarung, da sie den Kauf und damit den Verkauf von Perindopril untersagen, das von Dritten unter Verletzung der streitigen Patente hergestellt worden ist, sondern sie erstrecken diese Verpflichtung auch über die streitigen Patente hinaus, indem sie den Kauf und den Verkauf von Perindopril untersagen, das von Dritten ohne Verletzung der streitigen Patente hergestellt worden ist.

664

Daraus ergibt sich, dass die Alleinbezugs- und die Kündigungsverbotsklausel der Teva-Vereinbarung als solche besonders geeignet sind, die Belieferung von Teva zu verhindern und so deren Markteintritt mit dem Erzeugnis eines Dritten auszuschließen, so wie dieser Markteintritt sowohl für die Erzeugnisse der Klägerinnen als auch für die Dritter bereits durch die in Art. 2.3 der Vereinbarung vorgesehene Vermarktungsverbotsklausel ausgeschlossen ist, deren wettbewerbsbeschränkenden Charakter die Klägerinnen nicht in Abrede stellen.

665

Zudem kann die Beschränkung der Alleinbezugsklausel wie im Übrigen auch der Vermarktungsverbotsklausel auf Perindopril-Erbumin deren wettbewerbsbeschränkenden Charakter nicht in Frage stellen (siehe oben, Rn. 626).

666

Die Klägerinnen führen nämlich aus, dass diese Klauseln nur Perindopril-Erbumin beträfen, und bestreiten nicht, dass das Erzeugnis, das Teva zum Zeitpunkt des Abschlusses der Teva-Vereinbarung vermarkten wollte, Perindopril-Erbumin war. Somit hinderten die Vermarktungsverbots- und die Alleinbezugsklausel Teva an einem Markteintritt mit dem Perindopril-Erbumin, das sie während der Laufzeit der Teva-Vereinbarung vermarkten wollte. Selbst wenn also Teva während der Laufzeit der Teva-Vereinbarung mit aus einem anderen Salz als Erbumin bestehendem Perindopril in den Markt hätte eintreten können, hinderte diese Vereinbarung Teva doch daran, mit Perindopril-Erbumin in Wettbewerb mit den Klägerinnen zu treten, und beschränkte insoweit den Wettbewerb. Überdies beziehen sich die von den Klägerinnen vorgelegten Beweise für den Eintritt von Teva in den Markt im Vereinigten Königreich mit einem anderen Salz als Erbumin auf Daten aus der Zeit nach dem Ablauf der Teva-Vereinbarung.

667

Unerheblich ist im vorliegenden Fall ferner das Vorbringen der Klägerinnen zu den ambivalenten potenziellen Wirkungen der Alleinbezugsklausel (siehe oben, Rn. 636). Solche potenziellen Wirkungen, die im vorliegenden Fall aus Umständen abgeleitet werden, die beim Abschluss der Teva-Vereinbarung nicht vorsehbar waren, können bei der Untersuchung des wettbewerbsbeschränkenden Zwecks nicht berücksichtigt werden (siehe oben, Rn. 644). Dem sei hinzugefügt, dass jedenfalls die behaupteten potenziellen Wirkungen der Teva-Vereinbarung entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht als nicht wettbewerbsbeschränkend oder sogar wettbewerbsfördernd angesehen werden können.

668

Wenn nämlich das Patent 947 vom EPA für ungültig erklärt worden wäre, hätte die Teva-Vereinbarung Teva wegen der Vermarktungsverbotsklausel, die – wie sich aus der Bezugnahme auf den „Ablauf“ der Patente in Art. 2.3 der Teva-Vereinbarung im Gegensatz zum Begriff „Nichtigkeit“ in Art. II des Zusatzes zur Teva-Vereinbarung ergibt, in Kraft geblieben wäre – daran gehindert, mit ihrem Erzeugnis oder dem Erzeugnis von Krka in den Markt einzutreten, während diese Ungültigerklärung den Markteintritt von dieses Patent potenziell verletzenden Generika erlaubt hätte. Zudem hätte, selbst wenn die Klägerinnen, wie sie vortragen (siehe oben, Rn. 616), Teva in diesem Fall mit generischem Perindopril beliefert hätten, dieser Markteintritt von Teva mit dem generischen Erzeugnis der Klägerinnen keine Wettbewerbssituation im Verhältnis zu diesen geschaffen, und Teva wäre überdies wegen des vorerwähnten Markteintritts anderer Generikahersteller nicht das einzige und damit das erste in den Markt eintretende Unternehmen gewesen. Auch in dem Fall, dass das EPA die Gültigkeit des Patents 947 bestätigt hätte, wäre Teva weiter gehindert gewesen, generisches Perindopril, einschließlich nicht patentverletzenden Perindoprils, von anderen Unternehmen als den Klägerinnen zu beziehen, und ihre – in diesem Fall, wie die Klägerinnen selbst einräumen (siehe oben, Rn. 636), noch hypothetischere – Belieferung hätte es ebenso wenig ermöglicht, mit den Klägerinnen in Wettbewerb zu treten. Insoweit kann der Umstand, dass die Kommission das Ende der Zuwiderhandlung auf den Tag des Eintritts von Teva in den Markt des Vereinigten Königreichs festgelegt hat, nicht als Anerkenntnis seitens der Kommission ausgelegt werden, dass Teva im Juli 2007 in einer Situation des Wettbewerbs im Verhältnis zu den Klägerinnen in den Markt eingetreten ist. Wie nämlich die Kommission selbst im angefochtenen Beschluss (Rn. 2125 und 3133) ausgeführt hat, beruhte die Festlegung des Endes der Zuwiderhandlung auf den 6. Juli 2007 auf Vorsicht und auf dem Wunsch, einen für die Parteien der Vereinbarung günstigen Zeitpunkt zu wählen.

669

Aus denselben Gründen ist auch das Vorbringen der Klägerinnen zu ihrer Absicht, Teva im Fall der Ungültigerklärung des Patents 947 durch das EPA zu beliefern, und zum Ziel eines vorgezogenen Eintritts von Teva oder sogar eines Eintritts dieser als erster Generikahersteller in den Markt im Vereinigten Königreich, unerheblich.

670

Schließlich kann der Kommission auch nicht vorgeworfen werden (siehe oben, Rn. 624), sie habe sich nur zur Bestätigung ihrer Analyse auf die Auslegung der Teva-Vereinbarung durch den High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) in seinem Urteil vom 9. Oktober 2008 gestützt (Rn. 1572 und 1573 des angefochtenen Beschlusses).

671

Nach alledem ist die Beurteilung der Kommission, dass die Alleinbezugs- und die Kündigungsverbotsklausel der Teva-Vereinbarung in Verbindung mit Art. 2.3 der Teva-Vereinbarung insgesamt als ein „Wettbewerbsverbot“ (Rn. 1552 des angefochtenen Beschlusses) und somit als ein umfassendes Vermarktungsverbot zulasten von Teva zu prüfen sind, nicht rechtsfehlerhaft.

672

Daraus folgt, dass diese Klauseln entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht solchen entsprechen, die gewöhnlich Teil einer Belieferungsvereinbarung sind, noch solchen einer Alleinbezugsvereinbarung (siehe auch oben, Rn. 661 und 662) und daher nicht wie Klauseln einer zu einem Vergleich akzessorischen Vereinbarung zu behandeln sind, da solche Abreden übliche geschäftliche Vereinbarungen darstellen (siehe unten, Rn. 798 bis 808).

673

Daraus folgt auch, dass das auf übliche Belieferungs- oder Alleinbezugsvereinbarungen gestützte Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen ist.

674

Insbesondere ist der von den Klägerinnen angeführte Umstand, dass solche Vereinbarungen im Arzneimittelsektor gängige Praxis seien, im vorliegenden Fall unerheblich, da die Alleinbezugsklausel der Teva-Vereinbarung nicht den von den Klägerinnen angesprochenen gängigen Klauseln entspricht. Dem ist hinzuzufügen, dass jedenfalls Praktiken privater Unternehmen, selbst wenn sie von den Behörden eines Mitgliedstaats geduldet oder gebilligt werden, der Anwendung der Wettbewerbsregeln des Vertrags nicht vorgehen können (Urteil vom 17. Januar 1984, VBVB und VBBB/Kommission, 43/82 und 63/82, EU:C:1984:9, Rn. 40).

675

Auch die Verordnung Nr. 2790/1999 ist nicht relevant, zumal sie nach ihrem Art. 2 Abs. 4 nicht für Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern, wie sie im vorliegenden Fall in Rede stehen, gilt, die beide Perindopril unter ihrem eigenen Namen vermarkten wollen. Denn Teva ist als potenzieller Wettbewerber der Klägerinnen eingestuft worden (siehe oben, Rn. 614), und diese Eigenschaft wird nicht durch den Abschluss einer Vereinbarung in Frage gestellt, die auf unterschiedlichen Stufen der Produktions- oder Vertriebskette tätige Unternehmen gewöhnlich untereinander abschließen.

676

Zur Beurteilung der weniger als ein Jahr nach der Teva-Vereinbarung geschlossenen Servier-Generics-Vereinbarung hat die Kommission in Rn. 745 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, ohne dass die Klägerinnen dem widersprochen haben, dass die in dieser Vereinbarung enthaltene Alleinbezugsklausel keine Zahlung oder Entschädigung im Fall einer Nichtbelieferung durch die Klägerinnen vorsah. Wie zudem aus den Akten hervorgeht, war diese Klausel auch nicht mit einer Kündigungsverbots- und einer Vermarktungsverbotsklausel verbunden, da Generics kein konkurrierendes Perindopril entwickelt hatte, so dass die Beurteilung dieser Vereinbarung nicht auf die Teva-Vereinbarung übertragen werden kann.

677

Da schließlich die Kommission im vorliegenden Fall die spezifischen und problematischen Aspekte der Teva-Vereinbarung klar dargelegt hat (vgl. u. a. Rn. 1553 bis 1574 des angefochtenen Beschlusses), lässt sich aus dem angefochtenen Beschluss nicht ableiten, dass sie den gleichzeitigen Abschluss einer Alleinvertriebs- und einer Vergleichsvereinbarung grundsätzlich untersagt hat.

678

Nach alledem hat die Kommission zu Recht befunden, dass die Teva-Vereinbarung die Bemühungen von Teva beschränkt hat, mit den Klägerinnen in Wettbewerb zu treten.

ii) Zum Fehlen eines als Anreiz wirkenden Vorteils

679

Die Kommission hat im angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass der Einmalbetrag von 5 Mio. GBP (im Folgenden: Einmalbetrag) und die pauschale Entschädigung von 500000 GBP monatlich in Höhe eines Gesamtbetrags von 5,5 Mio. GBP für elf Monate Nichtlieferung durch Servier (im Folgenden: endgültige pauschale Entschädigung) einen erheblichen Betrag – 10,5 Mio. GBP – darstellten, der als signifikanter Anreiz für Teva gedient habe, nicht in Wettbewerb mit den Klägerinnen zu treten (Rn. 1622).

680

Für die Feststellung, ob eine umgekehrte Zahlung, d. h. eine Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller, einen Anreiz darstellt, Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln zu akzeptieren, ist unter Berücksichtigung ihrer Natur und ihrer Rechtfertigung zu prüfen, ob sie vergleichsinhärente Kosten deckt. Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission somit zu Recht geprüft, ob die Wertübertragung den vergleichsinhärenten Kosten des Generikaherstellers entsprach (Rn. 1592 bis 1599 des angefochtenen Beschlusses).

681

Wenn die in einer Vergleichsvereinbarung mit wettbewerbsbeschränkenden Klauseln vorgesehene umgekehrte Zahlung die vergleichsinhärenten Kosten des Generikaherstellers ausgleichen soll, kann sie grundsätzlich nicht als Anreiz angesehen werden. Gleichwohl ist die Feststellung des Bestehens eines Anreizes und einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung in diesem Fall nicht ausgeschlossen. Sie setzt jedoch den Nachweis durch die Kommission voraus, dass die Beträge, die diesen vergleichsinhärenten Kosten entsprechen, auch wenn sie von den Parteien dieses Vergleichs belegt und genau beziffert sind, übermäßig sind (siehe oben, Rn. 278).

682

Die vergleichsinhärenten Kosten umfassen u. a. die Rechtsverfolgungskosten des Generikaherstellers in einem Rechtsstreit mit dem Hersteller des Originalpräparats. Denn die Übernahme dieser Kosten steht in direktem Zusammenhang mit einem solchen Vergleich. Folglich kann die Kommission, wenn die Höhe der Rechtsverfolgungskosten des Generikaherstellers von den Parteien der Vereinbarung festgestellt worden ist, deren Anreizcharakter nur feststellen, wenn sie dartut, dass sie unverhältnismäßig sind (siehe oben, Rn. 279).

683

Dagegen liegen bestimmte Kosten des Generikaherstellers a priori zu weit außerhalb des Rechtsstreits und seiner Beilegung, als dass sie als dem Vergleich in einem Patentrechtsstreit inhärent angesehen werden könnten. Es handelt sich z. B. um die Kosten der Herstellung der rechtsverletzenden Erzeugnisse, die deren Lagerwert entsprechen, sowie die für die Bereitstellung dieses Erzeugnisses angefallenen Forschungs- und Entwicklungskosten. Gleiches gilt für die Beträge, die der Generikahersteller wegen außerhalb des Rechtsstreits eingegangener vertraglicher Verpflichtungen (z. B. aus Lieferverträgen) an Dritte zahlen muss. Wenn die Parteien der Vereinbarung wollen, dass die Zahlung dieser Kosten nicht als Anreiz und als Indiz für das Bestehen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung eingestuft wird, ist es ihre Sache, darzutun, dass diese Kosten dem Rechtsstreit oder seiner Beilegung inhärent sind, und sodann ihre Höhe zu rechtfertigen. Sie könnten sich hierfür auch darauf berufen, dass der Betrag zur Erstattung dieser a priori nicht der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits inhärenten Kosten unbedeutend sei und daher nicht ausreiche, um einen signifikanten Anreiz dafür darzustellen, die in der Vergleichsvereinbarung vorgesehenen wettbewerbsbeschränkenden Klauseln zu akzeptieren (siehe oben, Rn. 280).

– Zu der endgültigen pauschalen Entschädigung

684

Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen hat die Kommission die endgültige pauschale Entschädigung zutreffend als eine Teva im Gegenzug für ihre Verpflichtung, nicht mit Servier in Wettbewerb zu treten, gewährte Zahlung (Rn. 1588 des angefochtenen Beschlusses) angesehen und somit als einen Anreiz, sich einer Nichtvermarktungsverpflichtung zu unterwerfen. Denn da die Kommission zu Recht befunden hat, dass die Alleinbezugs- und die Kündigungsverbotsklausel der Teva-Vereinbarung einer Teva vom Markt ausschließenden Nichtvermarktungsverpflichtung gleichkam (siehe oben, Rn. 671), und da die Art. 1.8 und 3.8.3 der Teva-Vereinbarung eine pauschale Entschädigung von 500000 GBP monatlich und somit eine Konkretisierung dieses Ausschlusses vom Markt vorsehen, stellt die endgültige pauschale Entschädigung klar die Gegenleistung dafür dar, dass Teva dem Markt fernblieb.

685

In dieser Hinsicht ist das Vorbringen der Klägerinnen unbeachtlich, dass die endgültige pauschale Entschädigung im englischen Recht ein klassisches Vertragsinstrument sei und widerspiegle, was ein Gericht für die Nichteinhaltung einer Lieferverpflichtung hätte zusprechen können. Denn im vorliegenden Fall leitet sich das Bestehen des Anreizes daraus ab, dass die Zahlung als Gegenleistung für das Fernbleiben vom Markt, wie es in den genannten Klauseln vorgesehen ist, erfolgt und nicht zum Ausgleich von vergleichsinhärenten Kosten oder in Erfüllung einer üblichen Belieferungsvereinbarung, unabhängig davon, welches Rechtsinstrument zur Bewirkung dieser Gegenleistung eingesetzt wird und dass diese Gegenleistung der Entschädigung entspricht, die ein Gericht zugesprochen hätte (siehe oben, Rn. 680 und 681).

686

Auch der von den Klägerinnen angestellte Vergleich mit der Beurteilung der Lundbeck-Neolab-Vereinbarung durch die Kommission (siehe oben, Rn. 394 bis 398) vermag den Anreizcharakter der endgültigen pauschalen Entschädigung nicht in Frage zu stellen.

– Zu dem Einmalbetrag

687

Was den in Art. 10.1 der Teva-Vereinbarung vorgesehenen Einmalbetrag angeht, kann das Vorbringen der Klägerinnen die Feststellung der Kommission, dass er als Anreiz wirkt, nicht in Frage stellen.

688

Art. 10.1 der Teva-Vereinbarung sieht vor:

„Vorbehaltlich des Erhalts einer angemessenen Rechnung von Teva zahlt Servier binnen zehn Werktagen nach Erhalt der Rechnung von Teva an diese 5000000 [GBP] oder sorgt dafür, dass eine ihrer Tochtergesellschaften eine solche Zahlung vornimmt. Diese Rechnung kann bei der Unterzeichnung der vorliegenden [Vereinbarung] vorgelegt werden und ist sofort fällig mit der Maßgabe, dass Servier über eine Zahlungsfrist von zehn Werktagen verfügt. Diese Zahlung ist ein Beitrag zu den Kosten, die Teva durch die Vorbereitung des Abschlusses der vorliegenden [Vereinbarung] entstehen, einschließlich, aber ohne Begrenzung hierauf, der Kosten der Kündigung ihrer im Vereinigten Königreich bestehenden Liefervereinbarungen.“

689

Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission zunächst festgestellt, dass Teva nachträglich keinerlei genaue Zahlen zu den einzelnen Kosten übermittelt habe, die durch den ursprünglichen Betrag ausgeglichen worden sein sollen, mit Ausnahme der auf unter 100000 Euro geschätzten Gerichtskosten für die Klage von Ivax gegen Servier im Vereinigten Königreich (Rn. 1594 und 1597). Sie hat gleichwohl die anderen Kosten geschätzt, die aus ihrer Sicht unter Art. 10.1 der Teva-Vereinbarung fallen konnten, darunter die Kosten, die dem Wert der zu vernichtenden Perindopril-Lagerbestände von Teva entsprachen, und die Kosten der Entwicklung von Perindopril, und hat daraus abgeleitet, dass sie insgesamt weniger als 40 % des Einmalbetrags ausmachten (Rn. 1596 bis 1599 des angefochtenen Beschlusses).

690

Demnach ist die Kommission zu der Auffassung gelangt, dass zwar bestimmte unter Art. 10.1 der Teva-Vereinbarung fallende Kosten als der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits zwischen den Klägerinnen und Teva inhärent angesehen werden könnten, dass Letztere aber die fraglichen Kosten nicht beziffert, geschweige denn der Höhe nach nachgewiesen habe, mit Ausnahme der Kosten der Rechtsverfolgung, die beziffert worden seien, allerdings nur annähernd und ohne Nachweis ihrer Höhe. Im angefochtenen Beschluss weist die Kommission darauf hin, dass Teva einen Betrag von unter 100000 Euro lediglich „angegeben“ (Rn. 797) oder „mitgeteilt“ (Rn. 1597) habe, und in der Sitzung hat sie in Beantwortung einer Frage bestätigt, dass Teva ihrer bezifferten Schätzung keinerlei Beleg beigefügt habe.

691

Die Klägerinnen tragen nichts vor, geschweige denn legen etwas vor, wie etwa die „angemessene Rechnung“ im Sinne von Art. 10.1 der Teva-Vereinbarung, was diese Analyse der Kommission in Frage stellen kann.

692

Die Klägerinnen beschränken sich erstens auf den Hinweis auf die „Vernichtung eines Lagerbestands“ unter Angabe seines Wertes. Die Entschädigung für den Wert des zu vernichtenden Lagerbestands kann aber a priori nicht als zu den einem Vergleich inhärenten Kosten gehörend eingestuft werden (siehe oben, Rn. 280 und 683).

693

Jedenfalls weisen die Klägerinnen nicht den Wert dieses Bestands nach. Zum einen entspricht der von ihnen genannte Betrag bei Zugrundelegung des von der Kommission angewandten Wechselkurses (vgl. u. a. Fn. 4109 des angefochtenen Beschlusses) nicht dem Betrag in Pfund Sterling, der im angefochtenen Beschluss genannt ist (Rn. 1596). Zum anderen und vor allem legen die Klägerinnen zur Stützung ihres Vorbringens keinen anderen Beweis vor als die Erklärungen, die sie selbst und Teva in Beantwortung der Mitteilung der Beschwerdepunkte abgegeben haben, und ein Dokument von Teva, in dem eine solche bezifferte Angabe nicht enthalten ist. Somit müsste die Bezahlung des Wertes des Bestands der zu vernichtenden Erzeugnisse von Teva, selbst wenn sie im vorliegenden Fall als der Teva-Vereinbarung inhärent anzusehen wäre, weil die Vernichtung in dieser Vereinbarung vorgesehen war (Art. 2.2), wegen fehlender Rechtfertigung ihres Betrags als eine als Anreiz wirkende Zahlung eingestuft werden (siehe oben, Rn. 683).

694

Die Klägerinnen führen zweitens an, Teva habe damit rechnen müssen, an einen ihrer Geschäftspartner wegen Bruchs dieser Geschäftspartnerschaft einen Betrag von 1 Mio. GBP zahlen zu müssen. Abgesehen davon, dass Beträge, die der Generikahersteller wegen Kündigung laufender Verträge an Dritte zahlen muss, a priori keine vergleichsinhärenten Kosten (siehe oben, Rn. 683) sind, geht der genannte Betrag in keiner Weise aus dem betreffenden Vertrag hervor, der der Klageschrift als Anlage beigefügt ist.

695

Zum Vorbringen der Klägerinnen, drittens entspreche der Einmalbetrag dem Schadensersatz, den sie Teva im Fall einer zu Unrecht erlassenen gerichtlichen Verfügung hätten leisten müssen und dessen Zahlung sie dank der Teva-Vereinbarung vermieden hätten, ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen damit im Wesentlichen nachzuweisen versuchen, dass der Einmalbetrag gerechtfertigt sei, indem sie ihn mit Kosten anderer Art vergleichen, die nicht in Art. 10.1 der Teva-Vereinbarung vorgesehen sind. Diese Bestimmung ist zwar nicht restriktiv formuliert, sie spricht aber nur von den „Kosten, die Teva … entstehen“, und schließt nicht die den Klägerinnen entstehenden oder von ihnen vermiedenen Kosten ein. Mit ihrem Vorbringen verwechseln die Klägerinnen auch die Rechtfertigung des Einmalbetrags in Anbetracht des Vergleichs, um die allein es im vorliegenden Fall geht, und die Verhältnismäßigkeit dieses Betrags, für deren Beurteilung der vorgeschlagene Vergleich gegebenenfalls relevant sein könnte. Dies sind jedoch zwei getrennte Beurteilungsschritte, die die Kommission nacheinander durchzuführen hat. So hat die Kommission bei der Beurteilung des wettbewerbsbeschränkenden Charakters eines mit einer Wertübertragung einhergehenden Patentvergleichs als Erstes zu prüfen, ob die von der Wertübertragung gedeckten Kosten in Anbetracht des Vergleichs gerechtfertigt sind und ob insbesondere die Wertübertragung dem nachgewiesenen Betrag der Kosten entspricht, die ihrer Natur nach als vergleichsinhärent angesehen werden können, und, wenn sie diese Kosten für gerechtfertigt hält, als Zweites, ob ihr Betrag unter Berücksichtigung u. a. der Art der fraglichen Kosten nicht unverhältnismäßig ist (siehe oben, Rn. 681 und 682).

696

Sodann ist festzustellen, dass die Klägerinnen, selbst wenn der angeführte Vergleich für die Frage, ob der Einmalbetrag in Anbetracht des Vergleichs gerechtfertigt sein könnte, keine Schätzung der angeblich vermiedenen Kosten vorlegen. Sie beschränken sich vielmehr darauf, erhebliche Schäden im Fall ihres Unterliegens in dem auf den Erlass einer Verfügung zu ihren Gunsten folgenden Verfahren in der Hauptsache anzuführen.

697

Soweit die Klägerinnen viertens geltend machen, der Einmalbetrag habe die Alleinbezugsklausel „absichern“ sollen (siehe oben, Rn. 628), ist dies so zu verstehen, dass sie diesen Betrag als eine Gegenleistung für diese Klausel ansehen und damit im Kern deren Anreizcharakter einräumen, da diese Klausel so ausgelegt worden ist, dass Teva mit ihr eine Nichtvermarktungsverpflichtung auferlegt wird (siehe oben, Rn. 684 und 685).

698

Folglich hat die Kommission im angefochtenen Beschluss (Rn. 1608 und 1622) zutreffend befunden, dass die Teva-Vereinbarung einen Anreiz für Teva enthielt, sich den in dieser Vereinbarung enthaltenen Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu unterwerfen, ohne dass sie – entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen (siehe oben, Rn. 628) – darüber hinaus prüfen musste, ob diese Klauseln ohne diese als Anreiz wirkende Zahlung eine weniger wettbewerbsbeschränkende Tragweite gehabt hätten. Denn die Feststellung eines Anreizes, sich Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu unterwerfen, erfordert nur das Vorhandensein solcher Klauseln, unabhängig davon, wie wettbewerbsbeschränkend sie sind, und eine Analyse der von der in Rede stehenden Wertübertragung gedeckten Kosten (siehe oben, Rn. 680 und 681).

699

Das Bestehen dieses Anreizes kann nicht durch das Vorbringen der Klägerinnen in Frage gestellt werden, die Kommission habe zu Unrecht den Einmalbetrag und die endgültige pauschale Entschädigung „miteinander verquickt“, um daraus „eine Nettowertübertragung in Höhe von 10,5 Mio. GBP“ abzuleiten. Wie die Klägerinnen zu Recht ausführen, ergibt sich zwar der Betrag der endgültigen pauschalen Entschädigung im Unterschied zu dem in Art. 10.1 der Teva-Vereinbarung festgelegten Einmalbetrag aus der Durchführung der Teva-Vereinbarung, insbesondere der Nichtbelieferung von Teva durch die Klägerinnen, und nicht, soweit es um den Betrag von 5,5 Mio. GBP geht, aus der betreffenden Klausel der Vereinbarung, die lediglich eine Entschädigung in Höhe von 500000 GBP vorsieht. Auch wenn sich daraus ableiten lässt, dass der Betrag von 10,5 Mio. GBP dem Betrag der tatsächlich an Teva erfolgten und nicht nur der sich aus den Klauseln der Teva-Vereinbarung ergebenden Wertübertragung entspricht, stellt doch auch diese tatsächliche Wertübertragung aus denselben Gründen, aus denen dem Einmalbetrag und der monatlichen Entschädigung von 500000 GBP Anreizcharakter zugesprochen worden ist, einen Anreiz in Höhe ihres Gesamtbetrags dar.

700

Folglich hat die Kommission nach alledem (siehe insbesondere oben, Rn. 265 bis 271) aus der Feststellung dieses Anreizes, der in seinen beiden Bestandteilen in der Teva-Vereinbarung vorgesehen war, zu Recht geschlossen, dass diese Vereinbarung von Beginn an einen wettbewerbsbeschränkenden Zweck hatte.

701

Dieser Schluss wird nicht durch die angebliche Verfälschung des Zwecks der Teva-Vereinbarung und der Absichten der Parteien dieser Vereinbarung in Frage gestellt.

702

Das Vorbringen der Klägerinnen, die Parteien der Teva-Vereinbarung hätten keine wettbewerbswidrige Absicht, sondern rechtmäßige Ziele verfolgt, darunter den vorzeitigen Eintritt von Teva oder sogar deren Eintritt als erster Generikahersteller in den Markt des Vereinigten Königreichs, kann weder das Bestehen eines als Anreiz wirkenden Vorteils noch den wettbewerbsbeschränkenden Charakter der Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln der Teva-Vereinbarung in Frage stellen (siehe auch oben, Rn. 669). Folglich wäre dieses Vorbringen, selbst wenn es auf bewiesenen Tatsachen beruhte, jedenfalls nicht geeignet, die Einstufung der Teva-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung durch die Kommission zu Fall zu bringen.

703

Hinzu kommt auch, dass die Absicht der Parteien kein notwendiges Element ist, um festzustellen, ob eine Art der Koordinierung zwischen Unternehmen wettbewerbsbeschränkenden Charakter hat (siehe oben, Rn. 222).

704

Überdies konnte die Kommission angesichts von Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln, deren inhärent wettbewerbsbeschränkender Charakter nicht stichhaltig in Frage gestellt worden ist, die Teva-Vereinbarung wegen des festgestellten Bestehens eines Anreizes zu Recht als eine Marktausschlussvereinbarung, mit der demnach ein wettbewerbswidriger Zweck verfolgt wurde, ansehen. Nach ständiger Rechtsprechung hindert aber der Umstand allein, dass eine Vereinbarung auch zulässige Zwecke verfolgt, nicht an ihrer Einstufung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung (siehe oben, Rn. 222).

iii) Zu der hilfsweise erhobenen Rüge betreffend die Dauer der Zuwiderhandlung

705

Die Klägerinnen rügen, dass die Kommission den Beginn der ihnen wegen der Teva-Vereinbarung zur Last gelegten Zuwiderhandlung auf den Tag des Abschlusses dieser Vereinbarung (13. Juni 2006) und nicht auf den Tag festgelegt habe, an dem Teva die Genehmigung für das Inverkehrbringen im Vereinigten Königreich erhalten hat (12. Dezember 2006) (siehe oben, Rn. 641).

706

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass zum einen die Untersuchung der Wettbewerbsbedingungen und der Beschränkungen des Wettbewerbs sich nicht nur auf den gegenwärtigen Wettbewerb, den sich die auf dem betreffenden Markt bereits tätigen Unternehmen liefern, sondern auch auf den potenziellen Wettbewerb zwischen diesen etablierten und anderen, noch nicht auf dem Markt tätigen Unternehmen stützt (vgl. Urteil vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung) und dass zum anderen die Kommission Teva zu Recht als potenziellen Wettbewerber der Klägerinnen zum Zeitpunkt des Abschlusses der Teva-Vereinbarung eingestuft hat (siehe oben, Rn. 614), auch wenn Teva zu diesem Zeitpunkt nicht über eine Genehmigung für das Inverkehrbringen verfügte (siehe oben, Rn. 478 und 599). Folglich hat die Kommission rechtsfehlerfrei befunden, dass der Wettbewerb seit dem Abschluss der Teva-Vereinbarung am 13. Juni 2006 beschränkt war und dass die den Klägerinnen wegen der Teva-Vereinbarung zur Last gelegte Zuwiderhandlung zu diesem Zeitpunkt begann.

707

Die Rüge, mit der die Beurteilung der Dauer der wegen der Teva-Vereinbarung festgestellten Zuwiderhandlung durch die Kommission beanstandet wird, ist folglich zurückzuweisen ebenso wie der Klagegrund, mit dem Rechts- und Beurteilungsfehler bei der Einstufung der Teva-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung geltend gemacht werden.

c)   Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Teva-Vereinbarung als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung

708

Nach Ansicht der Klägerinnen hat die Kommission mehrere Rechts- und Beurteilungsfehler betreffend die Einstufung der Teva-Vereinbarung als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung begangen.

709

Dieser Klagegrund ist unter entsprechender Heranziehung der in den Rn. 566 bis 570 des vorliegenden Urteils angestellten Erwägungen als ins Leere gehend zurückzuweisen.

8.   Zu der mit Lupin geschlossenen Vereinbarung

a)   Zur Einstufung von Lupin als potenzieller Wettbewerber

[nicht wiedergegeben]

b)   Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Lupin-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung

1) Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

2) Würdigung durch das Gericht

787

Was den Klagegrund angeht, der die Feststellung der Zuwiderhandlung selbst betrifft, ist zunächst das Vorbringen der Klägerinnen zu prüfen, mit dem diese in Abrede stellen, dass die beiden Voraussetzungen für die Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung erfüllt seien, d. h. ein als Anreiz wirkender Vorteil für den Generikahersteller und die entsprechende Beschränkung seiner Bemühungen, mit dem Hersteller des Originalpräparats in Wettbewerb zu treten. Sodann ist zu untersuchen, ob die Kommission zu Recht auf das Vorliegen einer Zuwiderhandlung schließen konnte. Schließlich ist zu prüfen, ob die Kommission bei der sachlichen Abgrenzung dieser Zuwiderhandlung einen Beurteilungsfehler begangen hat.

788

Der von den Klägerinnen hilfsweise geltend gemachte Klagegrund betreffend die Dauer der Zuwiderhandlung ist zuletzt zu prüfen.

i) Zum Fehlen eines als Anreiz wirkenden Vorteils

789

Nach Art. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 und nach ständiger Rechtsprechung hat die Kommission im Bereich des Wettbewerbsrechts bei Streitigkeiten über das Vorliegen von Zuwiderhandlungen die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen zu beweisen und die Beweismittel beizubringen, die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend beweisen (Urteile vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C‑185/95 P, EU:C:1998:608, Rn. 58, und vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, EU:C:1999:356, Rn. 86; vgl. auch Urteil vom 12. April 2013, CISAC/Kommission, T‑442/08, EU:T:2013:188, Rn. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung).

790

Hat das Gericht insoweit Zweifel, muss dies dem Unternehmen zugutekommen, an das sich der Beschluss richtet, mit dem eine Zuwiderhandlung festgestellt wird. Das Gericht kann daher nicht darauf schließen, dass die Kommission das Vorliegen der betreffenden Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn bei ihm daran noch Zweifel bestehen; dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um eine Klage auf Nichtigerklärung eines Beschlusses zur Verhängung einer Geldbuße handelt (vgl. Urteil vom 12. April 2013, CISAC/Kommission, T‑442/08, EU:T:2013:188, Rn. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung).

791

Insoweit ist nämlich die Unschuldsvermutung zu berücksichtigen, wie sie sich insbesondere aus Art. 48 der Charta der Grundrechte ergibt. Angesichts der Art der fraglichen Zuwiderhandlungen sowie von Art und Schwere der Sanktionen, die ihretwegen verhängt werden können, gilt die Unschuldsvermutung auch in Verfahren wegen Verletzung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, in denen Geldbußen oder Zwangsgelder verhängt werden können (vgl. Urteil vom 12. April 2013, CISAC/Kommission, T‑442/08, EU:T:2013:188, Rn. 93 und die dort angeführte Rechtsprechung).

792

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Feststellung, dass eine natürliche oder juristische Person an einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln beteiligt gewesen ist, für diese eine nicht unerhebliche Schädigung ihres Rufes darstellt (vgl. Urteil vom12. April 2013, CISAC/Kommission, T‑442/08, EU:T:2013:188, Rn. 95 und die dort angeführte Rechtsprechung).

793

Daher muss die Kommission aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringen, um das Vorliegen der Zuwiderhandlung nachzuweisen und die feste Überzeugung zu begründen, dass die behaupteten Verstöße eine Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV darstellen (vgl. Urteil vom 12. April 2013, CISAC/Kommission, T‑442/08, EU:T:2013:188, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung).

794

Jedoch muss nicht jeder von der Kommission erbrachte Beweis notwendigerweise für jeden Teil der Zuwiderhandlung diesen Kriterien entsprechen. Es reicht aus, dass das von der Kommission angeführte Bündel von Indizien bei einer Gesamtwürdigung dieser Anforderung genügt (vgl. Urteil vom 12. April 2013, CISAC/Kommission, T‑442/08, EU:T:2013:188, Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung).

795

Das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung kann folglich aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 57).

796

Zum Beispiel ist zwar ein Parallelverhalten für sich allein noch nicht einer abgestimmten Verhaltensweise gleichzusetzen, doch kann es ein wichtiges Indiz für eine solche darstellen, wenn es zu Wettbewerbsbedingungen führt, die nicht den normalen Marktbedingungen entsprechen (Urteil vom 14. Juli 1972, Farbenfabriken Bayer/Kommission, 51/69, EU:C:1972:72, Rn. 25).

797

So kann auch das Bestehen einer akzessorischen Vereinbarung, nach dem von der Kommission in Rn. 1190 des angefochtenen Beschlusses verwendeten Begriff, im Fall der gütlichen Beilegung eines Patentrechtsstreits ein gewichtiges Indiz für einen Anreiz und damit für das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung darstellen (siehe oben, Rn. 265 bis 273).

798

Insoweit ist zu beachten, dass eine akzessorische Vereinbarung eine übliche geschäftliche Vereinbarung ist, die mit einer Vergleichsvereinbarung „verbunden“ ist, die Klauseln enthält, die als solche wettbewerbsbeschränkend sind (siehe oben, Rn. 257). Eine solche Verbindung besteht u. a. dann, wenn die beiden Vereinbarungen an demselben Tag geschlossen werden, wenn sie rechtlich miteinander in der Weise zusammenhängen, dass die Verbindlichkeit der einen Vereinbarung vom Abschluss der anderen abhängt, oder wenn die Kommission in Anbetracht des Kontexts, in dem sie geschlossen werden, nachweisen kann, dass sie voneinander untrennbar sind. Dem sei hinzugefügt, dass die Kommission die Untrennbarkeit der Vereinbarungen umso leichter beweisen kann, je näher die Zeitpunkte ihres Abschlusses beieinanderliegen.

799

Der Umstand, dass die Vergleichsvereinbarung und die akzessorische Vereinbarung an demselben Tag geschlossen werden oder dass sie in einem vertraglichen Zusammenhang miteinander stehen, lässt zudem erkennen, dass sich diese Vereinbarungen in ein und dasselbe Vertragsganze einfügen. Denn würden diese Vereinbarungen nicht an demselben Tag geschlossen (und bestünde kein vertraglicher Zusammenhang zwischen ihnen), würde der eine Verhandlungspartner dem anderen alles gewähren, was dieser anstrebt, ohne jede Gewissheit, dass er letztlich die erwartete Gegenleistung erhalten würde. Dieser zeitliche oder rechtliche Zusammenhang zwischen den beiden Vereinbarungen ist ebenfalls ein Indiz dafür, dass sie Gegenstand einer gemeinsamen Verhandlung waren.

800

Die akzessorische Vereinbarung ist aber eine übliche geschäftliche Vereinbarung, die selbständig, ohne die Vergleichsvereinbarung, bestehen könnte. Umgekehrt zwingt der Abschluss eines Vergleichs nicht zum gleichzeitigen Abschluss einer geschäftlichen Vereinbarung. Demnach ist die Verknüpfung der beiden Vereinbarungen nicht erforderlich. Zudem kann sie nicht durch den Vergleich gerechtfertigt sein, da Zweck der akzessorischen Vereinbarung nicht der Abschluss eines solchen Vergleichs ist, sondern die Durchführung einer geschäftlichen Transaktion.

801

Ferner schließt die akzessorische Vereinbarung Wertübertragungen zwischen den Parteien ein, seien sie finanzieller oder anderer Natur. Sie kann u. a. Wertübertragungen durch den Inhaber des Patents an den Generikahersteller einschließen.

802

Es besteht auch eine Gefahr, dass die Verknüpfung einer geschäftlichen Vereinbarung mit einer Vergleichsvereinbarung, die Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln enthält, die als solche wettbewerbsbeschränkenden Charakter haben (siehe oben, Rn. 257), unter dem Deckmantel einer geschäftlichen Transaktion, die gegebenenfalls als komplexes Vertragswerk gestaltet ist, in Wirklichkeit darauf abzielt, als Anreiz für den Generikahersteller zu wirken, sich aufgrund einer in der akzessorische Vereinbarung vorgesehenen Wertübertragung diesen Klauseln zu unterwerfen.

803

Folglich stellt der Umstand, dass eine geschäftliche Vereinbarung, die normalerweise nicht die gütliche Beilegung eines Rechtsstreits zum Gegenstand hat (siehe oben, Rn. 800) und mittels deren eine Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller erfolgt, unter den oben in Rn. 798 angeführten Bedingungen mit einer Vereinbarung zur gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits, die wettbewerbsbeschränkende Klauseln enthält, ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer umgekehrten Zahlung dar (siehe oben, Rn. 264).

804

Das in der vorstehenden Randnummer genannte gewichtige Indiz genügt jedoch nicht, so dass die Kommission es untermauern muss, indem sie weitere übereinstimmende Anhaltspunkte anführt, die den Schluss auf das Vorliegen einer umgekehrten Zahlung zulassen. Eine solche Zahlung entspricht im spezifischen Kontext der akzessorischen Vereinbarungen dem Teil der vom Hersteller des Originalpräparats bewirkten Zahlung, der den „normalen“ Wert des ausgetauschten Gutes übersteigt (oder gegebenenfalls dem Teil des „normalen“ Wertes des ausgetauschten Gutes, der die vom Hersteller des Originalpräparats geleistete Zahlung übersteigt).

805

Die Kommission hat unter Bezugnahme auf mehrere Indizien, darunter den Umstand, dass Lupin nicht gewährleistete, dass ein Patent erteilt werden würde, dass es gültig sein würde oder dass die beanspruchten Erzeugnisse oder Verfahren nicht patentverletzend sein würden (Art. 2.2 Buchst. a der Lupin-Vereinbarung), im angefochtenen Beschluss zweimal festgestellt, dass der Erwerb der Technologie von Lupin nicht „zu Marktbedingungen“ ausgehandelt worden sei (Rn. 1950 und 1952).

806

Der Begriff „normale Wettbewerbsbedingungen“, der dem Begriff „normale Marktbedingungen“ gleichkommt, auch wenn er im Kartellbereich nicht verwendet wird, ist im Wettbewerbsrecht nicht unbekannt, denn er wird im besonderen Bereich der staatlichen Beihilfen verwendet, um festzustellen, ob ein Staat sich wie ein privater Investor verhalten hat (Urteil vom 2. September 2010, Kommission/Scott, C‑290/07 P, EU:C:2010:480, Rn. 68), ob also der den betreffenden Unternehmen gewährte Vorteil die normale Vergütung einer vom Staat erhaltenen Gegenleistung darstellt. Dieser Begriff kann somit entsprechend ein relevanter Referenzparameter für die Feststellung sein, ob zwei Unternehmen, die eine geschäftliche Transaktion abgeschlossen haben, dies auf der Grundlage von Erwägungen, die auf den wirtschaftlichen Wert des ausgetauschten Gutes, z. B. seine Rentabilitätsperspektiven, beschränkt sind, und somit zu normalen Marktbedingungen getan haben.

807

Hat die Kommission Indizien oder Beweise vorgelegt, die ihr die Feststellung erlauben, dass die akzessorische Vereinbarung nicht zu normalen Marktbedingungen geschlossen wurde, können die Parteien der Vereinbarung ihre Version des Sachverhalts vortragen und ihr Vorbringen mit den ihnen verfügbaren Anhaltspunkten dafür untermauern, dass die geschäftliche Vereinbarung, obwohl sie eine zu einer Vergleichsvereinbarung akzessorische Vereinbarung bildet, aus anderen Gründen als dem des Ausschlusses eines Wettbewerbers mittels einer umgekehrten Zahlung gerechtfertigt ist. Die Parteien der Vereinbarung können so geltend machen, dass die akzessorische Vereinbarung zu Marktbedingungen geschlossen worden sei, und dafür geeignete Anhaltspunkte vortragen, z. B. die gewerblichen und kommerziellen Usancen des Sektors oder die besonderen Umstände des konkreten Falles.

808

In Anbetracht aller ihr vorliegenden Anhaltspunkte und gegebenenfalls des Fehlens einer Erklärung oder einer plausiblen Erklärung seitens der Parteien der Vereinbarung kann die Kommission nach einer Gesamtwürdigung Grund zu der Feststellung haben, dass die akzessorische Vereinbarung nicht zu normalen Marktbedingungen geschlossen wurde, d. h., dass die von dem Hersteller des Originalpräparats geleistete Zahlung den Wert des ausgetauschten Gutes (oder dass der Wert des dem Hersteller des Originalpräparats verkauften Gutes die von diesem geleistete Zahlung) übersteigt. Die Kommission kann dann den Schluss ziehen, dass eine umgekehrte Zahlung vorliegt (siehe oben, Rn. 804).

809

Eine umgekehrte Zahlung, durch die keine vergleichsinhärenten Kosten ausgeglichen werden sollen, stellt indes einen als Anreiz wirkenden Vorteil dar (siehe oben, Rn. 265 und 278 bis 280). Dies ist der Fall bei einer Zahlung aufgrund einer akzessorischen Vereinbarung, die nicht die gütliche Beilegung eines Rechtsstreits, sondern die Durchführung einer geschäftlichen Transaktion zum Gegenstand hat (siehe oben, Rn. 800).

810

Die Parteien der Vereinbarung können jedoch noch geltend machen, dass der betreffende Vorteil unbedeutend sei, weil der Betrag zu gering sei, um ihn als einen signifikanten Anreiz dafür anzusehen, die in der Vergleichsvereinbarung vorgesehenen wettbewerbsbeschränkenden Klauseln zu akzeptieren (siehe oben, Rn. 280).

811

Anhand der vorstehenden Erwägungen sind die besonderen Umstände des vorliegenden Falles zu prüfen.

812

Servier und Lupin schlossen am selben Tag eine Vereinbarung zur gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits, die Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln enthielt, und eine Vereinbarung über die Übertragung von Technologie, mit der Servier Lupin drei von dieser eingereichte Patentanmeldungen abkaufte. Zudem wurden diese beiden Vereinbarungen in der Form einer einzigen Vereinbarung geschlossen. Der Zusammenhang zwischen den beiden Vereinbarungen ist somit offenkundig.

813

Des Weiteren erfolgte mit der Übertragungsvereinbarung eine Wertübertragung durch Servier an Lupin.

814

Aus den vorstehenden Rn. 812 und 813 ergibt sich, dass die Übertragungsvereinbarung eine akzessorische Vereinbarung darstellt, mit der eine Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller erfolgt. Dies ist ein gewichtiges Indiz dafür, dass diese Wertübertragung nicht nur die Gegenleistung für das im Rahmen der akzessorischen Vereinbarung ausgetauschte Gut ist, sondern auch eine umgekehrte Zahlung (in der Bedeutung dieses Begriffs im Bereich der akzessorischen Vereinbarungen) umfasst.

815

Zudem steht fest, dass Servier an Lupin im Rahmen der Übertragungsvereinbarung 40 Mio. Euro zahlte, was einen seinem absoluten Wert nach bedeutenden Betrag darstellt, wie die Kommission in den Rn. 1871 und 1947 des angefochtenen Beschlusses zu Recht hervorgehoben hat.

816

Ein solcher Betrag überstieg aber die Gewinne, mit denen Lupin nach ihrem unabhängigen Markteintritt in den ersten zwei oder drei Vermarktungsjahren rechnen konnte, wie die Kommission in Rn. 1974 des angefochtenen Beschlusses zu Recht festgestellt hat.

817

Es steht ebenfalls fest, dass der fragliche Betrag höher war als die Investitionen, die ein anderer vergleichbarer Generikahersteller zur Entwicklung seines eigenen Perindoprils getätigt hatte, wie die Kommission in Rn. 1962 des angefochtenen Beschlusses hervorgehoben hat. Ein solches von der Kommission herangezogenes Indiz ist entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen besonders relevant.

818

Hinzu kommt, dass Lupin keine Patente übertrug, sondern bloße Patentanmeldungen. Überdies war in der Vereinbarung ausdrücklich vorgesehen, dass Lupin nicht gewährleistete, dass ein Patent erteilt werden würde, dass es gültig sein würde oder dass die beanspruchten Erzeugnisse oder Verfahren nicht patentverletzend sein würden (Art. 2.2 Buchst. a der Lupin-Vereinbarung).

819

Schließlich steht fest, dass Lupin, auch wenn Servier und Lupin in ihren Antworten auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte bestritten haben, dass der Vergleich von den Bedingungen der Übertragung der Patentanmeldungen abgehangen habe, zuvor angegeben hatte, dass die Übertragung der Patentanmeldungen integraler Bestandteil der Vergleichsverhandlungen gewesen sei. Sie hatte die erhaltenen Zahlungen auch als „Vergleichszahlungen“ oder „Vergleichsbeträge“ bezeichnet (Rn. 1937 des angefochtenen Beschlusses).

820

Dagegen legen die Klägerinnen nichts Konkretes zum Beweis dessen vor, dass der Erwerb der Patentanmeldungen von Lupin für einen Betrag von 40 Mio. Euro bei vernünftiger Betrachtung als eine rentable Investition gelten konnte (vgl. in Fortführung der oben in Rn. 806 eingeführten Analogie zum Begriff des marktwirtschaftlich handelnden privaten Investors Rn. 84 des Urteils vom 12. Dezember 2000, Alitalia/Kommission, T‑296/97, EU:T:2000:289, wonach das Verhalten eines marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers von Rentabilitätsaussichten geleitet wird) oder zumindest als geeignet angesehen werden konnte, dem Erwerber dieser Anmeldungen Einkünfte zu verschaffen, die ihren hohen Preis würden ausgleichen können.

821

Die Klägerinnen verweisen zwar, wenn auch wenig substantiiert, auf Transaktionen, die der mit Lupin geschlossenen Übertragungsvereinbarung vergleichbar sein sollen. Dabei handelt es sich jedoch um Vereinbarungen, an denen die Klägerinnen als Partei beteiligt waren und die daher nur bedingt als Nachweis herangezogen werden können, dass eine Transaktion zu normalen Marktbedingungen erfolgt ist. Im Übrigen hat die Kommission einige dieser Transaktionen als Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht eingestuft. Schließlich weisen die Klägerinnen auch nicht nach, dass die im Rahmen dieser verschiedenen Transaktionen übertragene Technologie der von der Übertragungsvereinbarung betroffenen gleichwertig war.

822

Die Klägerinnen verweisen zwar insoweit auch auf das Gutachten einer Person, die sich als Berater in Fragen des geistigen Eigentums bezeichnet. Diese Person gibt jedoch selbst an, dass sie ihr Gutachten für Rechnung von Servier erstellt habe. Dies beschränkt zwangsläufig den Beweiswert eines solchen Gutachtens. Vor allem sind die in diesem Gutachten gezogene Schlussfolgerung („Ich würde daher die Käufe als im Rahmen der normalen Praxis eines Unternehmens liegend ansehen“) und die sie stützenden Gesichtspunkte zu allgemein für den Nachweis, dass die in Rede stehende Wertübertragung einer zu normalen Marktbedingungen erfolgten Transaktion entsprach. Zudem sind die als Referenz herangezogenen Transaktionen wiederum solche, an denen Servier beteiligt war und von denen die Kommission einige als Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht eingestuft hat.

823

Auch wenn ferner die Patent- und die Produktionsabteilung oder andere Abteilungen von Servier, wie die Klägerinnen geltend machen, die Technologie von Lupin als „interessant“ eingestuft haben sollten, ließe sich damit nicht beweisen, dass die in Rede stehende Wertübertragung einer zu normalen Marktbedingungen erfolgten Transaktion entsprach.

824

Ebenso würde sich mit einem Beweis des Vortrags, dass über den „Preis ausgehend von den ursprünglichen Forderungen bis zu einem für beide Parteien akzeptablen Niveau verhandelt“ worden sei, nicht nachweisen lassen, dass die in Rede stehende Wertübertragung einer zu normalen Marktbedingungen erfolgten Transaktion entsprach.

825

Somit lassen die von den Klägerinnen angeführten Gesichtspunkte, selbst wenn sie als Ganzes berücksichtigt werden, nicht den Schluss zu, dass die in Rede stehende Wertübertragung einer zu normalen Marktbedingungen erfolgten Transaktion entsprach.

826

In dieser Hinsicht ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission, u. a. gestützt auf die in Rn. 795 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung (Rn. 1940 des angefochtenen Beschlusses), befunden hat, dass „weder Servier noch Lupin eine glaubwürdige Beschreibung der Faktoren geben konnten, die für die Festsetzung des Endbetrags von 40 Mio. Euro bestimmend waren“ (Rn. 1955). In Rn. 1944 des angefochtenen Beschlusses hat sie ausgeführt, dass sie „bestimmte Schlüsse aus einer Situation ziehen [durfte], in der mögliche Entlastungsbeweise nur von den Parteien selbst kommen konnten und die Parteien trotz mehrerer Auskunftsverlangen solche Entlastungsbeweise nicht vorlegen konnten“. Dem hat sie in Rn. 1964 des angefochtenen Beschlusses hinzugefügt, dass „Servier nicht in der Lage [war], Unterlagen aus der betreffenden Zeit vorzulegen, anhand deren sich der Betrag der infolge des Erwerbs der Technologie von Lupin erwarteten Einsparungen hätte erläutern lassen“. Sie ist schließlich u. a. angesichts des „Fehlens von Beweisen“ für das geschäftliche Interesse von Servier an der von Lupin übertragenen Technologie zu dem Ergebnis gelangt, dass die sich aus der Übertragungsvereinbarung ergebende Wertübertragung einen als Anreiz wirkenden Vorteil darstellte (Rn. 1978 des angefochtenen Beschlusses).

827

In Anbetracht aller vor dem Gericht erörterten Gesichtspunkte ist festzustellen, dass die Kommission das Vorliegen einer umgekehrten Zahlung, die dem in Rede stehenden Vergleich nicht inhärent war (siehe oben, Rn. 809), und damit eines Anreizes nachgewiesen hat.

828

Schließlich ist in Anbetracht der Erwägungen in den vorstehenden Rn. 815 bis 827 festzustellen, dass nicht nachgewiesen ist, dass der betreffende Vorteil unbedeutend ist, weil der Betrag zu gering ist, um ihn als einen signifikanten Anreiz dafür anzusehen, die in der Vergleichsvereinbarung vorgesehenen wettbewerbsbeschränkenden Klauseln zu akzeptieren (siehe oben, Rn. 810).

ii) Zum Fehlen einer Beschränkung der Bemühungen des Generikaherstellers, in Wettbewerb mit dem Hersteller des Originalpräparats zu treten

829

Die Lupin-Vereinbarung enthält Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln, die als solche wettbewerbsbeschränkend sind, wie oben in Rn. 257 dargelegt worden ist.

830

Die Klägerinnen machen jedoch geltend, die in der Lupin-Vereinbarung enthaltenen Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln seien nicht wettbewerbsbeschränkend, weil ihr wettbewerbsbeschränkender Charakter durch andere Klauseln der Vereinbarung begrenzt werde. Dieses Vorbringen ist auf seine Stichhaltigkeit zu prüfen.

831

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die von der Vereinbarung erfassten Erzeugnisse in deren Erwägungsgrund A definiert sind, der sich auf „Arzneimittel, die als Wirkstoff Perindopril tert-Butylamin (auch als Perindopril-Erbumin bezeichnet) und alle seine Salze enthalten (im Folgenden: die Erzeugnisse [Products])“ bezieht.

832

Obwohl im Erwägungsgrund A der Lupin-Vereinbarung auf laufende Rechtsstreitigkeiten verwiesen wird, die auf europäischer Ebene, wie sich aus den Erwägungsgründen B und D dieser Vereinbarung ergibt, nur das Patent 947 betreffen, bezieht sich eine solche Klausel angesichts ihres Wortlauts anscheinend nicht nur auf Erzeugnisse, die die Alpha-Form von Perindopril-Erbumin enthalten, also diejenigen, die unter das Patent 947 fallen, sondern alle Erzeugnisse, die Erbumin, in welcher Form auch immer, enthalten.

833

Zudem ist der Ausdruck „alle seine Salze“ nicht eindeutig. Einerseits scheint sich das Wort „seine“ grammatikalisch eher auf Perindopril tert-Butylamin, d. h. Erbumin, zu beziehen, als auf Perindopril insgesamt, da Letzteres als solches in diesem Satzteil nicht erwähnt wird. Andererseits ist Erbumin unstreitig ein Salz, so dass das Wort „seine“ sich nicht auf Erbumin, sondern allgemeiner auf Perindopril insgesamt beziehen müsste.

834

Folglich lässt sich aufgrund des Wortlauts der Klauseln der Vereinbarung schwer feststellen, ob diese Vereinbarung nur die Alpha-Form von Erbumin erfasst oder ob sie auch andere Formen von Erbumin oder sogar andere Perindopril-Salze einschließt.

835

Angesichts dieser Ungewissheit ist zu prüfen, ob die Tragweite der Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln nicht derart begrenzt ist, dass diese Klauseln ihren wettbewerbsbeschränkenden Charakter verlieren.

836

Als Erstes ist der wettbewerbsbeschränkende Charakter der Nichtangriffsklausel offensichtlich, da Art. 1.3 der Lupin-Vereinbarung Folgendes vorsieht:

„Nach dem Datum der vorliegenden Vereinbarung wird Lupin nicht versuchen, sei es unmittelbar oder mittelbar, und keinen Dritten dabei unterstützen oder damit beauftragen, das Patent 947 oder irgendein von Servier oder deren Tochtergesellschaften gehaltenes Patent zum Schutz von Perindopril in irgendeinem Land mit Ausnahme eines nicht dem EWR angehörenden Staates zu widerrufen oder für ungültig erklären zu lassen oder sonst anzufechten.“

837

Zudem ergibt sich aus den unterschiedlichen Schreibkonventionen „die Patente“ und „die Patente von Servier“, die jeweils im Erwägungsgrund D und in Art. 1.3 der Lupin-Vereinbarung festgelegt sind, dass sich dieser Artikel nicht nur auf die in den Erwägungsgründen B bis D genannten Patente (darunter das Patent 947), bezüglich deren von Rechtsstreitigkeiten zwischen Servier und Lupin die Rede ist, bezieht, sondern auch zumindest potenziell auf eine Gesamtheit von Patenten, die nicht einzeln genannt sind und die die von der Vereinbarung erfassten Erzeugnisse schützen.

838

Was als Zweites die Tragweite der Vermarktungsverbotsklausel angeht, erlegt Art. 1.6 der Lupin-Vereinbarung Lupin ein Vermarktungsverbot auf, das für die von der Vereinbarung erfassten Erzeugnisse gilt.

839

Nach Art. 1.6 der Lupin-Vereinbarung kann Lupin jedoch, wenn die Voraussetzungen nach Art. 4.1 dieser Vereinbarung erfüllt sind, von Servier gelieferte Erzeugnisse oder ihre eigenen Erzeugnisse verkaufen oder zum Verkauf anbieten. Art. 4.1 regelt, unter welchen Voraussetzungen Servier ihre Erzeugnisse an Lupin verkaufen muss. Diese Bestimmung sieht drei Fälle vor.

840

Im ersten Fall kann Lupin in einen der von der Vereinbarung erfassten nationalen Märkte eintreten, wenn bestimmte Erzeugnisse von Servier von einem Dritten auf diesem Markt vertrieben werden. Im zweiten Fall kann Lupin in einen solchen Markt eintreten, wenn die Patentanmeldung von Servier zurückgewiesen wird oder wenn ihr Patent abläuft oder für ungültig oder für nichtig erklärt wird. Im dritten Fall schließlich kann Lupin in einen solchen Markt eintreten, wenn ein nicht von Servier hergestelltes Generikum auf diesem Markt verkauft wird – es sei denn, Servier hat einen Antrag auf einstweilige Verfügung gestellt, der nicht zurückgewiesen worden ist – und wenn dieses Generikum nicht unter Verletzung einer für diesen Markt geltenden einstweiligen Verfügung verkauft wird.

841

Somit ist der Markteintritt von Lupin, insbesondere mit ihren eigenen Erzeugnissen (siehe oben, Rn. 839), in zwei Fällen möglich.

842

Erstens ist der Markteintritt von Lupin möglich, wenn Servier den Verkauf ihrer Erzeugnisse durch einen Dritten erlaubt, keine Patentanmeldung einreicht oder keine einstweilige Verfügung beantragt, d. h. unter Umständen, deren Eintritt in das Ermessen von Servier gestellt ist, auf das Lupin keinerlei Einfluss hat. In diesem ersten Fall kann keine Rede davon sein, dass die Anwendung der Voraussetzungen nach Art. 4.1 der Lupin-Vereinbarung den wettbewerbsbeschränkenden Charakter der Vermarktungsverbotsklausel als solchen (siehe oben, Rn. 257) in Frage stellt oder gar den Markteintritt von Lupin fördert.

843

Zweitens ist der Markteintritt von Lupin möglich, wenn die Patente von Servier es dieser nicht erlauben, sich dem zu widersetzen. In diesem Fall erlaubt Art. 4.1 der Lupin-Vereinbarung keinen im Verhältnis zu den Wirkungen eines noch gültigen oder einem Dritten gegenüber wirksamen Patents vorgezogenen Markteintritt von Lupin. Mit dieser Bestimmung werden nur die Konsequenzen aus dem Fehlen eines gültigen oder einem Dritten gegenüber wirksamen Patents gezogen, indem so vermieden wird, dass die Vermarktungsverbotsklausel keinen Bezug zu einem solchen Patent hat und somit offenkundig das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs so hinreichend beeinträchtigt, dass ihre Aufnahme in die Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft wird (siehe unten, Rn. 877). In diesem zweiten Fall kann daher keine Rede davon sein, dass die Anwendung der Voraussetzungen nach Art. 4.1 der Lupin-Vereinbarung den wettbewerbsbeschränkenden Charakter der Vermarktungsverbotsklausel als solchen (siehe oben, Rn. 257) in Frage stellt oder gar den Markteintritt von Lupin fördert.

844

Demgemäß ist festzustellen, dass die Vermarktungsverbotsklausel ungeachtet der Bestimmungen des Art. 4.1 der Lupin-Vereinbarung wettbewerbsbeschränkend ist.

845

Dieses Ergebnis wird durch das übrige Vorbringen der Klägerinnen nicht in Frage gestellt.

846

Erstens machen die Klägerinnen geltend, die Vereinbarung erlaube einen vorgezogenen Markteintritt von Lupin, d. h. vor dem voraussichtlichen Ende der Gültigkeit des Patents 947. Ein solcher vorgezogener Markteintritt neutralisiere aber den wettbewerbsbeschränkenden Charakter einer Vermarktungsverbotsklausel.

847

Auch wenn wegen des komplexen Wortlauts von Art. 1.6 der Lupin-Vereinbarung eine solche Auslegung nicht auf der Hand liegt, ließe sich sagen, dass dieser Artikel in Verbindung mit Art. 4.1 Buchst. c dieser Vereinbarung einen Markteintritt von Lupin mit ihren eigenen Erzeugnissen erlaubt, wenn ein nicht von Servier hergestelltes generisches „Erzeugnis“ ohne Verletzung einer einstweiligen Verfügung (und ohne dass zudem ein von Servier gestellter Antrag auf einstweilige Verfügung anhängig ist) auf den Markt gelangt ist.

848

Der Begriff „Product“ (Erzeugnis) im Sinne von Art. 4.1 Buchst. c der Lupin-Vereinbarung ist wegen seiner Großschreibung im Sinne der im Erwägungsgrund A dieser Vereinbarung getroffenen Schreibkonvention zu verstehen, da dieser Begriff dort mit einem Großbuchstaben beginnt (siehe oben, Rn. 831).

849

In Anbetracht des Erwägungsgrundes A der Lupin-Vereinbarung, der sich auf Erzeugnisse bezieht, die Erbumin in welcher Form auch immer enthalten (siehe oben, Rn. 832), könnte Art. 4.1 Buchst. c dieser Vereinbarung wegen der Bezugnahme auf Erzeugnisse, die nicht unter Verletzung einer einstweiligen Verfügung verkauft werden, dahin ausgelegt werden, dass er Erzeugnisse betrifft, die andere Formen von Erbumin als die Alpha-Form enthalten. Damit könnte die Vereinbarung so ausgelegt werden, dass sie Lupin erlaubt, in den Markt einzutreten, wenn ein Dritter ein generisches Perindopril, das Erbumin einer Non-Alpha-Form enthält, in den Verkehr gebracht hat.

850

Der nicht eindeutige Wortlaut des Erwägungsgrundes A der Lupin-Vereinbarung schafft zudem eine Ungewissheit hinsichtlich des Umstands, dass Art. 4.1 Buchst. c dieser Vereinbarung mit der Bezugnahme auf Erzeugnisse, die nicht unter Verletzung einer einstweiligen Verfügung verkauft werden, dahin ausgelegt werden könnte, dass er sich auch auf Erzeugnisse bezieht, die kein Erbumin enthalten (siehe oben, Rn. 833). Dies könnte zu dem Schluss führen, dass die Vereinbarung Lupin erlaubt, in den Markt einzutreten, wenn ein Dritter generisches Perindopril in Form eines Salzes, einschließlich eines anderen Salzes als Erbumin, in den Verkehr gebracht hat.

851

Daraus könnte geschlossen werden, dass die Vereinbarung einen im Verhältnis zur voraussichtlichen Gültigkeitsdauer des Patents 947 vorgezogenen Markteintritt von Lupin mit ihren eigenen Erzeugnissen vorsah, da ein Inverkehrbringen durch einen Dritten von Erzeugnissen, die kein Erbumin in der Alpha-Form enthalten, eine zum Schutz dieses Patents ergangene einstweilige Verfügung nicht verletzen könnte und Lupin erlauben würde, ihrerseits mit ihren eigenen Erzeugnissen in den Markt einzutreten.

852

Jedoch hatte Lupin wegen der oben in den Rn. 846 bis 850 dargelegten Ungewissheiten über die Tragweite der Art. 1.6 und 4.1 der Lupin-Vereinbarung Anlass zu der Befürchtung, dass die Vermarktungsverbotsklausel fortgelten würde, nachdem ein Dritter ein generisches Perindopril, das aus Erbumin einer Non-Alpha-Form bestand, oder ein nicht aus Erbumin bestehendes generisches Perindopril in den Verkehr gebracht hätte. Ein solcher Zweifel war geeignet, sie von einem Markteintritt abzuhalten. Hinzu kommt eine weitere Ungewissheit, die dadurch bedingt war, dass auch bei weiter Auslegung des Begriffs „Erzeugnis“ (der alle Salze von Perindopril einschließt) Servier dennoch eine einstweilige Verfügung beantragen könnte, und zwar auch für ein Erzeugnis, das offensichtlich keines ihrer Patente verletzt, insbesondere nicht das Patent 947, was zur Folge hätte, dass Art. 4.1 Buchst. c der Lupin-Vereinbarung bis zur Zurückweisung eines solchen Antrags nicht angewandt werden könnte.

853

Hierzu sei ferner darauf hingewiesen, dass die Parteien bezüglich des französischen Marktes mehrere Schreiben zu der Frage gewechselt haben, ob der Markteintritt von Sandoz Lupin erlaubte, ihrerseits in den Markt einzutreten. So fragte Lupin Servier in einem Schreiben vom 17. März 2009, ob diese ihrem Eintritt in den französischen Markt entgegentrete. In einem Schreiben vom 31. März 2009 beschränkte sich Servier auf den Hinweis, dass das Erzeugnis von Sandoz keines ihrer Patente verletze. Auf diese Antwort hin fühlte sich Lupin genötigt, Servier mit Schreiben vom 3. April 2009 um Erläuterungen zu bitten. Sie schrieb u. a. Folgendes:

„Lupin sieht keinerlei triftigen Grund für Servier, dem Verkauf ihres Erzeugnisses auf der Basis von Perindopril-Erbumin in Frankreich an ihre/n lokalen Partner oder dem Weiterverkauf durch diese/n französische/n Partner entgegenzutreten. Aus Ihrem Schreiben vom 31. März 2009 geht nicht klar hervor, ob Servier in einem dieser Punkte anderer Auffassung ist. Sollte dies der Fall sein, werden Sie um eine umfassende Erläuterung der Position von Servier bis zum 9. April 2009 zum Geschäftsschluss gebeten.“

854

Schon diese Schreiben von Lupin und der Inhalt des letztgenannten Schreibens lassen die bei ihr bestehenden Ungewissheiten hinsichtlich ihrer Möglichkeit erkennen, ohne Verletzung der Vereinbarung in den französischen Markt einzutreten.

855

Folglich ist der wettbewerbsbeschränkende Charakter der Vermarktungsverbotsklausel unabhängig von der Auslegung des Erwägungsgrundes A der Lupin-Vereinbarung festzustellen, zumal die sich aus der Komplexität oder dem nicht eindeutigen Wortlaut einer Vereinbarung ergebenden Ungewissheiten es den Parteien nicht erlauben dürfen, sich ihrer wettbewerbsrechtlichen Verantwortung zu entziehen.

856

Wird der oben in Rn. 851 dargelegten Auslegung der Vereinbarung gefolgt, steht die hypothetische Natur der am Ende der Rn. 849 und 850 des vorliegenden Urteils genannten Ereignisse, d. h. des Inverkehrbringens eines Generikums durch einen Dritten, der Annahme entgegen, dass der wettbewerbsbeschränkende Charakter der Vermarktungsverbotsklausel neutralisiert wird und demnach insoweit keine Zuwiderhandlung vorliegt. Es ist nämlich zu unterscheiden zwischen der Frage des Vorliegens der Zuwiderhandlung selbst, das nicht durch die bloße Möglichkeit des Eintritts zukünftiger Ereignisse in Frage gestellt werden kann, auf der einen Seite und der Frage der Dauer der Zuwiderhandlung, die vom tatsächlichen Eintritt solcher Ereignisse abhängen kann, auf der anderen.

857

Zudem hängt der vorgezogene Markteintritt von Lupin jedenfalls davon ab, dass ein Dritter ein Generikum in den Verkehr bringt, also von einem Umstand, der sowohl außerhalb der Sphäre der Vertragsparteien liegt als auch ungewiss ist. Dieser Markteintritt ergibt sich demnach nicht aus einer klaren Entscheidung dieser Parteien, auf die sie sich zum Beweis dafür berufen könnten, dass die sie bindende Vereinbarung und insbesondere die in ihr enthaltene Vermarktungsverbotsklausel nicht wettbewerbsbeschränkend sind.

858

Zweitens sieht die Lupin-Vereinbarung zwar in Art. 4.2 den künftigen Abschluss einer Belieferungsvereinbarung zwischen den Parteien vor. Die Durchführung einer solchen Vereinbarung hängt jedoch vom Vorliegen einer der in Art. 4.1 der Lupin-Vereinbarung genannten Voraussetzungen ab. Da, wie bereits dargelegt, die Durchführung dieser Bestimmung nicht den Schluss zulässt, dass die Vermarktungsverbotsklausel nicht wettbewerbsbeschränkend ist, gilt dies auch für die in Art. 4.2 erwähnte Belieferungsvereinbarung.

859

Zudem sei darauf hingewiesen, dass zwischen den Parteien keine Belieferungsvereinbarung geschlossen wurde. Des Weiteren sah die Lupin-Vereinbarung nicht vor, dass der Nichtabschluss einer Belieferungsvereinbarung erhebliche Rechtsfolgen für die Parteien haben würde, wie etwa die Kündigung der Lupin-Vereinbarung als Ganzes oder der in ihr enthaltenen Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln. Selbst wenn also eine Belieferungsvereinbarung als geeignet angesehen werden könnte, den Markteintritt eines Generikaherstellers, der ein potenzieller Wettbewerber des Herstellers des Originalpräparats wäre, zu fördern, könnte im vorliegenden Fall die Lupin-Vereinbarung, die eine Belieferungsvereinbarung nur im Grundsatz vorsah, ohne im Hinblick auf die Verwirklichung dieses Grundsatzes Maßnahmen oder Sanktionen vorzusehen, nicht als dem Markteintritt von Lupin förderlich angesehen werden.

