Rechtssache T‑201/04

Microsoft Corp.

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Wettbewerb – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Betriebssysteme für Client-PCs – Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver – Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten – Entscheidung, mit der Zuwiderhandlungen gegen Art. 82 EG festgestellt werden – Weigerung des marktbeherrschenden Unternehmens, Interoperabilitätsinformationen zu liefern und ihre Nutzung zu gestatten – Vom marktbeherrschenden Unternehmen vorgenommene Kopplung der Lieferung seines Betriebssystems für Client-PCs an den gleichzeitigen Erwerb seines Medienabspielprogramms – Abhilfemaßnahmen – Einsetzung eines unabhängigen Überwachungsbeauftragten – Geldbuße – Festsetzung der Höhe – Verhältnismäßigkeit“

Leitsätze des Urteils

1.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Entscheidung, die eine Würdigung komplexer wirtschaftlicher oder technischer Gegebenheiten erfordert

(Art. 81 EG und 82 EG)

2.      Verfahren – Klageschrift – Erwiderung – Formerfordernisse

(Satzung des Gerichtshofs, Art. 21; Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 44 § 1 Buchst. c)

3.      Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Begriff – Verpflichtungen des marktbeherrschenden Unternehmens

(Art. 82 EG)

4.      Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Begriff – Verpflichtungen des marktbeherrschenden Unternehmens

(Art. 82 EG)

5.      Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Weigerung, eine Lizenz für die Nutzung eines durch ein Recht des geistigen Eigentums geschützten Erzeugnisses zu erteilen

(Art. 82 EG)

6.      Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Weigerung, eine Lizenz für die Nutzung eines durch ein Recht des geistigen Eigentums geschützten Erzeugnisses zu erteilen

(Art. 82 EG)

7.      Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Weigerung, eine Lizenz für die Nutzung eines durch ein Recht des geistigen Eigentums geschützten Erzeugnisses zu erteilen

(Art. 82 EG)

8.      Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Relevanter Markt – Abgrenzung – Kriterien

(Art. 82 EG; Mitteilung 97/C 372/03 der Kommission)

9.      Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Hebelwirkung

(Art. 82 EG)

10.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Weigerung, eine Lizenz für die Nutzung eines durch ein Recht des geistigen Eigentums geschützten Erzeugnisses zu erteilen

(Art. 82 EG)

11.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Weigerung, eine Lizenz für die Nutzung eines durch ein Recht des geistigen Eigentums geschützten Erzeugnisses zu erteilen

(Art. 82 CE)

12.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Weigerung, eine Lizenz für die Nutzung eines durch ein Recht des geistigen Eigentums geschützten Erzeugnisses zu erteilen

(Art. 82 EG)

13.    Völkerrechtliche Verträge – Verträge der Gemeinschaft – Vorrang allein vor dem abgeleiteten Recht – Folge für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts – Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS)

14.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Weigerung, eine Lizenz für die Nutzung eines durch ein Recht des geistigen Eigentums geschützten Erzeugnisses zu erteilen

(Art. 82 EG)

15.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Kopplungsverkauf

(Art. 82 EG)

16.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Kopplungsverkauf

(Art. 82 EG)

17.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Kopplungsverkauf

(Art. 82 EG)

18.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Kopplungsverkauf

(Art. 82 EG)

19.    Wettbewerb – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Begriff – Verpflichtungen des marktbeherrschenden Unternehmens – Rein leistungsbezogener Wettbewerb

(Art. 82 EG)

20.    Nichtigkeitsklage – Gründe – Keine Möglichkeit der Berufung auf die WTO-Übereinkünfte, um die Rechtswidrigkeit einer Gemeinschaftshandlung geltend zu machen – Ausnahmen

(Art. 230 EG)

21.    Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Abhilfemaßnahmen

(Art. 82 EG; Verordnung Nr. 17 des Rates, Art. 3, 14 und 16)

22.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien

(Art. 82 EG)

1.      Der Gemeinschaftsrichter nimmt zwar grundsätzlich eine umfassende Prüfung der Frage vor, ob die Tatbestandsmerkmale der Wettbewerbsregeln erfüllt sind, doch muss sich seine Überprüfung der Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten durch die Kommission darauf beschränken, ob die Verfahrensregeln und die Vorschriften über die Begründung eingehalten wurden, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt wurde und ob kein offensichtlicher Beurteilungsfehler und kein Ermessensmissbrauch vorliegen.

Soweit eine Entscheidung der Kommission das Ergebnis komplexer technischer Beurteilungen ist, unterliegen diese grundsätzlich ebenfalls einer beschränkten gerichtlichen Kontrolle; dies bedeutet, dass der Gemeinschaftsrichter die von der Kommission vorgenommene Beurteilung des Sachverhalts nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen darf.

Auch wenn der Gemeinschaftsrichter anerkennt, dass der Kommission in wirtschaftlichen oder technischen Fragen ein Beurteilungsspielraum zusteht, bedeutet dies jedoch nicht, dass er eine Kontrolle der Auslegung derartiger Daten durch die Kommission unterlassen muss. Der Gemeinschaftsrichter muss nämlich nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen.

(vgl. Randnrn. 87-89, 379, 482, 564)

2.      Nach Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts muss die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Für die Zulässigkeit einer Klage ist es nach ständiger Rechtsprechung erforderlich, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf denen sie beruht, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich, aus dem Wortlaut der Klageschrift selbst ergeben. Zwar kann ihr Text zu speziellen Punkten durch Bezugnahmen auf bestimmte Abschnitte beigefügter Schriftstücke untermauert und ergänzt werden, doch kann eine pauschale Bezugnahme auf andere Schriftstücke, auch wenn sie der Klageschrift als Anlagen beigefügt sind, nicht das Fehlen der wesentlichen Bestandteile der Rechtsausführungen ausgleichen, die nach den oben genannten Vorschriften in der Klageschrift enthalten sein müssen.

Außerdem ist es nicht Sache des Gerichts, die Klagegründe und Argumente, auf die sich die Klage möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen und zu bestimmen, denn die Anlagen haben eine bloße Beweis- und Hilfsfunktion.

Das Gericht kann nur Anlagen berücksichtigen, mit denen vom Kläger oder vom Beklagten in den Schriftsätzen ausdrücklich angeführte tatsächliche oder rechtliche Umstände untermauert oder ergänzt werden.

Diese Auslegung von Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts gilt auch für die Voraussetzungen der Zulässigkeit der Erwiderung, die nach Art. 47 § 1 der Verfahrensordnung die Klageschrift ergänzen soll.

(vgl. Randnrn. 94-95, 99, 483)

3.      Art. 82 EG betrifft das Verhalten eines oder mehrerer Wirtschaftsteilnehmer, das in der missbräuchlichen Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtstellung besteht, die es dem betreffenden Wirtschaftsteilnehmer erlaubt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Konkurrenten, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten.

Die Feststellung des Vorliegens einer beherrschenden Stellung bedeutet zwar für sich genommen keinen Vorwurf gegenüber dem betreffenden Unternehmen; gleichwohl trägt es unabhängig von den Ursachen für eine solche Stellung eine besondere Verantwortung dafür, dass es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb im Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt.

(vgl. Randnr. 229)

4.      Im Rahmen eines auf Art. 82 EG gestützten Verfahrens kann die Kommission den Begriff „Interoperabilität“ dahin gehend definieren, dass zwei Software-Produkte zum Austausch von Informationen und zur wechselseitigen Verwendung der ausgetauschten Informationen fähig sind, die es ermöglichen soll, dass jedes dieser Software-Produkte voll und ganz wie vorgesehen funktioniert; sie ist nicht an die Definition in der Richtlinie 91/250 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen gebunden, von der sie aber auch nicht abweicht.

In diesem Rahmen kann die Kommission bei der Beurteilung des „Interoperabilitätsgrads“ von Software-Produkten darauf abstellen, was ihres Erachtens im Hinblick auf Art. 82 EG erforderlich ist, um es den Entwicklern von Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver, die mit dem System des marktbeherrschenden Entwicklers konkurrieren, zu ermöglichen, auf dem Markt zu überleben. Ist erwiesen, dass der bestehende Interoperabilitätsgrad es diesen Entwicklern nicht ermöglicht, auf dem Markt zu überleben, dann folgt daraus, dass die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf diesem Markt beeinträchtigt wird.

Gibt die Kommission einem Unternehmen in beherrschender Stellung als Abhilfemaßnahme auf, „Interoperabilitätsinformationen“ offenzulegen, so verlangt sie damit eine eingehende technische Beschreibung bestimmter Regeln für die gegenseitige Verbindung und Interaktion, die in den Arbeitsgruppennetzwerken des Unternehmens für die Erbringung von Arbeitsgruppendiensten gelten. Diese Beschreibung erstreckt sich nicht auf die Art und Weise der Umsetzung der genannten Regeln durch das Unternehmen und betrifft daher insbesondere nicht die interne Struktur oder den Quellcode seiner Produkte.

Der somit von der Kommission herangezogene Interoperabilitätsgrad erlaubt es konkurrierenden Betriebssystemen, mit der Domänenarchitektur des beherrschenden Unternehmens zu den gleichen Bedingungen zu interoperieren, damit sie mit dessen Betriebssystemen nachhaltig in Wettbewerb treten können. Er impliziert nicht, dass die Produkte der Konkurrenten fähig sein müssen, in genau der gleichen Weise zu arbeiten wie die Produkte des beherrschenden Unternehmens, und erlaubt es dessen Konkurrenten nicht, Produkte oder bestimmte Produktmerkmale zu klonen oder zu reproduzieren.

(vgl. Randnrn. 192, 206, 225, 227-228, 230, 234, 236-238, 241, 259, 374-375)

5.      Im Rahmen einer Entscheidung, mit der die Weigerung eines Unternehmens in beherrschender Stellung geahndet wird, konkurrierenden Unternehmen Informationen über die Interoperabilität von Software-Produkten zu liefern, braucht die Kommission nicht zu der Frage Stellung zu nehmen, ob an den Kommunikationsprotokollen des Unternehmens oder an deren Spezifikationen Rechte des geistigen Eigentums bestehen, und sie darf unterstellen, dass das Unternehmen solche Rechte geltend machen kann. Sie darf daher von der Prämisse ausgehen, dass die Weigerung, Interoperabilitätsinformationen zu liefern, möglicherweise keine bloße Weigerung ist, eine für die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit unerlässliche Ware oder Dienstleistung zur Verfügung zu stellen, sondern eine Weigerung, einem Dritten eine Lizenz für Rechte des geistigen Eigentums zu erteilen. Sie wählt damit nämlich die juristisch strikteste und deshalb für das Unternehmen in beherrschender Stellung günstigste Lösung. In einem solchen Fall ist folglich zu prüfen, ob die Voraussetzungen vorliegen, unter denen ein Unternehmen in beherrschender Stellung gezwungen werden kann, eine Lizenz für Rechte des geistigen Eigentums zu erteilen.

(vgl. Randnrn. 283-284, 290)

6.      Die Unternehmen können zwar ihre Geschäftspartner grundsätzlich frei wählen; eine Lieferverweigerung seitens eines Unternehmens in beherrschender Stellung kann aber unter bestimmten Umständen, sofern sie nicht objektiv gerechtfertigt ist, ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG sein.

Die Weigerung eines Unternehmens in beherrschender Stellung, Dritten eine Lizenz für die Nutzung eines durch ein Recht des geistigen Eigentums geschützten Erzeugnisses zu erteilen, kann als solche keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG darstellen.

Nur unter außergewöhnlichen Umständen kann die Ausübung des ausschließlichen Rechts durch den Inhaber des Rechts des geistigen Eigentums zu einem solchen Missbrauch führen, aufgrund dessen es im öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem Markt zulässig ist, in das ausschließliche Recht des Inhabers des geistigen Eigentums einzugreifen und ihn zu verpflichten, Dritten, die in diesen Markt eintreten oder sich dort halten wollen, Lizenzen zu erteilen.

Als außergewöhnlich sind insbesondere folgende Umstände als anzusehen: erstens, wenn die Weigerung Erzeugnisse oder Dienstleistungen betrifft, die für die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit auf einem benachbarten Markt unerlässlich sind, zweitens, wenn die Weigerung geeignet ist, jeglichen wirksamen Wettbewerb auf diesem benachbarten Markt auszuschließen, und drittens, wenn die Weigerung das Auftreten eines neuen Produkts verhindert, nach dem eine potenzielle Nachfrage der Verbraucher besteht.

Ist erwiesen, dass solche Umstände vorliegen, so kann die Weigerung des Inhabers einer beherrschenden Stellung, eine Lizenz zu erteilen, gegen Art. 82 EG verstoßen, sofern sie nicht objektiv gerechtfertigt ist.

Schließlich sind bei der Entscheidung darüber, ob eine Weigerung, Zugang zu Erzeugnissen oder Dienstleistungen zu gewähren, die für die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit unerlässlich sind, als missbräuchlich angesehen werden kann, zwei Märkte zu unterscheiden, und zwar zum einen der Markt für die fraglichen Erzeugnisse oder Dienstleistungen, auf dem das Unternehmen, das die Weigerung ausspricht, eine beherrschende Stellung einnimmt, und zum anderen ein benachbarter Markt, auf dem die fraglichen Erzeugnisse oder Dienstleistungen für die Herstellung eines anderen Erzeugnisses oder die Erbringung einer anderen Dienstleistung verwendet werden. Die Tatsache, dass die unerlässlichen Erzeugnisse oder Dienstleistungen nicht getrennt vermarktet werden, schließt dabei nicht von vornherein die Möglichkeit aus, einen gesonderten Markt zu ermitteln. Es genügt, dass ein potenzieller oder auch nur hypothetischer Markt bestimmt werden kann. Dies ist der Fall, wenn die Erzeugnisse oder Dienstleistungen für die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit unerlässlich sind und wenn nach ihnen eine tatsächliche Nachfrage seitens der Unternehmen besteht, die diese Tätigkeit ausüben wollen. Es ist entscheidend, dass zwei verschiedene Produktionsstufen bestimmt werden können, die dadurch miteinander verbunden sind, dass das vorgelagerte Erzeugnis ein für die Lieferung des nachgelagerten Erzeugnisses unerlässliches Element ist.

(vgl. Randnrn. 319, 331-335, 691, 1336)

7.      Bei der Anwendung von Art. 82 EG auf die Weigerung eines Unternehmens in beherrschender Stellung, eine Lizenz auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver zu erteilen, sind die „Interoperabilitätsinformationen“ vor allem deshalb als „unerlässlich“ anzusehen, weil die Interoperabilität von wesentlicher Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit auf diesem Markt ist, selbst wenn ihre mangelnde Verfügbarkeit nur zu einer allmählichen und nicht zu einer schlagartigen Ausschaltung des Wettbewerbs führt.

(vgl. Randnrn. 381, 428)

8.      In der Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft heißt es: „Der sachlich relevante Produktmarkt umfasst sämtliche Erzeugnisse und/oder Dienstleistungen, die von den Verbrauchern hinsichtlich ihrer Eigenschaften, [ihrer] Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als austauschbar oder substituierbar angesehen werden.“ Der Substituierbarkeit auf der Angebotsseite kann bei der Definition des relevanten Marktes dann ebenfalls Rechnung getragen werden, wenn sie sich genauso wirksam und unmittelbar auswirkt wie die Nachfragesubstituierbarkeit. Dies setzt jedoch voraus, dass die Anbieter in Reaktion auf kleine, aber dauerhafte Änderungen bei den relativen Preisen in der Lage sind, ihre Produktion auf die relevanten Erzeugnisse umzustellen und sie kurzfristig auf den Markt zu bringen, ohne spürbare Zusatzkosten oder ‑risiken zu gewärtigen.

In Bezug auf die Betriebssysteme ist die Kommission zu dem Schluss berechtigt, dass es einen Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver gibt, der vom Markt der Betriebssysteme für Client-PCs zu trennen ist.

(vgl. Randnrn. 484-485, 531)

9.      Wirft die Kommission im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 82 EG einem Unternehmen vor, sein Quasi-Monopol auf einem Produktmarkt mittels einer „Hebelwirkung“ (leveraging) zur Beeinflussung eines anderen Produktmarkts genutzt zu haben, dann liegt der Ursprung des dem Unternehmen zur Last gelegten missbräuchlichen Verhaltens in seiner beherrschenden Stellung auf dem erstgenannten Produktmarkt. Selbst wenn die Kommission zu Unrecht annimmt, dass das Unternehmen eine beherrschende Stellung auf dem letztgenannten Produktmarkt innehat, könnte dies daher für sich genommen nicht ausreichen, um zu dem Schluss zu kommen, dass die Kommission fälschlich vom Missbrauch einer beherrschenden Stellung ausgegangen ist.

(vgl. Randnr. 559)

10.    Bei der Anwendung von Art. 82 EG werden die Wendungen „den Wettbewerb auszuschalten droht“ und „geeignet, jeglichen Wettbewerb auszuschalten“, vom Gemeinschaftsrichter gleichermaßen verwendet, um denselben Gedanken zum Ausdruck zu bringen, dass nämlich Art. 82 EG nicht erst dann Anwendung findet, wenn auf dem Markt kein oder praktisch kein Wettbewerb mehr besteht. Es würde dem Zweck von Art. 82 EG, einen unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt zu erhalten und insbesondere den auf dem relevanten Markt noch bestehenden Wettbewerb zu schützen, klar zuwiderlaufen, wenn die Kommission abwarten müsste, bis die Konkurrenten vom Markt verdrängt wurden oder bis dies hinreichend kurz bevorsteht, bevor sie aufgrund dieser Vorschrift eingreifen könnte.

Im Fall der Weigerung eines Unternehmens in beherrschender Stellung, eine Lizenz auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver zu erteilen, ist die Kommission umso mehr berechtigt, Art. 82 EG vor der völligen Ausschaltung des Wettbewerbs anzuwenden, als dieser Markt durch erhebliche Netzwerkeffekte gekennzeichnet ist und die Ausschaltung des Wettbewerbs daher schwer rückgängig zu machen wäre.

Es muss nicht die Ausschaltung jeglichen Wettbewerbs auf dem Markt nachgewiesen werden. Maßgebend für den Nachweis einer Verletzung von Art. 82 EG ist nämlich, dass die fragliche Weigerung jeglichen wirksamen Wettbewerb auf dem Markt auszuschalten droht oder dazu geeignet ist. Dass die Konkurrenten des beherrschenden Unternehmens in marginaler Weise in bestimmten „Marktnischen“ präsent bleiben, kann nicht ausreichen, um auf die Existenz eines solchen Wettbewerbs zu schließen.

(vgl. Randnrn. 561-563, 593)

11.    Die Tatsache, dass das einem Unternehmen in beherrschender Stellung zur Last gelegte Verhalten das Auftreten eines neuen Produkts auf dem Markt verhindert, ist im Kontext von Art. 82 Abs. 2 Buchst. b EG zu berücksichtigen, der Missbräuche verbietet, die in „der Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung zum Schaden der Verbraucher“ bestehen.

Das Auftreten eines neuen Produkts kann nicht der einzige Parameter sein, anhand dessen geklärt werden kann, ob eine Weigerung, für ein Recht des geistigen Eigentums eine Lizenz zu erteilen, den Verbrauchern im Sinne von Art. 82 Abs. 2 Buchst. b EG schaden kann. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift kann ein solcher Schaden nicht nur bei einer Einschränkung der Erzeugung oder des Absatzes eintreten, sondern auch dann, wenn die technische Entwicklung eingeschränkt wird.

Art. 82 EG zielt nicht nur auf Praktiken ab, durch die die Verbraucher unmittelbar geschädigt werden können, sondern auch auf Verhaltensweisen, die ihnen mittelbar durch einen Eingriff in eine Struktur wirksamen Wettbewerbs Schaden zufügen.

(vgl. Randnrn. 643, 647, 664)

12.    Die Kommission trägt zwar die Beweislast für das Vorliegen der Umstände, aus denen sich ein Verstoß gegen Art. 82 EG ergibt; es ist jedoch Sache des betroffenen beherrschenden Unternehmens und nicht der Kommission, vor dem Ende des Verwaltungsverfahrens gegebenenfalls eine etwaige objektive Rechtfertigung geltend zu machen und dafür Argumente und Beweise vorzubringen. Dann hat die Kommission, wenn sie einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung feststellen will, darzutun, dass die von dem Unternehmen vorgebrachten Argumente und Beweise nicht stichhaltig sind und dass folglich die geltend gemachte Rechtfertigung nicht durchgreifen kann.

Die bloße Tatsache, dass ein Produkt durch Rechte des geistigen Eigentums geschützt wird, kann keine objektive Rechtfertigung für die Weigerung darstellen, eine Lizenz zu erteilen. Könnte nämlich das bloße Innehaben von Rechten des geistigen Eigentums für sich genommen eine objektive Rechtfertigung für eine solche Weigerung sein, so wäre die in der Rechtsprechung ausgearbeitete Ausnahme nie anwendbar.

Es ist daher Sache eines Unternehmens in beherrschender Stellung, das geltend macht, wenn es Dritten Zugang zu einer durch Rechte des geistigen Eigentums geschützten Technologie gewähren würde, hätte dies erhebliche negative Auswirkungen auf seine Innovationsanreize, dafür den Nachweis zu erbringen.

(vgl. Randnrn. 688-690, 697, 1144)

13.    Der Vorrang der von der Gemeinschaft geschlossenen völkerrechtlichen Verträge vor den Bestimmungen des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts gebietet es, Letztere nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit diesen Verträgen auszulegen. Dieser Grundsatz konformer Auslegung kommt nur dann zur Anwendung, wenn ein völkerrechtlicher Vertrag Vorrang vor den Bestimmungen des einschlägigen Gemeinschaftsrechts hat. Da ein völkerrechtlicher Vertrag wie das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) keinen Vorrang vor dem Primärrecht der Gemeinschaft hat, kann dieser Grundsatz nicht zur Anwendung kommen, wenn die auszulegende Bestimmung Art. 82 EG ist.

Außerdem hat die Kommission in einem Fall, in dem sie Art. 82 EG auf die konkreten tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten anzuwenden hat und in dem – mangels Gegenbeweises – davon auszugehen ist, dass die Schlussfolgerungen, die sie insoweit gezogen hat, die einzig möglichen Schlussfolgerungen sind, genau genommen keine Wahl zwischen verschiedenen möglichen Auslegungen einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts zu treffen.

(vgl. Randnrn. 797-799)

14.    Ahndet die Kommission eine Verletzung von Art. 82 EG und gibt einem Unternehmen in beherrschender Stellung auf, die „Interoperabilitätsinformationen“ denjenigen Unternehmen zugänglich zu machen, die Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver entwickeln und vertreiben wollen, und ihnen zu gestatten, diese Informationen zu Bedingungen zu nutzen, die „angemessen und frei von Diskriminierungen“ sind, so hindert dies das betreffende Unternehmen nicht daran, die Informationen mittels einer Lizenz zugänglich zu machen, wenn sie sich auf eine Technologie beziehen, die durch ein Patent oder ein anderes Recht des geistigen Eigentums geschützt wird.

Die Tatsache, dass die Bedingungen etwaiger Lizenzen angemessen und frei von Diskriminierungen sein müssen, bedeutet nicht, dass das Unternehmen in beherrschender Stellung jedem Unternehmen, das solche Lizenzen erhalten möchte, genau die gleichen Bedingungen auferlegen muss. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, diese Bedingungen der besonderen Situation jedes Unternehmens anzupassen und z. B. vom Umfang der gewünschten Informationen oder von der Art der Produkte abhängig zu machen, in denen sie implementiert werden sollen.

(vgl. Randnrn. 808, 810-811)

15.    Bei der Entscheidung darüber, ob das Verhalten eines Unternehmens in beherrschender Stellung ein missbräuchliches Kopplungsgeschäft darstellt, ist die Kommission berechtigt, sich auf folgende vier Kriterien zu stützen: Erstens handelt es sich bei dem Kopplungsprodukt und dem daran gekoppelten Produkt um zwei gesonderte Produkte, zweitens verfügt das betreffende Unternehmen auf dem Markt für das Kopplungsprodukt über eine beherrschende Stellung, drittens gibt das genannte Unternehmen den Verbrauchern nicht die Möglichkeit, das Kopplungsprodukt ohne das daran gekoppelte Produkt zu beziehen, und viertens wird durch die fragliche Praxis der Wettbewerb eingeschränkt. Die Kommission berücksichtigt zudem, dass das Kopplungsgeschäft objektiv nicht gerechtfertigt war.

Eine solche Rechtfertigung kann nicht aus den Vorteilen abgeleitet werden, die sich daraus ergeben würden, dass ein Kopplungsgeschäft das einheitliche Vorhandensein eines Produkts auf dem Markt garantieren würde. Dieses Ergebnis darf nämlich nicht einseitig von einem Unternehmen in beherrschender Stellung durch Kopplungsgeschäfte aufgezwungen werden.

Da die Aufzählung der missbräuchlichen Verhaltensweisen in Art. 82 EG nicht abschließend ist, kann ein Kopplungsgeschäft eines Unternehmens in beherrschender Stellung auch dann gegen Art. 82 EG verstoßen, wenn es nicht dem in Art. 82 Abs. 2 Buchst. d EG aufgeführten Beispiel entspricht. Die Kommission ist daher berechtigt, ihrer Feststellung, dass ein missbräuchliches Kopplungsgeschäft vorliege, Art. 82 EG insgesamt und nicht nur Art. 82 Abs. 2 Buchst. d EG zugrunde zu legen.

(vgl. Randnrn. 842-843, 852, 859-861, 1151-1152)

16.    Die Frage, ob gesonderte Produkte vorliegen, ist im Rahmen einer Prüfung nach Art. 82 EG unter Berücksichtigung der Verbrauchernachfrage zu beurteilen. Dabei kann weder von gesonderten Produkten noch von einem missbräuchlichen Kopplungsgeschäft die Rede sein, wenn es an einer eigenständigen Nachfrage nach dem mutmaßlich gekoppelten Produkt fehlt.

Komplementäre Produkte können gesonderte Produkte im Sinne des Art. 82 EG darstellen.

Der Umstand, dass auf dem Markt unabhängige, auf die Herstellung und den Verkauf des gekoppelten Produkts spezialisierte Unternehmen tätig sind, ist ein wichtiges Indiz dafür, dass ein gesonderter Markt für dieses Produkt besteht.

Der Umstand, dass ein Kopplungsgeschäft in Form einer technischen Integration eines Produkts in ein anderes erfolgt, hat nicht zur Folge, dass die Integration bei der Beurteilung ihrer Auswirkung auf den Markt nicht als Kopplungsverkauf zweier gesonderter Produkte eingestuft werden kann.

Überdies kann ein Kopplungsverkauf von zwei Erzeugnissen auch dann, wenn er dem Handelsbrauch entspricht oder wenn zwischen diesen beiden Erzeugnissen sachlich eine Beziehung besteht, einen Missbrauch im Sinne von Art. 82 EG darstellen, es sei denn, dass er objektiv gerechtfertigt ist.

Betriebssysteme für Client-PCs und Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten stellen angesichts des Wesens und der technischen Merkmale der betreffenden Produkte, der Marktbeobachtungen, der Entwicklungsgeschichte der Produkte sowie der Handelspraxis des Unternehmens in beherrschender Stellung auf dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs zwei gesonderte Produkte im Sinne von Art. 82 EG dar.

(vgl. Randnrn. 917-918, 921-922, 925, 927, 933, 935, 942, 1341)

17.    In Bezug auf Kopplungsgeschäfte ergibt sich weder aus Art. 82 Abs. 2 Buchst. d EG noch aus der Rechtsprechung, dass nur dann, wenn die Verbraucher für das gekoppelte Produkt ein bestimmtes Entgelt zahlen müssen, davon ausgegangen werden kann, dass ihnen zusätzliche Leistungen im Sinne der genannten Vorschrift aufgedrängt werden.

Im Übrigen verlangt weder Art. 82 Abs. 2 Buchst. d EG noch die Rechtsprechung zu Kopplungsgeschäften, dass die Voraussetzung der Abhängigkeit des Abschlusses von Verträgen von der Annahme zusätzlicher Leistungen nur dann als erfüllt angesehen werden darf, wenn die Verbraucher gezwungen sind, das gekoppelte Produkt zu nutzen, oder gehindert sind, das von einem Konkurrenten des beherrschenden Unternehmens gelieferte Produkt zu nutzen.

(vgl. Randnrn. 969-970)

18.    Zwar enthält weder Art. 82 Abs. 2 Buchst. d EG noch Art. 82 EG allgemein eine Bezugnahme auf die wettbewerbswidrige Wirkung der betreffenden Vorgehensweise, doch wird eine Verhaltensweise grundsätzlich nur dann als missbräuchlich angesehen, wenn sie den Wettbewerb beschränken kann.

Im Rahmen der Anwendung von Art. 82 EG auf Kopplungsgeschäfte kann die Kommission die konkreten Auswirkungen eines Kopplungsgeschäfts auf dem Markt sowie dessen mutmaßliche weitere Entwicklung untersuchen, statt sich – wie sonst normalerweise in den Fällen missbräuchlicher Kopplungsgeschäfte – auf die Erwägung zu beschränken, dass das genannte Kopplungsgeschäft per se eine Ausschlusswirkung auf dem Markt entfaltet; dies bedeutet nicht, dass sie eine neue Rechtstheorie angewandt hat.

Bündelt ein Unternehmen, das auf dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs eine beherrschende Stellung einnimmt, ein Medienabspielprogramm mit Datenstrom-Kapazitäten mit dem Betriebssystem für Client-PCs – das auf den meisten weltweit verkauften Client-PCs vorinstalliert ist –, ohne dass Ersteres von Letzterem getrennt werden kann, so kommt dem Medienabspielprogramm die Omnipräsenz des genannten Betriebssystems bei Client-PCs zugute, die die anderen Vertriebswege der Medienabspielprogramme nicht ausgleichen können. Das Kopplungsgeschäft verschafft dem Medienabspielprogramm damit weltweit eine beispiellose Präsenz auf den Client-PCs, weil es automatisch einen dem Betriebssystem für Client-PCs des Unternehmens in beherrschender Stellung entsprechenden Grad der Marktdurchdringung erreichen kann, ohne mit den konkurrierenden Produkten in einen Leistungswettbewerb treten zu müssen. Ein solches Kopplungsgeschäft kann zudem nicht unerheblichen Einfluss auf die Inhalteanbieter und die Softwareentwickler haben, da der Markt der Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten durch bedeutende mittelbare Netzwerkeffekte gekennzeichnet ist.

(vgl. Randnrn. 867, 1035-1036, 1038, 1058, 1060-1061)

19.    Art. 82 EG zielt darauf ab, einem beherrschenden Unternehmen zu verbieten, seine eigene Stellung zu stärken, indem es zu anderen Mitteln als denjenigen eines Leistungswettbewerbs greift.

(vgl. Randnr. 1070)

20.    Die Übereinkünfte der Welthandelsorganisation (WTO) gehören wegen ihrer Natur und ihrer Struktur grundsätzlich nicht zu den Vorschriften, an denen der Gemeinschaftsrichter die Rechtmäßigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane misst. Nur wenn die Gemeinschaft eine bestimmte, im Rahmen der WTO übernommene Verpflichtung erfüllen wollte oder wenn die Gemeinschaftshandlung ausdrücklich auf konkrete Bestimmungen der WTO-Übereinkünfte verweist, ist es Sache des Gemeinschaftsrichters, die Rechtmäßigkeit der fraglichen Gemeinschaftshandlung an den Vorschriften der WTO zu messen.

Jedenfalls lässt sich den Bestimmungen des Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) nichts entnehmen, das die Wettbewerbsbehörden der WTO-Mitglieder an der Anordnung von Abhilfemaßnahmen hindern würde, die die Verwertung von Rechten des geistigen Eigentums eines Unternehmens in beherrschender Stellung beschränken oder regeln, wenn es diese Rechte in wettbewerbswidriger Weise ausübt. So ergibt sich aus Art. 40 Abs. 2 des TRIPS-Übereinkommens ausdrücklich, dass die WTO-Mitglieder den Missbrauch solcher Rechte regeln dürfen, um nachteilige Auswirkungen auf den Wettbewerb zu vermeiden.

(vgl. Randnrn. 801-802, 1189-1190, 1192)

21.    Stellt die Kommission in einer Entscheidung fest, dass ein Unternehmen gegen Art. 82 EG verstoßen hat, so hat dieses Unternehmen unverzüglich alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sein Verhalten mit dieser Vorschrift in Einklang zu bringen, und zwar auch dann, wenn die Kommission in ihrer Entscheidung keine spezifischen Maßnahmen vorgeschrieben hat. Sind in der Entscheidung Abhilfemaßnahmen vorgesehen, so ist das betreffende Unternehmen verpflichtet, diese Maßnahmen – unter Übernahme aller damit verbundenen Kosten – umzusetzen, da ihm andernfalls Zwangsgelder nach Art. 16 der Verordnung Nr. 17 auferlegt werden können.

Die Kommission darf die ihr durch die Verordnung Nr. 17 verliehenen Ermittlungs- und Durchführungsbefugnisse nicht auf einen Dritten übertragen. Dagegen darf sie überwachen, ob das betreffende Unternehmen die in einer Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird, angeordneten Abhilfemaßnahmen durchführt, und sich vergewissern, dass die übrigen zur Beseitigung der wettbewerbswidrigen Auswirkungen der Zuwiderhandlung erforderlichen Maßnahmen unverzüglich und vollständig durchgeführt werden. Zu diesem Zweck ist sie berechtigt, von den Untersuchungsbefugnissen nach Art. 14 der Verordnung Nr. 17 Gebrauch zu machen und gegebenenfalls einen externen Sachverständigen hinzuzuziehen, um u. a. Aufschluss über technische Fragen zu erhalten.

Zudem kann die Kommission, wenn sie beschließt, sich von einem externen Sachverständigen unterstützen zu lassen, diesem Informationen und Dokumente übermitteln, die sie im Rahmen der Ausübung ihrer Untersuchungsbefugnisse nach Art. 14 der Verordnung Nr. 17 erlangt hat.

Mit der Schaffung eines Überwachungsmechanismus, zu dem die Einsetzung eines unabhängigen Überwachungsbeauftragten gehört, der aus eigener Initiative und auf Ersuchen Dritter tätig werden soll, dessen Rolle sich nicht darauf beschränkt, dem betreffenden Unternehmen Fragen zu stellen und der Kommission über die Antworten zu berichten, und der zeitlich unbeschränkt Zugang zu Informationen, Unterlagen, den Geschäftsräumen und den Mitarbeitern sowie zum Quellcode der einschlägigen Produkte hat, geht die Kommission viel weiter, als wenn sie ihren eigenen externen Sachverständigen einsetzt, um sich bei einer Überprüfung der Umsetzung von Abhilfemaßnahmen von ihm beraten zu lassen.

Überdies enthält die Verordnung Nr. 17 keine Bestimmung, die die Kommission dazu berechtigt, den Unternehmen die Kosten aufzuerlegen, die ihr selbst durch die Überwachung der Umsetzung von Abhilfemaßnahmen entstehen.

Die Kommission hat nämlich in ihrer Eigenschaft als mit der Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft betraute Behörde in unabhängiger, objektiver und unparteiischer Weise für die Umsetzung der Entscheidungen zu sorgen, mit denen eine Zuwiderhandlung festgestellt wird. Es wäre mit der Verantwortung, die sie insoweit trägt, unvereinbar, wenn die wirksame Umsetzung des Gemeinschaftsrechts davon abhängig wäre oder beeinflusst würde, ob das Unternehmen, an das sich die Entscheidung richtet, zur Tragung solcher Kosten gewillt und fähig ist.

Zudem ist das Ermessen der Kommission bei der Entscheidung über Abhilfemaßnahmen, die Unternehmen auferlegt werden, damit sie eine Zuwiderhandlung beenden, nicht unbegrenzt. Im Rahmen der Anwendung von Art. 3 der Verordnung Nr. 17 verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Belastungen, die den Unternehmen auferlegt werden, damit sie eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht beenden, nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung des angestrebten Ziels – Wiederherstellung der Legalität im Hinblick auf die verletzten Vorschriften – angemessen und erforderlich ist.

(vgl. Randnrn. 1256, 1264-1266, 1268-1270, 1274-1276)

22.    Im Fall eines Unternehmens, das seine beherrschende Stellung in zweifacher Weise missbraucht hat, darf die Kommission, wenn sie im Rahmen der Bußgeldbemessung die Schwere der Zuwiderhandlung beurteilt, berücksichtigen, dass diese beiden Missbräuche Teil einer Hebelstrategie sind, die darauf abzielt, die beherrschende Stellung auf einem Produktmarkt zu nutzen, um sie auf andere benachbarte Märkte auszudehnen.

Ferner kann die Kommission in einem solchen Fall einen einzigen Ausgangsbetrag der Geldbuße für beide Missbräuche festlegen, ohne dass sie erläutern muss, wie er sich auf die beiden Missbräuche verteilt.

Aus der Begründungspflicht folgt nicht, dass die Kommission in ihrer Entscheidung bezifferte Angaben zur Berechnungsweise der Geldbußen machen muss.

Die Kommission darf zur Gewährleistung einer hinreichenden Abschreckungswirkung der Geldbuße und in Anbetracht der erheblichen Wirtschaftskraft des Unternehmens in beherrschender Stellung einen Multiplikator auf diesen Ausgangsbetrag anwenden. Dabei kann berücksichtigt werden, dass die Gefahr besteht, dass das Unternehmen künftig eine gleichartige Zuwiderhandlung mit anderen Produkten begehen wird.