860

Nach Art. 4.2 der Lupin-Vereinbarung sollte die Belieferungsvereinbarung zwar die Anwendung ihres Art. 4.1 ermöglichen, der eine „feste“ Verpflichtung von Servier zur Lieferung der „Erzeugnisse“ im Sinne der Vereinbarung an Lupin vorsah. Aufgrund der in der vorstehenden Rn. 859 dargelegten Erwägungen ist jedoch der zwingende Charakter dieser von Servier eingegangenen Verpflichtung zu relativieren

861

Drittens ist das Vorbringen der Klägerinnen, eine Auslegung von Art. 1.3 der Lupin-Vereinbarung dahin, dass die Nichtangriffsklausel über das Patent 947 hinaus gelte, müsse gemäß Art. 1.7 dieser Vereinbarung zu der Annahme führen, dass Lupin über eine Gratislizenz für alle diese Patente verfügt habe, ist angesichts des Wortlauts der letztgenannten Bestimmung irrig, die in der von den Klägerinnen besorgten Übersetzung in die Verfahrenssprache wie folgt lautet:

„Zur Vermeidung jeder Unklarheit: Diese Vereinbarung gewährt Lupin keinerlei Recht oder Lizenz an den Patenten von Servier im Bereich irgendeiner Gerichtsbarkeit, wobei weder Servier noch ihre Tochtergesellschaften, Lizenznehmer und/oder Rechtsnachfolger für die Patente von Servier ihre Rechte an den Patenten von Servier hinsichtlich des Lupin durch Art. 1.6 eingeräumten Rechts, die von Lupin/Lupin (Europe) Limited hergestellten Erzeugnisse zu verkaufen, ausüben werden.“

862

Der Wortlaut dieser Bestimmung ist nämlich wegen des zumindest dem Anschein nach bestehenden Gegensatzes zwischen dem ersten Teil des Satzes (Diese Vereinbarung gewährt Lupin keinerlei Recht oder Lizenz an den Patenten von Servier im Bereich irgendeiner Gerichtsbarkeit) und dem folgenden Teil (wobei weder Servier noch ihre Tochtergesellschaften, Lizenznehmer und/oder Rechtsnachfolger für die Patente von Servier ihre Rechte an den Patenten von Servier hinsichtlich des Lupin durch Art. 1.6 eingeräumten Rechts, die von Lupin/Lupin [Europe] Limited hergestellten Erzeugnisse zu verkaufen, ausüben werden) wenig klar. Zudem ist die Notwendigkeit des ersten Satzteils nicht offensichtlich, denn keine Bestimmung der Vereinbarung legt den Gedanken nahe, dass Lupin über eine Lizenz für andere Rechte als die Rechte an der an Servier übertragenen Technologie verfügte. Das Verständnis dieses Artikels wird noch weiter erschwert durch den Verweis auf Art. 1.6 der Lupin-Vereinbarung, der wiederum auf Art. 4.1 dieser Vereinbarung verweist, der festlegt, unter welchen Voraussetzungen Lupin mit ihrem eigenen Erzeugnis in den Markt eintreten kann. Somit konnte Art. 1.7 wegen seines Wortlauts Zweifel aufkommen lassen, die geeignet waren, Lupin von einem Markteintritt abzuhalten.

863

Vor allem hängt der Verzicht von Servier darauf, ihre Patentrechte gegenüber Lupin geltend zu machen, davon ab, dass eine der Voraussetzungen nach Art. 4.1 der Lupin-Vereinbarung (auf den ihr Art. 1.6 verweist) erfüllt ist. Da, wie oben in den Rn. 844 und 855 ausgeführt worden ist, die Durchführung von Art. 4.1 nicht den Schluss zulässt, dass die Vermarktungsverbotsklausel nicht wettbewerbsbeschränkend ist, gilt Gleiches auch für die Durchführung von Art. 1.7 dieser Vereinbarung, und zwar auch dann, wenn der Ausdruck „Patente von Servier“ in einem weiten Sinn dahin verstanden wird, dass er die Patente einschließt, die sich über die Alpha-Form von Erbumin hinaus auch auf andere Formen von Erbumin oder andere Perindopril-Salze beziehen.

864

Nach alledem ist die Kommission zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Beschränkung der Bemühungen von Lupin vorliegt, mit Servier in Wettbewerb zu treten.

iii) Zum Fehlen einer Zuwiderhandlung

865

Aus den Erwägungen in den vorstehenden Rn. 789 bis 864 ergibt sich, dass die Kommission zu Recht sowohl das Bestehen eines als Anreiz wirkenden Vorteils als auch eine entsprechende Beschränkung der Bemühungen von Lupin, mit Servier in Wettbewerb zu treten, festgestellt hat.

866

Wie oben in Rn. 272 dargelegt, setzt im Kontext von Vereinbarungen zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten die Einstufung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung voraus, dass die Vergleichsvereinbarung sowohl einen für den Generikahersteller als Anreiz wirkenden Vorteil als auch eine entsprechende Beschränkung seiner Bemühungen, mit dem Hersteller des Originalpräparats in Wettbewerb zu treten, umfasst. Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, ist die Feststellung eines Anreizes zwingend.

867

Im Fall einer Patentvergleichsvereinbarung, die Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln enthält, deren per se wettbewerbsbeschränkender Charakter nicht stichhaltig in Frage gestellt worden ist, erlaubt das Bestehen eines Anreizes für den Generikahersteller, sich diesen Klauseln zu unterwerfen, die Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung (siehe oben, Rn. 273).

868

Im vorliegenden Fall erlaubte die Feststellung eines signifikanten Anreizes (siehe oben, Rn. 828) der Kommission den Schluss auf das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung.

869

Folglich hat die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen im angefochtenen Beschluss zu Recht das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung festgestellt.

870

Die Klägerinnen beanstanden jedoch unter Berufung auf die Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln im Wesentlichen die von der Kommission im angefochtenen Beschluss vorgenommene sachliche Abgrenzung der Zuwiderhandlung.

871

Wie oben in Rn. 834 dargelegt, lässt sich aufgrund des Wortlauts der Klauseln der Vereinbarung schwer feststellen, ob diese Vereinbarung nur die Alpha-Form von Erbumin erfasste oder ob sie auch andere Formen von Erbumin oder sogar andere Perindopril-Salze einschloss.

872

Die Tragweite der Vermarktungsverbotsklausel hängt indes von der zugrunde gelegten Definition des Begriffs „Erzeugnisse“ ab, da auf diesen Begriff sowohl in Art. 1.6 der Lupin-Vereinbarung als auch in deren Art. 4.1, auf den Art. 1.6 verweist, Bezug genommen wird.

873

Was zudem die Tragweite der Nichtangriffsklausel angeht, so galt diese nicht nur für die in den Erwägungsgründen B bis D genannten Patente (einschließlich des Patents 947), sondern auch für eine Gesamtheit von Patenten, die nicht einzeln genannt waren und deren Abgrenzung vom Begriff „Erzeugnisse“ abhing, wie er in der Vereinbarung vorgesehen war (siehe oben, Rn. 836).

874

Wie die Kommission im angefochtenen Beschluss (Rn. 1912) zu Recht ausgeführt hat, schuf der Wortlaut der Vereinbarung eine Ungewissheit hinsichtlich des Geltungsbereichs der Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln.

875

So war aufgrund des Wortlauts der Lupin-Vereinbarung zweifelhaft, ob die Vermarktungsverbotsklausel für alle Formen von Erbumin oder sogar für andere Perindopril-Salze als Erbumin galt und ob die Nichtangriffsklausel für andere Patente als das Patent 947, insbesondere solche, die Erzeugnisse ohne Erbumin betreffen, galt. Dieser Zweifel war geeignet, Lupin zum einen davon abzuhalten, in den Markt einzutreten, und zwar auch mit Erzeugnissen, die andere Formen von Erbumin als die Alpha-Form oder sogar andere Perindopril-Salze als Erbumin enthielten, und zum anderen davon, Patente anzufechten, die andere Formen von Erbumin als die Alpha-Form oder sogar andere Perindopril-Salze als Erbumin schützten.

876

Zu berücksichtigen ist auch, dass die in Rede stehenden redaktionellen Mehrdeutigkeiten in einer Vereinbarung enthalten sind, die die Kommission zu Recht hinsichtlich der Vermarktungsverbotsklausel und der Nichtangriffsklausel in Bezug auf das Patent 947 und die durch dieses geschützten Erzeugnisse als wettbewerbsrechtliche Zuwiderhandlung eingestuft hat (siehe oben, Rn. 869). Schließlich steht fest, dass die Parteien der Vereinbarung über genügend Mittel verfügten, um sich der Hilfe von Fachleuten zu bedienen, die in der Lage waren, solche Mehrdeutigen auch in der kurzen dafür zur Verfügung stehenden Zeit auszuräumen. In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass sich der Geltungsbereich der Vermarktungsverbotsklausel auf Erzeugnisse erstreckte, die kein Erbumin enthielten, und erst recht auf solche, die eine andere als dessen Alpha-Form enthielten, und dass sich der Geltungsbereich der Nichtangriffsklausel über das Patent 947 hinaus auf alle Patente erstreckte, die sich auf diese Erzeugnisse bezogen (Rn. 1912 und 1918 des angefochtenen Beschlusses).

877

Das Vorliegen von Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln, deren Tragweite über den Geltungsbereich eines genau bezeichneten Patents und den Bereich der durch dieses geschützten Erzeugnisse hinausgeht, ist hinreichend schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs, um die Aufnahme solcher Klauseln in eine Vergleichsvereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung einzustufen, ohne dass darüber hinaus das Bestehen eines Anreizes dargetan zu werden braucht. Denn diese Klauseln finden keinerlei Rechtfertigung in der gütlichen Beilegung eines Patentrechtsstreits, und ihre wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen decken sich nicht mit den Wirkungen dieses Patents (siehe oben, Rn. 257 bis 261).

878

Selbst wenn die Kommission zu Unrecht festgestellt haben sollte, dass die in Rede stehende Zuwiderhandlung andere Formen von Erbumin als die durch das Patent 947 geschützte Alpha-Form oder sogar andere Salze als Erbumin betraf, könnte ein solcher Fehler wegen der begrenzten und sekundären Rolle dieser Feststellung in den Erwägungen der Kommission deren Schlussfolgerung hinsichtlich des Vorliegens einer sich aus der Lupin-Vereinbarung ergebenden bezweckten Wettbewerbsbeschränkung nicht in Frage stellen. Denn die Erwägungen der Kommission stützen sich im Wesentlichen auf das Bestehen eines Anreizes, das, obwohl sich die Tragweite der wettbewerbsbeschränkenden Klauseln der Vergleichsvereinbarung auf den Geltungsbereich dieses Patents beschränkt, den Schluss auf einen anormalen Gebrauch des Patents zulässt (siehe oben, Rn. 253 bis 274).

879

Nach alledem ist der Klagegrund, der das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung und die von der Kommission vorgenommene Abgrenzung einer solchen Wettbewerbsbeschränkung betrifft, zurückzuweisen.

880

Das vorstehende Ergebnis kann durch das übrige Vorbringen der Klägerinnen nicht in Frage gestellt werden.

881

Was als Erstes die Gesichtspunkte angeht, mit denen dargetan werden soll, dass die Absichten der Klägerinnen und die von Lupin legitim gewesen seien, so ist zum einen zu beachten, dass im Kontext von Vereinbarungen zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten die Einstufung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung voraussetzt, dass die Vergleichsvereinbarung sowohl einen für den Generikahersteller als Anreiz wirkenden Vorteil als auch eine entsprechende Beschränkung seiner Bemühungen, mit dem Hersteller des Originalpräparats in Wettbewerb zu treten, enthält. Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, ist die Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung zwingend (siehe oben, Rn. 272). Zum anderen hindert der Umstand allein, dass eine Vereinbarung auch zulässige Zwecke verfolgt, nicht an ihrer Einstufung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung (siehe oben, Rn. 222).

882

Folglich ist das Vorbringen der Klägerinnen im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes, sie und Lupin hätten für den Abschluss der Lupin-Vereinbarung legitime Motive gehabt, nicht geeignet, die Einstufung dieser Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung zu Fall zu bringen, die die Kommission zu Recht vorgenommen hat und die vorstehend bestätigt worden ist (siehe oben, Rn. 869 und 879). Dieses Vorbringen ist daher zurückzuweisen.

883

Gleiches gilt erstens für das Vorbringen, Lupin habe kein Interesse mehr an der Fortsetzung des Rechtsstreits gehabt, zweitens für das auf den Umstand gestützte Vorbringen, dass die Initiative für den Vergleich von Lupin ausgegangen sei, und drittens für das auf den Umstand gestützte Vorbringen, dass Servier kein Interesse daran gehabt habe, ihre Wettbewerbsposition gegenüber Lupin zu schützen, wenn sie dies nicht auch gegenüber Apotex getan hätte.

884

Als Zweites ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen zwar geltend machen, die Nichtangriffsklausel habe u. a. deshalb keine wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen haben können, weil es parallele Rechtsstreitigkeiten gegeben und Lupin nicht beabsichtigt habe, einen neuen Rechtsstreit einzuleiten, dass aber gleichwohl die Prüfung der konkreten Wirkungen der Lupin-Vereinbarung und insbesondere der in ihr enthaltenen Nichtangriffsklausel nicht erforderlich ist, da diese Vereinbarung hinreichend schädlich ist, um als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft zu werden (siehe oben, Rn. 219).

885

Aus denselben Gründen ist das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, die Vermarktungsverbotsklausel habe, auch soweit ihre Tragweite über den Geltungsbereich des Patents 947 hinausgegangen sei, u. a. deshalb keine wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen haben können, weil es keine tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten für Lupin gegeben habe, als Erste mit einem nicht patentverletzenden Erzeugnis in den Markt einzutreten.

886

Als Drittes lässt sich das Vorbringen der Klägerinnen, die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der Vermarktungsverbotsklausel seien hypothetisch gewesen, so verstehen, dass sie in Wirklichkeit das Bestehen eines potenziellen Wettbewerbs in Abrede stellen. Es ist jedoch bereits festgestellt worden, dass Lupin ein potenzieller Wettbewerber von Servier war.

887

Als Viertes ist darauf hinzuweisen, dass die Parteien, wenn das Bestehen eines Anreizes einmal festgestellt worden ist, nicht mehr geltend machen können, sie hätten im Rahmen des Vergleichs die Gültigkeit des Patents anerkannt. Der Umstand, dass die Gültigkeit des Patents von einem Gericht oder einer Verwaltungsstelle bestätigt worden ist, ist insoweit nicht von Belang (siehe oben, Rn. 269). Die Klägerinnen können sich daher nicht mit Erfolg auf ein – im Übrigen hypothetisches – Szenario berufen, nach dem die Gültigkeit des Patents 947 von den Gerichten im Vereinigten Königreich wie vom EPA bestätigt würde.

888

Nach alledem ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

iv) Zu dem von Servier hilfsweise geltend gemachten Klagegrund einer fehlerhaften Bestimmung der Dauer der Zuwiderhandlung

889

Als Erstes machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe den Beginn der Zuwiderhandlung nicht auf einen Zeitpunkt vor demjenigen festlegen können, zu dem Lupin ihre Genehmigung für das Inverkehrbringen erlangt habe.

890

Damit stellen die Klägerinnen in Wirklichkeit das Bestehen eines potenziellen Wettbewerbs in Abrede. Es ist jedoch oben in Rn. 751 festgestellt worden, dass Lupin zum Zeitpunkt des Abschlusses der Lupin-Vereinbarung ein potenzieller Wettbewerber von Servier war.

891

Als Zweites machen die Klägerinnen geltend, die Kommission hätte, wie sie es für den französischen Markt getan habe, feststellen müssen, dass die Zuwiderhandlung in Belgien, in der Tschechischen Republik, in Irland und in Ungarn geendet habe, als Sandoz mit einem das Patent 947 nicht verletzenden Generikum von Perindopril in den Markt dieser Staaten eingetreten sei, d. h. jeweils im Juni 2008, im Juli 2008, im Dezember 2008 und im Januar 2009.

892

Daher ist zu prüfen, ob die Kommission zu Unrecht befunden hat, dass die Zuwiderhandlung in den betreffenden Mitgliedstaaten über die in der vorstehenden Rn. 891 genannten Zeitpunkte hinaus angedauert hat.

893

Zunächst ist festzustellen, dass das Generikum, mit dem Sandoz in den Markt eingetreten ist, eine Form von Perindopril-Erbumin ist, bestehend aus einem „amorphen (nicht kristallinen) Salz, das demnach keine der durch das Patent 947 geschützten Alpha-Kristalle enthält“ (Rn. 212 des angefochtenen Beschlusses).

894

Wie oben in Rn. 847 ausgeführt, ließe sich sagen, auch wenn wegen des komplexen Wortlauts von Art. 1.6 der Lupin-Vereinbarung eine solche Auslegung nicht auf der Hand liegt, dass dieser Artikel in Verbindung mit Art. 4.1 Buchst. c dieser Vereinbarung einen Markteintritt von Lupin mit ihren eigenen Erzeugnissen erlaubt, wenn ein nicht von Servier hergestelltes generisches „Erzeugnis“, ohne dass eine einstweilige Verfügung verletzt und ein von Servier gestellter Antrag auf einstweilige Verfügung zurückgewiesen worden ist, auf den Markt gelangt ist.

895

Der Begriff „Product“ (Erzeugnis), wie er in Art. 4.1 Buchst. c der Lupin-Vereinbarung gebraucht wird, ist wegen seiner Großschreibung im Sinne der im Erwägungsgrund A dieser Vereinbarung getroffenen Schreibkonvention zu verstehen.

896

Die Bestimmung der vom Erwägungsgrund A der Lupin-Vereinbarung erfassten Erzeugnisse ist jedoch besonders schwierig (siehe oben, Rn. 832 und 833), was die Anwendung von Art. 4.1 Buchst. c dieser Vereinbarung erschwert (siehe oben, Rn. 849 und 850).

897

Sonach bestand eine Ungewissheit hinsichtlich der Abgrenzung des Geltungsbereichs von Art. 4.1 Buchst. c der Lupin-Vereinbarung und damit auch der Möglichkeit, die Vermarktungsverbotsklausel in Art. 1.6 dieser Vereinbarung anzuwenden (siehe oben, Rn. 852), insbesondere im Fall des Markteintritts eines Erzeugnisses, das wie dasjenige von Sandoz Erbumin einer Non-Alpha-Form enthielt.

898

Wegen der oben in den Rn. 894 bis 897 dargelegten Ungewissheiten über die Bedeutung der Art. 1.6 und 4.1 der Lupin-Vereinbarung hatte Lupin Anlass zu der Befürchtung, dass die Vermarktungsverbotsklausel fortgelten würde, nachdem ein Dritter Perindopril, das aus einem Erbumin einer Non-Alpha-Form bestand, oder ein nicht aus Erbumin bestehendes generisches Perindopril in den Verkehr gebracht hätte. Ein solcher Zweifel war geeignet, sie von einem Markteintritt abzuhalten.

899

Diese Befürchtung konnte dadurch verstärkt werden, dass Servier eventuell dennoch eine einstweilige Verfügung beantragen könnte, und zwar auch für ein Erzeugnis, das offensichtlich keines ihrer Patente verletzt, insbesondere nicht das Patent 947, was zur Folge hätte, dass Art. 4.1 Buchst. c der Lupin-Vereinbarung bis zur Zurückweisung eines solchen Antrags nicht angewandt werden könnte (siehe oben, Rn. 852).

900

Die Schreiben von Lupin lassen deren Unsicherheit hinsichtlich ihrer Möglichkeit eines Eintritts in den französischen Markt ohne Verletzung der Vereinbarung erkennen und zeigen, dass sie die Vermarktungsverbotsklausel auf diesem Markt bis zu diesem Briefwechsel weiter beachtet hat und damit frühestens Anfang April 2009 aufgehört zu haben scheint, d. h. etwas weniger als einen Monat vor dem 6. Mai 2009, den die Kommission als Ende der Zuwiderhandlung für Belgien, die Tschechische Republik, Irland und Ungarn festgelegt hat. Auch aus einem oben in Rn. 853 erwähnten Schreiben von Servier kann nicht geschlossen werden, dass diese klar und erkennbar der Ansicht war, dass Lupin in den Markt eintreten könne.

901

Was die vier in der vorstehenden Rn. 900 erwähnten Märkte angeht, haben die Klägerinnen erst recht nichts zum Beweis dessen vorgelegt, dass Servier und Lupin vor dem 6. Mai 2009 die sukzessiven Eintritte von Sandoz in diese Märkte berücksichtigt hätten und dass sie trotz der mit der Mehrdeutigkeit der Vereinbarung zusammenhängenden Ungewissheiten der Ansicht waren, dass die Vermarktungsverbotsklausel nicht mehr in Kraft sei.

902

Der Umstand, dass die Vermarktungsverbotsklausel wegen der mit der Mehrdeutigkeit der Vereinbarung zusammenhängenden Ungewissheiten in Kraft blieb, was den Fortbestand einer Willensübereinstimmung der Parteien zeigt – möglicherweise im Widerspruch zu der Auslegung der Voraussetzungen für die Anwendung dieser Klausel, die etwa ein über den Vertrag entscheidendes Gericht später vornehmen könnte –, genügt zur Rechtfertigung der Feststellung der Kommission, dass die Willensübereinstimmung zwischen Servier und Lupin und damit die Zuwiderhandlung trotz der Markteintritte von Sandoz fortbestand.

903

Selbst wenn die Vereinbarung mit den Markteintritten von Sandoz formell außer Kraft getreten sein sollte, ist jedenfalls in Anbetracht der vorstehenden Erwägungen (siehe oben, Rn. 900 und 901) festzustellen, dass Servier und Lupin die Vermarktungsverbotsklausel nach den sukzessiven Eintritten von Sandoz in die vier in Rede stehenden Märkte weiter angewandt haben.

904

Es trifft zwar zu, dass im Fall bezweckter Wettbewerbsbeschränkungen, wie sie hier vorliegen, deren konkrete Wirkungen nicht berücksichtigt zu werden brauchen, um das Vorliegen der Zuwiderhandlung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, EU:C:1999:356, Rn. 98 und 99) und somit ihre Dauer festzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. März 2009, Archer Daniels Midland/Kommission, C‑510/06 P, EU:C:2009:166, Rn. 113, 114 und 140). Gleiches gilt für die Berücksichtigung der Durchführung der Vereinbarung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 252).

905

Die Fortsetzung der Zuwiderhandlung kann jedoch über den Zeitraum hinaus, in dem eine Vereinbarung formal in Kraft ist, festgestellt werden, wenn die betreffenden Unternehmen weiter ein verbotenes Verhalten an den Tag gelegt haben (Urteile vom 16. Juni 2011, Solvay Solexis/Kommission, T‑195/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:280, Rn. 124, und vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 251).

906

Dies ist hier der Fall (siehe oben, Rn. 903).

907

Nach alledem ist der vorliegende, von Servier hilfsweise geltend gemachte Klagegrund zurückzuweisen.

c)   Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Lupin-Vereinbarung als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung

908

Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe mehrere Rechts- und Beurteilungsfehler betreffend die Einstufung der Lupin-Vereinbarung als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung begangen.

909

Der vorliegende Klagegrund ist unter entsprechender Heranziehung der oben in den Rn. 566 bis 570 dargelegten Erwägungen als ins Leere gehend zurückzuweisen.

9.   Zu den mit Krka geschlossenen Vereinbarungen

a)   Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Krka-Vereinbarungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung

910

Die Klägerinnen treten der Einstufung erstens der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung und zweitens der Übertragungsvereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung entgegen.

1) Zu der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung

i) Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

ii) Würdigung durch das Gericht

943

Als Ausnahme von den oben in den Rn. 797 bis 803 dargelegten Erwägungen zu akzessorischen Vereinbarungen stellt die Verknüpfung einer üblichen geschäftlichen Vereinbarung mit einer Vergleichsvereinbarung, die Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln enthält, kein gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer umgekehrten Zahlung dar, wenn es sich bei dieser geschäftlichen Vereinbarung um eine Lizenzvereinbarung über das streitige Patent handelt.

944

Diese Ausnahme erklärt sich damit, dass eine Lizenzvereinbarung über ein Patent zwar nicht die gütliche Beilegung eines Rechtsstreits, sondern die Gewährung der Erlaubnis zur Nutzung dieses Patents zum Gegenstand hat, dass es aber, anders als bei anderen geschäftlichen Vereinbarungen (siehe oben, Rn. 800), dennoch gerechtfertigt sein kann, diese Lizenzvereinbarung mit einer Vereinbarung zur gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits über das den Gegenstand der Lizenz bildende Patent zu verknüpfen.

945

Ein Patentrechtsstreit geht nämlich grundsätzlich auf den Markteintrittswunsch des Generikaherstellers zurück, dem der Wunsch des Patentinhabers entgegensteht, die ihm aufgrund dieses Patents zustehenden Rechte zu wahren. Einen solchen Markteintritt durch den Abschluss einer Lizenzvereinbarung zu erlauben, erscheint somit als ein besonders geeignetes Mittel, um den Rechtsstreit zu beenden, da damit den Ansprüchen beider Parteien dieses Rechtsstreits entsprochen werden kann.

946

Im Übrigen ist anerkannt, dass der Abschluss einer Lizenzvereinbarung ein geeignetes Mittel zur Beendigung eines Rechtsstreits ist. Dies ergibt sich aus Rn. 204 der Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen, wonach „Lizenzvereinbarungen … dazu dienen [können], Streitigkeiten beizulegen“. Diese Randnummer ist als Rn. 205 in die Leitlinien von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen übernommen worden.

947

Die Verknüpfung einer Lizenzvereinbarung mit einer Vergleichsvereinbarung ist umso mehr gerechtfertigt, als die Aufnahme von Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln in eine Vergleichsvereinbarung nur legitim ist, wenn dieser Vereinbarung die Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch die Parteien zugrunde liegt (siehe oben, Rn. 258 bis 261). Dem Abschluss einer Lizenzvereinbarung, der für einen Lizenznehmer nur sinnvoll ist, wenn die Lizenz tatsächlich genutzt wird, liegt aber ebenfalls die Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch die Parteien zugrunde. Insofern bestätigt die Lizenzvereinbarung somit die Legitimität der Vergleichsvereinbarung, was ihre Verknüpfung mit dieser vollauf rechtfertigt.

948

Da es gerechtfertigt erscheint, eine Vereinbarung zur gütlichen Beilegung eines Patentrechtsstreits mit einer Lizenzvereinbarung über dasselbe Patent zu verknüpfen, kann eine solche Verknüpfung anders als bei anderen akzessorischen Vereinbarungen kein gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer umgekehrten Zahlung (im Sinne dieses Ausdrucks im Bereich der akzessorischen Vereinbarungen, siehe oben, Rn. 804) darstellen.

949

Daher muss sich die Kommission auf andere Indizien als die bloße Verknüpfung der Lizenzvereinbarung mit der Vergleichsvereinbarung für den Nachweis stützen, dass die Lizenzvereinbarung nicht zu normalen Marktbedingungen geschlossen wurde und in Wirklichkeit eine umgekehrte Zahlung als Anreiz für den Generikahersteller verschleiert, sich den Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu unterwerfen (siehe oben, Rn. 803 bis 808).

950

Die Feststellung des Vorliegens einer umgekehrten Zahlung ist im Fall einer Lizenzvereinbarung umso weniger offensichtlich, als eine solche Vereinbarung nicht zu einem Finanztransfer vom Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller, sondern vom Generikahersteller an den Hersteller des Originalpräparats führt. Denn im Rahmen einer Lizenzvereinbarung zahlt der Lizenznehmer eine Gebühr an den Patentinhaber.

951

Es liegt jedoch eine Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller vor, da die dem Patentinhaber gezahlte Gebühr die Gegenleistung für den Nutzen bildet, den der Generikahersteller aus der Lizenzvereinbarung zieht, nämlich die Erlaubnis zur Nutzung des Patents, um risikolos in den Markt einzutreten.

952

Die Kommission muss demnach dartun, dass diese Gegenleistung anormal niedrig ist, d. h. derart gering, dass sie sich nicht mit Erwägungen erklären lässt, die sich auf den wirtschaftlichen Wert des den Gegenstand des Vertrags bildenden Gutes beschränken (siehe oben, Rn. 806), und dass die Lizenzvereinbarung somit eine umgekehrte Zahlung zugunsten des Generikaherstellers darstellt.

953

Für den Nachweis einer so hinreichenden Wettbewerbsschädlichkeit, dass die Vergleichsvereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden kann, muss das Fehlen normaler Marktbedingungen beim Abschluss der in Rede stehenden Transaktion umso offenkundiger sein, als der wettbewerbsbeschränkende Charakter der in dieser Vereinbarung enthaltenen Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln durch die Lizenzvereinbarung abgemildert wird.

954

Der Vermarktungsverbotsklausel werden nämlich zumindest teilweise ihre Wirkungen genommen. Die Lizenzvereinbarung geht sogar über eine bloße teilweise Neutralisierung der Wirkungen dieser Klausel hinaus, da sie den Markteintritt des Generikums fördert, indem sie das Risiko eines Rechtsstreits über das Patent ausräumt.

955

Was die Nichtangriffsklausel angeht, bleiben deren wettbewerbsbeschränkende Wirkungen zwar bestehen, sie werden jedoch dadurch begrenzt, dass die Lizenz einen Markteintritt ohne das Risiko eines Rechtsstreits erlaubt. Während es für den Generikahersteller bei einem Risikomarkteintritt wesentlich ist, die Gültigkeit des Patents bestreiten zu können, ist dies weniger wichtig, wenn ihm der Markteintritt dank einer Lizenzvereinbarung mit dem Hersteller des Originalpräparats erlaubt ist.

956

An dieser Stelle der Untersuchung ist erneut darauf hinzuweisen, dass im Kontext von Patentvergleichsvereinbarungen die Einstufung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung voraussetzt, dass die Vergleichsvereinbarung sowohl einen als Anreiz wirkenden Vorteil für den Generikahersteller als auch eine entsprechende Beschränkung der Anstrengungen dieses Herstellers enthält, mit dem Hersteller des Originalpräparats in Wettbewerb zu treten (siehe oben, Rn. 272). Aus den vorstehenden Darlegungen ergibt sich jedoch, dass im Fall einer Lizenzvereinbarung diese beiden Merkmale abgemildert sind oder sogar fehlen, so dass eine hinreichende Beeinträchtigung des guten Funktionierens des normalen Wettbewerbs (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 49 und 50 sowie die dort angeführte Rechtsprechung) nicht leicht festzustellen ist.

957

Dem ist hinzuzufügen, dass die oben in Rn. 943 angesprochene Ausnahme weder dem Umstand zuwiderläuft, dass die Verknüpfung einer Lizenzvereinbarung mit einer Nichtangriffsklausel zu den Beschränkungen gehört, die von der Freistellung nach Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 772/2004 der Kommission vom 27. April 2004 über die Anwendung von [Art. 101 Abs. 3 AEUV] auf Gruppen von Technologietransfer-Vereinbarungen (ABl. 2004, L 123, S. 11) ausgenommen sind, noch der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wie sie mit dem Urteil vom 25. Februar 1986, Windsurfing International/Kommission (193/83, EU:C:1986:75, Rn. 89 und 92), eingeleitet und im Urteil vom 27. September 1988, Bayer und Maschinenfabrik Hennecke (65/86, EU:C:1988:448), weiterentwickelt worden ist.

958

Erstens gehört nämlich nach Art. 5 der Verordnung Nr. 772/2004 die Verknüpfung einer Lizenzvereinbarung mit einer Nichtangriffsklausel zu den Beschränkungen, die von der Freistellung nach Art. 2 dieser Verordnung ausgenommen sind. Diese Freistellung wie auch diese Ausnahme gelten aber nach den Art. 2 und 5 dieser Verordnung nur insoweit, als die betreffenden Vereinbarungen Wettbewerbsbeschränkungen enthalten, die unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen. Folglich erlaubt der Umstand, dass die Verknüpfung einer Lizenzvereinbarung mit einer Nichtangriffsklausel zu den Beschränkungen gehört, die von der Freistellung nach Art. 2 der Verordnung Nr. 772/2004 ausgenommen sind, nicht den Schluss, dass eine solche Verknüpfung in jedem Fall eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV und insbesondere eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellt.

959

In dieser Hinsicht hat der Gerichtshof entschieden, dass zwar eine einzelne Vereinbarung nur dann nach Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt werden kann, wenn feststeht, dass sie unter das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV fällt, dass aber im Fall der nach Abs. 3 zulässigen Gruppenfreistellung eine Vereinbarung, die zu der betroffenen Gruppe gehört, deswegen nicht notwendigerweise den Tatbestand von Art. 101 Abs. 1 AEUV erfüllen muss. Somit enthält eine Gruppenfreistellung auch nicht mittelbar ein Urteil darüber, ob eine bestimmte einzelne Vereinbarung unter das Verbot fällt oder nicht (Urteil vom 13. Juli 1966, Italien/Rat und Kommission, 32/65, EU:C:1966:42, S. 483).

960

Zweitens hat der Gerichtshof zwar entschieden, dass eine Klausel einer Lizenzvereinbarung, die die Verpflichtung enthält, die Gültigkeit des Patents nicht in Frage zu stellen, mit Art. 101 Abs. 1 AEUV unvereinbar ist. Eine solche Klausel gehört offenkundig nicht zum spezifischen Gegenstand des Patents, der sich nicht in dem Sinne auslegen lässt, dass er auch gegen Angriffe auf das Patent Schutz gewährt, denn es liegt im öffentlichen Interesse, alle Hindernisse für die Wirtschaftstätigkeit auszuräumen, die sich aus einem zu Unrecht erteilten Patent ergeben könnten (Urteil vom 25. Februar 1986, Windsurfing International/Kommission, 193/83, EU:C:1986:75, Rn. 89 und 92).

961

In einem zwei Jahre später erlassenen Urteil in einer Rechtssache, die eine Vereinbarung zur gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits betraf, hat der Gerichtshof jedoch die im Urteil vom 25. Februar 1986, Windsurfing International/Kommission (193/83, EU:C:1986:75), vertretene Auffassung nuanciert und lediglich entschieden, dass eine in einem Patentlizenzvertrag enthaltene Nichtangriffsabrede aufgrund des rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhangs, in dem sie steht, den Wettbewerb im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV beschränken kann (Urteil vom 27. September 1988, Bayer und Maschinenfabrik Hennecke, 65/86, EU:C:1988:448, Rn. 16). Er hat zwar in diesem Urteil ferner die Auffassung der Kommission zurückgewiesen, dass die Aufnahme einer Nichtangriffsklausel in eine Lizenzvereinbarung dann nicht mehr gegen das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoße, wenn durch diese Vereinbarung ein vor Gericht anhängiger Rechtsstreit beendet werden solle, er hat aber nicht entschieden, dass jede Vergleichsvereinbarung mit einer solchen Klausel unter das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV fällt.

962

Die Lizenznehmer können, wie es in Rn. 112 der Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen heißt, zwar „in der Regel am besten beurteilen …, ob ein Schutzrecht gültig ist oder nicht“, ob sie es also angreifen sollen. Aus diesem Grund ist die Verknüpfung einer Lizenzvereinbarung mit einer Nichtangriffsklausel grundsätzlich untersagt (Schlussanträge von Generalanwalt Darmon in der Rechtssache Bayer und Maschinenfabrik Hennecke, 65/86, EU:C:1987:336, Nr. 8). Wird jedoch eine Lizenzvereinbarung im Rahmen der gütlichen Beilegung eines wirklichen Rechtsstreits zwischen den betreffenden Parteien geschlossen, hatte der Lizenznehmer bereits Gelegenheit, die Gültigkeit des Patents in Frage zu stellen; wenn er sich letztlich, ohne dass er dafür einen Anreiz hatte, einer Nichtangriffsklausel (wie auch einer Vermarktungsverbotsklausel) unterwirft, tut er dies, weil er das Patent für gültig hält. In diesem besonderen Kontext eines Vergleichs, mit dem die Parteien übereinstimmend feststellen, dass sie das Patent für gültig erachten, entfällt der Grund für das Verbot der Verknüpfung einer Lizenzvereinbarung mit einer Nichtangriffsklausel, vorausgesetzt, die Vergleichsvereinbarung beruht auf der Anerkennung der Gültigkeit des in Rede stehenden Patents durch die Parteien und nicht auf einem Anreiz für den Lizenznehmer, sich der Nichtangriffsklausel (und der Vermarktungsverbotsklausel) zu unterwerfen.

963

Nach alledem stellt im Fall eines wirklichen Rechtsstreits zwischen den betreffenden Prozessparteien und einer Lizenzvereinbarung, die in direktem Zusammenhang mit der gütlichen Beilegung dieses Rechtsstreits steht, die Verknüpfung dieser Vereinbarung mit der Vergleichsvereinbarung kein gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer umgekehrten Zahlung dar. In einem solchen Fall kann die Kommission anhand anderer Indizien dartun, dass die Lizenzvereinbarung keine zu normalen Marktbedingungen abgeschlossene Transaktion darstellt und daher eine umgekehrte Zahlung (im Sinne dieses Ausdrucks im Bereich der akzessorischen Vereinbarungen, siehe oben, Rn. 804) verschleiert.

964

Anhand der vorstehenden Erwägungen ist zu prüfen, ob die Kommission im vorliegenden Fall die Vergleichs- und die Lizenzvereinbarung zwischen Servier und Krka zu Recht als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft hat.

965

In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob wirkliche Rechtsstreitigkeiten bestanden und ob die Lizenzvereinbarung einen hinreichend direkten Zusammenhang mit der gütlichen Beilegung dieser Rechtsstreitigkeiten aufwies, um ihre Verknüpfung mit der Vergleichsvereinbarung zu rechtfertigen.

966

Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Vereinbarung wirkliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Servier und Krka anhängig waren und dass diese durch die Vergleichsvereinbarung beendet wurden, nach deren Art. 1 Ziff. i und ii sich beide Parteien aus den zwischen ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten zurückziehen mussten.

967

Zehn Generikahersteller, unter ihnen Krka, hatten nämlich 2004 beim EPA Einspruch gegen das Patent 947 eingelegt, um dessen vollständigen Widerruf zu erwirken, wobei sie das Fehlen von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit sowie unzureichende Offenbarung der Erfindung geltend machten. Am 27. Juli 2006 bestätigte die Einspruchsabteilung des EPA nach kleineren Änderungen der ursprünglichen Patentansprüche von Servier die Gültigkeit dieses Patents. Sieben Gesellschaften legten Beschwerde gegen die Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 ein. Krka zog sich gemäß der mit Servier geschlossenen Vergleichsvereinbarung am 11. Januar 2007 vom Einspruchsverfahren zurück.

968

Servier erhob im Vereinigten Königreich am 28. Juli 2006 beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) gegen Krka eine Klage wegen Verletzung des Patents 340. Am 2. August 2006 erhob sie gegen Krka zudem eine Klage wegen Verletzung des Patents 947 und beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Am 1. September 2006 erhob Krka eine Widerklage auf Nichtigerklärung des Patents 947 und am 8. September 2006 eine weitere Widerklage auf Nichtigerklärung des Patents 340. Am 3. Oktober 2006 gab das angerufene Gericht dem Antrag von Servier auf einstweilige Verfügung statt und wies den von Krka am 1. September 2006 gestellten Antrag auf Durchführung eines summarischen Verfahrens zurück. Nachdem die Parteien einen Vergleich geschlossen hatten, wurde das laufende Verfahren am 1. Dezember 2006 für erledigt erklärt, und die einstweilige Verfügung wurde aufgehoben.

969

Zweitens standen sowohl die Vergleichs- als auch die Lizenzvereinbarung im Zusammenhang mit diesen Rechtsstreitigkeiten. Die Vergleichsvereinbarung, insbesondere die in ihr enthaltenen Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln waren nämlich auf den Geltungsbereich der Patente beschränkt, die Gegenstand der Rechtsstreitigkeiten zwischen Servier und Krka waren. Die Lizenzvereinbarung bezog sich auf das Patent 947 und stand daher ebenfalls in direktem Zusammenhang mit diesen Rechtsstreitigkeiten.

970

Drittens lagen zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung übereinstimmende Indizien vor, aufgrund deren die Parteien annehmen konnten, dass das Patent 947 gültig war (siehe oben, Rn. 967 und 968).

971

Viertens hatte es zwar bereits vor dem Erlass der Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 zur Bestätigung der Gültigkeit des Patents 947 Kontakte zwischen Servier und Krka gegeben (vgl. u. a. Rn. 837 des angefochtenen Beschlusses), doch hatten diese nicht zu einer Vereinbarung geführt (Rn. 856 bis 859 des angefochtenen Beschlusses), und erst nach dieser Entscheidung wurden neue Verhandlungen aufgenommen (Rn. 898 des angefochtenen Beschlusses). Die Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 zur Bestätigung der Gültigkeit des Patents 947 war somit zumindest einer der Faktoren, die zu der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung geführt haben.

972

Daher ist in Anbetracht der Tragweite der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung sowie des Kontexts, in dem diese Vereinbarungen geschlossen wurden, festzustellen, dass die Verknüpfung dieser beiden Vereinbarungen gerechtfertigt und somit kein gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer aus der Lizenzvereinbarung folgenden umgekehrten Zahlung durch Servier an Krka war (siehe oben, Rn. 948).

973

Unter diesen Umständen ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob der Kommission im vorliegenden Fall anhand anderer Indizien oder Beweise als der bloßen Verknüpfung der Lizenzvereinbarung mit der Vergleichsvereinbarung der Nachweis gelungen ist, dass die Lizenzvereinbarung nicht zu normalen Marktbedingungen geschlossen wurde (siehe oben, Rn. 949 und 963).

974

Es steht fest, dass im Gegensatz zu den anderen Vereinbarungen, die Gegenstand des angefochtenen Beschlusses waren, weder die Vergleichs- noch die Lizenzvereinbarung zu einem Finanztransfer von Servier an Krka geführt haben.

975

Die Lizenzvereinbarung sah sogar vor, dass Krka an Servier eine Gebühr in Höhe von 3 % des Nettoerlöses aus ihren Verkäufen zahlen sollte.

976

Gewiss stellt die Gebühr die Gegenleistung für den Nutzen dar, den der Generikahersteller aus der Lizenzvereinbarung zieht, nämlich die Erlaubnis zur Nutzung des Patents, um risikolos in den Markt einzutreten. Die Kommission musste jedoch dartun, dass diese Gegenleistung anormal niedrig war und dass die Lizenzvereinbarung somit eine umgekehrte Zahlung zugunsten von Krka bewirkte.

977

Nun hat die Kommission zwar im angefochtenen Beschluss eine Reihe von Indizien angeführt, die den Schluss zulassen, dass die Lizenzvereinbarung günstig für die Geschäftsinteressen von Krka war (Rn. 1738 bis 1744, insbesondere Rn. 1739), sie hat jedoch nicht dargetan, dass der Satz von 3 % anormal, d. h. derart niedrig war, dass er sich nicht mit Erwägungen erklären lässt, die sich auf den wirtschaftlichen Wert des den Gegenstand des Vertrags bildenden Gutes beschränken (siehe oben, Rn. 952).

978

Was das Vorbringen der Kommission angeht, der Satz der Gebühr habe weit unter dem Betriebsergebnis von Servier für 2007 in der Tschechischen Republik, in Ungarn und in Polen gelegen, so ist es nicht unbedingt anormal, dass der Satz eines Betriebsüberschusses, der die Bruttogewinne aus einer Tätigkeit widerspiegelt, weit über dem Satz der Gebühr im Rahmen einer Lizenzvereinbarung liegt, der nur den Preis des Rechts zur Nutzung eines Patents widerspiegelt.

979

Aus demselben Grund ist auch das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, die Gebühr habe einem geringen Teil der Gewinnspanne von Krka entsprochen. Als Generikahersteller hätte diese vielmehr keinerlei Interesse am Abschluss einer Lizenzvereinbarung, die es ihr nicht erlauben würde, eine ausreichende Gewinnspanne zu erzielen.

980

Schließlich erscheint es nicht anormal, dass der Satz der Gebühr für die Nutzung eines Patents durch Krka auf der Grundlage des Verkaufspreises des Erzeugnisses von Krka und nicht des Erzeugnisses von Servier berechnet wurde.

981

Mit allen diesen Faktoren, auch zusammengenommen, kann allenfalls dargetan werden, dass der Preis der Krka erteilten Lizenz für deren Geschäftsinteressen günstig war, sie genügen aber nicht für den Nachweis, dass die in Rede stehende Transaktion nicht zu normalen Marktbedingungen abgeschlossen wurde, zumal die Lizenzvereinbarung vorsah, dass Servier ihr Erzeugnis in den sieben Mitgliedstaaten, für die die Lizenz galt, weiter vermarkten konnte, sei es direkt oder über eine der ihr angeschlossenen Gesellschaften oder auch über einen einzigen Dritten je Mitgliedstaat. Die erteilte Lizenz war somit nicht exklusiv, was ihre Vorteilhaftigkeit für Krka einschränkte, da für sie ein Risiko bestand, dass ihr Erzeugnis dem Wettbewerb durch ein anderes Generikum, ob von Servier oder einem Dritten vermarktet oder hergestellt, ausgesetzt sein würde.

982

Dem ist hinzuzufügen, dass die Kommission selbst in der Sitzung ausgeführt hat, sie stelle nicht in Abrede, dass die Gebühr den Gepflogenheiten des Marktes entsprochen habe. Mit der, wenn auch nur ergänzenden, Aussage im angefochtenen Beschluss, dass „weniger als das niedrige Niveau der Gebühren für die Analyse der Umstand zentral [ist], dass eine Einzellizenz gegen eine Verpflichtung erteilt wurde, nicht in eine Reihe anderer beschränkter Märkte einzutreten oder dort die Patente von Servier anzugreifen“ (Fn. 2354), hat die Kommission bereits gezeigt, dass sie dem Umstand, dass die Transaktion zu normalen Marktbedingungen abgeschlossen worden sein konnte, zu Unrecht nur untergeordnete Bedeutung beimaß.

983

Aus den in den vorstehenden Rn. 977 bis 982 dargelegten Erwägungen geht hervor, dass die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass der Satz von 3 % anormal, d. h. derart niedrig war, dass er sich nicht mit Erwägungen erklären lässt, die sich auf den wirtschaftlichen Wert des den Gegenstand des Vertrags bildenden Gutes beschränken. Die Kommission hat somit nicht nachgewiesen, dass die Lizenzvereinbarung keine zu normalen Marktbedingungen abgeschlossene Transaktion war.

984

Folglich hat die Kommission nicht das Vorliegen einer umgekehrten Zahlung nachgewiesen, die sich aus der Erteilung einer Lizenz zu einem anormal niedrigen Preis ergeben würde (siehe oben, Rn. 803) und die, weil sie nicht den Ausgleich der vergleichsinhärenten Kosten zum Gegenstand hätte (siehe oben, Rn. 809), einen Anreiz darstellen würde.

985

Folglich konnte die Kommission im vorliegenden Fall nicht zu Recht das Vorliegen einer Wettbewerbsbeschränkung feststellen, die hinreichend schädlich ist, um als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden zu können.

986

Dieses Ergebnis kann durch die übrigen von der Kommission im angefochtenen Beschluss herangezogenen Gesichtspunkte nicht in Frage gestellt werden.

987

Erstens ergab sich, selbst wenn die Lizenzvereinbarung einen Anreiz dargestellt haben sollte, weil sie in den betreffenden sieben Mitgliedstaaten – d. h. einem Teil den Marktes, für den die Kommission nicht das Vorliegen einer Zuwiderhandlung festgestellt hat – die Errichtung eines für Servier und Krka günstigen Duopols erlaubte, wie die Kommission im angefochtenen Beschluss (vgl. u. a. Rn. 1728, 1734 und 1742) ausführt, ein solches Duopol nicht aus der Vereinbarung selbst, sondern aus nach deren Abschluss von Servier und Krka getroffenen Entscheidungen, nämlich der Entscheidung von Servier, keinem anderen Generikahersteller eine Lizenz zu erteilen oder nicht selbst eine generische Version ihres eigenen Perindoprils zu einem niedrigen Preis zu vermarkten (Rn. 1727 des angefochtenen Beschlusses), und der Entscheidung von Krka, nicht in einen aggressiven Preiskampf einzutreten (Rn. 1744 des angefochtenen Beschlusses).

988

Die von der Kommission festgestellte bezweckte Wettbewerbsbeschränkung, insbesondere der Anreiz, der eines der Tatbestandsmerkmale einer solchen Wettbewerbsbeschränkung ist (siehe oben, Rn. 272), betrifft indes die Vergleichs- und die Lizenzvereinbarung zwischen Servier und Krka und nicht zeitlich nach diesen Vereinbarungen liegende und von diesen nicht bestimmte Verhaltensweisen.

989

Sollte das Duopol als eine Durchführung der Vereinbarungen angesehen werden können, wäre darauf hinzuweisen, dass die Kommission und der Richter bei der Prüfung des wettbewerbsbeschränkenden Zwecks einer Vereinbarung und insbesondere im Rahmen der Berücksichtigung ihres wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts die potenziellen Wirkungen dieser Vereinbarung nicht völlig außer Betracht lassen dürfen (vgl. die oben in Rn. 304 angeführte Rechtsprechung). Aus der Rechtsprechung ergibt sich aber auch, dass die Feststellung des Vorliegens einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung nicht unter dem Vorwand u. a. der Prüfung des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts der jeweiligen Vereinbarung dazu führen darf, deren Wirkungen zu beurteilen, soll nicht der in Art. 101 Abs. 1 AEUV vorgesehenen Unterscheidung zwischen bezweckter und bewirkter Wettbewerbsbeschränkung die praktische Wirksamkeit genommen werden (siehe oben, Rn. 221). Für die Prüfung, ob eine Vereinbarung besonders geeignet ist, wettbewerbsbeschränkende Wirkungen zu entfalten, die für Vereinbarungen mit wettbewerbswidrigem Zweck kennzeichnend sind, muss somit die Untersuchung der potenziellen Wirkungen einer Vereinbarung auf diejenigen Wirkungen beschränkt werden, die zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung objektiv vorhersehbar waren (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwalt Wahl in der Rechtssache ING Pensii, C‑172/14, EU:C:2015:272, Nr. 84; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 80 bis 82).

990

Im vorliegenden Fall beruhen aber die vermeintlichen potenziellen Wirkungen, d. h. das von der Kommission angeführte Duopol, auf hypothetischen und somit bei Abschluss der Vereinbarung nicht objektiv vorhersehbaren Umständen.

991

Jedenfalls hat die Kommission unter Verweis auf Überbevorratungspraktiken der Apotheken und eine Beschwerde bei den polnischen Behörden in Rn. 1725 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass „die Haltung von Servier und Krka auf den sieben von der Lizenz erfassten Märkten kaum als kooperativ beschrieben werden konnte“. Wie sich aus Rn. 1728 des angefochtenen Beschlusses ergibt, schloss das von der Kommission beschriebene Duopol zwischen Servier und Krka einen gewissen Grad an Wettbewerb zwischen diesen Unternehmen nicht aus.

992

Zweitens hatte die Lizenzvereinbarung der Kommission zufolge im vorliegenden Fall Anreizcharakter, weil sie Krka einen risikofreien Markteintritt im Gegenzug für ihren Ausschluss von anderen Märkten erlaubt habe. Wenn der Geltungsbereich der Vermarktungsverbots- oder der Nichtangriffsklausel weiter sei als derjenige der Lizenzvereinbarung und so zwischen diesen beiden Vereinbarungen ein Gefälle oder – nach der Wortwahl der Kommission in den Rn. 1706 und 1736 des angefochtenen Beschlusses – eine „Asymmetrie“ bestehe, sei der Schluss auf das Bestehen eines Anreizes möglich, da die Lizenzvereinbarung dadurch, dass sie dem Generikahersteller einen risikofreien Eintritt in bestimmte Teile des Marktes erlaube, in Wirklichkeit als Anreiz für diesen dienen solle, seinen Rückzug aus anderen Teilen des Marktes zugunsten des Herstellers des Originalpräparats zu akzeptieren.

993

Diesem Vorbringen ist nicht zu folgen.

994

Zunächst würde nämlich der von der Kommission befürwortete Ansatz, wonach schon der bloße Abschluss, auch zu normalen Marktbedingungen, einer Lizenzvereinbarung mit wettbewerbsbeschränkenden Klauseln einen Anreiz darstellen könnte, zu einem paradoxen Ergebnis führen, da in diesem Fall der Anreiz umso größer und der Schluss auf das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung umso leichter wäre, je weiter der Geltungsbereich der Lizenzvereinbarung wäre, es sei denn, der Geltungsbereich der Lizenzvereinbarung deckte sich genau mit dem der Vergleichsvereinbarung.

995

Je weiter aber der Geltungsbereich einer Lizenzvereinbarung ist, insbesondere im Verhältnis zu dem der Vergleichsvereinbarung, zu der sie gehört, umso wettbewerbsförderlicher ist diese Vereinbarung wegen der positiven Wirkungen der Lizenz auf den Wettbewerb, die einen Generikahersteller zum Markteintritt ermutigt und den wettbewerbsbeschränkenden Charakter der Vermarktungsverbots- und der Nichtangriffsklausel beschränkt, die in der Vergleichsvereinbarung enthalten sind (siehe oben, Rn. 954 und 955).

996

Hierzu hat Generalanwalt Wahl in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache CB/Kommission (C‑67/13 P, EU:C:2014:1958, Nr. 55) ausgeführt, dass der formalistische Ansatz der Ermittlung eines wettbewerbswidrigen Zwecks nur bei Verhaltensweisen in Betracht kommen könne, die den Schluss zuließen, dass ihre wettbewerbsschädlichen Wirkungen die wettbewerbsfördernden Wirkungen überwiegen.

997

Zudem lässt die These der Kommission, die dazu führt, den Patentinhaber zum Abschluss einer Lizenzvereinbarung für das gesamte Gebiet zu zwingen, in dem die wettbewerbsbeschränkenden Klauseln der Vergleichsvereinbarung gelten, die Rechte des geistigen Eigentums des Patentinhabers und insbesondere dessen Ermessensspielraum bei der Lizenzerteilung außer Acht (vgl. zu einem Fall, in dem sich der Patentinhaber in einer beherrschenden Stellung befand, Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 331). Diese These lässt auch den Ermessensspielraum außer Acht, über den die Parteien eines Rechtsstreits für dessen gutgläubige gütliche Beilegung verfügen müssen.

998

Des Weiteren stellt der Abschluss einer „asymmetrischen“ Lizenzvereinbarung für einen Generikahersteller, der nicht weiß, ob das in Rede stehende Patent gültig ist, nicht unbedingt einen hinreichenden Vorteil dar, um sich den Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu unterwerfen. Der sich aus dem Abschluss einer solchen Vereinbarung ergebende Vorteil kann nur dann als Anreiz angesehen werden, wenn er diesem Unternehmen einen Ausgleich für den sicheren Verlust der erwarteten Gewinne bietet, der sich aus der Einwilligung in einen Vergleich ergibt, der Klauseln enthält, die ihm den Eintritt in bestimmte räumliche Teile des Marktes verbieten. Denn für ein Unternehmen, das nicht ernsthaft von der Gültigkeit des Patents überzeugt und in der Lage ist, in den gesamten von den Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln erfassten Markt einzutreten, ist eine Lizenz, deren räumliche Geltung begrenzter ist als der Geltungsbereich dieser Klauseln, keine wirtschaftlich zufriedenstellende Lösung, die es veranlassen könnte, sich ihr zu unterwerfen. Die Lizenz öffnet diesem Unternehmen zwar einen Teil des von dem Patent erfassten Marktes, indem sie ihm die Möglichkeit bietet, auf diesem Teil des Marktes die erwarteten Gewinne zu erzielen, doch gewährt die Lizenz, wenn die Lizenzgebühr für diesen Teil des Marktes nicht erwiesenermaßen anormal niedrig ist, diesem Unternehmen keinerlei Ausgleich für die übrigen Teile des Marktes, auf denen es im Fall der Nichtigerklärung des Patents einen Gewinn erzielen könnte und die ihm nunmehr verschlossen sind.

999

Im vorliegenden Fall waren die Gewinne, die Krka auf den 18 bis 20 Märkten erhoffte, für die die Lizenzvereinbarung nicht galt, keineswegs zu vernachlässigen. Die Kommission führt im angefochtenen Beschluss aus, dass die Gewinne auf den westeuropäischen Märkten annähernd denen auf den drei wichtigsten der sieben Märkte entsprachen, für die die Lizenzvereinbarung galt (Fn. 2348). Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Lizenz jedes Risiko einer Verfolgung wegen Patentverletzung ausräumt und dass die Gewinne, die Krka dank der Lizenzvereinbarung erzielen konnte, somit gesicherter waren, doch hing die Bedeutung, die sie einem solchen Risiko beimaß, weitgehend davon ab, wie überzeugt sie von der Gültigkeit des Patents war. Der Umstand, dass Krka die Gültigkeit des Patents 947 anerkannte, war demnach ein ausschlaggebender Gesichtspunkt für die Entscheidung, einem begrenzten, aber durch die Lizenz geschützten Eintritt in die sieben genannten Märkte den Vorzug zu geben vor einem erweiterten, aber mit einem wegen der Stärke dieses Patents aus der Sicht von Krka erheblichen Patentverletzungsrisiko verbundenen Eintritt in die Märkte aller Mitgliedstaaten.

1000

Drittens ist zu den übrigen Faktoren, die den Anreizcharakter der Lizenzvereinbarung für Krka belegen sollen, zunächst darauf hinzuweisen, dass die Tatsache, dass Krka die Opportunitätskosten einer Entscheidung gegen den Abschluss einer Vereinbarung auf über 10 Mio. Euro entgangener Gewinne in drei Jahren geschätzt hat (Rn. 1738 des angefochtenen Beschlusses), eher ein zusätzliches Indiz dafür, dass sie das Patent 947 für gültig hielt. Denn diese Gewinne entsprächen denen, die sie aus einem Eintritt in die von der Lizenzvereinbarung erfassten Märkte oder einem Verbleib in diesen zu erzielen erhoffte. Krka war demnach anscheinend der Ansicht, dass ohne eine Vereinbarung mit Servier ein Risikoeintritt in diese Märkte oder ein Verbleib in ihnen wenig wahrscheinlich oder gar ausgeschlossen war, was bestätigt, dass sie die Gültigkeit des Patents 947 anerkannte.

1001

Sodann geht aus Rn. 1740 des angefochtenen Beschlusses, in der auf dessen Rn. 913 verwiesen wird, zwar hervor, dass die 18 bis 20 anderen Märkte „aus der Sicht von Krka traditionell weniger wichtig“ waren, doch waren die auf diesen Märkten erwarteten Gewinne keineswegs zu vernachlässigen (siehe oben, Rn. 999).

1002

Somit lässt sich anhand der in den vorstehenden Rn. 1000 und 1001 dargelegten Faktoren nicht der Nachweis erbringen, dass die Lizenzvereinbarung für Krka Anreizcharakter hatte.

1003

Viertens ist die von der Kommission getroffene Feststellung, dass die Vergleichs- und die Lizenzvereinbarung eine Marktaufteilung zwischen Servier und Krka dargestellt hätten (vgl. die Überschrift von Abschnitt 5.5.3 des angefochtenen Beschlusses und u. a. dessen Rn. 1745), unbegründet.

1004

Was nämlich die sieben von der Lizenzvereinbarung erfassten Märkte angeht, stellt die Kommission zwar nicht das Vorliegen einer Zuwiderhandlung für diesen Teil des Binnenmarkts fest, sie berücksichtigt aber das Verhalten von Servier und Krka auf diesen sieben Märkten, u. a. den Abschluss der von der Kommission als Anreiz eingestuften Lizenzvereinbarung, um das Vorliegen einer Marktaufteilung nachzuweisen, die auf einer Unterscheidung zwischen den 18 bis 20 anderen Mitgliedstaaten auf der einen und diesen sieben Mitgliedstaaten auf der anderen Seite beruht.

1005

Servier war indes nicht vom Markt der sieben Mitgliedstaaten ausgeschlossen, auf denen sie und Krka im Wettbewerb miteinander standen (siehe oben, Rn. 991).

1006

Somit war Krka aufgrund der Vereinbarungen kein Teil des Marktes vorbehalten. Daher kann nicht auf das Vorliegen einer Marktaufteilung im Sinne einer undurchlässigen Aufteilung dieses Teils des Marktes zwischen den Parteien der Vereinbarung geschlossen werden.

1007

Außerdem trug die Lizenzvereinbarung in diesen sieben Mitgliedstaaten zum Eintritt eines Generikaherstellers und Wettbewerbers des Herstellers des Originalpräparats in den Markt oder zu seinem Verbleib auf diesem bei. Sie hatte daher eine den Wettbewerb fördernde Wirkung gegenüber der zuvor bestehenden Situation, in der der Generikahersteller nur unter Risiko auf dem Markt verbleiben oder in ihn eintreten konnte, zumal die Gültigkeit des in Rede stehenden Patents, des Patents 947, gerade von den zuständigen Behörden bestätigt worden war (siehe oben, Rn. 970) und ein von Krka als hoch eingeschätztes Risiko bestand, dass ihr Erzeugnis das Patent verletzte.

1008

Dem ist hinzuzufügen, dass der Umstand, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarungen die dem Patent 947 entsprechenden nationalen Patente Servier auf einigen dieser sieben Märkte noch nicht erteilt worden waren, während Krka sein Erzeugnis bereits vermarktete (Rn. 1755 des angefochtenen Beschlusses), nicht den Schluss auf das Fehlen einer wettbewerbsfördernden Wirkung der Lizenzvereinbarung erlaubt. Es trifft zwar zu, dass Krka schon vor der Lizenzvereinbarung in diese Märkte hätte eintreten können, ohne sich der unmittelbaren Gefahr einer Patentverletzungsklage auszusetzen, und dass die Lizenz folglich keine entscheidende Rolle für den Eintritt in diese Märkte gespielt hat, doch erlaubte diese Lizenz Krka, auf diesen Märkten zu verbleiben, ohne sich der Gefahr einer solchen Klage auszusetzen.

1009

Die in den vorstehenden Rn. 1007 und 1008 festgestellte wettbewerbsfördernde Wirkung der Lizenzvereinbarung bestätigt die Feststellung, dass keine Marktaufteilung hinsichtlich der sieben von der Lizenzvereinbarung erfassten Mitgliedstaaten vorlag.

1010

Die wettbewerbsfördernde Wirkung der Lizenzvereinbarung wird weiter bestätigt durch den folgenden Auszug aus der Antwort von Krka auf ein Auskunftsverlangen, der in Rn. 913 des angefochtenen Beschlusses wiedergegeben ist:

„Die Erlangung einer Lizenz und die Rücknahme der Einsprüche erschienen Krka zu diesem Zeitpunkt als die beste Option – Perindopril sofort, d. h. ab 2006, auf den Hauptmärkten in Mittel- und Osteuropa zu verkaufen.

Nach allen anderen Szenarien konnte eine Markteinführung erst frühestens zwei Jahre nach dem Juli 2006 erfolgen, und selbst nach diesem Zeitraum war eine Markteinführung nicht garantiert (Risiko der Aufrechterhaltung des Patents 947, Risiken der Entwicklung der Non-Alpha-Form).“

1011

Der in der vorstehenden Rn. 1010 wiedergegebene Auszug bestätigt die Feststellung, dass Krka ein Verbleiben auf den Märkten der sieben von der Lizenzvereinbarung erfassten Mitgliedstaaten oder einen Eintritt in diese ohne diese Lizenzvereinbarung wegen des Patents 947 für unmöglich hielt (siehe oben, Rn. 999 und 1000).

1012

Hinsichtlich der 18 bis 20 anderen Märkte, d. h. des einzigen Teils des Marktes, für den die Kommission das Vorliegen einer Zuwiderhandlung festgestellt hat, ist festzustellen, dass sich, da das Bestehen eines Anreizes nicht dargetan ist (siehe oben, Rn. 984), die Vermarktungsverbots- und die Nichtangriffsklausel aus einer legitimen Vereinbarung zur gütlichen Beilegung eines Patentrechtsstreits ergeben, mit der eine Lizenzvereinbarung verbunden ist (siehe oben, Rn. 963). Ein solches Vertragswerk, dem die Anerkennung der Gültigkeit des Patents zugrunde liegt, kann somit nicht als Marktausschlussvereinbarung eingestuft werden.

1013

Es gab demnach keinen Teil des Marktes, der widerrechtlich Servier vorbehalten gewesen wäre.

1014

Die Marktaufteilung, auf die die Kommission ihre Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung ebenfalls gestützt hat, ist daher nicht nachgewiesen.

1015

Fünftens hat die Kommission nicht dargetan, dass Servier oder Krka die Absicht hatten, eine Marktausschluss- oder eine Marktaufteilungsvereinbarung zu schließen, oder dass Servier Krka dazu anreizen wollte, nicht mit ihr in Wettbewerb zu treten, oder dass Krka beabsichtigte, im Gegenzug zu einem als Anreiz wirkenden Vorteil davon abzusehen, Wettbewerbsdruck auf Servier auszuüben.

1016

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass es üblich ist, dass die Tätigkeiten, mit denen wettbewerbswidrige Verhaltensweisen und Vereinbarungen verbunden sind, insgeheim ablaufen, dass die Zusammenkünfte heimlich stattfinden und dass die Unterlagen darüber auf ein Minimum reduziert werden. Selbst wenn also die Kommission Schriftstücke findet, die eine unzulässige Kontaktaufnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern explizit bestätigen, handelt es sich normalerweise nur um lückenhafte und vereinzelte Belege, so dass es häufig erforderlich ist, bestimmte Einzelheiten durch Schlussfolgerungen zu rekonstruieren (Urteil vom 25. Januar 2007, Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission, C‑403/04 P und C‑405/04 P, EU:C:2007:52, Rn. 51). Die im vorliegenden Fall in Rede stehenden Vereinbarungen sind jedoch echte Verträge, die zudem weithin bekannt gemacht worden sind (Rn. 915 des angefochtenen Beschlusses). Da die Kommission problemlos über den vollständigen Inhalt dieser Vereinbarungen verfügen konnte, ist die Übertragbarkeit der vorstehend angeführten Rechtsprechung weniger offensichtlich. Daher können zum Nachweis der Absichten der Parteien Ableitungen aus Auszügen aus Schreiben oder anderen Dokumenten nicht ohne Weiteres eine Schlussfolgerung in Frage stellen, die auf den Inhalt dieser Vereinbarungen selbst gestützt ist, d. h. auf die rechtlichen Bindungen, die die Parteien zueinander begründen wollten.

1017

Zu beachten ist ferner, dass sich im vorliegenden Fall die Absichten der Parteien beim Abschluss der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung am besten anhand von Dokumenten aus der Zeit nach der Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 oder sogar nach der im Vereinigten Königreich gegen Krka ergangenen einstweiligen Verfügung erkennen lassen. Diese beiden Ereignisse veränderten nämlich erheblich den Kontext, in dem die Vereinbarungen geschlossen wurden, insbesondere hinsichtlich der Wahrnehmung, die Krka, aber auch Servier in der Frage der Gültigkeit des Patents 947 haben konnten.

1018

Was Krka angeht, betreffen die Dokumente, auf die sich die Kommission zur Bestimmung von deren Absichten stützt (vgl. u. a. Rn. 849 bis 854 und 1758 bis 1760 des angefochtenen Beschlusses sowie die Randnummern, auf die dort verwiesen wird), vor diesen beiden Ereignissen liegende Zeiträume.

1019

Die angeführten Auszüge sind jedenfalls zu fragmentarisch oder zu wenig eindeutig, als dass damit entgegen der mehrfach getroffenen Feststellung (siehe u. a. oben, Rn. 999, 1000 und 1011) der Nachweis erbracht werden kann, dass Krka die Gültigkeit des Patents 947 nicht anerkannte oder dass sie gar zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung die Absicht hatte, Marktaufteilungs- oder ‑ausschlussvereinbarungen zu schließen.

1020

In Bezug auf Servier besagt der einzige Dokumentenauszug aus der Zeit nach den beiden vorgenannten Ereignissen, der ihre wettbewerbswidrigen Absichten zeigen soll und auf den in dem diesen Absichten gewidmeten Teil des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen wird (Rn. 1761 und 1762), Folgendes: „vier Jahre gewonnen = großer Erfolg“.

1021

Dieser Auszug ist im Protokoll einer Sitzung des hohen Managements von Servier enthalten, in dem auf das Urteil des High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) vom 6. Juli 2007 Bezug genommen wird, wonach das Patent 947 wegen Fehlens von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit im Verhältnis zum Patent 341 ungültig war.

1022

Selbst wenn aus diesem Auszug abgeleitet werden könnte, dass die Unternehmensleitung von Servier infolge dieses Urteils der Ansicht war, dass das Patent 947 Servier dazu diente, vier zusätzliche Schutzjahre zu gewinnen, erlaubt dies nicht den Schluss, dass Servier am 27. Oktober 2006, dem Tag der Unterzeichnung der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung, die Absicht hatte, Marktaufteilungs- oder ‑ausschlussvereinbarungen zu erreichen, und erst recht nicht den Nachweis, dass die Vergleichs- und die Lizenzvereinbarung eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung waren.

1023

Ferner lässt die Bemerkung eines anderen Generikaherstellers, wonach die „Rechtfertigung dieses Vergleichs … aus der Sicht von Servier anscheinend der Schutz der Hauptmärkte [ist], auf denen ein anhaltend hohes Niveau von Substitution und/oder [Freinamen‑]Verschreibung festzustellen ist“ (Rn. 1730 des angefochtenen Beschlusses), auch unter Berücksichtigung zusammen mit allen übrigen von der Kommission angeführten Indizien, nicht den Schluss zu, dass Servier beabsichtigte, Marktaufteilungs- oder ‑ausschlussvereinbarungen mit Krka zu schließen.

1024

Schließlich überzeugt auch die mehrfache Bezugnahme der Kommission im angefochtenen Beschluss auf ein Dokument mit dem Titel „Coversyl: Verteidigung gegen Generika“ nicht. Dieses Dokument stammt aus der Zeit vor der Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 und der am 3. Oktober 2006 im Vereinigten Königreich gegen Krka ergangenen einstweiligen Verfügung, was seine Relevanz erheblich einschränkt (siehe oben, Rn. 1017). Zudem geht aus dem angefochtenen Beschluss selbst hervor, dass dieses Dokument nicht ausdrücklich die Strategie gegenüber Krka beschreibt, sondern allenfalls, dass sich „aus der Natur und der Struktur des Dokuments“ und aus dem „Kontext, in dem auf Krka Bezug genommen wird“, ergebe, dass eine Verteidigung gegen diese „ins Auge gefasst“ worden sei (Fn. 2386). Auch aus den im angefochtenen Beschluss wiedergegebenen Auszügen aus diesem Dokument geht nicht hervor, dass Servier Zweifel an der Gültigkeit des Patents 947 zum Ausdruck gebracht hätte.

1025

Jedenfalls müsste die Kommission, um das Ergebnis, zu dem das Gericht oben in Rn. 985 gelangt ist, in Frage zu stellen und nachzuweisen, dass die in Rede stehenden Vereinbarungen entgegen dem Befund, zu dem die Untersuchung ihres Inhalts und des Kontexts ihres Abschlusses geführt hat, darauf abzielten, einen Wettbewerber zu kaufen, um ihn vom Markt auszuschließen, unter Berücksichtigung u. a. der Ausführungen in Rn. 1016 des vorliegenden Urteils ein Bündel von relevanten und übereinstimmenden Indizien vorlegen. Dies hat die Kommission nicht getan.

1026

Sechstens ist der Umstand, dass Krka weiter die Patente von Servier angegriffen und ihr Erzeugnis vermarktet hat, obwohl die Gültigkeit des Patents 947 von der Einspruchsabteilung des EPA bestätigt worden war, kein entscheidender Gesichtspunkt für den Schluss auf das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung, da sich eine solche Aufrechterhaltung des Wettbewerbsdrucks auf Servier mit dem Wunsch von Krka erklären lässt, trotz der von ihr vorhergesehenen Prozessrisiken ihre Position in den Verhandlungen zu stärken, in die sie mit Servier treten könnte, um zu einer Vergleichsvereinbarung zu gelangen.

1027

Außerdem setzte die Fortsetzung des Patentrechtsstreits mit Servier Krka keinen neuen Risiken des Vorwurfs einer Patentverletzung aus. Dies erhöhte lediglich ihre Rechtsverfolgungskosten. Die Fortsetzung der Vermarktung ihres Erzeugnisses beschränkte sich auf fünf mittel- und osteuropäische Märkte, da die Kommission im angefochtenen Beschluss angegeben hat, dass Krka „nach der Entscheidung [der Einspruchsabteilung] letztlich den Gedanken eines Risikomarkteintritts in Frankreich, im Vereinigten Königreich und in andere westeuropäische Märkte auf[gab]“ (Rn. 1693). Zudem waren in fünf der sieben von der Lizenz erfassten Märkte die dem Patent 947 entsprechenden Patente noch nicht erteilt worden (Rn. 1755 des angefochtenen Beschlusses). Somit waren die Risiken für Krka zumindest auf einigen Märkten, auf denen sie verblieben war, begrenzt.