(vgl. Randnrn. 1344, 1352, 1360-1361, 1363)







URTEIL DES GERICHTS (Große Kammer)

17. September 2007(*)

„Wettbewerb – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Betriebssysteme für Client-PCs – Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver – Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten – Entscheidung, mit der Zuwiderhandlungen gegen Art. 82 EG festgestellt werden – Weigerung des marktbeherrschenden Unternehmens, Interoperabilitätsinformationen zu liefern und ihre Nutzung zu gestatten – Vom marktbeherrschenden Unternehmen vorgenommene Kopplung der Lieferung seines Betriebssystems für Client-PCs an den gleichzeitigen Erwerb seines Medienabspielprogramms – Abhilfemaßnahmen – Einsetzung eines unabhängigen Überwachungsbeauftragten – Geldbuße – Festsetzung der Höhe – Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache T‑201/04

Microsoft Corp. mit Sitz in Redmond, Washington (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt J.‑F. Bellis und I. Forrester, QC,

Klägerin,

unterstützt durch

The Computing Technology Industry Association, Inc., mit Sitz in Oakbrook Terrace, Illinois (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte G. van Gerven und T. Franchoo sowie B. Kilpatrick, Solicitor,

DMDsecure.com BV mit Sitz in Amsterdam (Niederlande),

MPS Broadband AB mit Sitz in Stockholm (Schweden),

Pace Micro Technology plc mit Sitz in Shipley, West Yorkshire (Vereinigtes Königreich),

Quantel Ltd mit Sitz in Newbury, Berkshire (Vereinigtes Königreich),

Tandberg Television Ltd mit Sitz in Southampton, Hampshire (Vereinigtes Königreich),

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt J. Bourgeois,

Association for Competitive Technology, Inc., mit Sitz in Washington, DC (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte L. Ruessmann und P. Hecker sowie K. Bacon, Barrister,

TeamSystem SpA mit Sitz in Pesaro (Italien),

Mamut ASA mit Sitz in Oslo (Norwegen),

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt G. Berrisch,

Exor AB mit Sitz in Uppsala (Schweden), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S. Martínez Lage, H. Brokelmann und R. Allendesalazar Corcho,

Streithelferinnen,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, zunächst vertreten durch R. Wainwright, F. Castillo de la Torre, P. Hellström und A. Whelan als Bevollmächtigte, dann durch F. Castillo de la Torre, P. Hellström und A. Whelan,

Beklagte,

unterstützt durch

Software & Information Industry Association mit Sitz in Washington, DC, Prozessbevollmächtigte: J. Flynn QC, C. Simpson, und T. Vinje, Solicitors, sowie Rechtsanwälte D. Paemen, N. Dodoo und M. Dolmans,

Free Software Foundation Europe e. V. mit Sitz in Hamburg (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt C. Piana,

Audiobanner.com mit Sitz in Los Angeles, Kalifornien (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt L. Alvizar Ceballos,

European Committee for Interoperable Systems (ECIS) mit Sitz in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte D. Paemen, N. Dodoo und M. Dolmans sowie J. Flynn, QC,

Streithelfer,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2007/53/EG der Kommission vom 24. März 2004 in einem Verfahren gemäß Artikel 82 [EG] und Artikel 54 EWR-Abkommen gegen die Microsoft Corp. in der Sache COMP/C‑3/37.792 – Microsoft (ABl. 2007, L 32, S. 23), hilfsweise wegen Nichtigerklärung oder Herabsetzung der in dieser Entscheidung gegen die Klägerin verhängten Geldbuße,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten B. Vesterdorf, der Richter M. Jaeger, J. Pirrung und R. García‑Valdecasas, der Richterin V. Tiili, der Richter J. Azizi, J. D. Cooke, A. W. H. Meij und N. J. Forwood, der Richterinnen E. Martins Ribeiro und I. Wiszniewska-Białecka, des Richters V. Vadapalas und der Richterin I. Labucka,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24., 25., 26., 27. und 28. April 2006

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Microsoft Corp, eine Gesellschaft mit Sitz in Redmond, Washington (Vereinigte Staaten), entwirft, entwickelt und vermarktet ein breites Spektrum von Software-Produkten für verschiedene Arten von EDV-Geräten. Zu diesen Produkten gehören u. a. Betriebssysteme für Personalcomputer von Endnutzern (im Folgenden: Client-PCs), Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver und Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten. Microsoft stellt auch technische Unterstützungsleistungen für ihre verschiedenen Produkte zur Verfügung.

2        Am 15. September 1998 richtete Herr Green, Vizepräsident der Sun Microsystems, Inc. (im Folgenden: Sun), einer Gesellschaft mit Sitz in Palo Alto, Kalifornien (Vereinigte Staaten), die insbesondere Server und Server-Betriebssysteme liefert, an Herrn Maritz, Vizepräsident von Microsoft, folgendes Schreiben:

„Ich schreibe Ihnen, um Sie zu ersuchen, dass Microsoft [Sun] alle Informationen zur Verfügung stellt, die nötig sind, um es [Sun] zu ermöglichen, native Unterstützung für COM-Objekte unter Solaris zu leisten.

Ferner ersuchen wir darum, dass Microsoft [Sun] alle Informationen zur Verfügung stellt, die nötig sind, um es [Sun] zu ermöglichen, native Unterstützung für das gesamte Spektrum von Active-Directory-Technologien unter Solaris zu leisten.

Wir glauben, dass den Brancheninteressen am besten gedient ist, wenn Anwendungen, die unter Solaris laufen sollen, nahtlos über COM und/oder Active Directory mit den Windows-Betriebssystemen und/oder mit Software, die auf Windows basiert, kommunizieren können.

Wir sind der Auffassung, dass Microsoft eine Referenzimplementierung sowie alle sonstigen Informationen beifügen sollte, die erforderlich sind, um – ohne Reverse Engineering – sicherzustellen, dass COM-Objekte und das gesamte Spektrum von Active-Directory-Technologien unter Solaris in vollständig kompatibler Weise laufen. Wir halten es für erforderlich, dass diese Informationen für sämtliche COM-Objekte sowie für das gesamte Spektrum von Active-Directory-Technologien geliefert werden, die gegenwärtig auf dem Markt sind. Darüber hinaus halten wir es für erforderlich, dass entsprechende Informationen über COM-Objekte und Active-Directory-Technologien, die künftig auf den Markt gebracht werden sollen, rechtzeitig und kontinuierlich zur Verfügung gestellt werden.“

3        Dieses Schreiben wird nachfolgend als „Schreiben vom 15. September 1998“ bezeichnet.

4        Herr Maritz antwortete auf das Schreiben vom 15. September 1998 mit Schreiben vom 6. Oktober 1998. Darin führte er aus:

„Vielen Dank für Ihr Interesse, mit Windows zu arbeiten. Wir haben einige gemeinsame Kunden, die unsere Produkte verwenden, und ich finde es großartig, dass Sie daran interessiert sind, Ihr System für die Interoperation mit Windows zu öffnen. Microsoft war stets bestrebt, den Software-Entwicklern – einschließlich [ihrer] Konkurrenten – zu helfen, für [ihre] Plattform bestmögliche Produkte und Interoperabilität zu schaffen.

Ihnen ist vielleicht nicht bewusst, dass die von Ihnen verlangten Informationen über die Art und Weise der Interoperation mit COM und den Active-Directory-Technologien bereits veröffentlicht wurden und Ihnen und jedem anderen Software-Entwickler weltweit über das Produkt ‚Microsoft Developer Network (MSDN) Universal‘ zur Verfügung stehen. MSDN enthält umfassende Informationen über die Dienste und Schnittstellen der Windows-Plattform und ist eine hervorragende Informationsquelle für Entwickler, die für Windows schreiben oder mit Windows interoperieren möchten. [Sun] verfügt im Übrigen derzeit über 32 aktive Lizenzen für das Abonnement von MSDN Universal. Überdies nehme ich an, dass Sie – wie es Ihr Unternehmen in der Vergangenheit getan hat – etliche Personen zu unserer Konferenz für professionelle Entwickler entsenden werden, die vom 11. bis 15. Oktober 1998 in Denver stattfindet. Dies wird ein weiterer Ort sein, um die technischen Informationen zu erhalten, die Sie für die Arbeit mit unseren Systemtechnologien haben möchten. Einige der 23 Mitarbeiter von [Sun], die im vergangenen Jahr an der Konferenz teilnahmen, sollten in der Lage sein, Ihnen nähere Angaben zur Qualität und Profundität der bei diesen Konferenzen für professionelle Entwickler erörterten Informationen zu machen.

Es wird Sie freuen, zu erfahren, dass es bereits eine Referenzimplementierung von COM unter Solaris gibt. Diese Implementierung von COM unter Solaris ist ein bei Microsoft erhältliches, umfassend unterstütztes Binärprodukt. Für den Quellcode von COM kann an anderer Stelle, u. a. bei der Software AG, eine Lizenz erworben werden. …

Was Active Directory angeht, so haben wir keine Pläne, [es] nach Solaris zu ‚portieren‘. Um unsere gemeinsamen Kunden zufriedenzustellen, gibt es jedoch zahlreiche Methoden – mit variierendem Funktionalitätsumfang – für eine Interoperation mit Active Directory. Sie können z. B. das Standard-LDAP verwenden, um von Solaris aus Zugang zum Active Directory des Windows NT Servers zu erlangen.

Sollten Sie nach der Teilnahme [an der Konferenz für professionelle Entwickler] und dem Studium aller öffentlich zugänglichen MSDN-Inhalte weitere Unterstützung benötigen, so gehören unserer ‚Developer Relations Group‘ ‚Account Manager‘ an, die bestrebt sind, den Entwicklern zu helfen, die zusätzliche Unterstützung für die Microsoft-Plattformen benötigen. Ich habe Marshall Goldberg, den Leitenden Programmmanager, gebeten, Ihnen bei Bedarf zur Verfügung zu stehen …“

5        Das Schreiben von Herrn Maritz vom 6. Oktober 1998 wird nachfolgend als „Schreiben vom 6. Oktober 1998“ bezeichnet.

6        Am 10. Dezember 1998 legte Sun bei der Kommission eine Beschwerde gemäß Art. 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), ein.

7        In ihrer Beschwerde rügte Sun, dass sich Microsoft geweigert habe, ihr die erforderlichen Informationen und die nötige Technologie zu übermitteln, um die Interoperabilität ihrer Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver mit dem Windows-Betriebssystem für Client-PCs zu ermöglichen.

8        Am 2. August 2000 sandte die Kommission an Microsoft eine erste Mitteilung der Beschwerdepunkte (im Folgenden: erste Mitteilung der Beschwerdepunkte). Sie betraf im Wesentlichen Fragen der Interoperabilität zwischen den Windows-Betriebssystemen für Client-PCs und den Server-Betriebssystemen anderer Anbieter (Client/Server-Interoperabilität).

9        Microsoft antwortete am 17. November 2000 auf die erste Mitteilung der Beschwerdepunkte.

10      In der Zwischenzeit – im Februar 2000 – hatte die Kommission von Amts wegen eine Untersuchung eingeleitet, die speziell die Generation Windows 2000 der Betriebssysteme für Client-PCs und für Arbeitsgruppenserver von Microsoft und die Integration des Medienabspielprogramms Windows Media Player durch Microsoft in ihr Windows-Betriebssystem für Client-PCs betraf. Das Betriebssystem der Reihe Windows 2000 für Client-PCs war für professionelle Nutzer bestimmt und trug den Namen „Windows 2000 Professional“. Bei den Server-Betriebssystemen dieser Reihe gab es folgende drei Versionen: Windows 2000 Server, Windows 2000 Advanced Server und Windows 2000 Datacenter Server.

11      Infolge dieser Untersuchung sandte die Kommission am 29. August 2001 eine zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte an Microsoft (im Folgenden: zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte). Darin wiederholte die Kommission ihre früheren Beschwerdepunkte hinsichtlich der Client/Server-Interoperabilität. Sie griff ferner bestimmte Fragen zur Interoperabilität zwischen Arbeitsgruppenservern (Server/Server-Interoperabilität) auf. Schließlich wies sie auf bestimmte Fragen hin, die die Integration des Medienabspielprogramms Windows Media Player in das Windows-Betriebssystem für Client-PCs betrafen.

12      Microsoft antwortete am 16. November 2001 auf die zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte.

13      Im Dezember 2001 übermittelte sie der Kommission einen Bericht über die Ergebnisse und die Analyse einer von Mercer Management Consulting (im Folgenden: Mercer) durchgeführten Umfrage.

14      Von April bis Juni 2003 nahm die Kommission eine umfangreiche Marktuntersuchung vor, wobei sie an mehrere Gesellschaften und Vereinigungen eine Reihe von Auskunftsverlangen nach Art. 11 der Verordnung Nr. 17 richtete (im Folgenden: Marktuntersuchung von 2003).

15      Am 6. August 2003 sandte die Kommission an Microsoft eine dritte Mitteilung der Beschwerdepunkte, die die beiden vorhergehenden Mitteilungen ergänzen sollte, und machte Angaben zu den von ihr in Betracht gezogenen Abhilfemaßnahmen (im Folgenden: dritte Mitteilung der Beschwerdepunkte).

16      Mit Schreiben vom 17. Oktober 2003 antwortete Microsoft auf die dritte Mitteilung der Beschwerdepunkte.

17      Am 31. Oktober 2003 übermittelte sie der Kommission einen Bericht über die Ergebnisse und die Analyse von zwei ergänzenden Umfragen von Mercer.

18      Am 12., 13. und 14. November 2003 führte die Kommission eine Anhörung durch.

19      Am 1. Dezember 2003 legte Microsoft eine ergänzende Stellungnahme zur dritten Mitteilung der Beschwerdepunkte vor.

20      Am 24. März 2004 erließ die Kommission die Entscheidung 2007/53/EG in einem Verfahren gemäß Artikel 82 [EG] und Artikel 54 EWR-Abkommen gegen die Microsoft Corp. in der Sache COMP/C‑3/37.792 – Microsoft (ABl. 2007, L 32, S. 23, im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Angefochtene Entscheidung

21      In der angefochtenen Entscheidung heißt es, Microsoft habe durch den Missbrauch einer beherrschenden Stellung in zwei Fällen gegen Art. 82 EG und Art. 54 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verstoßen.

22      Die Kommission stellte in einem ersten Schritt drei gesonderte weltweite Produktmärkte fest und vertrat die Auffassung, dass Microsoft auf zweien dieser Märkte eine beherrschende Stellung einnehme. In einem zweiten Schritt stellte sie zwei missbräuchliche Verhaltensweisen von Microsoft fest. Sie verhängte daher eine Geldbuße gegen Microsoft und ordnete bestimmte Abhilfemaßnahmen an.

I –  Relevante Produktmärkte und räumlich relevanter Markt

23      In der angefochtenen Entscheidung sind drei verschiedene Produktmärkte aufgeführt, und zwar die Märkte der Betriebssysteme für Client‑PCs (Randnrn. 324 bis 342), der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver (Randnrn. 343 bis 401) und der Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten (Randnrn. 402 bis 425).

24      Der erste in der angefochtenen Entscheidung aufgeführte Markt ist der Markt der Betriebssysteme für Client‑PCs. Betriebssysteme werden dort definiert als „Systemprogramme“, die die Grundfunktionen eines Rechners steuern und es dem Benutzer ermöglichen, sich dieses Rechners zu bedienen und darauf Anwendungsprogramme auszuführen (Randnr. 37). Client-PCs werden definiert als netzwerkfähige Multifunktionsrechner für die Nutzung durch jeweils nur eine Person (Randnr. 45).

25      In Bezug auf den zweiten Markt werden in der angefochtenen Entscheidung die Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver definiert als Betriebssysteme, die entwickelt wurden und vertrieben werden, um „grundlegende Infrastrukturdienste“ gemeinsam für eine relativ kleine Zahl von Client-PCs zu erbringen, die an ein kleines oder mittelgroßes Netzwerk angeschlossen sind (Randnrn. 53 und 345).

26      In der angefochtenen Entscheidung werden speziell drei Arten von Diensten angeführt, und zwar erstens die gemeinsame Nutzung von auf Servern gespeicherten Dateien, zweitens die gemeinsame Nutzung von Druckern und drittens die Verwaltung von Gruppen und Nutzern, d. h. die Verwaltung ihrer Zugriffsmodalitäten auf die Netzwerkdienste (Randnrn. 53 und 345). Die letztgenannten Dienste sollten insbesondere einen sicheren Zugang zu den Netzwerkressourcen und deren Nutzung gewährleisten, indem u. a. zunächst die Nutzer authentifiziert würden und dann ihre Befugnis zur Durchführung einer bestimmten Aktion geprüft werde (Randnr. 54). Weiter heißt es in der angefochtenen Entscheidung, zur effizienten Speicherung und Abfrage der Informationen über die Verwaltung von Gruppen und Nutzern stützten sich die Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver im Allgemeinen auf „Verzeichnisdienst“-Technologien (Randnr. 55). Der im Betriebssystem Windows 2000 Server von Microsoft enthaltene Verzeichnisdienst nennt sich „Active Directory“ (Randnr. 149).

27      Nach den Angaben in der angefochtenen Entscheidung sind die drei vorstehend genannten Arten von Diensten innerhalb der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver eng miteinander verwoben. Sie ließen sich weitgehend als „ein und derselbe Dienst“ aus zwei verschiedenen Perspektiven begreifen, nämlich derjenigen des Nutzers (Datei- und Druckdienste) und derjenigen des Netzverwalters (Dienste für die Verwaltung von Gruppen und Nutzern) (Randnr. 56). In der angefochtenen Entscheidung werden diese verschiedenen Dienste als „Arbeitsgruppendienste“ bezeichnet.

28      Der dritte in der angefochtenen Entscheidung aufgeführte Markt ist der Markt der Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten. Medienabspielprogramme werden definiert als Softwareprodukte, die Ton- und Bildinhalte im Digitalformat lesen, d. h., die entsprechenden Daten entschlüsseln und in Befehle für die Hardware (z. B. Lautsprecher oder Bildschirm) übersetzen können (Randnr. 60). Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten können Ton- und Bildinhalte lesen, die kontinuierlich über das Internet verbreitet werden (Randnr. 63).

29      Zum räumlich relevanten Markt stellt die Kommission in der angefochtenen Entscheidung fest, dass es sich, wie oben in Randnr. 22 angegeben, bei jedem der drei aufgeführten Produktmärkte um den Weltmarkt handele (Randnr. 427).

II –  Beherrschende Stellung

30      In der angefochtenen Entscheidung vertritt die Kommission die Ansicht, dass Microsoft auf dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs mindestens seit 1996 und auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver seit 2002 eine beherrschende Stellung innehabe (Randnrn. 429 bis 541).

31      In Bezug auf den Markt der Betriebssysteme für Client-PCs stützt sich die Kommission dabei im Wesentlichen auf folgende Gesichtspunkte:

–        Die Marktanteile von Microsoft lägen bei über 90 % (Randnrn. 430 bis 435).

–        Die Marktmacht von Microsoft sei von „anhaltender Stabilität und Kontinuität“ (Randnr. 436).

–        Aufgrund indirekter Netzwerkeffekte gebe es erhebliche Zutrittsschranken zu diesem Markt (Randnrn. 448 bis 464).

–        Die indirekten Netzwerkeffekte hingen damit zusammen, dass die Verbraucher Plattformen schätzten, auf denen sie viele Anwendungen nutzen könnten, und damit, dass die Softwareentwickler Anwendungen für die bei den Verbrauchern beliebtesten Betriebssystemen für Client-PCs schrieben (Randnrn. 449 und 450).

32      In Randnr. 472 fügt die Kommission hinzu, diese beherrschende Stellung weise insofern „außergewöhnliche Merkmale“ auf, als Windows nicht nur ein beherrschendes Erzeugnis auf dem Markt der Client-PC‑Betriebssysteme sei, sondern zudem der „De-facto-Standard“ für diese Systeme.

33      In Bezug auf den Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver führt die Kommission im Wesentlichen folgende Gesichtspunkte an:

–        Der Marktanteil von Microsoft betrage bei vorsichtiger Schätzung mindestens 60 % (Randnrn. 473 bis 499).

–        Die drei Hauptkonkurrenten von Microsoft auf diesem Markt nähmen folgende Position ein: Novell mit ihrer Software NetWare habe einen Anteil von 10 % bis 25 % und die Anbieter von Linux- und UNIX-Produkten hätten jeweils einen Anteil von 5 % bis 15 % (Randnrn. 503, 507 und 512).

–        Der Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver sei durch erhebliche Marktzutrittsschranken gekennzeichnet, die insbesondere auf Netzwerkeffekten und auf der Weigerung von Microsoft beruhten, Informationen über die Interoperabilität offenzulegen (Randnrn. 515 bis 525).

–        Es gebe enge wirtschaftliche und technologische Verbindungen zwischen dem letztgenannten Markt und dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs (Randnrn. 526 bis 540).

34      Linux sei ein „quelloffenes“ Betriebssystem, das unter einer „GNU GPL (General Public Licence)“ vertrieben werde. Genau genommen sei Linux nur eine als „Kernel“ bezeichnete Quellcode-Basis, die eine begrenzte Zahl der Dienste eines Betriebssystems wahrnehme. Es könne aber mit anderer Software zu einem „Linux-Betriebssystem“ verknüpft werden (Randnr. 87). Linux werde u. a. als Grundlage von Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver verwendet (Randnr. 101). So werde es auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver in Verbindung mit der Samba-Software angeboten, die ebenfalls unter der „GNU GPL“-Lizenz vertrieben werde (Randnrn. 506 und 598).

35      Mit dem Begriff „UNIX“ werde eine Reihe von Betriebssystemen mit bestimmten gemeinsamen Merkmalen bezeichnet (Randnr. 42). Sun habe ein auf UNIX basierendes Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver namens „Solaris“ entwickelt (Randnr. 97).

III –  Missbrauch der beherrschenden Stellung

A –  Weigerung, Interoperabilitätsinformationen zu liefern und deren Nutzung zu gestatten

36      Die erste Microsoft zur Last gelegte missbräuchliche Verhaltensweise besteht darin, dass sie sich von Oktober 1998 bis zum Zeitpunkt der Zustellung der angefochtenen Entscheidung geweigert habe, ihren Konkurrenten „Interoperabilitätsinformationen“ zur Verfügung zu stellen und deren Nutzung für die Entwicklung und den Vertrieb von Produkten zu gestatten, die mit Microsoft-Produkten auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver konkurrierten (Art. 2 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung). Dieses Verhalten wird in den Randnrn. 546 bis 791 der Entscheidung beschrieben.

37      „Interoperabilitätsinformationen“ im Sinne der angefochtenen Entscheidung sind die „vollständigen und genauen Spezifikationen für alle Protokolle, die in Windows-Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver implementiert und von Windows-Arbeitsgruppenservern genutzt werden, um den Windows- Arbeitsgruppennetzwerken Daten- und Druckdienste sowie Gruppen- und Nutzerverwaltungsdienste einschließlich der Dienste Windows- Domänenkontrolle, Active Directory und Group Policy zur Verfügung zu stellen“ (Art. 1 Nr. 1 der angefochtenen Entscheidung).

38      Ein „Windows-Arbeitsgruppennetzwerk“ wird definiert als „jede Gruppe von Windows-Client-PCs und Windows-Arbeitsgruppenservern, die über ein Computernetzwerk miteinander verbunden sind“ (Art. 1 Nr. 7 der angefochtenen Entscheidung).

39      Ein „Protokoll“ wird definiert als „ein Regelwerk für die gegenseitige Verbindung und Interaktion zwischen mehreren Windows-Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver und Windows-Client-PC‑Betriebssystemen, die in einem Windows-Arbeitsgruppennetzwerk auf verschiedenen Rechnern installiert sind“ (Art. 1 Nr. 2 der angefochtenen Entscheidung).

40      Die Kommission hebt in der angefochtenen Entscheidung hervor, dass sich die fragliche Weigerung nicht auf Teile des „Quellcode“ von Microsoft beziehe, sondern ausschließlich auf Spezifikationen der betreffenden Protokolle, d. h. auf eine eingehende Beschreibung dessen, was von der fraglichen Software erwartet werde, und nicht auf Implementierungen (im vorliegenden Urteil auch als „Realisierungen“ oder „Umsetzungen“ bezeichnet), mit denen der Code auf dem Rechner umgesetzt werde (Randnrn. 24 und 569). Insbesondere sei „nicht daran gedacht, von Microsoft zu verlangen, das Kopieren von Windows durch Dritte zuzulassen“ (Randnr. 572).

41      Die Kommission ist ferner der Ansicht, die von Microsoft gegenüber Sun ausgesprochene Weigerung sei Teil eines generellen Verhaltensmusters (Randnrn. 573 bis 577). Weiter führt sie aus, das Microsoft zur Last gelegte Verhalten bedeute eine Abkehr vom früheren höheren Lieferniveau (Randnrn. 578 bis 584), drohe den Wettbewerb auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver auszuschalten (Randnrn. 585 bis 692) und wirke sich negativ auf die technische Entwicklung und die Verbraucherinteressen aus (Randnrn. 693 bis 708).

42      Schließlich weist die Kommission das Vorbringen von Microsoft zurück, wonach ihre Weigerung objektiv gerechtfertigt sei (Randnrn. 709 bis 778).

B –  Kopplung des Verkaufs des Windows-Betriebssystems für Client-PCs mit dem des Windows Media Player

43      Die zweite Microsoft zur Last gelegte missbräuchliche Verhaltensweise besteht darin, dass Microsoft von Mai 1999 bis zum Zeitpunkt der Zustellung der angefochtenen Entscheidung die Bereitstellung des Windows-Betriebssystems für Client-PCs vom gleichzeitigen Erwerb des Windows Media Player abhängig gemacht habe (Art. 2 Buchst. b der angefochtenen Entscheidung). Dieses Verhalten wird in den Randnrn. 792 bis 989 beschrieben.

44      Die Kommission vertritt in der angefochtenen Entscheidung die Auffassung, das genannte Verhalten erfülle den Tatbestand eines missbräuchlichen Kopplungsgeschäfts im Sinne von Art. 82 EG (Randnrn. 794 bis 954). Dabei wiederholt sie erstens, dass Microsoft eine beherrschende Stellung auf dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs einnehme (Randnr. 799). Zweitens seien Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten und die Betriebssysteme für Client-PCs gesonderte Produkte (Randnrn. 800 bis 825). Drittens gebe Microsoft den Verbrauchern nicht die Möglichkeit, Windows ohne den Windows Media Player zu kaufen (Randnrn. 826 bis 834). Viertens beeinträchtige das fragliche Kopplungsgeschäft den Wettbewerb auf dem Markt der Medienabspielprogramme (Randnrn. 835 bis 954).

45      Schließlich weist die Kommission das Vorbringen von Microsoft zurück, dass zum einen das fragliche Kopplungsgeschäft Effizienzgewinne mit sich bringe, die die in der angefochtenen Entscheidung festgestellten wettbewerbswidrigen Auswirkungen kompensieren könnten (Randnrn. 955 bis 970), und dass sie zum anderen kein Interesse an „wettbewerbswidrigen“ Kopplungsgeschäften habe (Randnrn. 971 bis 977).

IV –  Geldbuße und Abhilfemaßnahmen

46      Die beiden in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Missbräuche wurden mit einer Geldbuße in Höhe von 497 196 304 Euro geahndet (Art. 3 der angefochtenen Entscheidung).

47      Ferner ist Microsoft nach Art. 4 Abs. 1 der angefochtenen Entscheidung verpflichtet, die in Art. 2 festgestellte Zuwiderhandlung gemäß den Modalitäten der Art. 5 und 6 der Entscheidung zu beenden. Microsoft muss zudem jedes Verhalten unterlassen, das im Zweck oder in der Wirkung dem festgestellten Verhalten gleicht oder vergleichbar ist (Art. 4 Abs. 2 der angefochtenen Entscheidung).

48      Als Abhilfemaßnahme für die in Art. 2 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung festgestellte missbräuchliche Weigerung wird Microsoft in Art. 5 der Entscheidung Folgendes aufgegeben:

„a)      Microsoft … stellt binnen 120 Tagen ab Zustellung [der angefochtenen] Entscheidung allen Unternehmen, die ein Interesse daran haben, Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver zu entwickeln und zu vertreiben, Interoperabilitätsinformationen zur Verfügung und gestattet diesen Unternehmen unter angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen die Nutzung der Interoperabilitätsinformationen für die Entwicklung und den Vertrieb von Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver.

b)      Microsoft … gewährleistet, dass die zur Verfügung gestellten Interoperabilitätsinformationen kontinuierlich und unverzüglich aktualisiert werden.

c)      Microsoft … richtet binnen 120 Tagen ab Zustellung [der angefochtenen] Entscheidung einen Bewertungsmechanismus ein, der es interessierten Unternehmen in praktikabler Weise ermöglicht, sich Kenntnis vom Umfang und den Nutzungsbedingungen der Interoperabilitätsinformationen zu verschaffen; Microsoft … darf angemessene und nicht diskriminierende Bedingungen festlegen, um sicherzustellen, dass der in diesem Rahmen gewährte Zugang zu den Interoperabilitätsinformationen nur zu Bewertungszwecken genutzt wird.

…“

49      Als Abhilfemaßnahme für das in Art. 2 Buchst. b der angefochtenen Entscheidung festgestellte missbräuchliche Kopplungsgeschäft wird Microsoft in Art. 6 der Entscheidung u. a. aufgegeben, binnen 90 Tagen ab Zustellung der Entscheidung eine voll funktionsfähige Version ihres Windows-Betriebssystems für Client-PCs ohne integrierten Windows Media Player anzubieten. Microsoft darf weiterhin ihr Windows-Betriebssystem für Client-PCs gekoppelt mit dem Windows Media Player anbieten.

50      Schließlich bestimmt Art. 7 der angefochtenen Entscheidung:

„Binnen 30 Tagen ab Zustellung [der angefochtenen] Entscheidung unterbreitet Microsoft … der Kommission einen Vorschlag für die Schaffung eines geeigneten Mechanismus zur Unterstützung der Kommission bei der Überwachung der Einhaltung [der angefochtenen] Entscheidung durch Microsoft … Zu diesem Mechanismus gehört ein von Microsoft … unabhängiger Überwachungsbeauftragter.

Für den Fall, dass die Kommission den von Microsoft … vorgeschlagenen Überwachungsmechanismus nicht für geeignet hält, behält sie sich das Recht vor, einen solchen Mechanismus durch Entscheidung vorzuschreiben.“

 Verfahren wegen Verletzung des Kartellrechts der Vereinigten Staaten

51      Parallel zur Untersuchung der Kommission fand gegen Microsoft eine Untersuchung wegen Verstoßes gegen das Kartellrecht der Vereinigten Staaten statt.

52      1998 erhoben die Vereinigten Staaten von Amerika, 20 Bundesstaaten und der District of Columbia Klage gegen Microsoft nach dem Sherman Act. Ihre Vorwürfe betrafen die Maßnahmen, die Microsoft gegen den Internet-Browser „Netscape Navigator“ von Netscape und die „Java“-Technologien von Sun ergriffen hatte. Die betreffenden Bundesstaaten erhoben gegen Microsoft auch Klagen wegen Verletzung ihrer eigenen Kartellgesetze.

53      Nach dem Urteil des United States Court of Appeals for the District of Columbia Circuit (im Folgenden: Court of Appeals), das am 28. Juni 2001 auf die Berufung von Microsoft gegen das Urteil des United States District Court for the District of Columbia (im Folgenden: District Court) vom 3. April 2000 erging, schloss Microsoft im November 2001 mit dem Justizministerium der Vereinigten Staaten und den Attorneys General von neun Bundesstaaten einen Vergleich (im Folgenden: US-amerikanischer Vergleich), in dem Microsoft Verpflichtungen zweierlei Art einging.

54      Erstens erklärte sich Microsoft bereit, die Spezifikationen der Kommunikationsprotokolle zu erstellen, die ihre Windows-Betriebssysteme für Server zur „Interoperation“ benutzten, d. h. um diese Betriebssysteme mit den Windows-Betriebssystemen für Client-PCs kompatibel zu machen, und Dritten zu bestimmten Bedingungen Lizenzen für diese Spezifikationen zu erteilen.

55      Zweitens sieht der US-amerikanische Vergleich vor, dass Microsoft den Geräteherstellern und den Endverbrauchern die Möglichkeit gibt, den Zugriff auf die Middleware-Produkte von Microsoft zu aktivieren oder auszuschließen. Der Windows Media Player gehört nach der Definition im US-amerikanischen Vergleich zu den Produkten dieser Kategorie. Diese Bestimmungen sollen gewährleisten, dass die Lieferanten von Middleware Produkte entwickeln und vertreiben können, die unter Windows problemlos laufen.

56      Die Bestimmungen wurden durch Urteil des District Court vom 1. November 2002 genehmigt.

57      Auf die Berufung des Commonwealth of Massachusetts bestätigte der Court of Appeals am 30. Juni 2004 die Entscheidung des District Court vom 1. November 2002.

58      Gemäß dem US-amerikanischen Vergleich wurde im August 2002 das Microsoft Communications Protocol Program (im Folgenden: MCPP) aufgelegt.

 Verfahren

59      Mit Klageschrift, die am 7. Juni 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Microsoft die vorliegende Klage erhoben.

60      Mit besonderem Schriftsatz, der am 25. Juni 2004 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, hat Microsoft gemäß Art. 242 EG beantragt, den Vollzug von Art. 4, Art. 5 Buchst. a bis c und Art. 6 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung auszusetzen.

61      Mit Beschluss vom 22. Dezember 2004, Microsoft/Kommission (T‑201/04 R, Slg. 2004, II‑4463), hat der Präsident des Gerichts diesen Antrag zurückgewiesen und die Kostenentscheidung vorbehalten.

62      Mit Beschluss vom 9. März 2005 hat der Präsident der Vierten Kammer des Gerichts folgende Vereinigungen und Gesellschaften als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge von Microsoft zugelassen:

–        die The Computing Technology Industry Association, Inc. (im Folgenden: CompTIA);

–        die DMDsecure.com BV, die MPS Broadband AB, die Pace Micro Technology plc, die Quantel Ltd und die Tandberg Television Ltd (im Folgenden: DMDsecure u. a.);

–        die Association for Competitive Technology, Inc. (im Folgenden: ACT);

–        die TeamSystem SpA und die Mamut ASA;

–        die Exor AB.

63      Mit demselben Beschluss hat der Präsident der Vierten Kammer des Gerichts folgende Vereinigungen und Gesellschaften als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen:

–        die Software & Information Industry Association (im Folgenden: SIIA);

–        die Free Software Foundation Europe e. V. (im Folgenden: FSFE);

–        die Audiobanner.com, handelnd unter der Firma VideoBanner;

–        die RealNetworks, Inc.

64      Microsoft hat mit Schreiben vom 13. Dezember 2004 sowie vom 9. März, vom 27. Juni und vom 9. August 2005 beantragt, bestimmte vertrauliche Angaben in der Klageschrift und der Klagebeantwortung, der Erwiderung, ihren Stellungnahmen zu den Streithilfeschriftsätzen und der Gegenerwiderung von der Übermittlung an die Streithelfer auszunehmen. Sie hat eine nicht vertrauliche Fassung dieser verschiedenen Schriftsätze vorgelegt. Allein diese nicht vertrauliche Fassung der Schriftsätze ist den oben in den Randnrn. 62 und 63 aufgeführten Streithelfern übermittelt worden. Die betreffenden Streithelfer haben dagegen keine Einwände erhoben.

65      Alle oben in den Randnrn. 62 und 63 aufgeführten Streithelfer haben ihre Streithilfeschriftsätze fristgerecht eingereicht. Die Parteien haben zu diesen Schriftsätzen am 13. Juni 2005 Stellung genommen.

66      Mit Beschluss vom 28. April 2005, Microsoft/Kommission (T‑201/04, Slg. 2005, II‑1491), hat der Präsident der Vierten Kammer des Gerichts das European Committee for Interoperable Systems (ECIS) als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen. Da der Streithilfeantrag dieser Vereinigung nach Ablauf der in Art. 116 § 6 der Verfahrensordnung des Gerichts genannten Frist eingereicht worden ist, wurde ihr nur gestattet, auf der Grundlage des ihr zu übermittelnden Sitzungsberichts in der mündlichen Verhandlung Stellung zu nehmen.

67      Durch Entscheidung des Plenums vom 11. Mai 2005 ist die Rechtssache an die Vierte erweiterte Kammer des Gerichts verwiesen worden.

68      Durch Entscheidung des Plenums vom 7. Juli 2005 ist die Rechtssache an die Große Kammer des Gerichts verwiesen worden, und mit ihr ist ein neuer Berichterstatter betraut worden.

69      Mit Beschluss des Präsidenten der Großen Kammer des Gerichts vom 16. Januar 2006 ist RealNetworks als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission im Register gestrichen worden.

70      Am 1. Februar 2006 sind die Verfahrensbeteiligten vom Gericht zu einer informellen Sitzung mit dem Präsidenten der Großen Kammer des Gerichts und dem Berichterstatter geladen worden, um insbesondere die Modalitäten der Durchführung der mündlichen Verhandlung festzulegen. Diese Sitzung hat am 10. März 2006 im Gericht stattgefunden.

71      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Große Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und hat die Parteien nach Art. 64 seiner Verfahrensordnung aufgefordert, bestimmte Unterlagen vorzulegen und eine Reihe von Fragen zu beantworten. Die Parteien sind diesen Ersuchen fristgerecht nachgekommen.

72      Die Verfahrensbeteiligten haben in der Sitzung vom 24., 25., 26., 27. und 28. April 2006 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

73      In der mündlichen Verhandlung ist Microsoft vom Gericht aufgefordert worden, ihm eine Kopie der Auskunftsverlangen, die von der Kommission im Rahmen der die Medienabspielprogramme betreffenden Marktuntersuchung von 2003 versandt wurden, der Antworten auf diese Auskunftsverlangen und der Berichte mit den Ergebnissen und der Analyse der von Mercer durchgeführten Umfragen (im Folgenden: Mercer-Berichte) zu übermitteln. Microsoft hat diese verschiedenen Schriftstücke fristgerecht vorgelegt.

74      Mit Schreiben des Gerichts vom 3. Mai 2006 ist Microsoft aufgefordert worden, eine Kopie der weiteren Auskunftsverlangen, die von der Kommission im Rahmen der Marktuntersuchung von 2003 versandt wurden, und der Antworten darauf vorzulegen. Microsoft ist dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen.

75      Durch Entscheidung vom 22. Juni 2006 hat der Präsident der Großen Kammer des Gerichts die mündliche Verhandlung für geschlossen erklärt.

 Anträge der Verfahrensbeteiligten

76      Microsoft beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        hilfsweise, die Geldbuße für nichtig zu erklären oder erheblich herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen;

–        der SIIA, der FSFE und Audiobanner.com die Kosten ihrer Streithilfe aufzuerlegen.

77      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        Microsoft die Kosten aufzuerlegen.

78      Die CompTIA, die ACT, TeamSystem und Mamut beantragen,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

79      DMDsecure u. a. beantragen,

–        Art. 2 Buchst. b, Art. 4, Art. 6 Buchst. a und Art. 7 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

80      Exor beantragt,

–        die Art. 2 und 4, Art. 6 Buchst. a und Art. 7 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

81      Die SIIA, die FSFE, Audiobanner.com und das ECIS beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        Microsoft die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

82      Zunächst sind die Klagegründe zu prüfen, die sich auf die Anträge auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung beziehen, und dann die Klagegründe, die die Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbuße betreffen.

I –  Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung

83      Die Klagegründe, auf die Microsoft ihren Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung stützt, konzentrieren sich auf drei Fragenkreise, und zwar erstens auf die Weigerung, Interoperabilitätsinformationen zu liefern und deren Nutzung zu gestatten, zweitens auf die Kopplung des Verkaufs des Windows-Betriebssystems für Client-PCs mit dem des Windows Media Player und drittens auf die Verpflichtung, einen unabhängigen Überwachungsbeauftragten einzusetzen, der die Einhaltung der angefochtenen Entscheidung durch Microsoft überwachen soll.

A –  Vorfragen

84      Die Kommission wirft in ihren Schriftsätzen eine Reihe von Fragen nach dem Umfang der Kontrolle durch den Gemeinschaftsrichter und nach der Zulässigkeit des Inhalts mehrerer Anlagen zur Klageschrift und zur Erwiderung auf.

1.     Zum Umfang der Kontrolle durch den Gemeinschaftsrichter

85      Die Kommission trägt vor, die angefochtene Entscheidung beruhe auf einer Reihe von Erwägungen, die mit technisch und wirtschaftlich komplexen Beurteilungen verbunden seien. Nach der Rechtsprechung könnten die Gemeinschaftsgerichte solche Beurteilungen nur in begrenztem Umfang überprüfen (Urteile des Gerichtshofs vom 21. November 1991, Technische Universität München, C‑269/90, Slg. 1991, I‑5469, Randnr. 13, und vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg. 2004, I‑123, Randnr. 279; Urteil des Gerichts vom 21. April 2005, Holcim [Deutschland]/Kommission, T‑28/03, Slg. 2005, II‑1357, Randnrn. 95, 97 und 98).

86      Microsoft entgegnet, der Gemeinschaftsrichter verzichte nicht darauf, „die Stichhaltigkeit der Entscheidungen der Kommission eingehend zu überprüfen, auch in komplexen Fällen“; dabei nennt sie als Beispiel des Urteil des Gerichts vom 6. Juli 2000, Volkswagen/Kommission (T‑62/98, Slg. 2000, II‑2707, Randnr. 43).

87      Nach ständiger Rechtsprechung nimmt der Gemeinschaftsrichter zwar grundsätzlich eine umfassende Prüfung der Frage vor, ob die Tatbestandsmerkmale der Wettbewerbsregeln erfüllt sind; jedoch muss sich seine Überprüfung der Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten durch die Kommission darauf beschränken, ob die Verfahrensregeln und die Vorschriften über die Begründung eingehalten wurden, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt wurde und ob kein offensichtlicher Beurteilungsfehler und kein Ermessensmissbrauch vorliegen (Urteil des Gerichts vom 30. März 2000, Kish Glass/Kommission, T‑65/96, Slg. 2000, II‑1885, Randnr. 64, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Beschluss des Gerichtshofs vom 18. Oktober 2001, Kish Glass/Kommission, C‑241/00 P, Slg. 2001 I‑7759; vgl. in diesem Sinne auch, in Bezug auf Art. 81 EG, Urteil des Gerichtshofs vom 11. Juli 1985, Remia u. a./Kommission, 42/84, Slg. 1985, 2545, Randnr. 34, und vom 17. November 1987, BAT und Reynolds/Kommission, 142/84 und 156/84, Slg. 1987, 4487, Randnr. 62).

88      Soweit die Entscheidung der Kommission das Ergebnis komplexer technischer Beurteilungen ist, unterliegen diese grundsätzlich ebenfalls einer beschränkten gerichtlichen Kontrolle; dies bedeutet, dass der Gemeinschaftsrichter die von der Kommission vorgenommene Beurteilung des Sachverhalts nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen darf (vgl. in Bezug auf eine Entscheidung, die im Anschluss an komplexe Beurteilungen auf medizinisch-pharmakologischem Gebiet erging, Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 11. April 2001, Kommission/Trenker, C‑459/00 P[R], Slg. 2001, I‑2823, Randnrn. 82 und 83; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichtshofs vom 21. Januar 1999, Upjohn, C‑120/97, Slg. 1999, I‑223, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Urteile des Gerichts vom 3. Juli 2002, A. Menarini/Kommission, T‑179/00, Slg. 2002, II‑2879, Randnrn. 44 und 45, und vom 11. September 2002, Pfizer Animal Health/Rat, T‑13/99, Slg. 2002, II‑3305, Randnr. 323).

89      Auch wenn der Gemeinschaftsrichter anerkennt, dass der Kommission in wirtschaftlichen oder technischen Fragen ein Beurteilungsspielraum zusteht, bedeutet dies jedoch nicht, dass er eine Kontrolle der Auslegung derartiger Daten durch die Kommission unterlassen muss. Der Gemeinschaftsrichter muss nämlich nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (vgl. in diesem Sinne zur Kontrolle von Zusammenschlüssen Urteil des Gerichtshofs vom 15. Februar 2005, Kommission/Tetra Laval, C‑12/03 P, Slg. 2005, I‑987, Randnr. 39).

90      Im Licht dieser Grundsätze sind die verschiedenen Klagegründe zu prüfen, auf die Microsoft ihren Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung stützt.

2.     Zur Zulässigkeit des Inhalts bestimmter Anlagen

91      Die Kommission, die insoweit von der SIIA unterstützt wird, macht geltend, Microsoft trage in mehreren Anlagen zur Klageschrift und zur Erwiderung Argumente vor, die in diesen Schriftsätzen selbst nicht enthalten seien. Außerdem nehme Microsoft verschiedentlich global auf Berichte Bezug, die ihren Schriftsätzen beigefügt seien. Zu beanstanden sei ferner, dass bestimmte von Microsoft vorgelegte Sachverständigengutachten auf Informationen beruhten, die weder der Kommission noch dem Gericht zugänglich gemacht worden seien. Das Gericht dürfe die genannten Argumente, Berichte und Sachverständigengutachten nicht berücksichtigen.

92      Microsoft führt aus, die „relevanten Abschnitte [der] Klageschrift“ enthielten die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die sich ihre Klage stütze. Nach der Rechtsprechung könne der Text der Klageschrift zu speziellen Punkten durch Bezugnahmen auf bestimmte Passagen beigefügter Unterlagen untermauert und ergänzt werden (Beschluss des Gerichts vom 29. November 1993, Koelman/Kommission, T‑56/92, Slg. 1993, II‑1267, Randnr. 21). Sie fügt hinzu, dass sie bewusst entschieden habe, die Zahl der Anlagen zu begrenzen, damit die Akte nicht zu umfangreich werde, dass sie nicht verpflichtet sei, jede Unterlage vorzulegen, auf die in Fußnoten ihrer Anlagen Bezug genommen werde, dass die Kommission über eine Kopie aller im Verwaltungsverfahren eingereichten Unterlagen verfüge und dass ihr Recht, ihren Sachverständigen Informationen zu übermitteln, nicht in Abrede gestellt werden könne.

93      In der informellen Sitzung vom 10. März 2006 (siehe oben, Randnr. 70) hat der Berichterstatter Microsoft darauf aufmerksam gemacht, dass sie in einigen Anlagen zu ihren Schriftsätzen Argumente vorzubringen scheint, die in diesen Schriftsätzen selbst nicht ausdrücklich genannt sind, und hat sie dazu befragt. Wie dem Protokoll dieser Sitzung zu entnehmen ist, hat Microsoft darauf geantwortet: „Microsoft trägt keine Argumente vor, die nicht ausdrücklich in der Klageschrift oder der Erwiderung ausgeführt wurden.“

94      Nach Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts muss die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Für die Zulässigkeit einer Klage ist es nach ständiger Rechtsprechung erforderlich, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf denen sie beruht, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich, aus dem Wortlaut der Klageschrift selbst ergeben. Zwar kann ihr Text zu speziellen Punkten durch Bezugnahmen auf bestimmte Abschnitte beigefügter Schriftstücke untermauert und ergänzt werden, doch kann eine pauschale Bezugnahme auf andere Schriftstücke, auch wenn sie der Klageschrift als Anlagen beigefügt sind, nicht das Fehlen der wesentlichen Bestandteile der Rechtsausführungen ausgleichen, die nach den oben genannten Vorschriften in der Klageschrift enthalten sein müssen (Urteil des Gerichtshofs vom 31. März 1992, Kommission/Dänemark, C‑52/90, Slg. 1992, I‑2187, Randnr. 17; Beschluss Koelman/Kommission, oben in Randnr. 92 angeführt, Randnr. 21, und Beschluss des Gerichts vom 21. Mai 1999, Asia Motor France u. a./Kommission, T‑154/98, Slg. 1999, II‑1703, Randnr. 49). Außerdem ist es nicht Sache des Gerichts, die Klagegründe und Argumente, auf die sich die Klage möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen und zu bestimmen, denn die Anlagen haben eine bloße Beweis- und Hilfsfunktion (Urteile des Gerichts vom 7. November 1997, Cipeke/Kommission, T‑84/96, Slg. 1997, II‑2081, Randnr. 34, und vom 21. März 2002, Joynson/Kommission, T‑231/99, Slg. 2002, II‑2085, Randnr. 154).

95      Diese Auslegung von Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts gilt auch für die Voraussetzungen der Zulässigkeit der Erwiderung, die nach Art. 47 § 1 der Verfahrensordnung die Klageschrift ergänzen soll (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, T‑305/94 bis T‑307/94, T‑313/94 bis T‑316/94, T‑318/94, T‑325/94, T‑328/94, T‑329/94 und T‑335/94, Slg. 1999, II‑931, Randnr. 40, in diesem Punkt nicht aufgehoben durch den Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren mit seinem Urteil vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, Slg. 2002, I‑8375).

96      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass Microsoft in mehreren der Klageschrift und der Erwiderung als Anlagen beigefügten Schriftstücken Ausführungen zu Rechts- oder Wirtschaftsfragen macht, bei denen sie sich nicht darauf beschränkt, in diesen Schriftsätzen selbst angeführte tatsächliche oder rechtliche Umstände zu untermauern oder zu ergänzen, sondern neue Argumente vorbringt.

97      Außerdem ergänzt Microsoft mehrfach den Wortlaut der Klageschrift und der Erwiderung in speziellen Punkten durch Bezugnahmen auf ihnen beigefügte Schriftstücke. Einige dieser Bezugnahmen richten sich jedoch nur allgemein auf das betreffende beigefügte Schriftstück und erlauben es dem Gericht daher nicht, die Argumente, mit denen sich das Vorbringen in der Klageschrift oder der Erwiderung möglicherweise ergänzen lässt, genau zu bestimmen.

98      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission, obwohl sie der Auffassung ist, dass die Ausführungen in diesen verschiedenen Anlagen nicht zu berücksichtigen sind, gleichwohl zu einigen von ihnen in Fußnoten ihrer Schriftsätze Stellung nimmt.

99      Nach der oben in den Randnrn. 94 und 95 wiedergegebenen Rechtsprechung und der von Microsoft in der informellen Sitzung vom 10. März 2006 abgegebenen Erklärung (siehe oben, Randnr. 93) werden die oben in den Randnrn. 96 bis 98 angesprochenen Anlagen vom Gericht nur insoweit berücksichtigt, als sie Klagegründe oder Argumente untermauern oder ergänzen, die Microsoft oder die Kommission in ihren Schriftsätzen ausdrücklich angeführt haben, und als das Gericht genau zu bestimmen vermag, welche darin enthaltenen Umstände die fraglichen Klagegründe oder Argumente untermauern oder ergänzen.

100    Zur Kritik der Kommission daran, dass Microsoft die Informationen, auf denen einige ihren Schriftsätzen beigefügte Sachverständigengutachten beruhten, nicht übermittelt habe, genügt der Hinweis, dass es Sache des Gerichts ist, gegebenenfalls zu beurteilen, ob den in den genannten Gutachten enthaltenen Ausführungen der Beweiswert fehlt. Sollte das Gericht mangels Zugangs zu bestimmten Informationen der Ansicht sein, dass diese Ausführungen keinen hinreichenden Beweiswert haben, wird es sie unberücksichtigt lassen.

B –  Zur Weigerung, Interoperabilitätsinformationen zu liefern und deren Nutzung zu gestatten

101    In Zusammenhang mit diesem ersten Fragenkreis macht Microsoft einen einzigen, auf die Verletzung von Art. 82 EG gestützten Klagegrund geltend. Dieser Klagegrund besteht aus drei Teilen. Im Rahmen des ersten Teils macht Microsoft geltend, die vom Gemeinschaftsrichter aufgestellten Kriterien, die es erlaubten, ein Unternehmen in beherrschender Stellung zur Erteilung einer Lizenz zu zwingen, seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Im Rahmen des zweiten Teils führt sie im Wesentlichen aus, Sun habe von ihr keinen Zugang zu der „Technologie“ verlangt, zu deren Offenlegung die Kommission sie verpflichte; das Schreiben vom 6. Oktober 1998 könne jedenfalls nicht als tatsächliche Weigerung von Microsoft ausgelegt werden. Schließlich trägt sie im Rahmen des dritten Teils vor, die Kommission habe die den Gemeinschaften durch das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) vom 15. April 1994 (Anhang 1 C des Abkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation [WHO]) (im Folgenden: TRIPS-Übereinkommen) auferlegten Verpflichtungen nicht ordnungsgemäß berücksichtigt.

1.     Zum ersten Teil, der sich darauf stützt, dass die vom Gemeinschaftsrichter aufgestellten Kriterien, die es erlaubten, ein Unternehmen in beherrschender Stellung zur Erteilung einer Lizenz zu zwingen, im vorliegenden Fall nicht erfüllt seien

a)     Einleitung

102    Zunächst sind in groben Zügen die jeweiligen Standpunkte der Parteien in Bezug auf die Weigerung darzulegen, Interoperabilitätsinformationen zu liefern und deren Nutzung zu gestatten.

103    In der angefochtenen Entscheidung heißt es, Microsoft habe ihre beherrschende Stellung auf dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs dadurch missbraucht, dass sie sich erstens geweigert habe, Sun und anderen Konkurrenzunternehmen die Spezifikationen für die Protokolle zu liefern, die in Windows-Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver implementiert und von den Servern, auf denen diese Systeme installiert seien, genutzt würden, um den Windows- Arbeitsgruppennetzwerken Daten- und Druckdienste sowie Gruppen- und Nutzerverwaltungsdienste zur Verfügung zu stellen, und zweitens, diesen verschiedenen Unternehmen zu gestatten, die genannten Spezifikationen zu verwenden, um Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver zu entwickeln und zu vertreiben.

104    Die Kommission führt aus, die Informationen, zu denen Microsoft den Zugang verweigere, stellten Interoperabilitätsinformationen im Sinne der Richtlinie 91/250/EWG des Rates vom 14. Mai 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (ABl. L 122, S. 42) dar. Darin werde die Interoperabilität von zwei Softwareprodukten definiert als die Fähigkeit dieser Produkte zum Austausch von Informationen und zur wechselseitigen Verwendung der ausgetauschten Informationen, die es ermöglichen solle, dass jedes Produkt voll und ganz wie vorgesehen funktioniere (vgl. insbesondere Randnr. 256 der ersten Mitteilung der Beschwerdepunkte, Randnr. 79 der zweiten Mitteilung der Beschwerdepunkte und Randnr. 143 der dritten Mitteilung der Beschwerdepunkte). Der von Microsoft verwendete Interoperabilitätsbegriff sei unzutreffend (Randnrn. 749 bis 763 der angefochtenen Entscheidung).

105    Die Kommission stellt auf der Grundlage einer Reihe tatsächlicher und technischer Gegebenheiten fest, dass das „reibungslose Funktionieren eines Windows-Arbeitsgruppennetzwerks … auf einer Architektur von Client/Server- und Server/Server-Querverbindungen und ‑Interaktionen basiert, die einen transparenten Zugriff auf die zentralen Arbeitsgruppenserverdienste gewährleistet (bei Windows 2000/Windows 2003 kann diese ‚Windows-Domänenarchitektur‘ als ‚Active-Directory-Domänenarchitektur‘ bezeichnet werden). Die gemeinsame Fähigkeit zur Integration in diese Architektur ist ein Bestandteil der Kompatibilität zwischen Windows-Client-PCs und Windows-Arbeitsgruppenservern“ (Randnr. 182 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission beschreibt diese Kompatibilität als „Interoperabilität mit der Windows-Domänenarchitektur“ (Randnr. 182 der angefochtenen Entscheidung) und führt aus, eine solche Interoperabilität sei „für Anbieter eines Betriebssystems für Arbeitsgruppenserver erforderlich, um sich auf dem Markt behaupten zu können“ (Randnr. 779 der angefochtenen Entscheidung).

106    Überdies ist die Kommission der Ansicht, damit die Konkurrenten von Microsoft Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver entwickeln könnten, die in der Lage seien, einen solchen Interoperabilitätsgrad zu erreichen, wenn die Server, auf denen sie installiert seien, in eine Windows-Arbeitsgruppe eingebunden würden, sei es unerlässlich, dass sie Zugang zu Informationen über die Interoperabilität mit der Windows-Domänenarchitektur erhielten (Randnrn. 183 und 184 der angefochtenen Entscheidung). Insbesondere stelle keine der fünf von Microsoft angeführten Methoden zur Gewährleistung der Interoperabilität der Betriebssysteme unterschiedlicher Anbieter einen ausreichenden Ersatz für die Offenlegung der genannten Informationen dar (Randnrn. 666 bis 687 der angefochtenen Entscheidung).

107    Schließlich macht die Kommission geltend, nach der Rechtsprechung könnten die Unternehmen zwar grundsätzlich ihre Geschäftspartner frei wählen, aber eine Lieferverweigerung seitens eines Unternehmens in beherrschender Stellung könne unter bestimmten Umständen ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG sein. Im vorliegenden Fall gebe es eine Reihe „außergewöhnlicher Umstände“, die zeigten, dass die Weigerung von Microsoft missbräuchlich gewesen sei, und zwar selbst bei der engsten – und damit für Microsoft günstigsten – Auslegung als Weigerung, Dritten eine Lizenz in Bezug auf Rechte des geistigen Eigentums zu erteilen (Randnrn. 190 und 546 bis 559 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission sei berechtigt, andere „außergewöhnliche Umstände“ zu berücksichtigen als die, die der Gerichtshof in seinem Urteil vom 6. April 1995, RTE und ITP/Kommission (C‑241/91 P und C‑242/91 P, Slg. 1995, I‑743, im Folgenden: Urteil Magill), herausgearbeitet und in seinem Urteil vom 29. April 2004, IMS Health (C‑418/01, Slg. 2004, I‑5039), bestätigt habe. Auch die letztgenannten außergewöhnlichen Umstände lägen hier jedenfalls vor.

108    Microsoft vertritt vom Beginn des Verwaltungsverfahrens an die Auffassung, dass der in der vorliegenden Sache von der Kommission vertretene Begriff der Interoperabilität nicht mit dem Begriff der „vollen Interoperabilität“ im Sinne der Richtlinie 91/250 übereinstimme und nicht der Art und Weise entspreche, in der die Unternehmen ihre Computernetzwerke in der Praxis gestalteten (vgl. insbesondere Randnrn. 151 bis 157 der Erwiderung vom 16. November 2001 auf die zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte und S. 29 und 30 der Erwiderung vom 17. Oktober 2003 auf die dritte Mitteilung der Beschwerdepunkte). Sie macht insbesondere geltend, dass „die volle Interoperabilität für einen Entwickler von Betriebssystemen für Server erreicht ist, wenn auf sämtliche Funktionen seines Programms von einem Windows-Betriebssystem für Client-PCs zugegriffen werden kann“ (Randnr. 143 der Erwiderung vom 17. November 2000 auf die erste Mitteilung der Beschwerdepunkte; vgl. in diesem Sinne auch S. 29 und 63 der Erwiderung vom 17. Oktober 2003 auf die dritte Mitteilung der Beschwerdepunkte). Microsoft vertritt somit – wie die Kommission es ausdrückt – eine „unidirektionale“ Definition, während die Kommission von einem „bidirektionalen Verhältnis“ ausgeht (Randnr. 758 der angefochtenen Entscheidung).

109    Nach Ansicht von Microsoft kann die oben angesprochene volle Interoperabilität hergestellt werden, wenn man sich der von ihr bereits offengelegten Informationen über Schnittstellen, insbesondere mittels ihres Produkts namens „MSDN“ oder der von ihr veranstalteten Konferenzen für „Professional Developers“, oder bestimmter anderer auf dem Markt verfügbarer Methoden bedient (vgl. insbesondere Randnrn. 12, 57 bis 63, 73 bis 83 und 147 der Erwiderung vom 17. November 2000 auf die erste Mitteilung der Beschwerdepunkte, Randnrn. 6, 72, 94 bis 96, 148 und 149 der Erwiderung vom 16. November 2001 auf die zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte und S. 31 der Erwiderung vom 17. Oktober 2003 auf die dritte Mitteilung der Beschwerdepunkte).

110    Der von der Kommission vertretene Begriff der Interoperabilität bedeute dagegen, dass die Betriebssysteme ihrer Konkurrenten in jeder Hinsicht wie ein Windows-Betriebssystem für Server funktionierten. Das könne nur erreicht werden, wenn den fraglichen Konkurrenten gestattet werde, die Produkte von Microsoft oder einige ihrer Leistungsmerkmale zu „klonen“, und wenn ihnen Informationen über die interne Funktionsweise der Produkte übermittelt würden (vgl. insbesondere Randnrn. 7, 20, 27, 144 bis 150 und 154 bis 169 der Erwiderung vom 17. November 2000 auf die erste Mitteilung der Beschwerdepunkte, Randnrn. 158 bis 161 der Erwiderung vom 16. November 2001 auf die zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte und S. 10 und 20 der Erwiderung vom 17. Oktober 2003 auf die dritte Mitteilung der Beschwerdepunkte).

111    Wenn Microsoft gezwungen wäre, solche Informationen offenzulegen, würden die freie Ausübung ihrer Rechte des geistigen Eigentums sowie ihr Anreiz zu Innovationen beeinträchtigt (vgl. insbesondere Randnrn. 162, 163 und 176 der Erwiderung vom 16. November 2001 auf die zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte und S. 3, 10 und 11 der Erwiderung vom 17. Oktober 2003 auf die dritte Mitteilung der Beschwerdepunkte).

112    Schließlich sei die vorliegende Rechtssache im Hinblick auf die oben in Randnr. 107 angeführten Urteile Magill und IMS Health zu beurteilen, da die ihr zur Last gelegte Weigerung als Weigerung einzustufen sei, Dritten eine Lizenz in Bezug auf Rechte des geistigen Eigentums zu erteilen, so dass die angefochtene Entscheidung zur Erteilung von Lizenzen zwinge. Im vorliegenden Fall sei jedoch keines der vom Gerichtshof in diesen Urteilen erschöpfend aufgezählten Kriterien erfüllt. Folglich könne die fragliche Weigerung nicht als missbräuchlich eingestuft werden, so dass die Kommission ihr nicht aufgeben dürfe, die Interoperabilitätsinformationen offenzulegen. Hilfsweise sei das Urteil des Gerichtshofs vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, Slg. 1998, I‑7791), heranzuziehen; auch die darin vorgesehenen Kriterien seien hier nicht gegeben.

113    Sodann ist zu erläutern, wie Microsoft ihre Argumentation im Rahmen des ersten Teils des Klagegrundes aufbaut und wie das Gericht diese Argumentation prüfen wird.

114    So stellt Microsoft vor ihrer eigentlichen Argumentation (siehe unten, Abschnitt d des ersten Teils) einige Erwägungen zur Interoperabilität an, die sich wie folgt zusammenfassen lassen. Erstens führt sie fünf Methoden an, mit denen die Interoperabilität zwischen den Windows-Betriebssystemen für Client-PCs und für Server einerseits und konkurrierenden Server-Betriebssystemen andererseits herbeigeführt werden könne. Zweitens rügt sie zum einen den von der Kommission im vorliegenden Fall geforderten Interoperabilitätsgrad – wobei sie im Wesentlichen geltend macht, die Kommission wolle in Wirklichkeit ihren Konkurrenten gestatten, die Microsoft-Produkte oder einige ihrer Leistungsmerkmale zu klonen – und zum anderen die Tragweite der in Art. 5 der angefochtenen Entscheidung vorgesehenen Abhilfemaßnahme.

115    Neben diesen verschiedenen Erwägungen trägt Microsoft eine Reihe von Argumenten vor, um darzutun, dass die Kommunikationsprotokolle, die sie ihren Konkurrenten gemäß der angefochtenen Entscheidung offenlegen müsse, technologisch innovativ seien und dass diese Protokolle oder ihre Spezifikationen von den Rechten des geistigen Eigentums erfasst würden.

116    Die eigentliche Argumentation von Microsoft im Rahmen des ersten Teils des vorliegenden Klagegrundes lässt sich wie folgt darstellen:

–        Die vorliegende Rechtssache müsse im Hinblick auf die verschiedenen vom Gerichtshof in dem oben in Randnr. 107 angeführten Urteil Magill anerkannten und in dem oben in Randnr. 107 angeführten Urteil IMS Health bestätigten Umstände beurteilt werden.

–        Die Weigerung eines Unternehmens in beherrschender Stellung, Dritten eine Lizenz in Bezug auf Rechte des geistigen Eigentums zu erteilen, könne unter folgenden Umständen als missbräuchlich eingestuft werden: Erstens müsse das betreffende Produkt oder die betreffende Dienstleistung für eine bestimmte Tätigkeit unerlässlich sein, zweitens müsse die Weigerung geeignet sein, jeglichen Wettbewerb auf einem abgeleiteten Markt auszuschließen, drittens müsse sie das Auftreten eines neuen Produkts verhindern, nach dem eine potenzielle Nachfrage der Verbraucher bestehe, und viertens dürfe sie nicht objektiv gerechtfertigt sein.

–        Keiner dieser vier Umstände sei hier gegeben.

–        Hilfsweise seien die Kriterien anzuwenden, die der Gerichtshof in dem oben in Randnr. 112 angeführten Urteil Bronner aufgestellt habe; sie entsprächen dem ersten, zweiten und vierten der oben genannten und den oben in Randnr. 107 angeführten Urteilen Magill und IMS Health zu entnehmenden Umstände.

–        Daher sei hier auch keines der drei Kriterien des oben in Randnr. 112 angeführten Urteils Bronner erfüllt.

117    Das Gericht wird zunächst das Vorbringen von Microsoft zu den verschiedenen Interoperabilitätsgraden und zur Tragweite der in Art. 5 der angefochtenen Entscheidung vorgesehenen Abhilfemaßnahme prüfen. Auf die von ihr vorgetragenen Argumente zur Existenz von fünf Methoden, mit denen die Interoperabilität zwischen ihren Betriebssystemen und denen ihrer Konkurrenten herbeigeführt werden könne, wird im Rahmen der Prüfung der behaupteten Unerlässlichkeit der Interoperabilitätsinformationen eingegangen. Das Gericht wird sich sodann zu den Argumenten von Microsoft in Bezug auf die Rechte des geistigen Eigentums und die Erstreckung dieser Rechte auf ihre Kommunikationsprotokolle oder deren Spezifikationen äußern. Schließlich wird es sich mit der eigentlichen Argumentation von Microsoft im Rahmen des ersten Teils des Klagegrundes befassen und dabei klären, im Hinblick auf welche Umstände das ihr zur Last gelegte Verhalten zu analysieren ist und ob diese Umstände hier vorliegen.

b)     Zu den verschiedenen Interoperabilitätsgraden und zur Tragweite der in Art. 5 der angefochtenen Entscheidung vorgesehenen Abhilfemaßnahme

 Vorbringen der Parteien

118    Microsoft vertritt im Wesentlichen die Ansicht, dass der Interoperabilitätsbegriff, aufgrund dessen die Kommission zu dem Schluss gekommen sei, dass die Weigerung, Interoperabilitätsinformationen zu liefern, ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung sei, und die in Art. 5 der angefochtenen Entscheidung vorgesehene Abhilfemaßnahme verhängt habe, nicht zutreffe.

119    Microsoft betont, Interoperabilität sei „ein kontinuierlicher Vorgang“ und „kein absoluter Standard“.

120    Zwar sei möglicherweise „ein Mindestmaß an Interoperabilität für einen effektiven Wettbewerb erforderlich“, doch sei dieses Mindestmaß nicht schwer zu erreichen, und es gebe verschiedene Wege zur Verwirklichung von Interoperabilität in dem Sinne, dass „Betriebssysteme verschiedener Anbieter gut zusammenarbeiten“.

121    In der angefochtenen Entscheidung ziehe die Kommission einen völlig anderen Interoperabilitätsbegriff als den in der Richtlinie 91/250 vorgesehenen und von den Unternehmen in der Praxis bei der Ausgestaltung ihrer Computernetzwerke verwendeten Begriff heran. Die Kommission gehe nämlich davon aus, dass ein Server-Betriebssystem eines Konkurrenten von Microsoft „in jeder Hinsicht“ wie ein Windows-Betriebssystem für Server funktionieren könne (d. h. „perfekte Substituierbarkeit“ oder „plug replaceability“ erreiche). Dies könnte aber nur geschehen, wenn den Konkurrenten von Microsoft gestattet würde, die Microsoft-Produkte oder deren Leistungsmerkmale zu „klonen“. Zwei Server-Betriebssysteme könnten in der Weise interoperieren, dass sie Informationen austauschten oder einander Dienste leisteten, ohne zwingend „genau gleich“ sein zu müssen. Daher müsse zwischen „Interoperabilität“ und „Nachbau“ oder „Duplizierung“ unterschieden werden.

122    Zur Stützung ihres Vorbringens verweist Microsoft auf einen ihrer Erwiderung vom 16. November 2001 auf die zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte beigefügten Bericht von zwei Informatiksachverständigen; darin hätten die Sachverständigen die Begriffe „enge Kopplung“ und „lose Kopplung“ sowie die Gründe erläutert, aus denen die Bemühungen, „enge Kopplungen“ mit Softwareprodukten verschiedener Entwickler zu erreichen, fehlgeschlagen seien (Anlage A.9.2 zur Klageschrift). Die Gründe dafür seien sowohl technischer als auch wirtschaftlicher Art.

123    Microsoft führt weiter aus, im Verwaltungsverfahren habe sie 50 Erklärungen öffentlicher und privater Unternehmen aus allen Industriezweigen und den verschiedenen damaligen Mitgliedstaaten vorgelegt. Diese Unternehmen bestätigten darin, dass es einen hohen Interoperabilitätsgrad zwischen den Windows-Betriebssystemen für Client-PCs und Server einerseits und den konkurrierenden Betriebssystemen für Server andererseits gebe, der mittels auf dem Markt bereits verfügbarer Methoden erzielt worden sei. Zudem gehe aus den Mercer-Berichten hervor, dass die Unternehmen die Server-Betriebssysteme nicht anhand von Erwägungen in Bezug auf ihre Interoperabilität mit den Windows-Betriebssystemen für Client-PCs und Server auswählten.

124    In der Erwiderung – als Einleitung zu ihrer Argumentation, dass ihre Kommunikationsprotokolle durch Rechte des geistigen Eigentums geschützt würden – und in ihrer Antwort auf eine der schriftlichen Fragen des Gerichts macht Microsoft eine Reihe von Ausführungen zur Tragweite der in Art. 5 der angefochtenen Entscheidung vorgesehenen Abhilfemaßnahme. Dabei wirft sie auch die Frage des im vorliegenden Fall von der Kommission verlangten Interoperabilitätsgrads auf.

125    So trägt Microsoft in der Erwiderung vor, es bestehe ein Widerspruch zwischen der Tragweite der genannten Abhilfemaßnahme und dem „Interoperabilitätsstandard“, den die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zur Beurteilung der Relevanz der „alternativen Interoperabilitätsmethoden“ heranziehe. In ihrer Antwort auf eine der schriftlichen Fragen des Gerichts macht sie geltend, der Umfang der Offenlegungspflicht nach Art. 5 der angefochtenen Entscheidung sei von der Kommission unterschiedlich ausgelegt worden.

126    Zum letztgenannten Punkt führt Microsoft aus, in Randnr. 669 der angefochtenen Entscheidung erkläre die Kommission, dass „offene Industriestandards für die Konkurrenten nicht im gleichen Maße die Interoperabilität mit der Windows-Umgebung zu gewährleisten [vermögen], wie dies bei Windows-Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver der Fall ist“. In Randnr. 679 der angefochtenen Entscheidung stelle die Kommission fest, dass „das Arbeitsgruppenserver-Betriebssystem ohne Client von Novell … die Möglichkeiten der Client-PCs und Arbeitsgruppenserver von Windows nicht im gleichen Maße nutzen kann wie [Windows-]Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver“. Daraus sei zu schließen, dass die Kommission die Interoperabilität zunächst als Fähigkeit der Konkurrenten von Microsoft aufgefasst habe, ihre Produkte in genau der gleichen Weise wie die Windows-Betriebssysteme für Server arbeiten zu lassen. Die Kommission gehe somit von einer „Quasi-Identität“ der letztgenannten Systeme und der konkurrierenden Server-Betriebssysteme aus.

127    Um den somit von der Kommission angestrebten Interoperabilitätsgrad (den Microsoft wechselnd als „plug replacement“, „plug-replaceability“, „drop-in“, „functional equivalent“ und „functional clone“ bezeichnet) zu erreichen, müsste Microsoft viel mehr als die in Art. 5 der angefochtenen Entscheidung angesprochenen Informationen offenlegen, insbesondere Informationen über die interne Arbeitsweise ihrer Server-Betriebssysteme (einschließlich „Algorithmen und Entscheidungsregeln“).

128    Sodann habe die Kommission eine enge Auslegung von Art. 5 vertreten, wonach dieser Microsoft nur verpflichte, ihren Konkurrenten eine Lizenz für Kommunikationsprotokolle „on the wire“ zu erteilen. Dies ergebe sich daraus, dass bei der Anhörung im Verfahren der einstweiligen Anordnung die zu dieser Zeit als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassenen Verfahrensbeteiligten erklärt hätten, dass sie nicht daran interessiert seien, Zugang zu Informationen über die interne Arbeitsweise der Windows-Betriebssysteme für Server zu erhalten. Außerdem habe die Kommission in der Klagebeantwortung und der Gegenerwiderung bestätigt, dass sie die Konkurrenten von Microsoft nicht in die Lage versetzen wolle, die von den Windows-Betriebssystemen für Server bereitgestellten Daten- und Druck- sowie Gruppen- und Nutzerverwaltungsdienste zu „klonen“. Die mehrere Tausend Seiten umfassenden Spezifikationen, die Microsoft der Kommission auf die angefochtene Entscheidung hin übermittelt habe, ermöglichten es ihren Konkurrenten jedoch, bestimmte „Leistungsmerkmale“ der von ihr dank eigener Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen entwickelten Produkte zu kopieren. So wären Dritte z. B. aufgrund des Zugangs zum DRS (Directory Replication Service) in der Lage, ein Reverse Engineering anderer Teile des Windows-Betriebssystems vorzunehmen, die das Active Directory nutzten.

129    Schließlich habe die Kommission im Oktober 2005, also mehrere Monate nach der Beendigung des schriftlichen Verfahrens in der vorliegenden Rechtssache, Art. 5 der angefochtenen Entscheidung erneut dahin ausgelegt, dass die von Microsoft offenzulegenden Informationen es ihren Konkurrenten ermöglichen sollten, Systeme zu entwickeln, die den Windows-Betriebssystemen für Server funktional gleichwertig oder, anders ausgedrückt, mit ihnen „vollkommen austauschbar“ seien. Eine solche Auslegung von Art. 5 verpflichte Microsoft dazu, Informationen über die interne Arbeitsweise ihrer Windows-Betriebssysteme für Server zugänglich zu machen.

130    In der mündlichen Verhandlung hat Microsoft lange Ausführungen zum Konzept der „Multimaster Replikation“ gemacht und in diesem Zusammenhang Argumente vorgetragen, die in die gleiche Richtung wie die oben dargestellten gehen.

131    Microsoft hat insbesondere erläutert, dass in der Vergangenheit die Verzeichnisdienste von einem einzigen, sehr großen und teuren Server erbracht worden seien. Heute würden diese Dienste dagegen in der Regel von einer Vielzahl kleiner und billigerer Server übernommen, die sich an verschiedenen Orten befänden und untereinander zu einer Einheit verbunden seien; diese Einheit hat Microsoft auf verschiedenen in der mündlichen Verhandlung gezeigten Schaubildern mit einer „blauen Blase“ veranschaulicht. Sie hat ausgeführt, die Software, die auf den zu dieser „blauen Blase“ gehörenden Servern installiert und an der Erbringung der Verzeichnisdienste beteiligt sei, müsse die gleiche interne Logik aufweisen, damit die fraglichen Server als eine Einheit fungieren könnten. Jeder dieser Server müsse nämlich davon ausgehen, dass die anderen in genau der gleichen Weise auf eine bestimmte Abfrage reagierten. Überdies sei die Kommunikation zwischen Servern, die mit einem bestimmten Betriebssystem innerhalb der „blauen Blase“ arbeiteten, von ganz spezieller Art.

132    Das Konzept der „Multimaster Replikation“ ermögliche es, dass jede Änderung der Daten auf einem als Domänencontroller fungierenden und innerhalb der „blauen Blase“ befindlichen Server (z. B. die Änderung des Passworts eines Benutzers) sodann automatisch auf allen anderen Servern „repliziert“ werde, die als Domänencontroller fungierten und zur gleichen „blauen Blase“ gehörten.

133    Als erstem Unternehmen sei es Novell im Jahr 1993 gelungen, ein solches Konzept zu entwickeln. Bei dem in ihrem NetWare-Betriebssystem für Server gewählten Konzept könnten aber maximal 150 Domänencontroller innerhalb einer „blauen Blase“ in perfekt synchronisierter Weise arbeiten, während das von Active Directory im Serversystem Windows 2000 verwendete Konzept den gleichzeitigen Einsatz mehrerer Tausend Domänencontroller erlaube.

134    Ebenfalls in Zusammenhang mit ihren Ausführungen zum Konzept der „Multimaster Replikation“ hat Microsoft wiederholt, dass die angefochtene Entscheidung darauf angelegt sei, ihren Konkurrenten die Entwicklung von Server-Betriebssystemen zu ermöglichen, die ihren eigenen Windows-Betriebssystemen für Server funktional gleichwertig seien. Die Entscheidung ziele insbesondere darauf ab, dass Server, die Verzeichnisdienste erbrächten und auf denen ein mit Microsoft konkurrierendes Server-Betriebssystem installiert sei, bestehende Server, auf denen ein Windows-Betriebssystem für Server installiert sei, das Active Directory verwende, innerhalb einer „blauen Blase“ ersetzen könnten. Um ein solches Ergebnis erzielen zu können, müssten die mit Microsoft konkurrierenden Server-Betriebssysteme aber genauso funktionieren – und somit die gleiche interne Logik aufweisen – wie die Active Directory verwendenden Windows-Betriebssysteme für Server. Dies sei nur möglich, wenn ihre Konkurrenten über Informationen zur internen Funktionsweise ihrer Server-Betriebssysteme einschließlich bestimmter Algorithmen verfügten, also über Informationen, die weit über bloße Interoperabilitätsinformationen im Sinne der angefochtenen Entscheidung hinausgingen.

135    Eine Multimaster Replikation könne daher nicht zwischen Servern stattfinden, die unter Betriebssystemen verschiedener Anbieter arbeiteten. Beispielsweise könne ein Server, auf dem ein Betriebssystem von Sun installiert sei, nicht in eine „blaue Blase“ eingebunden werden, in der sich Server mit einem Betriebssystem von Novell oder mit Active Directory befänden. Da sich Active Directory auf Standardprotokolle wie das LDAP (Lightweight Directory Access Protocol) stütze, könne es allerdings innerhalb eines Computernetzwerks mit Verzeichnisdiensten arbeiten, die von konkurrierenden Server-Betriebssystemen stammten. Es spiele keine Rolle, ob die Interoperabilität zwischen zwei gesonderten Servern oder zwischen einem Server und einer zu einer „blauen Blase“ gehörenden Gruppe von Servern stattfinde.