1028

In Anbetracht der in den vorstehenden Rn. 1026 und 1027 dargelegten Gesichtspunkte erlaubt der Umstand, dass Krka weiter die Patente von Servier angegriffen und ihr Erzeugnis vermarktet hat, obwohl die Gültigkeit des Patents 947 von der Einspruchsabteilung des EPA bestätigt worden war, entgegen dem Vorbringen der Kommission nicht den Schluss, dass die Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 keinen entscheidenden Einfluss auf die Wahrnehmung des Patents 947 durch Krka und folglich auf deren Entscheidung hatte, in den Abschluss eines Vergleichs mit Servier einzuwilligen.

1029

Siebtens hat die Kommission zwar eine Reihe von Anhaltspunkten dafür vorgetragen, dass die Vergleichs- und die Lizenzvereinbarung Gegenstand von geschäftlichen Verhandlungen zwischen Servier und Krka waren, in denen Krka versuchte, größtmögliche Vorteile aus den Vereinbarungen zu ziehen, und sogar den Abschluss der Lizenzvereinbarung zur Bedingung für ihre Einwilligung in die Vermarktungsverbots- und die Nichtangriffsklausel machte (vgl. u. a. Rn. 913 und 1746 bis 1748 des angefochtenen Beschlusses), doch erlauben diese Anhaltspunkte, auch zusammen mit allen anderen von der Kommission geltend gemachten Faktoren berücksichtigt, nicht den Nachweis, dass die Lizenzvereinbarung keine zu normalen Marktbedingungen abgeschlossene Transaktion war, d. h., dass der in der Lizenzvereinbarung vorgesehene Gebührensatz von 3 % nicht aufgrund geschäftlicher Erwägungen gewählt wurde, sondern als Anreiz für Krka, die in der Vergleichsvereinbarung enthaltenen Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu akzeptieren.

1030

Zudem liegt dem Abschluss einer Lizenzvereinbarung, der für einen Lizenznehmer nur sinnvoll ist, wenn die Lizenz tatsächlich genutzt wird, die Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch die Parteien zugrunde (siehe oben, Rn. 947). Somit genügt der Umstand, dass der Generikahersteller versucht, eine für seine Geschäftsinteressen möglichst günstige Lizenzvereinbarung zu erreichen, nicht, um darzutun, dass dieses Unternehmen die Vereinbarung nicht auf der Grundlage seiner Anerkennung der Gültigkeit des Patents abgeschlossen hat.

1031

Dem ist noch hinzuzufügen, dass eine für Krka günstige Vereinbarung dieser erlaubte, in die Teile des Marktes einzutreten, in denen ihre Position am stärksten war und wo sie ihr Erzeugnis am schnellsten vermarkten oder es weiter vermarkten konnte, was den Wettbewerb fördert. Somit decken sich die Interessen eines Generikaherstellers wie Krka, der versucht, vom Hersteller des Originalpräparats eine für seine Geschäftsinteressen möglichst günstige Lizenz zu erhalten, mit denen des Verbrauchers, da dank der Lizenzvereinbarung ein Generikahersteller rasch in den Markt eintritt oder auf diesem verbleibt.

1032

Nach alledem ist das oben in Rn. 985 dargelegte Ergebnis zu bestätigen, da die in Rede stehenden Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln keine so hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen lassen, dass die Kommission sie zu Recht als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung einstufen konnte. Dieser Klagegrund greift folglich durch.

2) Zu der Übertragungsvereinbarung

i) Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

ii) Würdigung durch das Gericht

1041

Vorab ist darzulegen, auf welche entscheidenden Gründe die Kommission im angefochtenen Beschluss ihre Schlussfolgerung gestützt hat, dass die Übertragungsvereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden konnte.

1042

Die Kommission hat zunächst zum einen festgestellt, dass Krka im Rahmen der Übertragungsvereinbarung zwei Patentanmeldungen an Servier übertragen habe, die eine betreffend ein Verfahren zur Synthese von Perindopril (WO 2005 113500) und die andere betreffend die Zubereitung der Formulierung von Perindopril (WO 2005 094793), und zum anderen, dass die durch diese Patente geschützte Technologie zur Herstellung des Perindoprils von Krka genutzt werde (Rn. 1770 des angefochtenen Beschlusses).

1043

Auf der Grundlage dieser Feststellung war die Analyse der Kommission darauf gerichtet, darzutun, dass die Übertragungsvereinbarung die Wettbewerbsposition von Servier und von Krka gestärkt habe, die sich aus der Marktaufteilung ergeben habe, die mit der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung erfolgt sei (Rn. 1766 und 1804 des angefochtenen Beschlusses).

1044

Was als Erstes Servier angeht, hat die Kommission darauf hingewiesen, dass die Übertragung der Technologie von Krka unter spezifischen Marktbedingungen erfolgt sei, da es nur noch sehr wenige alternative Quellen für die Technologie von pharmazeutischen Wirkstoffen gegeben habe, die potenziell lebensfähig und von Servier unabhängig gewesen seien (Rn. 1766 und 1772 des angefochtenen Beschlusses). Der Kommission zufolge war die Technologie von Krka, die den Anforderungen des Europäischen Arzneibuchs genüge (Rn. 1766, 1770 und 1793 des angefochtenen Beschlusses), „ein Schlüsselelement für den Markteintritt“ (Rn. 1803 des angefochtenen Beschlusses).

1045

In Rn. 1772 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission Folgendes ausgeführt:

„Servier hat dadurch, dass sie Krka die Möglichkeit genommen hat, unbeschränkt Lizenzen zu erteilen oder ihre Technologie an Dritte, d. h. an andere Generikahersteller, zu übertragen, Dritten effektiv den Zugang zu einer möglichen Quelle von Wettbewerb auf der Grundlage der Technologie von Krka versperrt. Diese Technologie hätte z. B. als Plattform für neue Patentanfechtungen dienen können. In Verbindung mit der Krka-Vergleichsvereinbarung bot die Übertragungs- und Lizenzvereinbarung Servier so einen absoluten Schutz gegen jeden verbleibenden, von der Technologie von Krka ausgehenden potenziellen Wettbewerb.“

1046

Somit war nach Ansicht der Kommission Servier mit dem Erwerb der Technologie von Krka sicher, dass diese eine Technologie, die sich für andere Generikahersteller als nützlich hätte erweisen können, nicht mehr übertragen konnte. Daraus hat die Kommission abgeleitet, dass die Übertragungsvereinbarung Servier ermöglichte, den Schutz, den sie bereits durch die in der Vergleichsvereinbarung enthaltenen Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln genoss, zu verstärken (Rn. 1805 und 1806 des angefochtenen Beschlusses).

1047

Was als Zweites Krka betrifft, befand die Kommission, dass dieser nicht nur „bewusst war, dass der Erwerb der Perindopril-Technologie durch Servier zu einer Ausschaltung der konkurrierenden Generikahersteller führen konnte“ (Rn. 1800 des angefochtenen Beschlusses), sondern dass sie vor allem Nutzen aus der ihr im Rahmen der Lizenzvereinbarung gewährten Lizenz ziehe.

1048

Zum letztgenannten Aspekt hat die Kommission darauf hingewiesen, dass Krka ihre Technologie auf den Märkten der sieben Mitgliedstaaten weiter verwenden könne, in denen sie ihr Erzeugnis dank der Lizenzvereinbarung vermarkten könne (Rn. 1806 des angefochtenen Beschlusses). Der Kommission zufolge war die Technologie von Krka aber nützlich für die Herstellung des pharmazeutischen Wirkstoffs von Perindopril in einem Reinheitsgrad, der den Anforderungen des Europäischen Arzneibuchs genügte. Krka habe damit die günstige Position, die sie auf diesen sieben Märkten bereits dank der Lizenzvereinbarung innegehabt habe, durch die Übertragungsvereinbarung beibehalten können.

1049

Die Kommission schloss daraus, dass die Übertragungsvereinbarung die Stärkung der mit der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung erfolgten Marktaufteilung zum Ziel gehabt habe (Rn. 1803 und 1810 des angefochtenen Beschlusses).

1050

Zudem seien der Abschluss der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung sowie der Übertragungsvereinbarung Teil einer einzigen und fortgesetzten Zuwiderhandlung, die den Wettbewerb durch eine Aufteilung des Perindopril-Markts in der Union durch Servier und Krka beschränke (Rn. 1811 des angefochtenen Beschlusses).

1051

Zum Abschluss des Teils des angefochtenen Beschlusses, der der Analyse der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung durch die verschiedenen Vereinbarungen zwischen Servier und Krka gewidmet ist, hat die Kommission festgestellt, dass die Vereinbarungen „das Ziel verfolgten, die Märkte durch Vermeidung oder Beschränkung des Wettbewerbs durch Generika zwischen und gegenüber Krka und Servier aufzuteilen“ (Rn. 1812).

1052

Die Kommission hat schließlich befunden, dass mit der Übertragungsvereinbarung nur eine „zusätzliche“ Verzerrung eingeführt worden sei, wie es in der Überschrift von Abschnitt 5.5.3.4 des angefochtenen Beschlusses heißt.

1053

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass die von der Kommission getroffene Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung durch die Übertragungsvereinbarung, wie die Klägerinnen zu Recht geltend machen, auf der zuvor getroffenen Feststellung des Vorliegens einer Marktaufteilung durch die Vergleichs- und die Lizenzvereinbarung beruht.

1054

Wie oben in Rn. 1014 dargelegt, ist diese zuvor getroffenen Feststellung indes unrichtig.

1055

Folglich kann auch die von der Kommission getroffene Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung durch die Übertragungsvereinbarung nur verworfen werden.

1056

Dem ist hinzuzufügen, dass die Übertragungsvereinbarung keine zu der Vergleichsvereinbarung akzessorische Vereinbarung im Sinne der Ausführungen oben in den Rn. 797 bis 803 ist.

1057

Diese Übertragungsvereinbarung wurde nämlich nicht an demselben Tag geschlossen wie die Vergleichsvereinbarung, es besteht kein Zusammenhang zwischen diesen beiden Vereinbarungen, und die Kommission hat nicht nachgewiesen, dass sie untrennbar voneinander sind (siehe oben, Rn. 798).

1058

Die Kommission hat sogar ausgeführt, dass keinerlei Zusammenhang zwischen der Zahlung von 30 Mio. Euro durch Servier an Krka im Rahmen der Übertragungsvereinbarung einerseits und der Vergleichsvereinbarung andererseits in dem Sinne bestehe, dass diese Zahlung keinen Anreiz für Krka dargestellt habe, sich den Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln in der Vergleichsvereinbarung zu unterwerfen. Dies geht u. a. aus folgenden Auszügen aus dem angefochtenen Beschluss hervor:

„(1678) Zwei Monate später erwarb Servier von Krka für 30 Mio. Euro Anmeldungen von Patenten für konkurrierende Technologien für die Herstellung von Perindopril. Nach Ansicht von Krka befürchtete Servier, dass diese Technologie an andere Wettbewerber übertragen oder in Lizenz vergeben werden könnte. Zwar gibt es bestimmte Anhaltspunkte dafür, dass ein Zusammenhang zwischen der Vergleichsvereinbarung und der Zahlung von 30 Mio. [Euro] durch Servier besteht, doch wird im vorliegenden Beschluss insoweit kein Schluss gezogen und die Analyse dieser Vereinbarungen beruht nicht auf dem Bestehen eines solchen Zusammenhangs.

(Fn. 2419) Servier bestreitet einen Zusammenhang zwischen der Zahlung für die Patentanmeldungen und der Vergleichsvereinbarung (Antwort von Servier auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, Rn. 1084, ID 10114, S. 363). Wie sich offenkundig aus Abschnitt 5.5.3.3.3 ergibt, wird im Rahmen der Beurteilung der Krka-Vergleichsvereinbarung die Zahlung von 30 Mio. [Euro] nicht als Anreiz für Krka angesehen, die restriktiven Bestimmungen der Vergleichsvereinbarung zu akzeptieren, und die Frage eines Zusammenhang zwischen der Vergleichsvereinbarung sowie der Übertragungsvereinbarung und der Lizenzvereinbarung wird als nicht entscheidend offengelassen. …“

1059

Somit lässt sich der Übertragungsvereinbarung nicht das Bestehen eines Anreizes entnehmen, der sich nach Ansicht der Kommission aus der Lizenzvereinbarung ergeben und den Schluss darauf rechtfertigen soll, dass die Vergleichsvereinbarung in Wirklichkeit auf den Ausschluss eines Wettbewerbers von Servier gezielt habe.

1060

Nach alledem hat die Kommission in Bezug auf die Übertragungsvereinbarung zu Unrecht auf das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung geschlossen. Der vorliegende Klagegrund greift daher durch.

b)   Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Krka-Vereinbarung als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung

1) Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

2) Würdigung durch das Gericht

1075

Der Beurteilungs- und der Rechtsfehler betreffend die Feststellung des Vorliegens einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung sind zusammen zu prüfen.

1076

Hierzu hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass für die Beurteilung der Frage, ob eine Vereinbarung wegen der Wettbewerbsstörungen, die sie bewirkt, als verboten anzusehen ist, der Wettbewerb zu betrachten ist, wie er ohne die fragliche Vereinbarung bestehen würde (Urteile vom 30. Juni 1966, LTM, 56/65, EU:C:1966:38, S. 303, und vom 6. April 2006, General Motors/Kommission, C‑551/03 P, EU:C:2006:229, Rn. 72; vgl. auch Urteil vom 11. September 2014, MasterCard u. a./Kommission, C‑382/12 P, EU:C:2014:2201, Rn. 161 und die dort angeführte Rechtsprechung). Somit muss ein Vergleich zwischen dem Wettbewerb, wie er bei Vorliegen der Vereinbarung bestand, und dem Wettbewerb, wie er ohne diese Vereinbarung bestanden hätte, ergeben, dass die Anwendung dieser Vereinbarung zu einer Wettbewerbsstörung geführt hat.

1077

Einleitend ist zu klären, nach welchem Ansatz die Kommission im angefochtenen Beschluss die bewirkte Wettbewerbsbeschränkung insbesondere im Hinblick auf den in der vorstehenden Rn. 1076 angesprochenen Vergleichsabschnitt geprüft hat.

i) Zum Ansatz der Kommission

1078

Zunächst ist auf einige der allgemeinen, für sämtliche Vereinbarungen zwischen Servier und den von dem angefochtenen Beschluss betroffenen Generikaherstellern geltenden Ausführungen der Kommission in Abschnitt 5.1.7 des angefochtenen Beschlusses mit der Überschrift „Beurteilung der Patentvergleichsvereinbarungen gegen umgekehrte Zahlung als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV“ einzugehen.

1079

Die Kommission hat u. a. dargelegt, dass die Prüfung der Wettbewerbsbedingungen auf einem bestimmten Markt „nicht nur auf den bestehenden Wettbewerb zwischen den auf dem relevanten Markt bereits tätigen Unternehmen, sondern auch auf den potenziellen Wettbewerb gestützt werden“ müsse (Rn. 1215 des angefochtenen Beschlusses).

1080

In Rn. 1219 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission darauf hingewiesen, dass nach den Leitlinien zur Anwendung von Artikel [101] Absatz 3 [AEUV] (ABl. 2004, C 101, S. 97) die „tatsächlichen wie auch die potenziellen Auswirkungen“ einer Vereinbarung zu berücksichtigen seien, wobei es ausreiche, dass „wettbewerbswidrige Wirkungen … zu erwarten“ seien. Hierfür verweist sie auf Ziff. 24 dieser Leitlinien, die auf das Urteil vom 28. Mai 1998, Deere/Kommission (C‑7/95 P, EU:C:1998:256, Rn. 77), gestützt ist.

1081

Die Kommission hat sodann ihre Methode dargelegt. Sie werde die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der Vereinbarung dartun, indem sie in einem ersten Schritt nachweise, dass jede von ihnen zur Ausschaltung eines potenziellen Wettbewerbers geführt habe, und in einem zweiten Schritt, dass die Ausschaltung eines einzigen Wettbewerbers „Auswirkungen auf die Struktur des Wettbewerbs haben konnte“ (Rn. 1219 des angefochtenen Beschlusses).

1082

Nach Ansicht der Kommission brauchte sie somit nach der Feststellung der Ausschaltung eines potenziellen Wettbewerbers nur noch wettbewerbswidrige Wirkungen nachzuweisen, die eintreten „konnten“, d. h. „potenzielle“ Auswirkungen auf den Wettbewerb (siehe oben, Rn. 1080).

1083

In Rn. 1220 des angefochtenen Beschlusses die Kommission Folgendes ausgeführt:

„Die Beurteilung der wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen muss auf der Grundlage der bei Abschluss des Vergleichs vorliegenden Tatsachen erfolgen, wobei zu berücksichtigen ist, wie die Vereinbarung tatsächlich angewandt worden ist. Einige Parteien sind anderer Ansicht und machen geltend, die Beurteilung müsse alle späteren tatsächlichen Entwicklungen berücksichtigen und dürfe sich nicht hauptsächlich auf die bei Abschluss der Vereinbarungen bestehende Lage stützen. … [W]enn es um die Ausschaltung des potenziellen Wettbewerbs geht, [hat] die tatsächliche spätere Entwicklung möglicherweise wenig mit dem zu tun, was ohne die Vereinbarung wahrscheinlich eingetreten wäre, eine Schlüsselfrage für die wettbewerbliche Beurteilung. Dies gilt umso mehr, wenn die Vereinbarung deutlich den Anreiz für eine oder für beide Parteien verändert, weiter miteinander zu konkurrieren.“

1084

In den ersten beiden Sätzen dieser Randnummer, deren Formulierung wenig eindeutig ist, hat die Kommission anerkannt, dass sie sich nicht für jede Vereinbarung auf alle späteren tatsächlichen Entwicklungen nach deren Abschluss, sondern zumindest im Wesentlichen auf die zum Zeitpunkt des Abschlusses bestehenden Tatsachen stützen werde. Zur Rechtfertigung dieses Ansatzes hat sie sodann auf den Begriff „potenzieller Wettbewerb“ verwiesen und ausgeführt, wenn es um die Ausschaltung eines potenziellen Wettbewerbers gehe, sei die Berücksichtigung bestimmter tatsächlicher Vorgänge, insbesondere solcher aus der Zeit nach dem Abschluss der Vereinbarung, weniger relevant im Hinblick auf eine der Größen des oben in Rn. 1076 angesprochenen Vergleichs, nämlich den Wettbewerb, wie er ohne die fragliche Vereinbarung bestehen würde.

1085

Ein solcher Ansatz ergibt sich auch aus einem Auszug aus Rn. 1264 des angefochtenen Beschlusses, in dem die Kommission ausgeführt hat, wenn es um die Ausschaltung eines potenziellen Wettbewerbers gehe, seien die „künftigen potenziellen Wirkungen“ der Vereinbarungen zu untersuchen.

1086

Die in der vorstehenden Rn. 1085 zitierte Randnummer des angefochtenen Beschlusses steht in dem mit „Vorherrschende Marktstruktur bei Abschluss der Vergleichsvereinbarungen“ überschriebenen Abschnitt dieses Beschlusses, der hauptsächlich der Beschreibung der schrittweisen Ausschaltung der potenziellen Wettbewerber von Servier durch den Abschluss der streitigen Vereinbarungen gewidmet ist (Rn. 1244 bis 1269 des angefochtenen Beschlusses).

1087

Die Kommission hat zwar in diesem Abschnitt bestimmte Ereignisse angeführt, die tatsächlich während der Durchführung der Vereinbarungen eingetreten seien und den Schluss zuließen, dass weiter ein Wettbewerbsdruck von zwei Generikaherstellern ausgegangen sei, die keine Vereinbarung mit Servier geschlossen hätten. So hat die Kommission festgestellt, dass das Patent 947 im Vereinigten Königreich für ungültig erklärt worden sei, weil eines dieser beiden Unternehmen, Apotex, den Rechtsstreit, den es dort angestrengt habe, weiterverfolgt habe.

1088

Die Kommission hat jedoch ausgeführt, nach dem Abschluss der streitigen Vereinbarungen zwischen Servier und verschiedenen Generikaherstellern habe noch eine sehr reale „Möglichkeit“ bestanden, dass Servier den Abschluss einer Vereinbarung mit Apotex und mit dem anderen Unternehmen, das eine Bedrohung für sie darstellen könne, suchen werde (Rn. 1268), obwohl der Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses bekannt war, dass solche Vereinbarungen nicht geschlossen worden waren.

1089

Das in der vorstehenden Rn. 1088 erwähnte Vorbringen der Kommission bestätigt, dass diese sich zur Darstellung des Wettbewerbs, wie er ohne Vereinbarung bestanden hätte (eine der Größen des oben in Rn. 1076 genannten Vergleichs), auf einen hypothetischen Ansatz gestützt hat, der zum Teil den späteren tatsächlichen Geschehensablauf, insbesondere nach dem Abschluss der Vereinbarung, außer Betracht lässt.

1090

Die Prämisse, sie brauche im Fall einer Vereinbarung, durch die ein potenzieller Wettbewerber ausgeschaltet werde, nur die potenziellen Wirkungen dieser Vereinbarung darzutun, also solche, die die Vereinbarung haben „kann“, erlaubt es der Kommission, die Beschreibung des Wettbewerbs, wie er ohne die Vereinbarung bestanden hätte, auf Hypothesen oder „Möglichkeiten“ zu stützen statt auf den tatsächlichen Geschehensablauf, wie er sich zum Zeitpunkt des Erlasses ihres Beschlusses darstellte.

1091

Hierzu hat die Kommission in Rn. 152 ihrer Klagebeantwortung ausgeführt:

„… Servier macht geltend, die Kommission habe die richtige kontrafaktische Situation nicht berücksichtigt. Die Kommission weist diese Kritik zurück. Die Ereignisse, die zeigen, ob ein potenzieller Wettbewerber schließlich zu einem wirklichen wird oder ob ihm der Markteintritt nicht gelingt, sind nur von begrenzter Bedeutung, denn der Ausschluss eines potenziellen Wettbewerbers zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung in einem Kontext, in dem es keine tatsächlichen Wettbewerber gibt und die Zahl potenzieller Wettbewerber sehr gering ist, hat als solcher eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung, die in den Anwendungsbereich von Art. 101 AEUV fällt. Die wesentliche Frage ist, ob der Generikahersteller die Voraussetzungen dafür erfüllt, als potenzieller Wettbewerber angesehen zu werden. Das Unternehmen kann aus allen möglichen Gründen vom Markt verschwinden oder nie in diesen eintreten, die nichts daran ändern, dass es zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung eine hinreichend ernsthafte Bedrohung dargestellt hat.“

1092

Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, war die Kommission der Ansicht, dass sie sich nach dem Nachweis, dass eine Vereinbarung einen potenziellen Wettbewerber ausschloss, für die Feststellung, welcher Wettbewerb ohne diese Vereinbarung bestanden hätte, nicht mehr auf die tatsächlich, insbesondere nach Abschluss der Vereinbarung eingetretenen Ereignisse zu stützen brauchte. Im Gegenteil meinte die Kommission unter Berufung auf ihre gewöhnliche Praxis bei der Berücksichtigung der potenziellen Wirkungen einer Vereinbarung, wonach es genügt, darzutun, dass diese Vereinbarung wettbewerbswidrige Wirkungen haben „kann“ (siehe oben, Rn. 1080 und 1085), dass sie ihre Beschreibung des Wettbewerbs ohne Vereinbarung auf Hypothesen oder „Möglichkeiten“ stützen könne.

1093

Nach dieser Darstellung des allgemeinen Ansatzes der Kommission ist zu prüfen, ob sie im besonderen Rahmen der Analyse der Auswirkungen der zwischen Servier und Krka geschlossenen Vereinbarungen auf den Wettbewerb in einer diesem allgemeinen Ansatz entsprechenden Weise vorgegangen ist.

1094

In den Rn. 1813 und 1814 des angefochtenen Beschlusses, d. h. in den ersten Randnummern des Abschnitts über die Einstufung der mit Krka geschlossenen Vereinbarungen als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung, hat die Kommission dargelegt, Gegenstand ihrer Ausführungen in diesem Abschnitt sei die Frage, ob die in Rede stehenden Vereinbarungen „wettbewerbsbeschränkende Wirkungen haben konnten“. Auch in der Überschrift der Schlussfolgerung des Abschnitts über die Einstufung der mit Krka geschlossenen Vereinbarungen als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung heißt es, dass diese Vereinbarungen „wettbewerbswidrige Wirkungen haben [können]“. In ihrer Klagebeantwortung schließlich hat die Kommission bekräftigt, dass in dem „Beschluss geprüft worden [ist], ob die Vereinbarungen wettbewerbswidrige Wirkungen haben konnten“ (Rn. 135).

1095

Aus den von der Kommission gebrauchten, in der vorstehenden Rn. 1094 wiedergegebenen Worten ergibt sich, dass ihr Ansatz auf der Feststellung potenzieller Wirkungen der Vereinbarungen beruht (siehe oben, Rn. 1080).

1096

Ferner hat sich die Kommission für den oben in Rn. 1076 angesprochenen Vergleich darauf gestützt, dass Krka ohne Vereinbarung weiter eine „wettbewerbliche Bedrohung“ für Servier dargestellt hätte (Rn. 1828 und 1830 des angefochtenen Beschlusses).

1097

Auf den ersten Blick verweist diese „wettbewerbliche Bedrohung“, die mit den Vereinbarungen beseitigt worden sein soll, durch ihren hypothetischen Charakter eher auf potenzielle denn auf tatsächliche Auswirkungen auf den Wettbewerb.

1098

Die Beseitigung der in den vorstehenden Rn. 1096 und 1097 erwähnten „wettbewerblichen Bedrohung“ ist aber für die Kommission ein wesentliches Element ihrer Darlegung, mit der sie nachweisen will, dass die Wettbewerbssituation auf dem Markt sich wegen der Vergleichsvereinbarung verschlechtert habe (siehe oben, Rn. 1076).

1099

In der Folge widmet die Kommission zwar im Zusammenhang mit der von ihr zuvor festgestellten Marktmacht von Servier (Rn. 1817 bis 1819 des angefochtenen Beschlusses) einen Teil des angefochtenen Beschlusses der Struktur des betreffenden Marktes, der durch das Fehlen oder die Knappheit von Quellen von Wettbewerb gekennzeichnet sei (Rn. 1835 bis 1846).

1100

Der notwendige Ausgangspunkt für die Analyse der Struktur des Marktes ist jedoch die zuvor im vorhergehenden Abschnitt getroffene Feststellung, dass ohne eine Vereinbarung eine „wettbewerbliche Bedrohung“ (Rn. 1825 bis 1834) bestehe.

1101

Die Kommission schließt die Analyse der Struktur des betreffenden Marktes mit dem Hinweis auf das Bestehen einer sehr realen Möglichkeit ab, dass die bei Unterzeichnung der mit Krka geschlossenen Vereinbarungen noch verbleibenden Quellen von Wettbewerb durch eine künftige Vereinbarung oder ein anderes Mittel vom Wettbewerb ausgeschlossen würden, ohne jedoch anzugeben, ob dies während der Zeit der Anwendung der mit Krka geschlossenen Vereinbarungen der Fall war (Rn. 1846 des angefochtenen Beschlusses).

1102

Der in der vorstehenden Rn. 1101 erwähnte Umstand bestätigt die bereits oben in Rn. 1092 enthaltene Darlegung. Die Kommission war demnach der Ansicht, dass sie, wenn sie nachgewiesen habe, dass die Vergleichsvereinbarung Krka ausgeschlossen habe und dass diese zumindest ein potenzieller Wettbewerber von Servier gewesen sei, zur Darstellung des Wettbewerbs, wie er ohne Vereinbarung bestanden hätte (eine der Größen des oben in Rn. 1076 genannten Vergleichs), nicht gehalten gewesen sei, den tatsächlichen Geschehensablauf zu berücksichtigen, wie er sich zum Zeitpunkt des Erlasses ihres Beschlusses dargestellt habe. Im Gegenteil meinte die Kommission unter Berufung auf ihre gewöhnliche Praxis bei der Berücksichtigung der potenziellen Wirkungen einer Vereinbarung, wonach es genügt, darzutun, dass diese Vereinbarung wettbewerbswidrige Wirkungen haben „kann“, dass sie ihre Beschreibung des Wettbewerbs ohne Vereinbarung auf Hypothesen oder „Möglichkeiten“ stützen könne.

1103

Die von der Kommission vorgenommene Analyse der Vereinbarungen zwischen Servier und Krka entsprach daher der allgemeinen Orientierung, die sich die Kommission für die Prüfung der verschiedenen im angefochtenen Beschluss als Zuwiderhandlungen angesehenen Vergleichsvereinbarungen gegeben hatte.

1104

Nach der Darstellung des Ansatzes der Kommission hinsichtlich des oben in Rn. 1076 erwähnten Vergleichsabschnitts der Untersuchung der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung ist zu prüfen, ob die Kommission in Bezug auf die Vereinbarungen zwischen Servier und Krka zu Recht auf das Vorliegen einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung geschlossen hat.

1105

Diese Prüfung erfordert zunächst eine Darstellung der einschlägigen Rechtsprechung.

1106

Insbesondere ist in Anbetracht des von der Kommission verfolgten Ansatzes und des zentralen Platzes, den in ihren Erwägungen die zahlreichen Bezugnahmen auf die „potenziellen Wirkungen“ der Vereinbarungen und darauf einnehmen, dass diese „wettbewerbsbeschränkende Wirkungen habe konnten“, auf die zum Teil bereits oben in Rn. 1080 und in der Sitzung angeführte Rechtsprechung hinzuweisen, wonach die potenziellen Wirkungen einer Vereinbarung, einer abgestimmten Verhaltensweise oder eines Beschlusses einer Unternehmensvereinigung zu berücksichtigen sind, um zu bestimmen, ob solche Maßnahmen in den Anwendungsbereich von Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen.

ii) Die im vorliegenden Fall einschlägige Rechtsprechung

1107

Der Gerichtshof hat zwar in Vorabentscheidungsverfahren häufig den Grundsatz bekräftigt, dass Art. 101 Abs. 1 AEUV die Beurteilung einer Vereinbarung oder einer abgestimmten Verhaltensweise nicht auf die tatsächlichen Auswirkungen der Vereinbarung auf den Wettbewerb im Gemeinsamen Markt beschränkt, sondern dass auch potenzielle Auswirkungen zu berücksichtigen sind (Urteile vom 21. Januar 1999, Bagnasco u. a., C‑215/96 und C‑216/96, EU:C:1999:12, Rn. 34, vom 23. November 2006, Asnef-Equifax und Administración del Estado, C‑238/05, EU:C:2006:734, Rn. 50, vom 28. Februar 2013, Ordem dos Técnicos Oficiais de Contas, C‑1/12, EU:C:2013:127, Rn. 71, und vom 26. November 2015, Maxima Latvija, C‑345/14, EU:C:2015:784, Rn. 30), er hatte jedoch nur selten Gelegenheit, selbst zu prüfen, ob eine Verhaltensweise oder eine Vereinbarung potenzielle Wirkungen entfalteten, die den Schluss auf das Vorliegen einer Wettbewerbsbeschränkung zuließen.

1108

Erstmals hat der Gerichtshof die potenziellen Wirkungen einer Vereinbarung im Urteil vom 17. November 1987, British American Tobacco und Reynolds Industries/Kommission (142/84 und 156/84, EU:C:1987:490), berücksichtigt. In der mit diesem Urteil entschiedenen Rechtssache hatte die Kommission eine Beschwerde zurückgewiesen und festgestellt, dass die mit dieser Beschwerde beanstandeten Vereinbarungen nicht gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrags verstießen (Urteil vom 17. November 1987, British American Tobacco und Reynolds Industries/Kommission, 142/84 und 156/84, EU:C:1987:490, Rn. 1). Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass die Kommission, wenn sie feststellt, dass eine Vereinbarung nicht gegen das Wettbewerbsrecht verstößt, nicht nur die Wirkungen zu berücksichtigen hat, die die Klauseln dieser Vereinbarung zum Zeitpunkt ihrer Prüfung durch die Kommission hatten, sondern auch die Wirkungen, die sie in Zukunft in Anbetracht der noch nicht verwirklichten Möglichkeiten haben könnten, die sie den Parteien eröffneten. In jener Rechtssache räumte eine Vereinbarung über den Erwerb von Beteiligungen am Kapital eines konkurrierenden Unternehmens dem investierenden Unternehmen die Möglichkeit ein, seine Position später durch die Erlangung der effektiven Kontrolle über das andere Unternehmen zu stärken, was Auswirkungen auf die untersuchte Wettbewerbslage haben konnte (Urteil vom 17. November 1987, British American Tobacco und Reynolds Industries/Kommission, 142/84 und 156/84, EU:C:1987:490, Rn. 37, 39, 54, 57 und 58).

1109

Somit muss die Kommission nach dem in der vorstehenden Rn. 1108 genannten Urteil bei der Prüfung der Wirkungen einer Vereinbarung nicht nur die tatsächlichen Wirkungen der Klauseln berücksichtigen, die bereits zum Zeitpunkt des Erlasses ihres Beschlusses durchgeführt werden, sondern auch die potenziellen Wirkungen der noch nicht durchgeführten Klauseln.

1110

Der Gerichtshof hat die Berücksichtigung der potenziellen Wirkungen einer Vereinbarung später im Urteil vom 28. Mai 1998, Deere/Kommission (C‑7/95 P, EU:C:1998:256), gebilligt. In der mit diesem Urteil entschiedenen Rechtssache ging es um eine Entscheidung der Kommission über einen Antrag nach Art. 2 der Verordnung Nr. 17 auf Erteilung eines Negativattests für eine bei ihr angemeldete Entscheidung, mit dem die Kommission auf Antrag der beteiligten Unternehmen feststellen konnte, dass für sie kein Anlass zum Eingreifen bezüglich einer Vereinbarung bestand. In ihrer Entscheidung hatte die Kommission festgestellt, dass die ihr vorgelegte Vereinbarung eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung darstellte.

1111

In dieser Rechtssache haben das Gericht und danach der Gerichtshof diese Feststellung bestätigt, die auf dem Vorliegen potenzieller Wirkungen beruhte.

1112

Die Klägerin berief sich darauf, dass das in der Vereinbarung vorgesehene System des Informationsaustauschs während mehrerer Jahre vor der Anmeldung und der Stellung des Antrags auf ein Negativattest angewandt worden sei, und machte geltend, die Beurteilung durch die Kommission müsse sich auf die Berücksichtigung der tatsächlichen Auswirkungen dieses Informationsaustauschs beschränken. Das Gericht hat dieses Vorbringen jedoch als unbeachtlich zurückgewiesen, da nach dem Vertrag sowohl tatsächliche als auch potenzielle wettbewerbswidrige Wirkungen verboten sind (Urteil vom 27. Oktober 1994, Deere/Kommission, T‑35/92, EU:T:1994:259, Rn. 59 und 61).

1113

Der Befund, dass das Vorbringen, die in Rede stehenden Vereinbarungen oder Verhaltensweisen seien bereits angewandt worden, ins Leere geht, ist jedoch zu nuancieren.

1114

Erstens lagen nämlich in jener Rechtssache besondere Umstände vor, da die Vereinbarung, für die das Negativattest beantragt worden war, an die Stelle einer früheren Vereinbarung getreten war, die nicht bei der Kommission angemeldet worden war. Die Kommission hatte demnach darüber zu entscheiden, ob diese neue Vereinbarung und nicht die vorangegangene mit den Wettbewerbsregeln im Einklang stand. Es ist somit nicht sicher, ob die Kommission trotz der Ähnlichkeit der beiden Vereinbarungen aus der Anwendung der vorangegangenen Vereinbarung endgültige Schlüsse für diese neue Vereinbarung hätte ziehen können. Die neue Vereinbarung war nur wenige Monate lang angewandt worden, bevor die Beteiligten ihre Aussetzung beschlossen. Die Kommission verfügte daher nicht über den nötigen Abstand für die Prüfung ihrer tatsächlichen Auswirkungen auf den Wettbewerb (Urteil vom 27. Oktober 1994, Deere/Kommission, T‑35/92, EU:T:1994:259, Rn. 2 und 4).

1115

Zweitens hat das Gericht im Rahmen der Prüfung der potenziellen Wirkungen einer Vereinbarung auf den Wettbewerb im Urteil vom 27. September 2006, GlaxoSmithKline Services/Kommission (T‑168/01, EU:T:2006:265, Rn. 163), aus der Tatsache, dass die Anwendung der betreffenden Vereinbarung nur einige Monate nach ihrem Inkrafttreten bis zum Erlass der in jener Rechtssache angefochtenen Entscheidung der Kommission ausgesetzt worden war, geschlossen, dass die von der Kommission vorgenommene Prüfung so zu verstehen war, dass sie sich hauptsächlich mit den potenziellen Auswirkungen dieser Bedingungen auf den Wettbewerb befasste.

1116

Das Gericht hat in diesem Urteil somit einen ausdrücklichen Zusammenhang zwischen der fehlenden Anwendung der in Rede stehenden Vereinbarung und der von der Kommission vorgenommenen Prüfung ihrer potenziellen Wirkungen hergestellt.

1117

Drittens hat das Gericht im Urteil vom 30. Juni 2016, CB/Kommission (T‑491/07 RENV, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:379, Rn. 243, 247, 248 und 250), die potenziellen Wirkungen eines Beschlusses einer Unternehmensvereinigung auf den Wettbewerb geprüft, indem es die Auswirkungen berücksichtigt hat, die die fraglichen Maßnahmen hätten, wenn sie angewandt würden, womit wiederum ein Zusammenhang zwischen der Prüfung der potenziellen Wirkungen des Beschlusses der Vereinigung und dem Umstand hergestellt wurde, dass er noch nicht angewandt worden war. Die Kommission hatte in der angefochtenen Entscheidung (Entscheidung K[2007] 5060 endg. vom 17. Oktober 2007 in einem Verfahren nach Artikel [101 AEUV] [COMP/D1/38.606 – Groupement des cartes bancaires „CB“]) die Analyse der potenziellen Wirkungen, d. h. der Wirkungen, die die Maßnahmen entfalten würden, wenn ihre Aussetzung aufgehoben würde (Rn. 261 ff.), von der Analyse der Wirkungen unterschieden, die im Zeitraum der Anwendung der in Rede stehenden Maßnahmen eingetreten waren (Rn. 310 ff.).

1118

In den Rechtssachen, in denen die Urteile vom 27. September 2006, GlaxoSmithKline Services/Kommission (T‑168/01, EU:T:2006:265), und vom 30. Juni 2016, CB/Kommission (T‑491/07 RENV, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:379), ergangen sind, hatte die Kommission keine Sanktion gegen die betroffenen Unternehmen verhängt, sondern ihnen aufgegeben, die in Rede stehende Zuwiderhandlung unverzüglich zu beenden.

1119

Zudem ging in den in der vorstehenden Rn. 1118 genannten Rechtssachen die Befassung der Kommission auf die betroffenen Unternehmen zurück (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. September 2006, GlaxoSmithKline Services/Kommission, T‑168/01, EU:T:2006:265, Rn. 10, und vom 30. Juni 2016, CB/Kommission, T‑491/07 RENV, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:379, Rn. 8).

1120

Somit ging es in den meisten Fällen, in denen die Unionsgerichte zur Beurteilung einer Vereinbarung, einer abgestimmten Verhaltensweise oder eines Beschlusses einer Unternehmensvereinigung die Rechtsprechung herangezogen haben, wonach eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung aufgrund der potenziellen Wirkungen dieser Maßnahmen festgestellt werden kann, nicht um einen Beschluss der Kommission, mit dem ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung geahndet wurde, sondern um einen Kommissionsbeschluss, mit dem ein solches Verhalten in Anbetracht der Wirkungen, die die in Rede stehenden Maßnahmen im Fall ihrer Anwendung haben könnten, verhindert werden sollte. So lag der Fall auch in der Rechtssache, in der das Urteil vom 17. November 1987, British American Tobacco und Reynolds Industries/Kommission (142/84 und 156/84, EU:C:1987:490), ergangen ist und in der die Kommission eine Beschwerde nach der Prüfung der Wirkungen zurückgewiesen hatte, die eine Klausel der Vereinbarung hätte haben können, wenn die in ihr vorgesehene Möglichkeit umgesetzt worden wäre.

1121

Somit gibt es im Kartellbereich keinen Präzedenzfall, in dem der Gerichtshof oder das Gericht entschieden hätte, dass sich die Kommission allein auf die potenziellen Wirkungen der betreffenden Maßnahme stützen kann, um festzustellen, dass eine Zuwiderhandlung begangen worden sei, und auf der Grundlage einer solchen Feststellung eine Geldbuße gegen die Urheber dieser Zuwiderhandlung verhängen kann.

1122

Wenn die Klauseln einer Vereinbarung durchgeführt worden sind und ihre Auswirkungen auf den Wettbewerb anhand der relevanten tatsächlichen Entwicklungen, insbesondere nach Abschluss der Vereinbarung, die vor dem Beschluss der Kommission eingetreten sind, gemessen werden können, erschiene es aber paradox, der Kommission zu erlauben, sich damit zu begnügen, die wettbewerbswidrigen Wirkungen darzutun, die diese Klauseln haben könnten, und zu diesem Zweck den oben in Rn. 1076 angesprochenen Vergleich vorzunehmen, ohne diese Entwicklungen zu berücksichtigen (siehe oben, Rn. 1084, 1092 und 1102).

1123

Es erschiene ebenfalls paradox, der Kommission zu erlauben, sich für die Feststellung, dass eine Zuwiderhandlung in der Form einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung begangen worden ist (und demgemäß mit einer Geldbuße geahndet werden kann), nur darauf zu stützen, dass die durchgeführten Klauseln einer Vereinbarung wettbewerbswidrige Wirkungen haben könnten, und nicht darauf, dass sie solche Wirkungen hatten, obwohl der Gerichtshof entschieden hat, dass eine Entbindung von der Beweispflicht für die wettbewerbswidrigen Wirkungen einer Vereinbarung nur aus deren Einstufung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung folgen kann, die nur Vereinbarungen erfassen sollte, die als derart geeignet angesehen werden können, negative Auswirkungen auf insbesondere den Preis, die Menge oder die Qualität der Waren und Dienstleistungen zu haben, dass für die Anwendung von Art. 101 Abs. 1 AEUV der Nachweis, dass sie konkrete Auswirkungen auf den Markt haben, als überflüssig erachtet werden kann (Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 51). Könnte sich die Kommission bei durchgeführten Vereinbarungen allein auf deren mögliche Wirkungen stützen, um darzutun, dass sie eine wettbewerbswidrige Wirkung hatten, verlöre die in Art. 101 Abs. 1 AEUV geschaffene Unterscheidung zwischen bezweckten und bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen ihre Bedeutung.

1124

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die oben in den Rn. 1107 bis 1120 angeführte Rechtsprechung zur Berücksichtigung der potenziellen Wirkungen von Vereinbarungen im Bereich der bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen nicht herangezogen werden kann, wenn die in Rede stehenden Vereinbarungen durchgeführt worden sind und die Kommission die Begehung einer Zuwiderhandlung festgestellt und deshalb eine Geldbuße gegen die Parteien der Vereinbarungen verhängt hat.

1125

Zudem ist die in der vorstehenden Rn. 1124 erwähnte Rechtsprechung von der Rechtsprechung zur Berücksichtigung der Auswirkungen einer Begrenzung des Wettbewerbs, einschließlich einer nur potenziellen, zu unterscheiden.

1126

Im Urteil vom 12. Juni 1997, Tiercé Ladbroke/Kommission (T‑504/93, EU:T:1997:84, Rn. 157 bis 160), das in Rn. 1217 des angefochtenen Beschlusses angeführt wird, hat das Gericht die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung der Kommission geprüft, mit der diese eine Beschwerde u. a. mit der Begründung zurückgewiesen hatte, dass mangels eines tatsächlichen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt die streitige Vereinbarung nicht unter Art. 85 Abs. 1 des Vertrags, nunmehr Art. 101 Abs. 1 AEUV, falle. Das Gericht hat entschieden, dass die Kommission nicht alle ihr von der Klägerin mitgeteilten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte mit der erforderlichen Sorgfalt geprüft hat, da die Vereinbarung den potenziellen Wettbewerb beschränken konnte. Es hat daher die angefochtene Entscheidung insoweit aufgehoben.

1127

Aus einem solchen Präzedenzfall, der die Zurückweisung einer Beschwerde betraf, kann nicht abgeleitet werden, dass der bloße Umstand, dass eine Vereinbarung den potenziellen Wettbewerb beschränken „kann“, notwendig zur Feststellung einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung führt, sondern eher, dass die Kommission die Möglichkeit einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung nicht von vornherein ausschließen kann, wenn eine Vereinbarung nur einen potenziellen und nicht einen tatsächlichen Wettbewerb beschränken kann.

1128

Wenn die Kommission einen Beschluss erlässt, mit dem sie die Begehung einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV feststellt, was ihr die Verhängung einer Geldbuße gegen die Urheber dieser Zuwiderhandlung auf der Grundlage dieser Feststellung erlaubt, entbindet sie der bloße Nachweis des Bestehens eines potenziellen Wettbewerbs und einer Begrenzung der Handlungsfreiheit eines potenziellen Wettbewerbers nicht von einer Analyse der tatsächlichen Auswirkungen der in Rede stehenden Maßnahme auf den Wettbewerb, wenn die oben in den Rn. 1107 bis 1120 angeführte Rechtsprechung nicht übertragbar ist.

1129

In dieser Hinsicht ist zu beachten, dass für die Feststellung des Vorliegens wettbewerbswidriger Wirkungen einer Vereinbarung Voraussetzungen erfüllt sein müssen, aus denen sich ergibt, dass der Wettbewerb „tatsächlich“ verhindert, eingeschränkt oder verfälscht worden ist (Urteil vom 30. Juni 1966, LTM, 56/65, EU:C:1966:38, S. 303).

1130

Somit muss die Kommission nach dem sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Realismusgebot zum Nachweis des Vorliegens der wettbewerbswidrigen Wirkungen einer Vereinbarung im Rahmen des oben in Rn. 1076 angesprochenen Vergleichs die relevanten tatsächlichen Entwicklungen, insbesondere nach Abschluss der Vereinbarung, die vor dem Beschluss der Kommission eingetreten sind, berücksichtigen.

1131

Dem Gerichtshof zufolge erfordert die Beurteilung der Wirkungen einer Vereinbarung zwischen Unternehmen nach Art. 101 AEUV eine Berücksichtigung des jeweiligen konkreten Rahmens, nämlich des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts, in dem die betreffenden Unternehmen tätig sind, der Natur der betroffenen Waren und Dienstleistungen, der auf dem betreffenden Markt oder den betreffenden Märkten bestehenden tatsächlichen Bedingungen und der Struktur dieses Marktes oder dieser Märkte (Urteil vom 11. September 2014, MasterCard u. a./Kommission, C‑382/12 P, EU:C:2014:2201, Rn. 165).

1132

Folglich muss das Szenario, das sich ohne die fragliche Vereinbarung ergeben würde, „realistisch sein“ (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2014, MasterCard u. a./Kommission, C‑382/12 P, EU:C:2014:2201, Rn. 166).

1133

Nach Ansicht des Gerichtshofs war die Berücksichtigung der Marktentwicklungen, die ohne diese Maßnahme wahrscheinlich eintreten würden, im Rahmen der Prüfung der wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der Vereinbarung geboten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2014, MasterCard u. a./Kommission, C‑382/12 P, EU:C:2014:2201, Rn. 167 bis 169).

1134

Das für die Beschreibung des Wettbewerbs, wie er ohne die Vereinbarung bestanden hätte (eine der Größen des oben in Rn. 1076 genannten Vergleichs), geltende Wahrscheinlichkeits- und Realismusgebot steht im Einklang mit dem Ansatz der Kommission in verschiedenen Leitlinien, wonach sie zu beweisen hat, dass die wettbewerbswidrigen Wirkungen der geprüften Maßnahmen hinreichend wahrscheinlich sind.

1135

So müssen erstens nach Ziff. 24 der Leitlinien zur Anwendung von Artikel [101] Absatz 3 [AEUV], auf die die Kommission in Rn. 1219 des angefochtenen Beschlusses verweist, „Vereinbarungen, die eine wettbewerbsbeschränkende Auswirkung haben, … den gegenwärtigen oder potenziellen Wettbewerb in einem solchen Ausmaß beeinträchtigen können, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit negative Auswirkungen auf Preise, Produktionsmengen, Innovationen oder Vielfalt bzw. Qualität von Waren und Dienstleistungen erwartet werden können“.

1136

Zweitens heißt es in Ziff. 19 der Leitlinien zu Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit von 2001, dass viele horizontale Kooperationsvereinbarungen keine Wettbewerbsbeschränkung bezweckten, weshalb deren Wirkungen untersucht werden müssten. Für eine solche Analyse reiche es nicht aus, dass eine Vereinbarung den Wettbewerb zwischen den Beteiligten einschränke. Sie müsse auch den Wettbewerb im betroffenen Markt in einem Maße beeinträchtigen können, dass negative Auswirkungen hinsichtlich Preisen, Produktion, Innovation oder Vielfalt und Qualität der Waren und Dienstleistungen zu erwarten seien.

1137

Drittens hat die Kommission bestätigt, dass sie diesen Ansatz in den Leitlinien zu Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit von 2011 beibehalten habe. Nach Ziff. 28 dieser Leitlinien, auf die sie in Fn. 1733 des angefochtenen Beschlusses verweist, sind wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen auf dem relevanten Markt dann wahrscheinlich, wenn in hinreichendem Maße davon auszugehen ist, dass die Parteien aufgrund der Vereinbarung in der Lage wären, gewinnbringend den Preis zu erhöhen oder Produktionsmenge, Produktqualität, Produktvielfalt oder Innovation zu reduzieren.

1138

Im Übrigen weist die Kommission im angefochtenen Beschluss selbst (Rn. 1218) darauf hin, dass die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein müssten.

1139

In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen ist zu prüfen, ob die Kommission im vorliegenden Fall trotz ihres hypothetischen Ansatzes hinsichtlich des Vergleichsabschnitts der Prüfung der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung (siehe oben, Rn. 1076 bis 1102) nachgewiesen hat, dass die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der Vereinbarungen zwischen Servier und Krka hinreichend real und wahrscheinlich waren.

iii) Zum Beurteilungsfehler

1140

Die Kommission hat die Wirkungen der in der Vergleichsvereinbarung zwischen Servier und Krka enthaltenen Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln sowie der Übertragung der Lizenz für die Technologie von Krka an Servier analysiert, indem sie für jede dieser drei Maßnahmen geprüft hat, wie der Wettbewerb ohne sie beschaffen gewesen wäre (vgl. u. a. Rn. 1825 bis 1829 des angefochtenen Beschlusses).

1141

Es ist für jede dieser drei Maßnahmen zu prüfen, ob die Kommission zu Recht auf das Vorliegen einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung geschlossen hat.

– Zu der in der Vergleichsvereinbarung enthaltenen Vermarktungsverbotsklausel

1142

Für die Beurteilung der Frage, ob eine Vereinbarung wegen der Wettbewerbsstörungen, die sie bewirkt, als verboten anzusehen ist, ist der Wettbewerb zu betrachten, wie er ohne die fragliche Vereinbarung bestehen würde (siehe oben, Rn. 1076).

1143

Im vorliegenden Fall ist der Geltungsbereich der Vermarktungsverbotsklausel auf den des Patents 947 begrenzt, das Gegenstand des Rechtsstreits zwischen Servier und Krka ist.

1144

Den tatsächlichen Rahmen des Wettbewerbs ohne die Vergleichsvereinbarung bildeten die Versuche der Generikahersteller, unter ihnen Krka, trotz der aufgrund der Patente von Servier, insbesondere des Patents 947, bestehenden Hindernisse in den Markt einzutreten, und die Patentrechtsstreitigkeiten zwischen diesen Unternehmen und Servier.

1145

Wie oben in Rn. 234 dargelegt, ist der spezifische Gegenstand des gewerblichen Eigentums, dass der Inhaber zum Ausgleich für seine schöpferische Erfindertätigkeit das ausschließliche Recht erlangt, gewerbliche Erzeugnisse herzustellen und in den Verkehr zu bringen, mithin die Erfindung entweder selbst oder im Wege der Lizenzvergabe an Dritte zu verwerten, und dass er ferner das Recht erlangt, sich gegen jegliche Zuwiderhandlung zur Wehr zu setzen (Urteil vom 31. Oktober 1974, Centrafarm und de Peijper, 15/74, EU:C:1974:114, Rn. 9). Wird ein Recht des geistigen Eigentums von einer öffentlichen Stelle eingeräumt, besteht normalerweise die Vermutung, dass das Recht gültig ist und einem Unternehmen rechtmäßig zusteht. Ist ein Unternehmen Inhaber eines ausschließlichen Rechts, hat schon dies allein normalerweise zur Folge, dass die Wettbewerber ferngehalten werden, da sie aufgrund staatlicher Vorschriften zur Beachtung dieses Rechts verpflichtet sind (Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 362).

1146

Ein Risikomarkteintritt eines Generikaherstellers ist zwar als solcher nicht rechtswidrig (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 122). Er ist aber wenig wahrscheinlich, wenn der Generikahersteller die Gültigkeit des Patents anerkennt oder seine Chancen, dass dessen Ungültigkeit anerkannt würde, als gering einschätzt.

1147

Entscheidend für die Bestimmung des wahrscheinlichen Verhaltens eines Generikaherstellers im Hinblick auf einen Risikomarkteintritt ist demnach, ob er die Gültigkeit des in Rede stehenden Patents anerkennt oder nicht oder wie er die Stärke dieses Patents wahrnimmt.

1148

Die Kommission hat aber die Wirkungen, die das Patent 947 und die Anerkennung seiner Gültigkeit durch Krka auf die Beurteilung des wahrscheinlichen Verhaltens von Krka ohne Vereinbarung zum Zweck des oben in Rn. 1076 genannten Vergleichs hätten haben können, in dem der Prüfung dieses Verhaltens gewidmeten Teil des angefochtenen Beschlusses (Rn. 1825 bis 1834) nicht gebührend berücksichtigt.

1149

Die entscheidenden Ereignisse für die Beurteilung der Frage, ob Krka das Patent 947 als gültig anerkennen konnte oder wie sie ihre Chancen einschätzte, es für ungültig erklären zu lassen, wie die Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 zur Bestätigung der Gültigkeit des Patents 947 und die gegen Krka im Vereinigten Königreich ergangene einstweilige Verfügung, werden in diesem Teil des angefochtenen Beschlusses nicht erwähnt, obwohl sie vor dem Abschluss der Vergleichsvereinbarung zwischen Servier und Krka eingetreten sind.

1150

Zudem geht die Kommission in den Rn. 1828 bis 1834 des angefochtenen Beschlusses bei der Analyse des wahrscheinlichen Verhaltens von Krka ohne die Vereinbarungen nicht auf den in diesem Zusammenhang wichtigen Umstand ein, dass mehrere Anhaltspunkte in den Akten dafür sprachen, dass das Erzeugnis von Krka das Patent 947 verletzen konnte.

1151

Dies bestätigt, dass ihr hypothetischer Ansatz (siehe oben, Rn. 1077 bis 1103) die Kommission dazu geführt hat, nicht nur die nach Abschluss der Vereinbarungen eingetretenen Ereignisse, sondern allgemeiner den tatsächlichen Geschehensablauf, wie er sich zum Zeitpunkt des Erlasses ihres Beschlusses darstellte, außer Betracht zu lassen.

1152

Die fehlende Bereitschaft der Kommission, insbesondere die Wirkungen des Patents 947 zu berücksichtigen, erklärt sich damit, dass sie im Rahmen ihrer Untersuchung der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung der Ansicht war, dass der zwischen Servier und Krka geschlossenen Vergleichsvereinbarung in Wirklichkeit der Anreiz für Letztere zugrunde lag, sich den wettbewerbsbeschränkenden Klauseln dieser Vereinbarung zu unterwerfen, und nicht eine aufrichtige Anerkennung der Gültigkeit des Patents 947. Aus dieser Sicht konnte sich Krka nach Auffassung der Kommission keinesfalls auf die Anerkennung der Gültigkeit des Patents 947 berufen, da diese Anerkennung mit einem grundsätzlichen Makel behaftet war.

1153

Das Gericht hat jedoch die Feststellung des Bestehens eines Anreizes und einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung in Bezug auf die Vergleichs- und die Lizenzvereinbarung zwischen Servier und Krka verworfen, so dass die Frage der Wahrnehmung der Stärke des Patents 947 durch Krka oder ihrer Anerkennung der Gültigkeit desselben ihre volle Bedeutung wiedererlangt.

1154

Wie dargelegt, gab es zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung für deren Parteien gewichtige Indizien dafür, dass das Patent 947 gültig war (siehe oben, Rn. 967 und 968). Im Vereinigten Königreich, einem der drei Länder (neben Frankreich und den Niederlanden), in denen die Kommission das Vorliegen einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung untersucht und festgestellt hat, war gegen Krka und Apotex sogar eine einstweilige Verfügung ergangen.

1155

Der von Servier in Ungarn gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zum Verbot der Vermarktung einer von Krka auf den Markt gebrachten generischen Version von Perindopril wegen Verletzung des Patents 947 wurde zwar im September 2006 zurückgewiesen, doch handelte es sich um ein Verfahren, das anders als die in der vorstehenden Rn. 1154 erwähnten Verfahren keines der Länder betraf, in denen die Kommission das Vorliegen einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung festgestellt hat.

1156

Zudem hatte es zwischen Servier und Krka bereits vor der die Gültigkeit des Patents 947 bestätigenden Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 Kontakte gegeben (vgl. u. a. Rn. 837 des angefochtenen Beschlusses), doch hatten diese nicht zu einer Vereinbarung geführt (Rn. 856 bis 859 des angefochtenen Beschlusses), und erst nach dieser Entscheidung wurden neue Verhandlungen aufgenommen (Rn. 898 des angefochtenen Beschlusses). Die Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 zur Bestätigung der Gültigkeit des Patents 947 war somit zumindest einer der Faktoren, die zu der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung geführt haben, was ein zusätzliches Indiz dafür ist, dass diesen Vereinbarungen die Anerkennung der Gültigkeit des Patents zugrunde lag (siehe oben, Rn. 971).

1157

Dem ist noch hinzuzufügen, dass, wie bereits dargelegt (siehe oben, Rn. 947), dem Abschluss einer Lizenzvereinbarung, der für einen Lizenznehmer nur sinnvoll ist, wenn die Lizenz tatsächlich genutzt wird, die Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch die Parteien zugrunde liegt. Somit bestätigt der Abschluss der Lizenzvereinbarung selbst angesichts einer Reihe von Indizien (siehe oben, Rn. 999 und 1001), dass Krka letztlich die Gültigkeit des Patents 947 anerkannte.

1158

Aus den Akten ergibt sich sogar, dass Krka ohne den Abschluss einer Lizenzvereinbarung mit Servier anscheinend einen Risikoeintritt in die fraglichen 18 bis 20 Märkte für wenig wahrscheinlich, wenn nicht gar ausgeschlossen hielt (siehe oben, Rn. 1001 und 1012).

1159

Schließlich weist die Kommission im angefochtenen Beschluss (Rn. 1693) darauf hin, dass Krka „nach der Entscheidung [der Einspruchsabteilung] letztlich den Gedanken eines Risikomarkteintritts in Frankreich, im Vereinigten Königreich und in andere westeuropäische Märkte auf[gab]“.

1160

In Anbetracht der vorstehenden Darlegungen ist zu schließen, dass nicht nachgewiesen ist, dass Krka ohne Vereinbarung wahrscheinlich einen Risikoeintritt in die Märkte der in Rede stehenden 18 bis 20 Mitgliedstaaten, insbesondere die Märkte Frankreichs, der Niederlande und des Vereinigten Königreichs, unternommen hätte.

1161

Dieses Ergebnis wird nicht durch die übrigen Anhaltspunkte in den Akten in Frage gestellt, die für den Nachweis relevant sein sollen, dass Krka ohne Vereinbarung mit Servier in den Markt eingetreten wäre. Diese Anhaltspunkte sind im Wesentlichen in dem Teil des angefochtenen Beschlusses enthalten, in dem die Kommission darzutun versucht, dass Krka ein potenzieller Wettbewerber von Servier war.

1162

Erstens lässt sich, wie dargelegt (siehe oben, Rn. 1026), der Umstand, dass Krka weiter die Patente von Servier angegriffen und ihr Erzeugnis vermarktet hat, obwohl die Gültigkeit des Patents 947 von der Einspruchsabteilung des EPA bestätigt worden war, offensichtlich mit dem Wunsch von Krka erklären, ihre Position in etwaigen Verhandlungen mit Servier zu stärken, um zu einer Vergleichsvereinbarung zu gelangen.

1163

Außerdem setzte die Fortsetzung des Patentrechtsstreits mit Servier Krka keinen neuen Risiken des Vorwurfs einer Patentverletzung aus. Dies erhöhte lediglich ihre Rechtsverfolgungskosten. Die Fortsetzung der Vermarktung ihres Erzeugnisses beschränkte sich auf fünf mittel- und osteuropäische Märkte, für die die Kommission nicht das Vorliegen einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung festgestellt hat. Zudem waren in fünf der sieben von der Lizenz erfassten Märkte die dem Patent 947 entsprechenden Patente noch nicht erteilt worden (Rn. 1755 des angefochtenen Beschlusses). Somit waren die Risiken für Krka zumindest auf einigen Märkten, auf denen sie verblieben war, begrenzt.

1164

Die Fortsetzung des Rechtsstreits über das Patent von Servier und die Fortsetzung der Vermarktung ihres Erzeugnisses lassen daher nicht den Schluss zu, dass Krka die Gültigkeit des Patents 947 nicht anerkannte und deshalb wahrscheinlich einen Risikoeintritt in die Märkte der in Rede stehenden 18 bis 20 Mitgliedstaaten oder zumindest in die drei Märkte, für die die Kommission eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung festgestellt hat, unternommen hätte.

1165

Zweitens ließen zwar Kommentare von Vertretern von Krka deren Überraschung und Verärgerung über die Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 erkennen (Rn. 1688 des angefochtenen Beschlusses), doch erlaubten diese Kommentare nicht den Nachweis, dass Krka trotz dieser Entscheidung wahrscheinlich in die drei nationalen Märkte, für die die Kommission eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung festgestellt hat, eingetreten wäre.

1166

Drittens widmet die Kommission einen Abschnitt des angefochtenen Beschlusses der „Markteintrittsabsicht“ von Krka. Dieser sehr kurze Abschnitt besteht nur aus der ebenfalls ziemlich kurzen Rn. 1699. Die Kommission führt dort aus, „selbst“ nach der Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 sei Krka „anscheinend“ bereit gewesen, eine Risikomarkteinführung durch ihre Partner zu unterstützen, und habe sich verpflichtet, ihr Erzeugnis weiter zu liefern, „falls die patentrechtlichen Hürden überwunden würden“. Weiter heißt es in dieser Randnummer, einer der Geschäftspartner von Krka habe darauf bestanden, dass sie ihr Erzeugnis liefere, „wenn das Patent 947 für nichtig erklärt würde“, und bestimmte Partner von Krka seien mit diesem Erzeugnis in den Markt eingetreten, „nachdem das Patent 947 für die betreffenden Märkte für nichtig erklärt wurde“.

1167

Die in der vorstehenden Rn. 1166 wiedergegebenen Auszüge belegen weniger die Absicht von Krka, in die drei nationalen Märkte einzutreten, für die die Kommission eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung festgestellt hat, als die Bedeutung, die die vom Patent 947 gebildete „patentrechtliche Hürde“ nach der Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 für Krka wie für ihre Geschäftspartner erlangt hatte.

1168

In Anbetracht sämtlicher vorstehenden Darlegungen ist nicht bewiesen, dass Krka ohne die Vergleichs- und die Lizenzvereinbarung wahrscheinlich in die drei nationalen Märkte eingetreten wäre, für die die Kommission eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung festgestellt hat.

1169

Die Kommission hat im angefochtenen Beschluss auch nicht nachgewiesen, dass Krka ohne diese Vereinbarungen wahrscheinlich vor dem Ende der Zuwiderhandlung, und zwar dem 6. Juli 2007 für das Vereinigte Königreich, dem 12. Dezember 2007 für die Niederlande und dem 16. September 2009 für Frankreich, in die betreffenden Märkte eingetreten wäre.

1170

Aufgrund ihres hypothetischen Ansatzes (siehe oben, Rn. 1079 bis 1103) hat die Kommission nämlich dem tatsächlichen Geschehensablauf – insbesondere in der Zeit nach dem Abschluss der Vereinbarungen – und somit der möglichen Entwicklung der Wahrnehmung der Gültigkeit des Patents 947 durch Krka, die sich aus diesen Ereignissen ergeben konnte, wenig Beachtung geschenkt.

1171

Es ist nicht Sache des Gerichts, bei der Beurteilung der Tatbestandsmerkmale einer Zuwiderhandlung, die nicht in seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung, sondern in die zur Rechtmäßigkeitskontrolle fällt, die von der Kommission gegebene Begründung durch seine eigene zu ersetzen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 73 und 75 bis 77).

1172

Demnach ist es nicht Sache des Gerichts, erstmals anhand der Akten zu prüfen, ob eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung in der Zeit nach dem Abschluss der Vereinbarungen wegen einer Abschwächung der Anerkennung der Gültigkeit des Patents 947 durch Krka hätte eintreten können.

1173

Jedenfalls lässt der Inhalt der Akten nicht den Schluss zu, dass Krka in der Zeit zwischen dem Abschluss der Vereinbarungen und dem Ende der Zuwiderhandlung ohne die Vereinbarungen wahrscheinlich in die drei betreffenden nationalen Märkte eingetreten wäre.

1174

Außerdem wird die Wahrscheinlichkeit eines Markteintritts von Krka ohne Vereinbarung von der Kommission nicht einmal behauptet. Im Abschnitt „Wahrscheinliches Verhalten ohne die Krka-Vereinbarungen“ des angefochtenen Beschlusses stützt sich die Kommission nicht, zumindest nicht ausdrücklich, auf die Hypothese eines vorgezogenen Eintritts von Krka in die betreffenden Märkte ohne Vereinbarung, sondern nur auf die Hypothese des Fortbestands einer „wettbewerblichen Bedrohung“ auf diesen Märkten (siehe oben, Rn. 1096).

1175

Somit hätte Krka der Kommission zufolge „als potenzieller neuer Marktteilnehmer mit generischem Perindopril im Vereinigten Königreich, in Frankreich und in den Niederlanden weiter eine wettbewerbliche Bedrohung dargestellt“ (Rn. 1825 des angefochtenen Beschlusses). Krka hätte u. a., so die Kommission, als Versorger lokaler Vertriebspartner weiter eine Bedrohung dargestellt (Rn. 1828 des angefochtenen Beschlusses).

1176

Die Kommission weist auch darauf hin, dass die Parteien der Vereinbarung ohne Anreiz eine weniger beschränkende Vereinbarung hätten schließen können, die Krka einen vorgezogenen Markteintritt erlaubt oder ihr eine Lizenz für das gesamte Unionsgebiet gewährt hätte (Rn. 1831 des angefochtenen Beschlusses).

1177

Abschließend stellt die Kommission fest, dass „Krka … ohne die in den [Vereinbarungen] enthaltenen Beschränkungen weiter ein bedeutender potenzieller Wettbewerber von Servier [war]“ (Rn. 1834 des angefochtenen Beschlusses).

1178

Es ist festzustellen, dass die Kommission mit der bloßen Berufung auf die „wettbewerbliche Bedrohung“, die Krka weiter für Servier dargestellt hätte, obwohl zum einen die wettbewerbsfördernden Wirkungen einer einfachen „Bedrohung“ im Gegensatz zu denen des Markteintritts eines Generikaherstellers nicht auf der Hand liegen und zum anderen die Wirkungen dieser „Bedrohung“ im vorliegenden Fall durch das Bestehen des Patents 947 und die Bestätigung seiner Gültigkeit durch die zuständigen Stellen (siehe oben, Rn. 1142 bis 1169) weitgehend abgemildert wurden, nicht nachgewiesen hat, dass der Wettbewerb, wie er sich ohne die Vergleichsvereinbarung entwickelt hätte, wahrscheinlich offener gewesen wäre.

1179

Hierzu sei darauf hingewiesen, dass die Kommission hätte erläutern müssen, welche Auswirkungen die „wettbewerbliche Bedrohung“, die Krka ohne die Vergleichsvereinbarung für Servier dargestellt hätte, wahrscheinlich insbesondere auf Preise, Produktionsmengen, Vielfalt bzw. Qualität von Waren und Dienstleistungen oder Innovationen gehabt hätte (siehe oben, Rn. 1135 bis 1137), wozu sie z. B. hätte dartun können, dass Servier wegen des Fehlens einer Bedrohung ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung gesenkt hat.

1180

Die von der Kommission durchgeführte Analyse der Marktmacht von Servier und der Struktur des relevanten Marktes, der durch das Fehlen oder die Knappheit von Quellen von Wettbewerb gekennzeichnet war, könnte zwar das Vorliegen wettbewerbsbeschränkender Wirkungen einer Vereinbarung bestätigen, die den Markteintritt eines potenziellen Wettbewerbers verhindert, sie genügt jedoch nicht, um die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen einer Vereinbarung wahrscheinlich zu machen und zu konkretisieren, durch die eine „wettbewerbliche Bedrohung“ beseitigt wird.

1181

Unabhängig von der Struktur des Marktes sind nämlich die wettbewerbswidrigen Wirkungen der Vermarktungsverbotsklausel weitgehend hypothetisch, wenn angesichts des tatsächlichen Geschehensablaufs, wie er sich zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses der Kommission darstellte, wahrscheinlich ist, dass sich der potenzielle Wettbewerber auch ohne diese Klausel ähnlich hätte verhalten können, wie er sich bei Geltung der Klausel verhalten hat, wenn also Krka den drei Märkten ferngeblieben wäre, für die die Kommission eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung festgestellt hat.

1182

Was ferner die Hypothese angeht, ohne die Vergleichs- und die Lizenzvereinbarung zwischen Servier und Krka und insbesondere den Anreiz, den sie der Kommission zufolge enthielten, wäre eine andere Vereinbarung geschlossen worden, die Krka einen vorgezogenen Markteintritt erlaubt oder ihr eine Lizenz für das gesamte Unionsgebiet eingeräumt hätte (siehe oben, Rn. 1176, und Rn. 1142 des angefochtenen Beschlusses), so ist ihre Wahrscheinlichkeit in keiner Weise dargetan, zumal die Kommission das Bestehen eines Anreizes, wie sich aus der Prüfung des Klagegrundes des Fehlens einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung ergibt, nicht nachgewiesen hat.

1183

Schließlich ist zu beachten, dass sich der konkrete Rahmen der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung zwischen Servier und Krka, der durch das Bestehen eines Patents gekennzeichnet ist, dessen Gültigkeit vom EPA bestätigt worden war (siehe oben, Rn. 1144), von dem der Rechtssache unterscheidet, in der das Urteil vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission (T‑461/07, EU:T:2011:181, Rn. 187 und 191), ergangen ist, das die Kommission u. a. in Rn. 1219 des angefochtenen Beschlusses angeführt hat. In Ermangelung von Anhaltspunkten, die den vorstehend angeführten (u. a. oben in Rn. 1145 bis 1159) mit dem Bestehen eines Patents und der Anerkennung seiner Gültigkeit zusammenhängenden und im vorliegenden Rechtsstreit entscheidenden Anhaltspunkten vergleichbar sind, hat das Gericht allein aufgrund des Umstands, dass ein durch die streitige Maßnahme von einer Ausschlussklausel betroffenes Unternehmen ein potenzieller Wettbewerber war, entschieden, dass die Kommission zu Recht befunden hatte, dass dieses Unternehmen ohne die Ausschlussklausel in den Markt eingetreten wäre.