136    Die Kommission weist das Vorbringen von Microsoft zurück.

137    Zunächst weist sie auf die Definition der Begriffe „Interoperabilitätsinformationen“ und „Protokoll“ in Art. 1 Abs. 1 und 2 der angefochtenen Entscheidung hin. In dieser Entscheidung werde Microsoft verpflichtet, eine als „Spezifikationen“ bezeichnete technische Dokumentation zur Verfügung zu stellen, in der diese Protokolle im Einzelnen beschrieben würden. Die Spezifikationen gäben an, „wie Nachrichten zu formatieren sind, wann sie zu senden sind, wie sie zu verstehen sind, was mit falschen Nachrichten zu geschehen hat usw.“ Diese technische Dokumentation sei vom Quellcode der Microsoft-Produkte zu unterscheiden. Ein Konkurrent, der ein Server-Betriebssystem entwickeln wolle, das die Microsoft-Protokolle „verstehe“, müsse sein Produkt mit einem Quellcode versehen, der die Spezifikationen dieser Protokolle implementiere. Zwei Programmierer, die dieselben Protokollspezifikationen implementierten, schrieben aber nicht denselben Quellcode, und die Leistungen ihrer Programme seien unterschiedlich (Randnrn. 24, 25, 698 und 719 bis 722 der angefochtenen Entscheidung). Unter diesem Gesichtspunkt könnten die Protokolle mit einer Sprache verglichen werden, deren Syntax und Vokabular die Spezifikationen seien, denn allein die Tatsache, dass zwei Personen die Syntax und das Vokabular ein und derselben Sprache lernten, bedeute nicht, dass sie davon auch denselben Gebrauch machten. Hinzu komme, dass „die Tatsache, dass zwei Produkte ihre Dienste mittels kompatibler Protokolle erbringen, nichts darüber aussagt, wie sie die Dienste erbringen“.

138    Die Kommission ist der Ansicht, Microsoft vertrete eine enge und mit der Richtlinie 91/250 unvereinbare Auslegung des Begriffs „Interoperabilität“. Wie die Randnrn. 749 bis 763 der angefochtenen Entscheidung zeigten, trage Microsoft kein neues, im Verwaltungsverfahren noch nicht geltend gemachtes Argument vor. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission ausgeführt, sie habe sich auf die genannte Richtlinie nicht nur zum Nachweis der Bedeutung der Interoperabilität im Softwaresektor gestützt, sondern auch zur Beurteilung des Interoperabilitätsbegriffs.

139    Die Kommission räumt im Übrigen ein, dass es ein breites Spektrum möglicher Interoperabilitätsgrade zwischen PCs mit Windows und den Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver gebe und dass eine „gewisse Interoperabilität“ mit der Windows-Domänenarchitektur bereits möglich sei. Sie habe nicht von vornherein ein bestimmtes Maß an Interoperabilität festgelegt, das für die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem Markt unerlässlich sei, sondern habe nach ihrer Untersuchung festgestellt, dass der Interoperabilitätsgrad, den die Konkurrenten mittels verfügbarer Methoden erzielen könnten, zu gering sei, um ihnen ein Überleben auf dem Markt zu ermöglichen. Wie der Abschnitt der angefochtenen Entscheidung, in dem dargelegt werde, dass „Interoperabilität der wichtigste Faktor für die Akzeptanz der Windows-Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver ist“ (Randnrn. 637 bis 665), gezeigt habe, ließen es die genannten Methoden nicht zu, „das von den Kunden benötigte Maß an Interoperabilität in wirtschaftlich tragfähiger Weise“ zu erreichen.

140    In der Gegenerwiderung fügt die Kommission hinzu, sie vertrete in der angefochtenen Entscheidung nicht die Auffassung, dass es unerlässlich sei, den Konkurrenten von Microsoft zu gestatten, deren „Interoperabilitätslösungen“ zu reproduzieren. Entscheidend sei, dass sie dank ihrer eigenen Innovationsbemühungen einen gleichwertigen Interoperabilitätsgrad erreichen könnten.

141    Schließlich ziele die angefochtene Entscheidung entgegen der Behauptung von Microsoft nicht darauf ab, dass die konkurrierenden Server-Betriebssysteme in jeder Hinsicht wie ein Windows-Betriebssystem für Server fungieren könnten und dass ihre Konkurrenten somit in der Lage seien, die Leistungsmerkmale ihrer Produkte zu „klonen“. Die angefochtene Entscheidung solle es den Konkurrenten vielmehr ermöglichen, Produkte zu entwickeln, die „anders arbeiten, aber in der Lage sind, Botschaften der betreffenden Microsoft-Produkte zu verstehen“. Die Interoperabilitätsinformationen, die Microsoft ihren Konkurrenten nach der angefochtenen Entscheidung geben müsse, ermöglichten es diesen nicht, genau die gleichen Produkte wie Microsoft herzustellen.

142    Hierzu hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, die Begriffe „functional equivalent“ und „functional clone“ seien zu unterscheiden. Ein „functional equivalent“ sei nicht ein System, das genau wie das von ihm ersetzte Windows-Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver funktioniere, sondern ein System, das in der Lage sei, unter den gleichen Bedingungen wie dieses Windows-Betriebssystem die passende Antwort auf eine bestimmte Abfrage zu geben und von einem Windows-Client-PC oder ‑Server die gleiche Reaktion auf seine Botschaften zu erhalten wie das Windows-Betriebssystem.

143    „Enge Kopplung“ und „lose Kopplung“ seien, insbesondere im Bereich der Betriebssystem-Software, keine klar definierten technischen Begriffe. Es treffe aber jedenfalls nicht zu, dass die in dem Bericht in Anlage A.9.2 zur Klageschrift angesprochenen „eng gekoppelten Schnittstellendetails“ eine Innovation seien.

144    Die von Microsoft im Verwaltungsverfahren vorgelegten Erklärungen von Kunden seien bereits in den Randnrn. 357, 358, 440 bis 444, 511, 513, 595, 602, 628 und 707 der angefochtenen Entscheidung kommentiert worden. Diese Erklärungen aus den Jahren 2000 und 2001 stammten im Wesentlichen von Unternehmen, die Windows weitgehend als „Standard“ für ihr Arbeitsgruppennetzwerk gewählt hätten. Zu den Mercer-Berichten sei bereits in Randnr. 645 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt worden, dass die darin analysierten Daten genau das Gegenteil dessen belegten, was Microsoft behaupte.

145     Zurückzuweisen sei auch das Argument, das Microsoft aus dem angeblichen Widerspruch zwischen der in Art. 5 der angefochtenen Entscheidung vorgesehenen Abhilfemaßnahme und dem in dieser Entscheidung zur Beurteilung der Relevanz „alternativer Interoperabilitätsmethoden“ herangezogenen Interoperabilitätsstandard ableite.

146    Es sei schwierig, den Sinn dieses Arguments zu verstehen. In den von Microsoft angeführten Abschnitten der Randnrn. 669 und 679 der angefochtenen Entscheidung würden keineswegs bestimmte Alternativlösungen zur Offenlegung von Interoperabilitätsinformationen mit der Begründung abgelehnt, dass sie es nicht ermöglichten, die Microsoft-Produkte – oder einige ihrer Merkmale – zu „klonen“. Dort werde lediglich festgestellt, dass diese Lösungen „einen geringeren Grad von Interoperabilität mit den vorherrschenden Microsoft-Produkten (eine geringere Fähigkeit, auf die Funktionen dieser Produkte zuzugreifen) bieten als das Angebot von Microsoft selbst“. Es gehe somit um die Fähigkeit, mit der Windows-Umgebung „zu arbeiten“.

147    Außerdem gehe aus den Randnrn. 568 bis 572, 740 und 749 bis 763 der angefochtenen Entscheidung klar hervor, dass sie nur die Offenlegung von Schnittstellenspezifikationen betreffe. Microsoft habe ihre Behauptung, dass Dritte, wenn sie Zugang zu bestimmten Spezifikationen ihrer Kommunikationsprotokolle erhielten, ein Reverse Engineering anderer Teile des Windows-Betriebssystems für Server, die Active Directory nutzten, vornehmen könnten.

148    In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission die Stichhaltigkeit der von Microsoft auf das Konzept der Multimaster Replikation gestützten Ausführungen in Abrede gestellt. Sie hat bekräftigt, dass die angefochtene Entscheidung insbesondere darauf abziele, dass Server, die mit einem anderen Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver als dem von Microsoft arbeiteten, in eine „blaue Blase“ einbezogen werden könnten, die aus Servern bestehe, auf denen ein Windows-Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver installiert sei; deshalb erstrecke sich die in Art. 5 der Entscheidung vorgesehene Offenlegungspflicht auch auf Informationen über die Kommunikation zwischen Servern innerhalb dieser „blauen Blase“. Falsch sei jedoch die Behauptung von Microsoft, dass dieses Ziel nur erreicht werden könne, wenn Informationen über die interne Arbeitsweise ihrer Produkte zugänglich gemacht würden.

149    Die SIIA hebt die wichtige Rolle der Interoperabilität im Softwaresektor hervor. Unbestreitbar werde der Tatsache, dass Computerprogramme mit den quasi-monopolistischen Produkten, um die es sich bei den Windows-Betriebssystemen für Client-PCs handele, interoperieren könnten, von den Verbrauchern sehr große Bedeutung beigemessen. Unter normalen Wettbewerbsbedingungen hätten die Softwareentwickler großes Interesse daran, die Interoperabilität zwischen ihren Produkten und den Produkten ihrer Konkurrenten zu fördern und Interoperabilitätsinformationen offenzulegen. Der Wettbewerb zwischen ihnen finde dann anhand „normaler“ Faktoren wie Preis und Sicherheit der Produkte, Verarbeitungsgeschwindigkeit oder innovativem Charakter bestimmter Funktionen statt. Microsoft nutze dagegen ihr Quasi-Monopol auf bestimmten Märkten mittels einer „Hebelwirkung“ (leveraging) auf angrenzenden Märkten. Genauer gesagt beschränke sie die Fähigkeit ihrer Konkurrenten, die Interoperabilität mit ihren quasi-monopolistischen Produkten herzustellen, indem sie sich nicht an die Standardprotokolle der Branche halte, sondern „geringfügige (und unnötige) Ergänzungen“ vornehme und sich dann weigere, ihren Konkurrenten Informationen über diese „erweiterten Protokolle“ zu liefern.

150    Falsch sei auch die Behauptung von Microsoft, dass die angefochtene Entscheidung es ihren Konkurrenten erlauben solle, Betriebssysteme für Server zu entwickeln, die in jeder Hinsicht wie ein Windows-Betriebssystem für Server funktionierten. Die angefochtene Entscheidung ziele darauf ab, es den mit Microsoft konkurrierenden Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver zu ermöglichen, mit den Windows-Betriebssystemen für Client-PCs und Arbeitsgruppenserver in gleicher Weise zu interoperieren wie die Windows-Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver.

 Würdigung durch das Gericht

151    Microsoft wirft mit ihren verschiedenen oben in den Randnrn. 118 bis 135 dargestellten Argumenten zwei Hauptfragen auf, die zum einen den von der Kommission im vorliegenden Fall zugrunde gelegten Interoperabilitätsgrad und zum anderen die Tragweite der in Art. 5 der angefochtenen Entscheidung vorgesehenen Abhilfemaßnahme betreffen.

152    Diese beiden Fragen hängen insofern miteinander zusammen, als – wie sich insbesondere aus Randnr. 998 der angefochtenen Entscheidung ergibt – Microsoft mit der Abhilfemaßnahme verpflichtet werden soll, sowohl Sun als auch ihren anderen Konkurrenten offenzulegen, was sie ihnen nach Ansicht der Kommission missbräuchlich vorenthalten hat. Die Tragweite der Abhilfemaßnahme muss folglich im Licht des Microsoft zur Last gelegten missbräuchlichen Verhaltens bestimmt werden, das wiederum vor allem von dem Interoperabilitätsgrad abhängt, von dem die Kommission in der angefochtenen Entscheidung ausgegangen ist.

153    Um über diese Fragen entscheiden zu können, ist zunächst auf eine Reihe tatsächlicher und technischer Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen. Die Kommission hat nämlich im Anschluss an die Prüfung insbesondere der Art und Weise, in der die Windows-Arbeitsgruppennetzwerke ausgestaltet sind, und der Verknüpfungen zwischen den verschiedenen Betriebssystemen innerhalb dieser Netzwerke den im vorliegenden Fall erforderlichen Interoperabilitätsgrad ermittelt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass Informationen in Bezug auf die Interoperabilität unerlässlich seien. Ferner ist vorab zu klären, auf welche Art von Informationen sich die angefochtene Entscheidung bezieht.

–       Tatsächliche und technische Feststellungen

154    In den Randnrn. 21 bis 59, 67 bis 106 und 144 bis 184 der angefochtenen Entscheidung trifft die Kommission eine Reihe tatsächlicher und technischer Feststellungen zu den relevanten Produkten und Technologien.

155    Einleitend ist anzumerken, dass Microsoft diese verschiedenen Feststellungen im Wesentlichen nicht bestreitet. Sie beruhen im Übrigen weitgehend auf Erklärungen von Microsoft im Verwaltungsverfahren, insbesondere in ihren Erwiderungen auf die drei Mitteilungen der Beschwerdepunkte, sowie auf Unterlagen und Berichten, die sie im Internet veröffentlicht hat. Zudem bestätigen die technischen Präsentationen der Sachverständigen der Parteien – auch der von Microsoft – in der mündlichen Verhandlung, dass diese Feststellungen zutreffen.

156    Erstens nimmt die Kommission nach einem Hinweis darauf, dass der Begriff „Interoperabilität“ von Fachleuten in verschiedenen Zusammenhängen verwendet werden könne, zunächst auf die Erwägungsgründe 10, 11 und 12 der Richtlinie 91/250 Bezug (Randnr. 32 der angefochtenen Entscheidung).

157    Diese Erwägungsgründe lauten:

„Die Funktion von Computerprogrammen besteht darin, mit den anderen Komponenten eines Computersystems und den Benutzern in Verbindung zu treten und zu operieren. Zu diesem Zweck ist eine logische und, wenn zweckmäßig, physische Verbindung und Interaktion notwendig, um zu gewährleisten, dass Software und Hardware mit anderer Software und Hardware und Benutzern wie beabsichtigt funktionieren können.

Die Teile des Programms, die eine solche Verbindung und Interaktion zwischen den Elementen von Software und Hardware ermöglichen sollen, sind allgemein als ‚Schnittstellen‘ bekannt.

Diese funktionale Verbindung und Interaktion ist allgemein als ‚Interoperabilität‘ bekannt. Diese Interoperabilität kann definiert werden als die Fähigkeit zum Austausch von Informationen und zur wechselseitigen Verwendung der ausgetauschten Informationen.“

158    Sodann führt die Kommission aus, Microsoft werfe ihr vor, im vorliegenden Fall einen Interoperabilitätsbegriff gewählt zu haben, der über die Definition in der Richtlinie 91/250 hinausgehe. Microsoft und sie seien sich jedoch darüber einig, dass „die Interoperabilität eine Frage des Grades ist und dass verschiedene Softwareprodukte in einem System (zumindest teilweise) ‚interoperieren‘, wenn sie Informationen austauschen und die ausgetauschten Informationen wechselseitig verwenden können“ (Randnr. 33 der angefochtenen Entscheidung).

159    Zweitens stellt die Kommission fest, dass die Computer in Unternehmen und Organisationen zunehmend in Verbindung mit anderen Computern in Netzwerken arbeiteten. Die Benutzer von Client-PCs verwendeten, je nach den speziellen Aufgaben, die sie durchführen wollten, sowohl die Kapazität ihres eigenen Client-PCs als auch die Kapazität leistungsfähigerer „Mehrbenutzerrechner“, der Server, auf die sie indirekt über ihren Client-PC zugriffen (Randnr. 47 der angefochtenen Entscheidung). Um einen leichten und effizienten Zugang zu den verschiedenen Ressourcen des Netzwerks zu gewährleisten, sei es zum einen erforderlich, dass die Anwendungen auf mehrere Computer verteilt seien, von denen jeder verschiedene miteinander zusammenwirkende Bestandteile beherberge, und zum anderen, dass die im Netzwerk miteinander verbundenen Computer in ein zusammenhängendes „verteiltes Rechnersystem“ eingebunden seien (Randnr. 48 der angefochtenen Entscheidung). Schließlich würde „[i]m Idealfall … ein solches verteiltes System die Komplexität der zugrunde liegenden Hard- und Software sowohl für den Nutzer als auch für die verteilten Anwendungen ‚transparent‘ (d. h. unsichtbar) machen, so dass sich die Nutzer und die Anwendungen leicht in dieser Komplexität zurechtfinden können, um auf die Rechenressourcen zuzugreifen“ (Randnr. 48 der angefochtenen Entscheidung).

160    Drittens hebt die Kommission hervor, dass sich die vorliegende Rechtssache auf die Arbeitsgruppenserver konzentriere, d. h. auf die grundlegenden Infrastrukturdienste, die Büroangestellte bei ihrer täglichen Arbeit nutzten (Randnr. 53 der angefochtenen Entscheidung). Sie nennt im Einzelnen folgende drei Gruppen von Diensten: erstens die gemeinsame Nutzung auf Servern gespeicherter Dateien, zweitens die gemeinsame Nutzung von Druckern und drittens die Verwaltung von Gruppen und Nutzern (Randnrn. 53 und 345). Die dritte Gruppe von Diensten solle insbesondere einen sicheren Zugang zu den Netzwerkressourcen und deren sichere Nutzung gewährleisten, indem u. a. zunächst die Nutzer authentifiziert würden und dann ihre Befugnis zur Durchführung einer bestimmten Aktion geprüft werde (Randnr. 54 der angefochtenen Entscheidung).

161    Diese verschiedenen Dienste seien im Übrigen eng miteinander verwoben und ließen sich deshalb weitgehend als „ein und derselbe Dienst“ aus zwei verschiedenen Perspektiven begreifen, nämlich derjenigen des Nutzers (Datei- und Druckdienste) und derjenigen des Netzverwalters (Verwaltung von Gruppen und Nutzern) (Randnrn. 56 und 176 der angefochtenen Entscheidung). Microsoft, die im Rahmen ihres Vorbringens zur Ausschaltung des Wettbewerbs geltend macht, dass die Kommission durch die Einbeziehung nur der drei oben genannten Gruppen von Diensten eine „künstlich enge“ Definition des relevanten Produktmarkts gewählt habe (siehe unten, Randnrn. 443 bis 449), bestreitet dagegen nicht, dass es solche Verbindungen zwischen den fraglichen Diensten gibt.

162    Im Licht dieser Gesichtspunkte definiert die Kommission die „Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver“ als Betriebssysteme, die entwickelt worden seien und vertrieben würden, um Dienste wie die gemeinsame Nutzung von Daten und Druckern sowie die Verwaltung von Gruppen und Nutzern gemeinsam für eine relativ begrenzte Zahl von Client-PCs zu erbringen, die an ein kleines oder mittelgroßes Netzwerk angeschlossen seien (Randnrn. 53 und 345 der angefochtenen Entscheidung). Sie führt insbesondere aus, zur effizienten Speicherung und Abfrage der Informationen über die Verwaltung von Gruppen und Nutzern stützten sich diese Betriebssysteme im Allgemeinen auf Verzeichnisdienst-Technologien (Randnr. 55 der angefochtenen Entscheidung).

163    Viertens prüft die Kommission die Art und Weise, in der die Interoperabilität in den Windows-Arbeitsgruppennetzwerken verwirklicht ist (Randnrn. 144 bis 184 der angefochtenen Entscheidung), d. h. in den „Gruppe[n] von Windows-Client-PCs [auf denen ein Windows-Betriebssystem für Client-PCs installiert ist] und Windows-Arbeitsgruppenservern [auf denen ein Windows-Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver installiert ist], die über ein Computernetzwerk miteinander verbunden sind“ (Art. 1 Nr. 7 der angefochtenen Entscheidung).

164    Dabei konzentriert sich die Kommission auf die Betriebssysteme der Generation Windows 2000 von Microsoft, wobei sie ausführt, dass die wesentlichen Merkmale dieser Systeme denen ihrer Nachfolger (der Betriebssysteme Windows XP Home Edition und Windows XP Professional für Client-PCs und des Betriebssystems Windows 2003 Server für Server) entsprächen (Fußnote 182 der angefochtenen Entscheidung).

165    Als ersten Schritt stellt die Kommission eine Reihe von Erwägungen zu den Gruppen- und Nutzerverwaltungsdiensten an (Randnrn. 145 bis 157 der angefochtenen Entscheidung). Sie führt aus, innerhalb der Windows-Arbeitsgruppennetzwerke seien die „Windows-Domänen“ das Herzstück zur Verwirklichung dieser Dienste, wobei sie diese Domänen als „Verwaltungseinheiten“ bezeichnet, über die die Windows-Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver die Client-PCs und die Arbeitsgruppenserver verwalteten (Randnrn. 145 und 146 der angefochtenen Entscheidung). Insbesondere verfüge jede „Ressource“ (Rechner, Drucker, Nutzer, Anwendung usw.) einer Windows-Domäne über ein „Domänenkonto“, und innerhalb einer Windows-Domäne gebe es eine „Einmalanmeldung“ der Nutzer (Single User Logon) in dem Sinne, dass ein Nutzer, der sich bei einer Ressource der Domäne (im Allgemeinen seinem Client-PC) anmelde, von allen anderen Ressourcen dieser Domäne „erkannt“ werde und seinen Namen und sein Passwort nicht erneut eingeben müsse (Randnr. 146 der angefochtenen Entscheidung).

166    Die Kommission unterstreicht die Bedeutung der Rolle, die innerhalb der Windows-Domänen die als „Domänencontroller“ bezeichneten Server im Gegensatz zu den übrigen Servern, den „Mitgliedsservern“, spielten (Randnr. 147 der angefochtenen Entscheidung). Die Domänencontroller hätten die Aufgabe, die Domänenkonten und die sie betreffenden Informationen zu speichern. Sie fungierten mit anderen Worten als „Schaltzentrale“ der Windows-Domäne (Randnr. 147 der angefochtenen Entscheidung).

167    Besonders hervorzuheben seien dabei die Schlüsselrolle von Active Directory und die Veränderungen, die die Einführung dieses „umfassenden Verzeichnisdienstes“ im Betriebssystem Windows 2000 Server in Bezug auf die Art und Weise, in der die Domänencontroller in den Windows-2000-Domänen miteinander verbunden seien, im Verhältnis zu den vorangegangenen Betriebssystemen für Windows-Server, d. h. zur Generation Windows NT, mit sich gebracht habe (Randnr. 149 der angefochtenen Entscheidung).

168    Das Betriebssystem Windows NT 4.0 habe über primäre Domänencontroller und über Backup-Domänencontroller verfügt. Bei diesem System hätten Änderungen an den Domänenkonten nur über den primären Domänencontroller vorgenommen werden können und seien dann in regelmäßigen Abständen automatisch auf alle Backup-Domänencontroller übertragen worden. In einer Windows-2000-Domäne seien dagegen alle Domänencontroller „gleichberechtigt“ (peers), so dass Änderungen der Domänen-Konten auf jedem von ihnen vorgenommen werden könnten und dann automatisch auf die übrigen Domänencontroller übertragen würden (Randnr. 150 der angefochtenen Entscheidung). Dies geschehe mittels bestimmter Synchronisations-Protokolle, die sich von den im Betriebssystem Windows NT 4.0 verwendeten Protokollen unterschieden.

169    Ein weiteres neues Merkmal der Windows-2000-Domänen bestehe darin, dass sie hierarchisch strukturiert werden könnten, indem „Bäume“ von Windows-2000-Domänen durch automatische Vertrauensbeziehungen miteinander verknüpft würden, wobei mehrere „Bäume“ ihrerseits durch Vertrauensbeziehungen zu einem „Wald“ verknüpft werden könnten (Randnr. 151 der angefochtenen Entscheidung). Die Windows-2000-Domänencontroller könnten als „Globalkatalogserver“ fungieren; dies bedeute, dass sie nicht nur Informationen über die Ressourcen speicherten, die den von ihnen kontrollierten Domänen zugewiesen seien, sondern auch eine „Zusammenfassung“ aller im „Wald“ verfügbaren Ressourcen, den „Globalkatalog“. Die im Globalkatalog gespeicherten Daten würden mittels verschiedener Protokolle aktualisiert.

170    Der Übergang von der Windows-NT‑Technologie zur Windows-2000-Technologie sei auch mit Änderungen in der Sicherheitsarchitektur der Windows-Arbeitsgruppennetzwerke verbunden gewesen (Randnrn. 152 bis 154 der angefochtenen Entscheidung). Insbesondere beruhe bei den Windows-2000-Domänen die Authentifizierung auf dem Kerberos-Protokoll und nicht mehr auf dem NTLM (NT LAN Manager)-Protokoll; dies habe eine Reihe von Vorteilen bei der Verbindungsgeschwindigkeit, der gegenseitigen Authentifizierung und der Verwaltung der Vertrauensbeziehungen. Das vom Kerberos-Protokoll vorgesehene „Key Distribution Centre“ sei „mit anderen auf dem Domänencontroller installierten Windows-2000-Sicherheitsdiensten integriert und nutzt das Active Directory der Domäne als Sicherheitskontendatenbank“ (Randnr. 153 der angefochtenen Entscheidung). Das in den Betriebssystemen Windows 2000 Professional und Windows 2000 Server implementierte Kerberos-Protokoll sei jedoch nicht die vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelte Standardversion, sondern eine von Microsoft „erweiterte“ Version (Randnrn. 153 und 154 der angefochtenen Entscheidung).

171    Schließlich sei von den übrigen durch den Übergang von der Windows-NT‑Technologie zur Windows-2000-Technologie und zu Active Directory herbeigeführten Änderungen die Tatsache zu erwähnen, dass eine Reihe von Funktionen sowohl in das Betriebssystem Windows 2000 Professional als auch in das Betriebssystem Windows 2000 Server integriert worden seien, um die Verwaltung der Windows-Client-PCs in den Windows-Domänen zu vereinfachen (Randnrn. 155 bis 157 der angefochtenen Entscheidung). Diese Funktionen – zu nennen seien insbesondere „Group Policy“ und „Intellimirror“ – seien in einer Windows-2000-Domäne, die von einem Windows-2000-Domänencontroller mithilfe von Active Directory verwaltet werde, „erheblich verbessert“ worden oder nur dort verfügbar (Randnr. 156 der angefochtenen Entscheidung). Microsoft habe erklärt, Group Policy sei „eine Funktion von Windows 2000 …, die es Administratoren ermöglicht, Gruppen von Benutzern, Computern, Anwendungen und anderen Netzwerkressourcen zentral statt individuell zu verwalten“. Gruppen könnten lokal, für einen bestimmten Computer oder für die gesamte Windows-Domäne definiert werden. Die Funktion Intellimirror, die nur in einer Windows-2000-Domäne verfügbar sei, ermögliche es den Benutzern, in ihrer eigenen „Arbeitsumgebung“ (Daten, Software usw.) mit ihren persönlichen Einstellungen zu arbeiten, unabhängig davon, ob sie an das Netzwerk angeschlossen seien und wo sie sich dort befänden (Randnr. 157 der angefochtenen Entscheidung).

172    Als zweiten Schritt stellt die Kommission eine Reihe von Erwägungen zu den Diensten für die gemeinsame Nutzung von Daten und Druckern an (Randnrn. 158 bis 164 der angefochtenen Entscheidung).

173    Sie führt insbesondere aus, moderne Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver unterstützten „verteilte Dateisysteme“; Ende der 1990er Jahre habe Microsoft ein solches System namens „Dfs“ (Distributed File System) in Form eines Zusatzprodukts auf den Markt gebracht, das auf Client-PCs und Servern unter Windows NT 4.0 habe installiert werden können. Windows 2000 sei die erste Generation von Microsoft-Produkten, die für Dfs sowohl bei Client-PCs als auch bei Arbeitsgruppenservern native Unterstützung biete (Randnrn. 161 bis 163 der angefochtenen Entscheidung).

174    Unter Windows 2000 könne Dfs entweder als „Stand-alone“ oder „domänenbasiert“ installiert werden; der letztgenannte Modus, der eine Reihe von Vorteilen beim „intelligenten“ Abruf der Dfs-Informationen von Client-PCs biete, sei aber nur in Windows-Domänen verfügbar und werde durch den Einsatz von Domänencontrollern, auf denen Active Directory laufe, noch weiter verbessert (Randnr. 164 der angefochtenen Entscheidung).

175    Als dritten Schritt erläutert die Kommission, dass Microsoft ihre eigenen Technologien für „verteilte objektbasierte Systeme“ entwickelt habe, darunter COM (Component Object Model) und DCOM (Distributed Component Object Model) (Randnr. 166 der angefochtenen Entscheidung). Die beiden letztgenannten Technologien seien eng miteinander verknüpft; COM, das sowohl in den Windows-Betriebssystemen für Client-PCs als auch in den Windows-Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver implementiert werde, verbinde diese beiden Betriebssysteme zu einer konsistenten Plattform für verteilte Anwendungen (Randnr. 166 der angefochtenen Entscheidung). In ihrer Erwiderung auf die dritte Mitteilung der Beschwerdepunkte habe Microsoft erklärt, dass COM „die Hauptgrundlage der Architektur der Microsoft-Betriebssysteme [bildet], was zur Folge hat, dass viele Schnittstellen in Windows COM-basiert sind“ (Randnr. 167 der angefochtenen Entscheidung). Insbesondere bezögen viele Interaktionen zwischen Client-PCs und Active Directory auf Servern, auf denen ein Windows-Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver installiert sei, COM/DCOM ein. Das DCOM-Protokoll werde überdies in Client/Server-Kommunikationen einbezogen, die von Windows-Servern benutzt würden, um Windows-Client-PCs Authentifizierungs- oder Datei-Dienste zu erbringen (Randnr. 167 der angefochtenen Entscheidung).

176    Als vierten Schritt erläutert die Kommission, dass Microsoft in vielfältiger Weise die „natürliche Migration“ ihrer Windows-NT‑Betriebssysteme zu ihren Windows-2000-Betriebssystemen fördere, sowohl bei den Kunden als auch bei den Softwareentwicklern (Randnrn. 168 bis 175 der angefochtenen Entscheidung).

177    So könne in einer Windows-Domäne bei Computern, auf denen ältere Windows-Versionen installiert seien, ein „Upgrade“ vorgenommen werden, bei dem sie nach Windows 2000 „migrierten“, ohne Active Directory zu verwenden. Die Kunden könnten die Vorteile des Upgrade allerdings nur dann voll nutzen, wenn sie eine Windows-2000-Domäne mit Active Directory in „nativem Modus“ installierten, was die „Migration“ sämtlicher Domänencontroller der betreffenden Domäne nach Windows 2000 und Active Directory erfordere. Außerdem müssten die Arbeitsgruppenserver der Domäne, die nicht als Domänencontroller genutzt würden, mit Windows 2000 kompatibel sein (was insbesondere voraussetze, dass sie das Kerberos-Protokoll in seiner durch Microsoft erweiterten Version unterstützten). Sei eine Windows-2000-Domäne im „gemischten Modus“ installiert (d. h., dass der primäre Domänencontroller nach Windows 2000 „migriert“ sei, während einige Backup-Domänencontroller noch unter Windows NT betrieben würden), dann komme der Benutzer nicht in den Genuss aller erweiterten Funktionen dieser Domäne. Insbesondere gehe ihm der größte Teil der zusätzlichen Flexibilität verloren, die Active Directory bei der Verwaltung von Nutzergruppen biete. Sobald der Benutzer seinen primären Domänencontroller auf den „nativen Modus“ umgestellt habe, sei er nicht mehr in der Lage, einen nur mit der Microsoft-Produktgeneration Windows NT 4.0 interoperablen Server (einschließlich der Arbeitsgruppenserver, auf denen andere als Microsoft-Systeme installiert seien) als Domänencontroller einzusetzen.

178    Die Softwareentwickler würden von Microsoft nachhaltig ermuntert, die neuen Funktionen der Windows-2000-Betriebssysteme und insbesondere Active Directory zu nutzen; dies geschehe namentlich durch die von Microsoft geschaffenen Zertifizierungsprogramme (Randnrn. 171 bis 175 der angefochtenen Entscheidung).

179    Als fünften Schritt zieht die Kommission eine Reihe von Schlüssen (Randnrn. 176 bis 184 der angefochtenen Entscheidung).

180    Sie wiederholt zunächst, dass im Rahmen der Windows-Technologien Dienste wie die gemeinsame Nutzung von Daten und Druckern sowie die Verwaltung von Gruppen und Nutzern den Nutzern von Windows-Client-PCs als „Gesamtheit miteinander verknüpfter Dienste“ zur Verfügung gestellt würden. Sie veranschaulicht dies mit dem Hinweis darauf, dass in einer Windows-2000-Domäne „Server Message Block (SMB)-Clients und ‑Server, auf denen das [Dfs] aufsetzt, [DCOM], LDAP-Authentifizierung … allesamt automatisch Kerberos [von Microsoft] zur Authentifizierung“ nutzten (Randnr. 176 der angefochtenen Entscheidung). Neben der Authentifizierung hänge der Autorisierungsprozess von der Fähigkeit ab, die „Zugangskontrolllisten“ („Access Control Lists“, ACL) zu generieren, modifizieren und interpretieren, was eine Kommunikation mit den Domänencontrollern der betreffenden Domäne voraussetze (Randnr. 176 der angefochtenen Entscheidung).

181    Sodann stellt die Kommission fest, dass die Windows-Arbeitsgruppenserver, um den Benutzern von Client-PCs ihre Dienste „in transparenter Form“ zur Verfügung stellen zu können, spezifische Teile des Software-Codes im Windows-Betriebssystem für Client-PCs nutzten (Randnr. 177 der angefochtenen Entscheidung). Insbesondere habe Microsoft hierzu erklärt, dass „Dfs über eine lokale Komponente verfügt, die selbst dann läuft, wenn ein Client[-PC] unter Windows 2000 Professional im Standalone-Modus betrieben wird“, und dass „Windows 2000 Professional einen Client-Code enthält, der für den Zugriff auf das Active Directory genutzt werden kann“ (Randnr. 177 der angefochtenen Entscheidung). Auch in einem von der Microsoft Press veröffentlichten Buch mit dem Titel „Understanding Active Directory Services“ heiße es: „Active Directory ist vollständig – und häufig unsichtbar – in den [Windows-Client-PC] integriert“ (Randnr. 177 der angefochtenen Entscheidung).

182    Die Kommission hebt hervor, dass die Vernetzung und Interaktion mit dem Quellcode des Betriebssystems Windows 2000 Professional jedoch nicht allein aus dem Blickwinkel des Verhältnisses zwischen einem bestimmten Windows-Arbeitsgruppenserver und einem bestimmten Windows-Client-PC betrachtet werden dürfe. Es sei vielmehr zutreffender, diese Vernetzung und Interaktion als Interoperabilität innerhalb eines Computersystems zu beschreiben, das aus mehreren Windows-Client-PCs und mehreren Windows-Arbeitsgruppenservern bestehe, die alle in einem Netzwerk miteinander verbunden seien. Interoperabilität innerhalb eines solchen Computersystems habe somit zwei untrennbare Bestandteile, und zwar Client/Server-Interoperabilität und Server/Server-Interoperabilität (Randnr. 178 der angefochtenen Entscheidung).

183    In vielen Fällen bestehe zudem „Symmetrie zwischen der Server/Server-Vernetzung und Interaktion und der Client/Server-Vernetzung und Interaktion“ (Randnr. 179 der angefochtenen Entscheidung). Beispielsweise sei das gleiche „Application Program Interface“ (API), und zwar ADSI (Active Directory Service Interface), sowohl im Betriebssystem Windows 2000 Professional für Client-PCs als auch im Betriebssystem Windows 2000 Server für Server implementiert, um den Zugang zu den Domain-Controllern des Active Directory zu verwalten. Ein weiteres Beispiel sei die Tatsache, dass in einer Windows-Domäne das von Microsoft erweiterte Kerberos-Protokoll zur Authentifizierung sowohl zwischen einem Windows-Client-PC und einem Windows-Arbeitsgruppenserver als auch zwischen mehreren Windows-Arbeitsgruppenservern verwendet werde.

184    Unter bestimmten Umständen könnten „Server Anfragen eines Client-PCs an andere Server richten“ (Randnr. 180 der angefochtenen Entscheidung). Ein Beispiel hierfür sei die „Kerberos-Delegierung“, eine im Betriebssystem Windows 2000 Server vorhandene Funktion, die es einem Server ermögliche, die Identität eines Client-PCs anzunehmen und für diesen Client-PC von einem anderen Server einen Dienst zu verlangen. So würden Server recht häufig Anfragen an andere Server richten und damit als Client-PCs handeln (vgl. auch Fußnote 51 der angefochtenen Entscheidung).

185    In einigen Fällen setze die Kommunikation zwischen Client und Server voraus, dass zuvor eine bestimmte Kommunikation zwischen Servern stattgefunden habe. Wenn zum Beispiel in einer Windows-2000-Domäne ein Client-PC unter Windows 2000 Professional eine Anfrage an den Domänencontroller richte, erfordere dies „eine gewisse vorbereitende Koordination zwischen den Domänencontrollern unter Windows 2000 Server“ (Randnr. 181 der angefochtenen Entscheidung). Dazu gehöre beispielsweise, „dass die Domänencontroller eine vollständige Kopie der Daten des Active Directory halten, die durch Synchronisierungsprotokolle kontinuierlich aktualisiert werden, und dass die Globalkatalogserver in der Lage sind, Informationen über Computer innerhalb des ‚Waldes‘, aber außerhalb ihrer Domäne zu speichern, was durch verschiedene mit dem Globalkatalog zusammenhängende Protokolle ermöglicht wird“ (Randnr. 181 der angefochtenen Entscheidung). In solchen Fällen sei die Kommunikation zwischen Servern mit der Kommunikation zwischen Client und Server „logisch verknüpft“, da sie zu deren Vorbereitung diene.

186    Aus allen vorstehenden Gesichtspunkten – die Microsoft im Wesentlichen nicht bestreitet und deren Richtigkeit durch die technischen Präsentationen in der mündlichen Verhandlung weitgehend bestätigt wurde – folgt, dass – wie die Kommission in Randnr. 182 der angefochtenen Entscheidung zu Recht ausführt – die Windows-Arbeitsgruppennetzwerke auf einer Architektur von sowohl Client/Server- als auch Server/Server-Querverbindungen und ‑Interaktionen basieren und dass diese Architektur – die die Kommission als „Windows-Domänenarchitektur“ bezeichnet – einen „transparenten Zugriff“ auf die zentralen Dienste der Arbeitsgruppenserver gewährleistet.

187    Diese verschiedenen Gesichtspunkte belegen auch, dass – wie in der Entscheidung mehrfach festgestellt wird (vgl. insbesondere die Randnrn. 279 und 689) – die genannten Querverbindungen und Interaktionen eng miteinander verknüpft sind.

188    Das ordnungsgemäße Funktionieren der Windows-Arbeitsgruppennetzwerke beruht mit anderen Worten sowohl auf den Client/Server-Kommunikationsprotokollen – die naturgemäß in den Windows-Betriebssystemen für Client-PCs und in den Windows-Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver implementiert werden – als auch auf den Server/Server-Kommunikationsprotokollen. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, stellen sich die Server/Server-Kommunikationsprotokolle bei zahlreichen Aufgaben de facto als „Erweiterungen“ der Client/Server-Kommunikationsprotokolle dar. In bestimmten Fällen tritt ein Server gegenüber einem anderen Server als Client-PC auf (siehe oben, Randnr. 184). Desgleichen ist es zwar richtig, dass bestimmte Kommunikationsprotokolle nur in Windows-Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver implementiert werden; gleichwohl sind sie in funktioneller Hinsicht mit den Client-PCs verknüpft. Die Kommission verweist insoweit auf die den Globalkatalog betreffenden Protokolle sowie auf die Synchronisierungs- und Replikationsprotokolle zwischen Domänencontrollern, ohne dass Microsoft dem widerspricht.

189    Die Kommission kommt daher völlig zu Recht zu dem Ergebnis, dass die „gemeinsame Fähigkeit zur Integration in [die Windows-Domänenarchitektur] … ein Bestandteil der Kompatibilität zwischen Windows-Client-PCs und Windows-Arbeitsgruppenservern“ sei (Randnr. 182 der angefochtenen Entscheidung).

190    Schließlich ist die wichtige Rolle zu beachten, die die Verzeichnisdienste auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver spielen. Microsoft selbst führt in der Erwiderung aus, dass auf diesem Markt „der Verzeichnisdienst ein zum großen Teil für den Erfolg bestimmter Produkte verantwortliches Schlüsselelement des Wettbewerbs“ sei. Sie hebt insbesondere hervor, dass „Active Directory … das Herzstück der Windows-Betriebssysteme für Server“ sei, wobei sie zuvor angegeben hatte, es sei „[s]owohl für Daten- und Druckdienste als auch für die Verwaltung von Nutzern und Gruppen … wichtig, genau zu wissen, welcher Nutzer Zugang zu welchen Netzwerkressourcen haben darf“.

191    Active Directory speichert alle Informationen über Netzwerkobjekte und ermöglicht ihre zentrale Verwaltung. Es schließt alle Funktionen der Nutzerverwaltung und ‑authentifizierung sowie der Zugangskontrolle ein und gewährleistet damit die Sicherheit der Informationen. Überdies verwendet Active Directory das Konzept der Multimaster Replikation.

–       Zur Art der in der angefochtenen Entscheidung behandelten Informationen

192    Die erste Microsoft zur Last gelegte missbräuchliche Verhaltensweise besteht darin, dass sie sich von Oktober 1998 bis zum Zeitpunkt der Zustellung der angefochtenen Entscheidung geweigert habe, ihren Konkurrenten Interoperabilitätsinformationen zur Verfügung zu stellen und deren Nutzung für die Entwicklung und den Vertrieb von Produkten zu gestatten, die mit Microsoft-Produkten auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver konkurrierten (Art. 2 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung).

193    Um dem abzuhelfen, hat die Kommission Microsoft u. a. Folgendes aufgegeben (Art. 5 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung):

„Microsoft … stellt binnen einer Frist von 120 Tagen ab Zustellung [der angefochtenen] Entscheidung allen Unternehmen, die ein Interesse daran haben, Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver zu entwickeln und zu vertreiben, Interoperabilitätsinformationen zur Verfügung und gestattet diesen Unternehmen unter vernünftigen und nicht diskriminierenden Bedingungen die Nutzung der Interoperabilitätsinformationen für die Entwicklung und den Vertrieb von Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver.“

194    Es ist darauf hinzuweisen, wie die Kommission die wesentlichen für den vorliegenden Fall relevanten Begriffe definiert hat.

195    In Art. 1 Nr. 1 der angefochtenen Entscheidung definiert sie die „Interoperabilitätsinformationen“ als die „vollständigen und genauen Spezifikationen für alle Protokolle, die in Windows-Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver implementiert und von Windows-Arbeitsgruppenservern genutzt werden, um den Windows-Arbeitsgruppennetzwerken Daten- und Druckdienste sowie Gruppen- und Nutzerverwaltungsdienste einschließlich der Dienste Windows-Domänenkontrolle, Active Directory und Group Policy zur Verfügung zu stellen“.

196    Unter „Protokollen“ versteht die Kommission Regelwerke für die gegenseitige Verbindung und Interaktion zwischen verschiedenen Softwareelementen innerhalb eines Netzes (Randnr. 49 der angefochtenen Entscheidung). Die Protokolle, um die es im vorliegenden Fall speziell geht, definiert sie als „ein Regelwerk für die gegenseitige Verbindung und Interaktion zwischen mehreren Windows-Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver und Windows-Client-PC‑Betriebssystemen, die in einem Windows-Arbeitsgruppennetzwerk auf verschiedenen Rechnern installiert sind“ (Art. 1 Nr. 2 der angefochtenen Entscheidung).

197    Microsoft erhebt keine Einwände gegen die Definition des Begriffs „Protokolle“ durch die Kommission. In der Klageschrift beschreibt sie die Protokolle vielmehr selbst so, dass sie „Computern, die durch ein Netzwerk miteinander verbunden sind, den Austausch von Informationen zur Erfüllung vorher festgelegter Aufgaben“ ermöglichten. In einem ihrer Stellungnahme zu den Streithilfeschriftsätzen beigefügten Gutachten eines ihrer Sachverständigen, Herrn Madnick, trifft sie zwar eine Unterscheidung zwischen zwei Gruppen von Kommunikationsprotokollen, nämlich „einfachen“ und „komplexen“, wobei sie das Dfs-Protokoll zur zweiten Gruppe zählt (Anlage I.3 [Madnick, „Response to Mr. Ronald S. Alepin’s Annex on Interoperability and the FSFE’s Submission“]). Mit dieser Unterscheidung will sie jedoch nicht die Stichhaltigkeit der oben genannten Definition in Frage stellen, sondern nur darlegen, dass die komplexen Protokolle die Interaktionen zwischen verschiedenen ähnlichen Elementen eines Netzwerks regeln, die in enger Abstimmung einen gemeinsamen Dienst erbringen, und dass sie viel detailliertere und werthaltigere Informationen „offenbaren“ als die einfachen Protokolle.

198    Der Begriff „Spezifikationen“ wird im verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung nicht definiert. Es besteht jedoch Einigkeit darüber, dass die Spezifikationen eine Form eingehender technischer Dokumentation sind, was im Übrigen dem allgemeinen Verständnis dieses Begriffs im Bereich der Informatik entspricht.

199    In Randnr. 24 der angefochtenen Entscheidung hebt die Kommission hervor, dass zwischen „Spezifikationen“ und „Implementierung“ wie folgt zu unterscheiden sei: „Die Spezifikation beschreibt, was das Softwareprodukt leisten muss, während sich die Implementierung auf den tatsächlichen Code bezieht, der auf dem Computer laufen wird“ (vgl. in diesem Sinne auch Randnr. 570 der angefochtenen Entscheidung). Die Spezifikationen beschreiben mit anderen Worten die Schnittstellen, mittels deren ein bestimmter Bestandteil eines Computersystems einen anderen Bestandteil desselben Systems nutzen kann. Sie beschreiben insbesondere in sehr abstrakter Weise, welche Funktionen verfügbar sind und nach welchen Regeln sie aufgerufen und entgegengenommen werden können.

200    In Randnr. 571 der angefochtenen Entscheidung erläutert die Kommission, dass es möglich sei, Schnittstellenspezifikationen zur Verfügung zu stellen, ohne Implementierungsdetails offenzulegen. Dabei handele es sich um eine gängige Praxis im Informatiksektor, insbesondere bei der Aufstellung offener Standards für die Interoperabilität (vgl. hierzu auch Randnr. 34 der angefochtenen Entscheidung). Auch die SIIA hat sich in ihrem Streithilfeschriftsatz in diesem Sinne geäußert.

201    Mehrere Gesichtspunkte bestätigen die Richtigkeit dieser verschiedenen Angaben. Zum einen wird die von der Kommission angeführte Praxis durch eine Reihe in der Entscheidung erwähnter – und von Microsoft nicht bestrittener – Beispiele bestätigt, und zwar insbesondere durch die „POSIX 1“-Spezifikationen (Randnrn. 42 und 88), die „Java“-Spezifikationen (Randnr. 43), die Spezifikationen des Protokolls der Kerberos Version 5 (Randnr. 153), die Spezifikationen des von Sun entwickelten NFS (Network File System)-Protokolls (Randnr. 159) und die von der Object Management Group entwickelten „CORBA“-Spezifikationen (Randnr. 165). Zum anderen führt die Kommission in Randnr. 571 der angefochtenen Entscheidung aus, dass im Rahmen des aufgrund des US-amerikanischen Vergleichs aufgelegten MCPP die Lizenzinhaber nicht Zugang zum Quellcode von Microsoft erhalten hätten, sondern zu den Spezifikationen der relevanten Protokolle.

202    Microsoft stellt im Übrigen auch die oben angesprochene Unterscheidung zwischen „Spezifikationen“ und „Implementierung“ nur ganz beiläufig in Frage, denn sie beschränkt sich in Fn. 74 der Klageschrift darauf, allgemein auf ein der Kommission im Verwaltungsverfahren vorgelegtes und der Klageschrift (als Anlage A.12.2) beigefügtes Gutachten ihrer Sachverständigen Madnick und Nichols zu verweisen. Aus den oben in den Randnrn. 94 und 97 dargelegten Gründen ist das Gericht der Ansicht, dass dieses Gutachten nicht berücksichtigt werden kann. Überdies ist jedenfalls festzustellen, dass die Ausführungen in dem Gutachten zum großen Teil auf der falschen Prämisse beruhen, dass der von der Kommission im vorliegenden Fall verlangte Interoperabilitätsgrad bedeute, dass die Konkurrenten von Microsoft in der Lage sein müssten, die Produkte von Microsoft oder einige ihrer Funktionen zu reproduzieren oder zu klonen (siehe unten, Randnrn. 234 bis 249).

203    Im Übrigen hebt die Kommission in der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich hervor, dass die Microsoft zur Last gelegte missbräuchliche Weigerung allein die Spezifikationen bestimmter Protokolle betreffe und nicht den Quellcode (vgl. insbesondere Randnrn. 568 bis 572 der angefochtenen Entscheidung).

204    In gleicher Weise betont die Kommission mehrfach, dass sie Microsoft keineswegs aufgeben wolle, ihren Konkurrenten den Quellcode offenzulegen. So führt sie in Randnr. 999 der angefochtenen Entscheidung aus: „Durch die Verwendung des Begriffs ‚Spezifikationen‘ wird klargestellt, dass von Microsoft nicht verlangt werden sollte, ihre eigene Umsetzung dieser Spezifikationen, d. h. ihren eigenen Quellcode, offenzulegen.“ Ebenso heißt es in Randnr. 1004 der angefochtenen Entscheidung, dass darin „nicht vorgesehen [ist], die Offenlegung des Windows-Quellcode zwingend vorzuschreiben, da dies für die Entwicklung interoperabler Produkte nicht notwendig ist“. Weiter heißt es dort: „Die Anordnung zur Offenlegung erstreckt sich lediglich auf die Schnittstellen-Spezifikationen.“

205    In einem der Erwiderung als Anlage C.4 beigefügten Gutachten mit dem Titel „Innovation in Communication Protocols that Microsoft is ordered to license to its server operating system competitors“ (Innovation bei Kommunikationsprotokollen, für die Microsoft ihren Konkurrenten bei Server-Betriebssystemen eine Lizenz erteilen muss) unterscheidet Herr Lees, einer der Sachverständigen von Microsoft, selbst zwischen „den für die Kommunikation zwischen Servern verwendeten Protokollen und … den internen Algorithmen/Entscheidungsregeln jedes Servers“, bevor er feststellt, dass es die Protokolle seien, die nach Art. 5 der angefochtenen Entscheidung offengelegt werden müssten. Herr Lees konzentriert sich in seinem Gutachten auf das für das Konzept der Multimaster Replikation verwendete DRS-Protokoll und führt aus, es stelle eines der zahlreichen Kommunikationsprotokolle dar, die Microsoft ihren Konkurrenten nach der angefochtenen Entscheidung zugänglich machen müsse.

206    Die Informationen, auf die sich die angefochtene Entscheidung bezieht, stellen folglich eine eingehende technische Beschreibung bestimmter Regeln für die gegenseitige Verbindung und Interaktion dar, die in einem Windows-Arbeitsgruppennetzwerk für die Erbringung von Arbeitsgruppendiensten gelten. Diese Beschreibung erstreckt sich nicht auf die Art und Weise der Umsetzung der genannten Regeln durch Microsoft, d. h. insbesondere die interne Struktur oder den Quellcode ihrer Produkte.

–       Zu dem von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung verlangten Interoperabilitätsgrad

207    Die Kommission hat ein zweistufiges Verfahren gewählt, um zu ermitteln, ob die fraglichen Informationen unerlässlich waren. Zunächst hat sie geprüft, welchen Grad an Interoperabilität mit der Windows-Domänenarchitektur die Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver der Konkurrenten von Microsoft erreichen mussten, um sich auf dem Markt behaupten zu können. Sodann hat sie geprüft, ob die Interoperabilitätsinformationen, zu denen Microsoft den Zugang verweigerte, für die Erreichung dieses Interoperabilitätsgrads unerlässlich waren.

208    Das Gericht wird sich nachfolgend mit dem von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung verlangten Interoperabilitätsgrad befassen. Es wird jedoch in diesem Stadium nicht auf die Frage eingehen, ob die Kommission zu der Annahme berechtigt war, dass sich die Konkurrenten von Microsoft nur auf dem Markt behaupten konnten, wenn ihre Produkte diesen Interoperabilitätsgrad zu erreichen vermochten. Diese Frage wird zusammen mit den übrigen Aspekten der oben dargelegten Argumentation der Kommission im Rahmen der Prüfung der geltend gemachten Unerlässlichkeit der fraglichen Informationen geprüft (siehe unten, Randnrn. 369 bis 436).

209    Zu Beginn sind die Argumente der Parteien kurz zusammenzufassen.

210    Microsoft teilt die Auffassung der Kommission, dass „die Interoperabilität eine Frage des Grades ist“ (Randnr. 33 der angefochtenen Entscheidung).

211    Sie hält jedoch den von der Kommission im vorliegenden Fall verlangten Interoperabilitätsgrad für unangebracht, da er über das Konzept der „vollen Interoperabilität“ im Sinne der Richtlinie 91/250 hinausgehe. Dieses Konzept – das sie auch als „Multianbieter-Interoperabilität“ bezeichnet – setze nur voraus, dass die Betriebssysteme verschiedener Entwickler gemeinsam „ordnungsgemäß arbeiten“ könnten.

212    Im Einzelnen macht Microsoft geltend, die Kommission wolle in Wirklichkeit, dass die konkurrierenden Server-Betriebssysteme in jeder Hinsicht wie ein Windows-Betriebssystem für Server arbeiten könnten. Sie verwendet in diesem Zusammenhang die Begriffe „plug replacement“, „plug-replaceability“, „drop-in“, „functional equivalent“ und „functional clone“ und trägt vor, ein solcher Interoperabilitätsgrad könne nur erreicht werden, wenn ihren Konkurrenten gestattet werde, ihre Produkte (oder deren Merkmale) zu klonen oder zu reproduzieren, und wenn ihnen Informationen über die interne Arbeitsweise ihrer Produkte mitgeteilt würden.

213    Schließlich führt Microsoft aus, dass die Multianbieter-Interoperabilität mittels bereits auf dem Markt verfügbarer Methoden erreicht werden könne.

214    Den vorstehend wiedergegebenen Standpunkt hat Microsoft während des gesamten Verwaltungsverfahrens vertreten.

215    So trägt sie in ihrer Erwiderung vom 17. November 2000 auf die erste Mitteilung der Beschwerdepunkte vor, der von der Kommission verlangte Interoperabilitätsgrad stehe nicht in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht und existiere auf dem Markt nicht. Unter Berufung insbesondere auf den zehnten Erwägungsgrund (in der englischen und der französischen Fassung) der Richtlinie 91/250 führt sie aus, dass „die volle Interoperabilität für einen Entwickler von Betriebssystemen für Server erreicht ist, wenn auf sämtliche Funktionen seines Programms von einem Windows-Betriebssystem für Client-PCs zugegriffen werden kann“ (Randnr. 143 der Erwiderung; vgl. auch Randnr. 751 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission definiere die Interoperabilität fälschlich viel weiter, indem sie die Ansicht vertrete, dass Interoperabilität zwischen zwei Software-Produkten nur dann vorliege, wenn alle Funktionen beider Produkte ordnungsgemäß einsetzbar seien. Dies laufe auf „plug-replaceability“ oder „cloning“ hinaus (Randnr. 144 der Erwiderung). Microsoft rügt, dass sich die Kommission damit dem Standpunkt von Sun anschließe, wonach es möglich sein müsse, in einem aus Windows-Client-PCs bestehenden Computernetzwerk eines Unternehmens einen unter Windows 2000 laufenden Server durch einen Server zu ersetzen, auf dem ein Solaris-Betriebssystem installiert sei, ohne dass dies zu einer Verringerung der Funktionen führe, auf die die Benutzer zugreifen könnten (Randnrn. 145 und 162 der Erwiderung). Um volle Interoperabilität herbeizuführen, genüge es, dass Microsoft die von den Windows-Betriebssystemen für Client-PCs in Anspruch genommenen Schnittstellen offenlege, die die Entwickler konkurrierender Betriebssysteme benötigten, um die Funktionen dieser Systeme für die Benutzer von Windows-Client-PCs verfügbar zu machen.

216    In ihrer Erwiderung vom 16. November 2001 auf die zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte wiederholt Microsoft im Wesentlichen die gleiche Argumentation wie in ihrer Erwiderung auf die erste Mitteilung der Beschwerdepunkte und macht geltend, die Einwände der Kommission beruhten auf einer „unzutreffenden Definition der Interoperabilität“ (Randnrn. 149 bis 163 der Erwiderung). Sie führt in diesem Zusammenhang nochmals aus, dass die Richtlinie 91/250 keine „plug-replaceability“ verlange, sondern eine volle Interoperabilität, und dass die von ihr bereits offengelegten Informationen genügten, um dies zu erreichen.

217    In ihrer Erwiderung vom 17. Oktober 2003 auf die dritte Mitteilung der Beschwerdepunkte hat Microsoft im Wesentlichen in gleicher Weise argumentiert und wiederholt, dass nach Ansicht der Kommission ihre Konkurrenten Zugang zu allen Informationen erhalten müssten, die erforderlich seien, um „Kopien der Windows-Betriebssysteme für Server“ zu erstellen, und dass sie damit Interoperabilität mit Nachbau gleichsetze (S. 29 bis 32 der Erwiderung). Sie führt aus: „Interoperabilität [betrifft] die Verfügbarkeit ausreichender Informationen über die von Windows-Betriebssystemen für Client[‑PC]s und für Server in Anspruch genommenen Schnittstellen, damit die Produkte der Konkurrenten mit diesen Windows-Betriebssystemen für Client[‑PC]s und für Server auf jede Weise arbeiten können, in der die Konkurrenzprodukte arbeiten sollen“ (S. 29 der Erwiderung). Sie fügt hinzu: „Microsoft war sich von Anfang an mit der Kommission darüber einig, dass ein wettbewerbsrechtliches Problem auftreten könnte, wenn die Konkurrenten nicht in der Lage wären, Server-Betriebssysteme zu entwickeln, deren Funktionen von Windows-Betriebssystemen für Client[‑PC]s aus nicht voll zugänglich sind“ (S. 63 der Erwiderung). Die Kommission habe jedoch in keiner ihrer drei Mitteilungen der Beschwerdepunkte dargetan, dass es ein solches Problem gebe.

218    Die Kommission vertritt dagegen den Standpunkt, dass der in der angefochtenen Entscheidung verwendete Interoperabilitätsbegriff mit dem in der Richtlinie 91/250 vorgesehenen Begriff in Einklang stehe. Sie weist insbesondere die unidirektionale Auslegung dieses Begriffs durch Microsoft zurück.

219    Die Kommission räumt ein, dass eine gewisse Interoperabilität mit der Windows-Domänenarchitektur bereits möglich sei; ihre Untersuchung habe aber ergeben, dass der Interoperabilitätsgrad, der mit den verfügbaren Methoden erreicht werden könne, zu gering sei, um den Konkurrenten von Microsoft das Überleben auf dem Markt zu ermöglichen (Fußnote 712 der angefochtenen Entscheidung).

220    In den Windows-Arbeitsgruppennetzwerken seien die Client/Server-Interoperabilität und die Server/Server-Interoperabilität eng miteinander verbunden; damit eine volle Interoperabilität zwischen einem Windows-Client-PC und einem Server mit einem nicht von Microsoft stammenden Betriebssystem erreicht werden könne, müsse Microsoft Zugang sowohl zu den Client/Server-Kommunikationsprotokollen als auch zu den Server/Server-Kommunikationsprotokollen gewähren (Randnrn. 177 bis 182 und 689 der angefochtenen Entscheidung), einschließlich der „reinen“ Server/Server-Protokolle, die nicht auf dem Client-PC implementiert seien, aber „funktionell mit [ihm] in Verbindung stehen“ (Randnrn. 277, 567 und 690 der angefochtenen Entscheidung).

221    Die angefochtene Entscheidung ziele nicht darauf ab, dass die Konkurrenten von Microsoft Produkte entwickelten, die in jeder Hinsicht wie ein Windows-Betriebssystem für Server funktionierten. Sie solle es vielmehr ermöglichen, „Konkurrenzprodukte zu schaffen, die anders arbeiten, aber in der Lage sind, die von den betreffenden Microsoft-Produkten übermittelten Botschaften zu verstehen“. Die fraglichen Interoperabilitätsinformationen würden somit von den Konkurrenten von Microsoft nicht genutzt, um genau die gleichen Produkte wie Microsoft zu entwickeln, sondern zur Entwicklung verbesserter Produkte mit einem „Mehrwert“.

222    Das Gericht stellt erstens fest, dass sich Microsoft und die Kommission nach den vorstehenden Ausführungen darüber streiten, ob der in der angefochtenen Entscheidung verwendete Interoperabilitätsbegriff mit dem in der Richtlinie 91/250 vorgesehenen Begriff in Einklang steht.

223    In den Randnrn. 749 bis 763 der angefochtenen Entscheidung legt die Kommission ausführlich dar, aus welchen Gründen sie die unidirektionale Auslegung des Interoperabilitätsbegriffs durch Microsoft für unzutreffend hält.

224    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Microsoft in ihren Schriftsätzen kein Argument vorträgt, das geeignet ist, die dahin gehende Beurteilung der Kommission in Frage zu stellen. Sie führt lediglich unter Bezugnahme auf bestimmte Abschnitte ihrer Erwiderungen auf die zweite und die dritte Mitteilung der Beschwerdepunkte aus: „Die [angefochtene] Entscheidung verwendet einen völlig anderen als den in der … Richtlinie [91/250] dargelegten … Interoperabilitätsbegriff“ (Nr. 95 der Klageschrift).

225    Sodann ist festzustellen, dass der in der angefochtenen Entscheidung verwendete Interoperabilitätsbegriff – wonach Interoperabilität zwischen zwei Software-Produkten bedeutet, dass sie zum Austausch von Informationen und zur wechselseitigen Verwendung der ausgetauschten Informationen fähig sind, die es ermöglichen soll, dass jedes Produkt voll und ganz wie vorgesehen funktioniert – mit der Richtlinie 91/250 in Einklang steht.

226    Wie die Kommission in den Randnrn. 752 bis 754, 759 und 760 der angefochtenen Entscheidung erläutert, lässt sich aus dem zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 91/250 – sei es seine englische oder seine französische Fassung – die von Microsoft vertretene unidirektionale Auslegung nicht ableiten. Wie die Kommission in Randnr. 758 der angefochtenen Entscheidung zutreffend hervorhebt, kommt in diesem Erwägungsgrund vielmehr klar zum Ausdruck, dass die Interoperabilität dem Wesen nach ein bidirektionales Verhältnis impliziert, denn dort heißt es: „Die Funktion von Computerprogrammen besteht darin, mit den anderen Komponenten eines Computersystems … in Verbindung zu treten und zu operieren.“ Desgleichen wird im zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie 91/250 die Interoperabilität definiert als „die Fähigkeit zum Austausch von Informationen und zur wechselseitigen Verwendung der ausgetauschten Informationen“.

227    Es ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass es in dieser Rechtssache um eine Entscheidung geht, die in Anwendung von Art. 82 EG ergangen ist, also einer höherrangigen Norm als der Richtlinie 91/250. Im vorliegenden Fall stellt sich nicht die Frage, ob der in der angefochtenen Entscheidung verwendete Interoperabilitätsbegriff mit dem in der Richtlinie 91/250 vorgesehenen Begriff in Einklang steht, sondern die Frage, ob die Kommission den Interoperabilitätsgrad, der im Hinblick auf die Zielsetzungen von Art. 82 EG erreichbar sein müsste, korrekt bestimmt hat.

228    Zweitens erinnert das Gericht daran, dass die Kommission bei der Beurteilung des Interoperabilitätsgrads darauf abgestellt hat, was ihres Erachtens erforderlich war, um es den Entwicklern mit Microsoft konkurrierender Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver zu ermöglichen, auf dem Markt zu überleben (vgl. insbesondere Fußnote 712 und Randnr. 779 der angefochtenen Entscheidung).

229    Die Richtigkeit dieser Vorgehensweise kann nicht bestritten werden. Art. 82 EG betrifft nämlich das Verhalten eines oder mehrerer Wirtschaftsteilnehmer, das in der missbräuchlichen Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtstellung besteht, die es dem betreffenden Wirtschaftsteilnehmer erlaubt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Konkurrenten, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten (Urteil des Gerichtshofs vom 16. März 2000, Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, C‑395/96 P und C‑396/96 P, Slg. 2000, I‑1365, Randnr. 34). Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Feststellung des Vorliegens einer beherrschenden Stellung zwar für sich genommen keinen Vorwurf gegenüber dem betreffenden Unternehmen bedeutet; gleichwohl trägt es unabhängig von den Ursachen für eine solche Stellung eine besondere Verantwortung dafür, dass es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb im Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt (Urteil des Gerichtshofs vom 9. November 1983, Michelin/Kommission, 322/81, Slg. 1983, 3461, Randnr. 57, und Urteil des Gerichts vom 7. Oktober 1999, Irish Sugar/Kommission, T‑228/97, Slg. 1999, II‑2969, Randnr. 112). Ist im vorliegenden Fall erwiesen, dass der bestehende Interoperabilitätsgrad es den Entwicklern mit Microsoft konkurrierender Server-Betriebssysteme nicht ermöglicht, auf dem Markt für diese Betriebssysteme zu überleben, dann folgt daraus, dass die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf diesem Markt beeinträchtigt wird.

230    Aus der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass die Kommission, als sie diese Vorgehensweise wählte und sich dabei auf eine tatsächliche und technische Analyse der betroffenen Produkte und Technologien sowie der Art und Weise stützte, in der die Interoperabilität in den Windows-Arbeitsgruppennetzwerken verwirklicht wird, die Ansicht vertrat, dass konkurrierende Betriebssysteme, um mit den Windows-Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver nachhaltig in Wettbewerb treten zu können, in der Lage sein müssten, mit der Windows-Domänenarchitektur zu den gleichen Bedingungen wie die Windows-Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver zu interoperieren (vgl. in diesem Sinne insbesondere Randnrn. 182 und 282 der angefochtenen Entscheidung).

231    Die damit von der Kommission geforderte Interoperabilität hat zwei untrennbare Bestandteile, und zwar zum einen die Client/Server-Interoperabilität und zum anderen die Server/Server-Interoperabilität (Randnrn. 177 bis 182 und 689 der angefochtenen Entscheidung).

232    Die Kommission ist ferner der Ansicht, dass ein mit Microsoft konkurrierendes Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver, wenn es auf einem Server innerhalb eines Windows-Arbeitsgruppennetzwerks installiert werde, nicht nur in der Lage sein müsse, den Windows-Client-PCs alle seine Funktionen zu bieten, sondern auch dazu, alle Funktionen dieser Client-PCs zu nutzen.

233    Angesichts dieser verschiedenen Gesichtspunkte vertritt die Kommission insbesondere die Auffassung, dass ein Server, auf dem ein mit Microsoft konkurrierendes Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver installiert sei, innerhalb einer Windows-Domäne, die Active Directory verwende, als Domänencontroller und nicht nur als Teilserver agieren können müsse und dass er folglich fähig sein müsse, mit den anderen Domänencontrollern an der Multimaster Replikation teilzunehmen.

234    Für das Gericht lässt sich entgegen dem Vorbringen von Microsoft aus dem somit von der Kommission herangezogenen Interoperabilitätsgrad nicht ableiten, dass sie in Wirklichkeit erreichen will, dass die konkurrierenden Server-Betriebssysteme in jeder Hinsicht wie ein Windows-Betriebssystem für Server arbeiten können und dass die Konkurrenten von Microsoft somit in die Lage versetzt werden sollen, deren Produkte oder bestimmte Produktmerkmale zu klonen oder zu reproduzieren.

235    Die insoweit von Microsoft erhobenen Vorwürfe beruhen auf einem Fehlverständnis der angefochtenen Entscheidung.

236    Hierzu ist festzustellen, dass mit der angefochtenen Entscheidung nach ihrer Randnr. 1003 „gewährleistet werden [soll], dass die Konkurrenten von Microsoft Produkte entwickeln können, die mit der im marktbeherrschenden Windows-Betriebssystem für Client-PCs nativ unterstützten Windows-Domänenarchitektur interoperieren und daher nachhaltig mit dem Arbeitsgruppenserver-Betriebssystem von Microsoft konkurrieren“.

237    Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung näher erläutert hat, setzt die Verwirklichung dieses Ziels voraus, dass die konkurrierenden Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver fähig sind, eine bestimmte Botschaft von einem Windows-Betriebssystem für Client-PCs oder Arbeitsgruppenserver zu empfangen und die erforderliche Antwort auf diese Botschaft unter den gleichen Bedingungen wie ein Windows-Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver zu geben, und dass die Windows-Betriebssysteme für Client-PCs oder Arbeitsgruppenserver auf diese Antwort ebenso reagieren, wie wenn sie von einem Windows-Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver kommen würde.

238    Damit dies geschehen kann, müssen die mit Microsoft konkurrierenden Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver aber nicht intern in genau der gleichen Weise arbeiten wie die Windows-Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver.

239    Zu diesen verschiedenen Erwägungen stehen die von Microsoft angeführten Abschnitte der Randnrn. 669 und 679 der angefochtenen Entscheidung (siehe oben, Randnr. 126) nicht in Widerspruch. Im erstgenannten Abschnitt beschränkt sich die Kommission auf die Feststellung, dass der Grad an Interoperabilität mit der Windows-Domänenarchitektur, der von den mit Microsoft konkurrierenden Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver mittels der Standardprotokolle erreicht werden könne, geringer sei als der von den Windows-Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver erreichte Grad. Im zweiten Abschnitt führt die Kommission lediglich aus, dass die mit Microsoft konkurrierenden Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver die Möglichkeiten der Windows-Betriebssysteme für Client-PCs und Arbeitsgruppenserver nur in geringerem Umfang nutzen könnten als die Windows-Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver.

240    Im gleichen Kontext ist das Vorbringen von Microsoft zurückzuweisen, wonach die angefochtene Entscheidung darauf abziele, dass ihre Konkurrenten genau die gleichen Produkte entwickelten wie die Windows-Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver. Wie nachfolgend in den Randnrn. 653 bis 658 bei der Prüfung des das Auftreten eines neuen Produkts betreffenden Umstands näher ausgeführt wird, besteht das von der Kommission verfolgte Ziel darin, das für die Konkurrenten von Microsoft im unzulänglichen Interoperabilitätsgrad mit der Windows-Domänenarchitektur bestehende Hindernis zu beseitigen, um es ihnen zu ermöglichen, Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver anzubieten, die sich von den Microsoft-Produkten in wichtigen Parametern wie insbesondere Sicherheit, Zuverlässigkeit, Verarbeitungsgeschwindigkeit oder der Neuartigkeit bestimmter Funktionen unterscheiden.

241    Ferner ist darauf hinzuweisen, dass – wie Microsoft selbst im Übrigen in ihren Schriftsätzen ausdrücklich einräumt (vgl. z. B. Nrn. 14 und 48 der Erwiderung) – der Zugang zu den Interoperabilitätsinformationen, auf die sich die angefochtene Entscheidung bezieht, ihre Konkurrenten nicht in die Lage versetzen wird, Produkte zu entwickeln, die Nachbauten oder Reproduktionen der Windows-Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver darstellen. Wie oben in den Randnrn. 192 bis 206 ausgeführt, erstrecken sich diese Informationen nicht auf Elemente des Quellcodes von Microsoft. Insbesondere wird sie durch Art. 5 der angefochtenen Entscheidung nicht dazu verpflichtet, ihren Konkurrenten Implementierungsdetails offenzulegen.

242    Hinzu kommt, dass – wie ebenfalls nachfolgend in Randnr. 658 bei der Prüfung des das Auftreten eines neuen Produkts betreffenden Umstands näher ausgeführt wird, die Konkurrenten von Microsoft gar kein Interesse daran hätten, genau die gleichen Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver wie Microsoft zu entwickeln.

243    Nicht gefolgt werden kann auch dem Vorbringen von Microsoft, aus den von ihr im Verwaltungsverfahren vorgelegten Erklärungen von Unternehmen ergebe sich, dass schon ein hoher Interoperabilitätsgrad zwischen den Windows-Betriebssystemen für Client-PCs und Server einerseits und den konkurrierenden Betriebssystemen für Server andererseits bestehe, der mittels auf dem Markt bereits verfügbarer Methoden erzielt worden sei.

244    Hierzu genügt die Feststellung, dass die fraglichen Erklärungen bereits in der angefochtenen Entscheidung umfassend geprüft wurden (vgl. insbesondere Randnrn. 357, 358, 440 bis 444, 511, 513, 595, 598, 602, 628, 702 und 707) und dass Microsoft kein konkretes Argument vorträgt, das belegen könnte, dass die Kommission sie fehlerhaft gewürdigt hätte. Wie die Kommission in Randnr. 707 der angefochtenen Entscheidung hervorhebt, betreffen diese Erklärungen im Wesentlichen Einrichtungen, die für ihre Arbeitsgruppen-Netzwerke in weitem Umfang eine „Windows-Lösung“ gewählt hatten.

245    Das Vorbringen von Microsoft, aus den Mercer-Berichten gehe hervor, dass die Unternehmen die Server-Betriebssysteme nicht anhand ihrer Interoperabilität mit den Windows-Betriebssystemen für Client-PCs und Server auswählten, trifft nicht zu, wie nachfolgend in den Randnrn. 401 bis 412 näher dargelegt wird.

–       Zur Tragweite von Art. 5 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung

246    Art. 5 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung betrifft die vollständigen und genauen Spezifikationen für alle Protokolle, die in den Windows-Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver implementiert und von den Servern, auf denen diese Systeme installiert sind, genutzt werden, um den Windows-Arbeitsgruppennetzwerken Arbeitsgruppendienste zur Verfügung zu stellen.

247    Wie sich aus den technischen und tatsächlichen Feststellungen in den obigen Randnrn. 154 bis 191 ergibt, basiert das ordnungsgemäße Funktionieren der Windows-Arbeitsgruppennetzwerke auf einer Architektur von sowohl Client/Server- als auch Server/Server-Querverbindungen und ‑Interaktionen.

248    Daher führt die Kommission in Randnr. 999 der angefochtenen Entscheidung aus, dass die dort vorgesehene Offenlegungspflicht „sowohl die unmittelbare Querverbindung und Interaktion zwischen einem Windows-Arbeitsgruppenserver und einem Windows-Client-PC als auch die mittelbare Querverbindung und Interaktion zwischen ihnen über einen oder mehrere andere Windows-Arbeitsgruppenserver“ einschließe.

249    Die Spezifikationen, die Microsoft erstellen und ihren Konkurrenten offenlegen muss, betreffen sowohl die Client/Server-Kommunikationsprotokolle, die in den Windows-Betriebssystemen für Client-PCs und in den Windows-Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver implementiert werden, als auch die Server/Server-Kommunikationsprotokolle.

250    Im Übrigen sollen die Informationen, die Microsoft ihren Konkurrenten nach Art. 5 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung offenlegen muss, es insbesondere den Rechnern, auf denen die Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver ihrer Konkurrenten installiert sind, ermöglichen, innerhalb einer Windows-Domäne mit Active Directory die Rolle eines Teilservers oder des Domänencontrollers zu übernehmen und damit an der Multimaster Replikation teilzunehmen. Die in dieser Bestimmung vorgesehene Abhilfemaßnahme betrifft also insbesondere die Kommunikation zwischen Servern innerhalb der „blauen Blase“.

251    Die geschilderte Tragweite von Art. 5 der angefochtenen Entscheidung ergibt sich aus einer Reihe von Erwägungen in der Entscheidung, insbesondere in den Randnrn. 194 bis 198, 206, 564 und 690.

252    So erwähnt die Kommission in den Randnrn. 194 bis 198 der angefochtenen Entscheidung neben anderen Beispielen für Interoperabilitätsinformationen, die Microsoft weder Sun noch ihren Konkurrenten offenlege, bestimmte Informationen in Bezug auf den von Active Directory verwendeten Replikationsmechanismus.

253    In Randnr. 206 der angefochtenen Entscheidung weist die Kommission ausdrücklich das Vorbringen von Microsoft in ihrer Erwiderung vom 16. November 2001 auf die zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte zurück, wonach „die Replikations- und Globalkatalogfunktionen von Active Directory nichts mit der Interoperabilität zu tun haben“. Sie führt hierzu aus, dass „ein Domänencontroller in einer Active-Directory-Domäne (nativer Modus) … die in Active Directory gespeicherten Daten mit den im Active Directory anderer Domänencontroller gespeicherten Daten mit Hilfe bestimmter Synchronisierungsprotokolle“ repliziere. Sie fügt hinzu, mittels anderer Protokolle, deren Spezifikationen Interoperabilitätsinformationen darstellten, würden die Daten des Globalkatalogs zwischen Domänencontrollern des „Waldes“ ausgetauscht.

254    Ebenso wird in Randnr. 564 der angefochtenen Entscheidung im Zusammenhang mit der Tatsache, dass Microsoft „bei ihrer Weigerung geblieben“ sei, nachdem sie die Beschwerde von Sun und die drei Mitteilungen der Beschwerdepunkte der Kommission erhalten habe, auf die Randnrn. 194 ff. verwiesen.

255    Überdies führt die Kommission in Randnr. 690 der angefochtenen Entscheidung aus, dass sich das MCPP „nicht mit der hier in Rede stehenden allgemeineren Frage befasst“, da es sich insbesondere nicht auf „reine“ Server/Server-Protokolle erstrecke, die aber funktionell mit dem Client-PC in Verbindung stünden; dazu gehörten „Replikationsprotokolle oder Datenaustausch über den Globalkatalog“.

256    Hinzuzufügen ist, dass Microsoft die Tragweite von Art. 5 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung im gleichen Sinne versteht. So beruft sie sich in der Klageschrift zum Nachweis des innovativen Charakters der Kommunikationsprotokolle, über die sie ihren Konkurrenten Informationen zukommen lassen muss, gerade auf die von Active Directory verwendete Multimaster Replikation (vgl. insbesondere das Gutachten von Herrn Campbell-Kelly mit dem Titel „Commentary on Innovation in Active Directory“ in Anlage A.20 zur Klageschrift). Desgleichen stützt sie sich in der Erwiderung zu diesem Zweck hauptsächlich auf das DRS-Protokoll, das von Active Directory u. a. für Replikationsfunktionen verwendet wird (vgl. insbesondere das oben in Randnr. 205 angeführte Gutachten von Herrn Lees). Herr Lees führt in seinem Gutachten u. a. aus, dass das von Microsoft geschaffene DRS-Protokoll eine Reihe neuer Merkmale aufweise, die er wie folgt beschreibt: „Es kann Aktualisierungen von vielen Servern zugleich kombinieren, es ist mit dem standardmäßigen Domain Naming Service (DNS)-Protokoll (für die Namensgebung) und dem Kerberos-Protokoll (für die gegenseitige Authentifizierung) verknüpft, es übermittelt Informationen darüber, wie ein bestimmtes Unternehmen seinen Verzeichnisdienst strukturiert hat, es übermittelt Informationen über die Rolle, die bestimmte Server bei der Verwaltung des Verzeichnisdienstes spielen, und es überträgt automatisch Aktualisierungen des Verzeichnisses zwischen den Servern.“ Nach den Angaben von Herrn Lees ist das DRS-Protokoll nur eines von vielen Kommunikationsprotokollen, die Microsoft ihren Konkurrenten nach der angefochtenen Entscheidung offenlegen muss. Er nennt ferner folgende Protokolle: Microsoft Remote Procedure Call (MSRPC), Network Authentication (Kerberos extensions), Dfs und File Replication Service (FRS).