1184

Zudem hat das Gericht im Urteil vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission (T‑461/07, EU:T:2011:181), nicht eine Entscheidungspraxis der Kommission gebilligt, wonach diese bei einem Ausschluss eines potenziellen Wettbewerbers den tatsächlichen Geschehensablauf, wie er sich zum Zeitpunkt des Erlasses ihres Beschlusses darstellte, außer Betracht lassen könnte.

1185

Im Übrigen könnte eine solche Praxis, würde sie gebilligt, in bestimmten Fällen zu einem inkohärenten Ergebnis führen, z. B., wenn der einzige existierende potenzielle Wettbewerber, der durch eine Vereinbarung ausgeschaltet wird, schon zu Beginn ihrer Durchführung verschwände, etwa durch eine gerichtliche Liquidation, ein Umstand, der offensichtlich die Ausschlusswirkungen der Vereinbarung neutralisieren würde, es sei denn, diese würden als hypothetische und nicht, wie von der Rechtsprechung gefordert, als tatsächliche Wirkungen verstanden (siehe oben, Rn. 1129 und 1132).

1186

Daher kann im vorliegenden Fall nicht unter Bezugnahme auf das Urteil vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission (T‑461/07, EU:T:2011:181), auf das Vorliegen einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung geschlossen werden.

1187

Nach alledem sind die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der in der Vergleichsvereinbarung enthaltenen Vermarktungsverbotsklausel von der Kommission nicht nachgewiesen worden.

– Zu der in der Vergleichsvereinbarung enthaltenen Nichtangriffsklausel

1188

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in dem Abschnitt „Wahrscheinliches Verhalten ohne die Krka-Vereinbarungen“ des angefochtenen Beschlusses nicht auf das wahrscheinliche Verhalten von Krka in Bezug auf das Patent 340 eingeht, für das die Vergleichsvereinbarung ebenfalls eine Nichtangriffsklausel enthält.

1189

Folglich hat die Kommission auf der Stufe der Analyse der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung, auf der der Wettbewerb bei Bestehen der Vereinbarungen mit dem Wettbewerb ohne diese verglichen wird (siehe oben, Rn. 1076), ihre Untersuchung auf das Patent 947 beschränkt.

1190

Die Nichtberücksichtigung des Patents 340 kann sich damit erklären, dass dieses Patent der Kommission zufolge für Servier nur geringe Bedeutung für ihren Schutz gegen den Markteintritt von Generikaherstellern hatte (Rn. 114 des angefochtenen Beschlusses).

1191

Des Weiteren bezeichnet es die Kommission in dem Abschnitt „Wahrscheinliches Verhalten ohne die Krka-Vereinbarungen“ als „plausibel, dass Krka ohne die Nichtangriffsverpflichtung weiter die Gültigkeit des Patents 947 vor den Gerichten im Vereinigten Königreich und vor dem EPA in Frage stellen würde“ (Rn. 1827 des angefochtenen Beschlusses).

1192

Die Kommission hat somit ihre Feststellung einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung darauf gestützt, dass Krka ohne die Nichtangriffsklausel die Verfahren vor den Gerichten im Vereinigten Königreich und vor dem EPA, an denen sie beteiligt war, weiterbetrieben hätte.

1193

Wie bereits dargelegt, ist eine Nichtangriffsklausel als solche wettbewerbsbeschränkend, da sie dem öffentlichen Interesse zuwiderläuft, alle Hindernisse für die Wirtschaftstätigkeit auszuräumen, die sich aus einem zu Unrecht erteilten Patent ergeben könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Februar 1986, Windsurfing International/Kommission, 193/83, EU:C:1986:75, Rn. 92).

1194

Daher ist zu prüfen, ob sich die Anwendung der Nichtangriffsklausel und insbesondere der Rückzug von Krka aus den Verfahren, an denen sie beteiligt war, auf die Beseitigung des Patents 947 ausgewirkt hat.

1195

Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarungen standen Servier und Krka einander in zwei Verfahren gegenüber, und durch die Vergleichsvereinbarung wurde Krka veranlasst, diese Verfahren nicht weiterzubetreiben.

1196

Im Vereinigten Königreich hatte Servier am 2. August 2006 beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) gegen Krka eine Klage wegen Verletzung des Patents 947 erhoben. Zudem hatte sie auch den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Am 1. September 2006 hatte Krka eine Widerklage auf Nichtigerklärung des Patents 947 erhoben. Am 3. Oktober 2006 hatte das angerufene Gericht dem Antrag von Servier auf einstweilige Verfügung stattgegeben und den von Krka am 1. September 2006 gestellten Antrag auf Durchführung eines summarischen Verfahrens (motion of summary judgment) zur Ungültigerklärung des Patents 947 zurückgewiesen. Nachdem die Parteien einen Vergleich geschlossen hatten, wurde das anhängige Verfahren am 1. Dezember 2006 für erledigt erklärt und die einstweilige Verfügung wurde aufgehoben.

1197

Beim EPA hatten 2004 zehn Generikahersteller, darunter Krka, Einspruch gegen das Patent 947 eingelegt, um dessen vollständigen Widerruf zu erwirken, wobei sie das Fehlen von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit sowie unzureichende Offenbarung der Erfindung geltend machten. Am 27. Juli 2006 hatte die Einspruchsabteilung des EPA nach kleineren Änderungen der ursprünglichen Patentansprüche von Servier die Gültigkeit des Patents 947 bestätigt. Sieben Gesellschaften hatten Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt. Krka hatte sich am 11. Januar 2007 gemäß der zwischen den Parteien geschlossenen Vergleichsvereinbarung vom Einspruchsverfahren zurückgezogen.

1198

Servier hatte aber im Vereinigten Königreich beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) am 1. August 2006 auch gegen Apotex, die am 28. Juli 2006 eine generische Version von Perindopril auf den Markt gebracht hatte, eine Klage wegen Verletzung des Patents 947 erhoben. Apotex hatte eine Widerklage auf Nichtigerklärung dieses Patents erhoben. Am 8. August 2006 war eine einstweilige Verfügung ergangen, mit der Apotex untersagt wurde, Perindopril einzuführen, zum Verkauf anzubieten oder zu verkaufen.

1199

Auf die Widerklage von Apotex hatte der High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) am 6. Juli 2007 entschieden, dass das Patent 947 wegen Fehlens von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem Patent 341 ungültig sei. Die einstweilige Verfügung war demgemäß mit sofortiger Wirkung aufgehoben worden, und Apotex konnte den Verkauf ihrer generischen Version von Perindopril auf dem Markt des Vereinigten Königreichs wieder aufnehmen.

1200

Nach Ansicht der Kommission war die Zuwiderhandlung hinsichtlich der zwischen Servier und Krka geschlossenen Vereinbarungen mit diesem Tag im Vereinigten Königreich beendet.

1201

Im Verfahren vor dem EPA hatte die Technische Beschwerdekammer des EPA mit Entscheidung vom 6. Mai 2009 die Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 aufgehoben und das Patent 947 widerrufen.

1202

Nach Ansicht der Kommission war die Zuwiderhandlung hinsichtlich der zwischen Servier und Krka geschlossenen Vereinbarungen, soweit sie in bestimmten Mitgliedstaaten noch fortbestand, mit diesem Tag beendet.

1203

In Anbetracht des Verlaufs der Verfahren betreffend das Patent 947, die nach dem vorstehend beschriebenen Rückzug von Krka aus den Verfahren, an denen sie beteiligt war, fortgesetzt wurden, kann nicht angenommen werden, dass ohne die zwischen den Parteien geschlossene Vergleichsvereinbarung die Fortsetzung der Verfahren durch Krka es wahrscheinlich oder gar in plausibler Weise erlaubt hätte, dieses Patent schneller oder umfassender für ungültig erklären zu lassen.

1204

Die Kommission hat aber im angefochtenen Beschluss nicht nachgewiesen oder auch nur behauptet, dass das Patent 947 schneller oder umfassender für ungültig erklärt worden wäre, wenn Krka sich nicht der in der Vergleichsvereinbarung enthaltenen Nichtangriffsklausel unterworfen hätte.

1205

Die Umstände, dass „Krka … zuvor der Ansicht [war], dass ihre Argumente in dem Patentrechtsstreit zu den überzeugendsten gehörten und eine besondere Bedrohung für das Patent 947 darstellten“, oder dass die Gerichte im Vereinigten Königreich trotz der Zurückweisung des Antrags von Krka auf Durchführung eines summarischen Verfahrens der Ansicht waren, dass diese eine „solide Grundlage“ für die Anfechtung des Patents 947 hatte (Rn. 1827 des angefochtenen Beschlusses), lassen nicht den Schluss zu, dass die Beteiligung von Krka an den betreffenden Verfahren dazu geführt hätte, dass dieses Patent schneller oder umfassender für ungültig erklärt worden wäre.

1206

Auch die von der Kommission in Rn. 1712 des angefochtenen Beschlusses getroffene Feststellung, dass „die Ausschaltung eines starken Herausforderers sich auf den des Rechtsstreits/des Einspruchsverfahrens auswirken [kann]“, erlaubt nicht den Schluss, dass die Wirkungen der für Krka geltenden Nichtangriffsklausel wahrscheinlich oder gar plausibel waren.

1207

Es oblag nämlich der Kommission, hinreichend genau und konkret untermauert darzutun, in welcher Weise die Argumente von Krka oder deren besondere Stellung in den genannten Rechtsstreitigkeiten für den Fall, dass sie die Verfahren, an denen sie beteiligt war, fortgesetzt hätte, eine entscheidende Auswirkung nicht auf den Ausgang der Rechtsstreitigkeiten hätten haben können, denn zwei dieser Rechtsstreitigkeiten – der Rechtsstreit vor dem EPA, der nach dem Rückzug von Krka fortgesetzt wurde, und der zwischen Servier und Apotex vor dem High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) – haben jedenfalls dazu geführt, dass das Patent 947 für ungültig erklärt wurde, sondern darauf, in welcher Frist und in welchem Umfang dies geschah.

1208

Zudem ist es nicht Sache des Gerichts, bei der Beurteilung der Tatbestandsmerkmale einer Zuwiderhandlung, die nicht in seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung, sondern in die zur Rechtmäßigkeitskontrolle fällt, die von der Kommission gegebene Begründung durch seine eigene zu ersetzen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 73 und 75 bis 77).

1209

Demnach ist es nicht Sache des Gerichts, erstmals anhand anderer Bestandteile der Akten als derjenigen, die die Kommission für den Nachweis der wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der Nichtangriffsklausel herangezogen hat, zu prüfen, ob die weitere Beteiligung von Krka an den laufenden Rechtsstreitigkeiten dazu geführt hätte, dass das Patent 947 schneller und umfassender für ungültig erklärt worden wäre.

1210

Dem ist noch hinzuzufügen, dass unabhängig von der Struktur des betreffenden Marktes, und zwar auch dann, wenn diese wie im vorliegenden Fall der Kommission zufolge durch das Fehlen oder die Knappheit von Quellen von Wettbewerb gekennzeichnet ist, die wettbewerbswidrigen Wirkungen der Vermarktungsverbotsklausel weitgehend hypothetisch sind, wenn angesichts des tatsächlichen Geschehensablaufs, wie er sich zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses der Kommission darstellte, wahrscheinlich ist, dass das in Rede stehende Patent, im vorliegenden Fall das Patent 947, zu demselben Zeitpunkt und in demselben Umfang für ungültig erklärt worden wäre (siehe oben, Rn. 1181).

1211

Ferner hat die Kommission entgegen dem, was sich aus Rn. 1712 des angefochtenen Beschlusses zu ergeben scheint, nicht dargetan, dass das Verfahren zwischen Servier und Krka vor den Gerichten im Vereinigten Königreich zu der Feststellung hätte führen können, dass die Technologie von Krka nicht patentverletzend war. Den Krka und Apotex betreffenden Verfahren lagen nämlich Klagen von Servier wegen Patentverletzung und Widerklagen dieser beiden Generikahersteller auf Nichtigerklärung des Patents 947 zugrunde. Es handelte sich somit um ähnliche Verfahren. Das gesamte Apotex betreffende Verfahren wurde jedoch durch die Ungültigerklärung des Patents 947 beendet, d. h., ohne dass darüber entschieden wurde, ob deren Technologie patentverletzend war. In Anbetracht der Ähnlichkeit der Verfahren und in Ermangelung von der Kommission vorgetragener gegenteiliger Anhaltspunkte ist es plausibel, dass Gleiches für Krka gegolten hätte.

1212

Erst recht ist nicht dargetan, dass das Verfahren vor dem EPA zu der Feststellung hätte führen können, dass die Technologie von Krka nicht patentverletzend war, da dieses Verfahren nur die Gültigkeit des Patents 947 betraf.

1213

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der in der Vergleichsvereinbarung enthaltenen Nichtangriffsklausel nicht nachgewiesen hat.

– Zur Übertragung der Lizenz für die Technologie von Krka

1214

Bezüglich der Übertragungsvereinbarung, mit der Krka ihre Technologie an Servier verkauft hat, hat sich die Kommission auf die Feststellung beschränkt, dass Krka ohne diese Vereinbarung „weiter über die Freiheit verfügt [hätte], ihre Rechte an der Perindopril-Technologie zu übertragen oder in Lizenz zu vergeben“ (Rn. 1829 des angefochtenen Beschlusses), was, da es sich um eine einfache Übertragung eines Gutes verbunden mit einer Übertragungsvereinbarung handelt und nicht um eine Ausschlussmaßnahme, wie es eine Vermarktungsverbotsklausel sein kann, nicht ausreicht, um das Vorliegen wahrscheinlicher Auswirkungen insbesondere auf Preise, Produktionsmenge, Produktqualität, Produktvielfalt oder Innovation nachzuweisen (siehe oben, Rn. 1135 bis 1137). Das Vorliegen wettbewerbswidriger Wirkungen ist umso weniger nachgewiesen, als es die Technologie von Krka nicht erlaubte, das Patent 947 zu umgehen, was angesichts der gewichtigen Indizien für die Gültigkeit dieses Patents die Hypothese wenig plausibel erscheinen lässt, die mit Servier im Wettbewerb stehenden Generikahersteller hätten ohne die Lizenzvereinbarung versucht, die Technologie von Krka zu erwerben.

1215

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der Übertragung der Lizenz für die Technologie von Krka von der Kommission nicht nachgewiesen worden sind.

1216

Nach alledem hat die Kommission das Vorliegen einer wettbewerbsbeschränkenden Wirkung der Vergleichs- oder der Lizenzvereinbarung nicht nachgewiesen, die hinreichend realistisch und wahrscheinlich war, um ihr die Feststellung des Vorliegens einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung zu erlauben. Dem ist hinzuzufügen, dass eine solche wettbewerbsbeschränkende Wirkung auch dann nicht festgestellt werden kann, wenn die beiden Vereinbarungen zusammen betrachtet werden.

1217

Mithin greift die Rüge eines Beurteilungsfehlers durch, der allein ausreicht, um den von den Klägerinnen geltend gemachten Klagegrund, die Kommission habe zu Unrecht das Vorliegen einer sich aus den Vereinbarungen zwischen Servier und Krka ergebenden bewirkten Wettbewerbsbeschränkung festgestellt, für begründet zu erklären.

1218

Zu prüfen ist noch, ob die Kommission im angefochtenen Beschluss darüber hinaus Rechtsfehler begangen hat.

iv) Zum Rechtsfehler

1219

Wie dargelegt (siehe oben, Rn. 1092 und 1102), war die Kommission der Ansicht, dass sie, wenn sie nachgewiesen habe, dass die Vergleichsvereinbarung einen potenziellen Wettbewerber von Servier ausgeschlossen habe, zur Darstellung des Wettbewerbs, wie er ohne Vereinbarung bestanden hätte (eine der Größen des oben in Rn. 1076 genannten Vergleichs), nicht gehalten gewesen sei, den tatsächlichen Geschehensablauf zu berücksichtigen, wie er sich zum Zeitpunkt des Erlasses ihres Beschlusses darstellte. Im Gegenteil meinte die Kommission unter Berufung auf ihre gewöhnliche Praxis bei der Berücksichtigung der potenziellen Wirkungen einer Vereinbarung, wonach es genügt, darzutun, dass diese Vereinbarung wettbewerbswidrige Wirkungen haben „kann“ (siehe oben, Rn. 1080 und 1085), dass sie ihre Beschreibung des Wettbewerbs ohne Vereinbarung auf Hypothesen oder Möglichkeiten stützen könne.

1220

Wie die vorstehende Prüfung der Rüge eines Beurteilungsfehlers ergeben hat, waren einige der von der Kommission nicht berücksichtigten Geschehnisse nicht nur relevant, sondern auch entscheidend für den oben in Rn. 1076 genannten Vergleich.

1221

So hat die Kommission, was die Vermarktungsverbotsklausel angeht, zwar die Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 und die von den Gerichten im Vereinigten Königreich gegen Krka und Apotex erlassenen einstweiligen Verfügungen für den Nachweis berücksichtigt, dass Krka ein potenzieller Wettbewerber war, sie hat diesen Geschehnissen aber nicht gebührend Rechnung getragen für die Feststellung, ob Krka ohne Vereinbarung wahrscheinlich in den Markt eingetreten wäre, und sich insoweit mit dem Hinweis begnügt, dass die von Krka ausgehende „wettbewerbliche Bedrohung“ ohne Vereinbarung fortbestanden hätte.

1222

Was die Nichtangriffsklausel betrifft, hat die Kommission nicht den Ausgang der Verfahren berücksichtigt, die von anderen Generikaherstellern gegen das Patent 947 angestrengt worden waren und fortgesetzt wurden, obwohl Krka ihr Vorgehen gegen dieses Patent eingestellt hatte.

1223

Was schließlich die Struktur des Marktes angeht, eine Querschnittsfrage, die sowohl die Vermarktungsverbots- als auch die Nichtangriffsklausel betrifft, hat sich die Kommission damit begnügt, die Quellen von Wettbewerb zu bestimmen, die es zum Zeitpunkt des Abschlusses der letzten der im angefochtenen Beschluss untersuchten Vereinbarungen gegeben habe, und anzugeben, dass eine „sehr reale Möglichkeit“ bestanden habe, dass diese Quellen durch eine Vereinbarung oder ein anderes Mittel vom Wettbewerb ausgeschlossen würden, ohne zu berücksichtigen, dass sich diese Möglichkeit während der Dauer der Zuwiderhandlung nicht verwirklicht hatte (Rn. 1846 des angefochtenen Beschlusses).

1224

Eine solche Sichtweise geht ausdrücklich aus Fn. 2445 des angefochtenen Beschlusses hervor, in der die Kommission sich für den Nachweis des Vorliegens wettbewerbsbeschränkender Wirkungen der Nichtangriffsklausel darauf stützt, dass es nur noch wenige Generikahersteller gegeben habe, die die anhängigen Verfahren hätten fortsetzen oder neue Verfahren hätten einleiten können, und dass es „plausibel [war], dass Servier einen Vergleich mit diesen Unternehmen ins Auge fasste“, was jede Möglichkeit der Fortsetzung oder Einleitung eines Verfahrens gegen das Patent 947 beseitigt hätte. Indes ist Servier zwar an diese Unternehmen herangetreten, sie hat jedoch keinen Vergleich mit ihnen erzielt, insbesondere nicht mit einem dieser Unternehmen, das letztlich erreicht hat, dass das Patent 947 zu eben dem Zeitpunkt für ungültig erklärt wurde, da die Nichtangriffsklausel von Krka angewandt wurde.

1225

Diese Beschränkung der von der Kommission durchgeführten Prüfung ließ sich jedoch angesichts der Rechtsprechung der Unionsgerichte nicht rechtfertigen. Denn die oben in den Rn. 1107 bis 1120 untersuchte Rechtsprechung zur Berücksichtigung der potenziellen Wirkungen von Vereinbarungen konnte im vorliegenden Fall nicht herangezogen werden (siehe oben, Rn. 1124).

1226

Gleiches galt aus den oben in den Rn. 1183 bis 1186 angeführten Gründen für die Übertragbarkeit des zu Vereinbarungen zur Ausschaltung des potenziellen Wettbewerbs ergangenen Urteils vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission (T‑461/07, EU:T:2011:181) (siehe oben, Rn. 1183 bis 1186).

1227

Mithin hat die Kommission eine unvollständige Prüfung der Situation vorgenommen, die sie zu beurteilen hatte, um festzustellen, ob die zwischen Servier und Krka geschlossenen Vereinbarungen eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung waren, wobei die Unvollständigkeit der von der Kommission durchgeführten Prüfung eine irrige Heranziehung der Rechtsprechung der Unionsgerichte und damit, wie die Klägerinnen zu Recht geltend machen, einen Rechtsfehler erkennen lässt.

1228

Zudem brauchte die Kommission nach dem von ihr verfolgten Ansatz nur die Ausschaltung eines potenziellen Wettbewerbers festzustellen, um daraus im Kontext einer Marktstruktur, die durch das Fehlen oder die Knappheit von Quellen von Wettbewerb und eine Marktmacht des Herstellers des Originalpräparats gekennzeichnet war, auf eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung schließen zu können.

1229

Würde ein solcher Ansatz gebilligt, könnte die Kommission in Sachen wie den vorliegenden, die mit einer Vereinbarung zur gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits über Arzneimittelpatente verbundene wettbewerbsbeschränkende Klauseln betreffen, eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung feststellen und brauchte sich dafür im Wesentlichen nur zu vergewissern, dass zwei der drei der Voraussetzungen für die Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung erfüllt sind, nämlich das Bestehen eines potenziellen Wettbewerbs und das Vorliegen wettbewerbsbeschränkender Klauseln.

1230

Da es, wie sich aus der Prüfung des die bezweckte Wettbewerbsbeschränkung betreffenden Klagegrundes ergibt, besonders schwierig ist, die dritte Voraussetzung, nämlich das Bestehen eines Anreizes, darzutun, würde dies die Aufgabe der Kommission spürbar erleichtern.

1231

In Anbetracht der verschärften Beweisanforderungen für den Nachweis einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung (siehe oben, Rn. 1123 und 1128 bis 1139) kommt eine solche Lösung, die dem Geist der im Vertrag geschaffenen Unterscheidung zwischen bezweckten und bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen zuwiderläuft, nicht in Betracht.

1232

Nach alledem greift die Rüge eines Rechtsfehlers durch, der allein ausreicht, um den von den Klägerinnen geltend gemachten Klagegrund, die Kommission habe zu Unrecht das Vorliegen einer sich aus den Vereinbarungen zwischen Servier und Krka ergebenden bewirkten Wettbewerbsbeschränkung festgestellt, in seiner Gesamtheit für begründet zu erklären.

1233

Da der Klagegrund, mit dem das Fehlen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung beanstandet wird, ebenfalls für begründet erklärt worden ist, ist festzustellen, dass die Kommission hinsichtlich der zwischen Servier und Krka geschlossenen Vereinbarungen zu Unrecht das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV festgestellt hat.

1234

Folglich ist, ohne dass die übrigen von den Klägerinnen im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes erhobenen Rügen und der Klagegrund betreffend die Eigenschaft von Krka als potenzieller Wettbewerber geprüft zu werden brauchen, Art. 4 des angefochtenen Beschlusses insoweit für nichtig zu erklären, als die Kommission mit diesem Artikel hinsichtlich der zwischen Servier und Krka geschlossenen Vereinbarungen die Beteiligung von Servier an einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV festgestellt hat.

10.   Zu dem Klagegrund betreffend die Definition des Begriffs der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung

a)   Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

b)   Würdigung durch das Gericht

1247

Aus den Gründen, die bereits oben in den Rn. 566 bis 570, 743 und 909 zu anderen Klagegründen dargelegt worden sind, die sich gegen die Feststellung des Vorliegens einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung aufgrund der von Servier mit Niche und Unichem, Matrix, Teva und Lupin geschlossenen Vereinbarungen richten, ist dieser Klagegrund als ins Leere gehend zurückzuweisen.

11.   Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung als gesonderte Zuwiderhandlungen

a)   Zur Einstufung der fünf Vereinbarungen als gesonderte Zuwiderhandlungen

1) Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

2) Würdigung durch das Gericht

1254

Wie sich aus dem angefochtenen Beschluss ergibt und von den Klägerinnen nicht bestritten wird, haben diese gesonderte, an unterschiedlichen Tagen (mit Ausnahme der mit Niche und mit Matrix geschlossenen Vereinbarungen) unterzeichnete Vereinbarungen mit unterschiedlichen Parteien, in unterschiedlichen wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexten und mit unterschiedlichen Geltungsbereichen geschlossen. Die Klägerinnen machen gleichwohl geltend, der Abschluss dieser Vereinbarungen stelle wegen der Identität des betroffenen Erzeugnisses, einer gewissen räumlichen und zeitlichen Identität der Vereinbarungen, der Identität der Methode und der Durchführungsmodalitäten der Vereinbarungen sowie der Identität der auf ihrer Seite am Abschluss der Vereinbarungen beteiligten natürlichen Person eine einheitliche Zuwiderhandlung dar.

1255

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass dieser Klagegrund, mit dem beanstandet wird, dass im vorliegenden Fall keine einheitliche Zuwiderhandlung angenommen wurde, hilfsweise geltend gemacht wird (siehe oben, Rn. 1248) für den Fall, dass die gegen die Einstufung der streitigen Vereinbarungen als bezweckte und bewirkte Wettbewerbsbeschränkungen gerichteten Klagegründe zurückgewiesen würden. Somit wird in Anbetracht des Erfolgs der gegen die Einstufung der Vereinbarungen zwischen den Klägerinnen und Krka als Wettbewerbsbeschränkung gerichteten Klagegründe der vorliegende Klagegrund nur insoweit geprüft, als mit ihm die Einstufung der von den Klägerinnen mit Niche, Matrix, Teva und Lupin geschlossenen Vereinbarungen als gesonderte Zuwiderhandlungen beanstandet wird.

1256

Die Kommission macht im Wesentlichen geltend, der Klagegrund sei als ins Leere gehend zurückzuweisen, weil die Klägerinnen jedenfalls nicht nachgewiesen hätten, dass die Geldbuße zwingend niedriger gewesen wäre, wenn sie die betreffenden Vereinbarungen als eine einheitliche Zuwiderhandlung angesehen hätte.

1257

Zunächst ist zu beachten, dass die Frage, ob ein Klagegrund ins Leere geht oder nicht, auf seine Eignung verweist, die vom Kläger angestrebte Nichtigerklärung herbeizuführen, sofern das entsprechende Vorbringen zutrifft, nicht aber auf das Interesse, das der Kläger an der Erhebung einer derartigen Klage oder aber am Vortrag eines bestimmten Klagegrundes haben könnte, da diese Fragen zur Zulässigkeit der Klage und des Klagegrundes gehören (Urteil vom 21. September 2000, EFMA/Rat, C‑46/98 P, EU:C:2000:474, Rn. 38).

1258

Da die Kommission unter der Voraussetzung, dass sie ein legitimes Interesse an einer solchen Feststellung hat, befugt ist, einen Beschluss zu erlassen, mit dem eine Zuwiderhandlung festgestellt wird, ohne zugleich eine Geldbuße zu verhängen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Oktober 2005, Sumitomo Chemical und Sumika Fine Chemicals/Kommission, T‑22/02 und T‑23/02, EU:T:2005:349, Rn. 31, und vom 16. November 2006, Peróxidos Orgánicos/Kommission, T‑120/04, EU:T:2006:350, Rn. 18), kann die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses, mit dem die Beteiligung eines Unternehmens an einer Zuwiderhandlung festgestellt wird, nicht von der Rechtmäßigkeit der gegen dieses Unternehmen verhängten Geldbuße abhängen. Deshalb können Klagegründe, die sich auf die Verhängung der Sanktionen beziehen, ihrer Natur nach nur die Verhängung der Geldbuße und nicht die Feststellung der Zuwiderhandlung selbst betreffen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Juni 2012, Bolloré/Kommission, T‑372/10, EU:T:2012:325, Rn. 81). Dagegen können die gegen die Feststellung der Zuwiderhandlung selbst gerichteten Klagegründe grundsätzlich zur Nichtigerklärung nicht nur des Beschlusses, mit dem die Beteiligung eines Unternehmens festgestellt wird, sondern folglich auch der gegen dieses Unternehmen verhängten Geldbuße führen.

1259

Daraus folgt im vorliegenden Fall, dass, falls das Gericht befinden sollte, dass die Kommission in den streitigen Vereinbarungen zu Unrecht jeweils gesonderte Zuwiderhandlungen statt eine einheitliche Zuwiderhandlung gesehen hat, der angefochtene Beschluss für nichtig erklärt werden müsste, soweit mit ihm gegenüber den Klägerinnen das Vorliegen gesonderter Zuwiderhandlungen festgestellt wird und folglich soweit mit ihm wegen dieser Zuwiderhandlungen Geldbußen verhängt werden, und zwar unabhängig davon, ob sich diese Nichtigerklärung für die Klägerinnen günstig auf den Gesamtbetrag der gesonderten Geldbußen auswirken würde, die gegen sie verhängt worden sind, und der gegebenenfalls neu berechnet werden müsste, wenn im Rahmen eines neuen Beschlusses eine einheitliche Geldbuße gegen sie verhängt würde. Die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung, über die das Gericht auf der Grundlage von Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 verfügt, betrifft nämlich allein die Beurteilung der von der Kommission verhängten Geldbuße durch das Gericht, unter Ausschluss jeder Änderung der Tatbestandsmerkmale der Zuwiderhandlung, die die Kommission in dem Beschluss, über den das Gericht zu befinden hat, rechtmäßig festgestellt hat (Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 77).

1260

Nur ergänzend ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass sich eine Feststellung des Gerichts, dass die Kommission zu Unrecht gesonderte Zuwiderhandlungen statt einer einheitlichen Zuwiderhandlung angenommen hat, auf den Betrag der Geldbuße auswirken würde.

1261

Die Einstufung bestimmter rechtswidriger Handlungen als eine einheitliche Zuwiderhandlung oder als mehrere gesonderte Zuwiderhandlungen bleibt nämlich grundsätzlich nicht ohne Auswirkungen auf die mögliche Sanktion, da die Feststellung mehrerer gesonderter Zuwiderhandlungen zur Verhängung mehrerer gesonderter Geldbußen führen kann, die jeweils nach Maßgabe von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 festgesetzt werden, d. h. unter Beachtung der Obergrenze von 10 % des Umsatzes im letzten Geschäftsjahr vor Erlass des Beschlusses. Die Kommission kann somit in einem einzigen Beschluss zwei gesonderte Zuwiderhandlungen feststellen und zwei Geldbußen verhängen, deren Gesamthöhe die in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 festgelegte Obergrenze von 10 % überschreitet, sofern die Höhe jeder einzelnen Geldbuße diese Obergrenze nicht überschreitet. Es macht nämlich für die Anwendung dieser Obergrenze keinen Unterschied, ob verschiedene Wettbewerbsverstöße in einem einheitlichen Verfahren oder in getrennten, zeitlich versetzten Verfahren geahndet werden, da die Obergrenze von 10 % für jede einzelne von der Kommission geahndete Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV gesondert gilt (vgl. Urteil vom 6. Februar 2014, AC‑Treuhand/Kommission, T‑27/10, EU:T:2014:59, Rn. 230 bis 232 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall ist jedoch, wie die Klägerinnen in der Klageschrift einräumen, festzustellen, dass der Gesamtbetrag der wegen der Zuwiderhandlungen gegen die Art. 101 und 102 AEUV gegen sie verhängten Geldbußen unter der in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 festgelegten Obergrenze von 10 % des Umsatzes liegt, den sie im Geschäftsjahr vor dem Jahr des Erlasses des angefochtenen Beschlusses erzielt haben. Folglich können die Klägerinnen der Kommission nicht vorwerfen, ihnen gesonderte Geldbußen auferlegt zu haben, um diese Obergrenze von 10 % überschreiten zu können.

1262

Wie sich jedoch aus den Rn. 3120, 3121 und 3128 des angefochtenen Beschlusses ergibt, hat die Kommission bei der Verhängung gesonderter Geldbußen gegen die Klägerinnen wegen jeder Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV auf diese Beträge einen reduzierend wirkenden Berichtigungsfaktor angewandt, um ein wegen der parallelen Verhängung mehrerer Geldbußen möglicherweise unverhältnismäßiges Ergebnis zu verhindern. Die Kommission hat nämlich wegen ihrer Entscheidung, gegen die Klägerinnen mehrere gesonderte Geldbußen zu verhängen, auf den Betrag des Umsatzes der Klägerinnen, der zur Bestimmung des Betrags jeder einzelnen Geldbuße berücksichtigt worden ist, eine durchschnittliche Kürzung um 54,5 % angewandt, die der zeitlichen und räumlichen Überschneidung der entsprechenden Zuwiderhandlungen Rechnung tragen soll. Um darzutun, dass der Klagegrund ins Leere geht, wäre es folglich jedenfalls Sache der Kommission, nachzuweisen, dass die gegen die Klägerinnen verhängte Geldbuße bei Annahme einer einzigen Zuwiderhandlung ebenso hoch gewesen wäre, was wenig wahrscheinlich ist.

1263

Daher ist die Begründetheit des Klagegrundes zu prüfen.

1264

Nach ständiger Rechtsprechung kann sich ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem fortgesetzten Verhalten ergeben, selbst wenn ein oder mehrere Teile dieser Reihe von Handlungen oder dieses fortgesetzten Verhaltens auch für sich genommen und isoliert betrachtet einen Verstoß gegen die genannte Vorschrift darstellen könnten. Somit ist, wenn sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs im Binnenmarkt in einen „Gesamtplan“ einfügen, die Kommission berechtigt, den Beteiligten die Verantwortung für diese Handlungen anhand ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes aufzuerlegen (Urteile vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens, C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 41, sowie vom 24. Juni 2015, Fresh Del Monte Produce/Kommission und Kommission/Fresh Del Monte Produce, C‑293/13 P und C‑294/13 P, EU:C:2015:416, Rn. 156).

1265

Ein Unternehmen, das sich durch eigene Handlungen, die den Begriff der Vereinbarung oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweise mit wettbewerbswidrigem Ziel im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV erfüllten und zur Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit beitragen sollten, an einer solchen einheitlichen und komplexen Zuwiderhandlung beteiligt hat, kann somit für die gesamte Zeit seiner Beteiligung an der Zuwiderhandlung auch für das Verhalten anderer Unternehmen im Rahmen der Zuwiderhandlung verantwortlich sein. Dies ist dann der Fall, wenn das Unternehmen nachweislich durch sein eigenes Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und von dem von anderen Unternehmen in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten rechtswidrigen Verhalten wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen (Urteile vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens, C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 42 und 60, sowie vom 24. Juni 2015, Fresh Del Monte Produce/Kommission und Kommission/Fresh Del Monte Produce, C‑293/13 P und C‑294/13 P, EU:C:2015:416, Rn. 157).

1266

Somit erlaubt es der Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die Verantwortung für eine Gesamtheit von rechtswidrigen Handlungen unter bestimmten Voraussetzungen allen an einer der Handlungen, die diese Gesamtheit bilden, Beteiligten aufzuerlegen. Diese Möglichkeit kommt allerdings nur in Betracht, wenn sich u. a. ein allen Beteiligten gemeinsames Ziel feststellen lässt.

1267

Die Notwendigkeit eines gemeinsamen Ziels oder Zwecks ergibt sich nicht nur aus den oben in den Rn. 1264 und 1265 angeführten Urteilen, sondern auch aus der früheren Rechtsprechung.

1268

So hat der Gerichtshof im Urteil vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni (C‑49/92 P, EU:C:1999:356, Rn. 82 und 83), die Sicht des Gerichts bestätigt, wonach erstens die festgestellten Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen wegen ihres übereinstimmenden Zwecks Teil von Systemen regelmäßiger Sitzungen zur Festsetzung von Preiszielen und Quoten waren, die wiederum Teil einer Reihe von Bemühungen der betroffenen Unternehmen waren, mit denen ein einziges wirtschaftliches Ziel, die Verfälschung der Entwicklung der Preise, verfolgt worden ist, und wonach es zweitens gekünstelt wäre, dieses durch ein einziges Ziel gekennzeichnete kontinuierliche Verhalten zu zerlegen und darin mehrere selbständige Zuwiderhandlungen zu sehen, während es sich im Gegenteil um eine einheitliche Zuwiderhandlung handelt, die sich nach und nach sowohl in rechtswidrigen Vereinbarungen als auch in rechtswidrigen abgestimmten Verhaltensweisen konkretisiert hat.

1269

Im Urteil vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission (C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 258 und 259), hat der Gerichtshof entschieden, dass die Kommission, wenn sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes in einen „Gesamtplan“ einfügen, berechtigt ist, die Verantwortung für diese Handlungen anhand der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes zu bestimmen. Es wäre gekünstelt, eine durch eine Reihe von Bemühungen mit der gleichen wirtschaftlichen Zielsetzung -Respektierung der Inlandsmärkte – gekennzeichnete Vereinbarung in mehrere gesonderte Verhaltensweisen aufzuspalten.

1270

Zudem ist das Bestehen eines gemeinsamen Ziels dem in der Rechtsprechung des Gerichtshofs herangezogenen Begriff „Gesamtplan“ inhärent, denn einen solchen Plan könnte es ohne ein von allen Beteiligten geteiltes, gemeinsames Ziel nicht geben.

1271

Schließlich können zwischen Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen bestehende Komplementaritätszusammenhänge objektive Indizien für das Vorliegen eines Gesamtplans zur Erreichung eines einheitlichen wettbewerbswidrigen Ziels darstellen. Solche Zusammenhänge bestehen, wenn diese Vereinbarungen oder Verhaltensweisen eine oder mehrere Folgen des normalen Wettbewerbs beseitigen sollen und durch Interaktion zur Verwirklichung eines einzigen wettbewerbswidrigen Ziels beitragen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. April 2010, Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, T‑446/05, EU:T:2010:165, Rn. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 16. September 2013, Masco u. a./Kommission, T‑378/10, EU:T:2013:469, Rn. 22, 23 und 32 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der vorliegende konkrete Sachverhalt ist auf der Grundlage der vorstehenden allgemeinen Erwägungen zu prüfen.

1272

Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen gesonderte Vergleichsvereinbarungen mit – je nach Vereinbarung – einem oder mehreren Generikaherstellern geschlossen hatten und dass diese, wie die Prüfung der jede dieser Vereinbarungen betreffenden Klagegründe ergeben hat, je für sich einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV darstellen.

1273

In einem solchen Kontext hätte die Kommission nach der vorstehend angeführten Rechtsprechung die in Rede stehenden Vergleichsvereinbarungen nur dann als eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV ansehen können, wenn sie in der Lage gewesen wäre, u. a. nachzuweisen, dass sich diese Vereinbarungen in einen Gesamtplan einfügten.

1274

Mithin setzte die Feststellung einer einheitlichen Zuwiderhandlung voraus, dass Servier und alle betroffenen Generikahersteller die streitigen Vereinbarungen zumindest in Verfolgung eines geneinsamen Ziels abgeschlossen hatten.

1275

Die Klägerinnen machen aber nicht oder zumindest nicht ausdrücklich das Bestehen eines solchen, von ihnen auch nicht genau bezeichneten Ziels geltend.

1276

Das Bestehen eines solchen Ziels geht auch nicht aus den Akten hervor.

1277

Der Begriff des gemeinsamen oder einheitlichen Ziels kann nicht durch einen allgemeinen Verweis auf die Verzerrung des Wettbewerbs auf dem von der Zuwiderhandlung betroffenen Markt bestimmt werden, da die Beeinträchtigung des Wettbewerbs als Ziel oder Wirkung jedem von Art. 101 Abs. 1 AEUV erfassten Verhalten eigen ist. Eine solche Definition des Begriffs des einheitlichen Ziels könnte dem Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung teilweise seinen Sinn nehmen, da sie zur Folge hätte, dass mehrere einen Wirtschaftssektor betreffende Verhaltensweisen, die nach Art. 101 Abs. 1 AEUV verboten sind, systematisch als Bestandteile einer einheitlichen Zuwiderhandlung eingestuft werden müssten (vgl. Urteil vom 28. April 2010, Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, T‑446/05, EU:T:2010:165, Rn. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung).

1278

Aus den Akten geht jedoch nicht hervor, dass es ein einheitliches Ziel von Servier und den Generikaherstellern gab, das sich genauer als durch einen bloßen allgemeinen Hinweis auf die Wettbewerbsverzerrung auf dem von der Zuwiderhandlung betroffenen Markt definieren ließe.

1279

Des Weiteren hatten die Generikahersteller keine sie im Verhältnis zueinander bindenden Vergleichsvereinbarungen geschlossen, sondern nur Vereinbarungen, die jede von ihnen an Servier banden. Zudem folgten diese Vereinbarungen, mit Ausnahme der Matrix-Vereinbarung, u. a. auf nationale Rechtsstreitigkeiten, in denen die einzelnen Generikahersteller jeweils allein Servier gegenüberstanden, ohne dass die anderen betroffenen Generikahersteller von diesen Rechtsstreitigkeiten betroffen waren. Schließlich hatten diese zu unterschiedlichen Zeitpunkten geschlossenen Vereinbarungen unterschiedliche Inhalte, wobei die Niche- und die Matrix-Vereinbarung nur eine umgekehrte Zahlung vorsahen, die Teva-Vereinbarung eine Alleinbezugsklausel enthielt und die Lupin-Vereinbarung mit einer Vereinbarung über die Übertragung von Patentanmeldungen durch Lupin an Servier verbunden war.

1280

Dem ist hinzuzufügen, dass das Inkrafttreten jeder Vereinbarung nicht von dem der anderen Vereinbarungen abhing und keine Vereinbarung eine Klausel enthielt, die eine Koordinierung des Verhaltens der einzelnen Generikahersteller vorsah oder schuf. Aus den Akten geht auch nicht hervor, dass diese Unternehmen auf die eine oder die andere Weise ihre Bemühungen zur Beschränkung des Wettbewerbs koordiniert hätten. In Ermangelung solcher Verbindungen zwischen den Vereinbarungen oder von Anhaltspunkten dafür, dass es zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarungen eine Abstimmung zwischen den Generikaherstellern gab, ist die einzige Koordinierung, die den Akten zu entnehmen ist, diejenige, die Servier für den Abschluss der verschiedenen Vereinbarungen vorgenommen hat.

1281

Angesichts der vorstehenden Erwägungen kann nicht geschlossen werden, dass die in Rede stehenden Generikahersteller an einem Gesamtplan beteiligt waren. Im Gegenteil ist festzustellen, dass sie, wie die Kommission in ihrer Klageschrift zu Recht hervorhebt, lediglich die Chance genutzt haben, die sich jedem von ihnen mit der von Servier angestrebten Vereinbarung bot. Jeder einzelne Generikahersteller hat sich somit an einer selbständigen Marktausschlussvereinbarung beteiligt, ohne zu einer Gesamtheit von Vereinbarungen mit einem gemeinsamen Ziel beizutragen.

1282

Da es an einem Servier und jedem der Generikahersteller gemeinsamen Ziel und somit an einem Gesamtplan fehlt, hat die Kommission zu Recht nicht befunden, dass die in Rede stehenden Vergleichsvereinbarungen eine einheitliche Zuwiderhandlung darstellten.

1283

Dieses Ergebnis wird durch das übrige Vorbringen der Klägerinnen nicht in Frage gestellt.

1284

Als Erstes waren zwar die Klägerinnen an allen in Rede stehenden Vergleichsvereinbarungen beteiligt, und die Kommission konnte feststellen, dass einige Generikahersteller darüber informiert worden waren, dass die Klägerinnen weitere Vergleichsvereinbarungen mit Generikaherstellern geschlossen hatten, doch genügt die bloße Kenntnis von anderen wettbewerbswidrigen Praktiken nicht für die Feststellung einer einheitlichen Zuwiderhandlung. Auch wenn eine solche Kenntnis eine Voraussetzung dafür ist, ein Unternehmen für das Verhalten anderer Unternehmen im Rahmen einer einheitlichen Zuwiderhandlung verantwortlich zu machen (siehe oben, Rn. 1265), beweist sie als solche nicht das Vorliegen eines gemeinsamen subjektiven Elements und insbesondere die Verfolgung eines allen an ihr Beteiligten gemeinsamen Zwecks oder Ziels, was für den Nachweis des Vorliegens einer einheitlichen Zuwiderhandlung unerlässlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Dezember 2007, BASF und UCB/Kommission, T‑101/05 und T‑111/05, EU:T:2007:380, Rn. 205, und vom 28. April 2010, Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, T‑446/05, EU:T:2010:165, Rn. 108).

1285

Als Zweites werfen die Klägerinnen der Kommission vor, in Rn. 3120 des angefochtenen Beschlusses drei nicht relevante oder nicht zu berücksichtigende Entscheidungen bzw. Beschlüsse angeführt zu haben, denn einige davon seien nicht veröffentlicht worden. Jedenfalls ist aber zu beachten, dass die Kommission aus objektiven Gründen gesonderte Verfahren einleiten, mehrere gesonderte Zuwiderhandlungen feststellen und mehrere gesonderte Geldbußen verhängen kann (vgl. Urteil vom 28. April 2010, Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, T‑446/05, EU:T:2010:165, Rn. 93 und die dort angeführte Rechtsprechung). Folglich ist es für die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses ohne Belang, ob die Kommission relevante oder nicht relevante, veröffentlichte oder nicht veröffentlichte Präzedenzfälle angeführt hat, da sie in jeder Sache zu prüfen hat, ob objektive Gründe die Feststellung erlauben, dass eine einheitliche Zuwiderhandlung vorliegt. Nur ergänzend sei hinzugefügt, dass die Kommission im vorliegenden Fall die beanstandeten Präzedenzfälle nur als Beispiele für Fälle angeführt hat, in denen wegen gesonderter Zuwiderhandlungen getrennte Geldbußen verhängt worden sind, nachdem sie darauf hingewiesen hatte, dass nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 und im Einklang mit den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen für jede Zuwiderhandlung getrennte Geldbußen zu verhängen seien.

1286

Als Drittes werfen die Klägerinnen der Kommission vor, ihre Analyse sei widersprüchlich begründet. Die Kommission könne die Einstufung der Vergleichsvereinbarungen als einheitliche Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV nicht ablehnen, da sie in dem Teil des angefochtenen Beschlusses, der den Missbrauch einer beherrschenden Stellung betreffe, dieselben Vereinbarungen als eine einzige Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV angesehen habe.

1287

Dem ist nicht zu folgen.

1288

Der Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 101 AEUV bezieht sich auf zwei- oder mehrseitige Verhaltensweisen mehrerer Unternehmen, während der Begriff des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung durch ein Unternehmen ein einseitiges Verhalten dieses Unternehmens erfasst, wie es die Kommission in dem der Anwendung von Art. 102 AEUV gewidmeten Teil des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat. Da sich diese beiden Begriffe voneinander unterscheiden und auf unterschiedlichen Kriterien beruhen, kann sich die Feststellung des Vorliegens einer einheitlichen Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 101 AEUV nicht daraus ergeben, dass das Verhalten eines der an dieser Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens ferner als Missbrauch einer beherrschenden Stellung eingestuft wird. Dies gilt umso mehr, wenn wie im vorliegenden Fall die Einstufung als Missbrauch einer beherrschenden Stellung zum Teil auf der Berücksichtigung eines Verhaltens beruht, das nicht im Rahmen von Art. 101 AEUV geprüft worden ist, nämlich des Erwerbs der Technologie von Azad durch die Klägerinnen.

1289

Zudem hat die Kommission in dem die Anwendung von Art. 102 AEUV betreffenden Teil des angefochtenen Beschlusses nicht festgestellt, dass die Klägerinnen bei der Umsetzung ihrer Strategie des Ausschlusses ihrer Wettbewerber mittels des Abschlusses von Vergleichsvereinbarungen und des Erwerbs der Technologie von Azad ein mit den Generikaherstellern gemeinsames Ziel verfolgt hätten, was eine notwendige Voraussetzung für die Feststellung einer einheitlichen Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 101 AEUV ist. Die Klägerinnen machen im Übrigen nicht geltend, dass die Kommission eine solche Feststellung getroffen habe. Folglich können sie sich dafür, dass die Kommission die Vergleichsvereinbarungen als eine einheitliche Zuwiderhandlung hätte ansehen müssen, nicht mit Erfolg auf diesen Teil des angefochtenen Beschlusses berufen.

1290

Nach alledem ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

b)   Zur Einstufung der mit Niche und mit Matrix geschlossenen Vereinbarungen als gesonderte Zuwiderhandlungen

1) Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

2) Würdigung durch das Gericht

1293

Aus Abschnitt 5 und Rn. 3120 des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass die Kommission die beiden von den Klägerinnen (und Biogaran) mit Niche geschlossenen Vereinbarungen (Vergleichsvereinbarung sowie Lizenz- und Liefervereinbarung) und die mit Matrix geschlossene Vergleichsvereinbarung als zwei gesonderte Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV angesehen hat. Nach Auffassung der Klägerinnen stellen diese Vereinbarungen eine einheitliche Zuwiderhandlung dar.

1294

Die Kommission macht geltend, dieser Klagegrund sei als ins Leere gehend zurückzuweisen, weil die Klägerinnen jedenfalls nicht nachgewiesen hätten, dass die Geldbuße zwangsläufig niedriger gewesen wäre, wenn sie die mit Niche und mit Matrix geschlossenen Vereinbarungen als eine einheitliche Zuwiderhandlung eingestuft hätte. Aus den Rn. 1256 bis 1263 des vorliegenden Urteils ergibt sich jedoch, dass der angefochtene Beschluss für nichtig erklärt und die Geldbuße neu berechnet werden müsste, wenn dieser Klagegrund begründet wäre. Folglich geht der vorliegende Klagegrund – wie derjenige, mit dem allgemein die Einstufung der verschiedenen von den Klägerinnen geschlossenen Vereinbarungen als gesonderte Zuwiderhandlungen beanstandet wird – nicht ins Leere.

1295

Zur Begründetheit dieses Klagegrundes ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission zur Feststellung des Vorliegens einer einheitlichen Zuwiderhandlung nachzuweisen hat, dass sich die fraglichen Vereinbarungen in einen Gesamtplan einfügen, der von den betroffenen Unternehmen bewusst ausgeführt wird, um ein einziges wettbewerbswidriges Ziel zu erreichen, und dass sie insoweit alle tatsächlichen Umstände zu prüfen hat, die den genannten Gesamtplan belegen oder in Frage stellen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. September 2013, Masco u. a./Kommission, T‑378/10, EU:T:2013:469, Rn. 22 und 23; siehe auch oben, Rn. 1264 bis 1269).

1296

Im vorliegenden Fall lässt sich zwar aus dem Vorbringen der Klägerinnen ableiten, dass sie beim Abschluss der in Rede stehenden Vereinbarungen von „denselben Motiven“ geleitet waren, wie die Kommission zutreffend in Rn. 1472 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, und dass sie insoweit dasselbe Ziel verfolgten, nämlich den anhängigen Rechtsstreit endgültig beizulegen und jeden künftigen Rechtsstreit über das Erzeugnis von Niche/Matrix zu vermeiden sowie dieses Erzeugnis gegen Bezahlung als potenzielle Quelle von Wettbewerb auszuschalten. Dass die Klägerinnen beim Abschluss der Vereinbarungen mit Niche und mit Matrix dieses identische Ziel verfolgten, wird belegt durch die Tatsache, dass diese Vereinbarungen am selben Tag und am selben Ort von demselben Vertreter der Klägerinnen unterzeichnet wurden, die Tatsache, dass ihr zeitlicher und räumlicher Geltungsbereich identisch war, die Tatsache, dass die Vereinbarungen u. a. dasselbe Erzeugnis betrafen, wobei Niche und Matrix ähnliche Verpflichtungen auferlegt wurden, und schließlich die nicht bestrittene Tatsache, dass es im Interesse der Klägerinnen lag, Vereinbarungen mit den beiden am betreffenden gemeinsamen Perindopril-Projekt Beteiligten zu schließen (vgl. hierzu Rn. 2940 des angefochtenen Beschlusses).

1297

Derartige Tatsachen beweisen jedoch nicht, dass Niche und Matrix mit dem Abschluss der in Rede stehenden Vereinbarungen zusammen ein und dasselbe Ziel und damit einen gemeinsamen Plan verfolgten, und schon gar nicht, dass sie einen solchen gemeinsamen Plan mit den Klägerinnen teilten.

1298

Der Abschluss der Vereinbarungen am selben Tag und am selben Ort belegt zwar den Zusammenhang zwischen ihnen und das von Servier, Unterzeichnerin beider Vereinbarungen, verfolgte gemeinsame Ziel, er beweist jedoch allein keinen gemeinsamen Plan von Niche und Matrix, den anderen Unterzeichnern. Ebenso zeigt die Vertretung von Niche und von Matrix durch denselben Rechtsanwalt – die auch die Leistung der beiden Wertübertragungen auf ein und dasselbe Konto, das ihres gemeinsamen Vertreters, erklärt – das Fehlen eines Interessenkonflikts zwischen ihnen, beweist aber als solche keine Interessengemeinschaft, zumal der betreffende Vertreter der von Niche war und Matrix nur bei der Unterzeichnung der Matrix-Vereinbarung vertreten hat (Rn. 575 und 576 des angefochtenen Beschlusses). Zudem untersagten zwar die beiden Vereinbarungen tatsächlich die Vermarktung des Erzeugnisses von Niche/Matrix, doch ist zu beachten, dass sich die Niche-Vereinbarung allgemein auf alle potenziell patentverletzenden Erzeugnisse bezieht, die von Niche, allein oder mit anderen Partnern, entwickelt werden könnten, und die Matrix-Vereinbarung allgemein auf alle potenziell patentverletzenden Erzeugnisse, die von Matrix, allein oder mit anderen Partnern, entwickelt werden könnten (gemäß der in beiden Vereinbarungen enthaltenen Definition von „Verfahren“), was überdies die Ähnlichkeit zwischen den Klauseln der Vereinbarungen relativiert. Hinzu kommt, dass die Klauseln der Niche- und der Matrix-Vereinbarung nicht völlig identisch sind, u. a. wegen der unterschiedlichen Rechtsstreitigkeiten zwischen Servier und Niche auf der einen Seite und zwischen Servier und Matrix auf der anderen. So enthält nur die Niche-Vereinbarung Klauseln, in denen das Ende der bei den Gerichten im Vereinigten Königreich und beim EPA anhängigen Rechtsstreitigkeiten vorgesehen ist (Art. 2 und 7 der Niche-Vereinbarung), während Matrix an keiner dieser Rechtsstreitigkeiten direkt beteiligt war (vgl. auch Art. 9 der Niche-Vereinbarung, für den es in der Matrix-Vereinbarung ebenfalls keine Entsprechung gibt).

1299

Auch die vermeintliche Absprache zwischen Niche und Matrix über die Durchführung der mit den Klägerinnen geschlossenen Vereinbarungen beweist nicht das Bestehen eines beiden gemeinsamen Plans. Eine solche Absprache kann nämlich durch die bloße Erwähnung einer mündlichen Vereinbarung über die Teilung der Entschädigung der Kunden von Niche und einer Bitte von Niche um schriftliche Bestätigung dieser Vereinbarung durch Matrix nicht als hinreichend bewiesen erachtet werden. Gegen sie spricht sogar die konkrete Durchführung der Vereinbarungen, die sich u. a. in der einseitigen Aussetzung der Niche-Matrix-Vereinbarung durch Niche niedergeschlagen hat.

1300

Auch aus dem Verlauf der Verhandlungen über die in Rede stehenden Vereinbarungen ergibt sich nicht, dass Niche und Matrix mit dem Abschluss dieser Vereinbarungen ein und dasselbe Ziel verfolgt hätten. Vielmehr zeigen mehrere nicht bestrittene Angaben in den Akten und im angefochtenen Beschluss (Rn. 574 und 577 des angefochtenen Beschlusses), dass der Abschluss der Matrix-Vereinbarung durch Matrix eher auf deren Willen zurückzuführen ist, eine von den Klägerinnen gebotene Chance zu ergreifen (siehe auch oben, Rn. 1281), als auf einen gemeinsamen Plan mit ihrem Partner Niche, ihr gemeinsames Perindopril-Projekt zu beenden. Insbesondere wurde Matrix zum einen erst zwei Tage vor dem Abschluss ihrer eigenen Vereinbarung mit den Klägerinnen vom Bestehen von Verhandlungen zwischen Niche und den Klägerinnen informiert, und vom Stand dieser Verhandlungen wurde sie erst am Vorabend kurz informiert. Zum anderen kann aus Rn. 577 des angefochtenen Beschlusses abgeleitet werden, dass die Beteiligung von Matrix an den Verhandlungen hauptsächlich den Betrag der Wertübertragung betraf.

1301

Schließlich sei darauf hingewiesen, dass die Einstufung der Niche- und der Matrix-Vereinbarung als einheitliche Zuwiderhandlung dazu führen würde, in diese Zuwiderhandlung die zwischen Niche und Biogaran geschlossene Vereinbarung einzubeziehen, die die Kommission, von den Klägerinnen unwidersprochen, als Teil der ihnen wegen der Niche-Vereinbarung vorgeworfenen Zuwiderhandlung angesehen hat (vgl. Rn. 3006 des angefochtenen Beschlusses). Diese zwischen Biogaran und Niche ohne Wissen von Matrix ausgehandelte Vereinbarung, die nichts mit dem Erzeugnis von Niche/Matrix zu tun hat und einen anderen Gegenstand hat als die Matrix-Vereinbarung (Lizenz- und Liefervereinbarung betreffend andere Arzneimittel), kann jedoch nicht als Teil eines Niche und Matrix oder gar diesen beiden Unternehmen und den Klägerinnen gemeinsamen Plans angesehen werden.

1302

Somit hat die Kommission keinen Rechts- oder Beurteilungsfehler begangen, indem sie die von den Klägerinnen (und Biogaran) jeweils mit Niche und mit Matrix geschlossenen Vereinbarungen als gesonderte Zuwiderhandlungen eingestuft hat. Folglich geht auch die Rüge der Klägerinnen fehl, die Kommission habe denselben Sachverhalt zweimal geahndet. Denn nachdem die Kommission zwei gesonderte Zuwiderhandlungen festgestellt hatte, war sie berechtigt, zwei gesonderte Geldbußen zu verhängen. Dagegen erfordern, wie unten in den Rn. 1692 bis 1699 darzulegen sein wird, die besonderen Bedingungen des Abschlusses der Matrix-Vereinbarung und deren spezifische Reichweite eine gebührende Berücksichtigung dieser Merkmale bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der wegen dieser Vereinbarung verhängten Geldbuße gegenüber derjenigen, mit der die Niche-Vereinbarung geahndet worden ist.

1303

Nach alledem sind der vorliegende Klagegrund und die Klagegründe, mit denen Rechts- und Beurteilungsfehler betreffend die Einstufung als gesonderte Zuwiderhandlungen geltend gemacht werden, insgesamt zurückzuweisen.

12.   Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Definition des relevanten Marktes für die Endprodukte

a)   Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

b)   Würdigung durch das Gericht

1367

Die Klägerinnen bringen, unterstützt von der Streithelferin, im Wesentlichen drei Rügen vor.

1368

Mit ihrer ersten Rüge werfen sie der Kommission vor, die Besonderheiten des Arzneimittelmarkts verkannt zu haben, indem sie ihre Analyse des relevanten Marktes hauptsächlich auf den Preis der Arzneimittel und nicht auf die therapeutische Substituierbarkeit gestützt habe. Diese Rüge besteht aus zwei Teilen: Erstens habe die Kommission nicht den gesamten wirtschaftlichen Kontext berücksichtigt, und zweitens habe sie dem Faktor Preis eine zu große Bedeutung beigemessen.

1369

Mit ihrer zweiten Rüge treten die Klägerinnen der These der Kommission entgegen, dass die ACE‑Hemmer aus therapeutischer Sicht nicht hinreichend substituierbar seien. Sie stellen die Unterscheidung zwischen Perindopril und den anderen ACE‑Hemmern hinsichtlich Wirksamkeit und Nebenwirkungen, das Phänomen der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte bei Neupatienten, die geringe Neigung der Patienten in Langzeitbehandlung zu Veränderungen und die von der Kommission vorgenommene Analyse der Werbeaktivitäten in Frage.

1370

Mit ihrer dritten Rüge beanstanden die Klägerinnen hilfsweise die methodischen Mängel der ökonometrischen Analyse des natürlichen Geschehens, mit der die Kommission dartun wolle, dass von den ACE‑Hemmern kein signifikanter Wettbewerbsdruck auf Perindopril ausgehe.

1371

Vor der Prüfung jeder dieser drei Rügen ist in einer Reihe von Vorbemerkungen zum einen auf den Umfang der Kontrolle des Unionsrichters im Wettbewerbsrecht und zum anderen auf die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Prüfungsgesichtspunkte bezüglich der Abgrenzung des relevanten Produktmarkts insbesondere im Arzneimittelsektor, auch im Licht der Antworten der Parteien auf die Fragen des Gerichts zur jeweiligen Bedeutung der therapeutischen Substituierbarkeit und der die Preise betreffenden Faktoren für diese Analyse, einzugehen.

1) Vorbemerkungen

i) Zum Umfang der Kontrolle durch den Unionsrichter

1372

Das Unionsrecht sieht für Beschlüsse der Kommission in Verfahren nach Art. 102 AEUV ein System der gerichtlichen Kontrolle vor (vgl. Urteil vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dieses System der gerichtlichen Kontrolle besteht in einer Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe auf der Grundlage von Art. 263 AEUV, die gemäß Art. 261 AEUV um die Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung hinsichtlich der in diesem Bereich von der Kommission verhängten Zwangsmaßnahmen ergänzt werden kann (Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 71).

1373

Wie der Gerichtshof bereits dargelegt hat, erstreckt sich die in Art. 263 AEUV vorgesehene Rechtmäßigkeitskontrolle insoweit auf sämtliche Bestandteile der Beschlüsse der Kommission in Verfahren nach den Art. 101 und 102 AEUV, deren eingehende rechtliche und tatsächliche Kontrolle das Gericht sicherstellt, und zwar auf der Grundlage der von den Klägern geltend gemachten Klagegründe und unter Berücksichtigung aller von diesen vorgebrachten Umstände – aus der Zeit vor oder nach dem Erlass des Beschlusses –, unabhängig davon, ob sie vorab im Rahmen des Verwaltungsverfahrens geltend gemacht oder erstmals im Rahmen der Klage, mit der das Gericht befasst ist, vorgebracht wurden, soweit diese Umstände für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Beschlusses der Kommission maßgeblich sind (Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 72).

1374

Nach ständiger Rechtsprechung nimmt der Unionsrichter zwar grundsätzlich eine umfassende Prüfung der Frage vor, ob die Tatbestandsmerkmale der Wettbewerbsvorschriften erfüllt sind, seine Überprüfung der Würdigung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten durch die Kommission ist aber notwendigerweise darauf beschränkt, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob die Begründung ausreichend ist, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung des Sachverhalts und kein Ermessensmissbrauch vorliegen (Urteile vom 11. Juli 1985, Remia u. a./Kommission, 42/84, EU:C:1985:327, Rn. 34, vom 17. November 1987, British American Tobacco und Reynolds Industries/Kommission, 142/84 und 156/84, EU:C:1987:490, Rn. 62, und vom 10. April 2008, Deutsche Telekom/Kommission, T‑271/03, EU:T:2008:101, Rn. 185).

1375

Auch wenn nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Kommission in Bereichen, in denen komplexe wirtschaftliche Beurteilungen erforderlich sind, in Wirtschaftsfragen ein Wertungsspielraum zusteht, bedeutet dies nicht, dass der Unionsrichter eine Kontrolle der Auslegung von Wirtschaftsdaten durch die Kommission zu unterlassen hat. Der Unionsrichter muss nämlich nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (Urteile vom 15. Februar 2005, Kommission/Tetra Laval, C‑12/03 P, EU:C:2005:87, Rn. 39, vom 8. Dezember 2011,Chalkor/Kommission, C‑386/10 P, EU:C:2011:815, Rn. 54, und vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 54). Wenn die Kommission zur Einstufung einer Praxis nach Art. 102 AEUV einer ökonometrischen Analyse der Frage, ob die Rabatte einen ebenso effizienten Wettbewerber vom Markt hätten verdrängen können („as efficient competitor test“, im Folgenden: AEC‑Test), tatsächliche Bedeutung beimisst, hat der Unionsrichter das gesamte Vorbringen des mit einer Sanktion belegten Unternehmens zu diesem Test zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 141 bis 144).

1376

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs muss die Kommission im Bereich des Wettbewerbsrechts bei einem Streit über das Vorliegen einer Zuwiderhandlung die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen beweisen und die Beweismittel beibringen, durch die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend bewiesen wird (Urteile vom 22. November 2012, E.ON Energie/Kommission, C‑89/11 P, EU:C:2012:738, Rn. 71 und 72, und vom 16. Februar 2017, Hansen & Rosenthal und H&R Wax Company Vertrieb/Kommission, C‑90/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:123, Rn. 17 und 18).

1377

Es obliegt zwar der Behörde, die den Vorwurf der Verletzung der Wettbewerbsregeln erhebt, dafür den Beweis zu erbringen, doch ist es Sache des Unternehmens, das sich gegenüber der Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen diese Regeln auf eine Rechtfertigung beruft, den Nachweis zu erbringen, dass die Voraussetzungen für diese Rechtfertigung erfüllt sind, so dass die genannte Behörde dann auf andere Beweismittel zurückgreifen muss. Auch wenn die Beweislast nach diesen Grundsätzen entweder der Kommission oder dem betreffenden Unternehmen obliegt, können die tatsächlichen Gesichtspunkte, auf die sich eine Partei beruft, die andere Partei zu einer Erläuterung oder Rechtfertigung zwingen, da sonst der Schluss zulässig ist, dass den Anforderungen an die Beweislast genügt wurde (vgl. Urteil vom 17. Juni 2010, Lafarge/Kommission, C‑413/08 P, EU:C:2010:346, Rn. 29 und 30 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

1378

Stützt sich also die Kommission auf Beweise, die grundsätzlich genügen, um das Vorliegen einer Zuwiderhandlung darzutun, kann der bloße Hinweis des betroffenen Unternehmens auf die Möglichkeit des Eintritts eines Umstands, der den Beweiswert dieser Beweise erschüttern könnte, nicht dazu führen, dass die Kommission die Last des Gegenbeweises trägt, dass dieser Umstand den Beweiswert dieser Beweise nicht erschüttern konnte. Vielmehr muss das betreffende Unternehmen – es sei denn, dies wäre ihm wegen des Verhaltens der Kommission nicht möglich – rechtlich hinreichend nachweisen, dass zum einen der von ihm angeführte Umstand vorliegt und zum anderen dieser Umstand den Beweiswert der Beweise, auf die sich die Kommission stützt, in Frage stellt (Urteil vom 22. November 2012, E.ON Energie/Kommission, C‑89/11 P, EU:C:2012:738, Rn. 76).

1379

Schließlich ist zu beachten, dass der Gerichtshof und das Gericht jedenfalls im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle nach Art. 263 AEUV die vom Urheber der in Rede stehenden Handlung gegebene Begründung nicht durch ihre eigene ersetzen können (Urteile vom 27. Januar 2000, DIR International Film u. a./Kommission, C‑164/98 P, EU:C:2000:48, Rn. 38, vom 24. Januar 2013, Frucona Košice/Kommission, C‑73/11 P, EU:C:2013:32, Rn. 89, und vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 73). Da sich die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses auf die in diesem Beschluss enthaltenen Gründe bezieht, kann der Richter den von der Verwaltung in diesem Beschluss herangezogenen Gründen weder aus eigenen Stücken noch auf Antrag der Verwaltung weitere Gründe hinzufügen.

ii) Zur Abgrenzung des relevanten Produktmarkts im Arzneimittelsektor

1380

Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass die Definition des relevanten Marktes der Abgrenzung des Gebiets dient, innerhalb dessen die Frage zu beurteilen ist, ob das betreffende Unternehmen in der Lage ist, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten (Urteil vom 9. November 1983, Nederlandsche Banden-Industrie Michelin/Kommission, 322/81, EU:C:1983:313, Rn. 37).

1381

Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Prüfung der Frage, ob ein Unternehmen möglicherweise eine beherrschende Stellung einnimmt, die Wettbewerbsmöglichkeiten im Rahmen eines Marktes zu beurteilen, in dem sämtliche Erzeugnisse zusammengefasst sind, die sich aufgrund ihrer Merkmale zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs besonders eignen und die mit anderen Erzeugnissen nur in geringem Maße austauschbar sind (Urteile vom 9. November 1983, Nederlandsche Banden‑Industrie Michelin/Kommission, 322/81, EU:C:1983:313, Rn. 37, und vom 21. Oktober 1997, Deutsche Bahn/Kommission, T‑229/94, EU:T:1997:155, Rn. 54). Die Kommission kann ihre Prüfung nicht auf die objektiven Merkmale der in Rede stehenden Erzeugnisse und Dienstleistungen beschränken. Vielmehr müssen auch die Wettbewerbsbedingungen sowie die Struktur der Nachfrage und des Angebots auf dem Markt in Betracht gezogen werden, um zu beurteilen, ob das betreffende Unternehmen in der Lage ist, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs zu verhindern und sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten (Urteile vom 9. November 1983, Nederlandsche Banden‑Industrie Michelin/Kommission, 322/81, EU:C:1983:313, Rn. 37, und vom 17. Dezember 2003, British Airways/Kommission, T‑219/99, EU:T:2003:343, Rn. 91).

1382

Wie im Übrigen aus Rn. 7 der Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes hervorgeht, umfasst der sachlich relevante Produktmarkt sämtliche Erzeugnisse oder Dienstleistungen, die von den Verbrauchern hinsichtlich ihrer Eigenschaften, ihrer Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als substituierbar angesehen werden.

1383

Nach Rn. 25 der Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes ergibt sich diese Definition aus einer ganzen Reihe von Nachweisen, anhand deren sich beurteilen lässt, in welchem Maß Substitution stattfinden würde. Die Abgrenzung des Marktes ist unter Prüfung empirischer Nachweise und anhand aller verfügbaren Angaben vorzunehmen, die im Einzelfall von Bedeutung sein können.

1384

Den Rn. 15 bis 19 der Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes zufolge beurteilt die Kommission die Substituierbarkeit der Nachfrage anhand eines theoretischen Ansatzes, aufgrund dessen eine leichte, aber bleibende Erhöhung um 5 % bis 10 % des relativen Preises für das Produkt, von dem aus der relevante Markt definiert wird, angenommen und geprüft wird, ob diese hypothetische Erhöhung dem hypothetischen Monopolisten, der das fragliche Produkt verkauft, einen Gewinn einbringen kann. Ist nach dieser wirtschaftlichen Prüfung, wie sie in Rn. 17 der Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes dargestellt wird, die Substitution so groß, dass durch den damit einhergehenden Absatzrückgang eine Preiserhöhung nicht mehr einträglich wäre, ist davon auszugehen, dass die Substitute einen erheblichen Wettbewerbsdruck auf das betreffende Produkt ausüben.

1385

Als Zweites ist zu beachten, dass die Wettbewerbsbeziehungen im Arzneimittelsektor Mechanismen folgen, die sich von denen unterscheiden, die die normalerweise auf den weniger stark reglementierten Märkten anzutreffenden wettbewerblichen Interaktionen bestimmen (Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 183). Wie es nämlich im Übrigen in der Mitteilung der Kommission „Zusammenfassung des Berichts über die Untersuchung des Arzneimittelsektors“ vom 8. Juli 2009 heißt, ist der Arzneimittelsektor „ungewöhnlich“, weil bei verschreibungspflichtigen Arzneien die Nachfrage vom verschreibenden Arzt und nicht vom Endverbraucher (dem Patienten) gesteuert wird. Die Ärzte lassen sich bei ihrer Wahl des zu verschreibenden Mittels hauptsächlich von der therapeutischen Wirkung der Arzneimittel leiten. Soweit die außerpreislichen Faktoren wie z. B. die therapeutische Verwendung die Entscheidung der Ärzte bestimmen, sind sie somit neben den preislichen Indikatoren ein relevanter Gesichtspunkt bei der Definition des Marktes (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 187).