257    Schließlich ist festzustellen, dass die oben dargelegte Tragweite von Art. 5 der angefochtenen Entscheidung auch die von Sun im Schreiben vom 15. September 1998 verlangten Informationen umfasst. Wie nachstehend in den Randnrn. 737 bis 749 näher erläutert wird, bezog sich das Ersuchen von Sun namentlich darauf, dass ihr Solaris-Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver in der Lage sein sollte, in Windows-2000-Arbeitsgruppennetzwerken als voll kompatibler Domänencontroller oder als ein mit der Windows-Domänenarchitektur voll kompatibler Teilserver (insbesondere als Datei- oder Druckserver) zu fungieren.

258    Überdies ist das Vorbringen von Microsoft als unbegründet zurückzuweisen, dass die Tragweite der in Art. 5 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung vorgesehenen Abhilfemaßnahme nicht mit dem „Interoperabilitätsstandard“ in Einklang stehe, den die Kommission heranziehe, wenn sie die Relevanz der „alternativen Interoperabilitätsmethoden“ beurteile (siehe oben, Randnrn. 125 bis 129).

259    Dieses Vorbringen beruht nämlich auf der unzutreffenden Annahme, die Kommission verstehe unter Interoperabilität, dass die Konkurrenten von Microsoft in der Lage sein müssten, ihre Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver in genau der gleichen Weise wie die Windows-Betriebssysteme arbeiten zu lassen, und sie wolle es den Konkurrenten von Microsoft ermöglichen, deren Systeme zu „klonen“ (siehe oben, Randnrn. 234 bis 242).

260    Der von der Kommission in ihren Schriftsätzen zu dem im vorliegenden Fall erforderlichen Interoperabilitätsgrad und zur Tragweite der in Art. 5 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung vorgesehenen Abhilfemaßnahme vertretene Standpunkt entspricht zudem entgegen dem Vorbringen von Microsoft genau ihrem Standpunkt in der angefochtenen Entscheidung. Microsoft kann sich auch nicht auf Erklärungen stützen, die die Streithelfer bei der Anhörung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes abgegeben haben sollen, um der Kommission eine bestimmte Auslegung der angefochtenen Entscheidung zuzuschreiben. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung die Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts der Gemeinschaft anhand der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erlasses zu würdigen ist (Urteile des Gerichtshofs vom 7. Februar 1979, Frankreich/Kommission, 15/76 und 16/76, Slg. 1979, 321, Randnrn. 7 und 8, und des Gerichts vom 12. Dezember 1996, Altmann u. a./Kommission, T‑177/94 und T‑377/94, Slg. 1996, II‑2041, Randnr. 119).

261    Schließlich ist auch die von Microsoft in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Argumentation, die sich auf das Konzept der Multimaster Replikation und der „blauen Blase“ stützt, als unbegründet zurückzuweisen.

262    Mit dieser Argumentation versucht Microsoft nachzuweisen, dass das Ziel der angefochtenen Entscheidung nur dann vollständig erreicht werden könne, wenn sie ihren Konkurrenten bestimmte Informationen über die interne Funktionsweise ihrer Server-Betriebssysteme und insbesondere Algorithmen zugänglich mache; dies gehe über die in der Entscheidung genannten Informationen hinaus. Die Argumentation von Microsoft beruht darauf, dass ein unter einem konkurrierenden Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver laufender Domänencontroller nur dann in eine aus Domänencontrollern, auf denen ein Windows-Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver mit Active Directory installiert sei, bestehende „blaue Blase“ aufgenommen werden könne, wenn diese verschiedenen Betriebssysteme dieselbe interne Logik aufwiesen.

263    Erstens weist Microsoft aber nicht nach, dass ihre Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver und die Systeme ihrer Konkurrenten, um gemeinsam innerhalb der „blauen Blase“ arbeiten zu können, zwingend dieselbe interne Logik aufweisen müssen.

264    Zweitens ist auch nicht erwiesen, dass – selbst wenn eine solche Übereinstimmung erforderlich wäre – dies zwangsläufig bedeuten würde, dass Microsoft ihren Konkurrenten Informationen über die interne Funktionsweise ihrer Produkte und insbesondere Algorithmen übermitteln muss. Insoweit ist daran zu erinnern, dass einer der Sachverständigen von Microsoft in einem der Erwiderung beigefügten Gutachten bei Ausführungen zum DRS-Protokoll, das für das Konzept der Multimaster Replikation verwendet wird, selbst zwischen „den für die Kommunikation zwischen Servern verwendeten Protokollen“ und den „internen Algorithmen/Entscheidungsregeln jedes Servers“ unterscheidet, bevor er feststellt, dass es die Protokolle seien, die nach Art. 5 der angefochtenen Entscheidung offengelegt werden müssten (siehe oben, Randnr. 205).

265    Drittens ist es hinsichtlich des von Microsoft in der mündlichen Verhandlung speziell angeführten Algorithmus „Intersite Topology“ durchaus möglich, wie die Kommission ebenfalls in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, dass die Konkurrenten nur in der Lage sein müssen, einen Algorithmus zu verwenden, der zum gleichen Ergebnis wie der genannte führt. Microsoft müsste mit anderen Worten keine Informationen über die Implementierung dieses Algorithmus in ihren Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver geben, sondern könnte sich auf eine allgemeine Beschreibung des Algorithmus beschränken und es ihren Konkurrenten überlassen, ihre eigene Implementierung dafür zu entwickeln.

266    Aus dem Vorstehenden folgt, dass keine Unstimmigkeit zwischen der Tragweite von Art. 5 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung und dem von der Kommission in dieser Entscheidung herangezogenen „Interoperabilitätsstandard“ besteht.

c)     Zu dem Vorbringen, dass die Kommunikationsprotokolle von Microsoft durch Rechte des geistigen Eigentums geschützt würden

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

267    Microsoft trägt zunächst eine Reihe von Argumenten vor, um nachzuweisen, dass ihre Kommunikationsprotokolle technologisch innovativ seien. Sie würden oft im Rahmen der Erfüllung spezieller Aufgaben durch Server-Betriebssysteme entwickelt und seien eng mit der Art und Weise der Erfüllung dieser Aufgaben verbunden. Die Erteilung von Lizenzen für diese Kommunikationsprotokolle würde daher zwangsläufig bedeuten, dass den Konkurrenten Informationen über die internen Merkmale der Server-Betriebssysteme übermittelt würden, mit denen die Protokolle genutzt würden. Für die Entwicklung und Verbesserung der Kommunikationsprotokolle würden eine Vielzahl von Ingenieuren und erhebliche finanzielle Mittel eingesetzt.

268    Im Anschluss an den Hinweis, dass die Verzeichnisdienste einen wesentlichen Wettbewerbsfaktor auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver darstellten, hebt Microsoft speziell den innovativen Charakter von Active Directory hervor. Insoweit verweist sie auf eine von einem ihrer Sachverständigen, Herrn Campbell-Kelly, verfasste Note, in der er die Innovationen beschreibt, die Active Directory aufweise, und insbesondere „seine Methode, sich auf verschiedenen Servern in einem Computernetzwerk selbst zu replizieren“ (Anlage A.20 zur Klageschrift). Sie verweist ferner auf das Gutachten von Herrn Lees in Anlage C.4 zur Erwiderung (siehe oben, Randnrn. 205 und 256), in dem dieser die innovativen Aspekte eines der von Active Directory verwendeten Protokolle, des DRS-Protokolls, beschreibe, zu dem sie ihren Konkurrenten nach der angefochtenen Entscheidung Informationen übermitteln müsse. Schließlich verweist Microsoft auf Anlage C.8.1 zur Erwiderung, in der einer ihrer Ingenieure, Herr Hirst, eine Reihe von Spezifikationen des von Active Directory verwendeten Konzepts der Multimaster Replikation beschreibe, die sie aufgrund der angefochtenen Entscheidung habe erstellen müssen.

269    Sodann macht Microsoft zahlreiche Argumente geltend, die belegen sollen, dass ihre Kommunikationsprotokolle durch Rechte des geistigen Eigentums geschützt würden.

270    Erstens führt sie aus, die innovativen Aspekte dieser Kommunikationsprotokolle seien patentierbar. Sie habe dafür in Europa und den Vereinigten Staaten mehrere Patente erhalten, und etwa 20 Patentanträge liefen noch. Im Übrigen bestätigten zwei von Herrn Knauer, einem auf Patentrecht spezialisierten Anwalt, erstellte Gutachten (Anlage A.21 zur Klageschrift und Anlage C.6 zur Erwiderung), dass Art. 5 der angefochtenen Entscheidung sie zur Erteilung von Patentlizenzen zwinge.

271    Zweitens trägt Microsoft vor, die Spezifikationen der Server/Server-Kommunikationsprotokolle, die sie nach der angefochtenen Entscheidung erstellen und ihren Konkurrenten offenlegen müsse, seien urheberrechtlich geschützt.

272    In der Erwiderung geht Microsoft auf die Frage des urheberrechtlichen Schutzes aus zwei verschiedenen Blickwinkeln ein. Zum einen nimmt sie auf die Begriffe „erzwungene Erstellung“ und „erzwungene Veröffentlichung“ Bezug und macht geltend, ohne die dahin gehende Anordnung in der angefochtenen Entscheidung hätte sie die fraglichen Spezifikationen weder entwickelt noch ihren Konkurrenten Lizenzen dafür erteilt. Zum anderen wirft sie unter Berufung auf Art. 4 der Richtlinie 91/250 die Frage der „Bearbeitung oder Umarbeitung urheberrechtlich geschützter Werke“ auf. Sie führt insbesondere aus, ein Konkurrent, der die genannten Spezifikationen verwende, damit sein Server-Betriebssystem mit den die Arbeitsgruppendienste erbringenden Teilen des Windows-Betriebssystems für Server interoperieren könne, schaffe damit kein „selbständiges Werk“.

273    Drittens macht Microsoft geltend, die Kommunikationsprotokolle seien wertvolle Geschäftsgeheimnisse. Sie führt hierzu insbesondere aus, sie lege ihre Client/Server-Kommunikationsprotokolle nur aufgrund von Lizenzvereinbarungen offen, die zur Vertraulichkeit verpflichteten und in denen anerkannt werde, dass sie der Eigentümer dieser Technologie sei. Geschäftsgeheimnisse seien eine Form des gewerblichen Eigentums, und ihr Schutz obliege dem nationalen Recht. Schließlich sei der von der Kommission vertretene Standpunkt zurückzuweisen, dass ein Unternehmen einen weniger schwerwiegenden Nachteil erleide, wenn es ein Geschäftsgeheimnis offenbaren müsse, als wenn es verpflichtet werde, eine Verletzung seiner Patente oder Urheberrechte zuzulassen.

274    Microsoft zieht aus den vorstehenden Erwägungen den Schluss, dass die ihr auferlegte Verpflichtung, ihren Konkurrenten Lizenzen für die Spezifikationen ihrer Kommunikationsprotokolle zu erteilen, ihr die Früchte der erheblichen Investitionen und des Forschungs- und Entwicklungsaufwands bei der Erstellung und Verbesserung der Kommunikationsprotokolle rauben würde. Außerdem würde es sowohl für sie als auch für ihre Konkurrenten den Anreiz mindern, in die Kommunikationsprotokolle zu investieren.

275    Die Kommission hält die verschiedenen in den Randnrn. 267 bis 274 dargelegten Argumente für nicht stichhaltig.

276    Zunächst weist sie das Vorbringen von Microsoft zurück, dass die fraglichen Kommunikationsprotokolle innovativen Charakter hätten und die Erteilung von Lizenzen für diese Protokolle bedeuten würde, dass Informationen über die internen Merkmale ihrer Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver übermittelt würden. Insbesondere belegten die Schriftstücke von Herrn Lees (Anlage C.4 zur Erwiderung) und Herrn Hirst (Anlage C.8.1 zur Erwiderung) nicht, dass sich die betreffenden Informationen auf „irgendeine Erfindung von eigenem Wert“ erstreckten. Sie verweist auf zwei Noten ihres Beraters OTR (Anlagen D.2 und D.3 zur Erwiderung), in denen dieser die Schriftstücke von Herrn Lees und Herrn Hirst kommentiere und erläutere, weshalb die den betreffenden Kommunikationsprotokollen zugrunde liegenden Gedanken und Grundsätze nicht neu seien.

277    Sodann weist die Kommission die These von Microsoft zurück, dass ihre Kommunikationsprotokolle durch Rechte des geistigen Eigentums geschützt würden und dass die angefochtene Entscheidung sie zur Erteilung von Lizenzen zwinge.

278    Erstens weise Microsoft nicht nach, dass es für die angeblich in den Kommunikationsprotokollen enthaltenen Innovationen ein Patent gebe. Außerdem belegten mehrere Faktoren, dass die Weigerung von Microsoft nicht durch Erwägungen im Zusammenhang mit dem Schutz ihrer Patente gerechtfertigt seien. Genauer gesagt habe Microsoft erst am Ende des Verwaltungsverfahrens, wenige Wochen vor Erlass der angefochtenen Entscheidung, auf Drängen der Kommission ein Patent angeführt (das Patent EP 0669020).

279    Zweitens sei das Vorbringen von Microsoft zu den Urheberrechten zurückzuweisen. Möglicherweise unterlägen die Spezifikationen, auf die sich die angefochtene Entscheidung beziehe, als solche dem Urheberrecht. Dies bedeute jedoch nicht, dass die Nutzung der „damit dokumentierten“ Informationen bei ihrer Implementierung in ein Betriebssystem einen Verstoß gegen das Urheberrecht darstelle. Die Implementierung einer Spezifikation sei nämlich keine Vervielfältigung, sondern lasse ein durchaus selbständiges Werk entstehen. Im Übrigen sei die Frage, ob die Spezifikationen dem Urheberrecht unterlägen, dem Wesen nach rein akzessorisch, denn im Mittelpunkt des vorliegenden Falles stehe die Microsoft auferlegte Verpflichtung, Informationen offenzulegen und deren Nutzung zu gestatten; dies setze zwangsläufig die Erstellung eines Schriftstücks voraus. Schließlich habe Microsoft in Bezug auf die Frage der Urheberrechte in der Erwiderung zwei neue Argumente vorgebracht (siehe oben, Randnr. 272), die nach Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung für unzulässig zu erklären seien. Sie seien jedenfalls unbegründet.

280    Drittens sei es richtig, dass die Informationen, die Microsoft nach der angefochtenen Entscheidung offenlegen müsse, bisher gegenüber ihren Konkurrenten auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver geheim gehalten worden seien. Dagegen sei die von Microsoft vorgenommene Gleichstellung dieser „Geschäftsgeheimnisse“ mit den „kraft Gesetzes bestehenden“ Rechten des geistigen Eigentums keineswegs selbstverständlich. Die Rechtsprechung zu Zwangslizenzen gelte als solche nicht für Geschäftsgeheimnisse, und deren Schutz nach nationalem Recht gehe in der Regel weniger weit als der Schutz von Urheberrechten oder Patenten. Zwar möge eine Vermutung dafür bestehen, dass die Weigerung, für ein „kraft Gesetzes bestehendes“ Recht des geistigen Eigentums eine Lizenz zu erteilen, legitim sei, doch richte sich im Wettbewerbsrecht die Rechtmäßigkeit der Weigerung, ein Geheimnis offenzulegen, das nur aufgrund einer einseitigen geschäftspolitischen Entscheidung bestehe, stärker nach den Umständen des Einzelfalls und insbesondere nach den widerstreitenden Belangen. Im vorliegenden Fall bestehe der Wert des fraglichen „Geheimnisses“ nicht darin, dass es eine Innovation darstelle, sondern darin, dass es einem beherrschenden Unternehmen gehöre.

281    Die SIIA führt zu diesem Punkt im Wesentlichen dieselben Argumente wie die Kommission an und trägt vor, Microsoft habe nicht dargetan, dass die angefochtene Entscheidung ihre Rechte des geistigen Eigentums beeinträchtige und sie zur Erteilung von Lizenzen zwinge.

282    Die FSFE ist der Ansicht, dass die „Technologie“, die Microsoft ihren Konkurrenten nicht offenlegen wolle, weder neu noch innovativ sei. Microsoft verfolge die Politik, bestehende Protokolle zu übernehmen und daran dann geringfügige und unnötige Veränderungen vorzunehmen, um die Interoperabilität auszuschließen. Sie verweist insbesondere auf folgende Protokolle: CIFS/SMB (Common Internet File System/Server Message Block), DCE/RPC (Distributed Computing Environment/Remote Procedure Call), Kerberos 5 und LDAP.

 Würdigung durch das Gericht

283    Auch wenn die Verfahrensbeteiligten sowohl in ihren Schriftsätzen als auch in der mündlichen Verhandlung die Frage der Rechte des geistigen Eigentums an den Kommunikationsprotokollen von Microsoft oder an deren Spezifikationen ausführlich erörtert haben, ist das Gericht der Ansicht, dass über diese Frage zur Klärung des vorliegenden Rechtsstreits nicht entschieden zu werden braucht.

284    Das von Microsoft auf Rechte des geistigen Eigentums gestützte Vorbringen hat nämlich als solches keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Die Kommission hat diese Entscheidung erlassen, ohne zur Stichhaltigkeit dieses Vorbringens Stellung zu nehmen, und hat dabei unterstellt, dass Microsoft im vorliegenden Fall solche Rechte geltend machen konnte. Sie ist mit anderen Worten von der Prämisse ausgegangen, dass das im vorliegenden Fall in Rede stehende Verhalten, soweit es die Interoperabilitätsinformationen betrifft, keine bloße Weigerung ist, eine für die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit unerlässliche Ware oder Dienstleistung zur Verfügung zu stellen, sondern eine Weigerung, einem Dritten eine Lizenz für Rechte des geistigen Eigentums zu erteilen, und hat damit die juristisch strikteste und deshalb für Microsoft günstigste Lösung gewählt (siehe unten, Randnrn. 312 bis 336). Die Kommission hat also weder festgestellt noch ausgeschlossen, dass das Microsoft zur Last gelegte Verhalten in einer Verweigerung der Lizenzerteilung bestand und dass die in Art. 5 der angefochtenen Entscheidung vorgesehene Abhilfemaßnahme eine Verpflichtung zur Erteilung von Lizenzen umfasste.

285    So führt die Kommission in Randnr. 190 der angefochtenen Entscheidung aus, dass sich Microsoft im Verwaltungsverfahren auf Rechte des geistigen Eigentums berufen und die fraglichen Interoperabilitätsinformationen als Geschäftsgeheimnisse eingestuft habe. Es sei nicht ausgeschlossen, dass Microsoft sich auf diese Rechte berufen könnte, um Sun daran zu hindern, die fraglichen Spezifikationen in ihren eigenen Produkten zu verwenden. Es sei auch möglich, dass diese Spezifikationen Innovationen enthielten und Geschäftsgeheimnisse darstellten. Allgemeiner stellt die Kommission fest, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Anordnung an Microsoft, die Interoperabilitätsinformationen Dritten offenzulegen und ihnen zu gestatten, davon Gebrauch zu machen, die freie Ausübung der Rechte des geistigen Eigentums von Microsoft beeinträchtigen könnte. Sie wiederholt die letztgenannte Feststellung in Randnr. 546 der angefochtenen Entscheidung. In Fußnote 249 der angefochtenen Entscheidung führt sie aus: „Da die fraglichen Spezifikationen nicht überprüft werden können, vermag die Kommission jedenfalls nicht zu bestimmen, in welchem Umfang die Behauptungen von Microsoft hinsichtlich verschiedener Rechte des geistigen Eigentums begründet sind.“

286    Überdies hebt die Kommission in den Randnrn. 1003 und 1004 der angefochtenen Entscheidung, in denen sie die Tragweite der Maßnahme beschreibt, die sich gegen die Microsoft zur Last gelegte missbräuchliche Weigerung richtet, hervor, dass sich diese Maßnahme nur auf die Schnittstellen-Spezifikationen und nicht auf Elemente des Quellcodes erstreckt und dass sie es den Konkurrenten von Microsoft ermöglichen soll, die offengelegten Spezifikationen in ihren Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver zu implementieren. Dabei führt sie u. a. aus, dass die Spezifikationen „auch nicht reproduziert, angepasst, geordnet oder verändert, sondern von Dritten dazu verwendet werden [sollen], ihre eigenen mit diesen Spezifikationen kompatiblen Schnittstellen zu entwerfen“ (Randnr. 1004 der angefochtenen Entscheidung). Sie kommt zu folgendem Schluss: „Soweit die [angefochtene] Entscheidung Microsoft zwingen könnte, auf die volle Durchsetzung ihrer Rechte des geistigen Eigentums zu verzichten, wäre dies jedenfalls durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, das missbräuchliche Verhalten abzustellen“ (Randnr. 1004 der angefochtenen Entscheidung).

287    In ihren Schriftsätzen trägt die Kommission Argumente vor, die in die gleiche Richtung gehen. So stuft sie in der Gegenerwiderung das Vorbringen von Microsoft in der Erwiderung, dass die angefochtene Entscheidung sie zwinge, „eine Lizenz für alle [Rechte des geistigen Eigentums] zu erteilen, die erforderlich sein könnten, um die Spezifikationen in ihren eigenen Produkten zu implementieren“, als „irreführend“ ein. Sie führt hierzu aus: „Die [angefochtene] Entscheidung verpflichtet Microsoft, das Recht einzuräumen, die Spezifikationen für die Schaffung interoperabler Produkte zu nutzen. Soweit dies die Fähigkeit von Microsoft beeinträchtigen mag, bestimmte ihrer [Rechte des geistigen Eigentums] voll durchzusetzen, ist es durch das Erfordernis gerechtfertigt, die Zuwiderhandlung zu beenden.“ Sie fügt hinzu: „Die [angefochtene] Entscheidung nimmt nicht dazu Stellung, ob die [Rechte des geistigen Eigentums] von Microsoft beeinträchtigt werden oder nicht.“ Daraus könne aber nicht abgeleitet werden, dass die Microsoft zur Last gelegte Weigerung durch die Ausübung von Rechten des geistigen Eigentums gerechtfertigt sei oder dass es im vorliegenden Fall um Zwangslizenzen gehe. Weder die Akte noch die Klageschrift enthalte Anhaltspunkte dafür, dass dies der Fall sei, und insbesondere dafür, dass „die Konkurrenten eine Lizenz benötigen, die ihnen Zugang zu bestimmten [Rechten des geistigen Eigentums] von Microsoft verschafft, um Interoperabilität mit der Windows-Domänenarchitektur zu erreichen.“

288    Ferner hat die Kommission in Beantwortung einer der schriftlichen Fragen des Gerichts bestätigt, dass in der angefochtenen Entscheidung weder festgestellt werde, dass die Interoperabilitätsinformationen nicht von einem Patent oder Urheberrecht erfasst würden, noch dass dies der Fall sei. Sie habe es nicht für erforderlich gehalten, sich dazu zu äußern, da jedenfalls „die Voraussetzungen für die Feststellung eines Missbrauchs und für die Verhängung der [in Art. 5 der angefochtenen Entscheidung vorgesehenen] Abhilfemaßnahme unabhängig davon erfüllt waren, ob die Informationen patent- oder urheberrechtlich geschützt sind“.

289    Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass bei der Beurteilung der Begründetheit des ersten Teils des Klagegrundes davon auszugehen ist, dass die fraglichen Protokolle oder deren Spezifikationen von Rechten des geistigen Eigentums erfasst werden oder Geschäftsgeheimnisse darstellen und dass Letztere den Rechten des geistigen Eigentums gleichzustellen sind.

290    Die zentrale Frage, die im Rahmen dieses Teils zu klären ist, geht somit dahin, ob – wie die Kommission geltend macht und Microsoft bestreitet – die Voraussetzungen, unter denen ein Unternehmen in beherrschender Stellung gezwungen werden kann, eine Lizenz für Rechte des geistigen Eigentums zu erteilen, hier vorliegen.

d)     Zu den konkreten zur Stützung des ersten Teils des Klagegrundes vorgetragenen Argumenten

 i) Zu den Umständen, anhand deren das gerügte Verhalten zu analysieren ist


 Vorbringen der Parteien

291    In erster Linie macht Microsoft, unterstützt von der CompTIA und der ACT, geltend, die erstgenannte Fragestellung sei anhand der Kriterien zu beurteilen, die der Gerichtshof in dem oben in Randnr. 107 angeführten Urteil Magill anerkannt und in dem ebenfalls in Randnr. 107 angeführten Urteil IMS Health bestätigt habe.

292    Zur Stützung dieser These wiederholt Microsoft zunächst, Art. 5 der angefochtenen Entscheidung zwinge sie zur Erteilung von Lizenzen für ihre Kommunikationsprotokolle, die technologisch innovativ seien und durch Rechte des geistigen Eigentums geschützt würden.

293    Ferner versteht Microsoft das nachfolgend in Randnr. 302 wiedergegebene Argument der Kommission dahin, dass die vorgenannten Kriterien nicht anzuwenden seien, wenn es sich um „technologisch verbundene Verkäufe“ handele. Dieses Argument finde aber in dem von der Kommission angeführten Urteil des Gerichts vom 6. Oktober 1994, Tetra Pak/Kommission (T‑83/91, Slg. 1994, II‑755), im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil des Gerichtshofs vom 14. November 1996, Tetra Pak/Kommission (C‑333/94 P, Slg. 1996, I‑5951), keine Stütze.

294    Sodann weist Microsoft das Vorbringen der Kommission zurück, dass sich die Umstände des vorliegenden Falles von denen der oben in Randnr. 107 angeführten Rechtssache IMS Health unterschieden.

295    Hierzu führt Microsoft erstens aus, in der letztgenannten Rechtssache hätten erhebliche Netzwerkeffekte eine Rolle gespielt; gerade deshalb sei die von IMS Health geschaffene Struktur von 1 860 Bausteinen als Industriestandard angesehen worden. Die Kommission habe sich in der angefochtenen Entscheidung nicht auf das Argument gestützt, dass Microsoft durch die Weigerung, „Kompatibilität zu erlauben“, die in der Richtlinie 91/250 festgelegten Gemeinwohlziele beeinträchtigt habe. Vage, auf das Gemeinwohl gestützte Erwägungen könnten es jedenfalls nicht rechtfertigen, dass einem Unternehmen aufgegeben werde, Lizenzen zu erteilen. Schließlich sehe die Richtlinie 91/250 keine Verpflichtung zur Offenlegung von Informationen vor.

296    Zweitens sei das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, dass Microsoft ihre Macht auf dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs zur Eroberung des Markts der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver benutzt habe. Weder in der angefochtenen Entscheidung noch in der Klagebeantwortung werde klar angegeben, welche Marktmacht sie benutzt und in welcher Weise sie davon Gebrauch gemacht haben solle.

297    Drittens sei das Vorbringen der Kommission, dass Microsoft die Lieferung im früheren Umfang eingestellt habe, sowohl rechtlich als auch tatsächlich falsch und lasse die in dem oben in Randnr. 112 angeführten Urteil Bronner aufgestellten Grundsätze außer Acht. Sie habe weder Sun noch einem anderen Lieferanten konkurrierender Betriebssysteme je eine Lizenz für die Spezifikationen ihrer Kommunikationsprotokolle erteilt. Sie habe AT&T 1994 eine Lizenz für eine Netzwerktechnologie erteilt, um die Entwicklung eines Produkts namens „Advanced Server for UNIX (AS/U)“ zu ermöglichen, und wichtige UNIX-Lieferanten hätten auf der Grundlage von AS/U eine Reihe von Produkten geschaffen, zu denen das System „PC NetLink“ von Sun gehöre. Obwohl mit AT&T 2001 vereinbart worden sei, den Lizenzvertrag nicht auf neue Technologien auszudehnen, blieben die „AS/U-Technologie“ und die auf ihr basierenden Produkte verfügbar. Dass sie AT&T vor über zehn Jahren eine Lizenz für eine bestimmte Technologie erteilt habe, könne nicht bedeuten, dass sie verpflichtet sei, auf unbestimmte Zeit Lizenzen für alle damit verbundenen Technologien einschließlich der Kommunikationsprotokolle zu gewähren.

298    Viertens führe die Kommission in Randnr. 577 der angefochtenen Entscheidung aus, dass „die Weigerung von Microsoft, an Sun zu liefern, Teil einer umfassenderen Politik [ist], den Anbietern von Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver keine Interoperabilitätsinformationen zukommen zu lassen“. Die ihr damit zur Last gelegte Verhaltensweise entspreche der „diskriminierungsfreien Anwendung einer Politik, die nahezu alle Anbieter von Technologie verfolgen, um die Früchte ihrer Forschungs- und Entwicklungsbemühungen zu schützen“; ein solches Verhalten könne nicht als „außergewöhnlicher Umstand“ im Sinne der oben in Randnr. 107 angeführten Urteile Magill und IMS Health angesehen werden.

299    Hilfsweise trägt Microsoft, unterstützt von der CompTIA und der ACT, vor, falls die Ansicht vertreten werde, dass es im vorliegenden Fall nicht um ein Recht des geistigen Eigentums gehe, seien die Kriterien anzuwenden, die der Gerichtshof in dem oben in Randnr. 112 angeführten Urteil Bronner anerkannt habe; dabei handele es sich um das erste, zweite und vierte der oben in Randnr. 116 wiedergegebenen Kriterien des oben in Randnr. 107 angeführten Urteils IMS Health.

300    Schließlich machen Microsoft, die CompTIA und die ACT geltend, dass keines der vier Kriterien des oben in Randnr. 107 angeführten Urteils IMS Health und folglich auch keines der drei Kriterien des oben in Randnr. 112 angeführten Urteils Bronner im vorliegenden Fall erfüllt sei.

301    Die Kommission, unterstützt von der SIIA und der FSFE, trägt in erster Linie vor, selbst wenn man davon ausginge, dass die fragliche Weigerung durch die Ausübung von Rechte des geistigen Eigentums gerechtfertigt sei und dass die angefochtene Entscheidung zur Erteilung von Lizenzen zwinge, sei die vorliegende Fragestellung nicht automatisch anhand der in der „IMS-Health-Rechtsprechung“ aufgestellten Kriterien zu beurteilen.

302    Erstens könne die in der Rechtsprechung aufgestellte „Regel der außergewöhnlichen Umstände“ nicht „als solche und ohne weitere Klarstellung“ auf eine Weigerung, Geschäftsgeheimnisse offenzulegen, Anwendung finden; diese führe zur Schaffung einer „technologischen Verbindung“ zwischen einem gesonderten und einem beherrschenden Produkt.

303    Zweitens werde in dem oben in Randnr. 107 angeführten Urteil IMS Health keine erschöpfende Liste außergewöhnlicher Umstände aufgestellt. In diesem Urteil habe der Gerichtshof ebenso wie in dem oben in Randnr. 107 angeführten Urteil Magill die Voraussetzungen genannt, unter denen eine Entscheidung erlassen werden könne, die die Erteilung von Zwangslizenzen vorsehe; dies sei anhand der konkreten Umstände der beiden Rechtssachen geschehen. So habe sich der Gerichtshof in dem oben in Randnr. 107 angeführten Urteil IMS Health darauf beschränkt, eine Liste von Kriterien zu erstellen, deren Erfüllung „ausreicht“. In Wirklichkeit müsse die Kommission, um zu ermitteln, ob das in einer Lieferverweigerung bestehende Verhalten eines Unternehmens in beherrschender Stellung missbräuchlichen Charakter habe, sämtliche Faktoren prüfen, die mit dieser Weigerung in Zusammenhang stünden; dazu gehöre insbesondere der wirtschaftliche und rechtliche Hintergrund, vor dem sie stattfinde.

304    Drittens zählt die Kommission die Faktoren auf, in denen sich die Umstände des vorliegenden Falles von denen der oben in Randnr. 107 angeführten Rechtssache IMS Health unterschieden und die den Schluss zuließen, dass die Microsoft zur Last gelegte Weigerung ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung sei.

305    Zunächst führt die Kommission aus, die angefochtene Entscheidung weise die Besonderheit auf, dass sie eine Weigerung betreffe, Informationen über die Interoperabilität im Softwaresektor zu liefern. Die Entscheidung solle es ermöglichen, Produkte zu entwickeln, die mit denen von Microsoft kompatibel seien, während die von Microsoft angeführten früheren Fälle Sachverhalte beträfen, bei denen das „geschützte Produkt“ aus Gründen, die über die Sicherstellung der bloßen Kompatibilität von zwei verschiedenen Produkten hinausgingen, in die Produkte von Konkurrenten habe einbezogen werden sollen. Zudem werde in den früheren Fällen nicht auf die speziellen Probleme eingegangen, die sich in Branchen stellten, in denen Netzwerkeffekte allgegenwärtig seien. Im Unterschied zu der hier in Rede stehenden Branche seien die Wirtschaftssektoren in den früheren Fällen keine „Branchen, in denen der Gesetzgeber den Nutzen der Kompatibilität für die gesamte Gesellschaft klar anerkannt hat“. Insbesondere werde in den Randnrn. 745 bis 763 der angefochtenen Entscheidung auf die Bedeutung Bezug genommen, die der Gemeinschaftsgesetzgeber der Interoperabilität namentlich im Rahmen der Richtlinie 91/250 beigemessen habe, sowie auf den vom Gemeinschaftsgesetzgeber vertretenen Standpunkt, wonach die Offenlegung von Informationen zu Interoperabilitätszwecken Wettbewerb und Innovation fördere.

306    Ferner gehe es im vorliegenden Fall um einen Anbieter in beherrschender Stellung, der seine Marktmacht auf einem bestimmten Markt, im vorliegenden Fall dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs, nutze, um den Wettbewerb auf einem benachbarten Markt, dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver, auszuschalten, „und damit die Zutrittsschranken zu seinem ursprünglichen Markt erhöht und für eine zusätzliche Monopolrente sorgt“. Diese Situation verstärke den Schaden, der sich für die Verbraucher bereits aus der Beschränkung bei der Entwicklung neuer Produkte ergebe.

307    Überdies betreffe der vorliegende Fall einen Anbieter in beherrschender Stellung, der den früheren Lieferumfang nicht beibehalten habe (Randnrn. 578 bis 584 der angefochtenen Entscheidung). Die ursprüngliche Politik von Microsoft habe darin bestanden, die Interoperabilitätsinformationen offenzulegen und nicht zurückzuhalten; dies habe u. a. die Markteinführung ihrer eigenen Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver erleichtert und sie keineswegs von Innovationen abgehalten. Nachdem sich ihre „Serverprodukte“ ausreichend auf dem Markt etabliert hätten, habe sie jedoch ihre Strategie geändert und beschlossen, ihre Konkurrenten auszuschalten, indem sie ihnen den Zugang zu solchen Informationen verweigere (Randnrn. 587, 588 und 637 ff. der angefochtenen Entscheidung).

308    Microsoft könne nicht bestreiten, dass sie den früheren Lieferumfang nicht beibehalten habe. Die Vereinbarung zwischen ihr und AT&T, die es Letzterer ermöglicht habe, AS/U zu entwickeln, habe sich auf die Offenlegung nicht nur von Interoperabilitätsinformationen der in der angefochtenen Entscheidung in Rede stehenden Art, sondern auch von zusätzlichen Informationen erstreckt. Dass die AS/U-Technologie noch verfügbar sei, spiele keine Rolle. Wie insoweit aus den Randnrn. 580 bis 583 der angefochtenen Entscheidung hervorgehe, sei die „im Kontext von AS/U“ erfolgte Offenlegung nunmehr veraltet, da Microsoft die relevanten Protokolle bei späteren Versionen von Windows geändert habe. Schließlich sei das Vorbringen von Microsoft, aufgrund der Tatsache, dass sie vor über zehn Jahren AT&T eine Lizenz für eine bestimmte Technologie erteilt habe, könne sie nicht dazu verpflichtet sein, auf unbestimmte Zeit Lizenzen für alle damit verbundenen Technologien zu gewähren, angesichts der in der angefochtenen Entscheidung gewählten Vorgehensweise irrelevant. Die Frage der Aufgabe des früheren Lieferumfangs werde darin nämlich nicht als eigenständiger Missbrauch behandelt, sondern als einer der für die Beurteilung der Lieferverweigerung von Microsoft bedeutsamen Gesichtspunkte (Randnrn. 578 ff. der angefochtenen Entscheidung).

309    Viertens führt die Kommission aus, sie behaupte nicht, dass die bloße Weigerung, eine Lizenz für Rechte des geistigen Eigentums zu erteilen, Teil einer allgemeinen Verhaltensweise sei, die als solche ein „außergewöhnlicher Umstand“ sei, der ausreiche, um dieser Weigerung Missbrauchscharakter zu geben. Sie sei lediglich der Ansicht, dass die Tatsache, dass Sun nicht der einzige Konkurrent sei, dem Microsoft Zugang zu den Interoperabilitätsinformationen verweigert habe, ein für die Beurteilung der Vereinbarkeit ihres Verhaltens mit Art. 82 EG relevanter Umstand sei.

310    Dem Hilfsvorbringen von Microsoft, dass die vorliegende Rechtssache anhand der in dem oben in Randnr. 112 angeführten Urteil Bronner aufgestellten Kriterien zu prüfen sei, könne nicht gefolgt werden. Dieses Urteil betreffe den Zugang zu einer Infrastruktur, die erhebliche Investitionen erfordert habe, und falls sich herausstellen sollte, dass die hier in Rede stehenden Informationen nicht durch Rechte des geistigen Eigentums geschützt seien, sondern in rein willkürlichen Kombinationen von Botschaften bestünden, wäre das genannte Urteil sicher kein „geeigneter Vergleichsmaßstab“.

311    Hilfsweise trägt die Kommission, unterstützt von der SIIA und der FSFE, vor, selbst wenn man unterstelle, dass die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung, soweit sie sich auf die erste Fragestellung beziehe, anhand der vom Gerichtshof in dem oben in Randnr. 107 angeführten Urteil IMS Health anerkannten Kriterien zu beurteilen sei, lägen diese hier vor.

 Würdigung durch das Gericht

312    Microsoft vertritt die Auffassung, die ihr zur Last gelegte Weigerung, Interoperabilitätsinformationen zu liefern, könne keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG darstellen, weil diese Informationen durch Rechte des geistigen Eigentums geschützt seien – oder Geschäftsgeheimnisse darstellten – und weil die Kriterien, die es nach der Rechtsprechung gestatteten, ein Unternehmen in beherrschender Stellung zu zwingen, einem Dritten eine Lizenz zu erteilen, im vorliegenden Fall nicht erfüllt seien.