1386

Die preisrelevanten Faktoren verlieren durch die Besonderheiten, die die Wettbewerbsmechanismen im Arzneimittelsektor kennzeichnen, nicht ihre Relevanz für die Beurteilung des Wettbewerbsdrucks, sie sind jedoch in ihrem eigenen Kontext zu bewerten (Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 183).

1387

In einem Verfahren wegen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung im Arzneimittelsektor kann die Kommission zur Definition des relevanten Marktes ihre Beurteilung u. a. auf die größere therapeutische Wirksamkeit des betreffenden Arzneimittels, seine andere therapeutische Verwendung als die anderer Arzneimittel, die asymmetrische Substitution, die die Steigerung des Absatzes dieses Erzeugnisses und den entsprechenden Rückgang oder die Stagnation des Absatzes der anderen Erzeugnisse kennzeichnet, und die Preisindikatoren, wie sie sich aus dem bestehenden rechtlichen Rahmen ergeben, stützen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 61, 153, 182, 183, 203 und 219 bis 222).

1388

Was die therapeutische Verwendung angeht, sind zur Abgrenzung des relevanten Marktes die zwischen Erzeugnissen oder Arzneimittelkategorien bestehenden Unterschiede und Ähnlichkeiten zu beurteilen. Die Kommission kann die unterschiedliche therapeutische Verwendung zweier Arzneimittel, die zur Behandlung derselben Krankheit bestimmt sind, als einen Anhaltspunkt dafür ansehen, dass der relevante Markt nur eines dieser Erzeugnisse umfasst (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 153).

1389

Das Gericht hat die Parteien aufgefordert, sich in der Sitzung zur jeweiligen Bedeutung der Faktoren therapeutische Substituierbarkeit und Preis für die Definition des relevanten Marktes im Arzneimittelsektor im vorliegenden Fall, u. a. unter Berücksichtigung des Urteils vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission (T‑321/05, EU:T:2010:266), zu äußern.

1390

Wie die Kommission in der Sitzung ausgeführt hat, ist der Umstand, dass der von den Preisen ausgehende Wettbewerbsdruck im Arzneimittelsektor stark abgemildert wird durch die Bedeutung, die die verschreibenden Ärzte den therapeutischen Aspekten der zur Behandlung derselben Krankheit bestimmten Arzneimitteln beimessen, und durch den Regelungsrahmen, der den Preis und die Einzelheiten der Erstattung der Arzneimittel durch das System der sozialen Sicherheit bestimmt, ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Analyse des relevanten Marktes, der eine enge Marktabgrenzung rechtfertigen kann.

1391

Es ändert nichts an dieser Feststellung, dass sich diese Abmilderung zum Teil aus dem Regelungsrahmen ergibt. Der Umstand, dass das Fehlen oder die Unerheblichkeit des Wettbewerbsdrucks auf den Regelungsrahmen zurückgeht, der die Modalitäten und das Ausmaß der wettbewerblichen Interaktionen zwischen den Erzeugnissen bestimmt, wirkt sich nicht auf die Relevanz aus, die im Rahmen einer Definition des relevanten Marktes der Feststellung zukommt, dass es keinen oder keinen signifikanten Wettbewerbsdruck gibt. Steht nämlich fest, dass eine Gruppe von Erzeugnissen keinem erheblichen Wettbewerbsdruck durch andere Erzeugnisse ausgesetzt ist, so dass davon ausgegangen werden kann, dass diese Gruppe einen relevanten Produktmarkt bildet, so kommt der Art oder dem Wesen der Faktoren, die diese Produktgruppe vor jedem erheblichen Wettbewerbsdruck schützen, nur begrenzte Relevanz zu, weil die Feststellung, dass kein solcher Wettbewerbsdruck vorliegt, den Schluss zulässt, dass ein beherrschendes Unternehmen auf dem so definierten Markt die Verbraucherinteressen auf diesem Markt dadurch beeinträchtigen kann, dass es durch missbräuchliches Verhalten die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs verhindert (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 97, 174 und 175).

1392

Der Regelungsrahmen des Arzneimittelsektors mildert zwar häufig den von den Preisen ausgehenden Wettbewerbsdruck zwischen substituierbaren Arzneimitteln, er enthält jedoch auch Mechanismen, die diesen Druck verstärken, indem die Erteilung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Generika erleichtert wird, die Festsetzung von Preisen für diese Arzneimittel erlaubt wird, die weit unter den Preisen der Referenz-Originalpräparate liegen, und den verschreibenden Ärzten ein starker Anreiz gegeben wird oder sie sogar dazu gezwungen werden, das Originalpräparat durch dessen generische Version zu substituieren. Somit lässt sich der Wettbewerbsdruck auf den Preis und den Absatz eines Originalpräparats, der vom Markt seiner generischen Version ausgeht, leicht feststellen. In der vorliegenden Rechtssache z. B. steht fest, dass der Markteintritt des Generikums von Perindopril im Vereinigten Königreich zu einem Rückgang des Preises von Perindopril um 90 % geführt hat. Diese Substitution ist jedoch, wenn sie von der anwendbaren Regelung vorgesehen ist, nur zwischen dem Referenz-Originalpräparat und seinen generischen Versionen möglich und zwischen unterschiedlichen Molekülen ausgeschlossen, einschließlich des Falles, dass die betreffenden Arzneimittel zu derselben therapeutischen Klasse gehören und dieselbe Wirkungsweise haben.

1393

Auch wenn aber die Definition des relevanten Marktes im Arzneimittelsektor der relativen Schwäche des vom Preis ausgehenden Wettbewerbsdrucks, die u. a. mit dem Regelungsrahmen zusammenhängt, gebührend Rechnung tragen muss, muss sie doch auch einen anderen wesentlichen und für diesen Sektor spezifischen Faktor der Analyse der wettbewerblichen Interaktion berücksichtigen, der in der Wahl der Behandlung durch die verschreibenden Ärzte besteht, die hierüber nicht in erster Linie und nicht einmal aufgrund einer klassischen Beurteilung des von diesen Arzneimitteln gebotenen Verhältnisses zwischen Qualität und Preis der verfügbaren Arzneimittel, sondern auf der Grundlage ihrer Sicht der therapeutischen Vor- und Nachteile dieser Arzneimittel entscheiden (vgl. in diesem Sinne entsprechend zur Definition des relevanten Marktes im Hinblick auf die Anwendung von Art. 101 Abs. 1 AEUV Urteil vom 23. Januar 2018, F. Hoffmann-La Roche u. a., C‑179/16, EU:C:2018:25, Rn. 65).

1394

Verschreibungspflichtige Arzneimittel sind nämlich keine Erzeugnisse, die frei auf einem Markt zwischen Verkäufern und Verbrauchern ausgetauscht werden und deren Preis am Schnittpunkt der Angebots- und der Nachfragekurve gebildet wird, sondern Erzeugnisse, zu denen die Patienten durch die Vermittlung von Ärzten und Apothekern Zugang erhalten und die zu einem erheblichen Teil Gegenstand kollektiver Kostenübernahme sind. Die Bestimmungen über Arzneimittelpreise und deren Erstattung durch das System der sozialen Sicherheit spiegeln die besondere Natur dieser Erzeugnisse wider, wie auch die Bestimmungen, mit denen die Werbung für sie beschränkt oder ihr Verkauf in zugelassenen Apotheken unter der Verantwortung von Apothekern vorgeschrieben wird.

1395

Die Freiheit der Ärzte, zwischen den auf dem Markt verfügbaren Originalpräparaten oder zwischen den Originalpräparaten und den generischen Versionen anderer Moleküle zu wählen, und das vorrangige Augenmerk der verschreibenden Ärzte auf die therapeutischen Aspekte können gegebenenfalls dazu führen, dass signifikanter Wettbewerbsdruck qualitativer und nicht preislicher Art außerhalb der gewöhnlichen Preisdruckmechanismen entsteht. Ein solcher Druck kann sowohl dann bestehen, wenn sich die therapeutischen Eigenschaften eines Arzneimittels als denen der anderen Arzneimittel, die für die Behandlung derselben Krankheit zur Verfügung stehen, klar überlegen erweisen, als auch dann, wenn die verfügbaren Arzneimittel von den verschreibenden Ärzten als gleichwertig anerkannt oder angesehen werden.

1396

Erweist sich nämlich ein Arzneimittel als anderen in therapeutischer Hinsicht eindeutig überlegen oder stellt es die einzige von der Wissenschaftsgemeinde empfohlene Option dar, wird es möglicherweise von den verschreibenden Ärzten ungeachtet seines Preises gewählt, auch wenn dieser deutlich über dem der anderen verfügbaren Arzneimittel liegt. In diesem Fall wirkt sich der niedrige Preis der anderen Arzneimittel, von dem in einem klassischen Markt doch ein starker Wettbewerbsdruck ausgehen müsste, nicht entscheidend aus. Das Preisgefälle zwischen diesen Erzeugnissen hat umso geringere Bedeutung, als die Höhe der Erstattung die finanzielle Belastung für den Patienten erleichtert. Folglich hätte ein Arzneimittelhersteller, dessen Arzneimittel von den Ärzten nicht mehr anerkannt oder günstig beurteilt wird und der seinen Preis in der Hoffnung senken will, seine Marktanteile zu halten, kaum Aussicht auf Erfolg. Mit anderen Worten kann von einem Arzneimittel, dessen Überlegenheit anerkannt ist, ein signifikanter Wettbewerbsdruck auf andere für die Behandlung derselben Krankheit zur Verfügung stehende Arzneimittel ausgehen, selbst wenn es teuer ist. So haben in der Rechtssache, in der das Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission (T‑321/05, EU:T:2010:266), ergangen ist, die Kommission und das Gericht festgestellt, dass die Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI) dank ihrer therapeutischen Überlegenheit gegenüber den H2‑Blockern diese trotz ihres sehr viel höheren Preises allmählich vom Markt verdrängt hatten. Umgekehrt kann von Arzneimitteln, die in therapeutischer Hinsicht nicht oder nicht mehr mit dem „Top“-Arzneimittel rivalisieren können, kein Wettbewerbsdruck mehr auf dieses ausgehen. Solche Faktoren können es rechtfertigen, dass dieses Arzneimittel für sich allein einen – auf sein Molekül in der Original- wie in der generischen Version begrenzten – Markt darstellt.

1397

Haben die verschreibenden Ärzte für die Behandlung derselben Krankheit die Wahl zwischen Arzneimitteln, von denen keines als den anderen überlegen anerkannt ist oder angesehen wird, u. a., weil ihre Wirkungsweise gleich ist oder weil sie sich anhand ihres therapeutischen Nutzens oder ihrer unerwünschten Nebenwirkungen nicht unterscheiden lassen, beruht die Analyse des Wettbewerbs zwischen diesen Arzneimitteln zu einem großen Teil auch auf einem Qualitätsvergleich. Die Wahl eines Arztes hängt im Allgemeinen nicht zunächst von den jeweiligen Kosten dieser Behandlungen, sondern vom Grad ihrer therapeutischen Differenzierung, von ihrer Angemessenheit im Verhältnis zum Profil des Patienten, von der beim Arzt vorhandenen Kenntnis der verschiedenen Arzneimittel oder von dessen persönlicher Erfahrung und der seiner Patienten ab. Grundsätzlich besteht nämlich keine klare Korrelation zwischen der Höhe des Preises eines Arzneimittels und dessen therapeutischem Nutzen: Ein Arzneimittel ist nicht besser, weil es teurer ist als seine Konkurrenzprodukte, und nicht schlechter als diese, weil es billiger ist. Der höhere Preis eines neueren Arzneimittels ergibt sich zudem nicht notwendig aus therapeutischen Innovationen, die dieses Arzneimittel möglicherweise mit sich bringt, vor allem wenn es zu derselben therapeutischen Klasse wie andere Arzneimittel gehört und dieselbe Wirkungsweise hat wie diese, und kann sich u. a. durch die Amortisation höherer Forschungs- oder Herstellungskosten oder durch höhere Werbungsausgaben als für ein älteres Arzneimittel ergeben.

1398

Wie die Kommission in der Sitzung ausgeführt hat, kann zwar bei Arzneimitteln, die als völlig gleichwertig anerkannt oder angesehen werden, die Variable Preis ihre Bedeutung haben. Ein signifikanter Rückgang des Preises eines Arzneimittels, u. a. durch die Markteinführung seiner generischen Version, kann es rechtfertigen, dass dieses Arzneimittel von der Ärzten bevorzugt und seine Verschreibung in der generischen Version von den Systemen der sozialen Sicherheit und den Regulierungsbehörden gefördert wird. Der Markteintritt der generischen Version eines anderen Arzneimittels, das als gleichwertig oder zur Substitution geeignet anerkannt ist oder angesehen wird, kann auch die Marktposition des betreffenden Originalpräparats schwächen. Der vom Preis ausgehende Wettbewerbsdruck kann dann zum Tragen kommen, und die Beibehaltung des Preises des betreffenden Arzneimittels kann ein Indiz für die Schwäche des Wettbewerbsdrucks sein, dem dieses Arzneimittel ausgesetzt ist.

1399

Wie jedoch die Klägerinnen zu Recht in der Sitzung geltend gemacht haben, kann aus der bloßen Beibehaltung des Preises eines Arzneimittels auf dem Markt nicht abgeleitet werden, dass es keinem signifikanten Wettbewerbsdruck durch Arzneimittel ausgesetzt wäre, die in ihrer Originalversion wie in der generischen Version als gleichwertig oder zur Substitution geeignet anerkannt sind oder angesehen werden.

1400

Da nämlich die Ärzte in der Lage sind, aus anderen als Kostengründen frei zwischen diesen Arzneimitteln zu entscheiden, können große Schwankungen in der Häufigkeit des Einsatzes dieser Erzeugnisse, im Grad der Verschreibungstreue, die ihnen die Ärzte entgegenbringen, und in der Wahrnehmung ihres Nutzens durch die Ärzte zu einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Verschreibungsentscheidung auftreten. Die von den Ärzten getroffenen Entscheidungen können somit eine beträchtliche Entwicklung der jeweiligen Marktanteile der verschiedenen verfügbaren Arzneimittel bewirken und die Arzneimittelunternehmen von den Entscheidungen der verschreibenden Ärzte abhängig machen, wie es jeder Hersteller einer Ware gegenüber den Verbrauchern ist, wenn die Waren leicht substituierbar sind.

1401

Aus diesem Grund entfalten die Hersteller dieser Arzneimittel, die im Übrigen in ihrer Verkaufsstrategie den Preis ihres Erzeugnisses kaum in den Vordergrund rücken, für dieses häufig erhebliche Werbeaktivitäten, um bei den verschreibenden Ärzte die Produktbindung zu erhöhen oder neue Interessenten zu gewinnen, sei es mittels der Durchführung von durch sie finanzierten wissenschaftlichen Studien mit dem Ziel, ihr Erzeugnis von denen ihrer Wettbewerber zu unterscheiden, sei es durch direkte Werbemaßnahmen unterschiedlichster Art bei den verschreibenden Ärzten. Diese Werbeaktivitäten machen einen erheblichen Prozentsatz des Umsatzes mit diesen Erzeugnissen aus, der bei bis zu 30 % liegen kann, wodurch sich der Arzneimittelsektor von anderen Sektoren unterscheidet, in denen die Werbeaktivitäten nicht so intensiv sind. Wie die Klägerinnen geltend gemacht haben, können solche Aktivitäten ein Indiz dafür sein, dass zwischen den betreffenden Unternehmen ein wirksamer Wettbewerb besteht.

1402

Gibt es in einer solchen Situation auf dem Markt Arzneimittel, die als gleichwertig oder substituierbar anerkannt oder angesehen werden, müssen bei der Analyse des Marktes besonders sorgfältig die Faktoren berücksichtigt werden, anhand deren sich das Bestehen von qualitativem oder außerpreislichem Wettbewerbsdruck feststellen lässt, der u. a. in den Bemühungen um die Gewinnung von Ärzten, die das Erzeugnis zu Beginn einer Behandlung erstmals neu verschreiben, in der Umstellung von Patienten in Langzeitbehandlung auf andere, konkurrierende Arzneimittel und in der Intensität der Werbemaßnahmen für ein Arzneimittel bei Verfügbarkeit gleichwertiger oder preiswerterer Alternativen zum Ausdruck kommt.

1403

Können keine Faktoren, die außerpreislichen Wettbewerbsdruck erkennen lassen, im Sinne der vorstehenden Rn. 1402 festgestellt werden, u. a. wegen einer ausgeprägten Unbeweglichkeit der Ärzte bei ihren Verschreibungsentscheidungen, auf die die Produktbindungswirkungen mit der Folge einer Marktabschottung zurückzuführen sind, kann das betreffende Arzneimittel so lange vor tatsächlichem Wettbewerbsdruck geschützt sein, wie seine generische Version nicht auf den Markt gelangt, zumal die Rolle der preislichen Wettbewerbsfaktoren durch den Regelungsrahmen abgeschwächt wird. Es kann dann gerechtfertigt sein, den relevanten Markt auf der Ebene des Moleküls eines solchen Arzneimittels – in seiner Original- wie in seiner generischen Version – zu definieren.

1404

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass in der vorliegenden Rechtssache in Beantwortung des Vorbringens der Klägerinnen und der Kommission zu prüfen ist, ob es im entscheidungserheblichen Zeitraum, wie die Klägerinnen geltend machen, Arzneimittel gab, die als Perindopril gleichwertig anerkannt waren oder angesehen wurden und durch die Perindopril daher leicht substituierbar war, oder ob sich Perindopril durch seine therapeutischen Vorzüge hinreichend von der Konkurrenz unterschied, und dass festzustellen ist, ob es Faktoren gab, die einen von anderen Arzneimitteln ausgehenden außerpreislichen Wettbewerbsdruck auf Perindopril erkennen lassen und die trotz der von der Kommission hervorgehobenen relativen Preiselastizität der Nachfrage nach Perindopril eine über dieses Erzeugnis hinausgehende, weitere Marktdefinition rechtfertigen können.

1405

Im Licht der in den vorstehenden Rn. 1380 bis 1404 dargelegten Erwägungen sind die drei Hauptrügen zu prüfen, mit denen die Klägerinnen die von der Kommission im angefochtenen Beschluss vorgenommene Analyse des relevanten Produktmarkts beanstanden.

2) Zum ersten Teil der ersten Rüge: fehlende Berücksichtigung sämtlicher Elemente des wirtschaftlichen Kontexts

1406

Im Rahmen der ersten Rüge machen die Klägerinnen im Wesentlichen geltend, die Kommission habe gegen den wesentlichen Grundsatz verstoßen, dass der Produktmarkt im Arzneimittelsektor unter Berücksichtigung des gesamten wirtschaftlichen Kontexts zu definieren sei. Die Kommission habe sich zu stark auf den Preis gestützt, ohne die therapeutische Substituierbarkeit der in Rede stehenden Erzeugnisse hinreichend zu berücksichtigen.

1407

Im Einzelnen werfen die Klägerinnen der Kommission mit dem ersten Teil dieser Rüge vor, im Rahmen der Marktdefinition nicht sämtliche Kontextelemente berücksichtigt zu haben. Mit dem zweiten Teil machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe dem Faktor Preis zu große Bedeutung beigemessen.

1408

Der erste Teil der Rüge – die Kommission habe im Rahmen der Abgrenzung des relevanten Marktes nicht sämtliche Elemente des wirtschaftlichen Kontexts berücksichtigt – ist ohne Weiteres auf seine Begründetheit zu prüfen. Dagegen wird das Gericht zur Beurteilung der relativen Bedeutung, die die Kommission dem Faktor Preis beigemessen hat, vor der Prüfung des zweiten Teils der Rüge die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses im Hinblick auf sämtliche außerpreislichen Faktoren untersuchen, die eine Rolle für die Abgrenzung des relevanten Marktes spielen können.

1409

Somit ist im vorliegenden Fall zu prüfen, ob die Kommission für die Abgrenzung des relevanten Produktmarkts den gesamten wirtschaftlichen Kontext, insbesondere die anderen Faktoren als den Preis, in Betracht gezogen hat.

1410

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Arzneimittelsektor, wie sich aus den oben in den Rn. 1380 bis 1404 dargelegten Erwägungen ergibt, ein „ungewöhnlicher“ Sektor ist, dessen Besonderheiten es erfordern, dass der Markt anhand einer Mehrzahl von Kriterien bestimmt wird, insbesondere der therapeutischen Verwendung der Erzeugnisse.

1411

Was zunächst die Berücksichtigung der therapeutischen Verwendung der in Rede stehenden Erzeugnisse angeht, hat die Kommission in den Rn. 2432 bis 2459 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass Perindopril zur Klasse der ACE‑Hemmer der Ebene ATC 3 nach der WHO-Klassifikation gehöre. Sie war jedoch auf der Grundlage der ihr vorliegenden Beweise der Ansicht, dass die Arzneimittel der Klasse der ACE‑Hemmer keine homogenen Erzeugnisse seien, da sich Perindopril wegen bestimmter, wissenschaftlich anerkannter Eigenschaften von anderen ACE‑Hemmern unterscheide.

1412

Die Kommission hat auch, wie sich u. a. aus den Rn. 2496 bis 2513 des angefochtenen Beschlusses betreffend die Umstellungsmuster ergibt, das Bestehen eines Mechanismus der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte und einer wachsenden Gruppe verschreibender Ärzte, die Perindopril „treu“ seien, berücksichtigt, was den Wettbewerbsdruck in Bezug auf Neupatienten begrenze und zu einer geringen Neigung der mit Perindopril behandelten Patienten zu einem Wechsel des Arzneimittels führe.

1413

Zudem hat die Kommission in ihrer Analyse des relevanten Marktes die Werbeaktivitäten von Servier erwähnt und u. a. die Stabilität der Ausgaben für Werbung auf das Fehlen eines starken Wettbewerbsdrucks zurückgeführt.

1414

Schließlich hat die Kommission nach einer Analyse des natürlichen Preisgeschehens befunden, dass der von den Perindopril-Generika ausgehende Wettbewerbsdruck als entscheidend für die Analyse des relevanten Marktes anzusehen sei und dass der Umstand, dass der von den Generika ausgehende Wettbewerbsdruck jede andere potenzielle Quelle von Druck überwogen habe, naturgemäß zu einer Beschränkung des relevanten Marktes auf das Molekül von Perindopril führe (Rn. 2546 des angefochtenen Beschlusses). Zum Einfluss des Regelungsrahmens hat die Kommission überdies ausgeführt, dass Servier dank dieses Rahmens nur einem sehr beschränkten Preisdruck ausgesetzt gewesen sei und daher frei von jedem Wettbewerbsdruck habe handeln können (Rn. 2527 des angefochtenen Beschlusses).

1415

Folglich geht aus dem angefochtenen Beschluss hervor, dass die Kommission sich für die Definition des relevanten Marktes nicht auf den Faktor Preis beschränkt hat. Insbesondere hat sie die therapeutische Verwendung von Perindopril als einen für die Marktanalyse relevanten Faktor berücksichtigt. Daher weisen die Klägerinnen, wie sich aus den Ausführungen oben in den Rn. 1380 bis 1404 ergibt, zwar zu Recht darauf hin, dass für die Definition des relevanten Marktes die therapeutischen Merkmale der Arzneimittel zu berücksichtigen seien, sie können aber nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Kommission im vorliegenden Fall nicht den gesamten wirtschaftlichen Kontext, insbesondere die therapeutische Verwendung der Arzneimittel, in Betracht gezogen habe.

1416

Somit hat die Kommission den ihr von den Klägerinnen insoweit vorgeworfenen Rechtsfehler nicht begangen.

1417

Der erste Teil der ersten Rüge ist daher zurückzuweisen.

3) Zur zweiten Rüge: Verkennung der therapeutischen Substituierbarkeit der ACE‑Hemmer durch die Kommission

1418

Mit der zweiten Rüge beanstanden die Klägerinnen im Wesentlichen, dass die Kommission die therapeutische Substituierbarkeit der ACE‑Hemmer verkannt habe. Erstens habe sie zu Unrecht befunden, dass sich Perindopril durch besondere Eigenschaften von den anderen ACE‑Hemmern unterscheide, zweitens habe in Bezug auf Neupatienten lebhafter Wettbewerb zwischen den ACE‑Hemmern bestanden, drittens habe die Kommission die Neigung der mit Perindopril behandelten Patienten zu einem Wechsel des Arzneimittels unterschätzt, und viertens seien Werbemaßnahmen eine der wesentlichen Dimensionen des Wettbewerbs auf dem relevanten Markt.

i) Zur Unterscheidung zwischen Perindopril und den anderen ACE‑Hemmern hinsichtlich Wirksamkeit und Nebenwirkungen

1419

Im angefochtenen Beschluss, u. a. in den Rn. 2449, 2499 und 2519, hat die Kommission im Wesentlichen befunden, dass die ACE‑Hemmer eine in therapeutischer Hinsicht heterogene Arzneimittelklasse seien, dass diese Heterogenität auf Unterschiede in der individuellen Wirksamkeit und Verträglichkeit zurückgeführt werden könne und dass sich die therapeutische Verwendung von Perindopril von der der anderen ACE‑Hemmer unterscheide. Zwar bildeten die ACE‑Hemmer eine Arzneimittelklasse im Sinne der dritten Ebene der von der WHO verwendeten ATC‑Klassifikation, doch könnten sie nicht als eine einfache homogene Klasse angesehen werden. Perindopril unterscheide sich wegen bestimmter, wissenschaftlich anerkannter Eigenschaften von anderen ACE‑Hemmern. Hierfür hat sich die Kommission u. a. auf ärztliche Empfehlungen, eine Reihe wissenschaftlicher Studien, interne Dokumente von Servier und eine Umfrage unter den Perindopril verschreibenden Ärzten gestützt.

1420

Die Klägerinnen treten der Beurteilung der Kommission entgegen, dass Perindopril in therapeutischer Hinsicht u. a. wegen seiner besonderen Eigenschaften im Hinblick auf Wirksamkeit und Nebenwirkungen nicht durch die anderen ACE‑Hemmer substituiert werden könne. Die ACE‑Hemmer gehörten zu einer homogenen Klasse, innerhalb deren es keine signifikanten Unterschiede gebe, die es rechtfertigten, dass das Perindopril-Molekül einen gesonderten Markt bilde.

1421

Für die Beurteilung der Frage, ob Perindopril von den verschreibenden Ärzten in therapeutischer Hinsicht als durch die anderen ACE‑Hemmer substituierbar angesehen wurde, ist die Gesamtheit der insoweit relevanten Faktoren zu prüfen. Im vorliegenden Fall sind nacheinander die im angefochtenen Beschluss genannten grundlegenden Informationen zu diesem Arzneimittel, das System der ATC‑Klassifikation, die ärztlichen Empfehlungen, die Politik bestimmter lokaler Stellen im Vereinigten Königreich, die internen Dokumente von Servier, die von der Kommission unter den verschreibenden Ärzten durchgeführte Umfrage und die Antworten anderer Generikahersteller auf die Fragen der Kommission zu berücksichtigen.

1422

Als Erstes werden im angefochtenen Beschluss einleitend in den Rn. 2143 bis 2164 die grundlegenden Informationen zu Perindopril u. a. hinsichtlich Wirkungsweise, Hauptindikationen, Kontraindikationen und Nebenwirkungen dargelegt.

1423

Aus dieser Beschreibung der grundlegenden Informationen zu Perindopril ergibt sich nichts für eine Unterscheidung zwischen Perindopril und den anderen ACE‑Hemmern.

1424

Zu den Nebenwirkungen wird zwar im angefochtenen Beschluss in Rn. 2149 darauf hingewiesen, dass Perindopril nach der medizinischen Literatur allgemein gut vertragen werde und hinsichtlich unerwünschter Wirkungen ein ähnliches Profil aufweise wie die anderen ACE‑Hemmer und dass Servier in ihren internen Dokumenten sein hohes Verträglichkeits- und Complianceniveau herausgestellt habe. Schon aus der von der Kommission in Rn. 2149 des angefochtenen Beschlusses angeführten medizinischen Literatur geht jedoch hervor, dass Perindopril hinsichtlich unerwünschter Wirkungen ein ähnliches Profil aufweist wie die anderen ACE‑Hemmer. In der Klagebeantwortung räumt die Kommission nunmehr ausdrücklich ein, dass die anderen ACE‑Hemmer ähnliche Nebenwirkungen haben, was im angefochtenen Beschluss nicht erwähnt wird.

1425

Aus der Darstellung der grundlegenden Informationen zu Perindopril im angefochtenen Beschluss ergibt sich somit, dass Wirkungsweise, Hauptindikationen, Kontraindikationen und Nebenwirkungen der ACE‑Hemmer ähnlich sind.

1426

Als Zweites teilt das System der ATC‑Klassifikation, das die Wettbewerbsbehörden für die Beurteilung der therapeutischen Substituierbarkeit zwischen Arzneimitteln und zur Definition des relevanten Marktes berücksichtigen, die Arzneimittel in fünf verschiedene Ebenen und stuft sie nach den Organen, auf die sie einwirken, und nach ihren chemischen, pharmakologischen und therapeutischen Eigenschaften ein. Die dritte Ebene der ATC‑Klassifikation erfasst die Arzneimittel entsprechend ihren therapeutischen Indikationen, die vierte Ebene der ATC‑Klassifikation berücksichtigt die Wirkungsweise, und die fünfte Ebene definiert die Klassen mit den engsten Voraussetzungen, zu denen die einzelnen Wirkstoffe als solche gehören.

1427

Nach der Beschlusspraxis der Kommission im Arzneimittelsektor hinsichtlich der Marktdefinition beginnt die Analyse im Allgemeinen mit der dritten Ebene. Die übrigen Ebenen der ATC‑Klassifikation werden jedoch ebenfalls berücksichtigt, wenn sich herausstellt, dass hinreichend starker Wettbewerbsdruck auf anderen Ebenen der ATC‑Klassifikation ausgeübt wird und dass die dritte Ebene der ATC‑Klassifikation infolgedessen eine zutreffende Definition des Marktes nicht zu ermöglichen scheint (Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 154).

1428

Im vorliegenden Fall hat die Kommission ihre Untersuchung nicht auf der dritten Ebene der ATC‑Klassifikation beendet, sondern sie hat den relevanten Markt auf der fünften Ebene dieser Klassifikation definiert, d. h. auf der des Perindopril-Moleküls, des Wirkstoffs von Coversyl. Die Definition des relevanten Marktes auf der fünften Ebene der ATC‑Klassifikation ist zwar als solche nicht zu beanstanden, doch ist festzustellen, dass alle ACE‑Hemmer, deren Zahl sechzehn beträgt, auf der dritten Ebene der ATC‑Klassifikation, die den therapeutischen Indikationen entspricht, und auf der vierten Ebene dieser Klassifikation, die der Wirkungsweise entspricht, in ein und derselben Gruppe der „ACE‑Hemmer, rein“ zusammengefasst sind.

1429

Somit erlaubt das System der ATC‑Klassifikation keine wie auch immer geartete Unterscheidung zwischen Perindopril und den anderen ACE‑Hemmern hinsichtlich der therapeutischen Verwendung. Es bestätigt, dass die ACE‑Hemmer sich hinsichtlich Indikationen und Wirkungsweise nicht unterscheiden, was im Übrigen auch nicht bestritten ist.

1430

Als Drittes berücksichtigt, wie die Kommission im Rn. 2172 des angefochtenen Beschlusses zu Recht ausgeführt hat, die Analyse des Verhältnisses zwischen den verschiedenen Antihypertensiva die einschlägigen ärztlichen Empfehlungen.

1431

Die ärztlichen Empfehlungen sollen den Ärzten eine ausgewogene Information bieten, um ihnen bei der Entscheidungsfindung in ihrer täglichen Praxis zu helfen. Sie stützen sich auf alle verfügbaren Quellen wissenschaftlicher Beweise, einschließlich der großen klinischen Abhandlungen und ihrer Metaanalyse. Sie bieten Zusammenfassungen der während des Untersuchungszeitraums verfügbaren medizinischen Kenntnisse.

1432

Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission die Gemeinsamen Empfehlungen der WHO und der International Society of Hypertension von 1999, die Empfehlungen der European Society of Hypertension und der European Society of Cardiology von 2003 und von 2007, die Empfehlungen der British Society of Hypertension von 1999 und von 2004 sowie die Empfehlungen des National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) (Nationales Institut für Gesundheit und klinische Exzellenz, Vereinigtes Königreich) von 2004 und von 2006 analysiert.

1433

In den Gemeinsamen Empfehlungen der WHO und der International Society of Hypertension von 1999 werden für die ACE‑Hemmer dieselben Haupt- und Nebenindikationen sowie dieselben Haupt- und Nebenkontraindikationen genannt. Dem angefochtenen Beschluss ist nicht zu entnehmen, dass in diesen Empfehlungen zwischen den ACE‑Hemmern unterschieden wird.

1434

Die Empfehlungen der European Society of Hypertension und der European Society of Cardiology von 2003 und von 2007, die von den nationalen Gesellschaften für Kardiologie, u. a. in Frankreich, den Niederlanden und Polen, übernommen worden sind, untersuchen allgemein Eigenschaften, Wirkungen und Indikationen aller ACE‑Hemmer und sprechen sich nicht speziell für eines der Moleküle dieser Arzneimittelklasse aus. Sie enthalten keine Unterteilung der Arzneimittel der Klasse der ACE‑Hemmer, anders als z. B. bei der Klasse der Calciumantagonisten und der Diuretika. Nach diesen Empfehlungen sollte die Arzneimittelklasse gewechselt werden, wenn ein Arzneimittel nicht wirkt oder nicht vertragen wird.

1435

In den Empfehlungen der European Society of Hypertension und der European Society of Cardiology heißt es zwar, dass sich selbst verschiedene Erzeugnisse derselben Arzneimittelklasse in Bezug auf Art und Häufigkeit von Nebenwirkungen unterscheiden. Diese Erwägung zielt jedoch nicht besonders auf die Klasse der ACE‑Hemmer und geht nicht mit einer Erläuterung hinsichtlich der betroffenen Arzneimittel und der Art der in Rede stehenden Nebenwirkungen einher. Demzufolge erlaubt die bloße Tatsache, dass in den Empfehlungen unterschiedliche Nebenwirkungen unterschiedlicher Erzeugnisse derselben Arzneimittelklasse erwähnt werden, nicht den Nachweis, dass zwischen Perindopril und den anderen ACE‑Hemmern tatsächlich ein Unterschied in Bezug auf Nebenwirkungen besteht.

1436

Ebenso führt die Kommission in Rn. 2181 des angefochtenen Beschlusses aus, nach den Empfehlungen der European Society of Hypertension und der European Society of Cardiology müsse bei der Wahl eines blutdrucksenkenden Arzneimittels auf den individuellen Patienten abgestellt werden, was für die Beurteilung des relevanten Marktes von erheblicher Bedeutung sei. Aus dem Umstand, dass sich diesen Empfehlungen zufolge die Individuen hinsichtlich ihrer Anfälligkeit für diese oder jene Nebenwirkung unterscheiden, lässt sich jedoch nicht ableiten, dass es zwischen den ACE‑Hemmern einen Unterschied in Bezug auf Nebenwirkungen gibt. Daraus folgt, dass die europäischen Empfehlungen für die Behandlung von Bluthochdruck nichts enthalten, was eine Unterscheidung zwischen Perindopril und den anderen ACE‑Hemmern in Bezug auf die therapeutische Verwendung erlaubt.

1437

In den Empfehlungen der British Society of Hypertension von 1999 und von 2004 wird das Bestehen von Indikationen und Kontraindikationen sowie von Nebenwirkungen, u. a. Husten, erwähnt, die allen Arzneimitteln der Klasse der ACE‑Hemmer gemein sind. Die Empfehlungen des NICE von 2004 und von 2006 enthalten Empfehlungen für die First-line- und die Second-line-Verschreibung von Arzneimitteln, unterscheiden in dieser Hinsicht aber nicht zwischen den einzelnen ACE‑Hemmern.

1438

Somit ergibt sich aus den im angefochtenen Beschluss analysierten ärztlichen Empfehlungen, die den Ärzten eine ausgewogene, auf alle verfügbaren Quellen wissenschaftlicher Beweise, einschließlich der großen klinischen Abhandlungen und ihrer Metaanalyse, gestützte Information bieten, kein Unterschied zwischen den Arzneimitteln der Klasse der ACE‑Hemmer. Diese Empfehlungen bestätigen, wie die ATC‑Klassifikation, die Homogenität der Klasse der ACE‑Hemmer hinsichtlich ihrer therapeutischen Verwendung.

1439

Als Viertes hat die Kommission im angefochtenen Beschluss die zu Beginn des Untersuchungszeitraums vorliegenden und die in den 2000er Jahren veröffentlichten medizinischen Studien zu Perindopril behandelt.

1440

Was die zu Beginn der 2000er Jahre vorliegenden Studien zu Perindopril angeht, ist der angefochtene Beschluss auf zwei 2001 veröffentlichte Artikel gestützt.

1441

Im ersten Artikel heißt es u. a., dass Perindopril ein gut vertragener ACE‑Hemmer sei, der für Patienten mit leichtem oder mittlerem Bluthochdruck hinsichtlich der klinischen Reaktion Captopril deutlich überlegen und ebenso wirksam wie die anderen ACE‑Hemmer sei. Im zweiten Artikel wird dargelegt, dass die Fähigkeit von Perindopril zur Senkung des arteriellen Drucks der der anderen Antihypertensiva seiner Therapieklasse vergleichbar oder überlegen sei und dass die durch eine drastische Senkung des arteriellen Drucks ausgelöste Hypotonie der ersten Dosis bei Perindopril seltener sei als bei den anderen ACE‑Hemmern, was bei bestimmten Patientengruppen ein Vorteil sei.

1442

Im angefochtenen Beschluss wird daraus abgeleitet, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Artikel bereits umfangreiches wissenschaftliches Beweismaterial dafür vorgelegen habe, dass Perindopril als ein ACE‑Hemmer ersten Ranges anzusehen sei. Es ist jedoch festzustellen, dass Perindopril in diesen beiden Artikeln hinsichtlich der Senkung des arteriellen Drucks zwar tatsächlich als wirksam oder den anderen Therapien überlegen angesehen wird, dass diese Überlegenheit von Perindopril aber in einem der beiden Artikel nur in Bezug auf einen einzigen der 16 ACE‑Hemmer, Captopril, behauptet wird. Diese Artikel stützen nicht die Behauptung, dass sich Perindopril hinsichtlich der Senkung des arteriellen Drucks positiv von den anderen ACE‑Hemmern unterscheide, u. a. den Arzneimitteln wie Ramipril, Lisinopril oder Enalapril, die Servier als Konkurrenzerzeugnisse von Perindopril ansieht.

1443

Zudem heißt es zwar im zweiten Artikel, Perindopril unterscheide sich hinsichtlich der Hypotonie der ersten Dosis positiv von den anderen ACE‑Hemmern, doch wird dort nichts dazu gesagt, welche Bedeutung dieser relativen Überlegenheit von Perindopril beizumessen ist, und nicht geprüft, welche therapeutischen Vorteile die anderen ACE‑Hemmer möglicherweise gegenüber Perindopril aufweisen.

1444

Was die in den 2000er Jahren, d. h. während des Untersuchungszeitraums, veröffentlichten medizinischen Studien angeht, führt die Kommission in Rn. 2208 des angefochtenen Beschlusses aus, sie habe die wichtigsten Studien analysiert, die die Verwendung von Perindopril einbezogen hätten und auf die sich die internen Strategiepapiere von Servier bezögen.

1445

So zeigten die Studien Progress (2001 veröffentlicht), Europa (2003 veröffentlicht), ASCOT‑BPLA (2005 veröffentlicht), Preami und CAFE (2006 veröffentlicht), Advance (2007 veröffentlicht) und HYVET (2008 veröffentlicht), dass es wissenschaftliche Beweise dafür gebe, dass Perindopril, in Verbindung mit anderen Arzneimitteln oder nicht, wirksam das Schlaganfallrisiko senke, Risiken schwerer kardiovaskulärer Vorfälle mit der Folge koronarer Herzkrankheiten vorbeuge und das linksventrikuläre Remodeling schrittweise reduziere.

1446

In keiner der in der vorstehenden Rn. 1445 genannten medizinischen Studien wird jedoch die Wirksamkeit von Perindopril mit der der anderen ACE‑Hemmer verglichen und behauptet, dass Perindopril wirksamer sei als diese. Unter diesen Umständen lassen die von der Kommission analysierten Studien nicht den Schluss zu, dass sich Perindopril hinsichtlich der Wirksamkeit von den anderen ACE‑Hemmern unterscheidet.

1447

Zudem sind im angefochtenen Beschluss nicht alle Studien, die den Einsatz von Perindopril in den 2000er Jahren einbeziehen, analysiert worden, darunter eine, die für dieses Arzneimittel nicht günstig erscheint. Die PEP‑CHF‑Studie (2006 veröffentlicht), die die Wirksamkeit von Perindopril bei der Behandlung der Herzinsuffizienz zeigen sollte, ist von der Kommission nicht analysiert worden. Dem Gutachten von Prof. V. zufolge, das im Auftrag von Servier erstellt und von dieser mit ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgelegt worden war, haben die Ergebnisse dieser Studie, die trotz deren Unterbrechung veröffentlicht wurden, keinerlei Wirksamkeit von Perindopril im Bereich der Herzinsuffizienz gezeigt. Aufgrund dieser medizinischen Studie sind die wissenschaftlichen Wirksamkeitsbeweise, die für Perindopril im Untersuchungszeitraum vorlagen, zu relativieren.

1448

Ferner sind im angefochtenen Beschluss nicht die in den 2000er Jahren veröffentlichten medizinischen Studien, die die Verwendung der anderen ACE‑Hemmer einbeziehen, analysiert worden, obwohl diese Studien in den internen Strategiepapieren von Servier enthalten waren. Die Kommission hat nicht die medizinischen Studien zu Ramipril (ASCOT‑BPLA, HOPE), Enalapril (SOLVD und ANBP2) und Trandolapril (TRACE) untersucht, die in Rn. 2234 des angefochtenen Beschlusses erwähnt werden. Die Cochrane-Studie, auf die Servier im Rahmen ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte Bezug genommen hat und in der die relative Wirksamkeit von 14 ACE‑Hemmern zur Blutdrucksenkung analysiert wird, ist im angefochtenen Beschluss nicht erwähnt.

1449

Der Umstand, dass die Kommission die Studien, die die Verwendung der anderen ACE‑Hemmer einbeziehen, nicht analysiert hat, ist ein zusätzlicher, ergänzender Grund dafür, dass die im angefochtenen Beschluss angeführten medizinischen Studien nicht als Beweis für eine besondere Wirksamkeit von Perindopril unter den ACE‑Hemmern angesehen werden können.

1450

Eine dieser Studien, die HOPE‑Studie (2000 veröffentlicht), hat die Kommission nicht analysiert, obwohl sie vielfach in den internen Strategiepapieren von Servier angeführt wird und nach den Orientierungsplänen von Servier eine wichtige Studie war, aus der sich für Ramipril eine neue Indikation mit erheblichem wirtschaftlichem Erfolg ergab und die von Sanofi-Aventis im Rahmen einer Mitteilung verwendet wurde, in der herausgestellt wurde, dass Ramipril Leben retten könne. Entgegen dem Vorbringen der Kommission ist der Inhalt der HOPE‑Studie im angefochtenen Beschluss nicht analysiert worden, in dessen Rn. 2493 es lediglich heißt, dass die Auslegung dieser Studie sehr weitgehend davon abhänge, wie die Studien den verschreibenden Ärzten im Rahmen der Werbeaktivitäten der Hersteller vermittelt würden, was keine Analyse des Inhalts dieser Studie darstellt.

1451

Die Cochrane-Studie (im April 2009 veröffentlicht) ist eine Metaanalyse, in der die relative Wirksamkeit der ACE‑Hemmer bei der Senkung des arteriellen Drucks auf der Grundlage von 92 früheren Studien, die 14 ACE‑Hemmer einbeziehen, beurteilt wird. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Fähigkeit zur Senkung des arteriellen Drucks offenkundig ein wesentlicher Faktor für die Beurteilung der relativen Wirksamkeit der ACE‑Hemmer ist. Die Cochrane-Studie kommt aber, wie die Klägerinnen zu Recht ausführen, zu dem Schluss, dass hinsichtlich der blutdrucksenkenden Wirksamkeit kein ACE‑Hemmer den anderen über- oder unterlegen ist. Die Cochrane-Studie ist zwar am Ende des Untersuchungszeitraums veröffentlicht worden, sie ist aber dennoch relevant für die Beurteilung der relativen Wirksamkeit der ACE‑Hemmer, da sie sich auf eine große Zahl früherer Studien stützt, einschließlich derjenigen, die die Kommission im angefochtenen Beschluss nicht analysiert hat.

1452

Die Kommission macht geltend, die Schlussfolgerung der Cochrane-Studie sei, dass Unterschiede zwischen den betreffenden Arzneimitteln hinsichtlich ihrer Fähigkeit zur Senkung des arteriellen Drucks nicht ausgeschlossen werden könnten und dass für die Feststellung, ob es solche Unterschiede gebe oder nicht, vergleichende Versuche mit den einzelnen ACE‑Hemmern in gleichwertiger Dosierung zur Senkung des arteriellen Drucks erforderlich seien. Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen, da die in der Studie gemachte Aussage zum Bestehen einer Unsicherheit hinsichtlich der Unterschiede in der Fähigkeit der ACE‑Hemmer zur Senkung des arteriellen Drucks im Teil „Diskussion“ der Studie enthalten ist und keine ihrer Schlussfolgerungen bildet. Der betreffende Abschnitt des Teils „Diskussion“ der Studie endet mit der Feststellung, dass die nahezu maximale den arteriellen Druck senkende Wirkung bei den verschiedenen ACE‑Hemmern höchstwahrscheinlich gleich sei.

1453

Die Kommission führt weiter aus, in der Cochrane-Studie habe die Frage der Nebenwirkungen auf der Grundlage der ihren Autoren zur Verfügung stehenden Daten nicht ordnungsgemäß untersucht werden können. Dieser Umstand wirkt sich jedoch jedenfalls nicht auf die Schlussfolgerung der Studie betreffend das Fehlen eines signifikanten Unterschieds zwischen den ACE‑Hemmern hinsichtlich der Senkung des arteriellen Drucks aus. Zum Vorbringen der Kommission, die Studie zeige Unterschiede zwischen den ACE‑Hemmern in Bezug auf das Dosis-Wirkungs-Verhältnis und die Zeit bis zum Wirkungseintritt auf, ist darauf hinzuweisen, dass die Studie nicht von signifikanten Unterschieden zwischen den ACE‑Hemmern in therapeutischer Hinsicht spricht, sondern vielmehr zu der Schlussfolgerung kommt, dass die Verschreibung des billigsten ACE‑Hemmers in geringster Dosierung erhebliche Einsparungen ermögliche.

1454

Somit kann das Vorbringen der Kommission eines der wesentlichen Ergebnisse der Cochrane-Studie, die ausdrücklich in deren Schlussfolgerungen und die Zusammenfassung aufgenommen wurden und wonach hinsichtlich der blutdrucksenkenden Wirksamkeit kein ACE‑Hemmer den anderen über- oder unterlegen sei, nicht in Frage stellen.

1455

Das Fehlen eines Unterschieds zwischen Perindopril und den anderen ACE‑Hemmern, u. a. hinsichtlich der Wirksamkeit, wird durch das im Auftrag von Servier erstellte Gutachten von Prof. V. bestätigt, dem die Kommission nicht entgegengetreten ist. In diesem Gutachten, in dem die Ergebnisse der medizinischen Studien, in denen der Einsatz von Perindopril untersucht wird, und die Ergebnisse der medizinischen Studien der 1980er, 1990er und 2000er Jahre, in denen der Einsatz anderer ACE‑Hemmer untersucht wird, u. a. die Studien SAVE betreffend Captopril, AIRE und HOPE betreffend Ramipril sowie Consensus und SOLVD betreffend Enalapril, heißt es, dass mit Ausnahme von Captopril und in wesentlich geringerem Maße von Enalapril alle ACE‑Hemmer für die Hauptindikationen dieser Klasse, d. h. Bluthochdruck und Herzinsuffizienz, in einer einzigen Tagesgabe verabreicht werden könnten. In dem Gutachten wird, wie in der Cochrane-Studie, betont, dass aus den medizinischen Studien kein Unterschied zwischen den ACE‑Hemmern in der blutdrucksenkenden Wirksamkeit hervorgehe. Im Bereich der Herzinsuffizienz seien die positiven Wirkungen dieser therapeutischen Klasse nach allen verfügbaren Studien zu Captopril, Enalapril, Ramipril, Quinapril und Lisinopril sämtlichen ACE‑Hemmern gemein. Zwar gebe es Beweise für die Wirksamkeit von Perindopril im Bereich der kardiovaskulären Prävention, doch fehlten solche Beweise für den Bereich der Herzinsuffizienz.

1456

Das Gutachten von Prof. V. gelangt zu dem Schluss, dass die therapeutischen Wirkungen für jede der fünf zur Behandlung des Bluthochdrucks eingesetzten therapeutischen Klassen, insbesondere die ACE‑Hemmer, auf klassenspezifische Wirkungen und nicht auf die individuellen Eigenschaften der verschriebenen Moleküle zurückzuführen seien. Dem Gutachten zufolge ist Ramipril der ACE‑Hemmer der zweiten Generation, für den die meisten Daten zur Verfügung stünden, die auf wissenschaftlichen Beweisen aus randomisierten klinischen Versuchen beruhten, und der wegen seines ausgezeichneten pharmakologischen Profils und der hohen Qualität seiner beweiskräftigen Daten, insbesondere im Bereich der Herzinsuffizienz, zum unbestrittenen Marktführer bei den Antihypertensiva geworden sei. Perindopril sei ein ACE‑Hemmer wie die anderen, der weder der wirkungsvollste noch der mit dem besten pharmakologischen Profil sei. Für Perindopril lägen Daten vor, die auf beweiskräftigen Anhaltspunkten im Bereich der kardiovaskulären Prävention beruhten, auch wenn die gewonnenen Ergebnisse nicht unbedingt zeigten, dass die beobachtete Wirkung Perindopril zuzuschreiben sei. Dagegen lägen keine Daten vor, die auf beweiskräftige Anhaltspunkte in den Bereichen Herzinsuffizienz und diabetische Nephropathie gestützt seien.

1457

Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, zeigen die veröffentlichten medizinischen Studien nicht, dass sich Perindopril in therapeutischer Hinsicht, u. a. in Bezug auf seine Wirksamkeit, von den anderen ACE‑Hemmern unterscheidet. Die Analyse der medizinischen Studien zeigt zudem, dass zwar Wirksamkeitsbeweise für Perindopril vorliegen, dass dies aber auch für andere ACE‑Hemmer wie Enalapril, Lisinopril oder Ramipril gilt, wobei für Letzteres mehr Wirksamkeitsbeweise im Bereich der Herzinsuffizienz vorliegen.

1458

Als Fünftes machen die Klägerinnen geltend, die Politik lokaler Gesundheitsbehörden im Vereinigten Königreich bestätige, dass Perindopril aus therapeutischer Sicht durch andere ACE‑Hemmer substituierbar sei. Sie stützen sich hierfür auf mehrere Anlagen betreffend die Politik der PCT (Primary Care Trusts).

1459

Die Kommission führt hierzu aus, zum einen müsse die von den Klägerinnen vorgelegte Anlage C 29 betreffend die PCT von Schottland und von Nordirland als unzulässig zurückgewiesen werden und zum anderen verstoße die Verwendung der Anlagen A 286, A 287 und C 29 betreffend die Politik der lokalen Behörden im Vereinigten Königreich gegen Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 76 der Verfahrensordnung des Gerichts.

1460

Gemäß Art. 85 Abs. 2 der Verfahrensordnung können die Hauptparteien für ihr Vorbringen noch in der Erwiderung oder in der Gegenerwiderung Beweise oder Beweisangebote vorlegen, sofern die Verspätung der Vorlage gerechtfertigt ist. Nach der Rechtsprechung sind jedoch der Gegenbeweis und die Erweiterung der Beweisangebote im Anschluss an einen Gegenbeweis der Gegenpartei in der Klagebeantwortung von dieser Präklusionsvorschrift nicht erfasst. Diese Vorschrift betrifft nämlich neue Beweismittel und ist im Zusammenhang mit Art. 92 Abs. 7 der Verfahrensordnung zu sehen, der ausdrücklich vorsieht, dass Gegenbeweis und Erweiterung des Beweisantritts vorbehalten bleiben (Urteile vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C‑185/95 P, EU:C:1998:608, Rn. 71 und 72, und vom 5. Dezember 2006, Westfalen Gassen Nederland/Kommission, T‑303/02, EU:T:2006:374, Rn. 189).

1461

Im vorliegenden Fall können die den Klägerinnen als Anlage C 29 vorgelegten Beweisstücke betreffend die PCT von Schottland und von Nordirland nicht mit der Begründung für unzulässig erklärt werden, dass sie unter Missachtung von Art. 85 Abs. 2 der Verfahrensordnung in der Erwiderung vorgelegt worden seien. Wie die Klägerinnen nämlich in Rn. 417 der Erwiderung ausführen, wird mit den in Anlage C 29 vorgelegten Beweisstücken auf die von der Kommission in der Klagebeantwortung geäußerte Kritik eingegangen, dass es sich bei der Politik der PCT um individuelle Vorgehensweisen mit lediglich theoretischer Wirkung handle. Die Präklusionsvorschrift des Art. 85 Abs. 2 der Verfahrensordnung ist daher auf diese Beweisstücke nicht anzuwenden, so dass sie zulässig sind.

1462

Zur Verwendung der Anlagen A 286 und A 287 zu der am 21. September 2014 eingereichten Klageschrift, die die Empfehlungen und die Politik der lokalen Behörden im Vereinigten Königreich betreffen, ist sodann festzustellen, dass sie im Einklang mit Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 44 § 1 der damals geltenden Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 steht. Auch die Verwendung der Anlage C 29 zu der am 29. Juli 2015 eingereichten Erwiderung, die die von den PCT von Schottland und von Nordirland stammenden Dokumente betrifft, steht im Einklang mit Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 76 der Verfahrensordnung des Gerichts. Für die Zulässigkeit einer Klage ist es nach ständiger Rechtsprechung erforderlich, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf denen sie beruht, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich, aus dem Wortlaut der Klageschrift selbst ergeben. Diese Auslegung von Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 44 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 gilt auch für die Voraussetzungen der Zulässigkeit der Erwiderung, die die Klageschrift ergänzen soll (Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 94 und 95 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall sind die Anlagen A 286, A 287 und C 29 zwar umfangreich und enthalten eine Fülle von Dokumenten, doch benennen die Klägerinnen in der Klageschrift und sodann in der Erwiderung selbst die geltend gemachten Klagegründe und Argumente. Mit der Vorlage dieser Anlagen, die von den PCT im Vereinigten Königreich, einschließlich Schottlands und Nordirlands, stammende Dokumente enthalten, untermauern die Klägerinnen ihr Vorbringen, mit dem sie dartun wollen, dass die PCT sich für die therapeutische Gleichwertigkeit von Perindopril und den anderen ACE‑Hemmern ausgesprochen und den Allgemeinärzten nahegelegt hätten, Perindopril durch andere ACE‑Hemmer zu ersetzen, und dass sich diese Politik, bei der es sich nicht um individuelle Vorgehensweisen handle, tatsächlich auf die Nachfrage auf lokaler Ebene ausgewirkt habe.

1463

Die Kommission kann daher nicht mit Erfolg geltend machen, dass die von den Klägerinnen vorgelegten Anlagen A 286, A 287 und C 29 im Verfahren nicht zu berücksichtigen seien.

1464

Im Übrigen geht aus den Akten, u. a. aus Rn. 2280 des angefochtenen Beschlusses, hervor, dass einige PCT seit 2005 ausdrücklich die Ansicht vertraten, dass Perindopril nicht wirksamer sei als ein anderer ACE‑Hemmer, und aus Kostengründen den Einsatz anderer ACE‑Hemmer als Perindopril oder dessen Substitution durch einen anderen ACE‑Hemmer, insbesondere Lisinopril oder Ramipril, empfahlen. Zu Unrecht macht die Kommission geltend, die von den Klägerinnen vorgelegten Dokumente betreffend die PCT ließen individuelle Erwägungen und Überlegungen erkennen. Diese Politik der zuständigen Stellen, bei denen es sich überdies um eine beträchtliche Anzahl von PCT mehrerer Regionen des Vereinigten Königreichs handelt, kann nämlich nicht als Ausdruck bloßer individueller Überlegungen angesehen werden. Unabhängig von den konkreten Auswirkungen der Initiativen der PCT widerspricht deren Beurteilung der Möglichkeit, Perindopril durch die anderen ACE‑Hemmer zu substituieren, der von der Kommission vorgenommenen Analyse der Heterogenität der Klasse der ACE‑Hemmer.

1465

Folglich bestätigt die Politik der zuständigen Gesundheitsbehörden im Vereinigten Königreich, dass sich Perindopril in therapeutischer Hinsicht nicht von den anderen ACE‑Hemmern unterscheidet.

1466

Sechstens beruft sich die Kommission zu Unrecht auf die internen Dokumente von Servier als Beweis für besondere therapeutische Eigenschaften von Perindopril gegenüber den anderen ACE‑Hemmern.

1467

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Glaubhaftigkeit eines Schriftstücks und damit sein Beweiswert nach den allgemeinen Beweisgrundsätzen von seiner Herkunft, den Umständen seiner Entstehung, seinem Adressaten und davon abhängt, ob es seinem Inhalt nach vernünftig und verlässlich wirkt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Oktober 1991, Atochem/Kommission, T‑3/89, EU:T:1991:58, Rn. 31 bis 38, und vom 11. März 1999, Ensidesa/Kommission, T‑157/94, EU:T:1999:54, Rn. 312; Schlussanträge des zum Generalanwalt bestellten Richters Vesterdorf in der Rechtssache Rhône-Poulenc/Kommission, T‑1/89, EU:T:1991:38).

1468

Im vorliegenden Fall stellen die internen Dokumente von Servier, da sie Beurteilungen über den therapeutischen Einsatz von ACE‑Hemmern enthalten, die den Absatz von Perindopril fördern sollen, im Gegensatz zu den medizinischen Empfehlungen keine ausgewogene Zusammenfassung des wissenschaftlichen Kenntnisstands dar. Anders als die medizinischen Studien beruhen sie auch nicht auf einer Methode, die dazu bestimmt ist, die Zuverlässigkeit der gewonnenen Ergebnisse sicherzustellen. Bei der Analyse der Auszüge aus diesen Dokumenten ist daher zu berücksichtigen, dass mit manchen von ihnen ein Werbeziel verfolgt wird.

1469

So ergibt sich aus den internen Strategiepapieren, dass Servier die Eigenschaften von Perindopril im Rahmen der für die Ärzte bestimmten Werbebotschaften günstig dargestellt hat. In den Dokumenten, in denen die Werbemaßnahmen von Servier zusammengefasst sind, wird auf die positiven Ergebnisse von Perindopril verwiesen und unter Berufung auf medizinische Studien sogar von einer einzigartigen Wirkungsweise, der Möglichkeit, Perindopril positiv von den Konkurrenzerzeugnissen zu unterscheiden, oder gar einer Überlegenheit von Perindopril gegenüber anderen ACE‑Hemmern in Bereichen wie denen des Variationsratio seiner Plasmakonzentration, der Wirksamkeit zur Senkung des arteriellen Drucks, der Synergie in Verbindung mit einem Diuretikum oder des kardiovaskulären Schutzes gesprochen.

1470

Wie bereits dargelegt, ist der Inhalt dieser Botschaften unter Berücksichtigung ihres Werbeziels zu analysieren. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Kommission nicht das Vorbringen der Klägerinnen bestreitet, dass alle ACE‑Hemmer im Rahmen ihrer jeweiligen Werbebotschaften als die Besten dargestellt wurden. Zudem zeigen die internen Strategiepapiere von Servier, aber auch die in den Akten enthaltenen Orientierungspläne, Markteinführungspläne und Werbebotschaften für andere ACE‑Hemmer, dass in den Werbekampagnen für andere ACE‑Hemmer, wie denen für Lisinopril oder für Trandolapril, deren therapeutische Eigenschaften ebenfalls sehr gepriesen werden. In den Werbekampagnen für die anderen ACE‑Hemmer wird das Arzneimittel häufig als führendes Erzeugnis, als einzigartig unter den ACE‑Hemmern beschrieben und als Referenzerzeugnis oder als die beste Wahl bezeichnet. In den Werbekampagnen werden die dem betreffenden Arzneimittel zugeschriebenen Vorzüge innerhalb der Klasse der ACE‑Hemmer hinsichtlich Indikationen, Wirksamkeit oder Verträglichkeit herausgestellt. Sie enthalten manchmal direkte Vergleiche mit Perindopril, in einigen wird von einer Überlegenheit des Arzneimittels gegenüber Perindopril gesprochen. Unter diesen Umständen erlaubt der Inhalt der in den internen Strategiepapieren von Servier enthaltenen Werbebotschaften für Perindopril nicht die Feststellung, dass sich dieses Arzneimittel in therapeutischer Hinsicht von den anderen ACE‑Hemmern unterscheidet.

1471

Ferner lassen die internen Strategiepapiere von Servier in ihrer Gesamtheit keine therapeutische Überlegenheit von Perindopril gegenüber den anderen ACE‑Hemmern erkennen. Aus diesen Dokumenten geht hervor, dass dank der Studien wie TRACE, AIRE oder HOPE Beweise für Indikationen und Wirksamkeit zugunsten anderer ACE‑Hemmer, wie etwa Ramipril, Lisinopril und Enalapril, vorliegen. Insbesondere Ramipril wird als ein Arzneimittel angeführt, für das Wirksamkeitsbeweise im Bereich der Herzinsuffizienz bei Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko und bei Diabetikern vorliegen.

1472

Schließlich legt die Kommission u. a. in den Rn. 2224 bis 2236 des angefochtenen Beschlusses dar, den internen Dokumenten von Servier zufolge zielten die Werbekampagnen namentlich darauf ab, Perindopril von den anderen ACE‑Hemmern zu unterscheiden. Aus diesen Dokumenten geht jedoch hervor, dass die Werbekampagnen nicht genügten, um die Ärzte von dem Unterschied zwischen Perindopril und anderen ACE‑Hemmern zu überzeugen. In diesen Dokumenten wird z. B. eine im Juli 2007 bei Allgemeinärzten und Kardiologen erstellte Qualitätsstudie erwähnt, wonach Perindopril und Ramipril als einander ähnlich angesehen wurden. Am Ende des Untersuchungszeitraums wird im Orientierungsplan für die Jahre 2009-2010 die mangelnde Differenzierung im Verhältnis zu Ramipril betont. Für die Niederlande heißt es in den Orientierungsplänen 2006-2007, 2007-2008 und 2008-2009, dass viele Allgemeinärzte Lisinopril als Perindopril gleichwertig ansähen.

1473

Folglich zeigen die internen Dokumente von Servier nicht, dass Perindopril wegen besonderer therapeutischer Eigenschaften als von den anderen ACE‑Hemmern verschieden anerkannt wurde. Wie andere ACE‑Hemmer vertreibende Unternehmen versuchte Servier zwar, Perindopril mittels einer anpreisenden Botschaft zu fördern und positiv zu differenzieren, doch gelang es diesen Dokumenten zufolge mit dieser Strategie nicht, Perindopril hinreichend von den anderen ACE‑Hemmern zu differenzieren.

1474

Als Siebtes hat die Kommission ihre Beurteilung der therapeutischen Substituierbarkeit von Perindopril auf eine Umfrage unter den verschreibenden Ärzten gestützt.

1475

Zur Bestimmung der Empfänger der Fragebögen hat sich die Kommission auf ein von Servier zur Verfügung gestelltes Verzeichnis von Perindopril verschreibenden Ärzten gestützt, das u. a. alle Kardiologen und Allgemeinärzte, zu denen Servier in beruflicher und geschäftlicher Beziehung stand, enthalten sollte. Während manche dieser Verzeichnisse fast alle verschreibenden Ärzte enthielten, war dies bei dem Verzeichnis der französischen Allgemeinärzte und derjenigen des Vereinigten Königreichs nicht der Fall. Unter diesen Umständen besteht, wie Servier geltend macht, hinsichtlich dieser beiden Empfängerkategorien eine Auswahlverzerrung. Diese Verzerrung konnte sich für diese beiden Kategorien auf die Ergebnisse der Umfrage auswirken, da es möglich ist, dass die in beruflicher Beziehung zu Servier stehenden Ärzte im Rahmen ihrer Berufsausübung Perindopril in höherem Maße verschrieben als andere verschreibende Ärzte, die sich nicht in dieser Lage befanden.

1476

Zudem entspricht die Darstellung bestimmter Ergebnisse der Umfrage nicht den Fragen, die den verschreibenden Ärzten gestellt worden waren. So hat die Kommission in Rn. 2392 des angefochtenen Beschlusses den Prozentsatz der Antwortenden angegeben, für die Perindopril die bevorzugte First-line- oder Second-line-Behandlung bei essenzieller (primärer) Hypertonie, chronischen ischämischen Herzkrankheiten und Herzinsuffizienz war. Die Klägerinnen machen indes unwidersprochen geltend, dass in der Umfrage selbst nicht von einer „bevorzugten“ Behandlung gesprochen, sondern die Frage gestellt werde, für welche Herz-Kreislauf-Erkrankungen Perindopril als „First‑/Second-line-Behandlung gegenüber anderen Behandlungen“ verschrieben werde. Eine Bejahung dieser Frage bedeutet nicht, dass Perindopril bevorzugt gegenüber anderen ACE‑Hemmern verschrieben wird, und lässt nicht erkennen, zu welchem Anteil Perindopril zur First-line-Behandlung von Bluthochdruck verschrieben wird. Ebenso bedeutet eine Bejagung der Fragen nach der besonderen Wirksamkeit von Perindopril bei bestimmten Patientengruppen und nach selteneren Nebenwirkungen bei bestimmten Patientengruppen angesichts der Formulierung der Fragen nicht unbedingt, dass sich Perindopril aus der Sicht des verschreibenden Arztes von den anderen ACE‑Hemmern unterscheidet.

1477

Im Übrigen geht aus den Ergebnissen dieser Umfrage hervor, dass es für 51 % der Antwortenden für 81 % bis 100 % der Patienten zu Beginn einer Behandlung mit Perindopril ein gleichwertiges Arzneimittel gab. Daraus ist abzuleiten, dass eine Mehrzahl der befragten Ärzte es aus therapeutischer Sicht für möglich hielt, Perindopril durch ein anderes Arzneimittel zu substituieren, und dies für den größten Teil der Patienten, die mit einer Behandlung begannen. Die Kommission räumt zudem in Rn. 2454 des angefochtenen Beschlusses ein, dass eine Mehrheit der Antwortenden andere Arzneimittel als gleichwertige therapeutische Alternativen zu Perindopril ansahen. Der Kommission zufolge nannten die Ärzte als Alternative in Frankreich, in Polen und im Vereinigten Königreich am häufigsten Ramipril und in den Niederlanden Enalapril.

1478

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die von der Kommission durchgeführte Umfrage die These einer Differenzierung von Perindopril gegenüber den anderen ACE‑Hemmern nicht bestätigt.

1479

Als Achtes geht aus den Antworten der Hersteller anderer ACE‑Hemmer auf die ihnen von der Kommission gestellten Fragen, die in den Rn. 2255 ff. des angefochtenen Beschlusses analysiert werden, hervor, dass AstraZeneca, der Hersteller von Lisinopril, Perindopril unter fünf anderen ACE‑Hemmern als ein Substitut für ihr Lisinopril bis zum Ablaufdatum ihres Patents ansah. Merck Sharp & Dohme (MSD), die Enalapril und Lisinopril herstellt, erklärte, dass Servier eines der Unternehmen sei, das mit ihr im Bereich Bluthochdruck konkurriere, und dass deren Erzeugnis, Perindopril, eines der Arzneimittel sei, die alternativ zu ihrem Erzeugnis zur Behandlung von Bluthochdruck eingesetzt werden könnten. Ferner erwähnt die Kommission im angefochtenen Beschluss die Ansicht von Sanofi-Aventis, dass Perindopril und Ramipril keine „Substitute voneinander“ seien, weil Rampiril zum einen wegen seiner weiteren Indikationen im Bereich der Verringerung der kardiovaskulären Mortalität für eine deutlich größere Population und zum anderen zu Behandlungsbeginn in einer weiteren Dosierungsbandbreite eingesetzt werden könne. Sollte dies der Fall sein, könnten diese Faktoren zwar die Möglichkeiten einer Substitution von Ramipril durch Perindopril, aber jedenfalls nicht die einer Substitution von Perindopril durch Ramipril begrenzen. Sie verhindern demnach nicht, dass Ramipril als ein Erzeugnis angesehen werden kann, durch das Perindopril in therapeutischer Hinsicht substituierbar ist.

1480

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Antworten der Hersteller der Originalpräparate auf die Fragen der Kommission bestätigen, dass Perindopril in therapeutischer Hinsicht durch die anderen ACE‑Hemmer substituiert werden kann.

1481

Aufgrund des gesamten Akteninhalts ist festzustellen, dass in therapeutischer Hinsicht, einschließlich Wirksamkeit und Nebenwirkungen, kein signifikanter Unterschied zwischen Perindopril und den anderen ACE‑Hemmern besteht. Die Akten enthalten keinen objektiven wissenschaftlichen Beweis für eine therapeutische Überlegenheit von Perindopril gegenüber den anderen ACE‑Hemmern. Die ACE‑Hemmer werden von den verschreibenden Ärzten sehr weitgehend als untereinander substituierbar angesehen, und viele Arzneimittel werden von den Ärzten als Perindopril therapeutisch gleichwertig betrachtet. Folglich hat die Kommission zu Unrecht befunden, dass die Klasse der ACE‑Hemmer heterogen sei und dass Perindopril innerhalb dieser Arzneimittelklasse besondere therapeutische Eigenschaften aufweise.

1482

Mithin ist dem Vorbringen der Klägerinnen zu folgen, dass die Kommission die therapeutische Substituierbarkeit der ACE‑Hemmer fehlerhaft beurteilt habe.

ii) Zum Phänomen der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte bei Neupatienten

1483

Den Rn. 2388, 2511 ff. und 2539 ff. des angefochtenen Beschlusses zufolge hat die Kommission Perindopril als ein „Erfahrungsgut“ angesehen, das wegen des wohlbekannten Phänomens der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte einem begrenzten Wettbewerbsdruck bei Neupatienten ausgesetzt sei. Auch wenn den Ärzten viele Therapien zur Verfügung stünden, hätten sie doch eine natürliche Tendenz, Neupatienten Arzneimittel zu verschreiben, die sich in der Vergangenheit als wirksam erwiesen hätten.

1484

Der Kommission zufolge bestand für Perindopril schon vor dem Untersuchungszeitraum eine breite Basis von Patienten mit Langzeitgebrauch. Das Phänomen der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte, das die Substituierbarkeit der verfügbaren Therapien untereinander beschränke, habe einen Mechanismus dargestellt, der die Konsolidierung der Kundenbasis für Perindopril erlaubt habe. Das Bestehen einer wachsenden Gruppe treuer verschreibender Ärzte sei die Erklärung für das ständige Anwachsen der Basis von mit Perindopril behandelten Patienten.

1485

Die Klägerinnen treten diesem Vorbringen der Kommission entgegen und machen im Wesentlichen geltend, dass zwischen den Herstellern von ACE‑Hemmern lebhafter Wettbewerb geherrscht habe und dass es keine signifikante „Unbeweglichkeit“, sondern nur ein fehlendes Preisbewusstsein der verschreibenden Ärzte gegeben habe.

1486

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das Phänomen der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte, das die Kommission als die „natürliche“ Tendenz definiert, Neupatienten Arzneimittel zu verschreiben, mit denen bei Altpatienten gute Ergebnisse erzielt worden seien, ist, wie die Kommission in Rn. 2540 des angefochtenen Beschlusses selbst einräumt, ein Faktor, der zeitlichen Veränderungen unterliegen kann und von der Art der Krankheit abhängt. Dies ist eine empirische Frage, die eine sorgfältige Einzelfallprüfung erfordert.

1487

Wie das Gericht in der Rechtssache entschieden hat, in der das Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission (T‑321/05, EU:T:2010:266), ergangen ist, kann die „Unbeweglichkeit“ in der Verschreibungspraxis ihren Grund u. a. in der Zurückhaltung haben, mit der die Ärzte üblicherweise einem neuen Produkt begegnen, dessen Eigenschaften sie noch nicht genau kennen, insbesondere aber in ihren erheblichen Bedenken hinsichtlich etwaiger, z. B. karzinogener Nebenwirkungen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 91, 92 und 98).

1488

Somit ist anhand der Umstände des vorliegenden Falles zu prüfen, in welchem Maße ein Phänomen der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte die wechselseitige Substituierbarkeit der verfügbaren Therapien beschränken und die Entwicklung der Basis der mit Perindopril behandelten Patienten, die von der Kommission als ständig wachsend beschrieben wird, erklären konnte.

1489

Als Erstes geht, wie bereits dargelegt, aus den Akten nicht hervor, dass die ACE‑Hemmer in therapeutischer Hinsicht heterogen waren. Es bestehen im Gegenteil keine signifikanten Unterschiede in therapeutischer Hinsicht, einschließlich Wirksamkeit und Nebenwirkungen, zwischen Perindopril und den anderen ACE‑Hemmern. Da die Klasse der ACE‑Hemmer nicht heterogen ist, war die Freiheit der Ärzte, andere ACE‑Hemmer als Perindopril zu verschreiben, durch nichts beschränkt. Der Inhalt der Akten legt insbesondere nicht nahe, dass in Bezug auf die anderen ACE‑Hemmer besondere Bedenken hinsichtlich etwaiger Nebenwirkungen bestanden. Unter diesen Umständen bestehen im vorliegenden Fall keine besonderen Bedenken bezüglich des therapeutischen Einsatzes oder etwaiger Nebenwirkungen der ACE‑Hemmer, die ein hohes Maß an „Unbeweglichkeit“ der Ärzte, die Perindopril bereits verschrieben hatten, auslösen konnten, wenn diese Ärzte sich dafür entschieden, für Neupatienten den einen oder den anderen ACE‑Hemmer zu verschreiben.

1490

Es ist zu beachten, dass sich die Situation von Perindopril gegenüber den anderen ACE‑Hemmern von der Situation der PPI gegenüber den H2‑Blockern in der Rechtssache, in der das Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission (T‑321/05, EU:T:2010:266), ergangen ist, unterscheidet. Die PPI und die H2‑Blocker, um die es in jener Rechtssache ging, wurden nämlich unterschiedlich verwendet; während die PPI im Wesentlichen zur Behandlung schwerer Formen von säurebedingten Magen-Darm-Erkrankungen verschrieben wurden, wurden die H2‑Blocker zur Behandlung weniger schwerer oder leichter Formen dieser Erkrankungen verschrieben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 72). Von den H2‑Blockern konnte u. a. wegen der großen Bedeutung, die Ärzte und Patienten der therapeutischen Überlegenheit der PPI beimaßen, kein signifikanter Wettbewerbsdruck auf die PPI ausgehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Dezember 2012, AstraZeneca/Kommission, C‑457/10 P, EU:C:2012:770, Rn. 58). Im vorliegenden Fall ist keinerlei therapeutische Überlegenheit von Perindopril gegenüber den anderen ACE‑Hemmern dargetan, die einen signifikanten Wettbewerbsdruck der ACE‑Hemmer auf Perindopril in Bezug auf Neupatienten verhindern kann.

1491

Überdies wurde Perindopril nach mehreren anderen ACE‑Hemmern, u. a. nach Lisinopril und Enalapril in Frankreich, in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich und nach Enalapril in Polen, auf den Markt gebracht. Perindopril konnte daher gegenüber den vor ihm auf den Markt gebrachten ACE‑Hemmern kein Phänomen der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte zugutekommen, das mit der Zurückhaltung zusammenhängt, mit der diese üblicherweise einem neuen Produkt begegnen, dessen Eigenschaften sie noch nicht genau kennen.

1492

Somit geht aus den Akten nicht hervor, dass Perindopril gegenüber den anderen ACE‑Hemmern angesichts von deren therapeutischen Eigenschaften und des Zeitpunkts des Inverkehrbringens von Perindopril ein besonderes Maß an „Unbeweglichkeit“ in der Verschreibungspraxis der Ärzte zugutegekommen ist.

1493

Als Zweites muss die im angefochtenen Beschluss genannte Begründung, für Perindopril habe schon vor dem Untersuchungszeitraum eine breite Basis von Patienten in Langzeitbehandlung bestanden, erheblich relativiert werden.

1494

Aus den Akten ergibt sich, dass Perindopril im Januar 2000 in allen betroffenen Ländern über eine viel schmalere Patientenbasis als andere ACE‑Hemmer wie Ramipril, Enalapril oder Lisinopril verfügte. Beim Verkauf von Tabletten und Kapseln lag Perindopril im Vereinigten Königreich an vierter Stelle hinter Lisinopril, Enalapril und Ramipril mit einem dreimal geringeren Verkaufsvolumen als Lisinopril, in den Niederlanden an dritter Stelle hinter Enalapril und Lisinopril mit einem zehnmal geringeren Verkaufsvolumen als Enalapril, in Frankreich an zweiter Stelle hinter Ramipril und in Polen an zweiter Stelle hinter Enalapril mit einem sechsmal geringeren Verkaufsvolumen als dieses.

1495

Unter diesen Umständen konnte ein Mechanismus der „Unbeweglichkeit“ in der Verschreibungspraxis der Ärzte, den Beweis seines Bestehens unterstellt, Perindopril angesichts der relativen Schmalheit seiner Basis an Patienten in Langzeitbehandlung im Vergleich zu der der anderen ACE‑Hemmer, die hinsichtlich des Verkaufsvolumens in einer stärkeren Stellung waren, nicht in besonderem Maße zugutekommen.

1496

Als Drittes müssen die im angefochtenen Beschluss getroffene Feststellung des anhaltenden Wachstums der Basis der mit Perindopril behandelten Patienten und allgemeiner die Feststellung des kommerziellen Erfolgs von Perindopril angesichts der Situation der anderen ACE‑Hemmer ebenfalls relativiert werden.

1497

Unter den ACE‑Hemmern ist, wie sich aus den Akten ergibt, Perindopril im Untersuchungszeitraum nicht das erfolgreichste Arzneimittel der Klasse der ACE‑Hemmer. In Rn. 2129 des angefochtenen Beschlusses heißt es zwar, der weltweite Absatz an Erzeugnissen, die Perindopril von Servier enthielten, habe im besten Jahr über 800 Mio. Euro gelegen, doch wird in diesem Beschluss keinerlei Größenordnung des von den anderen Herstellern von ACE‑Hemmern erzielten weltweiten Umsatzes genannt. Hierzu haben die Klägerinnen in der Sitzung unwidersprochen vorgetragen, dass Perindopril in der entscheidungserheblichen Zeit auf Rang 143 der weltweit meistverkauften Moleküle gelegen habe, während z. B. Ramipril von Sanofi-Aventis den 72. Rang eingenommen habe. Perindopril sei auf einigen nationalen Märkten präsent, fehle aber praktisch auf so wichtigen Märkten wie dem deutschen, auf dem in der entscheidungserheblichen Zeit weniger als 1 % der Verkäufe von Arzneimitteln der Klasse der ACE‑Hemmer auf Perindopril entfallen seien. Den Klägerinnen zufolge war Ramipril in diesem Zeitraum unter den Arzneimitteln der Klasse der ACE‑Hemmer weltweit führend.

1498

Auf den vier von der Kommission ausgewählten nationalen räumlichen Märkten war, wie sich aus den Akten ergibt, Perindopril von Servier trotz seines steigenden Absatzes unter den ACE‑Hemmern in dem vom angefochtenen Beschluss erfassten Zeitraum niemals führend beim Absatz von Tabletten und Kapseln. Nach den im angefochtenen Beschluss enthaltenen Daten zum Absatz von Tabletten und Kapseln lag Perindopril an dritter Stelle in den Niederlanden (im November 2007) und im Vereinigten Königreich (im Juni 2007) und an zweiter Stelle in Frankreich (im August 2008) und in Polen (im Mai 2006) mit einem Verkaufsvolumen auf den einzelnen nationalen Märkten mit Ausnahme des französischen weit unter dem des Marktführers.

1499

Der Absatz von Perindopril ist zwar in dem in Rede stehenden Zeitraum auf den vier nationalen Märkten zusammengenommen gestiegen, doch ist dies auch bei anderen ACE‑Hemmern wie Ramipril und Lisinopril der Fall. Angesichts der im angefochtenen Beschluss enthaltenen Daten zum Absatz von Tabletten und Kapseln ist festzustellen, dass die Verkäufe von Lisinopril im Jahr 2000 stetig angestiegen sind, während der Anstieg der Verkäufe von Ramipril im selben Zeitraum deutlich höher war als der von Perindopril.

1500

Unter Berücksichtigung der Entwicklung des Absatzes der anderen ACE‑Hemmer muss die Bedeutung des im angefochtenen Beschluss erwähnten Phänomens des kontinuierlichen Anstiegs des Absatzes von Perindopril relativiert werden.

1501

Als Viertes wird durch die erheblichen Schwankungen der relativen Verkäufe der ACE‑Hemmer in den 2000er Jahren das Bestehen eines hohen Maßes an „Unbeweglichkeit“ in der Verschreibungspraxis der Ärzte in Frage gestellt.

1502

Zunächst geht aus dem von Servier in Auftrag gegebenen CRA-Bericht vom Januar 2013 hervor, dass die relativen Verkäufe der ACE‑Hemmer zwischen 2001 und 2010 erheblich geschwankt haben, wobei die jeweiligen Positionen der Arzneimittel sich uneinheitlich entwickelt haben. So stieg zwischen 2001 und 2010 der Anteil von Perindopril am Gesamtabsatz von ACE‑Hemmern, ausgedrückt in definierten Tagesdosen, im Vereinigten Königreich wenig (und verharrte bei zwischen 5 % und 10 %), während sich der von Ramipril nahezu verdoppelte (nämlich von zwischen 30 % und 40 % auf zwischen 60 % und 70 %) und der Anteil von Lisinopril stark sank. In Polen ging der Anteil von Perindopril am Absatz im selben Zeitraum stark zurück (von zwischen 15 % und 20 % auf zwischen 10 % und 15 %), während Ramipril eine beträchtliche Steigerung verzeichnete (von zwischen 0 und 5 % auf zwischen 60 % und 70 %). In den Niederlanden stieg der jeweilige Anteil von Perindopril und Ramipril nur geringfügig, nämlich bei beiden auf zwischen 10 % und 20 % im Jahr 2010, während auf Enalapril zu diesem Zeitpunkt noch zwischen 40 % und 50 % des Absatzes entfielen. In Frankreich ging der Verkauf von Lisinopril stark zurück (von einem Anteil zwischen 30 % und 40 % im Jahr 2001 auf einen Anteil von zwischen 5 % und 10 % im Jahr 2010), während der Anteil von Perindopril am Gesamtabsatz zwar erheblich (von zwischen 10 % und 15 % auf zwischen 20 % und 30 %), aber doch weniger stark anstieg als der von Ramipril (bei dem er sich von zwischen 20 % und 30 % auf zwischen 50 % und 60 % steigerte).

1503

Die Kommission macht geltend, die Berechnung des Anteils der Verkäufe der einzelnen ACE‑Hemmer am Gesamtabsatz dieser Arzneimittelklasse sei unrichtig, weil sie auf dem in definierten Tagesdosen ausgedrückten Absatz beruhe, wodurch die Entwicklung der Verkäufe der anderen ACE‑Hemmer, u. a. Ramipril, überschätzt werde.

1504

Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission selbst das Volumen der Verkäufe der ACE‑Hemmer in erster Linie anhand der definierten Tagesdosen untersucht hat und deshalb a priori nicht geltend machen kann, eine solche Berechnung sei ungeeignet, um die zeitliche Entwicklung des Absatzes der ACE‑Hemmer zu analysieren, will sie nicht ihre eigene Analyse in Frage stellen. Die Kommission legt auch keine alternative, auf vermeintlich zuverlässigere Daten gestützte Analyse der Entwicklung der relativen Verkäufe der einzelnen ACE‑Hemmer vor. Zudem trägt die Kommission zwar vor, diese Art der Berechnung führe zu einer Aufblähung des Umsatzes von Ramipril um einen Faktor zwei oder mehr, sie erläutert jedoch nicht ihre These, dass diese Art der Berechnung auch zu einer Überbewertung des Anteils der Verkäufe der anderen ACE‑Hemmer als Ramipril führe. Schließlich geht jedenfalls aus den begrenzten Daten über den in Tabletten und Kapseln ausgedrückten Absatz von ACE‑Hemmern, die im angefochtenen Beschluss enthalten sind, hervor, dass es in jedem der in diesem Beschluss untersuchten Länder zwischen Januar 2000 und den Jahren 2006 bis 2008 erhebliche, von der Kommission im Übrigen nicht bestrittene, Veränderungen in den jeweiligen Positionen der verschiedenen ACE‑Hemmer gegeben hat.

1505

Die Kommission macht weiter geltend, zum einen beruhe der Vergleich zwischen den Marktanteilen der ACE‑Hemmer auf der Annahme eines von sämtlichen ACE‑Hemmern gebildeten Marktes, während die Marktabgrenzung gerade auf die Begrenzung des relevanten Marktes abziele, und zum anderen lasse sich aus der Analyse nicht unmittelbar ableiten, dass der Anstieg des Ramipril-Absatzes auf Kosten des Absatzes von Perindopril gegangen sei.

1506

Auch wenn es zutrifft, dass die Berechnung der Marktanteile von Perindopril die vorherige Abgrenzung des Marktes erfordert und folglich der Begriff der Marktanteile der einzelnen ACE‑Hemmer im vorliegenden Fall nicht herangezogen werden kann, ist doch die Analyse der Entwicklung der relativen Verkäufe der ACE‑Hemmer, die nicht das Bestehen eines Marktes der ACE‑Hemmer voraussetzt, nicht ohne Relevanz für die Abgrenzung des relevanten Marktes.

1507

Zudem vertreten die Klägerinnen nicht die Ansicht, dass die Schwankungen bei den relativen Verkäufen der ACE‑Hemmer unmittelbar die Behauptung stützten, dass Perindopril dem Wettbewerbsdruck der anderen ACE‑Hemmer ausgesetzt sei. Sie machen geltend, dass die Schwankungen bei den relativen Verkäufen der ACE‑Hemmer innerhalb eines einzelnen Landes nicht das Bestehen eines hohen Maßes an „Unbeweglichkeit“ in der Verschreibungspraxis der Ärzte bei ACE‑Hemmern bestätigten. Die Kommission erläutert insoweit nicht, wie sich der von ihr im angefochtenen Beschluss hervorgehobene Mechanismus der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte mit den zeitlichen Schwankungen der relativen Verkäufe der ACE‑Hemmer vereinbaren lässt. Unter diesen Umständen ist, den Klägerinnen folgend, festzustellen, dass die erheblichen Veränderungen bei den relativen Verkäufen der ACE‑Hemmer im Untersuchungszeitraum die Bedeutung des behaupteten Mechanismus der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte in ihrer Praxis der Verschreibung von ACE‑Hemmern in Frage stellen.

1508

Als Fünftes ergibt sich aus den Akten, insbesondere der von Servier im Rahmen ihrer strategischen Planung in Auftrag gegebenen Thalès-Studie, der von der Kommission unter den verschreibenden Ärzten durchgeführten Umfrage und den Antworten der Hersteller von ACE‑Hemmern auf die Fragen der Kommission nicht der Beweis, dass ein für die Verschreibungspraxis der Ärzte bei Perindopril signifikantes Maß an „Unbeweglichkeit“ bestand.

1509

Die von Dezember 2003 bis Februar 2004 erstellte Thalès-Studie behandelt die Entwicklung des Profils der Verschreibung von Perindopril durch die französischen Allgemeinärzte. Diese Studie teilt die Perindopril verschreibenden Ärzte in drei Kategorien ein: „große Verschreiber“ mit mehr als zehn Verschreibungen, „mittlere Verschreiber“ mit sechs bis zehn Verschreibungen und „kleine Verschreiber“ mit einer bis fünf Verschreibungen pro Quartal. Die Studie analysiert die Entwicklung der Typologie der verschreibenden Ärzte zwischen dem Zeitraum April bis Juni 2003 (T 0) und dem Zeitraum Dezember 2003 bis Februar 2004 (T 2). Die Kommission weist für das Bestehen einer wachsenden Gruppe von Perindopril „treuen“ verschreibenden Ärzten darauf hin, dass 80 % bis 90 % der „großen Verschreiber“, 50 % bis 60 % der „mittleren Verschreiber“ und 60 % bis 70 % der „kleinen Verschreiber“ des Zeitraums T 0 im Zeitraum T 2 noch derselben Kategorie angehört hätten.

1510

Diese Entwicklungen zeigen indes kein hohes Maß an „Unbeweglichkeit“ der Ärzte in der Verschreibung von Perindopril, da sie zum einen über einen begrenzten Zeitraum von acht bis zehn Monaten festgestellt worden sind und da zum anderen der Anteil der in diesem begrenzten Zeitraum in eine andere Kategorie gewechselten Ärzte signifikant ist. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Thalès-Studie, auf die sich die Kommission gestützt hat, die Allgemeinärzte nach der Entwicklung ihrer Verschreibungsgewohnheiten zwischen den Zeiträumen T 0 und T 2 in vier Gruppen – „treu“, „Aussteiger“, „Neukunde“ oder „gelegentlich“ – einteilt. Der Studie zufolge beträgt der Anteil der Allgemeinärzte der Gruppen „treu“, „Aussteiger“, „Neukunde“ oder „gelegentlich“ jeweils 30 % bis 40 %, 5 % bis 10 %, 10 % bis 15 % und 40 % bis 50 % der Gesamtheit der Allgemeinärzte. Somit zeigen die Ergebnisse der Thalès-Studie, dass die „treuen“ Allgemeinärzte in der Minderheit sind und ihr Anteil geringer ist als der der „gelegentlichen“ Allgemeinärzte. Die Ergebnisse der Thalès-Studie, die im Übrigen auf die französischen Allgemeinärzte beschränkt ist, liefern somit keinen Beweis für die Bedeutung des Mechanismus der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte hinsichtlich der Verschreibung von Perindopril und für den hohen Anteil von Perindopril „treuen“ verschreibenden Ärzten.

1511

Des Weiteren bestreitet die Kommission nicht den Vortrag der Klägerinnen, dass 52 % der Ärzte, die im Rahmen der Umfrage der Kommission unter den Perindopril verschreibenden Ärzten befragt wurden, geantwortet hätten, dass sie mehr alternative Arzneimittel als Perindopril verschrieben. Der Umstand, dass eine Mehrheit der Ärzte mehr alternative Arzneimittel als Perindopril verschreibt, stellt aber ebenfalls das Bestehen eines Mechanismus der „Unbeweglichkeit“ in Frage, der besonders Perindopril zugutekommen soll.

1512

Schließlich ergibt sich aus den Antworten der drei von der Kommission befragten Hersteller von ACE‑Hemmern, dass diese Perindopril als ein Konkurrenzerzeugnis ihres eigenes Arzneimittels ansehen. Insbesondere führt Sanofi-Aventis in ihrer Antwort an die Kommission ausdrücklich aus, dass Perindopril ihr wichtigster Konkurrent in den Niederlanden, in Polen und seit 2001 in Frankreich und ihr zweitwichtigster im Vereinigten Königreich sei. Die Antworten der drei befragten Hersteller von ACE‑Hemmern enthalten keinen Beweis dafür, dass der Wettbewerbsdruck zwischen den ACE‑Hemmern durch ein signifikantes Phänomen der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte bei Neupatienten beschränkt war.

1513

Nach alledem hat die Kommission nicht nachgewiesen, dass der für Neupatienten von den anderen ACE‑Hemmern ausgehende Wettbewerbsdruck auf Perindopril durch ein Phänomen der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte und das Bestehen einer wachsenden Gruppe von Perindopril „treuen“ verschreibenden Ärzten signifikant beschränkt wurde.

iii) Zur Neigung der Patienten in Langzeitbehandlung zu Veränderungen

1514

Die Kommission führt u. a. in den Rn. 2496 bis 2510 des angefochtenen Beschlusses aus, die Patienten in Langzeitbehandlung mit Perindopril neigten nur in geringem Maße zu einem Wechsel zu alternativen Arzneimitteln, wenn sie sich einmal für Perindopril entschieden hätten. Da es sich bei Perindopril um ein „Erfahrungsgut“ handle, komme Servier ein Informationsvorteil in dem Sinne zugute, dass die Patienten in Perindopril-Langzeitbehandlung mehr über dieses Erzeugnis als über die anderen Therapien wüssten, die noch nicht versucht worden seien.

1515

Wegen der Heterogenität der Arzneimittel der Klasse der ACE‑Hemmer, die mit Unterschieden in der individuellen Wirksamkeit und Verträglichkeit zusammenhängen kann, ist nach Meinung der Kommission ein Therapiewechsel zwischen Arzneimitteln derselben therapeutischen Klasse als wenig wahrscheinlich anzusehen. Mit einem solchen Wechsel könnten nämlich Kosten einer zusätzlichen ärztlichen Konsultation und potenziell sehr hohe Risiken im Zusammenhang mit dem Auftreten von Nebenwirkungen und einer nicht optimalen Kontrolle des arteriellen Drucks einhergehen.

1516

Die geringe Wahrscheinlichkeit eines Wechsels der Behandlung bei Patienten in einer ihren Bedürfnissen entsprechenden Langzeitbehandlung wird nach Ansicht der Kommission bestätigt durch eine Reihe von Längsschnittstudien, durch die Ergebnisse der Umfrage unter den verschreibenden Ärzten und durch die Antwort von Sanofi-Aventis auf den Fragebogen der Kommission, wonach Wechsel zwischen Ramipril und Perindopril sehr selten waren. Die Kommission trägt vor, die durchschnittliche Dauer der Behandlung mit Perindopril könne auf sieben bis acht Monate geschätzt werden und der für die Erneuerung der Verschreibung von Perindopril gemessene „Treuegrad“ von 90 % bestätige die Abschottungswirkung der Basis der mit Perindopril behandelten Patienten.

1517

Die Klägerinnen machen unter Vorlage einer Reihe von Beweisen geltend, die Kommission habe die Neigung der Patienten in Langzeitbehandlung zu Veränderungen unterschätzt.

1518

Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass die von der Kommission vorgenommene Analyse der Umstellungsmuster bei Patienten in Langzeitbehandlung auf der Heterogenität der zur Klasse der ACE‑Hemmer gehörenden Arzneimittel beruht. Wie aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses, u. a. den Rn. 2496 und 2499, hervorgeht, hat sich die Kommission im Rahmen ihrer Analyse der Umstellungsmuster zwischen Perindopril und den anderen Antihypertensiva auf die Heterogenität der Klasse der ACE‑Hemmer gestützt. Aufgrund der vermeintlichen Heterogenität der Arzneimittel der Klasse der ACE‑Hemmer war die Kommission der Ansicht, dass der Therapiewechsel zwischen Arzneimitteln derselben therapeutischen Klasse mit potenziell sehr schwerwiegenden Risiken verbunden sein könnte.

1519

Wie jedoch bereits dargelegt, hat die Kommission die Heterogenität der zur Klasse der ACE‑Hemmer gehörenden Arzneimittel nicht dargetan. Es gibt im Gegenteil in therapeutischer Hinsicht, einschließlich Wirksamkeit und Nebenwirkungen, keinen signifikanten Unterschied zwischen Perindopril und den anderen ACE‑Hemmern. Insbesondere geht aus den Akten nicht hervor, dass bei den verschreibenden Ärzten gegenüber den anderen ACE‑Hemmern besondere Bedenken wegen Nebenwirkungen oder einer geringeren Wirksamkeit bestanden. Folglich wird die Analyse der Kommission, wonach der Wechsel der Behandlung zwischen Arzneimitteln derselben Klasse mit potenziell sehr schwerwiegenden Risiken verbunden sei, durch die aus der Sicht der Ärzte fehlende Heterogenität der ACE‑Hemmer in Frage gestellt. Da es zwischen ACE‑Hemmern keine Unterschiede bei Wirksamkeit und Verträglichkeit gibt, ist nicht nachgewiesen, dass der Wechsel der Behandlung zwischen ACE‑Hemmern bei den Ärzten besondere Bedenken hervorrief.

1520

Zweitens hat die Kommission ihre Beurteilung der geringen Neigung der mit Perindopril behandelten Patienten zu Veränderungen auf von Thalès erstellte Längsschnittstudien gestützt. In diesen Studien werden die Verschreibungsgewohnheiten der Allgemeinärzte in Frankreich und im Vereinigten Königreich zwischen Juli 2005 und Juni 2006 untersucht. Danach waren 90 % der Verschreibungen von Perindopril Folgeverschreibungen. Die Kommission leitet daraus das Bestehen einer sehr hohen 90%igen „Verschreibungstreue“ bei Perindopril ab. Ihrer Ansicht nach spiegelt die Analyse der Neigung der Patienten zu Veränderungen auf der Grundlage der Zahl der ausgestellten Verschreibungen die Natur der Nachfrage nach Perindopril besser wider, als wenn dafür auf die Zahl der Patienten abgestellt werde.

1521

Der Anteil der Folgeverschreibungen an der Gesamtheit der Verschreibungen sagt jedoch nur partiell etwas über die Neigung der mit Perindopril behandelten Patienten zu Veränderungen aus. Der Prozentsatz der Folgeverschreibungen hängt nämlich u. a. von der Häufigkeit der Arztbesuche der Patienten ab, die erheblich schwanken kann und im Übrigen im angefochtenen Beschluss nicht erwähnt wird. Zudem lässt die Zahl der Folgeverschreibungen im Verhältnis zur Gesamtheit der Verschreibungen nicht den Treuegrad der Patienten im Sinne des Anteils der im Zeitraum N mit Perindopril behandelten Patienten, die auch im Zeitraum N + 1 noch mit Perindopril behandelt werden, erkennen.

1522

Unter diesen Umständen sind die Thalès-Studien unzureichend, um die Treue der Patienten, die mit einer Perindopril-Behandlung beginnen, zu diesem Arzneimittel zu erfassen.

1523

Als Drittes liefern die Cegedim- und die IMS-Health-Studie für Frankreich und das Vereinigte Königreich Informationen über die Neigung der mit Perindopril behandelten Patienten zu einem Wechsel des Behandlung über einen Zeitraum von fünf Jahren.

1524

Die Cegedim-Studie vom Oktober 2012, die Servier im Rahmen ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgelegt hat, analysiert über einen Zeitraum von fünf Jahren die Beständigkeit der von Allgemeinärzten in Frankreich mit Perindopril behandelten Patienten. Die Studie betrifft die mit Perindopril behandelten Patienten, die in einem Zeitraum von fünf Jahren denselben Allgemeinarzt aufgesucht haben. Aus ihr geht hervor, dass 20 % bis 30 % der Patienten, die mit einer Perindopril-Behandlung begonnen haben, die Behandlung innerhalb von sechs Monaten abbrechen und dass von den Patienten, die länger als sechs Monate bei Perindopril bleiben, 30 % bis 40 % auf andere Antihypertensiva umgestellt werden und diese Behandlung nach einem Zeitraum von fünf Jahren nicht fortsetzen. Bei der Mehrzahl der nach sechs Monaten erfolgenden Umstellungen auf andere Antihypertensiva handelt es sich um solche auf die Behandlung mit Sartanen, während etwa 40 % der Patienten auf eine Behandlung mit einem anderen ACE‑Hemmer umgestellt werden, der allein oder in Kombination eingesetzt wird. Letztlich werden über 50 % der Patienten, die mit einer Perindopril-Behandlung beginnen, nach fünf Jahren nicht mehr mit diesem Arzneimittel behandelt. Daraus ergibt sich, dass bei Patienten, die regelmäßig von demselben französischen Allgemeinarzt betreut werden, die Wechsel der Behandlung bei solchen, die mit einer Perindopril-Behandlung beginnen, über einen Zeitraum von fünf Jahren signifikant sind. Aus der Cegedim-Studie geht auch hervor, dass 2005 Zu- und Abfluss der Patienten (mit einem Anteil von 30 % bis 40 % bzw. 15 % bis 20 %) die Hälfte der mit Coversyl behandelten Patienten ausmachten.

1525

Die von Servier vorgelegte IMS-Health-Studie vom Dezember 2013 untersucht die Verschreibungen von Ramipril, Lisinopril und Perindopril im Zeitraum 2003–2008 für von Allgemeinärzten im Vereinigten Königreich betreute Patienten.

1526

Die Kommission tritt der Berücksichtigung der IMS-Health-Studie durch das Gericht mit der Begründung entgegen, dass die Klägerinnen diese der Kommission im Verwaltungsverfahren verspätet übermittelt hätten. Wie jedoch oben in Rn. 1373 dargelegt worden ist, stellt das Gericht eine eingehende Rechtmäßigkeitskontrolle sicher, und zwar unter Berücksichtigung aller von den Klägerinnen vorgebrachten Umstände – aus der Zeit vor oder nach dem Erlass des Beschlusses –, soweit diese Umstände für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Beschlusses der Kommission maßgeblich sind. Im vorliegenden Fall stellt die IMS-Health-Studie vom Dezember 2013, die Servier der Kommission im Verwaltungsverfahren in Beantwortung der Sachverhaltsdarstellung vom 18. Dezember 2013 vorgelegt hat, eine Antwort auf die These der Kommission dar, dass die mit Perindopril behandelten Patienten wenig zu einem Wechsel der Behandlung neigten. Daher kann diese Studie nicht als ein verspätet vorgelegtes Dokument angesehen werden, das im Stadium der Kontrolle der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses nicht berücksichtigt werden kann.

1527

Die Kommission kann die IMS-Health-Studie nicht mit der Begründung als unglaubwürdig zurückweisen, dass sie für die Klägerinnen „maßgeschneidert“ worden sei. Der Umstand, dass die Klägerinnen selbst diese Studie bei IMS Health in Auftrag gegeben haben, berührt nicht notwendig ihren Beweiswert, da sie u. a. nicht auf der Grundlage von durch die Klägerinnen selbst zur Verfügung gestellten Datenbanken erstellt worden ist. Wie das Gericht nämlich bereits entschieden hat (Urteil vom 3. März 2011, Siemens/Kommission, T‑110/07, EU:T:2011:68, Rn. 137), fehlt einer Studie die Glaubwürdigkeit und damit ein Beweiswert, die über diejenigen einer bloßen interessengeleiteten Erklärung der Klägerinnen hinausgehen, wenn sie auf der Grundlage von Datenbanken erstellt wurde, die von den Klägerinnen zur Verfügung gestellt wurden, ohne dass die Richtigkeit oder die Relevanz dieser Daten von einer unabhängigen Stelle überprüft worden wäre. Im vorliegenden Fall ist die von Servier in Auftrag gegebene Studie auf der Grundlage von Datenbanken erstellt worden, die von einem Dritten, IMS Health, stammen, deren Stellung als Referenzeinrichtung für die Bereitstellung von Daten des Arzneimittelsektors die Kommission nicht bestritten hat, wie sich u. a. aus Fn. 2843 des angefochtenen Beschlusses ergibt. Die Kommission hat sich im Rahmen der Abgrenzung des relevanten Marktes selbst vielfach auf die Daten von IMS Health gestützt.

1528

Die Tatsache, dass der Auftrag für die Studie der Kommission nicht übermittelt wurde und diese deren Ergebnisse nicht vollständig hat reproduzieren können, genügt unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht, um die Glaubwürdigkeit der Studie in Frage zu stellen. Servier hat in ihrer Antwort vom 17. Februar 2014 auf den Fragebogen der Kommission die IMS Health gemachten Vorgaben eingehend beschrieben. Diese hat in der Studie dargelegt, welche Methode, Annahmen und Definitionen verwendet wurden, und die Rohdaten sowie den Algorithmus offengelegt, die eine Replikation der Studie ermöglichen. Zwar hat IMS Health nicht die Registerkarte betreffend die Neupatienten vorgelegt, doch hat die Kommission Servier nach der Übermittlung des Algorithmus und der Datenbanken nicht darauf hingewiesen, dass methodische Hindernisse bestünden, die die Glaubwürdigkeit der Studie beeinträchtigen könnten. Ferner hat IMS Health in der Studie erwähnt, dass Neupatienten solche seien, die in den letzten zwölf Monaten vor dieser Verschreibung das betreffende Arzneimittel nicht erhalten hätten; in einem Schreiben vom 1. September 2014 hat sie erklärt, dass Servier an der Analyse der Studie nicht beteiligt gewesen sei, dass diese von IMS Health unter Verwendung der in der Studie beschriebenen Methode und Definitionen erstellt worden sei, dass die Registerkarte der Neupatienten einer in ähnlichen Studien verwendeten Standarddefinition entspreche und dass die Daten der Neupatienten einer Datenbank unter Verwendung integrierter Berichte entnommen seien, die von einem Arbeitsplatz des Unternehmens aus oder für einen Kunden zugänglich sei, der sich bei dieser Datenbank angemeldet habe. Unter diesen Umständen kann die Kommission angesichts der ausreichenden Erläuterungen von Servier und IMS Health nicht mit Erfolg geltend machen, dass die IMS-Health-Studie nicht als ein zuverlässiges Beweisstück anerkannt werden könne.

1529

Die IMS-Health-Studie zeigt hinsichtlich der in den Jahren 2003 bis 2008 von den britischen Allgemeinärzten betreuten Patienten, dass in einem gegebenen Jahr die Neupatienten für Perindopril ein Drittel aller Patienten mit dieser Behandlung ausmachen. Sie zeigt auch, dass die Substitutionen von Perindopril im Wesentlichen zugunsten anderer Klassen von Antihypertensiva, aber auch zugunsten anderer ACE‑Hemmer erfolgen. Der Studie zufolge liegt bei den Patienten, die mit einer Perindopril-Behandlung beginnen, die durchschnittliche Behandlungsdauer für 24 % der Patienten unter sechs Monaten, für 57 % unter drei Jahren und für 76 % unter fünf Jahren.

1530

Die Kommission erachtet den Umstellungsprozess für regressiv, d. h., mit zunehmender Behandlungsdauer werde es immer weniger wahrscheinlich, dass die Patienten die Behandlung mit Perindopril abbrächen. Es ist jedoch festzustellen, dass nach der Cegedim-Studie der Nettoschwund an mit Perindopril behandelten Patienten im vierten und fünften Behandlungsjahr annähernd 5 % pro Jahr bei den von den französischen Allgemeinärzten betreuten Patienten beträgt. Nach der IMS-Health-Studie beträgt der Anteil der von den britischen Allgemeinärzten betreuten Patienten mit einer Behandlungsdauer, ohne Unterbrechungen der Behandlung, von zwischen drei und vier Jahren einerseits und vier und fünf Jahren andererseits 12 % bzw. 7 %. Folglich ergibt sich aus den Akten, dass ein signifikanter Teil der Patienten ihre Behandlung mit Perindopril im Lauf des vierten und des fünften Behandlungsjahrs abbricht.

1531

Somit geht aus der Cegedim- und der IMS-Health-Studie hervor, dass die durchschnittliche Behandlungsdauer der mit Perindopril behandelten und von den Allgemeinärzten in Frankreich und im Vereinigten Königreich betreuten Patienten im Lauf des Untersuchungszeitraums unter fünf Jahren lag. Diese Patienten wechselten die Behandlung in signifikanten Umfang in den ersten sechs Monaten, aber auch im Lauf der auf den Beginn der Behandlung folgenden fünf Jahre.

1532

Viertens bestätigen die die PCT betreffenden Dokumente, dass im Vereinigten Königreich mit Perindopril behandelte Patienten zu anderen ACE‑Hemmern wechselten.

1533

Wie bereits dargelegt, war eine Reihe von PCT seit 2005 der Ansicht, dass Perindopril nicht wirksamer sei als andere ACE‑Hemmer, und empfahl den Einsatz anderer ACE‑Hemmer als Perindopril oder dessen Substitution durch einen anderen ACE‑Hemmer. Diese Politik, die manchmal die Form von Leitlinien, Formularen oder Musterschreiben an die Patienten im Hinblick auf eine Umstellung von Perindopril zu Ramipril oder Lisinopril annahm, ist wegen der Zahl der betreffenden PCT und des Umstands signifikant, dass es sich dabei um PCT in verschiedenen Regionen des Vereinigten Königreichs handelte.

1534

Aus den Akten ergibt sich, dass diese Politik, die in den internen Strategiepapieren von Servier seit 2005 als Bedrohung bezeichnet wird, sich tatsächlich negativ auf den Absatz von Perindopril auf lokaler Ebene ausgewirkt hat. Es trifft zu, dass, wie die Kommission ausgeführt hat, nicht dargetan ist, dass die Politik der PCT eine signifikante Auswirkung auf nationaler Ebene hatte. Zwar zeigt das Schema in Rn. 2286 des angefochtenen Beschlusses, dass der in definierten Tagesdosen ausgedrückte Absatz von Perindopril seit September 2006 praktisch stagnierte, doch lässt sich anhand der Akten nicht feststellen, dass tatsächlich ein Kausalzusammenhang zwischen den Empfehlungen der PCT und der Entwicklung der relativen Verkäufe von Perindopril und der anderen ACE‑Hemmer im gesamten Vereinigten Königreich bestand. Diese Empfehlungen sind gleichwohl nicht irrelevant, da sie konkret die zwischen ACE‑Hemmern bestehenden Transfermöglichkeiten auf einem der von der Kommission in ihrer Untersuchung berücksichtigten räumlichen Märkte veranschaulichen.

1535

Die Kommission kann nicht geltend machen, dass die Berufung der Klägerinnen auf die Politik der PCT im Widerspruch zu deren Vorbringen stehe, dass der Faktor Preis im Verhältnis der verschiedenen ACE‑Hemmer eine begrenzte Rolle spiele. Wie sich nämlich aus den Erwägungen in den Rn. 1380 bis 1404 des vorliegenden Urteils ergibt, ist der Arzneimittelsektor ein „ungewöhnlicher“ Sektor, dessen Besonderheiten es erfordern, dass der Markt anhand einer Mehrzahl von Kriterien bestimmt wird, insbesondere der therapeutischen Verwendung der Erzeugnisse. Im vorliegenden Fall wird diese Feststellung durch die Politik der PCT nicht in Frage gestellt. Diese Politik bestätigt die therapeutische Substituierbarkeit zwischen den ACE‑Hemmern und die Möglichkeiten eines Wechsels der Behandlung von mit Perindopril behandelten Patienten, doch ergibt sich daraus nicht, dass der Faktor Preis eine entscheidende oder herausragende Rolle für die Analyse des Wettbewerbsdrucks zwischen diesen Arzneimitteln spielt.

1536

Als Fünftes vertritt die Kommission unter Berufung u. a. auf die Ergebnisse der unter den verschreibenden Ärzten durchgeführten Umfrage die Auffassung, dass ein Wechsel der Behandlung bei mit Perindopril behandelten Patienten wenig wahrscheinlich sei, wenn die Patienten „erfolgreich“ mit Perindopril behandelt würden.

1537

Die Ergebnisse der von der Kommission durchgeführten Umfrage unter den verschreibenden Ärzten, wonach eine große Mehrheit (76 %) der Ärzte der Ansicht war, dass die Patienten, die in der Anfangszeit „erfolgreich“ behandelt worden seien und deren Behandlung nicht geändert worden sei, die Behandlung mit Perindopril wahrscheinlich mehr als fünf Jahre lang fortsetzen würden, stellen die in der Cegedim- und der IMS-Health-Studie getroffenen Feststellungen zur durchschnittlichen Behandlungsdauer und zum Wechsel der mit Perindopril behandelten Patienten nicht in Frage. Der den verschreibenden Ärzten gestellten Frage liegt nämlich eine Schätzung der Wahrscheinlichkeit zugrunde, dass die Behandlung mit Perindopril fortgesetzt wird, und nicht eine Schätzung des tatsächlichen Anteils der Patienten, die die Behandlung länger als fünf Jahre fortsetzen. Zudem betrifft die den verschreibenden Ärzten gestellte Frage nicht die Patienten, die „erfolgreich“ behandelt wurden und deren Behandlung nicht geändert wurde, während die Cegedim- und die IMS-Health-Studie Informationen über die durchschnittliche Dauer der Behandlung der Patienten mit Perindopril und über die Gesamtheit der vollzogenen Behandlungswechsel, unabhängig von der Beurteilung der Ergebnisse der Behandlung mit Perindopril durch die Ärzte, liefern. Schließlich war selbst hinsichtlich der Patienten, die „erfolgreich“ behandelt worden waren und deren Behandlung nicht geändert worden war, nur eine Minderheit der befragten Ärzte der Ansicht, dass diese die Behandlung mit Perindopril wahrscheinlich mehr als zehn Jahre lang fortsetzen würden.

1538

Auch wenn die „erfolgreich“ mit Perindopril behandelten Patienten naturgemäß weniger zu einem Behandlungswechsel neigen als solche, die nicht zu dieser Kategorie gehören, bleiben die Feststellungen der Cegedim- und der IMS-Health-Studie relevant, um in quantitativer Hinsicht zu beurteilen, in welchem Maße Patienten, die mit einer Behandlung beginnen, Perindopril über einen Zeitraum von fünf Jahren „treu“ bleiben. Diese Studien zeigen, dass es signifikante Behandlungswechsel gab, die die von der Kommission im angefochtenen Beschluss aufgestellten Behauptungen im Zusammenhang mit den Abschottungswirkungen der Basis der mit Perindopril behandelten Patienten in Frage stellen.

1539

Als Sechstes stützt sich die Kommission im angefochtenen Beschluss darauf, dass Sanofi-Aventis in ihrer Antwort auf ihren Fragebogen angegeben habe, dass Behandlungswechsel zwischen Ramipril und Perindopril sehr begrenzt gewesen seien und dass das Wachstum bei beiden Erzeugnissen auf neu gewonnene Patienten am Beginn einer Behandlung zurückgehe. Abgesehen davon, dass diese Angabe nur den französischen Markt betrifft, führt Sanofi-Aventis, wie bereits dargelegt, in ihrer Antwort aus, dass die Population der Patienten, die für eine Behandlung mit Ramipril in Betracht kämen, größer gewesen sei als die von Perindopril und dass Ramipril bis 2007 eine weitere Dosierungsbandbreite gehabt habe als Perindopril, was den Patiententransfer von Ramipril zu Perindopril stärker begrenzen kann als umgekehrt. Zudem hat sich Sanofi-Aventis nicht zu den Behandlungswechseln in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich geäußert und zum polnischen Markt angegeben, aus ihrer Sicht sei der Gewinn von Patienten für Ramipril auf Kosten von Perindopril gegangen. Folglich stellen die Antworten von Sanofi-Aventis auf den Fragebogen der Kommission das Ausmaß des Behandlungswechsels für die mit Perindopril behandelten Patienten nicht in Frage.

1540

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission die Wechselneigung der mit Perindopril behandelten Patienten unterschätzt hat, indem sie sich u. a. auf die irrige Annahme einer Heterogenität der Arzneimittel der Klasse der ACE‑Hemmer gestützt hat. Aus den Akten geht hervor, dass die Patienten, die mit einer Perindopril-Behandlung begonnen hatten, in einem Zeitraum von fünf Jahren in signifikantem Ausmaß die Behandlung wechselten, was die von der Kommission veranschlagte durchschnittliche Behandlungsdauer und die Bedeutung der Abschottungswirkungen der Patientenbasis in Frage stellt.

iv) Zu den Werbeaktivitäten

1541

Die Kommission führt in den Rn. 2515 bis 2521 des angefochtenen Beschlusses aus, Werbung könne den Wettbewerb verstärken, wenn die ärztliche Gemeinschaft über zusätzliche therapeutische Alternativen, u. a. neue Erzeugnisse oder wichtige neue Indikationen für existierende Erzeugnisse, informiert werde. Im vorliegenden Fall könne jedoch der Wettbewerb auf der Ebene der Werbung nicht als eine wichtige Quelle von Wettbewerbsdruck im Verhältnis zwischen Perindopril und den potenziellen Konkurrenzerzeugnissen angesehen werden, weil jede neue Werbeaktivität für Arzneimittel, die seit Langem auf dem Markt seien, nur das bei den „treuen“ verschreibenden Ärzten bereits aufgebaute Vertrauenskapital erhöhe. Wegen der für einen Behandlungswechsel bestehenden Barrieren und des Überwiegens der Patienten in Langzeitbehandlung sei die potenzielle Auswirkung der von den Herstellern anderer ACE‑Hemmer entfalteten Werbeaktivitäten auf den Absatz von Perindopril begrenzt. Zudem werde das Fehlen von Wettbewerbsdruck seitens der anderen Hersteller von ACE‑Hemmern auch belegt durch die Patientengruppen, auf die Servier ihre Werbepolitik ausrichte, durch die in den internen Strategiepapieren von Servier enthaltene Analyse der Werbeaktivitäten und durch die Stabilität ihrer Ausgaben für Werbung.

1542

Die Klägerinnen machen im Wesentlichen geltend, die Kommission habe einen Fehler begangen, indem sie die beträchtlichen Werbeaktivitäten der pharmazeutischen Unternehmen nicht gebührend berücksichtigt habe, die eine der wichtigsten Dimensionen des Wettbewerbs und – da es eine „Unbeweglichkeit“ der Patienten und der Ärzte nicht gebe – eine Notwendigkeit seien, um im Wettbewerb zu bestehen.

1543

Als Erstes hat die Kommission ihre Analyse der Werbeaktivitäten auf das Phänomen der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte und das Bestehen von Barrieren für einen Wechsel der Behandlung gestützt.

1544

Wie jedoch bereits dargelegt, war das Verschreibungsverhalten der Ärzte nicht durch ein hohes Maß an „Unbeweglichkeit“ gekennzeichnet und es gab einen signifikanten Wechsel der Behandlung bei Patienten in Langzeitbehandlung. Somit hat die Kommission ihre Ansicht, dass die potenzielle Auswirkung der von den Herstellern anderer Arzneimittel entfalteten Werbeaktivitäten auf den Absatz von Perindopril sehr begrenzt sei, auf unrichtige Annahmen gestützt, die ihre Analyse fehlerhaft machen.

1545

Als Zweites hat die Kommission ihre Analyse der Werbeaktivitäten auf die von Servier mit ihren Werbemaßnahmen angesprochenen Patienten und auf die behaupteten besonderen therapeutischen Eigenschaften von Perindopril gestützt. In den Rn. 2366 und 2519 des angefochtenen Beschlusses hat sie ausgeführt, dass die Ausgaben von Servier für Werbung auf potenzielle Neupatienten konzentriert gewesen seien, zu denen Patienten gehörten, bei denen erstmals Bluthochdruck festgestellt worden sei, Patienten, deren Blutdruck mit einem anderen Antihypertensivum nicht zufriedenstellend kontrolliert gewesen sei, und bestimmte Gruppen von Patienten, für die Perindopril besondere Eigenschaften gezeigt habe.

1546

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Werbung ein Wettbewerbsinstrument sein kann, u. a. wenn die Erzeugnisse weitgehend ähnlich sind. Dem Fehlen einer positiven Differenzierung von Perindopril gegenüber den anderen ACE‑Hemmern entspricht die Notwendigkeit für Servier, angemessene Werbeaktivitäten zu entfalten, um auf dem Markt zu bestehen und sich bei den verschreibenden Ärzten durchzusetzen. In Ermangelung einer therapeutischen Überlegenheit von Perindopril besteht für die verschreibenden Ärzte kein Anlass, allein unter diesem Gesichtspunkt eher Perindopril als ein anderes Arzneimittel zu verschreiben.

1547

Des Weiteren geht schon aus dem Wortlaut der Rn. 2366 und 2519 des angefochtenen Beschlusses hervor, dass Servier mit ihren Werbeaktivitäten sowohl auf Neupatienten als auch auf solche abzielte, die bereits ein anderes Antihypertensivum gebraucht hatten. Zudem hat die Kommission, wie bereits ausgeführt worden ist, nicht dargetan, dass Perindopril besondere Eigenschaften aufwies, die es in therapeutischer Hinsicht von den anderen ACE‑Hemmern unterschied. Wenn Servier sich bemüht hat, Perindopril von den anderen ACE‑Hemmern zu unterscheiden, so haben diese Bemühungen nicht den erhofften Erfolg gehabt und es nicht ermöglicht, Perindopril hinreichend von den anderen ACE‑Hemmern zu differenzieren.

1548

Da die Werbestrategie für Perindopril auf bestimmte Patientenkategorien abzielte, kann aus ihr nicht geschlossen werden, dass die Wirkung des Wettbewerbs durch Werbung unter den ACE‑Hemmern begrenzt war.

1549

Als Drittes zeigen die internen Dokumente von Servier, die Antworten der Hersteller der anderen ACE‑Hemmer und der übrige Inhalt der Akten entgegen dem Vorbringen der Kommission, dass von den Werbemaßnahmen der anderen Hersteller von ACE‑Hemmern ein Wettbewerbsdruck auf Perindopril ausgehen konnte.

1550

So geht aus den internen Strategiepapieren von Servier, u. a. dem „2005/2006 orientation plan“ und dem „Plan d’orientation Coversyl 2006/2007“, hervor, dass Servier in den Jahren 2000 bis 2009 den Wettbewerb auf dem Markt der Arzneimittel gegen Bluthochdruck und dem der Arzneimittel gegen Herzinsuffizienz als stark einschätzte. Aus diesen Dokumenten geht ebenfalls hervor, dass Servier andere ACE‑Hemmer, u. a. Ramipril, Captopril, Lisinopril, Enalapril, Fosinopril und Trandolapril, als Konkurrenzerzeugnisse betrachtete. Ramipril wird in den Teilen der Strategiepapiere, die den Gefahren für die Entwicklung von Perindopril gewidmet sind, mehrfach erwähnt. Zum Beispiel wurde die Markteinführung eines neuen Erzeugnisses, Co-Triatec, mit dem eine Kontinuität in der Kommunikation der Produktreihe von Ramipril sichergestellt werden konnte, als Bedrohung dargestellt.

1551

Auch die drei von der Kommission befragten Hersteller von Original-ACE‑Hemmern sehen in Perindopril ein mit ihrem eigenen Arzneimittel konkurrierendes oder rivalisierendes Erzeugnis. Wie die Kommission ausgeführt hat, bedeutet der Umstand, dass andere Unternehmen in einem bestimmten Erzeugnis das Hauptwettbewerbsziel sehen, zwar nicht, dass dieses Erzeugnis einem signifikanten Wettbewerbsdruck durch diese anderen Unternehmen ausgesetzt ist. Gleichwohl kann dieses Indizienbündel nützlich sein, da sich so berücksichtigen lässt, wie die Unternehmen selbst ihre Marktposition beurteilen. In dieser Hinsicht geht aus den Antworten der von der Kommission zu ihrer Sicht des Wettbewerbs befragten Unternehmen hervor, dass Sanofi-Aventis, Hersteller von Ramipril, AstraZeneca AB, Hersteller von Lisinopril, und MSD, Hersteller von Enalapril und von Lisinopril, Perindopril als ein Konkurrenzerzeugnis für ihr eigenes Arzneimittel betrachteten. Unter anderem aus den von Sanofi-Aventis vorgelegten Dokumenten, nämlich Darstellungen des polnischen Marktes und den Geschäftsplänen für die Jahre 2008-2009, geht hervor, dass Perindopril und Enalapril nach Ansicht dieses Unternehmens der erste und der zweite Rivale von Ramipril waren und dass Letzteres allgemein die beste Markenwahrnehmung genoss.

1552

Ferner legt der Inhalt der Akten nahe, dass die Werbung der anderen ACE‑Hemmer eine signifikante Auswirkung auf den Absatz von Perindopril haben konnte.

1553

Die internen Strategiepapiere von Servier und die Dokumente betreffend die Werbung für die anderen ACE‑Hemmer zeigen, dass diese als die Besten in dieser Arzneimittelklasse oder sogar als den anderen ACE‑Hemmern überlegen dargestellt wurden. Bestimmte Werbepläne zielten direkt auf das Perindopril von Servier.

1554

Der von der Werbung für die Sartane ausgehende starke Druck zusammen mit dem Rückgang der Werbung für die ACE‑Hemmer wird zwar in den internen Dokumenten von Servier als eine Bedrohung dargestellt, doch wird die Werbung für Ramipril als eine Bedrohung für Perindopril dargestellt, während der Rückgang dieser Werbung als günstig wahrgenommen wird. In den internen Dokumenten von Servier wird darauf hingewiesen, dass die Werbung für Ramipril auf die HOPE‑Studie gestützt werde, die als ein wichtiges Ereignis des Jahres 2001 dargestellt wird, das Ramipril ein starkes Wachstum und neue Indikationen verschafft habe. In den Strategiepapieren von Servier heißt es, dass die Ergebnisse der HOPE‑Studie und die Positionierung von Ramipril sich stark auf den Absatz von Coversyl (4 mg) von Servier ausgewirkt hätten.

1555

Aus den Akten, u. a. den im angefochtenen Beschluss enthaltenen Angaben von IMS Health und der Antwort von Sanofi-Aventis auf das Auskunftsverlangen der Kommission, geht hervor, dass die Werbeausgaben der anderen Hersteller von ACE‑Hemmern zu bestimmten Zeiten hoch waren, u. a. diejenigen für Ramipril in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich bis 2003 oder in Frankreich bis Anfang 2006.

1556

Folglich zeigen die Akten, namentlich die internen Strategiepapiere von Servier und die Antworten der anderen Hersteller von ACE‑Hemmern, dass die Werbeaktivitäten für die anderen ACE‑Hemmer eine signifikante Auswirkung auf den Absatz von Servier haben konnten.

1557

Als Viertes steht auch die Höhe der Ausgaben von Servier für Werbung im Einklang damit, dass der Wettbewerb durch Werbung eine Quelle von Wettbewerbsdruck im Verhältnis der ACE‑Hemmer zueinander sein konnte, ohne dass dies durch die behauptete Stabilität dieser Werbeausgaben in Frage gestellt wird.

1558

Die Höhe der Werbeausgaben, die nicht bestritten wird, geht u. a. aus den Daten zu den hauptsächlichen Ausgabenposten hervor, die zu den Gesamtkosten der Perindopril-Varianten beigetragen haben. Diese Ausgaben waren namentlich in Frankreich, in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich hoch, wie den im angefochtenen Beschluss enthaltenen Angaben von IMS Health zu entnehmen ist. Beispielsweise gab Servier im Jahr 2000 in Frankreich 70 bis 80 Mio. Euro für Werbung für Perindopril aus, während sich der mit diesem Erzeugnis erzielte Gesamtumsatz auf 180 bis 200 Mio. Euro belief. 2004 erreichten die Werbeausgaben in diesem Land 100 bis 120 Mio. Euro, also etwa ein Drittel des Gesamtumsatzes mit diesem Erzeugnis (300 bis 350 Mio. Euro).

1559

Dem ist hinzuzufügen, dass der Umstand, dass die Rentabilität von Perindopril trotz der Höhe der Werbeausgaben von Servier für dieses Erzeugnis im Untersuchungszeitraum hoch blieb, nicht bedeutet, dass Perindopril keinem signifikanten Wettbewerbsdruck durch die anderen ACE‑Hemmer ausgesetzt war. Im Übrigen stellt zwar die Kommission in den Rn. 2369 bis 2371 des angefochtenen Beschlusses das hohe allgemeine Rentabilitätsniveau von Perindopril fest, zieht aber daraus nicht die Konsequenzen im Rahmen der Abgrenzung des relevanten Marktes und stützt sich nicht auf diese Rentabilität für ihren in den Rn. 2403 bis 2546 des angefochtenen Beschlusses gezogenen Schluss, dass der relevante Produktmarkt auf das originale und das generische Perindopril begrenzt sei.

1560

In den internen Strategiepapieren von Servier wird der Zusammenhang zwischen dem Wettbewerbsumfeld und den Werbeausgaben von Servier betont und ausgeführt, dass das Wettbewerbsumfeld sehr erhebliche Werbeaktivitäten erfordere, bei denen der Arztbesuch an erster Stelle stehe. Diese Dokumenten bringen den Willen von Servier zum Ausdruck, neue Kunden zulasten anderer Antihypertensiva, namentlich der ACE‑Hemmer, zu gewinnen, und erwähnen die Schwierigkeit für Servier, angesichts der finanziellen und personellen Investitionen der anderen Hersteller von Antihypertensiva bei den Allgemeinärzten präsent zu sein.

1561

Die Kommission macht geltend, die Stabilität der Werbeausgaben von Servier im Untersuchungszeitraum lege nahe, dass die Werbung für Perindopril weitgehend unabhängig gewesen sei und es keinen starken Wettbewerbsdruck gegeben habe.

1562

Aus den Akten, insbesondere den Daten der IMS-Health-Studie, geht jedoch nicht hervor, dass die Werbeausgaben von Servier stabil waren, da das Ausgabenniveau im Untersuchungszeitraum in signifikantem Umfang geschwankt hat. Im Übrigen bedeutet Stabilität der Werbeausgaben, sollte sie nachgewiesen sein, nicht notwendig das Fehlen eines signifikanten Wettbewerbsdrucks durch die anderen ACE‑Hemmer. Die Beibehaltung eines so hohen Ausgabenniveaus kann vom Willen des Unternehmens zeugen, seinen Absatz gegenüber Arzneimitteln zu wahren, die in therapeutischer Hinsicht Substitutionsprodukte sind und von denen ein signifikanter Wettbewerbsdruck auf Perindopril ausgeht. Die Kommission erläutert nicht, warum ein Wirtschaftsteilnehmer in beherrschender Stellung wie Servier es ohne signifikanten Wettbewerbsdruck nötig haben soll, während eines so langen Zeitraums einen derartigen Teil seines Gesamtumsatzes für Werbeausgaben zu verwenden.

1563

Auch der Rückgang der Werbeaktivitäten von Servier zum Zeitpunkt der Markteinführung der Generika weist nicht auf das Fehlen eines signifikanten Wettbewerbsdrucks vor diesem Zeitpunkt hin. So wie ein Hersteller sich von Werbeaktivitäten abhalten lassen kann, wenn er nicht mit Ergebnissen daraus rechnet, kann ihn die Aussicht auf Ergebnisse zu Investitionen in die Werbung für sein Erzeugnis veranlassen. Es ist aber möglich, dass Servier vor dem Markteintritt des Generikums berechtigte Erwartungen haben konnte, dass sich ihre Investition in Werbung auszahlen würde. Vor dem Markteintritt der Generika konnte für Servier Veranlassung bestehen, in einem u. a. durch das Fehlen von Heterogenität der Arzneimittel dieser Klasse bedingten Kontext von Wettbewerb zwischen ACE‑Hemmern Werbeaktivitäten zu entfalten.

1564

Folglich weisen die Werbeausgaben von Servier im Untersuchungszeitraum nicht darauf hin, dass Servier keinem signifikanten Wettbewerbsdruck seitens der anderen ACE‑Hemmer ausgesetzt war.

1565

Aus dem Vorstehenden folgt somit, dass die Kommission bei ihrer Analyse der Wettbewerbsbeziehungen zwischen Perindopril und den anderen ACE‑Hemmern die Werbeaktivitäten der pharmazeutischen Unternehmen und deren Bedeutung nicht gebührend berücksichtigt hat.

1566

Aus der Gesamtheit der in den vorstehenden Rn. 1418 bis 1565 dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die zweite von den Klägerinnen erhobene Rüge begründet ist.

4) Zum zweiten Teil der ersten Rüge, mit dem geltend gemacht wird, dass dem Kriterium des Preises bei der Marktanalyse zu große Bedeutung beigemessen worden sei, und zur dritten, hilfsweise erhobenen Rüge, dass die ökonometrische Analyse der Kommission fehlerhaft sei

1567

In den Rn. 2460 bis 2495 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission zur Abgrenzung des relevanten Produktmarkts die „natürlichen“ Geschehnisse auf den Märkten Frankreichs, der Niederlande, Polens und des Vereinigten Königreichs untersucht.

1568

Die Kommission hat ausgeführt, wenn zwei Erzeugnisse enge Substitutionsgüter seien, werde eine erhebliche Preissenkung bei dem einen zu einem Umsatzrückgang bei dem anderen führen. Sie hat die Auswirkung einer Preissenkung bei den anderen Antihypertensiva auf den Absatz von Perindopril zunächst anhand einer bildlichen Darstellung der Daten und sodann mittels einer ökonometrischen Berechnung beurteilt. Dafür hat sie insbesondere die Auswirkung des Markteintritts der Perindopril-Generika auf den Perindopril-Absatz mit der Auswirkung des Markteintritts von Generika anderer ACE‑Hemmer auf diese verglichen. Der Kommission zufolge zeigt der Umstand, dass der Absatz von Perindopril durch den Markteintritt der Generika anderer ACE‑Hemmer weniger beeinträchtigt wurde als durch den der Perindopril-Generika, dass von den ACE‑Hemmern kein signifikanter Preisdruck auf Perindopril ausgegangen sei (Rn. 2494 des angefochtenen Beschlusses).

1569

Zum Abschluss ihrer Analyse des natürlichen Geschehens hat die Kommission befunden, dass Perindopril – mit Ausnahme des von dem Perindopril-Generikum ausgehenden Drucks – keinem erheblichen Preisdruck seitens anderer Erzeugnisse, namentlich der anderen ACE‑Hemmer, ausgesetzt gewesen sei. Die Preissenkungen bei den anderen ACE‑Hemmern hätten keine signifikante negative Auswirkung auf den Absatz von und den Umsatz mit Perindopril gehabt.

1570

Mit dem zweiten Teil der ersten Rüge machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe dem Faktor Preis in ihrer Analyse des relevanten Produktmarkts zu große Bedeutung beigemessen. Hilfsweise machen sie mit ihrer dritten Rüge geltend, dass die ökonometrische Analyse der Kommission fehlerhaft sei.

1571

Als Erstes verlieren, wie bereits in den Rn. 1385 bis 1404 vorab dargelegt, nach der Rechtsprechung die preisrelevanten Faktoren durch die Besonderheiten, die die Wettbewerbsmechanismen im Arzneimittelsektor kennzeichnen, nicht ihre Relevanz für die Beurteilung des Wettbewerbsdrucks, sie sind jedoch in ihrem eigenen Kontext zu bewerten (Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 183).

1572

Im vorliegenden Fall konnte die Kommission daher zur Definition des relevanten Marktes prüfen, ob Perindopril einem signifikanten Wettbewerbsdruck aufgrund der relativen Preisschwankungen bei den anderen ACE‑Hemmern ausgesetzt war, und die Ergebnisse dieser Prüfung berücksichtigen.

1573

Aus ihrer Analyse der Preisschwankungen bei den anderen ACE‑Hemmern hat die Kommission abgeleitet, dass Perindopril keinem sich daraus ergebenden erheblichen Wettbewerbsdruck ausgesetzt gewesen sei. Die geringe Empfindlichkeit von Perindopril gegenüber Preisschwankungen bei den anderen ACE‑Hemmern gehe aus den Akten, u. a. den internen Dokumenten von Servier oder der von der Kommission unter den verschreibenden Ärzten durchgeführten Umfrage, hervor. Diese Schlussfolgerung wird als solche von den Klägerinnen nicht bestritten. Die Klägerinnen selbst führen aus, dass die Ärzte im Allgemeinen nicht sehr preissensibel seien, dass ihre Entscheidungen in erster Linie durch die therapeutische Eignung und Wirksamkeit der verschiedenen Arzneimittel statt durch deren Preis geleitet seien und dass der Wettbewerb zwischen den pharmazeutischen Unternehmen vorwiegend auf anderen Ebenen als der des Preises, wie etwa bei Innovation, Produktqualität und Verkaufsförderung, stattfinde.

1574

Wie jedoch die Klägerinnen zu Recht geltend machen, lässt die Analyse des natürlichen Geschehens, wie sie die Kommission vorgenommen hat, d. h. aus der Sicht der Preisschwankungen, nicht den Schluss auf das Fehlen von Wettbewerbsdruck qualitativer und außerpreislicher Art zu.

1575

Wie nämlich oben in den Rn. 1395 und 1397 dargelegt worden ist, können die Freiheit der Ärzte, zwischen den auf dem Markt verfügbaren Originalpräparaten oder zwischen den Originalpräparaten und den generischen Versionen anderer Moleküle zu wählen, und das vorrangige Augenmerk der verschreibenden Ärzte auf die therapeutischen Aspekte gegebenenfalls dazu führen, dass signifikanter Wettbewerbsdruck qualitativer und außerpreislicher Art außerhalb der gewöhnlichen Preisdruckmechanismen entsteht. Ein solcher Druck kann sowohl dann bestehen, wenn sich die therapeutischen Eigenschaften eines Arzneimittels als denen der anderen Arzneimittel, die für die Behandlung derselben Krankheit zur Verfügung stehen, klar überlegen erweisen, als auch dann, wenn die verfügbaren Arzneimittel von den verschreibenden Ärzten als gleichwertig anerkannt oder angesehen werden.

1576

Haben die verschreibenden Ärzte für die Behandlung derselben Krankheit die Wahl zwischen Arzneimitteln, von denen keines als den anderen überlegen anerkannt ist oder angesehen wird, u. a., weil ihre Wirkungsweise gleich ist oder weil sie sich anhand ihres therapeutischen Nutzens oder ihrer unerwünschten Nebenwirkungen nicht unterscheiden lassen, beruht die Analyse des Wettbewerbs zwischen diesen Arzneimitteln zu einem großen Teil auch auf einem Qualitätsvergleich. Die Wahl eines Arztes hängt im Allgemeinen nicht zunächst von den jeweiligen Kosten dieser Behandlungen, sondern vom Grad ihrer therapeutischen Differenzierung, von ihrer Angemessenheit im Verhältnis zum Profil des Patienten, von der bei dem Arzt bestehenden Kenntnis der verschiedenen Arzneimittel oder von dessen persönlicher Erfahrung und der seiner Patienten ab.

1577

Zudem konnte, wie aus dem Ergebnis der Prüfung der zweiten Rüge hervorgeht, Perindopril wegen des Fehlens einer signifikanten Differenzierung in therapeutischer Hinsicht zwischen diesem Arzneimittel und den anderen ACE‑Hemmern einem Wettbewerbsdruck qualitativer und außerpreislicher Art ausgesetzt sein, den die Kommission gebührend hätte berücksichtigen müssen. Dieser Wettbewerbsdruck, der u. a. von den Werbemaßnahmen der Hersteller anderer ACE‑Hemmer ausgehen konnte, betraf sowohl Neupatienten als auch die Patienten, die bereits mit einer Perindopril-Behandlung begonnen hatten.

1578

Die geringe Empfindlichkeit von Perindopril gegenüber Preisschwankungen bei den anderen ACE‑Hemmern bedeutet daher nicht notwendig, dass dieses Arzneimittel keinem signifikanten Wettbewerbsdruck seitens dieser anderen Arzneimittel ausgesetzt war. Aus diesem Umstand lässt sich nicht ableiten, dass Perindopril einem signifikanten Wettbewerbsdruck entzogen war, der, wie die Klägerinnen geltend machen, auf anderen Ebenen als der des Preises, wie etwa bei Innovation, Produktqualität und Verkaufsförderung, stattfand. Die Kommission selbst weist in Rn. 2543 des angefochtenen Beschlusses darauf hin, dass wirtschaftliche Substituierbarkeit vorliegen kann, wenn durch Veränderungen anderer wichtiger wirtschaftlicher Variablen als des Preises ein erheblicher Teil des Absatzes eines Erzeugnisses zu einem anderen verlagert wird.

1579

Folglich lässt der Umstand, dass der Absatz und die Preise von Perindopril erst nach der Markteinführung des Perindopril-Generikums zurückgegangen sind und beim Eintritt den Preis anderer Moleküle betreffender natürlicher Geschehnisse stabil geblieben sind oder weniger betroffen waren, nicht den Schluss zu, dass es bis zum Markteintritt der Perindopril-Generika keinen Wettbewerbsdruck gab.

1580

Als Zweites ergibt sich aus den Akten, dass die Kommission, wie die Klägerinnen zu Recht hervorheben, dem Faktor Preis bei der Definition des relevanten Produktmarkts zu große Bedeutung beigemessen hat, indem sie aus der Analyse des natürlichen Geschehens das Fehlen eines signifikanten Wettbewerbsdrucks auf Perindopril seitens der ACE‑Hemmer abgeleitet hat.

1581

Wie sich nämlich aus den Akten ergibt, war der Faktor Preis in der Analyse der Kommission entscheidend dafür, die anderen ACE‑Hemmer vom relevanten Markt auszunehmen. Nach dem Wortlaut des angefochtenen Beschlusses selbst hat sich die Kommission im Wesentlichen auf die Analyse des natürlichen Preisgeschehens gestützt, um ACE‑Hemmer wie Ramipril, Enalapril oder Lisinopril, die Servier als ihre nächsten Konkurrenzerzeugnisse bezeichnete, vom relevanten Markt auszunehmen. Die Kommission hat z. B. in Rn. 2460 und in Fn. 3245 des angefochtenen Beschlusses die Bedeutung der Ergebnisse ihrer ökonometrischen Analyse hervorgehoben, die der Feststellung gedient habe, ob der Preisrückgang bei bestimmten Arzneimitteln der Klasse der ACE‑Hemmer in der Folge der Markteinführung ihrer Generika sich auf den Absatz von Perindopril ausgewirkt habe oder nicht. Im angefochtenen Beschluss hat sie mehrfach, u. a. in den Rn. 2527 und 2534, ausgeführt, dass das Fehlen von Preisdruck, das sich aus dem Regelungsrahmen ergebe und durch die Analyse des natürlichen Geschehens gezeigt worden sei, den Schluss zulasse, dass von keinem anderen Molekül ein signifikanter Wettbewerbsdruck auf Perindopril ausgegangen sei. In Rn. 2546 des angefochtenen Beschlusses heißt es, der Umstand, dass der von den Generika ausgehende Preisdruck bei Weitem jeden potenziellen anderen Wettbewerbsdruck auf Perindopril überwogen habe, führe auf natürliche Weise zur Definition eines beschränkten Marktes, der nur das in Rede stehende Arzneimittel umfasse.

1582

Die Bedeutung der Analyse des die Preisschwankungen betreffenden natürlichen Geschehens für die von der Kommission zugrunde gelegte Marktdefinition wird im Übrigen durch die Klagebeantwortung der Kommission bestätigt, in der es heißt, dass diese Analyse für die vier betreffenden Mitgliedstaaten zeige, dass die Klägerinnen keinem signifikanten Wettbewerbsdruck seitens der Hersteller anderer ACE‑Hemmer ausgesetzt gewesen seien. Zu Polen wird in der Klagebeantwortung dargelegt, die Analyse des natürlichen Geschehens zeige, dass von den anderen Arzneimitteln derselben Klasse kein Wettbewerbsdruck auf Perindopril ausgegangen sei.

1583

In der Sitzung hat die Kommission noch ausgeführt, die Feststellung, dass der Absatz von Perindopril beim Markteintritt der generischen Versionen der anderen ACE‑Hemmer, die wesentlich billiger als Perindopril seien, nicht zurückgegangen sei, sei für ihre Analyse zentral und erlaube den Schluss auf das Fehlen eines signifikanten Wettbewerbsdrucks durch die anderen ACE‑Hemmer.