313    Die Kommission ist der Ansicht, es sei nicht erforderlich, sich dazu zu äußern, ob das Microsoft zur Last gelegte Verhalten eine Weigerung darstelle, Dritten eine Lizenz für Rechte des geistigen Eigentums zu erteilen, und ob Geschäftsgeheimnisse in gleichem Maß Schutz verdienten wie die genannten Rechte, denn die strengen Kriterien, anhand deren eine solche Weigerung als Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG angesehen werden könne, seien hier jedenfalls erfüllt (siehe oben, Randnrn. 284 bis 288).

314    Während sich Microsoft und die Kommission somit darüber einig sind, dass die fragliche Weigerung – unterstellt, es handelt sich um die Weigerung, eine Lizenz für Rechte des geistigen Eigentums zu erteilen – anhand von Art. 82 EG beurteilt werden kann, sind sie dagegen unterschiedlicher Meinung über die in einem solchen Fall nach der Rechtsprechung anzuwendenden Kriterien.

315    So verweist Microsoft in erster Linie auf die Kriterien aus den oben in Randnr. 107 angeführten Urteilen Magill und IMS Health und hilfsweise auf die Kriterien aus dem oben in Randnr. 112 angeführten Urteil Bronner.

316    Die Kommission hält dagegen eine „automatische“ Anwendung der Kriterien des oben in Randnr. 107 angeführten Urteils IMS Health im vorliegenden Fall für „problematisch“. Sie führt aus, um zu klären, ob eine solche Weigerung missbräuchlich sei, müsse sie alle damit in Zusammenhang stehenden besonderen Umstände berücksichtigen, bei denen es sich nicht unbedingt um die in den oben in Randnr. 107 angeführten Urteilen Magill und IMS Health genannten Umstände handeln müsse. In Randnr. 558 der angefochtenen Entscheidung heißt es daher: „Aus der Rechtsprechung der europäischen Gerichte lässt sich … folgern, dass die Kommission sämtliche Umstände einer konkreten Lieferverweigerung prüfen und ihre Entscheidung auf der Grundlage der Ergebnisse einer solchen umfassenden Prüfung treffen muss.“

317    In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht die Kommission zu diesem Punkt befragt; sie hat bestätigt, dass sie in der angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis gekommen sei, dass das Microsoft zur Last gelegte Verhalten drei Merkmale aufweise, aufgrund deren es als missbräuchlich eingestuft werden könne. Das erste Merkmal bestehe darin, dass sich die Informationen, die Microsoft ihren Konkurrenten nicht offenlegen wolle, auf die Interoperabilität in der Softwarebranche bezögen, also auf eine Frage, der der Gemeinschaftsgesetzgeber besondere Bedeutung beimesse. Das zweite Merkmal beruhe darauf, dass Microsoft ihre außerordentliche Macht auf dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs nutze, um den Wettbewerb auf dem benachbarten Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver auszuschalten. Als drittes Merkmal sei zu nennen, dass das fragliche Verhalten einen Bruch mit dem früheren Lieferumfang bedeute.

318    Die vom Gerichtshof in den oben in Randnr. 107 angeführten Urteilen Magill und IMS Health anerkannten Kriterien seien hier jedenfalls auch erfüllt.

319    Zu diesen verschiedenen Argumenten ist festzustellen, dass die Unternehmen zwar – wie die Kommission in Randnr. 547 der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausführt – ihre Geschäftspartner grundsätzlich frei wählen können; eine Lieferverweigerung seitens eines Unternehmens in beherrschender Stellung kann aber unter bestimmten Umständen, sofern sie nicht objektiv gerechtfertigt ist, ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG sein.

320    So hat der Gerichtshof die Ansicht vertreten, dass ein Unternehmen in beherrschender Stellung auf dem Rohstoffmarkt, das, um sich diese Rohstoffe für die Herstellung ihrer eigenen Derivate vorzubehalten, die Belieferung eines Kunden, der selbst diese Derivate herstellte, verweigerte, so dass jeglicher Wettbewerb seitens dieses Kunden ausgeschaltet zu werden drohte, seine beherrschende Stellung im Sinne von Art. 82 EG missbräuchlich ausnutzte (Urteil des Gerichtshofs vom 6. März 1974, Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission, 6/73 und 7/73, Slg. 1974, 223; vgl. in Bezug auf eine Lieferverweigerung Urteil des Gerichtshofs vom 3. Oktober 1985, CBEM, 311/84, Slg. 1985, 3261).

321    In der dem Urteil vom 5. Oktober 1988, Volvo (238/87, Slg. 1988, 6211) zugrunde liegenden Rechtssache war der Gerichtshof im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 234 EG gefragt worden, ob ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG vorliegt, wenn ein Kraftfahrzeughersteller, der ein Geschmacksmusterrecht an Karrosserieteilen besitzt, es ablehnt, Dritten eine Lizenz für die Lieferung von Teilen zu gewähren, die das geschützte Muster einschließen. In seinem Urteil stellte der Gerichtshof fest, dass die Befugnis des Inhabers eines geschützten Musters, Dritte an der Herstellung und dem Verkauf oder der Einfuhr der das Muster verkörpernden Erzeugnisse ohne seine Zustimmung zu hindern, gerade die Substanz seines ausschließlichen Rechts darstellt. Er schloss daraus (Randnr. 8), „dass eine dem Inhaber des geschützten Musters auferlegte Verpflichtung, Dritten eine Lizenz für die Lieferung von Erzeugnissen, die das Muster verkörpern, zu erteilen, diesem Inhaber selbst dann, wenn dies gegen angemessene Vergütung erfolgen würde, die Substanz seines ausschließlichen Rechts nehmen würde und dass die Weigerung, eine solche Lizenz zu erteilen, als solche keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen kann“. Er fügte jedoch hinzu, „dass die Ausübung des ausschließlichen Rechts durch den Inhaber eines Musters für Kraftfahrzeugkarosserieteile gemäß [Art. 82 EG] verboten sein kann, wenn sie bei einem Unternehmen, das eine beherrschende Stellung einnimmt, zu bestimmten missbräuchlichen Verhaltensweisen führt, etwa der willkürlichen Weigerung, unabhängige Reparaturwerkstätten mit Ersatzteilen zu beliefern, der Festsetzung unangemessener Ersatzteilpreise oder der Entscheidung, für ein bestimmtes Modell keine Ersatzteile mehr herzustellen, obwohl noch viele Fahrzeuge dieses Modells verkehren, sofern diese Verhaltensweisen geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen“ (Randnr. 9).

322    In dem oben in Randnr. 107 angeführten Urteil Magill hatte der Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren ebenfalls über die Weigerung eines beherrschenden Unternehmens zu entscheiden, Dritten eine Lizenz für die Nutzung eines Rechts des geistigen Eigentums zu entscheiden. Gegenstand dieser Rechtssache war eine Entscheidung der Kommission, in der sie die Ansicht vertrat, dass drei Fernsehgesellschaften ihre beherrschende Stellung auf dem Markt ihrer jeweiligen wöchentlichen Programmvorschauen und auf dem Markt der Fernsehprogrammführer, in denen diese Vorschauen veröffentlicht wurden, dadurch missbraucht hätten, dass sie sich auf ihr Urheberrecht an den Vorschauen berufen hätten, um Dritte daran zu hindern, vollständige wöchentliche Führer der Programme der verschiedenen Fernsehsender zu veröffentlichen. Die Kommission hatte diesen Fernsehgesellschaften deshalb aufgegeben, sich gegenseitig und – auf Anfrage – Dritten ihre im Voraus erstellten wöchentlichen Programmlisten auf nichtdiskriminierender Basis zur Verfügung zu stellen und ihnen die Veröffentlichung dieser Programme zu gestatten. Sie hatte u. a. klargestellt, dass die Gebühren, die die genannten Gesellschaften verlangten, wenn sie sich dazu entschlössen, für die Bereitstellung und die Gestattung der Vervielfältigung dieser Programme Lizenzen zu erteilen, angemessen sein müssten.

323    In dem oben in Randnr. 107 angeführten Urteil Magill (Randnr. 49) hat der Gerichtshof unter Bezugnahme auf das oben in Randnr. 321 angeführte Urteil Volvo entschieden, dass „das ausschließliche Recht der Vervielfältigung zu den Vorrechten des Urhebers gehört, so dass die Verweigerung einer Lizenz als solche keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen kann, selbst wenn sie von einem Unternehmen in beherrschender Stellung ausgehen sollte“. Ebenfalls unter Bezugnahme auf das oben in Randnr. 321 angeführte Urteil Volvo hat er jedoch klargestellt, dass die „Ausübung des ausschließlichen Rechts durch den Inhaber … unter außergewöhnlichen Umständen ein missbräuchliches Verhalten darstellen“ kann (Randnr. 50).

324    Der Gerichtshof vertrat die Ansicht, dass folgende Umstände bei der Ermittlung der Missbräuchlichkeit des den fraglichen Fernsehgesellschaften zur Last gelegten Verhaltens relevant waren. Erstens betraf die ihnen zur Last gelegte Weigerung ein Produkt – Informationen über die wöchentlichen Programme der Fernsehsender –, dessen Lieferung für die Ausübung der betreffenden Tätigkeit –Herausgabe eines umfassenden Fernsehprogrammführers – unentbehrlich war (Randnr. 53). Zweitens verhinderte diese Weigerung das Auftreten eines neuen Produkts, nämlich eines umfassenden wöchentlichen Fernsehprogrammführers, den die betreffenden Fernsehgesellschaften selbst nicht anboten und nach dem eine potenzielle Nachfrage der Verbraucher bestand, was einen Missbrauch im Sinne von Art. 82 Abs. 2 Buchst. b EG darstellte (Randnr. 54). Drittens war die Weigerung nicht gerechtfertigt (Randnr. 55). Viertens schließlich behielten sich die Fernsehgesellschaften durch ihr Verhalten einen abgeleiteten Markt – den Markt der wöchentlichen Fernsehprogrammführer – vor, indem sie jeden Wettbewerb auf diesem Markt ausschlossen (Randnr. 56).

325    In dem oben in Randnr. 112 angeführten Urteil Bronner hatte der Gerichtshof aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 234 EG darüber zu entscheiden, ob es einen gegen Art. 82 EG verstoßenden Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellte, dass ein Presseunternehmen, das einen sehr großen Anteil am österreichischen Tageszeitungsmarkt hatte und das einzige in Österreich bestehende landesweite System der Hauszustellung von Zeitungen betrieb, sich weigerte, dem Verleger einer konkurrierenden Tageszeitung gegen angemessenes Entgelt Zugang zum genannten System zu gewähren, oder ihn nur gewähren wollte, wenn der Verleger von der Gruppe bestimmte Zusatzleistungen erwarb.

326    In diesem Urteil (Randnr. 38) hat der Gerichtshof zunächst festgestellt, dass er es in den oben in Randnr. 320 angeführten Urteilen Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission und CBEM nur dann als missbräuchlich angesehen hat, dass sich ein Unternehmen, das auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung innehat, weigert, einem Unternehmen, mit dem es auf einem benachbarten Markt in Wettbewerb steht, die für die Ausübung von dessen Tätigkeit unerlässlichen Rohstoffe oder Dienstleistungen zu liefern bzw. zu erbringen, wenn das betreffende Verhalten geeignet war, jeglichen Wettbewerb durch dieses Unternehmen auszuschalten.

327    Sodann hat der Gerichtshof ausgeführt (Randnr.39), dass er in den Randnrn. 49 und 50 des oben in Randnr. 107 angeführten Urteils Magill entschieden hat, dass die Verweigerung einer Lizenz durch den Inhaber eines gewerblichen Schutzrechts selbst dann, wenn sie von einem Unternehmen in beherrschender Stellung ausgesprochen wird, als solche keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellt, dass aber unter außergewöhnlichen Umständen die Ausübung des ausschließlichen Rechts durch den Inhaber ein missbräuchliches Verhalten darstellen kann.

328    Schließlich hat er auf die im oben in Randnr. 107 angeführten Urteil Magill herangezogenen außergewöhnlichen Umstände hingewiesen und anschließend erklärt (Randnr. 41):

„Selbst wenn diese Rechtsprechung zur Ausübung eines gewerblichen Schutzrechts auf die Ausübung eines beliebigen Eigentumsrechts anwendbar wäre, ließe sich aus [diesem] Urteil … bei einem Sachverhalt wie dem, der Gegenstand der … Vorlagefrage ist, nur dann auf einen Missbrauch im Sinne des Artikels [82 EG] schließen, wenn die Verweigerung der in der Hauszustellung liegenden Dienstleistung zum einen geeignet wäre, jeglichen Wettbewerb auf dem Tageszeitungsmarkt durch denjenigen, der die Dienstleistung begehrt, auszuschalten, und nicht objektiv zu rechtfertigen wäre, und zum anderen die Dienstleistung selbst für die Ausübung der Tätigkeit des Wettbewerbers in dem Sinne unentbehrlich wäre, dass kein tatsächlicher oder potenzieller Ersatz für das Hauszustellungssystem bestünde.“

329    In dem oben in Randnr. 107 angeführten Urteil IMS Health hat sich der Gerichtshof erneut zu den Voraussetzungen geäußert, unter denen die Weigerung eines Unternehmens in beherrschender Stellung, einem Dritten eine Lizenz für die Nutzung eines durch ein Recht des geistigen Eigentums geschützten Erzeugnisses zu erteilen, ein missbräuchliches Verhalten im Sinne von Art. 82 EG sein kann.

330    Der Gerichtshof hat zunächst (Randnr. 34) unter Bezugnahme auf das oben in Randnr. 321 angeführte Urteil Volvo und das oben in Randnr. 107 angeführte Urteil Magill bekräftigt, dass nach gefestigter Rechtsprechung das ausschließliche Recht der Vervielfältigung zu den Vorrechten des Inhabers eines Rechts des geistigen Eigentums gehört, so dass die Verweigerung einer Lizenz als solche keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen kann, selbst wenn sie von einem Unternehmen in beherrschender Stellung ausgehen sollte. Er hat hinzugefügt (Randnr. 35), dass – wie sich aus derselben Rechtsprechung ergibt – die Ausübung des ausschließlichen Rechts durch den Inhaber unter außergewöhnlichen Umständen ein missbräuchliches Verhalten darstellen kann. Nach der Wiedergabe der in dem oben in Randnr. 107 angeführten Urteil Magill herangezogenen außergewöhnlichen Umstände hat der Gerichtshof dann erklärt (Randnr. 38), dass nach dieser Rechtsprechung ein Unternehmen, das über ein Urheberrecht verfügt und den Zugang zu Erzeugnissen oder Dienstleistungen verweigert, die für die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit unerlässlich sind, bereits dann missbräuchlich handelt, wenn drei Bedingungen kumulativ erfüllt sind: Die Weigerung muss das Auftreten eines neuen Produkts verhindern, nach dem eine potenzielle Nachfrage der Verbraucher besteht, sie darf nicht gerechtfertigt sein und sie muss geeignet sein, jeglichen Wettbewerb auf einem abgeleiteten Markt auszuschließen.

331    Aus der oben wiedergegebenen Rechtsprechung ergibt sich, dass die Weigerung eines Unternehmens in beherrschender Stellung, Dritten eine Lizenz für die Nutzung eines durch ein Recht des geistigen Eigentums geschützten Erzeugnisses zu erteilen, als solche keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG darstellen kann. Nur unter außergewöhnlichen Umständen kann die Ausübung des ausschließlichen Rechts durch den Inhaber des Rechts des geistigen Eigentums zu einem solchen Missbrauch führen.

332    Aus dieser Rechtsprechung geht ferner hervor, dass insbesondere folgende Umstände als außergewöhnlich anzusehen sind:

–        erstens, wenn die Weigerung Erzeugnisse oder Dienstleistungen betrifft, die für die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit auf einem benachbarten Markt unerlässlich sind;

–        zweitens, wenn die Weigerung geeignet ist, jeglichen wirksamen Wettbewerb auf diesem benachbarten Markt auszuschließen;

–        drittens, wenn die Weigerung das Auftreten eines neuen Produkts verhindert, nach dem eine potenzielle Nachfrage der Verbraucher besteht.

333    Ist erwiesen, dass solche Umstände vorliegen, so kann die Weigerung des Inhabers einer beherrschenden Stellung, eine Lizenz zu erteilen, gegen Art. 82 EG verstoßen, sofern sie nicht objektiv gerechtfertigt ist.

334    Dabei ist der Umstand, dass die Weigerung das Auftreten eines neuen Produkts verhindert, nach dem eine potenzielle Nachfrage der Verbraucher besteht, nur in der Rechtsprechung zur Ausübung eines Rechts des geistigen Eigentums zu finden.

335    Schließlich sind bei der Entscheidung darüber, ob eine Weigerung, Zugang zu Erzeugnissen oder Dienstleistungen zu gewähren, die für die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit unerlässlich sind, als missbräuchlich angesehen werden kann, zwei Märkte zu unterscheiden, und zwar zum einen der Markt für die fraglichen Erzeugnisse oder Dienstleistungen, auf dem das Unternehmen, das die Weigerung ausspricht, eine beherrschende Stellung einnimmt, und zum anderen ein benachbarter Markt, auf dem die fraglichen Erzeugnisse oder Dienstleistungen für die Herstellung eines anderen Erzeugnisses oder die Erbringung einer anderen Dienstleistung verwendet werden. Die Tatsache, dass die unerlässlichen Erzeugnisse oder Dienstleistungen nicht getrennt vermarktet werden, schließt dabei nicht von vornherein die Möglichkeit aus, einen gesonderten Markt zu ermitteln (vgl. in diesem Sinne Urteil IMS Health, oben in Randnr. 107 angeführt, Randnr. 43). Wie der Gerichtshof in Randnr. 44 des oben in Randnr. 107 angeführten Urteils IMS Health ausgeführt hat, genügt es somit, dass ein potenzieller oder auch nur hypothetischer Markt bestimmt werden kann; dies ist der Fall, wenn die Erzeugnisse oder Dienstleistungen für die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit unerlässlich sind und wenn nach ihnen eine tatsächliche Nachfrage seitens der Unternehmen besteht, die diese Tätigkeit ausüben wollen. In der folgenden Randnummer seines Urteils hat es der Gerichtshof als entscheidend angesehen, dass zwei verschiedene Produktionsstufen bestimmt werden können, die dadurch miteinander verbunden sind, dass das vorgelagerte Erzeugnis ein für die Lieferung des nachgelagerten Erzeugnisses unerlässliches Element ist.

336    In Anbetracht der vorstehenden Gesichtspunkte ist nach Ansicht des Gerichts zunächst zu prüfen, ob die in den oben in Randnr. 107 angeführten Urteilen Magill und IMS Health festgelegten und in den Randnrn. 332 und 333 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Umstände auch hier vorliegen. Nur wenn sich ergeben sollte, dass einer oder mehrere dieser Umstände fehlen, wird das Gericht danach auf die von der Kommission geltend gemachten besonderen Umstände (siehe oben, Randnr. 317) eingehen.

 ii)   Zur Unerlässlichkeit der Interoperabilitätsinformationen


 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

337    Microsoft trägt vor, die Interoperabilitätsinformationen, auf die sich die angefochtene Entscheidung beziehe, seien für die Ausübung der Tätigkeit als Anbieter von Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver nicht unerlässlich. Eine bestimmte Technologie könne nicht als unerlässlich eingestuft werden, wenn es auch ohne Zugang zu ihr für die Konkurrenten des beherrschenden Unternehmens „wirtschaftlich tragbar“ sei, ihre Produkte zu entwickeln und zu vermarkten.

338    Die angefochtene Entscheidung sei in diesem Punkt rechtlich und tatsächlich fehlerhaft.

339    Der Rechtsfehler bestehe darin, dass die Kommission bei der „Prüfung, ob Wettbewerb bestehen konnte“, einen ungeeigneten, außergewöhnlichen und absoluten Maßstab angelegt habe. In den Randnrn. 176 bis 184 der angefochtenen Entscheidung vertrete sie die Auffassung, dass die Server-Betriebssysteme der Konkurrenten von Microsoft in der Lage sein müssten, mit den Windows-Betriebssystemen für Client-PCs in genau der gleichen Weise wie die Windows-Betriebssysteme für Server zu kommunizieren. Nach der Rechtsprechung müsse aber kein solcher „optimaler Zugang“ zum Markt gewährt werden.

340    In der Erwiderung rügt Microsoft, dass die Kommission bei der Beurteilung des nötigen Interoperabilitätsgrads darauf abgestellt habe, was erforderlich sei, um ihren Konkurrenten das Überleben auf dem Markt zu ermöglichen. Der von der Kommission in den Randnrn. 666 bis 687 der angefochtenen Entscheidung verwendete Interoperabilitätsbegriff sei insofern unangemessen, als er eine „Quasi-Identität“ zwischen den Windows-Betriebssystemen für Server und den konkurrierenden Betriebssystemen impliziere. Wie sich aus den oben in Randnr. 126 erwähnten Abschnitten der Randnrn. 669 und 679 der angefochtenen Entscheidung ergebe, wäre bei Heranziehung eines solchen Begriffs „jede Technologie unerlässlich“. Die einzige in der angefochtenen Entscheidung genannte Rechtfertigung dafür, dass ein solches „Niveau“ der Interoperabilität unerlässlich sei, damit die Konkurrenten auf dem Markt überleben könnten, bestehe darin, dass der Zugang zu den fraglichen Spezifikationen es ihnen ermöglichen könnte, den Benutzern eine „zweimalige Anmeldung“ zu ersparen (Randnr. 183 der angefochtenen Entscheidung). Diese Rechtfertigung sei unzureichend, denn erstens böten zahlreiche Anbieter bereits Lösungen mit einmaliger Anmeldung an, zweitens stelle eine zweimalige Anmeldung eindeutig eine (wenn auch ein wenig unvorteilhaftere) Alternativlösung dar und drittens gehe die in Art. 5 der angefochtenen Entscheidung vorgesehene Abhilfemaßnahme weit über das zur Lösung dieses geringfügigen Problems erforderliche Maß hinaus.

341    Ferner nimmt Microsoft in der Erwiderung auf ihr oben in den Randnrn. 125 bis 128 wiedergegebenes Vorbringen Bezug und wiederholt, dass die in Art. 5 der angefochtenen Entscheidung vorgesehene Abhilfemaßnahme es ihren Konkurrenten nicht ermöglichen werde, Produkte zu entwickeln, die mit den Windows-Betriebssystemen für Server „quasi identisch“ seien; sodann macht sie geltend, es sei der Kommission nicht gelungen, das Vorliegen eines Kausalzusammenhangs zwischen der „Nichtverfügbarkeit“ von Spezifikationen für ihre Kommunikationsprotokolle und der angeblichen Unmöglichkeit für ihre Konkurrenten, auf dem Markt zu überleben, nachzuweisen.

342    In ihren Stellungnahmen zu den Streithilfeschriftsätzen bestreitet Microsoft, dass die Marktteilnehmer und die Verbraucher eine „perfekte Substituierbarkeit“ verlangten; ein solches Erfordernis gehe weit über das vom Gerichtshof in den Urteilen Bronner, oben in Randnr. 112 angeführt, und IMS Health, oben in Randnr. 107 angeführt, aufgestellte „Unerlässlichkeitskriterium“ hinaus. Sie führt insbesondere aus, dass ihre Konkurrenten „Active Directory nicht benötigen“, da ihre Server-Betriebssysteme über eigene Verzeichnisdienste verfügten, die in der Lage seien, den Windows-Betriebssystemen für Client-PCs und Server Arbeitsgruppendienste zu erbringen.

343    Überdies sei die angefochtene Entscheidung insofern mit einem tatsächlichen Fehler behaftet, als die Kommission außer Acht gelassen habe, dass es auf dem Markt mehrere Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver gebe. Die Unternehmen in Europa verfügten weiterhin über heterogene Computernetzwerke, deren Betriebssysteme von verschiedenen Anbietern stammten.

344    Dazu habe sie im Verwaltungsverfahren Gutachten vorgelegt, in denen EDV-Sachverständige beschrieben, „wie Interoperabilität in Computernetzwerken erreicht werden kann“. Wie die Antworten auf Auskunftsverlangen der Kommission bestätigten, sei die Interoperabilität zwischen verschiedenen Arten von Betriebssystemen bei den Computernetzwerken in Europa Standard. So hätten 47 % der Firmen, die auf diese Auskunftsverlangen geantwortet hätten, angegeben, dass sie Server-Betriebssysteme von Microsoft-Konkurrenten verwendeten, um den Windows-Betriebssystemen für Client-PCs Daten- und Druckdienste zur Verfügung zu stellen. Ähnliche Nachweise gebe es in Bezug auf die Nutzer- und Gruppenverwaltungsdienste. Im Übrigen gehe aus den Mercer-Berichten hervor, dass die Unternehmen sich bei ihrer Wahl von Server-Betriebssystemen nicht durch Interoperabilitätserwägungen eingeengt fühlten.

345    Die Interoperabilität zwischen Betriebssystemen für konkurrierende Server und den Windows-Betriebssystemen für Client-PCs und Server könne mit fünf verschiedenen Methoden herbeigeführt werden. Jede dieser Methoden stelle eine Alternative zur Offenlegung der fraglichen Kommunikationsprotokolle dar und ermögliche es diesen verschiedenen Betriebssystemen, „gut zusammenzuarbeiten“. Es sei zwar richtig, dass die von der Kommission als unabdingbar angesehene „perfekte Substituierbarkeit“ mit diesen verschiedenen Methoden nicht erreichbar sei, doch könne mit ihnen das erforderliche „Mindestmaß an Interoperabilität für einen effektiven Wettbewerb“ leicht erzielt werden.

346    Microsoft führt folgende fünf Methoden an: erstens die Verwendung von Standardkommunikationsprotokollen wie TCP/IP (Transmission Control Protocol/Internet Protocol) und HTTP (Hyper Text Transfer Protocol), zweitens die Hinzufügung eines Softwarecodes zu einem Windows-Betriebssystem für Client-PCs oder Server, um es diesem System zu ermöglichen, mit einem konkurrierenden Server-Betriebssystem unter Verwendung der speziellen Kommunikationsprotokolle des letztgenannten Systems zu kommunizieren, drittens die Hinzufügung eines Softwarecodes zu einem konkurrierenden Server-Betriebssystem, um es ihm zu ermöglichen, mit einem Windows-Betriebssystem für Client-PCs oder Server unter Verwendung der speziellen Kommunikationsprotokolle der Windows-Betriebssysteme zu kommunizieren, viertens die Verwendung eines Server-Betriebssystems als „Brücke“ zwischen zwei verschiedenen Gruppen von Kommunikationsprotokollen und fünftens die Hinzufügung eines Softwarecode-Blocks zu allen Client-PC‑ und Server-Betriebssystemen eines Netzwerks, damit diese über die Kommunikation zwischen den verschiedenen Softwarecode-Blöcken interoperieren könnten. Im selben Kontext wirft Microsoft der Kommission vor, in der angefochtenen Entscheidung nicht dargetan zu haben, dass das Reverse Engineering ihrer Kommunikationsprotokolle „technisch oder wirtschaftlich unmöglich“ sei.

347    Microsoft fügt hinzu, die von der Kommission im Verwaltungsverfahren gesammelten Beweise zeigten, dass die vorgenannten Methoden in der Praxis bei Linux und den anderen Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver funktionierten. Die Anbieter von Linux-Produkten hätten ihre Anteile am Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver immer weiter erhöht, ohne Zugang zu den Spezifikationen der Kommunikationsprotokolle von Microsoft zu haben. Wie den Abschnitten D und E eines Gutachtens von Evans, Nichols und Padilla (Anlage C.11 zur Erwiderung) zu entnehmen sei, würden diese Produkte den Windows-Betriebssystemen für Server weitere Marktanteile abnehmen. Es sei weithin anerkannt, dass Linux ein ernsthafter Konkurrent von Microsoft sei und dass die zehn größten Anbieter von Servern, die unter 25 000 USD kosteten, Arbeitsgruppenserver mit Linux anböten.

348    Die von der CompTIA und der ACT vorgetragenen Argumente gehen im Wesentlichen in die gleiche Richtung wie das Vorbringen von Microsoft.

349    Die CompTIA rügt insbesondere, dass nach Ansicht der Kommission die konkurrierenden Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver einen Grad an Interoperabilität mit den Windows-Betriebssystemen für Client-PCs erreichen müssten, der „ebenso gut wie der von Microsoft selbst“ sei.

350    Unter Bezugnahme auf das dahin gehende Vorbringen in den Schriftsätzen von Microsoft trägt die ACT vor, es gebe mehrere Methoden, die eine hinreichende Interoperabilität zwischen den Betriebssystemen unterschiedlicher Anbieter erlaubten. Im Übrigen sei zu befürchten, dass sich die Auslegung des Kriteriums der Unerlässlichkeit durch die Kommission negativ auf Innovationen auswirke.

351    Die Kommission führt aus, es sei unerlässlich, dass Microsoft ihren Konkurrenten Interoperabilitätsinformationen offenlege, um es ihnen zu ermöglichen, weiterhin am Wettbewerb auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver teilzunehmen.

352    Zu dem geltend gemachten Rechtsfehler trägt die Kommission vor, die Behauptungen von Microsoft beruhten auf einer unzutreffenden Darstellung ihres Standpunkts und auf einer Verwechslung verschiedener in der angefochtenen Entscheidung analysierter Fragen. Anhand des Kriteriums der Unerlässlichkeit müsse geprüft werden, welcher Interoperabilitätsgrad erforderlich sei, um als Konkurrent auf dem Markt überleben zu können, und ob die Informationen, zu denen der Zugang verweigert werde, die einzige wirtschaftlich tragfähige Quelle zur Erreichung dieses Interoperabilitätsgrads seien.

353    Die Informationen, deren Offenlegung Microsoft verweigere, seien „funktionell mit dem Client-PC verbunden“; ihre Unerlässlichkeit ergebe sich zum einen aus der Bedeutung der Interoperabilität mit den Client-PCs für die Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver (Randnrn. 383 bis 386 der angefochtenen Entscheidung) und zum anderen aus dem Quasi-Monopol, das Microsoft auf dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs habe.

354    Die Kommission habe das Kriterium der Unerlässlichkeit, wie es in der Rechtsprechung entwickelt worden sei, in den Randnrn. 666 bis 686 der angefochtenen Entscheidung analysiert und insbesondere geprüft, ob es andere Lösungen als die Offenlegung der fraglichen Informationen gebe, um es den Unternehmen zu ermöglichen, mit Microsoft auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver nachhaltig in Wettbewerb zu treten.

355    Microsoft sei der Ansicht, die bloße Tatsache, dass es ineffiziente Interoperabilitätslösungen gebe, die ihren Konkurrenten lediglich eine geringfügige Marktdurchdringung oder den Schutz geringfügiger Marktpositionen ermöglichten, belege, dass das Kriterium der Unerlässlichkeit nicht erfüllt sei. Dem könne nicht gefolgt werden, da das genannte Kriterium unter Berücksichtigung des Ziels beurteilt werden müsse, eine für die Verbraucher nutzbringende effektive Wettbewerbsstruktur zu erhalten. Es gehe der Sache nach darum, ob die Informationen, deren Offenlegung verweigert werde, unerlässlich seien, um eine Tätigkeit auf dem relevanten Markt auszuüben, und zwar „in Form von nachhaltigem Wettbewerbsdruck und nicht als Kleinanbieter, der den Markt de facto verlassen und sich in eine ‚Nische‘ zurückgezogen hat“.

356    In der Gegenerwiderung stellt die Kommission klar, dass ihres Erachtens ein beherrschendes Unternehmen nicht berechtigt sei, den wirksamen Wettbewerb auf einem abgeleiteten Markt dadurch zu gefährden, dass es seinen Konkurrenten den Zugang zu einem für ihr Überleben erforderlichen „Input“ in missbräuchlicher Weise verweigere. Wenn es keine Alternativlösung zu dem verweigerten „Input“ gebe, die es den Konkurrenten ermöglichen könnte, auf dem abgeleiteten Markt einen wirksamen Wettbewerbsdruck auf das beherrschende Unternehmen auszuüben, liege es auf der Hand, dass der „Input“ zur Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs unerlässlich sei.

357    Ferner wiederholt die Kommission in der Gegenerwiderung, dass es ein breites Spektrum möglicher Interoperabilitätsgrade zwischen Windows-PCs und den Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver gebe. Sie habe den für die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem Markt unerlässlichen Interoperabilitätsgrad nicht von vornherein festgelegt, sondern ihre Schlussfolgerungen auf den offensichtlich unbefriedigenden Charakter der Alternativmethoden gestützt, auf die die Konkurrenten von Microsoft bereits zurückgegriffen hätten und die „das von den Kunden geforderte Interoperabilitätsniveau nicht in einer wirtschaftlich tragfähigen Weise zuließen“. Die Kommission bestreitet erneut, einen Interoperabilitätsgrad herangezogen zu haben, der die von Microsoft angesprochene „Quasi-Identität“ erreiche; sie halte es für unerlässlich, die Konkurrenten von Microsoft nicht etwa zu befähigen, die von Microsoft implementierten Interoperabilitätslösungen zu reproduzieren, sondern in die Lage zu versetzen, „durch ihre eigenen Innovationsbemühungen einen gleichwertigen Interoperabilitätsgrad“ zu erreichen. Schließlich habe sie in den Randnrn. 590 bis 692 der angefochtenen Entscheidung die „ernsten Folgen“ geprüft, die der begrenzte Grad an Interoperabilität mit den Windows-Betriebssystemen für Client-PCs für die Konkurrenten und die Kunden habe. Das Microsoft zur Last gelegte Verhalten führe insbesondere dazu, dass nach und nach alle ihre Konkurrenten vom Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver verdrängt würden, obwohl ursprünglich einige von ihnen Microsoft auf diesem Markt wirtschaftlich oder technisch überlegen gewesen seien (Randnrn. 587 und 668 der angefochtenen Entscheidung).

358    Sodann weist die Kommission das Vorbringen zu dem geltend gemachten tatsächlichen Fehler zurück.

359    Sie trägt erstens vor, es sei nicht erwiesen, dass die Lösungen, die die EDV-Sachverständigen in den von Microsoft im Verwaltungsverfahren vorgelegten Gutachten vorgeschlagen hätten, wirtschaftlich tragfähige Alternativen zur Offenlegung von Interoperabilitätsinformationen seien.

360    Zweitens sei das aus den Antworten auf die Auskunftsverlangen der Kommission abgeleitete Argument von Microsoft insofern nicht relevant, als „es bedeutet, dass die Interoperabilität mit kleineren Marktteilnehmern genügt oder dass bereits eine gewisse Interoperabilität besteht“. In Wirklichkeit lasse Microsoft außer Acht, dass ihre Konkurrenten in den Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver eingetreten seien, bevor sie selbst begonnen habe, derartige Produkte zu vertreiben. Da die fraglichen Informationen unerlässlich seien, um diese Konkurrenten in die Lage zu versetzen, die Produkte von Microsoft weiterhin nachhaltigem Wettbewerbsdruck auszusetzen, würden die Konkurrenten nach und nach ausgeschaltet. Dass dieser Vorgang noch nicht abgeschlossen sei, belege nicht, dass das Kriterium der Unerlässlichkeit nicht erfüllt sei, denn entscheidend sei, ob die Informationen unerlässlich seien, um als Konkurrent auf dem Markt überleben zu können.

361    Drittens stelle Microsoft die in der angefochtenen Entscheidung getroffenen Feststellungen in Bezug auf die fünf von ihr angeführten Alternativmethoden zur Gewährleistung der Interoperabilität zwischen den Betriebssystemen verschiedener Anbieter nicht in Abrede, sondern mache nur geltend, diese Methoden seien „praktikabel“ und ermöglichten es, dass ihre Produkte und die ihrer Konkurrenten „gut zusammenarbeiten“.

362    In der angefochtenen Entscheidung seien die genannten Methoden und insbesondere die Frage, ob Reverse Engineering eine Alternative zur Offenlegung der Interoperabilitätsinformationen sein könnte, bereits geprüft worden (Randnrn. 683 bis 687 der angefochtenen Entscheidung), und es sei dargetan worden, dass sie kein „tragfähiger Ersatz“ für die Offenlegung der fraglichen Interoperabilitätsinformationen seien.

363    Viertens sei die Behauptung von Microsoft zurückzuweisen, dass die Analyse in der angefochtenen Entscheidung in Widerspruch zum Auftreten und Wachstum von Linux auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver stehe.

364    Zunächst stellten die Zahlen für Linux „nicht die Marktdurchdringung durch einen einzigen Wirtschaftsteilnehmer dar, sondern die Anstrengungen einer Reihe miteinander konkurrierender Anbieter, die sich auf Linux stützen (Red Hat, Novell/SuSE, IBM, Sun usw.)“. Der jeweilige Marktanteil dieser konkurrierenden Anbieter sei daher „verschwindend gering“.

365    Ferner sei gegen die Feststellungen in Abschnitt D des Gutachtens von Evans, Nichols und Padilla in Anlage C.11 zur Erwiderung Folgendes einzuwenden:

–        Wie insbesondere in den Randnrn. 487 bis 490 der angefochtenen Entscheidung dargelegt werde, seien die von diesen Sachverständigen bei der Erstellung des Gutachtens verwendeten Daten der International Data Corporation (IDC) Näherungswerte und reichten daher für sich genommen zur Beurteilung der Marktentwicklung nicht aus.

–        Dies „gilt erst recht für jährliche Veränderungen, die gemessen an der Gesamtgröße des Markts ganz marginal sind“.

–        Es gebe keinen Beweis dafür, dass der für Linux angegebene Marktanteil von 6,75 % der verkauften Einheiten, den Microsoft mittels eines alle Server betreffenden Extrapolationsfaktors ermittelt habe, für den Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver gelte.

–        Die beiden Antworten auf die Marktuntersuchung von 2003, die von den Sachverständigen beispielhaft als Beleg dafür angeführt würden, dass es möglich sei, in Verbindung mit Linux auf Reverse Engineering basierende Interoperabilitätslösungen zu verwenden, seien nicht repräsentativ, da sie von zwei der nur drei von mehr als 100 Mitwirkenden an dieser Marktuntersuchung stammten, die „Linux/Samba in nicht unerheblichem Umfang nutzten“.

–        Die Sachverständigen lieferten keine Informationen darüber, wie die vier anderen von Microsoft angeführten Methoden zur Gewährleistung der Interoperabilität zwischen den Betriebssystemen verschiedener Anbieter das angebliche Wachstum von Linux auf dem Markt während des in der Lieferverweigerung bestehenden Missbrauchs hätten ermöglichen können.

366    Zu beanstanden seien auch die Feststellungen in Abschnitt E des Gutachtens, und zwar aus folgenden Gründen:

–        Die Kommission habe in den Randnrn. 605 bis 610 der angefochtenen Entscheidung die Argumente, die Microsoft auf die Prognosen der IDC und die Ergebnisse der dritten von Mercer durchgeführten Umfrage stütze, bereits zurückgewiesen.

–        Die IDC neige dazu, die Prognosen für die Marktanteile von Linux in den Unterkategorien „Netzwerke“ und „Daten/Druck“ zu hoch anzusetzen.

–        Die im Gutachten von Merrill Lynch vom 8. März 2004 (Anhang 7 der Anlage C.11 zur Erwiderung) erwähnte „Migration“ vom Betriebssystem Windows NT zum Betriebssystem Linux sei vermutlich ein einmaliges Phänomen, da Windows NT „ein veraltetes Produkt ist, das von Microsoft nicht mehr unterstützt wird“.