1584

Indem sie so den Ergebnissen ihrer im Wesentlichen auf die Auswirkung der Preisschwankungen gestützten Analyse des natürlichen Geschehens eine entscheidende Bedeutung beigemessen hat, hat die Kommission nicht in vollem Umfang den besonderen Kontext des Arzneimittelsektors berücksichtigt und den Faktoren, anhand deren das Bestehen von Wettbewerbsdruck qualitativer oder außerpreislicher Art festgestellt werden kann, keine hinreichende Aufmerksamkeit gewidmet.

1585

Unter diesen Umständen ist dem zweiten Teil der ersten von Servier erhobenen Rüge zu folgen, mit dem beanstandet wird, dass die Kommission den Entwicklungen der relativen Preise der Arzneimittel zu große Bedeutung beigemessen habe. Die Kommission konnte aus der Analyse des natürlichen Geschehens und der geringen Empfindlichkeit von Perindopril gegenüber den Preisschwankungen der anderen ACE‑Hemmer nicht ableiten, dass von anderen Erzeugnissen mit Ausnahme des generischen Perindoprils kein Wettbewerbsdruck irgendeiner Art auf Servier ausging.

1586

Da der zweite Teil der ersten Rüge, die die Analyse der Preise betrifft und von den Klägerinnen in erster Linie erhoben wird, durchgreift, ist auf die dritte Rüge nicht einzugehen, mit der die Klägerinnen hilfsweise geltend machen, dass die von der Kommission vorgenommene ökonometrische Analyse der Preise methodisch fehlerhaft sei.

5) Ergebnis

1587

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass sich, wie oben in den Rn. 1373 bis 1375 dargelegt worden ist, die in Art. 263 AEUV vorgesehene Rechtmäßigkeitskontrolle insoweit auf sämtliche Bestandteile der Beschlüsse der Kommission in Verfahren nach den Art. 101 und 102 AEUV erstreckt, deren eingehende rechtliche und tatsächliche Kontrolle auf der Grundlage der von den Klägern geltend gemachten Klagegründe und unter Berücksichtigung aller von diesen vorgebrachten Umstände das Gericht sicherstellt (Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 72).

1588

Auch wenn der Kommission in Bereichen, in denen komplexe wirtschaftliche Beurteilungen erforderlich sind, in Wirtschaftsfragen ein Wertungsspielraum zusteht, bedeutet dies nicht, dass der Unionsrichter eine Kontrolle der Auslegung von Wirtschaftsdaten durch die Kommission zu unterlassen hat. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs muss der Unionsrichter nämlich nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren (Urteile vom 15. Februar 2005, Kommission/Tetra Laval, C‑12/03 P, EU:C:2005:87, Rn. 39, vom 8. Dezember 2011, Chalkor/Kommission, C‑386/10 P, EU:C:2011:815, Rn. 54, und vom10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 54). Wenn die Kommission zur Einstufung einer Praxis nach Art. 102 AEUV einer ökonometrischen Analyse der Frage, ob ein Rabatt einen ebenso effizienten Wettbewerber vom Markt hätte verdrängen können (AEC‑Test), tatsächliche Bedeutung beimisst, hat der Unionsrichter das gesamte Vorbringen des mit einer Sanktion belegten Unternehmens zu diesem Test zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 141 bis 144).

1589

Im vorliegenden Fall ist als Ergebnis der Gesamtprüfung der Gesichtspunkte, auf die die Kommission ihre Beurteilung und die Prüfung der von den Klägerinnen geltend gemachten Rügen gestützt hat, festzustellen, dass der Kommission bei der Analyse der Definition des relevanten Marktes eine Reihe von Fehlern unterlaufen ist. Denn die Kommission hat

hinsichtlich des therapeutischen Gebrauchs zu Unrecht befunden, dass die ACE‑Hemmer eine heterogene Klasse von Arzneimitteln bildeten und dass Perindopril innerhalb dieser Arzneimittelklasse besondere Eigenschaften aufweise;

zu Unrecht geschlossen, dass ein Mechanismus der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte den für Neupatienten von den anderen ACE‑Hemmern ausgehenden Wettbewerbsdruck signifikant beschränkt habe;

die Neigung der mit Perindopril behandelten Patienten zu einem Behandlungswechsel unterschätzt;

die Werbeaktivitäten der pharmazeutischen Unternehmen und ihre Bedeutung für die Analyse der Wettbewerbsbeziehungen nicht gebührend in Betracht gezogen;

die besonderen Merkmale des Wettbewerbs im Arzneimittelsektor verkannt, indem sie aus einer im Wesentlichen auf die Preisschwankungen gestützten Analyse des natürlichen Geschehens abgeleitet hat, dass Perindopril keinem signifikanten Wettbewerbsdruck seitens der anderen ACE‑Hemmer ausgesetzt gewesen sei.

1590

Auf eine mit den vorstehend benannten Fehlern behaftete Analyse gestützt hat die Kommission den relevanten Markt auf das Molekül von Perindopril beschränkt, obwohl aus den Akten hervorgeht, dass von den anderen ACE‑Hemmern auf Perindopril ein signifikanter Wettbewerbsdruck außerpreislicher Art ausgehen konnte. Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die von der Kommission begangenen Fehler das Ergebnis ihrer Analyse fehlerhaft machen.

1591

Somit ist zum Abschluss einer Würdigung, die das Gericht unter Beachtung der oben in den Rn. 1587 und 1588 dargelegten Grenzen der richterlichen Kontrolle vornimmt, festzustellen, dass nicht nachgewiesen ist, dass der relevante Produktmarkt auf das originale und das generische Perindopril begrenzt ist.

1592

Nach alledem greift der vierzehnte Klagegrund durch, mit dem die Definition des Marktes für die Endprodukte als der Markt für originales und generisches Perindopril beanstandet wird.

13.   Zu den Beurteilungsfehlern betreffend das Bestehen einer beherrschenden Stellung auf dem Markt für die Endprodukte

a)   Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

b)   Würdigung durch das Gericht

1595

Nach ständiger Rechtsprechung ist eine beherrschende Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV eine wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens, die es in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Konkurrenten, seinen Kunden und letztlich den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten (Urteile vom 14. Februar 1978, United Brands und United Brands Continentaal/Kommission, 27/76, EU:C:1978:22, Rn. 65, und vom 13. Februar 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission, 85/76, EU:C:1979:36, Rn. 38).

1596

Im vorliegenden Fall hat die Kommission in Rn. 2593 des angefochtenen Beschlusses befunden, dass Servier auf dem Markt für originales und generisches Perindopril im Vereinigten Königreich von Januar 2000 bis Juni 2007, in den Niederlanden von Januar 2000 bis Dezember 2007, in Frankreich von Januar 2000 bis Dezember 2009 und in Polen von Januar 2000 bis Dezember 2009 eine beherrschende Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV innegehabt habe.

1597

Für den Befund, dass Servier auf dem Markt für originales und generisches Perindopril eine beherrschende Stellung innegehabt habe, hat sich Kommission auf deren Marktanteile auf diesem Markt, auf das Bestehen von Markteintrittsschranken, auf das Vorliegen erheblicher ökonomischer Renten und auf das Fehlen einer von den öffentlichen Stellen ausgeübten Nachfragemacht gestützt. In den Rn. 2594 bis 2600 des angefochtenen Beschlusses heißt es außerdem, unabhängig von der zugrunde gelegten Marktdefinition spiegelten belastbare Beweise, nämlich das Vorliegen erheblicher ökonomischer Renten, die Marktmacht von Servier wider.

1598

Die Klägerinnen stellen das Bestehen einer beherrschenden Stellung in Abrede und machen insbesondere geltend, der Produktmarkt sei nicht auf originales und generisches Perindopril begrenzt.

1599

Da die Marktdefinition, wie als Ergebnis der Prüfung des vorangegangenen Klagegrundes festgestellt worden ist, wegen der Begrenzung des Produktmarkts auf originales und generisches Perindopril fehlerhaft war, ist folglich auch die Prüfung der wirtschaftlichen Macht von Servier auf dem Markt mit einem Fehler behaftet.

1600

Darüber hinaus weist das Gericht darauf hin, dass die Erfüllung von mindestens zwei der wesentlichen Kriterien für die Beurteilung der wirtschaftlichen Macht von Servier, nämlich die Marktanteile und das Vorliegen erheblicher ökonomischer Renten, durch die fehlerhafte Abgrenzung des relevanten Marktes in Frage gestellt wird.

1601

Zu den Marktanteilen hat die Kommission in Rn. 2561 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass bescheidene Marktanteile im Allgemeinen gegen eine starke Marktmacht sprächen. Marktanteile von über 50 % stellten äußerst bedeutende Anteile dar und seien als solche, von außergewöhnlichen Umständen abgesehen, ein Beweis für das Bestehen einer beherrschenden Stellung, während Marktanteile von 70 % bis 80 % ein klares Indiz für eine beherrschende Stellung seien.

1602

In den Rn. 2563 bis 2567 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission festgestellt, dass Servier äußerst hohe Marktanteile auf dem relevanten Markt (u. a. von 2000 bis 2005 einen Marktanteil von 90 % bis 100 % in Frankreich, in Polen und im Vereinigten Königreich) innegehabt habe, jedenfalls stets über 50 %, selbst wenn man die Rolle der Parallelimporteure in den Niederlanden berücksichtige.

1603

Da die Kommission den relevanten Produktmarkt fehlerhaft auf das originale und das generische Perindopril begrenzt hat, ist die von der Kommission vorgenomme Berechnung der Marktanteile zwangsläufig fehlerhaft.

1604

Das Gericht weist darauf hin, dass nicht bestritten ist, dass bei einer Definition des relevanten Marktes auf der Ebene sämtlicher ACE‑Hemmer und nicht auf der Ebene des Moleküls von Perindopril durch die Kommission der durchschnittliche Marktanteil von Servier in den vier von der Kommission untersuchten Mitgliedstaaten unter 25 % und damit unter der Marktanteilsschwelle gelegen hätte, die nach dem angefochtenen Beschluss ein Indiz für das Bestehen einer beherrschenden Stellung ist.

1605

Die Kommission hat in dieser Hinsicht im angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass die Berechnung der Marktanteile von Servier bei den ACE‑Hemmern nicht auf dem Umsatz, sondern auf dem Volumen der Verkäufe, ausgedrückt in definierten Tagesdosen, beruhe, was zu einer Überschätzung des Umsatzes von Ramipril führe. Abgesehen davon, dass die Kommission keine alternative Analyse der relativen Verkäufe der verschiedenen ACE‑Hemmer vorlegt, geht aber aus den Rn. 1494 und 1498 des vorliegenden Urteils hervor, dass Perindopril im Januar 2000 in allen betroffenen Ländern über eine wesentlich schmalere Patientenbasis verfügte als andere ACE‑Hemmer wie Ramipril, Enalapril oder Lisinopril. Welcher räumliche Markt auch betrachtet wird, im Zeitraum der vom angefochtenen Beschluss erfassten Praktiken nahm das Perindopril von Servier beim Absatz von Tabletten und Kapseln nie eine führende Stellung unter den ACE‑Hemmern ein.

1606

Die ökonomischen Renten für Servier waren nach Ansicht der Kommission erheblich. Sie hat diese als besonders hohe und dauerhafte Gewinne im Vergleich zu solchen definiert, die auf einem Wettbewerbsmarkt für die in Rede stehenden Erzeugnisse erzielt würden. Die Servier vor dem Markteintritt der Generika zugeflossenen Renten hat die Kommission in der Weise berechnet, dass sie den Unterschied zwischen den Preisen vor und nach dem Markteintritt der Generika mit dem Absatz des Hersteller des Originalpräparats multipliziert hat. Diese Überlegung beruht jedoch auf der Prämisse, dass der Markt auf das originale und das generische Perindopril begrenzt sei und daher vor dem Markteintritt des generischen Perindoprils kein Wettbewerbsmarkt bestanden habe. Da die Kommission nicht dargetan hat, dass der Markt auf das originale und das generische Perindopril begrenzt war, konnte sie nicht auf der Grundlage einer solchen Berechnung die ökonomischen Renten von Servier veranschlagen. Unter diesen Umständen ist das Vorliegen erheblicher ökonomischer Renten von Servier nicht dargetan.

1607

Somit wird die von der Kommission vorgenommene Beurteilung zweier für ihre Überlegungen wesentlicher Elemente, nämlich der Marktanteile und des Vorliegens ökonomischer Renten, durch die fehlerhafte Abgrenzung des Marktes in Frage gestellt. Folglich konnte, ohne dass das Bestehen von Markteintrittsschranken und die Nachfragemacht der öffentlichen Stellen zu prüfen sind, die Kommission jedenfalls mit der von ihr gewählten Begründung nicht befinden, dass Servier eine beherrschende Stellung innegehabt habe und in der Lage gewesen sei, sich ihren Konkurrenten, ihren Kunden und den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten.

1608

Mithin greift der vorliegende Klagegrund, mit dem das Fehlen einer beherrschenden Stellung auf dem Markt für die Endprodukte geltend gemacht wird, durch.

14.   Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend das Bestehen einer beherrschenden Stellung auf dem Markt für die Technologie

a)   Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

b)   Würdigung durch das Gericht

1611

Die Kommission hat in den Rn. 2667 und 2758 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, der relevante Technologiemarkt sei auf die Technologie zur Herstellung des pharmazeutischen Wirkstoffs von Perindopril begrenzt, auf dem Servier eine beherrschende Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV innegehabt habe.

1612

Die Klägerinnen treten dem entgegen und machen u. a. geltend, die von der Kommission bei der Definition des Marktes für die Endprodukte begangenen Fehler machten auch die Definition des Marktes für die Technologie und die Analyse der Stellung von Servier auf diesem Markt fehlerhaft.

1613

Das Gericht hat die Parteien in der Sitzung gefragt, welche Folgen es für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses, soweit dieser auf Art. 102 AEUV gestützt ist, hätte, wenn der Klagegrund der fehlerhaften Definition des Marktes für die Endprodukte durchgriffe.

1614

Nach Ansicht der Kommission würde ein eventueller Fehler in der Abgrenzung des Marktes für die Endprodukte die beherrschende Stellung von Servier auf dem Markt für die Technologie nicht in Frage stellen. Der Nachweis der beherrschenden Stellung von Servier beruhe auf der Würdigung einer Gesamtheit relevanter Kriterien, insbesondere der Nachfrage nach dem pharmazeutischen Wirkstoff von Perindopril, die nicht von der Definition des Marktes für die Endprodukte abhänge.

1615

Was die Abgrenzung des Marktes für die Technologie betrifft, geht aus dem angefochtenen Beschluss hervor, dass die Kommission sich für den Schluss, dass der relevante Technologiemarkt der Markt für die Technologie zur Herstellung des pharmazeutischen Wirkstoffs von Perindopril sei, u. a. darauf gestützt hat, dass der Markt für die Endprodukte, der vertikal mit dem Markt für die Technologie verbunden sei, auf das originale und das generische Perindopril begrenzt sei. Demgemäß leite sich die Nachfrage nach der Technologie zur Herstellung des pharmazeutischen Wirkstoffs von der nach dem Endprodukt Perindopril ab (Rn. 2648 bis 2651 des angefochtenen Beschlusses). Damit hat die Kommission ihre fehlerhafte Abgrenzung des Marktes für die Endprodukte im Rahmen ihrer Analyse des Marktes für die Technologie herangezogen, insbesondere bezüglich der Beurteilung der Nachfrage auf dem letztgenannten Markt.

1616

Gleichwohl hat die Kommission, wie sie geltend macht, im Rahmen ihrer Analyse des Marktes für die Technologie auch andere Faktoren für die Abgrenzung dieses Marktes herangezogen, wie eine Analyse der Substituierbarkeit auf der Angebotsseite (Rn. 2657 ff. des angefochtenen Beschlusses).

1617

Im vorliegenden Fall bedarf es jedoch keiner Entscheidung darüber, ob der Markt für die Technologie fehlerhaft abgegrenzt worden ist, um den Klagegrund zu würdigen, die Kommission habe das Bestehen einer beherrschenden Stellung von Servier auf diesem Markt fehlerhaft beurteilt.

1618

Wie sich nämlich aus den Rn. 2668 und 2669 des angefochtenen Beschlusses ergibt, war die Kommission der Ansicht, dass Servier auf dem Markt für die Technologie eine beherrschende Stellung innegehabt habe, weil sich diese Stellung auf dem Markt für die Endprodukte gezeigt habe.

1619

Die Kommission hat insbesondere die Stellung von Servier auf dem Markt für die Technologie zur Herstellung des pharmazeutischen Wirkstoffs beurteilt, indem sie sich in den Rn. 2735 ff. des angefochtenen Beschlusses auf die Marktanteile von Servier auf dem Markt für die Endprodukte gestützt hat. In Rn. 2738 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Marktstellung einer bestimmten Technologie zur Herstellung eines pharmazeutischen Wirkstoffs grundlegend davon abhänge, ob das fertige Arzneimittel erfolgreich auf den Markt gebracht werden könne oder nicht. So hat sie in den Rn. 2743, 2746, 2751 und 2755 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass Servier, von wenigen Ausnahmen abgesehen, als einziges Unternehmen Perindopril vertrieben habe, um daraus zu schließen, dass sie auf dem Markt der Technologie für Perindopril eine beherrschende Stellung eingenommen habe. Nach der Analyse der Kommission ist die Stellung von Servier auf dem vorgelagerten Markt in Bezug auf Marktanteile somit im Wesentlichen Ausdruck ihrer Stellung auf dem Markt für die Endprodukte.

1620

Folglich hat sich die Kommission in entscheidender Weise auf die Abgrenzung des Marktes für die Endprodukte gestützt, um auf die beherrschende Stellung von Servier auf dem Markt für die Technologie zu schließen.

1621

Da die Abgrenzung des Marktes für die Endprodukte fehlerhaft ist, konnte die Kommission auf dieser Grundlage nicht dartun, dass Servier auf dem Markt für die Technologie eine beherrschende Stellung innehatte.

1622

Nach alledem ist dem Klagegrund einer fehlerhaften Feststellung des Bestehens einer beherrschenden Stellung von Servier auf dem Markt für die Technologie zu folgen, ohne dass auf die von den Klägerinnen erhobene Rüge der fehlerhaften Abgrenzung dieses Marktes einzugehen ist.

15.   Zu den Rechts- und Tatsachenfehlern betreffend das Vorliegen eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung

a)   Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

b)   Würdigung durch das Gericht

1625

Die Kommission hat in Rn. 2997 des angefochtenen Beschlusses die Strategie von Servier, den Erwerb der Technologie zur Herstellung des pharmazeutischen Wirkstoffs mit dem Abschluss von Patentvergleichsvereinbarungen gegen umgekehrte Zahlung zu verknüpfen, als eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV eingestuft.

1626

In Anbetracht sämtlicher Erwägungen zu den drei vorangegangenen Klagegründen ist jedoch festzustellen, dass die von der Kommission bei der Prüfung der beherrschenden Stellung von Servier auf dem Markt für die Endprodukte und auf dem Markt für die Technologie begangenen Fehler zwangsläufig das Vorliegen eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung in Frage stellen. Da es an einer beherrschenden Stellung fehlt, ist die Frage des Missbrauchs einer solchen Stellung gegenstandslos.

1627

Nur ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass bereits das Fehlen einer beherrschenden Stellung von Servier nur auf dem Markt für die Endprodukte das Vorliegen des Servier im angefochtenen Beschluss vorgeworfenen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung in Frage stellt.

1628

In dieser Hinsicht hat das Gericht, wie oben in Rn. 1613 dargelegt, die Parteien in der Sitzung gefragt, welche Folgen sich in Bezug auf das Bestehen einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV ergeben würden, wenn der Klagegrund einer fehlerhaften Definition des Marktes für die Endprodukte Erfolg hätte.

1629

Die Kommission hat dazu geltend gemacht, selbst wenn die Definition des Marktes für die Endprodukte vom Gericht beanstandet würde, wäre das Vorliegen der Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV nicht in Frage gestellt. Sie hat u. a. dargelegt, dass die beiden mit dem Vorwurf des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung erfassten missbräuchlichen Verhaltensweisen, nämlich der Erwerb der Technologie von Azad und der Abschluss der Patentvergleichsvereinbarungen mit den Generikaherstellern, mit dem Markt für die Technologie verbunden seien.

1630

Es ist indes darauf hinzuweisen, dass die Kommission das Vorliegen eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung festgestellt hat, der Rn. 2765 des angefochtenen Beschlusses zufolge im Kern darauf abgezielt habe, die Stellung von Servier auf dem Perindopril-Markt gegen jeden Markteintritt von Generika zu schützen, um ihre Einkünfte aus dem Verkauf von Perindopril zu wahren. Damit hat die Kommission Servier eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung vorgeworfen, die im Wesentlichen darauf abgezielt habe, die Stellung und die Einkünfte von Servier auf dem Markt für die Perindopril-Endprodukte durch Verzögerung des Markteintritts der Generika zu schützen. Die Kommission hat sich somit zur Erklärung und zur Charakterisierung des Servier vorgeworfenen Verhaltens auf den dieser unterstellten Willen gestützt, ihre Stellung auf dem Markt für die Endprodukte zu verteidigen.

1631

Zudem hat die Kommission, die zur Charakterisierung des Verhaltens im Wesentlichen auf den Markt für die Endprodukte Bezug genommen hat, den Sachverhalt als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung eingestuft, die sowohl den vorgelagerten Markt für die Technologie als auch den Markt für die Endprodukte erfasse. Im angefochtenen Beschluss wird zwar, wie die Kommission darlegt, unterschieden zwischen einer Praktik des Erwerbs der Technologie von Azad und Praktiken des Abschlusses von Vergleichsvereinbarungen, nicht jedoch innerhalb der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung zwischen Verhaltensweisen von Servier, die nur den Markt für die Technologie betreffen, und anderen Verhaltensweisen von Servier, die auf der Feststellung einer beherrschenden Stellung von Servier auf dem Markt für die Endprodukte beruhen. Weder der Erwerb der Technologie von Azad noch der Abschluss von Patentvergleichsvereinbarungen werden im angefochtenen Beschluss allein auf der Grundlage der beherrschenden Stellung von Servier auf dem Markt für die Technologie als Zuwiderhandlungen gegen Art. 102 AEUV eingestuft. In Ermangelung einer beherrschenden Stellung von Servier auf dem Markt für die Endprodukte fehlt für den Nachweis des Vorliegens einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung eines ihrer wesentlichen Elemente, ohne dass ein abtrennbares Verhalten von Servier auszumachen wäre, dessen Rechtswidrigkeit nicht vom Vorliegen einer beherrschenden Stellung des Unternehmens auf dem Perindopril-Markt abhinge und nur den Markt für die Technologie beträfe.

1632

Daher greift der vorliegende Klagegrund durch.

1633

Die Prüfung der vorstehenden vier Klagegründe hat ergeben, dass der angefochtene Beschluss teilweise, und zwar insoweit, als mit ihm das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV festgestellt wird, für nichtig zu erklären ist. Folglich ist Art. 6 des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären.

16.   Zum Hilfsantrag auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbußen

1634

Die Klägerinnen beantragen die Nichtigerklärung oder die Herabsetzung der ihnen auferlegten Geldbußen.

1635

Hierfür stützen sie sich auf sieben Klagegründe, die der Reihe nach zu prüfen sind.

1636

Zunächst ist, um der Nichtigerklärung von Art. 4 des angefochtenen Beschlusses, soweit die Kommission mit diesem hinsichtlich der zwischen Servier und Krka geschlossenen Vereinbarungen die Beteiligung der Klägerinnen an einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV festgestellt hat (siehe den die Vereinbarungen zwischen Servier und Krka betreffenden Teil des vorliegenden Urteils), Rechnung zu tragen, Art. 7 Abs. 4 Buchst. b des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären, mit dem die Kommission wegen dieser Zuwiderhandlung gegen Servier eine Geldbuße in Höhe von 37661800 Euro verhängt hat.

1637

In Anbetracht dieser Nichtigerklärung braucht die Begründetheit der Klagegründe oder Rügen, auf die der Antrag in Bezug auf die in der vorstehenden Rn. 1636 genannten Geldbuße gestützt wird, nicht geprüft zu werden.

1638

Ebenso ist, um der Nichtigerklärung von Art. 6 des angefochtenen Beschlusses, soweit die Kommission mit diesem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV festgestellt hat (siehe die Teile des vorliegenden Urteils, die der Definition des relevanten Marktes, dem Bestehen einer beherrschenden Stellung auf den beiden relevanten Märkten und dem Missbrauch einer beherrschenden Stellung gewidmet sind), Rechnung zu tragen, Art. 7 Abs. 6 des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären, mit dem die Kommission wegen dieser Zuwiderhandlung gegen Servier eine Geldbuße in Höhe von 41270000 Euro verhängt hat.

1639

In Anbetracht dieser Nichtigerklärung braucht die Begründetheit der Klagegründe oder Rügen, auf die der Antrag in Bezug auf die in der vorstehenden Rn. 1638 genannte Geldbuße gestützt wird, nicht geprüft zu werden.

1640

Demgemäß werden in den folgenden Ausführungen die Rügen oder das Vorbringen betreffend die mit Krka geschlossenen Vereinbarungen oder den Missbrauch einer beherrschenden Stellung grundsätzlich nicht geprüft oder auch nur angesprochen. Wenn dies ausnahmsweise geschieht, so erfolgt diese Prüfung nur ergänzend.

a)   Zur Unvorhersehbarkeit der im angefochtenen Beschluss herangezogenen Auslegung

1) Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

2) Würdigung durch das Gericht

1655

Die wirksame Bekämpfung von Zuwiderhandlungen im Bereich des Wettbewerbsrechts darf nicht so weit gehen, dass der Grundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit von strafbaren Handlungen und Strafen missachtet wird, wie er in Art. 49 der Charta der Grundrechte verankert ist (vgl. entsprechend zu strafrechtlichen Sanktionen und zu der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtete rechtswidrige Handlungen zu bekämpfen, Urteil vom 5. Dezember 2017, M.A.S. und M.B., C‑42/17, EU:C:2017:936, Rn. 61).

1656

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs folgt aus dem Grundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit von strafbaren Handlungen und Strafen, dass die Straftaten und die für sie angedrohten Strafen gesetzlich klar definiert sein müssen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Einzelne anhand des Wortlauts der einschlägigen Bestimmung und nötigenfalls mit Hilfe ihrer Auslegung durch die Gerichte erkennen kann, welche Handlungen und Unterlassungen seine strafrechtliche Verantwortung begründen (vgl. Urteil vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission, C‑194/14 P, EU:C:2015:717, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

1657

Der Grundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit von strafbaren Handlungen und Strafen darf nicht so verstanden werden, dass er die schrittweise Klärung der Vorschriften über die strafrechtliche Verantwortlichkeit durch richterliche Auslegung von Fall zu Fall untersagt, vorausgesetzt, dass das Ergebnis zum Zeitpunkt der Begehung der Zuwiderhandlung insbesondere unter Berücksichtigung der Auslegung, die zu dieser Zeit in der Rechtsprechung zur fraglichen Rechtsvorschrift vertreten wurde, hinreichend vorhersehbar ist (vgl. Urteil vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission, C‑194/14 P, EU:C:2015:717, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

1658

Die Bedeutung des Begriffs der Vorhersehbarkeit hängt in hohem Maß vom Inhalt der in Rede stehenden Vorschriften, von dem durch sie geregelten Bereich sowie von der Zahl und der Eigenschaft ihrer Adressaten ab. Mit der Vorhersehbarkeit des Gesetzes ist es nicht unvereinbar, dass die betreffende Person gezwungen ist, fachkundigen Rat einzuholen, um unter den Umständen des konkreten Falles angemessen zu beurteilen, welche Folgen sich aus einer bestimmten Handlung ergeben können. Das gilt insbesondere für berufsmäßig tätige Personen, die gewohnt sind, sich bei der Ausübung ihrer Tätigkeit sehr umsichtig verhalten zu müssen. Von ihnen kann daher erwartet werden, dass sie die Risiken ihrer Tätigkeit besonders sorgfältig beurteilen (vgl. Urteil vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission, C‑194/14 P, EU:C:2015:717, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

1659

Die Hinzuziehung fachkundigen Rates erscheint umso selbstverständlicher, wenn es wie im vorliegenden Fall um die Vorbereitung und Abfassung von Vereinbarungen geht, mit denen Rechtsstreitigkeiten vermieden oder gütlich beigelegt werden sollen.

1660

Vor diesem Hintergrund hätte Servier, auch wenn die Unionsgerichte zum Zeitpunkt der mit dem angefochtenen Beschluss festgestellten Zuwiderhandlungen noch keine Gelegenheit gehabt hatten, sich konkret zu einer Vergleichsvereinbarung wie den von ihr geschlossenen zu äußern, insbesondere unter Berücksichtigung der sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden weiten Bedeutung der Begriffe „Vereinbarung“ und „abgestimmte Verhaltensweise“ nötigenfalls nach Einholung fachkundigen Rates davon ausgehen müssen, dass ihr Verhalten für mit den Wettbewerbsregeln des Unionsrechts unvereinbar erklärt werden könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission, C‑194/14 P, EU:C:2015:717, Rn. 43).

1661

Servier konnte insbesondere damit rechnen, dass sie dadurch, dass sie Generikaherstellern einen Anreiz bot, sich Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu unterwerfen, die als solche wettbewerbsbeschränkend sind, der Aufnahme solcher Klauseln in eine Patentvergleichsvereinbarung jede Rechtmäßigkeit entzog. Die Aufnahme derartiger Klauseln beruhte damit nämlich nicht mehr auf der Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch die Parteien der Vereinbarungen und stellte einen anormalen Gebrauch des Patents ohne Bezug zu dessen spezifischem Gegenstand dar (siehe oben, Rn. 267). Servier konnte somit bei vernünftiger Betrachtung vorhersehen, dass ein solches Verhalten unter das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen würde (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission, C‑194/14 P, EU:C:2015:717, Rn. 46, und vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 764).

1662

Überdies hatte sich, wie das Gericht bereits dargelegt hat, die Rechtsprechung schon lange vor dem Abschluss der streitigen Vereinbarung zu der Möglichkeit geäußert, das Wettbewerbsrecht in Bereichen anzuwenden, die durch das Bestehen von Rechten des geistigen Eigentums gekennzeichnet sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Xellia Pharmaceuticals und Alpharma/Kommission, T‑471/13, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:460, Rn. 314 und 315).

1663

So hat der Gerichtshof bereits 1974 entschieden, dass die von der Gesetzgebung eines Mitgliedstaats anerkannten gewerblichen Schutzrechte zwar durch Art. 101 AEUV in ihrem Bestand nicht berührt werden, dass ihre Ausübung jedoch unter die in diesem Artikel ausgesprochenen Verbote fallen kann und dass dies der Fall ist, wenn sich herausstellt, dass die Ausübung eines solchen Rechts Zweck, Mittel oder Folge einer Kartellabsprache ist (Urteil vom 31. Oktober 1974, Centrafarm und de Peijper, 15/74, EU:C:1974:114, Rn. 39 und 40).

1664

Seit dem Urteil vom 27. September 1988, Bayer und Maschinenfabrik Hennecke (65/86, EU:C:1988:448), steht zudem fest, dass Vergleiche in Patentrechtsstreitigkeiten als Vereinbarungen im Sinne von Art. 101 AEUV eingestuft werden können.

1665

Zudem haben Servier und die Generikahersteller mit den streitigen Vereinbarungen in Wirklichkeit Marktausschlussvereinbarungen geschlossen (siehe oben, u. a. Rn. 271, 562 und 704). Der Gerichtshof hat zwar erst in einem nach Abschluss der streitigen Vereinbarungen erlassenen Urteil entschieden, dass Marktausschlussvereinbarungen, mit denen die im Markt verbleibenden die aus diesem ausscheidenden Unternehmen entschädigen, eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellen, er hat jedoch ausgeführt, dass diese Art von Vereinbarungen „offenkundig“ nicht mit dem Grundgedanken der Wettbewerbsvorschriften des EG‑Vertrags zusammenpasst, wonach jeder Wirtschaftsteilnehmer autonom zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Markt zu betreiben gedenkt (Urteil vom 20. November 2008, Beef Industry Development Society und Barry Brothers, C‑209/07, EU:C:2008:643, Rn. 8 und 32 bis 34). Beim Abschluss solcher Vereinbarungen konnte sich Servier demnach über den wettbewerbswidrigen Charakter ihres Verhaltens nicht im Unklaren sein.

1666

Auch wenn die Rechtswidrigkeit dieser Vereinbarungen, weil sie in der Form von Patentvergleichen geschlossen wurden, für einen außenstehenden Beobachter wie die Kommission oder auf den betroffenen Gebieten spezialisierte Juristen möglicherweise nicht klar war, gilt dies doch nicht für die Parteien der Vereinbarung.

1667

Die Schwierigkeiten, auf die die Kommission bei der Feststellung einer Zuwiderhandlung stoßen konnte, sind zudem geeignet, die lange Verfahrensdauer oder die Länge des angefochtenen Beschlusses zumindest teilweise zu rechtfertigen.

1668

Die oben in Rn. 1661 gezogene Schlussfolgerung kann durch das übrige Vorbringen der Klägerinnen nicht in Frage gestellt werden.

1669

Als Erstes ist das Vorbringen, es gebe eine Praxis der Kommission, keine oder symbolische Geldbußen zu verhängen, wenn sie neue Rechtsfragen prüfe, im vorliegenden Fall unbeachtlich, da Servier trotz der Neuheit der in dieser Rechtssache aufgeworfenen Fragen bei vernünftiger Betrachtung vorhersehen konnte, dass ihr Vorgehen, Generikahersteller für ihr Fernbleiben vom Markt zu bezahlen, ein unter das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV fallendes Verhalten darstellte (siehe oben, Rn. 1661). Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es in einer der von den Klägerinnen angeführten Entscheidungen heißt, es sei für die Betroffenen „nicht hinreichend klar [gewesen], dass ihr Verhalten eine Zuwiderhandlung darstellte“. Die Kommission hatte es demnach mit einer anderen Situation als in der vorliegenden Rechtssache zu tun.

1670

Überdies ist oben in Rn. 1665 dargelegt worden, dass Servier sich im vorliegenden Fall über den wettbewerbswidrigen Charakter ihres Verhaltens nicht im Unklaren sein konnte.

1671

Jedenfalls verfügt die Kommission nach der Rechtsprechung über einen Ermessensspielraum bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße, um das Verhalten der Unternehmen auf die Einhaltung der Wettbewerbsregeln auszurichten. Die Kommission ist dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 1/2003 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der Wettbewerbspolitik der Union sicherzustellen. Die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union verlangt nämlich, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann (Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 773).

1672

Als Zweites nehmen die Klägerinnen zwar Bezug auf ein von einem der betroffenen Generikahersteller in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten, das in Rn. 3074 des angefochtenen Beschlusses erwähnt wird, sie tragen jedoch nicht genügend Anhaltspunkte dafür vor, dass eine echte Ungewissheit hinsichtlich der Frage bestand, ob die streitigen Vereinbarungen eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Union darstellten.

1673

Als Drittes ist das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, die von der Kommission im angefochtenen Beschluss gewählte Lösung laufe den in den Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen aufgestellten Grundsätzen zuwider.

1674

Selbst wenn die Klägerinnen damit eine Verkennung von Rn. 209 der Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen geltend machen sollten, geht nämlich aus dieser Randnummer hervor, dass Nichtangriffsklauseln „in der Regel“ nicht unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen. Mit der Verwendung dieses Ausdrucks schließt diese Bestimmung somit nicht aus, dass die Aufnahme von Nichtangriffsklauseln unter bestimmten Umständen eine wettbewerbsrechtliche Zuwiderhandlung sein kann.

1675

Zudem sieht Rn. 209 der Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen vor, dass Nichtangriffsklauseln dem Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV entgehen können, da es „gerade [ihr] Sinn [ist], bestehende Konflikte zu lösen und/oder künftige zu vermeiden“, indem künftige Angriffe auf die von ihnen erfassten Rechte des geistigen Eigentums verhindert werden.

1676

Wenn in einem Fall wie dem vorliegenden eine umgekehrte Zahlung und nicht die Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch alle Parteien zum Abschluss der streitigen Vereinbarungen geführt hat, kann nicht gesagt werden, dass es „gerade der Sinn“ dieser Vereinbarungen, bei denen es sich in Wirklichkeit um Marktausschlussvereinbarungen handelt, ist, „bestehende Konflikte zu lösen und/oder künftige zu vermeiden“.

1677

Des Weiteren gibt es entgegen dem, was die Klägerinnen zu vertreten scheinen, keinen Anhaltspunkt dafür, dass die von der Kommission im angefochtenen Beschluss gewählte Lösung so unvorhersehbar war, dass es die Kommission für nötig hielt, die Bestimmungen der Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen zu ändern.

1678

Nach Rn. 243 der Leitlinien von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen können Nichtangriffsklauseln zwar gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen, wenn der Lizenzgeber dem Lizenznehmer abgesehen von der Lizenz für die Technologierechte einen finanziellen oder sonstigen Anreiz bietet, sich damit einverstanden zu erklären, die Gültigkeit der Technologierechte nicht anzufechten.

1679

Mit dieser neuen Bestimmung sind jedoch nur die zuvor schon in den Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen enthaltenen Bestimmungen präzisiert worden.

1680

Als Viertes ist zu dem Vorbringen, der angefochtene Beschluss enthalte hinsichtlich der Auslegung des Begriffs des potenziellen Wettbewerbs Widersprüche, darauf hinzuweisen, dass dieses Vorbringen bereits zurückgewiesen worden ist, und auf die Ausführungen dazu Bezug zu nehmen (siehe oben, Rn. 374 bis 377).

1681

Nach alledem ist der Klagegrund, soweit er die im angefochtenen Beschluss festgestellten Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV betrifft, zurückzuweisen.

b)   Zu dem Rechtsfehler betreffend die Kumulierung der Geldbußen

1682

Die Klägerinnen erheben zwei Rügen, mit denen sie geltend machen, erstens stellten die von Servier geschlossenen streitigen Vergleichsvereinbarungen eine einheitliche Zuwiderhandlung dar, so dass die Kommission nicht fünf gesonderte Geldbußen gegen Servier verhängen könne, und zweitens sei die Kumulierung der nach Art. 101 AEUV und der nach Art. 102 AEUV verhängten Geldbuße widerrechtlich.

1) Zur Missachtung des Begriffs der einheitlichen Zuwiderhandlung

i) Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

ii) Würdigung durch das Gericht

1685

Die Klägerinnen führen zwei Argumente an, die beide den Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung betreffen; das erste geht dahin, dass alle von Servier geschlossenen streitigen Vergleichsvereinbarungen zusammen eine einheitliche Zuwiderhandlung bildeten, und mit dem zweiten machen sie hilfsweise geltend, die Niche- und die Matrix-Vereinbarung bildeten zusammen eine einheitliche Zuwiderhandlung.

1686

Was das erste Argument angeht, konnte die Kommission, wie aus Rn. 1282 des vorliegenden Urteils hervorgeht, nicht das Bestehen eines Servier und jedem der Generikahersteller gemeinsamen Ziels und somit eines Gesamtplans feststellen.

1687

Da es an seinem solchen gemeinsamen Ziel und somit einem Gesamtplan fehlte, konnte die Kommission nicht auf das Vorliegen einer einheitlichen Zuwiderhandlung erkennen. Sie hat daher zu Recht gegen Servier für jede der festgestellten Zuwiderhandlungen eine gesonderte Geldbuße verhängt.

1688

Somit kann die von der Kommission im angefochtenen Beschluss vorgenommene Kumulierung der Geldbußen, die auf der gerechtfertigten Feststellung gesonderter Zuwiderhandlungen beruht, entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht als „unbillig und unverhältnismäßig“ angesehen werden.

1689

Es wäre im Gegenteil unbillig gegenüber den Generikaherstellern, wenn Servier wie diese nur mit einer Sanktion belegt würde, obwohl Servier anders als diese an mehreren gesonderten Vereinbarungen beteiligt war.

1690

Im Übrigen ist die Kumulierung der Geldbußen grundsätzlich umso weniger als unverhältnismäßig anzusehen, als die Kommission im angefochtenen Beschluss (Rn. 3128) berücksichtigt hat, dass Servier mehrere Zuwiderhandlungen begangen hat, die zwar gesondert waren, aber dasselbe Erzeugnis, Perindopril, und weitgehend dieselben Gebiete und dieselben Zeiträume betrafen. In diesem besonderen Kontext hat sie zur Vermeidung eines potenziell unverhältnismäßigen Ergebnisses beschlossen, für jede Zuwiderhandlung den Anteil des Umsatzes von Servier, der zur Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße berücksichtigt worden ist, zu begrenzen. Sie hat somit eine Korrektur vorgenommen, die zu einer durchschnittlichen Reduzierung des Gesamtwerts der Umsätze, auf die sich die einzelnen Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV beziehen, um 54,5 % geführt hat.

1691

Daher ist das vorliegende Argument zurückzuweisen.

1692

Was das die Niche- und die Matrix-Vereinbarung betreffende Argument angeht, so stellten, wie oben in den Rn. 1295 bis 1302 dargelegt, diese Vereinbarungen zwei gesonderte Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV dar.

1693

Wie oben in Rn. 1296 ausgeführt, lässt sich aus der Analyse des Kontexts und der Bedingungen dieser Vereinbarungen ableiten, dass Servier beim Abschluss dieser Vereinbarungen von „denselben Motiven“ geleitet war und dass sie insoweit dasselbe Ziel verfolgte, nämlich den anhängigen Rechtsstreit endgültig beizulegen und jeden künftigen Rechtsstreit über das Erzeugnis von Niche/Matrix zu vermeiden sowie dieses Erzeugnis gegen Bezahlung als potenzielle Quelle von Wettbewerb auszuschalten. Dass die Klägerinnen beim Abschluss der Vereinbarungen mit Niche und mit Matrix dieses identische Ziel verfolgten, wird belegt durch die Tatsache, dass diese Vereinbarungen am selben Tag und am selben Ort von demselben Vertreter der Klägerinnen unterzeichnet wurden, die Tatsache, dass ihr zeitlicher und räumlicher Geltungsbereich identisch war, die Tatsache, dass die Vereinbarungen u. a. dasselbe Erzeugnis betrafen, wobei Niche und Matrix ähnliche Verpflichtungen auferlegt wurden, und schließlich die nicht bestrittene Tatsache, dass es im Interesse der Klägerinnen lag, mit den beiden am betreffenden gemeinsamen Perindopril-Projekt Beteiligten Vereinbarungen zu schließen.

1694

Derartige Tatsachen beweisen zwar nicht, dass Niche und Matrix mit dem Abschluss der in Rede stehenden Vereinbarungen zusammen ein und dasselbe Ziel und damit einen gemeinsamen Plan verfolgten, und schon gar nicht, dass sie einen solchen gemeinsamen Plan mit den Klägerinnen teilten, sie zeigen aber, dass Servier beim Abschluss der Niche- und der Matrix-Vereinbarung dasselbe Ziel verfolgte (siehe oben, Rn. 1296 bis 1301).

1695

Zudem betrafen die schädlichen Wirkungen dieser Vereinbarungen zum Teil das von Niche und Matrix gemeinsam entwickelte Erzeugnis, dessen Vermarktung während desselben Zeitraums und in demselben Gebiet untersagt war. Somit war der Grad der Überlagerung der wettbewerbswidrigen Wirkungen dieser Vereinbarungen besonders hoch.

1696

In Anbetracht der in den vorstehenden Randnummern genannten Faktoren, die für die Niche- und die Matrix-Vereinbarung spezifisch sind und diese von den Vergleichsvereinbarungen unterscheiden, die Servier mit anderen Generikaherstellern geschlossen hat, ist festzustellen, dass die Kommission mit der wegen der Kumulierung der Zuwiderhandlungen vorgenommenen Reduzierung (siehe oben, Rn. 1690) den besonderen Zusammenhang zwischen der Matrix-Vereinbarung und der Niche-Vereinbarung nicht hinreichend berücksichtigt hat, da sie der Matrix-Vereinbarung keine Sonderbehandlung zukommen ließ.

1697

Überdies berücksichtigt der von der Kommission festgesetzte Betrag der Geldbuße nicht angemessen den Schweregrad der in der Matrix-Vereinbarung liegenden Zuwiderhandlung, der geringer ist als der Schweregrad der in der Niche-Vereinbarung liegenden Zuwiderhandlung, da die Matrix-Vereinbarung von Servier geschlossen wurde, um die Wirkungen der Niche-Vereinbarung zu festigen (siehe oben, Rn. 1300), und da wegen der Biogaran-Vereinbarung die Wertübertragung zugunsten von Niche und Unichem höher ist als die zugunsten von Matrix.

1698

Demzufolge entscheidet das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. September 2014, YKK u. a./Kommission, C‑408/12 P, EU:C:2014:2153, Rn. 66), den Betrag der Servier wegen der Matrix-Vereinbarung auferlegten Geldbuße um 30 %, d. h. 23736510 Euro, herabzusetzen.

1699

Folglich wird der Betrag der Servier wegen der in Art. 2 des angefochtenen Beschlusses genannten Zuwiderhandlung, wie er sich aus dessen Art. 7 Abs. 2 Buchst. b ergibt, auf 55385190 Euro statt 79121700 Euro festgesetzt.

2) Zur Kumulierung der nach den Art. 101 und 102 AEUV verhängten Geldbußen

i) Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

ii) Würdigung durch das Gericht

1702

Da Art. 7 Abs. 6 des angefochtenen Beschlusses für nichtig erklärt worden ist (siehe oben, Rn. 1638), trifft Servier nur noch eine Sanktion nach Art. 101 AEUV. In Ermangelung einer Kumulierung von Geldbußen nach den Art. 101 und 102 AEUV braucht jedenfalls die Begründetheit der vorliegenden Rüge nicht geprüft zu werden, und diese ist zurückzuweisen.

c)   Zur Berechnung des Umsatzes

1703

Die Klägerinnen stützen sich auf drei gesonderte Rügen, die getrennt zu prüfen sind.

1) Zur Berücksichtigung des Absatzes im Krankenhaussektor

i) Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

ii) Würdigung durch das Gericht

1706

Die Klägerinnen verweisen zur Stützung dieser Rüge auf die Rn. 2408 bis 2412 des angefochtenen Beschlusses, in denen die Kommission ausführt, dass sie den Krankenhaussektor von ihrer Analyse des Marktes ausschließe.

1707

Die Rn. 2408 bis 2412 des angefochtenen Beschlusses sind Teil von Abschnitt 6.5 dieses Beschlusses, in dem die Entwicklung der beherrschenden Stellung von Servier auf dem Markt für die Endprodukte behandelt wird.

1708

Die Kommission hat in Rn. 2412 des angefochtenen Beschlusses dargelegt, dass Perindopril im Wesentlichen im Einzelhandel vertrieben werde und dass daher die Verkäufe an die Krankenhäuser die im Einzelhandel erzielten Preise und Gesamtvolumina nicht beeinflussen könnten. Deshalb war die Kommission der Ansicht, dass der vom Krankenhaussektor ausgehende Wettbewerbsdruck Servier nicht daran hindern könne, sich von jedem Wettbewerbsdruck unabhängig zu verhalten. Sie hat daher den Krankenhaussektor von der Analyse des Marktes für die Endprodukte ausgeschlossen.

1709

In Rn. 2595 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission ferner ausgeführt, dass aus der Feststellung von Unabhängigkeit von Wettbewerbsdruck auf das Vorliegen von Marktmacht zu schließen sei.

1710

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission den Krankenhaussektor von der Analyse des Marktes ausgeschlossen hat, weil sie der Ansicht war, dass dieser Teil des Marktes nicht relevant für die Feststellung sei, ob Servier über Marktmacht verfüge.

1711

Bei der Prüfung der streitigen Vereinbarungen nach Art. 101 AEUV hat die Kommission im Rahmen der Analyse der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung, für die die Feststellung des Vorliegens einer Marktmacht von Servier von Interesse war, auf Abschnitt 6.5 des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen, wie sich u. a. aus den Rn. 1397, 1503, 1656, 1847 und 2048 des angefochtenen Beschlusses und insbesondere aus dessen Rn. 1224 ergibt, in der die Kommission den Begriff der Marktmacht als zentral für die Analyse der wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der Vereinbarungen bezeichnet hat.

1712

Somit beabsichtigte die Kommission, den Krankenhaussektor von der Analyse der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung auszuschließen.

1713

Im Rahmen ihrer Analyse der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung hat die Kommission nicht auf Abschnitt 6.5 des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen und zu keiner Zeit erklärt, dass sie den Krankenhaussektor von ihrer Analyse ausschließe. Ein solcher Ausschluss war für die Kommission auch nicht von Interesse, da sie für die Analyse der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung nicht zu prüfen brauchte, ob Servier über Marktmacht verfügte.

1714

Ferner hat sich die Kommission für die Feststellung des Vorliegens einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung darauf gestützt, dass die streitigen Vereinbarungen wettbewerbsbeschränkende Klauseln enthielten. Das Vorhandensein dieser Klauseln und folglich ihr Geltungsbereich haben der Kommission somit die Abgrenzung des Ausmaßes der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung ermöglicht. So schloss z. B. das von der Kommission für jede Vereinbarung angenommene Gebiet der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung nur die Mitgliedstaaten ein, in denen die wettbewerbsbeschränkenden Klauseln galten, wie sich aus dem Schaubild Nr. 50 in Rn. 3134 des angefochtenen Beschlusses ergibt.

1715

Die in den streitigen Vereinbarungen enthaltenen Vermarktungsverbotsklauseln schlossen aber den Krankenhaussektor nicht von ihrem Geltungsbereich aus. Ebenso wenig schlossen die in den streitigen Vereinbarungen enthaltenen Nichtangriffsklauseln – die Möglichkeit eines solchen Ausschlusses unterstellt – diesen Sektor von ihrem Geltungsbereich aus.

1716

Aus den vorstehenden Erwägungen ist zu schließen, dass die Kommission bei ihrer Feststellung des Vorliegens einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung den Krankenhaussektor nicht ausgeschlossen hat.

1717

Für die Frage, ob die Klägerinnen wegen des oben festgestellten Ausschlusses des Krankenhaussektors aus der Analyse der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung gleichwohl eine Herabsetzung der nach Art. 101 AEUV verhängten Geldbußen erhalten können, ist zu prüfen, ob die Kommission durch die Berücksichtigung ihrer Feststellung einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung das Verhalten von Servier nicht strenger hat ahnden können, als es ihr aufgrund der Feststellung der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung allein möglich gewesen wäre.

1718

Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss zu keiner Zeit angegeben hat, dass sie die Zuwiderhandlung als für einen weiteren sachlichen, zeitlichen oder räumlichen Bereich gegeben ansehe, als sie dies aufgrund der Feststellung der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung tun konnte.

1719

Die Kommission hat im Gegenteil das Vorliegen einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung nur in vier Mitgliedstaaten, und zwar in Frankreich, den Niederlanden, Polen und im Vereinigten Königreich, festgestellt, während sie für die Berechnung der Geldbuße für die Zuwiderhandlungen betreffend Niche und Unichem, Matrix, Krka und Lupin den räumlichen Bereich der Zuwiderhandlungen auf alle Mitgliedstaaten ausgedehnt hat, in denen diese Vereinbarungen galten.

1720

Darüber hinaus sei darauf hingewiesen, dass die Kommission nur hilfsweise, „der Vollständigkeit halber“ (Rn. 1213 des angefochtenen Beschlusses), die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der streitigen Vereinbarungen analysiert hat.

1721

Die Klägerinnen selbst schließlich führen aus, dass die Berechnung der Geldbuße „ausschließlich auf der Prämisse [beruht], dass die Vereinbarungen bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen darstellten“.

1722

Somit hat die Kommission durch die Berücksichtigung der Feststellung der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung das Verhalten von Servier nicht strenger geahndet, als es ihr aufgrund der Feststellung der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung allein möglich gewesen wäre.

1723

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission den Krankenhaussektor zu Recht nicht aus der Berechnung der Geldbuße für deren auf Art. 101 AEUV entfallenden Teil ausgeschlossen hat.

1724

Nach alledem ist die vorliegende Rüge zurückzuweisen.

2) Zum Vorwurf einer unzureichenden Begründung der Berechnung des Umsatzes

i) Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

ii) Würdigung durch das Gericht

1727

Nach ständiger Rechtsprechung genügt die Kommission bei der Bestimmung des Betrags der wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln verhängten Geldbuße ihrer Begründungspflicht, wenn sie in ihrer Entscheidung die Beurteilungsgesichtspunkte angibt, die es ihr ermöglichten, Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu ermitteln; sie ist nicht verpflichtet, bezifferte Angaben zur Berechnungsweise der Geldbuße zu machen (vgl. Urteil vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission, C‑194/14 P, EU:C:2015:717, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).

1728

Im vorliegenden Fall beanstanden die Klägerinnen nur den Berichtigungskoeffizienten, den die Kommission auf den Umsatz angewandt hat.

1729

Hierzu hat die Kommission in Rn. 3128 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, sie habe, weil Servier mehrere Zuwiderhandlungen begangen habe, die zwar gesondert seien, aber dasselbe Erzeugnis, Perindopril, und weitgehend dieselben Gebiete und dieselben Zeiträume beträfen, einen Berichtigungskoeffizienten angewandt, um für jede Zuwiderhandlung den Anteil des Umsatzes von Servier, der zur Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße berücksichtigt worden sei, zu begrenzen. Dieser Berichtigungskoeffizient habe für jede der fünf Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV zu einer durchschnittlichen Herabsetzung des Umsatzes um 54,5 % geführt.

1730

Damit hat die Kommission in Ansehung der oben in Rn. 1727 angeführten Rechtsprechung und der Tatsache, dass die Anwendung dieses Berichtigungskoeffizienten, auch wenn sie nicht in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen vorgesehen ist, eine für die Klägerinnen günstige Maßnahme ist, ihren Beschluss hinreichend begründet, ohne dass der Umstand, dass die Klägerinnen nicht in der Lage sind, die gesamte Berechnung, die zum einen zu dem vorgenannten Satz von 54,5 % und zum anderen zu der letztlich für jede Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV festgesetzten Geldbuße geführt hat, nachzuvollziehen, zu einem gegenteiligen Schluss führen kann.

1731

Die Kommission hat zwar auf eine prozessleitende Maßnahme hin, die das Gericht im Hinblick auf eine eventuelle Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung erlassen hat, genauere Informationen zu der Berechnung vorgelegt, mit der sie zu dem vorgenannten Satz von 54,5 % und zu der letztlich für jede Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV festgesetzten Geldbuße gelangt ist, und diese Informationen haben es dem Gericht und den Klägerinnen ermöglicht, genauer zu verstehen, wie die Kommission diesen Satz und diese Geldbußen festgesetzt hat.

1732

Mit dem Hinweis darauf, dass genauere Informationen zur Berechnung der Geldbuße im Fall einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln später im gerichtlichen Verfahren übermittelt wurden, kann jedoch nicht dargetan werden, dass der angefochtene Beschluss insoweit unzureichend begründet ist. Nähere Angaben des Urhebers eines angefochtenen Beschlusses, die eine für sich bereits ausreichende Begründung ergänzen, fallen nicht unter die eigentliche Begründungspflicht, auch wenn sie für die innere Kontrolle der Gründe des Beschlusses durch den Unionsrichter nützlich sein können, da das Organ so die seinem Beschluss zugrunde liegenden Erwägungen erläutern kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. November 2000, Weig/Kommission, C‑280/98 P, EU:C:2000:627, Rn. 45).

1733

Ferner ist der partielle Charakter der mittels des Berichtigungskoeffizienten bewirkten Herabsetzung entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen dadurch gerechtfertigt, dass, wie als Ergebnis der Prüfung des Klagegrundes betreffend das Vorliegen einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung festgestellt worden ist, die einzelnen Vereinbarungen keine einheitliche Zuwiderhandlung, sondern gesonderte Zuwiderhandlungen darstellen, für die die Kommission jeweils eine gesonderte Geldbuße festsetzten konnte.

1734

Nach alledem ist die vorliegende Rüge zurückzuweisen.

3) Zum räumlichen Gebiet des Umsatzes

i) Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

ii) Würdigung durch das Gericht

1738

Die Klägerinnen machen geltend, im angefochtenen Beschluss, insbesondere im Schaubild Nr. 50 in dessen Rn. 3134, habe die Kommission das räumliche Gebiet der Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV fehlerhaft definiert, da zum einen das Patent 947 in Polen erst nach dem Ende aller Zuwiderhandlungen erteilt worden sei und zum anderen Bulgarien, die Tschechische Republik, Estland, Zypern, Lettland, Litauen, Ungarn, Malta, Polen, Rumänien, Slowenien, die Slowakei und Finnland von den Patenten 939 bis 941 nicht erfasst gewesen seien.

1739

Das vorgenannte Schaubild Nr. 50 zeigt die Anfangs- und die Enddaten jeder Zuwiderhandlung in den einzelnen Mitgliedstaaten.

1740

Vorab ist die Teva betreffende Zuwiderhandlung von der Analyse auszunehmen. Denn diese Zuwiderhandlung betrifft nur das Vereinigte Königreich. Das Vorbringen der Klägerinnen bezieht sich aber nicht auf diesen Mitgliedstaat. Es ist deshalb unbeachtlich für das räumliche Gebiet dieser Zuwiderhandlung.

1741

Was die anderen Zuwiderhandlungen angeht, hängt der – u. a. räumliche – Bereich jeder Zuwiderhandlung vom Geltungsbereich der in der jeweiligen Vereinbarung enthaltenen Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln ab. Es sind nämlich diese Klauseln, die den Wettbewerb beschränken und die, wenn ihnen jede Rechtfertigung fehlt, deshalb hinreichend schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs sind, um als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden zu können (siehe oben, Rn. 270).

1742

Insoweit beschränken sich die Klägerinnen darauf, aus dem Fehlen eines oder mehrerer Patente in einem gegebenen Mitgliedstaat den Wegfall jeglicher Zuwiderhandlung für diesen Staat abzuleiten, ohne zwischen den Zuwiderhandlungen und insbesondere innerhalb jeder Zuwiderhandlung zwischen den potenziell unterschiedlichen Wirkungen des Fehlens eines Patents auf die räumliche Reichweite der Vermarktungsverbots- und auf die der Nichtangriffsklausel zu unterscheiden.

1743

Somit legen die Klägerinnen nicht dar oder sprechen auch nur an, welche Folgen ein Auseinanderfallen des Geltungsbereichs der Vermarktungsverbots- und desjenigen der Nichtangriffsklausel für die Würdigung der Schwere der Zuwiderhandlung haben könnte.

1744

Das Vorbringen der Klägerinnen geht demnach nur dahin, für einen bestimmten Mitgliedstaat das Vorliegen jeder Zuwiderhandlung auszuschließen.

1745

Die Kommission war aber berechtigt, einen Mitgliedstaat für den fraglichen Zeitraum in das räumliche Gebiet dieser Zuwiderhandlung einzubeziehen, wenn die Vermarktungsverbotsklausel oder die Nichtangriffsklausel während eines bestimmten Zeitraums in diesem Mitgliedstaat gegolten hat.

1746

Der Klagegrund, wie er von den Klägerinnen angeführt wird, kann somit nur Erfolg haben, soweit er den Schluss zulässt, dass weder die Vermarktungsverbots- noch die Nichtangriffsklausel während eines Zeitraums, für den die Kommission das Vorliegen einer Zuwiderhandlung in einem bestimmten Mitgliedstaat festgestellt hat, in diesem Mitgliedstaat gegolten hat.

1747

Zunächst ist anhand des Vorbringens der Klägerinnen der Geltungsbereich der Vermarktungsverbotsklausel für jede der Vereinbarungen außer der Teva-Vereinbarung zu prüfen.

1748

Die Klägerinnen führen zwei Argumente an, von denen das eine das Patent 947 und das andere die Patente 339, 340 und 341 betrifft.

1749

Was die Lupin-Vereinbarung angeht, sieht deren Art. 1.6 vor, dass Lupin das „Erzeugnis“ in keinem Mitgliedstaat verkaufen darf. Mit dem Begriff „Erzeugnis“ wird u. a. auf die Arzneimittel Bezug genommen, die Erbumin enthalten. In dieser Vereinbarung hängt die Vermarktungsverbotsklausel somit nicht vom Bestehen eines Patents, ob nun des Patents 947 oder der Patente 339, 340 und 341, ab. Damit galt sie für sämtliche Mitgliedstaaten, ohne dass festgestellt zu werden braucht, ob die genannten Patente in jedem einzelnen von ihnen zur Zeit der Zuwiderhandlung bestanden. Da die Kommission das räumliche Gebiet der Zuwiderhandlung hinsichtlich der Vermarktungsverbotsklausel nicht fehlerhaft definiert hat, kann der Klagegrund daher zurückgewiesen werden, soweit er die Lupin-Vereinbarung betrifft (siehe oben, Rn. 1741 bis 1746).

1750

Was die Niche- und die Matrix-Vereinbarung sowie die mit Krka geschlossene Vergleichsvereinbarung angeht, hängt die Reichweite der Vermarktungsverbotsklausel dagegen davon ab, dass Patente von Servier bestehen. Die Klägerinnen können diese Argumente somit geltend machen.

1751

Erstens ist das Argument betreffend das Patent 947 zu prüfen.

1752

Die Klägerinnen machen geltend, dieses Patent sei zur Zeit der Zuwiderhandlung in Polen noch nicht erteilt gewesen.

1753

Was jedenfalls (siehe oben, Rn. 1636, 1637 und 1640) die mit Krka geschlossene Vergleichsvereinbarung betrifft, geht aus dem Schaubild Nr. 50 in Rn. 3134 des angefochtenen Beschlusses, das insoweit nicht bestritten wird, hervor, dass die Kommission nicht das Vorliegen einer Zuwiderhandlung für Polen festgestellt hat. Daher ist unerheblich, ob dieser Mitgliedstaat während des Zeitraums der Zuwiderhandlung vom Patent 947 erfasst war oder nicht.

1754

Was die Niche-Vereinbarung angeht, gilt die in Art. 3 enthaltene Vermarktungsverbotsklausel in den Ländern, in denen u. a. ein „Alpha-Patent“ besteht, was das Patent 947 und alle gleichwertigen Patente oder Patentanmeldungen umfasst, wie sich aus Art. 1 Ziff. ii in Abschnitt 1 („Definitionen) ergibt.

1755

Auch nach der Matrix-Vereinbarung gilt die in Art. 1 enthaltene Vermarktungsverbotsklausel für das „Gebiet“, d. h. in allen Ländern, in denen u. a. ein „Alpha-Patent“ besteht, was das Patent 947 und alle gleichwertigen Patente oder Patentanmeldungen einschließt, wie sich aus Art. 1 Ziff. ii in Abschnitt 1 („Definitionen) ergibt.

1756

Wie sich aus Rn. 120 und Fn. 155 des angefochtenen Beschlusses ergibt, ist aber nicht bestritten, dass Servier am 6. Juli 2001 in Polen eine Patentanmeldung für „die Alpha-Kristallform von Perindopril-Erbumin (entsprechend dem Patent 947)“ eingereicht hatte.

1757

Folglich ist das Argument der Klägerinnen betreffend das Patent 947 (siehe oben, Rn. 1752) hinsichtlich der Niche- und der Matrix-Vereinbarung zurückzuweisen.

1758

Nach alledem ist dieses Argument für sämtliche Vereinbarungen zurückzuweisen.

1759

Zweitens ist das Argument der Klägerinnen betreffend die Patente 339, 340 und 341 zu prüfen.

1760

Die Klägerinnen machen geltend, zur Zeit der Zuwiderhandlungen seien Bulgarien, die Tschechische Republik, Estland, Zypern, Lettland, Litauen, Ungarn, Malta, Polen, Rumänien, Slowenien, die Slowakei und Finnland nicht von diesen Patenten erfasst gewesen.

1761

Was die mit Krka geschlossene Vergleichsvereinbarung angeht, genügt jedenfalls (Rn. 1636, 1637 und 1640) der Hinweis, dass die Reichweite der Vermarktungsverbotsklausel nicht vom Bestehen der Patente 339 bis 341 abhängt. Es ist daher unerheblich, dass diese Patente nicht in jedem der Mitgliedstaaten, für die die Klägerinnen geltend machen, dass diese Patente dort nicht gegolten hätten, erteilt oder angemeldet worden waren.

1762

Die in der Niche- und in der Matrix-Vereinbarung enthaltene Vermarktungsverbotsklausel gilt in den Ländern, in denen die Patente 339 bis 341 „und/oder“ das Patent 947 bestehen, wie in Art. 3 der Niche-Vereinbarung sowie in Art. 1 Ziff. xiii des Abschnitts 1 und Art. 1 des Abschnitts 2 der Matrix-Vereinbarung vorgesehen ist.

1763

Abgesehen von dem Argument betreffend Polen, das vorstehend bereits zurückgewiesen worden ist, tragen die Klägerinnen jedoch nicht vor und weisen erst recht nicht nach, dass das Patent 947 in einem der oben in Rn. 1760 genannten Staaten nicht bestand.

1764

Da die Klägerinnen aber als Mitverfasser der Vereinbarungen deren Geltungsbereich genau kennen, oblag es ihnen, Beweise für ein solches Nichtbestehen vorzulegen, oder dies zumindest zu behaupten.

1765

Selbst wenn die oben in Rn. 1760 genannten Mitgliedstaaten nicht von den Patenten 339, 340 und 341 erfasst gewesen sein sollten, würde dies somit angesichts des Vorbringens der Klägerinnen nicht den Schluss zulassen, dass die in der Niche- und in der Matrix-Vereinbarung enthaltenen Vermarktungsverbotsklauseln nicht in diesen Staaten galten, da die Klägerinnen nicht bestreiten, dass diese vom Patent 947 erfasst waren.

1766

Nach alledem lassen das Vorbringen der Klägerinnen und die von ihnen vorgelegten Beweise nicht den Schluss zu, dass die Kommission das räumliche Gebiet der Zuwiderhandlung hinsichtlich der Vermarktungsverbotsklausel fehlerhaft definiert hat.

1767

In Anbetracht der Erwägungen in den Rn. 1741 bis 1746 des vorliegenden Urteils kann dieses Argument zurückgewiesen werden, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob die Kommission das räumliche Gebiet der Zuwiderhandlung hinsichtlich der Vermarktungsverbotsklausel fehlerhaft definiert hat.

d)   Zur Schwere der Zuwiderhandlungen

1) Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

2) Würdigung durch das Gericht

1784

Als Erstes ist die Rüge der Klägerinnen zu prüfen, es habe keine wettbewerbswidrige Absicht vorgelegen.

1785

Die Klägerinnen beanstanden in Wirklichkeit die Rn. 3064 ff. des angefochtenen Beschlusses, in denen die Kommission sich auf die Feststellung beschränkt hat, dass die in Rede stehenden Zuwiderhandlungen vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden seien, was ihr gemäß Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 die Verhängung von Geldbußen erlaube.

1786

Zu der Frage, ob eine Zuwiderhandlung vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden ist und deshalb gemäß Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 mit einer Geldbuße geahndet werden kann, geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass diese Voraussetzung erfüllt ist, wenn sich das betreffende Unternehmen über die Wettbewerbswidrigkeit seines Verhaltens nicht im Unklaren sein kann, gleichviel, ob ihm dabei bewusst ist, dass es gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrags verstößt (Urteile vom 18. Juni 2013, Schenker & Co. u. a., C‑681/11, EU:C:2013:404, Rn. 37, vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 156, und vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 762).

1787

Die Prüfung der verschiedenen streitigen Vereinbarungen mit Ausnahme der mit Krka geschlossenen Vereinbarungen hat jedoch ergeben, dass Servier Generikahersteller dafür bezahlt hat, dass sie dem Markt fernbleiben. Sie konnte sich daher über den wettbewerbswidrigen Charakter eines solchen Verhaltens nicht im Unklaren sein. Der Marktausschluss von Wettbewerbern stellt nämlich eine extreme Form der Marktaufteilung und der Produktionsbeschränkung dar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 435), deren Rechtswidrigkeit nach der Rechtsprechung „offenkundig“ ist (siehe oben, Rn. 1665).

1788

Auch wenn die Rechtswidrigkeit dieser Vereinbarungen, weil sie in der Form von Patentvergleichen geschlossen wurden, für einen außenstehenden Beobachter möglicherweise nicht offensichtlich war, gilt dies doch nicht für die Parteien dieser Vereinbarungen (siehe oben, Rn. 1666).

1789

Zudem ist festzustellen, dass die streitigen Vereinbarungen mit Ausnahme der mit Krka geschlossenen Vereinbarungen wettbewerbswidrige Ziele verfolgten.

1790

Wenn nämlich, wie es bei jeder der streitigen Vereinbarungen der Fall ist, eine umgekehrte Zahlung und nicht die Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch jede Partei zum Abschluss des Vergleichs führt, d. h., wenn dem Generikahersteller ein Anreiz geboten wird, sich Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu unterwerfen, hängen die mit diesen Klauseln eingeführten Wettbewerbsbeschränkungen nicht mehr mit dem – echten oder fiktiven – Vergleich zur gütlichen Beilegung eines Patentrechtsstreits zusammen. In diesem Fall sind der Anreiz und nicht die Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch die Parteien der wahre Grund für die mit diesen Klauseln eingeführten Wettbewerbsbeschränkungen. In einem solchen Fall kann diese Vereinbarung in ihrer Gesamtheit zu Recht als eine Marktausschlussvereinbarung angesehen werden, mit der wettbewerbswidrige Ziele verfolgt werden.

1791

Somit steht das Vorliegen eines wettbewerbswidrigen Ziels fest, und es ist in dieser Hinsicht unerheblich, ob Servier mit allen Generikaherstellern, die diese Patente angegriffen haben, Vereinbarungen geschlossen hat oder nicht, ob die Initiative zu diesen Vereinbarungen von ihr ausgegangen ist oder nicht oder ob die fraglichen Vereinbarungen geheim waren oder nicht.

1792

Diese Faktoren werden jedoch im Folgenden bei der Prüfung der Frage in Betracht gezogen, ob die von der Kommission festgelegten Sätze unverhältnismäßig waren.

1793

Als Zweites ist die Rüge zu prüfen, dass die Kommission das Bestehen der Patente von Servier nicht berücksichtigt habe.

1794

In dieser Hinsicht hat die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht den Umstand außer Acht gelassen, dass die Vereinbarungen Rechte des geistigen Eigentums betrafen.

1795

Die Feststellung des Bestehens eines Anreizes bedeutet nämlich, dass der durch die Vereinbarung bedingte Marktausschluss sich nicht aus den Wirkungen der in Rede stehenden Patente und ihrem rechtmäßigen Gebrauch, insbesondere im Rahmen eines Vergleichs, ergibt, sondern aus einer Wertübertragung, die die finanzielle Gegenleistung für diesen Ausschluss darstellt (siehe oben, Rn. 253 bis 276).

1796

Hervorzuheben ist noch, dass die Kommission die Voraussetzungen für die Anwendung des Wettbewerbsrechts auf die Rechte des geistigen Eigentums und die an diese Rechte geknüpfte Gültigkeitsvermutung beachtet hat, da sie nur die Vereinbarungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft hat, die einen anormalen Gebrauch des Patents darstellten, weil sie auf einem Anreiz und nicht auf der Anerkennung der Gültigkeit des Patents beruhten (siehe oben, Rn. 266 und 267).

1797

Wenn schließlich das Bestehen eines Anreizes festgestellt worden ist, wie es bei sämtlichen streitigen Vereinbarungen mit Ausnahme der mit Krka geschlossenen Vereinbarungen der Fall ist, können sich die Parteien nicht mehr auf die Anerkennung des Patents im Rahmen des Vergleichs berufen. Der Umstand, dass die Gültigkeit des Patents von einem Gericht oder einer Verwaltungsstelle bestätigt worden ist, ist insoweit nicht von Belang. Dies gilt für die Bestätigung des Patents 947 durch die Einspruchsabteilung des EPA oder für die den Klägerinnen günstigen Feststellungen, die britische Gerichte getroffen habe sollen (siehe oben, Rn. 269).

1798

Das Vorbringen der Klägerinnen, es sei „paradox und unrechtmäßig“, die Dauer der Zuwiderhandlungen von der Dauer und den Ergebnissen der Streitverfahren über die Patente von Servier abhängig zu machen, ist zurückzuweisen.

1799

Die Dauer der den Klägerinnen vorgeworfenen Zuwiderhandlungen hängt nämlich vom zeitlichen Geltungsbereich der in den streitigen Vereinbarungen enthaltenen Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln ab, der wiederum vom Bestehen der Patente von Servier und damit von den Ergebnissen der Verfahren abhängt, in denen diese Patente angegriffen werden.

1800

Hinzu kommt, dass Servier den Zusammenhang zwischen der Dauer der Streitverfahren über ihre Patente und der Dauer der Zuwiderhandlungen umso weniger in Abrede stellen kann, als sich die in der vorstehenden Rn. 1799 erwähnte Verknüpfung, durch die dieser Zusammenhang hergestellt wird, aus den Vertragsklauseln ergibt, deren Mitverfasser Servier ist.

1801

Als Drittes ist die Rüge zu prüfen, die Zuwiderhandlungen hätten keine konkrete Auswirkung auf den Markt gehabt.

1802

Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass nach Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen ist, ohne dass dort ausdrücklich gesagt wird, dass diese Zuwiderhandlung anhand der tatsächlichen Ergebnisse auf dem Markt, zu beurteilen ist (Schlussanträge von Generalanwalt Mischo in der Rechtssache Mo och Domsjö/Kommission, C‑283/98 P, EU:C:2000:262, Nr. 96).

1803

Nach den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3), sind zwar bei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes dessen konkrete Auswirkungen auf den Markt nur insofern zu berücksichtigen, als sie messbar sind.

1804

Ein solches Erfordernis ist aber in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 nicht mehr vorgesehen.

1805

Insoweit sei darauf hingewiesen, dass der in Ziff. 22 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen genannte Faktor „etwaige Umsetzung der Zuwiderhandlung in der Praxis“ das Verhalten der an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen und nicht deren Auswirkungen auf den Markt betrifft.

1806

Somit war die Kommission nach den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen nicht verpflichtet, die konkrete Auswirkung der Zuwiderhandlung auf den Markt zu berücksichtigen, um den Anteil am Umsatz zu bestimmen, der gemäß den Ziff. 19 bis 24 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen wegen der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. März 2013, Fresh Del Monte Produce/Kommission, T‑587/08, EU:T:2013:129, Rn. 773 bis 775, und vom 16. Juni 2015, FSL u. a./Kommission, T‑655/11, EU:T:2015:383, Rn. 539).

1807

Zweitens ist die Kommission auch nach der Rechtsprechung der Unionsgerichte nicht verpflichtet, die konkrete Auswirkung der Zuwiderhandlung auf den Markt zu berücksichtigen.

1808

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Beschluss vom 25. März 1996, SPO u. a./Kommission, C‑137/95 P, EU:C:1996:130, Rn. 54, sowie Urteile vom 17. Juli 1997, Ferriere Nord/Kommission, C‑219/95 P, EU:C:1997:375, Rn. 33, und vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 241).

1809

Die Auswirkungen auf den Markt können daher zwar unter der in der vorstehenden Rn. 1808 genannten „Vielzahl von Gesichtspunkten“ berücksichtigt werden, sind aber nur dann von wesentlicher Bedeutung, wenn es um Vereinbarungen, Beschlüsse oder abgestimmte Verhaltensweisen geht, die nicht unmittelbar eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken und die daher nur infolge ihrer konkreten Auswirkungen in den Anwendungsbereich von Art. 101 AEUV fallen können (Schlussanträge von Generalanwalt Mischo in der Rechtssache Mo och Domsjö/Kommission, C‑283/98 P, EU:C:2000:262, Nr. 101).

1810

Müsste die Kommission auf der Stufe der Berechnung der Geldbuße die konkrete Auswirkung der Zuwiderhandlung auf den Markt berücksichtigen, würde ihr damit nämlich eine Verpflichtung auferlegt, die für sie nach ständiger Rechtsprechung bei der Anwendung von Art. 101 AEUV nicht besteht, wenn die in Rede stehende Zuwiderhandlung einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt (vgl. Urteil vom 3. September 2009, Prym und Prym Consumer/Kommission, C‑534/07 P, EU:C:2009:505, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

1811

Die Kommission hat sich, wie die Klägerinnen geltend machen, zwar im angefochtenen Beschluss nicht ausschließlich auf die Feststellung des Vorliegens bezweckter Wettbewerbsbeschränkung gestützt, sondern hat auch das Vorliegen von bewirkter Wettbewerbsbeschränkung angenommen.

1812

Die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der streitigen Vereinbarungen hat die Kommission jedoch nur „der Vollständigkeit halber“ (Rn. 1213 des angefochtenen Beschlusses) analysiert. Zudem sei darauf hingewiesen, dass die Kommission das Vorliegen einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung nur in vier Mitgliedstaaten, und zwar in Frankreich, den Niederlanden, Polen und im Vereinigten Königreich, festgestellt hat. Für die Berechnung der Geldbuße hat sie aber den räumlichen Bereich der Zuwiderhandlungen auf alle Mitgliedstaaten ausgedehnt, in denen die Vereinbarungen galten.

1813

Zudem führen die Klägerinnen selbst aus, dass die Berechnung der Geldbuße „ausschließlich auf der Prämisse [beruht], dass die Vereinbarungen bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen darstellten“.

1814

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission nicht verpflichtet war, das behauptete Fehlen einer konkreten Auswirkung der Zuwiderhandlungen auf den Markt bei der Bestimmung der Höhe der Geldbuße wegen der Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV zu berücksichtigen.

1815

Selbst wenn aber die Kommission eine konkrete Auswirkung der Zuwiderhandlungen auf den Markt hätte nachweisen müssen und sie dies nicht hinreichend getan hätte, ergäben sich daraus keine Folgen für die von ihr festgelegten Sätze, da diese auch bei Fehlen einer solchen Wirkung nicht als unverhältnismäßig angesehen werden können.

1816

Die in Rede stehenden Vereinbarungen sind Marktausschlussvereinbarungen, mit denen wettbewerbswidrige Ziele verfolgt werden (siehe oben, Rn. 1790). Der Marktausschluss von Wettbewerbern stellt aber eine extreme Form der Marktaufteilung und der Produktionsbeschränkung dar (siehe oben, Rn. 271). Solche Vereinbarungen müssen daher gemäß Ziff. 23 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen grundsätzlich streng geahndet werden.

1817

Dem ist hinzuzufügen, dass die in den streitigen Vereinbarungen enthaltenen wettbewerbsbeschränkenden Klauseln in der Praxis umgesetzt worden sind.

1818

Unter Berücksichtigung dieser Faktoren erscheint der von der Kommission berücksichtigte Umsatzanteil, d. h. je nach Fall 10 % oder 11 %, was nur etwa einem Drittel des Anteils entspricht, der höchstens berücksichtigt werden kann, nicht unverhältnismäßig. Diese Prozentsätze spiegeln im Gegenteil sowohl die Schwere der festgestellten Zuwiderhandlungen, die wegen ihres wettbewerbswidrigen Ziels besonders schädlich waren, als auch den besonderen Kontext wider, in dem sie begangen worden sind und der durch die Verteidigung von Rechten des geistigen Eigentums und die Ungewissheit über den Ausgang der Rechtsstreitigkeiten über die Patente von Servier gekennzeichnet ist.

1819

Die Klägerinnen können sich umso weniger auf das Fehlen tatsächlicher Auswirkungen der streitigen Vereinbarungen auf den Wettbewerb berufen, als diese Vereinbarungen, die auf einem Anreiz und nicht auf der Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch die Parteien beruhten, es ihnen gerade ermöglicht haben, die mit den Patentrechtsstreitigkeiten verbundenen Unwägbarkeiten und die Ungewissheiten hinsichtlich der Bedingungen und Möglichkeiten des Markteintritts der Generikahersteller durch die Gewissheit zu ersetzen, dass diejenigen, mit denen eine Vereinbarung geschlossen wurde, vom Markt ferngehalten würden.

1820

Die oben in Rn. 1818 gezogene Schlussfolgerung wäre auch dann nicht in Frage gestellt, wenn die von den Klägerinnen angeführten und oben in Rn. 1791 erwähnten Umstände nachgewiesen wären.

1821

Auch das von den Klägerinnen ohne jede Substantiierung geltend gemachte Fehlen einer Begründung kann nicht festgestellt werden. Denn Servier konnte in Anbetracht aller von der Kommission im angefochtenen Beschluss, insbesondere in dessen Rn. 3130, getroffenen Feststellungen und des Kontexts, in dem dieser Beschluss erlassen worden war, erkennen, aus welchen Gründen die Sätze von 10 % und 11 % des Umsatzes festgelegt worden waren.

1822

Insbesondere hat die Kommission die Anwendung unterschiedlicher Umsatzanteile für jede Vereinbarung hinreichend begründet. Sie hat ausgeführt, dass der für die Niche‑, die Matrix- und die Lupin-Vereinbarung berücksichtigte Satz deshalb höher gewesen sei als der für die Teva- und die Krka-Vereinbarung, weil diese eine größere räumliche Reichweite gehabt hätten als jene (Rn. 3131 des angefochtenen Beschlusses).

1823

Nach alledem ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

e)   Zur Dauer der Zuwiderhandlungen

1824

Die Klägerinnen erheben zwei Rügen, mit denen sie erstens Fehler hinsichtlich der Bestimmung des Beginns und zweitens Fehler hinsichtlich des Endes der Zuwiderhandlungen beanstanden.

1) Zum Beginn der Zuwiderhandlungen

i) Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

ii) Würdigung durch das Gericht

1833

Als Erstes ist das Vorbringen zu prüfen, die Angriffe auf die Patente von Servier seien nie eingestellt noch auch nur verzögert worden.

1834

Hierzu ist festzustellen, dass die Klägerinnen nicht nachweisen oder auch nur behaupten, dass einer der Generikahersteller, die die streitigen Vereinbarungen geschlossen hätten, ungeachtet des Bestehens der für ihn geltenden Nichtangriffsklausel eines der Patente von Servier angegriffen habe.

1835

Die Klägerinnen machen somit nicht geltend, die Vereinbarungen seien nicht in die Praxis umgesetzt worden, sondern berufen sich nur darauf, dass andere Generikahersteller als diejenigen, die die streitigen Vereinbarungen geschlossen hätten, die Patente von Servier angegriffen hätten.

1836

Damit geht das Vorbringen der Klägerinnen im Wesentlichen dahin, die streitigen Vereinbarungen hätten keine konkreten Auswirkungen auf den Wettbewerb gehabt.

1837

Insoweit ist zu beachten, dass im Fall bezweckter Wettbewerbsbeschränkungen die tatsächlichen Auswirkungen einer Vereinbarung nicht berücksichtigt zu werden brauchen, um die Zuwiderhandlung nachzuweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, EU:C:1999:356, Rn. 98 und 99) und folglich diese Zuwiderhandlung zeitlich abzugrenzen und so ihre Dauer zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. März 2009, Archer Daniels Midland/Kommission, C‑510/06 P, EU:C:2009:166, Rn. 113, 114 und 140).

1838

Mit dem Argument, die streitigen Vereinbarungen hätten keine Auswirkung auf den Wettbewerb gehabt, kann daher die Dauer der Zuwiderhandlungen nicht in Frage gestellt werden, da diese Dauer auf der Grundlage der Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung hinreichend nachgewiesen ist.

1839

Sollten die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen nicht die Feststellung der Zuwiderhandlungen beanstanden, weil deren Dauer fehlerhaft bestimmt worden sei, sondern die Beurteilung der Schwere der von der Kommission im angefochtenen Beschluss festgestellten Zuwiderhandlungen, wäre jedenfalls darauf hinzuweisen, dass die Rüge betreffend das Fehlen konkreter Wirkungen der Vereinbarungen und dessen Folgen für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlungen bereits zurückgewiesen worden ist (siehe oben, Rn. 1801 bis 1820).

1840

Was als Zweites das Vorbringen angeht, einige der Zuwiderhandlungen könnten nicht festgestellt werden, solange Teva und Lupin nicht über eine Genehmigung für das Inverkehrbringen verfügten, so ist dieses bereits im Rahmen der Prüfung der Klagegründe betreffend das Fehlen von potenziellem Wettbewerb (siehe oben, Rn. 604 und 743) zurückgewiesen worden. Aus dem Ergebnis dieser Prüfung ergibt sich, dass die Kommission zu Recht befunden hat, dass Teva und Lupin zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarungen potenzielle Wettbewerber von Servier waren. Die Kommission hat daher den Zeitpunkt des Beginns der in Rede stehenden Zuwiderhandlungen nicht fehlerhaft bestimmt.

1841

Das darauf gestützte Vorbringen, dass das ergänzende Schutzzertifikat für das Patent für das Perindopril-Molekül nicht abgelaufen gewesen sei, kann auf der Grundlage der Erwägungen zurückgewiesen werden, mit denen der Klagegrund des Fehlens von potenziellem Wettbewerb zurückgewiesen worden ist.

1842

Wie oben in Rn. 359 ausgeführt worden ist, hat nämlich ein Wirtschaftsteilnehmer die Möglichkeit, das Risiko eines Markteintritts mit einem das gültige Patent möglicherweise verletzenden Erzeugnis einzugehen, wobei dieser „Risiko“-Markteintritt oder diese „Risiko“-Markteinführung erfolgreich sein kann, wenn der Patentinhaber von der Erhebung einer Patentverletzungsklage absieht oder wenn eine solche gegebenenfalls erhobene Klage abgewiesen wird. Diese Möglichkeit eines Risikomarkteintritts deutet darauf hin, dass die Patente keine unüberwindlichen Hindernisse für einen Markteintritt der Generikahersteller sind.

1843

Zudem hindert das Patent die Wirtschaftsteilnehmer nicht daran, die für die Herstellung und die Vermarktung eines nicht patentverletzenden Erzeugnisses nötigen Maßnahmen zu treffen. Bis zu ihrem Markteintritt sind sie als potenzielle Wettbewerber des Patentinhabers und danach als dessen tatsächliche Wettbewerber anzusehen (siehe oben, Rn. 357).

1844

Hierzu hat die Kommission in Rn. 3137 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass die Generikahersteller manchmal mehrere Jahre vor Ablauf des ergänzenden Schutzzertifikats für ein Patent mit den Vorbereitungen für ihren Markteintritt beginnen und dass diese Zeit für Perindopril im Durchschnitt zwei oder drei Jahre betragen habe. Dies bestätige die Feststellung, dass die in Rede stehenden Zuwiderhandlungen vor Ablauf des ergänzenden Schutzzertifikats für das Patent für das Perindopril-Molekül begonnen hätten.

1845

Die Kommission hat jedoch weiter ausgeführt, sie habe es, wenn das ergänzende Schutzzertifikat in einem Mitgliedstaat ausgelaufen sei, nachdem das generische Perindopril in anderen Mitgliedstaaten auf den Markt gebracht worden sei, „wegen des Bestehens eines Verfahrens zur beschleunigten gegenseitigen Anerkennung, in dem die Mitgliedstaaten die von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen als gültig anerkennen“ (Fn. 4073 des angefochtenen Beschlusses), vorgezogen, vorsichtig vorzugehen und den Beginn der Zuwiderhandlung auf den Zeitpunkt des Ablaufs des ergänzenden Schutzzertifikats festzulegen. So sei sie im Fall Italiens vorgegangen. Dagegen sei im Fall Frankreichs vor Ablauf des ergänzenden Schutzzertifikats kein Generikum in einem anderen Mitgliedstaat auf den Markt gebracht worden (Fn. 4073 des angefochtenen Beschlusses).

1846

Die Darlegungen in den vorstehenden Rn. 1844 und 1845 werden von den Klägerinnen nicht bestritten.

1847

In Anbetracht der Ausführungen in den vorstehenden Rn. 1842 bis 1846 ist zu schließen, dass die Kommission zu Recht festgestellt hat, dass bestimmte Zuwiderhandlungen in Frankreich am 8. Februar 2005, vor dem Ablauf des ergänzenden Schutzzertifikats, begonnen hatten.

1848

Außerdem kann die von den Klägerinnen erhobene Rüge nur die Zuwiderhandlungen betreffen, die der Niche- und der Matrix-Vereinbarung entsprechen, denn nur diese streitigen Vereinbarungen sind vor Ablauf des ergänzenden Schutzzertifikats in Frankreich geschlossen worden.

1849

Diese Vereinbarungen sind aber erst am 8. Februar 2005, d. h. etwas mehr als einen Monat vor Ablauf des ergänzenden Schutzzertifikats in Frankreich am 22. März 2005, geschlossen worden.

1850

Daher ist umso leichter festzustellen, dass die betreffenden Generikahersteller am 8. Februar 2005 in der Lage waren, einen Markteintritt für den Tag nach Ablauf des ergänzenden Schutzzertifikats vorzubereiten und damit potenziellen Wettbewerbsdruck auszuüben.

1851

Sollte davon auszugehen sein, dass die Klägerinnen eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung geltend machen und dass dieser Klagegrund nicht verspätet angeführt worden ist, rechtfertigt der Umstand, dass Servier bei der Bestimmung des Beginns der Zuwiderhandlung für Italien möglicherweise eine günstige Behandlung zugutegekommen ist, die nicht geboten war (siehe dazu u. a. oben, Rn. 1842), nicht, dass ihr eine solche Behandlung für sämtliche anderen Mitgliedstaaten zugutekommt, es sei denn, eine derartige Ungleichbehandlung wäre willkürlich (siehe unten, Rn. 1868 bis 1871).

1852

Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Denn zwischen der Situation in Italien und der in Frankreich bestand ein objektiver Unterschied, der für die Möglichkeit der Feststellung einer Zuwiderhandlung nicht irrelevant war (siehe oben, Rn. 1845).

1853

Nur ergänzend ist festzustellen, dass der Unterschied zwischen der Situation Frankreichs und der Italiens, auf den sich die Kommission gestützt hat (siehe oben, Rn. 1844 und 1845), eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen konnte.

1854

Nach alledem ist die vorliegende Rüge insgesamt zurückzuweisen.

2) Zum Zeitpunkt des Endes der Zuwiderhandlungen

i) Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

ii) Würdigung durch das Gericht

1859

Im Rahmen der vorliegenden Rüge berufen sich die Klägerinnen darauf, dass Generikahersteller, die nicht Parteien einer der streitigen Vereinbarungen seien, in den Markt mehrerer Mitgliedstaaten eingetreten seien und dass der Preis von Perindopril daraufhin zurückgegangen sei.

1860

Ihr Vorbringen geht im Wesentlichen dahin, dass die streitigen Vereinbarungen nach dem Markteintritt dieser Generikahersteller keine konkrete Auswirkung auf den Wettbewerb gehabt hätten.

1861

Da es um bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen geht, ist auf die oben in Rn. 1837 angeführte Rechtsprechung zu verweisen.

1862

Das Fehlen einer Auswirkung der streitigen Vereinbarungen auf den Wettbewerb kann daher nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, um die Dauer der Zuwiderhandlungen in Frage zu stellen, da diese auf der Grundlage der Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung hinreichend nachgewiesen ist.

1863

Sollten die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen nicht die Feststellung der Zuwiderhandlung beanstanden, weil deren Dauer fehlerhaft bestimmt worden sei, sondern die Beurteilung der Schwere der von der Kommission im angefochtenen Beschluss festgestellten Zuwiderhandlung, wäre jedenfalls darauf hinzuweisen, dass die Rüge betreffend das Fehlen konkreter Wirkungen der Vereinbarungen und dessen Folgen für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlungen bereits zurückgewiesen worden ist (siehe oben, Rn. 1801 bis 1820).

1864

Die Klägerinnen machen jedoch auch eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung geltend.

1865

Insoweit führen die Klägerinnen den Umstand an, dass die Kommission die Dauer der Zuwiderhandlungen in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich reduziert habe, um den Markteintritt von Generika in diesen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen, während sie dies für andere Märkte nicht getan habe, für die sie sich in der Regel auf die Daten des Ablaufs oder der Ungültigerklärung der Patente von Servier gestützt habe (Rn. 3133 des angefochtenen Beschlusses).

1866

Bezüglich des Vereinigten Königreichs ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der gewählte Zeitpunkt des Endes der Zuwiderhandlung zwar dem Markteintritt eines Generikums entspricht (Rn. 776 des angefochtenen Beschlusses), aber auch einem Urteil eines Gerichts dieses Mitgliedstaats, mit dem das Patent 947 für ungültig erklärt worden ist (Rn. 180, 776 und 2125 des angefochtenen Beschlusses).

1867

Die Relevanz des Vorbringens der Klägerinnen, mit dem sie eine unterschiedliche Behandlung je nach dem Mitgliedstaat der Begehung der Zuwiderhandlungen geltend machen, ist somit für das Vereinigte Königreich nicht nachgewiesen.

1868

Zudem rechtfertigt der Umstand, dass Servier bei der Bestimmung des Beginns der Zuwiderhandlung für einige Mitgliedstaaten möglicherweise eine günstige Behandlung zugutegekommen ist, die nicht geboten war – und auf dem Fehlen wettbewerbsbeschränkender Wirkungen beruhte, das unerheblich ist, wenn die Kommission wie im vorliegenden Fall das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung feststellt (siehe oben, Rn. 1862) –, nicht, dass ihr eine solche Behandlung für sämtliche anderen Mitgliedstaaten zugutekommt. Denn der Grundsatz der Gleichbehandlung soll den Unternehmen, denen eine günstige Behandlung zugutekommt, die nach den anwendbaren Rechtsvorschriften oder nach der Rechtsprechung nicht geboten war, kein Recht auf Sanktionsfreiheit garantieren, wenn die Kommission zu Recht das Vorliegen einer Zuwiderhandlung feststellt.

1869

Allerdings darf die Kommission nicht, auch nicht auf dasselbe Unternehmen, Methoden der Berechnung der Geldbuße anwenden, die in dem Sinne willkürlich verschieden sind, dass solchen Unterschieden jede sachliche Rechtfertigung fehlt.

1870

Im vorliegenden Fall sind solche Unterschiede jedoch nicht nachgewiesen. Die Kommission hat nämlich dargelegt, dass sie für die Niederlande und das Vereinigte Königreich ein besonderes, von ihr als „vorsichtig“ bezeichnetes Vorgehen gewählt habe, mit dem sie zu einer Reduzierung der Dauer der Zuwiderhandlung gelangt sei, um dem großangelegten Markteintritt von Generika in diesen beiden Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen, der erhebliche Auswirkungen auf den Absatz des Perindoprils von Servier gehabt habe (Rn. 3133 des angefochtenen Beschlusses).

1871

Die beiden einzigen von den Klägerinnen in dieser Hinsicht angeführten Faktoren, nämlich ein erheblicher Preisrückgang für das Perindopril von Servier und ein anhaltender Rückgang ihrer Marktanteile infolge der Einführung eines Generikums in Frankreich, genügen jedoch nicht als Beweis, dass die Situation in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich auf der einen und die in Frankreich auf der anderen Seite so weitgehend ähnlich waren, dass eine unterschiedliche Behandlung willkürlich war. Erst recht erlauben diese Faktoren nicht den Nachweis einer willkürlichen Ungleichbehandlung der Niederlande und des Vereinigten Königreichs auf der einen und Belgiens, der Tschechischen Republik und Irlands auf der anderen Seite, da diese Faktoren nicht die Situation in diesen drei Mitgliedstaaten betreffen.

1872

Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass aus den Schaubildern Nr. 43 und Nr. 44 des angefochtenen Beschlusses zwar hervorgeht, dass der Markteintritt von Generika zu einem massiven und drastischen Rückgang des Absatzes des Perindoprils von Servier in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich geführt hat, dass aber das Schaubild Nr. 45 des angefochtenen Beschlusses keinen solchen Rückgang in Frankreich nach diesem Markteintritt zeigt. Der Unterschied zwischen der Situation in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich auf der einen und der in Frankreich auf der anderen Seite erlaubte der Kommission somit eine unterschiedliche Behandlung mit der auf die Niederlande und das Vereinigte Königreich begrenzten Feststellung des Endes der Zuwiderhandlung mit dem Eintritt der Generika in diese Märkte.

1873

Der in der vorstehenden Rn. 1872 festgestellte Unterschied zwischen den jeweiligen Situationen wird nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass der Eintritt eines Generikums in den französischen Markt zu einem Rückgang des Perindopril-Preises um 30 % und zu einem „anhaltenden Rückgang des Marktanteils von Servier“ geführt haben soll. Diese Faktoren belegen nämlich keinen so massiven und drastischen Rückgang des Umsatzes von Servier in Frankreich wie in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich.

1874

Hinsichtlich Belgiens, der Tschechischen Republik und Irlands geht aus keinem der von den Klägerinnen angeführten Bestandteile der Akten hervor, dass nach dem Markteintritt von Generika auf den Märkten dieser Mitgliedstaaten ein ebenso massiver und drastischer Rückgang des Umsatzes des Perindoprils von Servier wie in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich verzeichnet worden wäre.

1875

Nach alledem ist die vorliegende Rüge und damit der Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

f)   Zur Anwendung eines Zusatzbetrags

1) Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

2) Würdigung durch das Gericht

1883

Wie dargelegt, sind die in Rede stehenden Vereinbarungen solche, die es Servier erlaubten, Wettbewerber vom Markt auszuschließen, wobei der Umstand, dass es sich um potenzielle Wettbewerber handelte, nichts an dieser Beurteilung ändert. Solche Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern stellen horizontale Vereinbarungen dar. Zudem ist der Marktausschluss von Wettbewerbern eine extreme Form der Marktaufteilung und der Produktionsbeschränkung (Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 435). Somit hat die Kommission zu Recht Ziff. 25 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen angewandt, die bei horizontalen Vereinbarungen zur Einschränkung der Erzeugung die Hinzufügung eines Zusatzbetrags vorsieht.

1884

Dieses Ergebnis wird durch das übrige Vorbringen der Klägerinnen nicht in Frage gestellt.

1885

Als Erstes hat die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht den Umstand außer Acht gelassen, dass die Vereinbarungen Rechte des geistigen Eigentums betrafen (siehe oben, Rn. 1794 bis 1797).

1886

Als Zweites waren die Generikahersteller, anders als die Klägerinnen meinen und wie bereits in den verschiedenen Teilen des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, die der Prüfung der Klagegründe des Fehlens von potenziellem Wettbewerb gewidmet sind, zu dem Zeitpunkt, als sie jeweils die Vereinbarung oder die Vereinbarungen unterzeichnet haben, die hier streitig sind und sie betreffen, potenzielle Wettbewerber von Servier.

1887

Als Drittes konnte Servier entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen bei vernünftiger Betrachtung vorhersehen, dass ihr Verhalten unter das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen würde (siehe oben, Rn. 1661). Außerdem konnte sie sich über den wettbewerbswidrigen Charakter ihres Verhaltens nicht im Unklaren sein (siehe oben, Rn. 1665).

1888

Als Viertes ist zu dem von den Klägerinnen geltend gemachten Fehlen „tatsächlicher Auswirkungen“ der Zuwiderhandlungen darauf hinzuweisen, dass sie sich ohne jede Substantiierung auf die Geltendmachung eines solchen Fehlens beschränken, um daraus auf die Unverhältnismäßigkeit des von der Kommission festgesetzten Zusatzbetrags zu schließen. Dieses Vorbringen ist somit nicht hinreichend substantiiert, um seine Begründetheit beurteilen zu können, und ist daher zurückzuweisen.

1889

Jedenfalls war die Kommission auf dieser Stufe der Berechnung der Geldbuße ebenso wenig zur Berücksichtigung des etwaigen Fehlens einer konkreten Auswirkung auf den Markt verpflichtet wie auf der Stufe der Bestimmung des von ihr zugrunde gelegten Umsatzanteils (siehe oben, Rn. 1802 bis 1810). Eine solche Verpflichtung ergibt sich weder aus der Verordnung Nr. 1/2003 noch aus den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, noch aus der Rechtsprechung der Unionsgerichte.

1890

Als Fünftes lässt der Umstand, dass die Kommission auf die Generikahersteller keinen Zusatzbetrag angewandt hat, nicht den Schluss auf eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung zu.

1891

Zwischen der in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen dargelegten Methode, die die Kommission auf Servier angewandt hat, und der Methode, die die Kommission auf die Generikahersteller angewandt hat, bestehen grundlegende Unterschiede (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Xellia Pharmaceuticals und Alpharma/Kommission, T‑471/13, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:460, Rn. 423).

1892

Im Rahmen der in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen vorgesehenen Methode zielt die in Ziff. 13 vorgesehene Berücksichtigung des Umsatzes darauf ab, bei der Berechnung der gegen ein Unternehmen verhängten Geldbuße einen Betrag als Ausgangspunkt festzulegen, der die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das jeweilige Gewicht dieses Unternehmens dabei wiedergibt. Sodann setzt die Kommission gemäß den Ziff. 19 und 21 dieser Leitlinien nach Maßgabe der Schwere der Zuwiderhandlung den Anteil an diesem Umsatz fest, der zur Bestimmung des Grundbetrags heranzuziehen ist. Dieser Anteil kann grundsätzlich bis zu 30 % betragen und wird gemäß Ziff. 24 der Leitlinien von 2006 mit einem Koeffizienten nach Maßgabe der Dauer der Zuwiderhandlung multipliziert. Danach fügt die Kommission gemäß Ziff. 25 dieser Leitlinien unabhängig von der Dauer der Beteiligung eines Unternehmens an der Zuwiderhandlung dem Grundbetrag einen 15 % bis 25 % des Umsatzes entsprechenden Betrag hinzu, um die Unternehmen von der Beteiligung an horizontalen Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen, Aufteilung von Märkten, Mengeneinschränkungen oder anderen Zuwiderhandlungen abzuschrecken (Urteil vom 8. September 2016, Xellia Pharmaceuticals und Alpharma/Kommission, T‑471/13, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:460, Rn. 424).

1893

Dagegen umfasst die für die Generikahersteller gewählte Methode nicht alle diese Stufen, insbesondere die Hinzufügung eines Zusatzbetrags nach Ziff. 25 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, da sie der Kommission erlaubt, die Wertübertragungen durch Servier an die betreffenden Generikahersteller direkt als Grundbetrag heranzuziehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Xellia Pharmaceuticals und Alpharma/Kommission, T‑471/13, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:460, Rn. 425).

1894

Die Anwendung der ersten Methode auf Servier und der zweiten auf die Generikahersteller war gerechtfertigt.

1895

Erstens waren nämlich die Generikahersteller schon wegen des Zwecks der streitigen Vereinbarungen, bei denen es sich um Marktausschlussvereinbarungen handelt, anders als Servier während des Zeitraums der Zuwiderhandlungen nicht auf den Märkten tätig, auf denen diese begangen wurden.

1896

Somit konnte die Kommission nicht die Umsätze, die diese Generikahersteller im letzten vollständigen Geschäftsjahr ihrer Beteiligung an den Zuwiderhandlungen in dem betreffenden Gebiet erzielt hatten, heranziehen, wie es Ziff. 13 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen vorsieht.

1897

Sie konnte daher auf die Generikahersteller nicht die in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen dargelegte Methode zur Berechnung der Geldbuße anwenden und ihnen insbesondere keinen Zusatzbetrag auferlegen, der auf der Grundlage der von dem Unternehmen im Zusammenhang mit der Zuwiderhandlung erzielten Umsatz berechnet worden war.

1898

Die vorstehenden Erwägungen gelten für sämtliche Generikahersteller, da keiner von ihnen in die Märkte eintreten konnte, auf denen die Kommission die ihn betreffende Zuwiderhandlung festgestellt hatte.

1899

Was insbesondere Krka angeht, ist festzustellen, dass die Rüge einer Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung zurückzuweisen wäre, selbst wenn die Klägerinnen sie auf die Methode zur Berechnung der diesem Generikahersteller auferlegten Geldbuße sollten stützen können, obwohl Servier für die mit Krka geschlossenen Vereinbarungen nicht mit einer Sanktion belegt werden kann (siehe oben, Rn. 1636).

1900

Der Vergleich, auf dem die Rüge der Klägerinnen beruht, wird zwar nicht für jede der streitigen Vereinbarungen zwischen der Situation von Servier und derjenigen des betreffenden Generikaherstellers, sondern für alle Vereinbarungen zwischen der Situation von Servier und derjenigen aller in Rede stehenden Generikahersteller angestellt. Somit steht der Umstand, dass Servier wegen der mit Krka geschlossenen Vereinbarungen kein Zusatzbetrag auferlegt worden ist, einer Berücksichtigung der Situation von Krka zur Prüfung der Rüge der Klägerinnen nicht notwendig entgegen.

1901

Es trifft auch zu, dass eine der Vereinbarungen, die Krka mit Servier geschlossen hatte, die Erteilung einer in allen sieben Mitgliedstaaten gültigen Lizenz für das Patent 947 vorsah. Folglich konnte Krka ihre Erzeugnisse während der Dauer der Zuwiderhandlung in diesen Mitgliedstaaten verkaufen.

1902

Die Kommission hat jedoch keine Zuwiderhandlung für die Mitgliedstaaten festgestellt, in denen die Lizenz galt. Sie wirft den Parteien der Vereinbarung nicht den Eintritt von Krka in die sieben Märkte vor, für die die Lizenz galt, sondern deren Verzicht darauf, in die Märkte der anderen Mitgliedstaaten einzutreten, auf denen die Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln ohne Lizenzvereinbarung galten.

1903

Der in Ziff. 13 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen verwendete Umsatzbegriff kann nicht so weit ausgedehnt werden, dass er die von dem betreffenden Unternehmen getätigten Verkäufe umfasst, die nicht von dem zur Last gelegten Kartell erfasst werden (Urteil vom 12. November 2014, Guardian Industries und Guardian Europe/Kommission, C‑580/12 P, EU:C:2014:2363,Rn. 57).

1904

Somit konnten die sieben Märkte, auf die sich die Lizenzvereinbarung bezog, nicht als zum „relevanten räumlichen Markt“ im Sinne von Ziff. 13 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gehörend angesehen werden.

1905

Hinzu kommt, dass der mit einer Lizenzvereinbarung gewährte Vorteil zwar unter bestimmten Umständen als Anreiz eingestuft werden kann, dass aber die einem Generikahersteller mit einer solchen Vereinbarung erteilte Erlaubnis, in einen Markt einzutreten oder dort ohne Risiko zu verbleiben, grundsätzlich günstig für den Wettbewerb ist, da der Markteintritt eines Generikaherstellers zu einer erheblichen Senkung der Preise führen kann. Es erschiene aber unangemessen, den Umsatz zu berücksichtigen, der auf Märkten erzielt worden ist, auf denen sich der Wettbewerb verschärft hat, um einem Generikahersteller eine Geldbuße aufzuerlegen, der an einer Wettbewerbsbeschränkung auf anderen Märkten beteiligt gewesen sein soll.

1906

Die Kommission konnte somit auf Krka und erst recht auf die anderen Generikahersteller, die an den streitigen Vereinbarungen beteiligt waren, nicht die in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen dargelegte Methode zur Berechnung der Geldbuße anwenden und ihnen insbesondere keinen Zusatzbetrag auferlegen, der auf der Grundlage der von dem Unternehmen im Zusammenhang mit der Zuwiderhandlung erzielten Umsatz berechnet worden war.

1907

Dies war aber bei Servier nicht der Fall, die auf den von den Zuwiderhandlungen betroffenen räumlichen Märkten Perindopril verkauft hatte.

1908

Die von der Kommission für die Generikahersteller herangezogene Methode zur Berechnung der Geldbuße war zweitens den Besonderheiten des Kontexts angepasst, da die in der Vereinbarung festgelegte Höhe der Wertübertragung den Gewinn berücksichtigte, den jeder Generikahersteller aus der ihn betreffenden Zuwiderhandlung zog. Eine solche Methode war gegenüber Servier nicht angemessen, die aus der Beibehaltung des hohen Perindopril-Preises Gewinn ziehen sollte.

1909

Derartige Situationsunterschiede rechtfertigten es, die Generikahersteller anders zu behandeln als Servier, d. h. eine besondere Berechnungsmethode anzuwenden, die sich von der Methode nach den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen unterscheidet und damit nicht die Anwendung des in diesen Leitlinien vorgesehenen Zusatzbetrags erfordert.

1910

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission zu Recht einen Zusatzbetrag zur Berechnung der Geldbuße angewandt hat, die wegen der ersten Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV, d. h. diejenige betreffend Niche und Unichem (Rn. 3139 des angefochtenen Beschlusses), gegen Servier verhängt worden ist.

1911

Was die gesonderte Rüge angeht, die Nichtanwendung eines Zusatzbetrags für die Berechnung der Geldbuße der Generikahersteller sei im angefochtenen Beschlusses unzureichend begründet worden, hat die Kommission in Rn. 3146 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt:

„Die Generikahersteller haben akzeptiert, kein generisches Perindopril in dem von jeder Vereinbarung erfassten Gebiet zu verkaufen, und haben folglich in diesem Gebiet keine Verkäufe getätigt. Daher sollte Ziff. 37 der Leitlinien [für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen] auf die Generikahersteller angewandt werden. Ziff. 37 dieser Leitlinien erlaubt der Kommission, wegen der besonderen Umstände eines Falles oder der Notwendigkeit einer ausreichend hohen Abschreckungswirkung von der normalen Methode der Leitlinien [für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen] abzuweichen.“

1912

In Rn. 3152 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission dargelegt:

„Nach der Verordnung Nr. 1/2003 und den Leitlinien [für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen] sind für die Geldbuße folgende Faktoren zu berücksichtigen: i) Schwere der Zuwiderhandlung, ii) ihre Dauer, iii) erschwerende oder mildernde Umstände und iv) die Notwendigkeit einer abschreckenden Wirkung. In Ausübung ihres Ermessens befindet die Kommission, dass im vorliegenden Fall in Anbetracht der Besonderheiten der Sache der Betrag der Wertübertragung an die Generikahersteller wichtige Anhaltspunkte hinsichtlich dieser Faktoren liefert.“

1913

Aus den angeführten Auszügen aus dem angefochtenen Beschluss ergibt sich erstens, dass die Kommission nicht die in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen vorgesehene Methode, die auf den Umsätzen im letzten vollständigen Geschäftsjahr der Beteiligung des Unternehmens an den Zuwiderhandlungen beruht, angewandt hat, sondern eine Methode, die den Betrag der Wertübertragung an die Generikahersteller als Grundbetrag für die Berechnung der Geldbuße heranzieht, zweitens, dass sie sich für dieses Vorgehen auf den Zweck der Vereinbarungen selbst gestützt hat, bei denen es sich um Marktausschlussvereinbarungen handelte, aufgrund deren die Generikahersteller zur Zeit der Zuwiderhandlung nicht auf dem Markt tätig waren, und drittens, dass sie der Ansicht war, dass die gewählte Methode es ihr erlaubte, u. a. die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen.

1914

Dieser Begründung konnten die Klägerinnen entnehmen, warum die Kommission für die Generikahersteller eine andere Methode, die insbesondere nicht die Anwendung eines Zusatzbetrags einschloss, angewandt hat als die in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen vorgesehene. Diese Begründung erlaubt auch dem Unionsrichter die Ausübung der Rechtmäßigkeitskontrolle und die Wahrnehmung seiner Aufgabe als zu unbeschränkter Nachprüfung befugter Richter.

1915

Somit ist die Rüge einer in dieser Hinsicht unzureichenden Begründung zurückzuweisen.

1916

Zum Abschluss ist festzustellen, dass die Anwendung eines Zusatzbetrags auf die erste Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV, der auf der Grundlage eines Satzes von 11 % des Umsatzes, der unterhalb der Spanne nach Ziff. 25 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen liegt, berechnet und überdies nur auf eine einzige der zulasten von Servier festgestellten Zuwiderhandlungen gegen diese Bestimmung angewandt worden ist, in Anbetracht aller im vorliegenden Fall relevanten Umstände, wie sie oben in den Rn. 1816 bis 1818 zusammengefasst worden sind, nicht als unverhältnismäßig angesehen werden kann.

1917

Nach alledem ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

g)   Zur Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Grundsatzes der individuellen Sanktionszumessung

1918

Die Klägerinnen erheben zwei Rügen, mit denen sie erstens die Nichtberücksichtigung der Besonderheiten von Servier und zweitens die Dauer des Verwaltungsverfahrens beanstanden.

1) Zur Nichtberücksichtigung der Besonderheiten von Servier

i) Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

ii) Würdigung durch das Gericht

1922

Als Erstes verpflichtete der Umstand, dass Servier ein „Monoprodukt“-Unternehmen ist, sollte dies nachgewiesen sein, als solcher die Kommission nicht zu einer Herabsetzung der Geldbußen. Die Klägerinnen berufen sich für dieses Vorbringen weder auf eine zwingende Bestimmung des Unionsrechts noch auf eine dahin gehende Rechtsprechung.

1923

Zudem zieht ein Unternehmen wie Servier, das einen besonders großen Anteil seines Gesamtumsatzes mit dem den Gegenstand der Absprache bildenden Erzeugnis erzielt, aus dieser einen entsprechend höheren Gewinn (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Pilkington Group u. a./Kommission, C‑101/15 P, EU:C:2016:258, Nr. 100). Somit rechtfertigt der Umstand, dass Servier ein „Monoprodukt“-Unternehmen ist, allein keine Herabsetzung der Geldbußen.

1924

Was die Berufung auf die Beschlusspraxis der Kommission angeht, Geldbußen herabzusetzen, weil es sich um ein „Monoprodukt“-Unternehmen handelte, ist darauf hinzuweisen, dass der von den Klägerinnen angeführte Fall, wie er von diesen dargestellt worden ist, einen Sachverhalt betraf, der sich von dem vorliegenden unterscheidet, da die Kommission die betreffende Geldbuße herabgesetzt hatte, um zu verhindern, dass diese die in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehene Schwelle von 10 % des Umsatzes erreichte.

1925

Zudem verfügt die Kommission über einen Ermessensspielraum bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße, um das Verhalten der Unternehmen auf die Einhaltung der Wettbewerbsregeln auszurichten. Die Kommission ist dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 1/2003 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der Wettbewerbspolitik der Union sicherzustellen. Die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union verlangt vielmehr, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 773).

1926

Ferner kann sich nach ständiger Rechtsprechung jeder auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen, bei dem ein Unionsorgan begründete Erwartungen geweckt hat. Das Recht, sich auf Vertrauensschutz zu berufen, ist an drei kumulative Voraussetzungen gebunden. Erstens muss die Unionsverwaltung dem Betroffenen präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen von zuständiger und zuverlässiger Seite gegeben haben. Zweitens müssen diese Zusicherungen geeignet sein, bei dem Adressaten begründete Erwartungen zu wecken. Drittens müssen die gegebenen Zusicherungen den geltenden Bestimmungen entsprechen (vgl. Urteil vom 5. September 2014, Éditions Odile Jacob/Kommission, T‑471/11, EU:T:2014:739, Rn. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung).

1927

Die von den Klägerinnen angeführten Tatsachen, nämlich eine Entschließung des Parlaments und eine Erklärung des für Wettbewerb zuständigen Mitglieds der Kommission, würden aber allenfalls den Schluss darauf erlauben, dass eine Möglichkeit besteht, dass die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen in der Zukunft geändert werden, um den besonderen Merkmalen von „Monoprodukt“-Unternehmen Rechnung zu tragen. Es handelt sich somit nicht um präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen, die geeignet waren, bei Servier begründete Erwartungen zu wecken.

1928

Als Zweites verpflichtete der Umstand, dass Servier von einer Stiftung ohne Gewinnzweck geführt wird, die keinerlei Dividende an natürliche Personen ausschüttet, und so einen erheblichen Teil oder sogar die Gesamtheit ihrer Gewinne der Forschung widmen kann, sollte dies nachgewiesen sein, als solcher die Kommission nicht zu einer Herabsetzung der Geldbußen.

1929

Zudem verfügt die Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen über ein Ermessen (siehe oben, Rn. 1925).

1930

Sollten die Klägerinnen in Abrede stellen wollen, dass Servier ein Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts ist, wäre darauf hinzuweisen, dass die drei Gesellschaften, die Adressaten des angefochtenen Beschlusses und Klägerinnen in der vorliegenden Rechtssache sind, keine Stiftungen sind.

1931

Zudem hat der Gerichtshof klargestellt, dass die Tatsache, dass Güter oder Dienstleistungen ohne die Absicht der Gewinnerzielung angeboten werden, nicht daran hindert, die Einheit, die diese Tätigkeiten auf dem Markt ausübt, als Unternehmen anzusehen, da ihr Angebot mit dem von Wirtschaftsteilnehmern konkurriert, die einen Erwerbszweck verfolgen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2008, MOTOE, C‑49/07, EU:C:2008:376, Rn. 27).

1932

Drittens beanstanden die Klägerinnen eine Verletzung des Grundsatzes der individuellen Sanktionszumessung.

1933

Der Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung verlangt, dass der Betrag der verhängten Geldbuße im Einklang mit Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 anhand der Schwere der dem betroffenen Unternehmen individuell zur Last gelegten Zuwiderhandlung und ihrer Dauer bestimmt wird (Urteile vom 10. April 2014, Kommission u. a./Siemens Österreich u. a., C‑231/11 P bis C‑233/11 P, EU:C:2014:256, Rn. 52, und vom 19. Juni 2014, FLS Plast/Kommission, C‑243/12 P, EU:C:2014:2006, Rn. 107).

1934

Mit ihrem Vorbringen machen die Klägerinnen aber nicht geltend, dass die Kommission ein Gesamthaftungsverhältnis festgestellt habe, indem sie unterschiedlichen Unternehmen eine einheitliche Geldbuße auferlegt habe.

1935

Des Weiteren erlaubt der Umstand, dass die Kommission die gegen Servier verhängten Geldbußen nicht herabgesetzt hat, um zu berücksichtigen, dass diese von einer Stiftung ohne Gewinnzweck geführt wird, die keinerlei Dividende an natürliche Personen ausschüttet, und so einen erheblichen Teil oder sogar die Gesamtheit ihrer Gewinne der Forschung widmen kann, nicht den Nachweis, dass die Kommission den Gesamtbetrag der Servier auferlegten Geldbuße nicht nach Maßgabe der Schwere und der Dauer der ihr individuell vorgeworfenen Zuwiderhandlung bestimmt hat, wie es die oben in Rn. 1933 angeführte Rechtsprechung vorsieht.

1936

Nach alledem ist die vorliegende Rüge zurückzuweisen.

2) Zur Dauer des Verwaltungsverfahrens

i) Vorbringen der Parteien

[nicht wiedergegeben]

ii) Würdigung durch das Gericht

1941

Die Verletzung des Grundsatzes der Einhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer kann zwar die Nichtigerklärung einer am Ende eines Verwaltungsverfahrens nach Art. 101 oder Art. 102 AEUV erlassenen Entscheidung rechtfertigen, da sie auch eine Verletzung der Verteidigungsrechte des betroffenen Unternehmens mit sich bringt, jedoch kann die Überschreitung der angemessenen Dauer eines solchen Verwaltungsverfahrens durch die Kommission, sollte sie erwiesen sein, nicht zu einer Herabsetzung der verhängten Geldbuße führen (vgl. Urteil vom 9. Juni 2016, PROAS/Kommission, C‑616/13 P, EU:C:2016:415, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).

1942

Im vorliegenden Fall machen die Klägerinnen keineswegs geltend, die Nichtbeachtung des Grundsatzes der Einhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer habe zu einer Verletzung der Verteidigungsrechte von Servier geführt. Daher kann diese Nichtbeachtung, sollte sie nachgewiesen sein, die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses nicht rechtfertigen. Nach der in der vorstehenden Rn. 1941 angeführten Rechtsprechung verschafft sie den Klägerinnen auch keinen Anspruch auf eine Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße.

1943

In Rn. 1037 ihrer Klagebeantwortung führt die Kommission jedenfalls aus:

„Die Kommission ist der Ansicht, dass sie alle rechtlichen Verpflichtungen hinsichtlich der Dauer des Verwaltungsverfahrens erfüllt hat. Im vorliegenden Fall hat die Kommission ihre von Amts wegen eingeleitete Untersuchung am 24. November 2008 begonnen. Der Beschluss ist am 9. Juli 2014 erlassen worden. In dem Beschluss sind die zahlreichen im Lauf der Untersuchung … getroffenen Maßnahmen bereits aufgeführt worden. Nach Ansicht der Kommission tragen die Tragweite und die Bedeutung der Sache – auf der Ebene sowohl der verschiedenen Praktiken, die Gegenstand der Untersuchung waren, als auch der betroffenen Unternehmen und Behörden – zur Erklärung der Dauer der Untersuchung bei. Die Kommission hebt hervor, dass der Beschluss an dreizehn Unternehmen gerichtet war, die Anwendung der Art. 101 und 102 AEUV, sechs verschiedene Zuwiderhandlungen und zwei Marktdefinitionen betrifft und die Prüfung umfangreicher Unterlagen erforderte. Die Kommission hat über 200 [Auskunftsverlangen] versandt, Nachprüfungen bei 6 Unternehmen vorgenommen, über 15 Arbeitssitzungen mit den betroffenen Unternehmen durchgeführt und eine Akte mit über 11000 Einträgen … angelegt.“

1944

Diese von den Klägerinnen nicht bestrittenen Tatsachen, zu denen die rechtliche und tatsächliche Komplexität der Sache hinzukommt, die sich zumindest teilweise aus dem Wortlaut der Vereinbarungen ergibt, deren Mitverfasser die Klägerinnen waren, erlauben den Schluss, dass die Dauer des Verwaltungsverfahrens im vorliegenden Fall ein angemessenes Maß nicht überschritten hat.

1945

Dem ist hinzuzufügen, dass die in der vorstehenden Rn. 1944 getroffene Feststellung, dass es sich um eine komplexe Sache handelte, nicht im Widerspruch zu den folgenden Ausführungen der Kommission in Rn. 3110 des angefochtenen Beschlusses steht:

„… Jedenfalls können die hier vorliegenden Praktiken, die einen Marktausschluss im Austausch für eine Wertübertragung zum Gegenstand hatten, hinsichtlich der Verhängung von Geldbußen nicht als rechtlich komplex angesehen werden, und ihre Rechtswidrigkeit war für die Parteien vorhersehbar.“

1946

Auch wenn nämlich, wie bereits dargelegt, die Rechtswidrigkeit dieser Vereinbarungen, weil sie in der Form von Patentvergleichen geschlossen wurden, für einen außenstehenden Beobachter wie die Kommission möglicherweise nicht offensichtlich war, gilt dies doch nicht für die Parteien dieser Vereinbarungen.

1947

Nach alledem ist die vorliegende Rüge und damit der Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

h)   Zusammenfassung zur Nichtigerklärung der Geldbußen und zu ihrer Herabsetzung

1948

Wie bereits dargelegt, sind die in Rede stehenden Vereinbarungen, mit Ausnahme der mit Krka geschlossenen Vereinbarungen, Marktausschlussvereinbarungen, mit denen wettbewerbswidrige Ziele verfolgt werden. Der Marktausschluss von Wettbewerbern stellt aber eine extreme Form der Marktaufteilung und der Produktionsbeschränkung dar (siehe oben, Rn. 1816). Solche Vereinbarungen müssen daher gemäß Ziff. 23 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen grundsätzlich streng geahndet werden (siehe oben, Rn. 1816).

1949

Zudem haben es diese Vereinbarungen, die auf einem Anreiz und nicht auf der Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch die Parteien beruhten, Servier gerade ermöglicht, die mit den Patentrechtsstreitigkeiten verbundenen Unwägbarkeiten und die Ungewissheiten hinsichtlich der Bedingungen und Möglichkeiten des Markteintritts der Generikahersteller durch die Gewissheit zu ersetzen, dass diejenigen, mit denen eine Vereinbarung geschlossen wurde, vom Markt ferngehalten würden (siehe oben, Rn. 1819).

1950

Diese Vereinbarungen sind schließlich auch in die Praxis umgesetzt worden.

1951

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss (Rn. 3128) den Umstand berücksichtigt hat, dass Servier mehrere Zuwiderhandlungen begangen hatte, die zwar gesondert waren, aber dasselbe Erzeugnis, Perindopril, und weitgehend dieselben Gebiete und Zeiträume betrafen. In diesem besonderen Kontext hat sie zur Vermeidung eines potenziell unverhältnismäßigen Ergebnisses beschlossen, für jede Zuwiderhandlung den Anteil des Umsatzes von Servier, der zur Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße berücksichtigt worden ist, zu begrenzen. Sie hat somit eine Korrektur vorgenommen, die zu einer durchschnittlichen Reduzierung des Gesamtwerts der auf die einzelnen Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV entfallenden Verkäufe um 54,5 % geführt hat.

1952

Zudem stellt der zur Berechnung der Geldbuße berücksichtigte Umsatzanteil, d. h. je nach Fall 10 % oder 11 %, nur etwa ein Drittel des Anteils dar, der höchstens berücksichtigt werden kann.

1953

Schließlich hat das Gericht unter Berücksichtigung des Zusammenhangs zwischen der Matrix- und der Niche-Vereinbarung die Servier wegen der Matrix-Vereinbarung auferlegte Geldbuße herabgesetzt.

1954

In Anbetracht der in den vorstehenden Rn. 1948 bis 1953 dargelegten Umstände sowie sämtlicher im vorliegenden Urteil enthaltenen Erwägungen ist zu schließen, dass die Servier nach Art. 101 AEUV auferlegten Geldbußen unter Berücksichtigung der vom Gericht bereits im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung vorgenommenen Herabsetzungen nicht unverhältnismäßig sind, auch wenn die Kommission in Rn. 3130 des angefochtenen Beschlusses, wie das Ergebnis der Prüfung des Klagegrundes betreffend die Definition des relevanten Marktes gezeigt hat, zu Unrecht befunden hat, dass „Servier sehr große Marktanteile auf den relevanten Märkten besaß, die für die Zwecke des vorliegenden Beschlusses definiert worden und von den Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV betroffen sind“.

1955

Da die Kommission die festgestellten Zuwiderhandlungen zu Recht als gesonderte Zuwiderhandlungen angesehen hat (siehe oben, Rn. 1685 bis 1691), erlaubt der Umstand, dass der kumulierte Betrag der Geldbußen einen nicht unerheblichen Prozentsatz des weltweiten Umsatzes von Servier darstellt, nicht den Schluss auf die Unverhältnismäßigkeit dieser Geldbußen. Eine solche Unverhältnismäßigkeit liegt umso weniger vor, als das Gericht diesen Prozentsatz im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung bereits erheblich herabgesetzt hat.

1956

Nach alledem ist der Hilfsantrag der Klägerinnen, soweit er die Servier wegen der Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV auferlegten Geldbußen betrifft, mit Ausnahme des Antrags auf Nichtigerklärung der Geldbuße, die Servier wegen der Zuwiderhandlung im Zusammenhang mit den mit Krka geschlossenen Vereinbarungen auferlegt worden ist, zum einen und auf Herabsetzung der Servier wegen der Zuwiderhandlung im Zusammenhang mit der Matrix-Vereinbarung auferlegten Geldbuße zum anderen zurückzuweisen. Dem Hilfsantrag der Klägerinnen, soweit er die Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV betrifft, ist folglich stattzugeben, da Art. 6 des angefochtenen Beschlusses, mit dem die Kommission eine Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV festgestellt hat, für nichtig erklärt worden ist (siehe oben, Rn. 1638).

1957

Dem ist schließlich hinzuzufügen, dass die Kommission im Rahmen der Modalitäten der Berechnung der einzelnen Geldbußen für die verschiedenen von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV einen Korrekturfaktor nach Maßgabe der Zahl der in einem Mitgliedstaat gleichzeitig begangenen Zuwiderhandlungen eingeführt hat. Somit könnte die Feststellung, dass eine der Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV nicht nachgewiesen ist, dem Gericht eventuell Anlass zu der Frage geben, ob es angezeigt sein könnte, die Servier wegen der anderen Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV auferlegten Geldbußen zu erhöhen.

1958

In Anbetracht aller Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere der oben am Ende von Rn. 1954 angeführten Umstände, ist jedoch keine solche Erhöhung vorzunehmen, die im Übrigen von der Kommission nicht beantragt worden ist.

IV. Gesamtergebnis

1959

Was als Erstes Art. 101 AEUV angeht, ergibt sich aus sämtlichen vorstehenden Erwägungen, dass die Kommission hinsichtlich der Niche‑, der Matrix‑, der Teva- und der Lupin-Vereinbarung zu Recht eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung festgestellt hat. Unter diesen Umständen braucht jedenfalls nicht geprüft zu werden, ob die Feststellung einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung hinsichtlich dieser Vereinbarungen begründet ist.

1960

Dagegen befindet das Gericht zum einen hinsichtlich der Zuwiderhandlung, die wegen der mit Krka geschlossenen Vereinbarungen festgestellt worden ist, dass die Kommission das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung nicht nachgewiesen hat. Aufgrund der Prüfung der von der Kommission getroffenen Feststellung des Vorliegens einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung befindet das Gericht, dass auch diese nicht nachgewiesen ist. Art. 4 des angefochtenen Beschlusses ist daher insoweit für nichtig zu erklären, als die Kommission mit diesem festgestellt hat, dass sich Servier in Bezug auf die zwischen Servier und Krka geschlossenen Vereinbarungen an einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV beteiligt hat. Folglich ist Art. 7 Abs. 4 Buchst. b des angefochtenen Beschlusses, mit dem die Kommission Servier wegen dieser Zuwiderhandlung eine Geldbuße in Höhe von 37661800 Euro auferlegt hat, ebenfalls für nichtig zu erklären.

1961

Zum anderen erachtet das Gericht in Wahrnehmung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung die Geldbuße, die Servier wegen der in Art. 2 des angefochtenen Beschlusses im Zusammenhang mit der Matrix-Vereinbarung festgestellten Zuwiderhandlung auferlegt worden ist, für zu hoch. Folglich ist diese Geldbuße, die sich aus Art. 7 Abs. 2 Buchst. b des angefochtenen Beschlusses ergibt, herab- und auf 55385190 Euro festzusetzen.

1962

Im Übrigen sind die Servier von der Kommission wegen der Niche‑, der Teva- und der Lupin-Vereinbarung auferlegten Geldbußen zu bestätigen.

1963

Was als Zweites Art. 102 AEUV angeht, erachtet es das Gericht für nicht erwiesen, dass der relevante Markt für die Endprodukte auf Perindopril begrenzt war. Da eine beherrschende Stellung von Servier weder auf diesem Markt noch auf dem Markt für die Technologie dargetan ist, ist das Vorliegen eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung in Frage gestellt, so dass Art. 6 des angefochtenen Beschlusses, mit dem diese Zuwiderhandlung festgestellt worden ist, für nichtig zu erklären ist. Folglich ist Art. 7 Abs. 6 des angefochtenen Beschlusses, mit dem die Kommission Servier wegen dieser Zuwiderhandlung eine Geldbuße in Höhe von 41270000 Euro auferlegt hat, ebenfalls für nichtig zu erklären.

V. Kosten

1964

Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

1965

Nach Art. 134 Abs. 3 Satz 1 der Verfahrensordnung trägt jede Partei ihre eigenen Kosten, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.

1966

Da sowohl die Klägerinnen als auch die Kommission mit ihren Anträgen teilweise unterlegen sind, sind jeder Partei ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

1967

Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht entscheiden, dass ein anderer Streithelfer als die in den Abs. 1 und 2 dieses Artikels genannten seine eigenen Kosten trägt.

1968

Da die in der vorstehenden Rn. 1967 genannte Bestimmung auf die EFPIA anwendbar ist, sind dieser ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Art. 4 des Beschlusses C(2014) 4955 final der Kommission vom 9. Juli 2014 in einem Verfahren zur Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV (Sache AT.39612 – Perindopril [Servier]) wird für nichtig erklärt, soweit damit die Beteiligung der Servier SAS und der Laboratoires Servier SAS an den in diesem Artikel genannten Zuwiderhandlungen festgestellt wird.

 

2.

Art. 6 des Beschlusses C(2014) 4955 final wird für nichtig erklärt.

 

3.

Art. 7 Abs. 4 Buchst. b und Abs. 6 des Beschlusses C(2014) 4955 final wird für nichtig erklärt.

 

4.

Der Betrag der Servier und Laboratoires Servier wegen der in Art. 2 des Beschlusses C(2014) 4955 final genannten Zuwiderhandlung auferlegten Geldbuße, wie er sich aus Art. 7 Abs. 2 Buchst. b dieses Beschlusses ergibt, wird auf 55385190 Euro festgesetzt.

 

5.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

6.

Servier, die Servier Laboratories Ltd und Laboratoires Servier auf der einen und die Europäische Kommission auf der anderen Seite tragen ihre eigenen Kosten.

 

7.

Die European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA) trägt ihre eigenen Kosten.

 

Gervasoni

Bieliūnas

Madise

Da Silva Passos

Kowalik-Bańczyk

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Dezember 2018.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis

 

I. Sachverhalt

 

A. Die Klägerinnen

 

B. Perindopril und seine Patente

 

1. Perindopril

 

2. Patent für das Molekül

 

3. Sekundärpatente

 

4. Perindopril der zweiten Generation

 

C. Die Rechtsstreitigkeiten betreffend Perindopril

 

1. Streitigkeiten vor dem EPA

 

2. Rechtsstreitigkeiten vor nationalen Gerichten

 

a) Rechtsstreit zwischen Servier und Niche sowie Matrix

 

b) Rechtsstreitigkeiten zwischen Servier und Ivax sowie Teva

 

c) Rechtsstreit zwischen Servier und Krka

 

d) Rechtsstreit zwischen Servier und Lupin

 

e) Rechtsstreitigkeiten zwischen Servier und Apotex

 

D. Die Vergleiche in den Rechtsstreitigkeiten über die Patente

 

1. Von Servier mit Niche und Unichem und mit Matrix geschlossene Vereinbarungen

 

2. Von Servier mit Teva geschlossene Vereinbarung

 

3. Von Servier mit Krka geschlossene Vereinbarungen

 

4. Von Servier mit Lupin geschlossene Vereinbarung

 

E. Der Erwerb von Enabling-Technologien

 

F. Die Sektoruntersuchung

 

G. Verwaltungsverfahren und angefochtener Beschluss

 

II. Verfahren und Anträge der Parteien

 

III. Rechtliche Würdigung

 

A. Zur Zulässigkeit

 

1. Zur Zulässigkeit des dritten Klageantrags

 

a) Vorbringen der Parteien

 

b) Würdigung durch das Gericht

 

2. Zur Zulässigkeit einiger Anlagen zur Klageschrift

 

a) Vorbringen der Parteien

 

b) Würdigung durch das Gericht

 

B. Zur Begründetheit

 

1. Zur Verletzung des Grundsatzes der Unparteilichkeit und des Rechts auf gute Verwaltung

 

a) Vorbringen der Parteien

 

b) Würdigung durch das Gericht

 

2. Zum Fehlen einer wirksamen Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen

 

a) Vorbringen der Parteien

 

b) Würdigung durch das Gericht

 

3. Zur Verletzung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf, der Verteidigungsrechte und des Grundsatzes der Waffengleichheit

 

a) Vorbringen der Parteien

 

b) Würdigung durch das Gericht

 

4. Zur Verfälschung von Tatsachen

 

a) Vorbringen der Parteien

 

b) Würdigung durch das Gericht

 

5. Zu den Rechtsfehlern betreffend die Bestimmung des Begriffs der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung

 

a) Zu dem ihrem Zweck nach beschränkenden Charakter von Patentvergleichsvereinbarungen

 

1) Zu den bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen

 

2) Zu den Rechten des geistigen Eigentums und insbesondere den Patenten

 

3) Zu den Vergleichen in Patentrechtsstreitigkeiten

 

4) Zur Abstimmung zwischen Patentvergleichsvereinbarungen und Wettbewerbsrecht

 

5) Zum Anreiz

 

6) Zur Anwendbarkeit der Theorie der Nebenabreden auf Vergleichsvereinbarungen

 

7) Zur Abstimmung zwischen Patentvergleichsvereinbarungen und amerikanischem Wettbewerbsrecht

 

8) Zu den ihrer Natur nach ambivalenten Wirkungen von Vergleichsvereinbarungen

 

b) Zu den von der Kommission herangezogenen Kriterien für die Einstufung der Vergleichsvereinbarungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung

 

1) Zum Kriterium des potenziellen Wettbewerbs

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung durch das Gericht

 

– Zu den Kriterien für die Beurteilung des potenziellen Wettbewerbs

 

– Zu den durch die Patente der Klägerinnen gebildeten Hindernissen für den potenziellen Wettbewerb

 

2) Zum Kriterium der Verpflichtung der Generikahersteller zur Beschränkung ihrer unabhängigen Bemühungen um einen Markteintritt

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung durch das Gericht

 

3) Zu dem Kriterium der Wertübertragung zugunsten der Generikahersteller

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung durch das Gericht

 

6. Zu den mit Niche und mit Matrix geschlossenen Vereinbarungen

 

a) Zur Einstufung von Niche und von Matrix als potenzielle Wettbewerber

 

b) Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Niche- und der Matrix-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch das Gericht

 

i) Zum Fehlen einer als Anreiz wirkenden Wertübertragung

 

ii) Zum Fehlen hinreichender Schädlichkeit der Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln

 

c) Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Niche- und der Matrix-Vereinbarung als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung

 

7. Zu der mit Teva geschlossenen Vereinbarung

 

a) Zur Einstufung von Teva als potenzieller Wettbewerber

 

b) Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Teva-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch das Gericht

 

i) Zum Fehlen einer Beschränkung der Bemühungen des Generikaherstellers, mit dem Hersteller des Originalpräparats in Wettbewerb zu treten

 

ii) Zum Fehlen eines als Anreiz wirkenden Vorteils

 

– Zu der endgültigen pauschalen Entschädigung

 

– Zu dem Einmalbetrag

 

iii) Zu der hilfsweise erhobenen Rüge betreffend die Dauer der Zuwiderhandlung

 

c) Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Teva-Vereinbarung als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung

 

8. Zu der mit Lupin geschlossenen Vereinbarung

 

a) Zur Einstufung von Lupin als potenzieller Wettbewerber

 

b) Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Lupin-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch das Gericht

 

i) Zum Fehlen eines als Anreiz wirkenden Vorteils

 

ii) Zum Fehlen einer Beschränkung der Bemühungen des Generikaherstellers, in Wettbewerb mit dem Hersteller des Originalpräparats zu treten

 

iii) Zum Fehlen einer Zuwiderhandlung

 

iv) Zu dem von Servier hilfsweise geltend gemachten Klagegrund einer fehlerhaften Bestimmung der Dauer der Zuwiderhandlung

 

c) Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Lupin-Vereinbarung als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung

 

9. Zu den mit Krka geschlossenen Vereinbarungen

 

a) Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Krka-Vereinbarungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung

 

1) Zu der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung durch das Gericht

 

2) Zu der Übertragungsvereinbarung

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung durch das Gericht

 

b) Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Krka-Vereinbarung als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch das Gericht

 

i) Zum Ansatz der Kommission

 

ii) Die im vorliegenden Fall einschlägige Rechtsprechung

 

iii) Zum Beurteilungsfehler

 

– Zu der in der Vergleichsvereinbarung enthaltenen Vermarktungsverbotsklausel

 

– Zu der in der Vergleichsvereinbarung enthaltenen Nichtangriffsklausel

 

– Zur Übertragung der Lizenz für die Technologie von Krka

 

iv) Zum Rechtsfehler

 

10. Zu dem Klagegrund betreffend die Definition des Begriffs der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung

 

a) Vorbringen der Parteien

 

b) Würdigung durch das Gericht

 

11. Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung als gesonderte Zuwiderhandlungen

 

a) Zur Einstufung der fünf Vereinbarungen als gesonderte Zuwiderhandlungen

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch das Gericht

 

b) Zur Einstufung der mit Niche und mit Matrix geschlossenen Vereinbarungen als gesonderte Zuwiderhandlungen

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch das Gericht

 

12. Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Definition des relevanten Marktes für die Endprodukte

 

a) Vorbringen der Parteien

 

b) Würdigung durch das Gericht

 

1) Vorbemerkungen

 

i) Zum Umfang der Kontrolle durch den Unionsrichter

 

ii) Zur Abgrenzung des relevanten Produktmarkts im Arzneimittelsektor

 

2) Zum ersten Teil der ersten Rüge: fehlende Berücksichtigung sämtlicher Elemente des wirtschaftlichen Kontexts

 

3) Zur zweiten Rüge: Verkennung der therapeutischen Substituierbarkeit der ACE‑Hemmer durch die Kommission

 

i) Zur Unterscheidung zwischen Perindopril und den anderen ACE‑Hemmern hinsichtlich Wirksamkeit und Nebenwirkungen

 

ii) Zum Phänomen der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte bei Neupatienten

 

iii) Zur Neigung der Patienten in Langzeitbehandlung zu Veränderungen

 

iv) Zu den Werbeaktivitäten

 

4) Zum zweiten Teil der ersten Rüge, mit dem geltend gemacht wird, dass dem Kriterium des Preises bei der Marktanalyse zu große Bedeutung beigemessen worden sei, und zur dritten, hilfsweise erhobenen Rüge, dass die ökonometrische Analyse der Kommission fehlerhaft sei

 

5) Ergebnis

 

13. Zu den Beurteilungsfehlern betreffend das Bestehen einer beherrschenden Stellung auf dem Markt für die Endprodukte

 

a) Vorbringen der Parteien

 

b) Würdigung durch das Gericht

 

14. Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend das Bestehen einer beherrschenden Stellung auf dem Markt für die Technologie

 

a) Vorbringen der Parteien

 

b) Würdigung durch das Gericht

 

15. Zu den Rechts- und Tatsachenfehlern betreffend das Vorliegen eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung

 

a) Vorbringen der Parteien

 

b) Würdigung durch das Gericht

 

16. Zum Hilfsantrag auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbußen

 

a) Zur Unvorhersehbarkeit der im angefochtenen Beschluss herangezogenen Auslegung

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch das Gericht

 

b) Zu dem Rechtsfehler betreffend die Kumulierung der Geldbußen

 

1) Zur Missachtung des Begriffs der einheitlichen Zuwiderhandlung

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung durch das Gericht

 

2) Zur Kumulierung der nach den Art. 101 und 102 AEUV verhängten Geldbußen

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung durch das Gericht

 

c) Zur Berechnung des Umsatzes

 

1) Zur Berücksichtigung des Absatzes im Krankenhaussektor

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung durch das Gericht

 

2) Zum Vorwurf einer unzureichenden Begründung der Berechnung des Umsatzes

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung durch das Gericht

 

3) Zum räumlichen Gebiet des Umsatzes

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung durch das Gericht

 

d) Zur Schwere der Zuwiderhandlungen

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch das Gericht

 

e) Zur Dauer der Zuwiderhandlungen

 

1) Zum Beginnder Zuwiderhandlungen

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung durch das Gericht

 

2) Zum Zeitpunkt des Endes der Zuwiderhandlungen

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung durch das Gericht

 

f) Zur Anwendung eines Zusatzbetrags

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch das Gericht

 

g) Zur Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Grundsatzes der individuellen Sanktionszumessung

 

1) Zur Nichtberücksichtigung der Besonderheiten von Servier

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung durch das Gericht

 

2) Zur Dauer des Verwaltungsverfahrens

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung durch das Gericht

 

h) Zusammenfassung zur Nichtigerklärung der Geldbußen und zu ihrer Herabsetzung

 

IV. Gesamtergebnis

 

V. Kosten


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.

( i ) Die vorliegende Sprachfassung ist in den Rn. 61 und 900 gegenüber der ursprünglich online gestellten Fassung geändert worden.

( 1 ) Es werden nur die Randnummern des Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.