–        Das Gutachten der Yankee Group vom 25. Mai 2004 (Anhang 9 der Anlage C.11 zur Erwiderung) betreffe die Betriebssysteme für Server im Allgemeinen und nicht die Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver; es sei daher in weiten Teilen für den vorliegenden Fall irrelevant.

–        Das Gutachten von Forrester Research vom 27. Mai 2004 (Anhang 10 der Anlage C.11 zur Erwiderung) betreffe nicht in erster Linie die Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver und enthalte Feststellungen, die der von Microsoft vertretenen Auffassung widersprächen, insbesondere die Feststellung, dass 92 % der befragten Personen 2006 Active Directory nutzen würden.

367    Die SIIA trägt im Wesentlichen die gleichen Argumente wie die Kommission vor. Sie betont, es sei für den am Nutzen orientierten Wettbewerb im Softwaresektor von grundlegender Bedeutung, dass die Anbieter von Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver in der Lage seien, die Interoperabilität mit den quasi-monopolistischen Produkten von Microsoft „mit Waffengleichheit“ herbeizuführen. Für einen wirksamen Wettbewerb auf dem Markt sei es unerlässlich, dass diese Anbieter Zugang zu den fraglichen Interoperabilitätsinformationen hätten.

368    Die FSFE weist das von Microsoft auf die Existenz von fünf Alternativmethoden zur Gewährleistung der Interoperabilität gestützte Vorbringen zurück. Technisch gesehen beschrieben alle diese Methoden realistische Szenarien, aber sie ließen einen grundlegenden Gesichtspunkt außer Acht: die Authentifizierung. Microsoft habe eine „enge Kopplung“ ihrer Windows-Betriebssysteme für Client-PCs mit ihren eigenen „Authentifizierungsservern“ vorgenommen, so dass es schlicht unmöglich sei, die Aufgabe der Authentifizierung von den übrigen Aufgaben zu trennen, die die Windows-Arbeitsgruppenserver erfüllten.

 Würdigung durch das Gericht

369    Wie bereits oben in Randnr. 207 ausgeführt, hat die Kommission ein zweistufiges Verfahren gewählt, um zu ermitteln, ob die fraglichen Informationen unerlässlich waren, wobei sie zunächst geprüft hat, welchen Grad an Interoperabilität mit der Windows-Domänenarchitektur die Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver der Konkurrenten von Microsoft erreichen mussten, um sich auf dem Markt behaupten zu können, und dann, ob die Interoperabilitätsinformationen, deren Offenlegung Microsoft verweigerte, zur Erreichung dieses Interoperabilitätsgrads unerlässlich waren.

370    Microsoft hält diese Vorgehensweise für rechtlich und tatsächlich fehlerhaft.

–       Zu dem geltend gemachten Rechtsfehler

371    Das Vorbringen von Microsoft zu dem Rechtsfehler, den die Kommission begangen haben soll, bezieht sich auf den ersten Teil ihrer Vorgehensweise.

372    Microsoft rügt zunächst den von der Kommission im vorliegenden Fall herangezogenen Interoperabilitätsgrad, wobei sie im Wesentlichen die Ansicht vertritt, dass der Standpunkt der Kommission darauf hinauslaufe, zu verlangen, dass die Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver ihrer Konkurrenten in der Lage sein müssten, mit den Windows-Betriebssystemen für Client-PCs in genau der gleichen Weise wie die Windows-Betriebssysteme für Server zu kommunizieren. Dieser Interoperabilitätsgrad setze eine Quasi-Identität ihrer Systeme und der Systeme ihrer Konkurrenten voraus.

373    Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen.

374    In den obigen Randnrn. 207 bis 245 ist bereits dargelegt worden, welchen Interoperabilitätsgrad die Kommission in der angefochtenen Entscheidung verlangt hat. Insbesondere ist festgestellt worden, dass nach Ansicht der Kommission die konkurrierenden Betriebssysteme, um mit den Windows-Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver nachhaltig in Wettbewerb treten zu können, in der Lage sein müssten, mit der Windows-Domänenarchitektur zu den gleichen Bedingungen wie diese Windows-Systeme zu interoperieren (siehe oben, Randnr. 230). Es ist hinzugefügt worden, dass die von der Kommission geforderte Interoperabilität zwei untrennbare Bestandteile hat, und zwar die Client/Server-Interoperabilität und die Server/Server-Interoperabilität, was insbesondere bedeutet, dass ein Server, auf dem ein mit Microsoft konkurrierendes Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver installiert ist, innerhalb einer Windows-Domäne, die Active Directory verwendet, als Domänencontroller agieren können muss und dass er folglich fähig sein muss, mit den anderen Domänencontrollern an der Multimaster Replikation teilzunehmen (siehe oben, Randnrn. 231 und 233).

375    Wie das Gericht zudem bereits festgestellt hat, wollte die Kommission mit der Heranziehung eines solchen Interoperabilitätsgrads entgegen dem Vorbringen von Microsoft keineswegs erreichen, dass die konkurrierenden Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver in jeder Hinsicht wie ein Windows-Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver fungieren können und dass die Konkurrenten von Microsoft somit in die Lage versetzt werden, Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver zu entwickeln, die mit denen von Microsoft identisch oder auch nur „quasi-identisch“ sind (siehe oben, Randnrn. 234 bis 242).

376    Sodann rügt Microsoft, dass die Kommission bei der Beurteilung des erforderlichen Interoperabilitätsgrads darauf abgestellt habe, was sie für nötig halte, um es den Entwicklern konkurrierender Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver zu ermöglichen, auf dem Markt zu überleben.

377    Hierzu genügt die Feststellung, dass das Gericht die Richtigkeit der Vorgehensweise der Kommission bereits oben in Randnr. 229 bestätigt hat.

378    Schließlich macht Microsoft geltend, um ihren Konkurrenten ein Überleben auf dem Markt zu ermöglichen, sei es nicht erforderlich, dass deren Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver den von der Kommission geforderten Interoperabilitätsgrad erreichten.

379    Es ist hervorzuheben, dass die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Analyse dieser Frage auf der Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten beruht und dass sie daher nur Gegenstand einer beschränkten Kontrolle durch das Gericht sein kann (siehe oben, Randnr. 87).

380    Wie sich aus den nachstehenden Erwägungen ergibt, hat Microsoft aber nicht dargetan, dass die genannte Analyse offensichtlich falsch ist.

381    Erstens hat Microsoft nicht nachgewiesen, dass die Feststellung der Kommission, wonach „die Interoperabilität mit dem Betriebssystem für Client-PCs von wesentlicher Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver ist“ (Randnr. 586 der angefochtenen Entscheidung), offensichtlich falsch ist.

382    Mehrere Gesichtspunkte bestätigen vielmehr die Richtigkeit dieser Feststellung.

383    So muss, wie sich u. a. aus den technischen Erläuterungen in Bezug auf die fraglichen Produkte in den Randnrn. 21 bis 59 der angefochtenen Entscheidung sowie aus den Angaben der Sachverständigen der Parteien in der mündlichen Verhandlung ergibt, berücksichtigt werden, dass Computerprogramme ihrem Wesen nach nicht isoliert arbeiten, sondern dazu bestimmt sind, mit anderer Computersoft- und ‑hardware in Verbindung zu treten und zu arbeiten, insbesondere im Rahmen eines Netzes (vgl. auch, oben in Randnr. 157, den zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 91/250).

384    Innerhalb der in Organisationen geschaffenen Computernetze ist das Erfordernis, zusammenwirken zu können, besonders groß bei den Betriebssystemen für Client-PCs einerseits und den Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver andererseits. Wie nämlich die Kommission in Randnr. 383 der angefochtenen Entscheidung hervorhebt und wie bereits oben in Randnr. 161 festgestellt worden ist, sind die Datei- und Druckdienste und die Dienste für die Verwaltung von Gruppen und Nutzern eng mit der Nutzung der Client-PCs verbunden und werden den PC‑Nutzern als Gesamtheit untereinander verbundener Aufgaben zur Verfügung gestellt. Wie die Sachverständigen der Parteien in der mündlichen Verhandlung erläutert haben, werden die Beziehungen zwischen den Arbeitsgruppenservern und den Client-PCs durch Aktionen oder Anfragen der Client-PC‑Nutzer wie die Eingabe von Namen und Passwort, die Einrichtung einer Datei oder den Befehl zum Ausdruck eines Dokuments „stimuliert“ oder „hervorgerufen“. Im gleichen Sinne stellt die Kommission in Randnr. 532 der angefochtenen Entscheidung zutreffend fest, dass „Client-PCs und Arbeitsgruppenserver … Knotenpunkte in einem Computernetz dar[stellen] und … daher physisch miteinander verbunden [sind]“. Schließlich ist daran zu erinnern, dass eine der wesentlichen Funktionen der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver gerade die Verwaltung von Client-PCs ist.

385    Ferner bestätigen, wie in den Randnrn. 383 bis 386 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, einige Ergebnisse der Umfragen von Mercer die Bedeutung der Interoperabilität von Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver mit den Betriebssystemen für Client-PCs. Abgesehen von den Ergebnissen der zweiten und der dritten Umfrage von Mercer, die speziell die Interoperabilität mit Windows-Client-PCs betreffen und auf die nachfolgend in den Randnrn. 401 bis 412 eingegangen wird, geht aus der ersten Umfrage von Mercer hervor, dass die Leichtigkeit, mit der sich ein Produkt in eine vorhandene oder für die Zukunft vorgesehene EDV-Umgebung einfügen kann, einer der wichtigsten der von den EDV-Verantwortlichen bei Entscheidungen über die Anschaffung von Informatikprodukten herangezogenen Faktoren ist. Überdies zeigt ein Vergleich bestimmter Ergebnisse der letztgenannten Umfrage mit bestimmten Ergebnissen der dritten Umfrage von Mercer, dass die Bedeutung der Interoperabilität mit den Betriebssystemen für Client-PCs im Fall der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver größer ist als bei andersartigen Serverprodukten (Randnr. 386 der angefochtenen Entscheidung).

386    Zweitens ist die Interoperabilität der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver mit den Betriebssystemen für Client-PCs umso wichtiger, wenn es sich bei Letzteren um Windows-Betriebssysteme handelt.

387    Die beherrschende Stellung von Microsoft auf dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs weist nämlich, wie die Kommission in den Randnrn. 429 und 472 der angefochtenen Entscheidung ausführt, namentlich insofern „außergewöhnliche Merkmale“ auf, als ihr Anteil an diesem Markt bei über 90 % liegt (Randnrn. 430 bis 435 der angefochtenen Entscheidung) und Windows der „Quasi-Standard“ für diese Betriebssysteme ist.

388    Da das Windows-Betriebssystem somit auf fast allen innerhalb von Organisationen installierten Client-PCs vorhanden ist, ist es nicht möglich die konkurrierenden Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver weiterhin nachhaltig zu vermarkten, wenn sie keinen hohen Interoperabilitätsgrad mit Windows erreichen können.

389    Drittens ist es nach der angefochtenen Entscheidung wichtig, dass die mit Microsoft konkurrierenden Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver nicht nur mit den Windows-Betriebssystemen für Client-PCs interoperieren können, sondern auch ganz allgemein mit der Windows-Domänenarchitektur.

390    Die Kommission ist insbesondere der Ansicht, dass die konkurrierenden Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver, um nachhaltig vermarktet werden zu können, in der Lage sein müssten, an der Windows-Domänenarchitektur – einer „Architektur“ von sowohl Client/Server- als auch Server/Server-Verbindungen und ‑Interaktionen, die eng miteinander verknüpft sind (siehe oben, Randnrn. 179 bis 189) – zu den gleichen Bedingungen wie die Windows-Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver teilzuhaben. Dies bedeutet insbesondere, dass ein Server, auf dem ein mit Microsoft konkurrierendes Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver installiert ist, innerhalb einer Windows-Domäne, die Active Directory verwendet, als Domänencontroller agieren können muss und dass er folglich fähig sein muss, mit den anderen Domänencontrollern an der Multimaster Replikation teilzunehmen.

391    Microsoft hat nicht nachgewiesen, dass diese Einschätzung offensichtlich fehlerhaft ist.

392    Erstens hat die Kommission angesichts der sehr engen und privilegierten technologischen Verbindungen, die Microsoft zwischen ihren Windows-Betriebssystemen für Client-PCs und für Arbeitsgruppenserver geschaffen hat, und der Tatsache, dass Windows auf fast allen Client-PCs in Organisationen vorhanden ist, in Randnr. 697 der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt, dass Microsoft in der Lage sei, die Windows-Domänenarchitektur als „de-facto-Standard für den Computereinsatz im Arbeitsgruppenbereich“ durchzusetzen (in diesem Sinne auch Randnr. 779 der angefochtenen Entscheidung, in der die Kommission u. a. ausführt, dass das Quasi-Monopol, das Microsoft seit Jahren auf dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs innehabe, es ihr ermögliche, „in weitem Umfang und unabhängig von ihren Konkurrenten das Bündel aufeinander abgestimmter Kommunikationsregeln zu bestimmen, nach denen sich der de-facto-Standard für die Interoperabilität in Arbeitsgruppennetzen richten wird“).

393    Zweitens zeigen, wie die Kommission in Randnr. 637 der angefochtenen Entscheidung ausführt, verschiedene Erkenntnisquellen – darunter Marketingunterlagen von Microsoft selbst, Berichte von Branchenanalysten und im Rahmen der Marktuntersuchung von 2003 und der Umfragen von Mercer gesammelte Anhaltspunkte –, dass die Interoperabilität mit der Windows-Umgebung ein Faktor ist, der bei der Akzeptanz der Windows-Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver eine Schlüsselrolle spielt.

394    So führt die Kommission in den Randnrn. 638 bis 641 der angefochtenen Entscheidung verschiedene Belege dafür an, dass Microsoft im Geschäftsverkehr die Interoperabilität mit der Windows-Umgebung systematisch als wesentliches Verkaufsargument für ihre Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver verwendet. Dies wird von Microsoft nicht bestritten.

395    Ferner zieht die Kommission in den Randnrn. 642 bis 646 der angefochtenen Entscheidung einige Ergebnisse der Marktuntersuchung von 2003 zum Beweis dafür heran, dass die Interoperabilität mit der Windows-Umgebung eine wichtige Rolle bei den Entscheidungen der befragten Organisationen über den Kauf von Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver spielt.

396    Microsoft trägt in der Klageschrift lediglich vor, dass die Organisationen die Server-Betriebssysteme nicht anhand von Erwägungen in Zusammenhang mit ihrer Interoperabilität mit den Windows-Betriebssystemen auswählten, und verweist dabei global auf bestimmte der Klageschrift beigefügte Dokumente (Anlage A.12.1 zur Klageschrift [Matthews, „The Commission’s Case on Microsoft’s Interoperability: An Examination of the Survey Evidence“) und Anlage A.22 zur Klageschrift [Evans, Nichols und Padilla, „The Commission Has Failed to Address Major Flaws in the Design, Conduct, and Analyses of Its Article 11 Inquiries“]). Aus den oben in den Randnrn. 94 bis 99 genannten Gründen kann das Gericht diese Anlagen nicht berücksichtigen.

397    Im Übrigen bestätigen die bereits erwähnten Ergebnisse der Marktuntersuchung von 2003 die Richtigkeit der These der Kommission.

398    So wollte die Kommission bei dieser Untersuchung von den Befragten u. a. wissen, ob sie Active Directory in der Mehrzahl der Windows-Domänen ihres Computernetzes bereits implementiert (oder dies beschlossen) hätten (Frage 15). Diejenigen, die dies bejahten – 61 der 102 Befragten –, wurden ferner gebeten, aus einer Liste von Faktoren diejenigen auszuwählen, die bei ihrer Entscheidung für Active Directory eine wichtige Rolle gespielt hatten (Frage 16). Von den 61 Befragten nannten 52 (also etwa 85,2 %) dabei folgende Faktoren: „Active Directory bietet eine bessere Integration mit Windows-Arbeitsplatzrechnern, einschließlich der auf den Client-PCs laufenden oder in sie integrierten Anwendungen (z. B. Outlook, Office), als konkurrierende Verzeichnisdienste“ oder „Active Directory wird von den bei [ihnen] genutzten Anwendungen verlangt“ (Frage 16). Dagegen bezeichneten nur 17 Befragte (etwa 27,9 %) einen der folgenden Faktoren als wichtig bei ihrer Entscheidung für Active Directory: „Active Directory bietet eine bessere Integration mit Webdiensten als konkurrierende Verzeichnisdienste“; „Active Directory ist ein ausgereifteres Produkt als konkurrierende Verzeichnisdienste“; „Active Directory bietet eine bessere Konformität mit und Implementierungsqualität von Verzeichnisstandards als konkurrierende Verzeichnisdienste“.

399    Außerdem wurde bei der Marktuntersuchung von 2003 gefragt, ob für die Erbringung von Datei- und Druckdiensten hauptsächlich Windows-Server verwendet würden (Frage 13). Bejahendenfalls war anzugeben, ob bestimmte in derselben Frage aufgezählte Interoperabilitätsfaktoren eine wichtige Rolle bei ihrer Entscheidung für solche Server gespielt hätten. Von den 77 Befragten, die darauf antworteten, nannten 58 (etwa 75,3 %) mindestens einen der fraglichen Faktoren.

400    In Fn. 101 der Klageschrift sowie in Fn. 68 der Erwiderung trägt Microsoft vor, mehrere der von der Kommission im Rahmen der Marktuntersuchung von 2003 gestellten Fragen seien „mangelhaft“ oder „einseitig“ gewesen; dabei beschränkt sie sich auf eine allgemeine Bezugnahme auf die Ausführungen in bestimmten Anlagen (Anlage A.22 zur Klageschrift und Abschnitt A von Anlage C.13 zur Erwiderung [Evans, Nichols und Padilla, „Response to the Commission’s Annex B.6 Regarding Its Article 11 Inquiries“]). Das Gericht hält dieses Vorbringen nicht für stichhaltig. Abgesehen davon, dass eine solche globale Bezugnahme auf Anlagen aus den oben in den Randnrn. 94 bis 99 genannten Gründen nicht zulässig ist, ist das Vorbringen von Microsoft insofern in sich widersprüchlich, als sie sich in den Abschnitten ihrer Schriftsätze, zu denen die fraglichen Fußnoten gehören, zur Stützung ihrer eigenen Argumentation gerade auf bestimmte Ergebnisse der Marktuntersuchung von 2003 beruft.

401    Überdies kommen entgegen dem Vorbringen von Microsoft die zweite und die dritte Umfrage von Mercer zu den gleichen Schlussfolgerungen in Bezug auf die Bedeutung der Interoperabilität mit den Windows-Betriebssystemen für die Verbraucher wie die Marktuntersuchung von 2003.

402    So wollte Mercer im Rahmen seiner zweiten Umfrage unter Nennung derselben Interoperabilitätsfaktoren wie in Frage 13 der Marktuntersuchung von 2003 (siehe oben, Randnr. 399) von einer Reihe von EDV-Verantwortlichen, deren Organisation für die Erbringung von Datei- und Druckdiensten hauptsächlich Windows-Betriebssysteme verwendete, wissen, ob bei ihrer Entscheidung für diese Betriebssysteme ein oder mehrere der genannten Faktoren eine wichtige Rolle gespielt hätten und wie sie sie auf einer Skala von 1 (geringe Bedeutung) bis 5 (große Bedeutung) bewerteten. Von den 134 befragten EDV-Verantwortlichen gaben 99 (etwa 73,9 %) an, dass mindestens einer dieser Faktoren eine solche Rolle gespielt habe. Bemerkenswert ist zudem, dass 91 EDV-Verantwortliche (etwa 67,9 %) mindestens einen Faktor mit 4 oder 5 bewerteten.

403    Im Rahmen derselben Umfrage wurden die befragten EDV-Verantwortlichen ferner aufgefordert, die Rolle von 21 verschiedenen Faktoren bei ihren Entscheidungen im Bereich des Erwerbs von Betriebssystemen für die Erbringung von Datei- und Druckdiensten zu bewerten und sie auf einer Skala von 0 (keine Bedeutung) bis 5 (große Bedeutung) einzustufen. Der Faktor „Interoperabilität mit (Windows-)Arbeitsplatzrechnern“ erhielt eine Durchschnittsnote von 3,78 und nahm den vierten Rang ein, nach den Faktoren „Zuverlässigkeit/Verfügbarkeit“ (Durchschnittsnote 4,01), „verfügbare Funktionen und Verfügbarkeit von (interner oder externer) Hilfe“ (Durchschnittsnote 3,93) und „Sicherheit“ (Durchschnittsnote 3,80).

404    Die zweite Umfrage von Mercer ergab außerdem, dass die befragten EDV-Verantwortlichen auf die Aufforderung, die Rolle von 18 Faktoren bei ihren Entscheidungen im Bereich des Erwerbs von Verzeichnisdiensten zu bewerten, dem Faktor „Interoperabilität mit (Windows-)Arbeitsplatzrechnern“ eine Durchschnittsnote von 3,94 (erster Rang) gaben.

405    Bei der dritten Umfrage von Mercer sollten die EDV-Verantwortlichen die Rolle von 13 verschiedenen Faktoren bei ihren Entscheidungen im Bereich des Erwerbs von Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver bewerten und ihnen eine Note auf einer Skala von 0 (keine Bedeutung) bis 5 (große Bedeutung) geben. Dabei erhielt der Faktor „Interoperabilität mit Windows-Arbeitsplatzrechnern“ eine Durchschnittsnote von 4,25. Damit nahm er zwar nur den zweiten Rang zwischen den Faktoren „Zuverlässigkeit/Verfügbarkeit des Server-Betriebssystems“ (Durchschnittsnote 4,47) und „in das Server-Betriebssystem integrierte Sicherheit“ (Durchschnittsnote 4,04) ein, doch zeigen die Ergebnisse für diesen Faktor, dass die Entscheidungen der Käufer von Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver in ganz erheblichem Maß von Erwägungen bestimmt werden, die sich auf die Interoperabilität mit Windows-Client-PCs beziehen.

406    Es trifft zu, dass die EDV-Verantwortlichen im Rahmen der dritten Umfrage von Mercer auch aufgefordert wurden, die relative Bedeutung jedes der 13 in der vorstehenden Randnummer angesprochenen Faktoren zu beurteilen, und dass auf dieser Grundlage der Abstand zwischen dem Faktor „Zuverlässigkeit/Verfügbarkeit des Server-Betriebssystems“ (erster Rang mit 34 %) und dem Faktor „Interoperabilität mit Windows-Arbeitsplatzrechnern“ (zweiter Rang mit 9 %) erheblich größer ist. Diese Ergebnisse sind jedoch zu relativieren, denn wie die Kommission in den Randnrn. 643 und 659 der angefochtenen Entscheidung erläutert, ist die Interoperabilität ein Faktor, der Einfluss auf andere Faktoren hat, die die Käufer bei der Wahl eines Betriebssystems für Arbeitsgruppenserver berücksichtigen. Die Käufer können daher den Eindruck haben, dass ein mit Microsoft konkurrierendes Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver Schwächen bei der Sicherheit oder der Verarbeitungsgeschwindigkeit aufweist, während diese Schwächen in Wirklichkeit auf die mangelnde Interoperabilität mit den Windows-Betriebssystemen zurückzuführen sind (vgl. hierzu die beiden von der Kommission in Fn. 786 der angefochtenen Entscheidung genannten Beispiele). Solche Käufer werden daher dazu tendieren, die Bedeutung der Interoperabilität zu unterschätzen.

407    Die Ergebnisse der dritten Umfrage von Mercer sind auch insofern bedeutsam, als sie zeigen, dass der eindeutige und wachsende Vorsprung, den Microsoft auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver vor ihren Konkurrenten hat (vgl. hierzu die Prüfung in Bezug auf die Ausschaltung des Wettbewerbs in den nachstehenden Randnrn. 479 bis 620), weniger mit den Vorzügen ihrer Produkte zu tun hat als mit dem Vorteil, über den sie bei der Interoperabilität verfügt.

408    Dazu ist festzustellen, dass die befragten EDV-Verantwortlichen nicht nur die relative Bedeutung von 13 verschiedenen Faktoren bei ihren Entscheidungen im Bereich des Erwerbs von Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver (siehe oben, Randnr. 406), sondern auch für jeden dieser Faktoren die jeweilige Leistungsfähigkeit der Systeme Linux, NetWare, UNIX und Windows bewerten sollten.

409    Windows erhielt dabei die schlechteste Durchschnittsnote (3,63) für den Faktor „Zuverlässigkeit/Verfügbarkeit des Server-Betriebssystems“, der von den befragten EDV-Verantwortlichen (mit 34 %) auf den ersten Rang gesetzt worden war. Die UNIX-Systeme lagen klar an der Spitze (Durchschnittsnote 4,55), gefolgt von Linux (Durchschnittsnote 4,10) und NetWare (Durchschnittsnote 4,01).

410    Windows erhielt auch die niedrigste Durchschnittsnote für seine Leistungen bei dem Faktor „in das Server-Betriebssystem integrierte Sicherheit“ (Durchschnittsnote 3,14), weit hinter UNIX (Durchschnittsnote 4,09), NetWare (Durchschnittsnote 3,82) und Linux (Durchschnittsnote 3,73), obwohl dieser Faktor eine sehr wichtige Rolle bei den Entscheidungen der Organisationen im Bereich des Erwerbs von Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver spielt (siehe oben, Randnr. 405). Die Ergebnisse sind umso aufschlussreicher, als – wie oben in Randnr. 406 ausgeführt – die Käufer dazu tendieren, Probleme mit der Sicherheit in Verbindung zu bringen, die in Wirklichkeit auf die mangelnde Interoperabilität mit den Windows-Betriebssystemen zurückzuführen sind.

411    Dagegen fällt auf, dass Windows bei den Leistungen im Bereich des Faktors „Interoperabilität mit Windows-Arbeitsplatzrechnern“ mit 4,87 die höchste aller Durchschnittsnoten erhielt, die für die 13 von Mercer herangezogenen Faktoren bei den genannten Betriebssystemen vergeben wurde. Überdies ist bei diesem Faktor der Abstand zwischen Microsoft und den Betriebssystemen ihrer Konkurrenten am deutlichsten, denn NetWare erhielt eine Durchschnittsnote von 3,78, Linux eine Durchschnittsnote von 3,43 und UNIX eine Durchschnittsnote von 3,29.

412    Desgleichen ist festzustellen, dass – wie die Kommission in Randnr. 662 der angefochtenen Entscheidung völlig zutreffend darlegt – bei einer Gewichtung der Durchschnittsnoten, die Linux, NetWare, UNIX und Windows für jeden der 13 Faktoren erhielten, anhand des Prozentsatzes des „relativen Einflusses“ jedes dieser Faktoren und einer anschließenden Addition der gewichteten Noten UNIX das höchste Ergebnis erzielt, gefolgt von Windows und dann, mit eng beieinander liegenden und nicht wesentlich niedrigeren Ergebnissen als Windows, von Linux und NetWare.

413    Drittens führt die Kommission in Randnr. 183 der angefochtenen Entscheidung aus: „Wird ein Arbeitsgruppenserver [mit einem anderen Betriebssystem als Windows] in ein Windows-basiertes Arbeitsgruppennetzwerk integriert, so wirkt sich der von diesem Arbeitsgruppenserver erreichbare Grad an Interoperabilität mit der Windows-Domänenarchitektur darauf aus, wie effizient er den Benutzern des Netzwerks zu Diensten sein kann.“

414    Die Richtigkeit dieser Feststellung wird durch mehrere Anhaltspunkte in der angefochtenen Entscheidung bestätigt. Darin wird nämlich eine Reihe von Problemen geschildert, die bei den mit Microsoft konkurrierenden Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver auftreten, weil sie nicht in gleichem Maß mit der Windows-Domänenarchitektur interoperieren können wie die Windows-Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver.

415    Ein erstes von der Kommission angeführtes Beispiel besteht darin, dass der Benutzer, wenn ein Arbeitsgruppenserver nicht hinreichend mit der „Sicherheitsarchitektur“ des Windows-Arbeitsgruppennetzwerks interoperiert, gezwungen sein kann, sich zweimal anzumelden, wenn er sowohl auf „Windows-basierte Ressourcen“ als auch auf „Ressourcen der Arbeitsgruppenserver, [die konkurrierende Betriebssysteme nutzen]“, zugreifen möchte (Randnr. 183 der angefochtenen Entscheidung). In ihren Schriftsätzen stellt Microsoft dieses Problem nicht in Abrede, sondern versucht nur, es herunterzuspielen (siehe oben, Randnr. 340). In der mündlichen Verhandlung hat aber einer der Sachverständigen von Microsoft selbst die durch mehrfache Benutzernamen und Passwörter entstehenden Risiken für die Sicherheit des Netzes und die Effektivitäts- und Produktivitätsnachteile hervorgehoben, die für die Benutzer damit verbunden sind, dass sie mehrere Benutzernamen und Passwörter eingeben müssen.

416    Ein weiteres Beispiel findet sich in Randnr. 196 der angefochtenen Entscheidung. Die Kommission gibt dort eine von Microsoft in ihrer Erwiderung vom 16. November 2001 auf die zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte abgegebene Erklärung wieder, wonach „eine umfangreichere policy-basierte Verwaltung [von Benutzergruppen] möglich ist, wenn ein Client unter Windows 2000 Professional mit einem Windows-2000-Server mit Active Directory verbunden ist, als dann, wenn er als Einzelrechner betrieben wird oder Teil einer Domäne oder eines Bereichs ohne Windows 2000 ist“.

417    In Randnr. 240 der angefochtenen Entscheidung gibt die Kommission an, dass Microsoft über ein Jahr nach der Einführung von Windows 2000 ihren Konkurrenten die aktualisierte CIFS/SMB-Spezifikation noch immer nicht vollständig offengelegt hatte. In Fn. 319 fügt sie zutreffend hinzu, selbst wenn Microsoft dies getan hätte, hätte es nicht ausgereicht, um „eine ordnungsgemäße Verwaltung des Dateidienstes“ zu ermöglichen.

418    Zu nennen sind ferner die von der Kommission völlig zu Recht angestellten Erwägungen in Bezug auf die ADSI‑Schnittstelle, die von Microsoft entwickelt wurde, um es den Softwareanbietern zu ermöglichen, auf das LDAP-Protokoll zuzugreifen, das Active Directory unterstützt (Randnrn. 243 bis 250 der angefochtenen Entscheidung). Insbesondere ist auf die Beschränkungen hinzuweisen, die der von Novell entwickelte „ADSI‑Provider“ hat (Randnr. 250 der angefochtenen Entscheidung).

419    In den Randnrn. 251 bis 266 der angefochtenen Entscheidung erläutert die Kommission, dass Microsoft das Kerberos-Standardprotokoll in „proprietärer“ Weise erweitert habe und dass die Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver, auf denen die „nicht erweiterte“ Fassung dieses Sicherheitsprotokolls laufe, Schwierigkeiten bei der Autorisierung in einer Windows-Umgebung hätten (vgl. auch Fn. 786 der angefochtenen Entscheidung). Die Benutzung dieses von Microsoft geänderten Kerberos-Protokolls bietet Vorteile vor allem bei der Schnelligkeit der Verbindungen und der Effizienz (vgl. Randnr. 152 der angefochtenen Entscheidung und die obige Randnr. 170).

420    In den Randnrn. 283 bis 287 der angefochtenen Entscheidung stellt die Kommission zutreffend fest, dass die von Microsoft angesprochenen „Verzeichnis-Synchronisierungswerkzeuge“ den von den Systemen ihrer Konkurrenten gelieferten Verzeichnisdiensten nur eine beschränkte Synchronisierung mit Active Directory ermöglichten. Sie hebt insbesondere hervor, dass diese Werkzeuge „stets nur einen begrenzten Teil der in einem Verzeichnis enthaltenen Informationen“ synchronisierten und „eine separate Verwaltung von Benutzern, Berechtigungen, Gruppenmitgliedschaften und Sicherheitsrichtlinien für die Windows-Arbeitsgruppenserver und … die Arbeitsgruppenserver [mit konkurrierenden Betriebssystemen] nicht überflüssig“ machten (Randnr. 285 der angefochtenen Entscheidung).

421    Aus der Gesamtheit der vorstehenden Erwägungen folgt, dass Microsoft nicht nachgewiesen hat, dass die Kommission einen offensichtlichen Fehler begangen hat, als sie die Ansicht vertrat, die mit Microsoft konkurrierenden Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver müssten in der Lage sein, mit der Windows-Domänenarchitektur zu den gleichen Bedingungen wie die Windows-Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver zu interoperieren, um nachhaltig vermarktet werden zu können.

422    Aus diesen Erwägungen ist ferner zu schließen, dass es ohne eine solche Interoperabilität mit der Windows-Domänenarchitektur zu einer Stärkung der Wettbewerbsposition von Microsoft auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver kommt, da dies insbesondere die Verbraucher veranlasst, das Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver von Microsoft den Systemen ihrer Konkurrenten vorzuziehen, obwohl die letztgenannten Systeme Merkmale aufweisen, denen sie große Bedeutung beimessen.

–       Zu dem geltend gemachten Sachverhaltsirrtum

423    Microsoft trägt zu dem Sachverhaltsirrtum, der der Kommission unterlaufen sein soll, zwei Gruppen von Argumenten vor.

424    Erstens macht sie geltend, die Auffassung der Kommission werde zum einen dadurch widerlegt, dass es auf dem Markt mehrere Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver gebe und dass die Computernetzwerke der Unternehmen in Europa heterogener Natur seien, und zum anderen dadurch, dass die Anbieter von Linux-Produkten, obwohl sie keinen Zugang zu den fraglichen Interoperabilitätsinformationen hätten, kürzlich in den Markt eingedrungen seien und immer mehr Marktanteile gewonnen hätten.

425    Das erste der vorgenannten Argumente reicht nach Ansicht des Gerichts nicht aus, um die Stichhaltigkeit der Auffassung der Kommission in Frage zu stellen.

426    Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass entgegen dem Vorbringen von Microsoft die mit der Interoperabilität verbundenen Erwägungen bei den Entscheidungen über den Erwerb von Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver eine Schlüsselrolle spielen (siehe oben, Randnrn. 381 bis 412).

427    Ferner ist darauf hinzuweisen, dass nach der dritten Umfrage von Mercer bei dem Faktor „Interoperabilität mit Windows-Arbeitsplatzrechnern“ der größte Unterschied zwischen dem Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver von Microsoft und den Systemen ihrer Konkurrenten besteht (siehe oben, Randnr. 411).

428    Sodann ist festzustellen, dass – wie nachfolgend in den Randnrn. 569 bis 582 näher ausgeführt wird – die Konkurrenten von Microsoft, mit Ausnahme der Anbieter von Linux-Produkten, schon mehrere Jahre auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver tätig waren, als Microsoft mit der Entwicklung und Vermarktung solcher Systeme begann. Es ist zwar richtig, dass diese Konkurrenten zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung noch auf dem Markt waren, doch hat sich ihr Marktanteil parallel zum raschen Anstieg des Anteils von Microsoft erheblich verringert, obwohl einige von ihnen, insbesondere Novell, einen beträchtlichen technologischen Vorsprung vor Microsoft hatten. Dass die Konkurrenz nach und nach und nicht schlagartig ausgeschaltet wird, steht nicht in Widerspruch zur Auffassung der Kommission, dass die fraglichen Informationen unerlässlich sind.

429    Wie die Kommission nämlich auf eine der schriftlichen Fragen des Gerichts mitgeteilt hat, ist die Tatsache, dass die Konkurrenten von Microsoft in den letzten Jahren vor Erlass der angefochtenen Entscheidung weiterhin Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver verkaufen konnten, zum Teil damit zu erklären, dass es zu dieser Zeit innerhalb der Organisationen noch eine erhebliche Zahl von Client-PCs gab, die ein älteres Windows-Betriebssystem als die Reihe Windows 2000 verwendeten (vgl. Randnrn. 441 bis 444 der angefochtenen Entscheidung). So geht z. B. aus der Tabelle in Randnr. 446 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass es 2001 für die Client-PC‑Betriebssysteme Windows 98, Windows Millenium Edition (Windows Me) und Windows NT noch eine erhebliche Zahl neuer Lizenzen gab. Gerade mit den Betriebssystemen der Reihe Windows 2000 stellten sich aber die Interoperabilitätsprobleme für die Konkurrenten von Microsoft in besonders ausgeprägter Weise (siehe oben, Randnrn. 571 bis 573). Zu dieser Zeit gab es auch noch zahlreiche Arbeitsgruppenserver mit Windows-NT‑Betriebssystemen, die geringere Interoperabilitätsprobleme aufwiesen als ihre Nachfolgesysteme. Insoweit ist zu bedenken, dass die Organisationen nur alle paar Jahre Änderungen an ihrem Netz von Arbeitsgruppenservern vornehmen, und auch dies nur nach und nach (vgl. Randnr. 590 der angefochtenen Entscheidung).

430    Das zweite oben in Randnr. 424 wiedergegebene Argument, das auf dem Eindringen von Linux-Produkten in den Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver und ihrem wachsenden Marktanteil beruht, ist ebenfalls zurückzuweisen.

431    Hierzu ist zunächst festzustellen, dass – wie die Kommission in den Randnrn. 487 und 488 der angefochtenen Entscheidung darlegt und wie in den nachstehenden Randnrn. 502 und 553 näher ausgeführt wird – die Angaben der IDC, auf die sich Microsoft bei ihrer Schilderung der Entwicklung der Marktposition von Linux-Produkten stützt, gewisse Mängel aufweisen. Diese Angaben stammen nämlich aus einer Datenbank, bei deren Errichtung die IDC acht Hauptkategorien für die von den Servern der Organisationen ausgeführten Aufgaben (oder „workloads“) ermittelte und diese Hauptkategorien in mehrere „Unterkategorien“ unterteilte. Die beiden Unterkategorien von Aufgaben, die den in der angefochtenen Entscheidung behandelten Arbeitsgruppenaufgaben am nächsten kommen – die Daten- und Druckdienste und die Nutzer- und Gruppenverwaltungsdienste –, werden als „file/print sharing“ und „networking“ bezeichnet (Randnr. 486 der angefochtenen Entscheidung). Die zu diesen beiden Unterkategorien gehörenden Aufgaben entsprechen jedoch nicht genau den Diensten, die der Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver abdeckt. Überdies erfordern einiger dieser Aufgaben einen geringen Grad an Interoperabilität zwischen den Client-PCs und den Servern als die von der Kommission herangezogenen Arbeitsgruppenaufgaben und können daher eher als die letztgenannten Aufgaben von den mit Microsoft konkurrierenden Betriebssystemen erledigt werden.

432    Sodann ist festzustellen, dass die Linux-Produkte in den letzten Jahren vor Erlass der angefochtenen Entscheidung nur ein bescheidenes Wachstum erzielten. Wenn diese Produkte zusammen mit der (mittels Reverse Engineering entwickelten) Software Samba verwendet wurden, konnten sie einen gewissen Grad an Interoperabilität mit den Windows-Betriebssystemen erreichen. Dieser Interoperabilitätsgrad ging jedoch nach Einführung der Generation Windows 2000 erheblich zurück. So ermöglichte der von den Linux-Produkten im Oktober 2003 – mehrere Monate nach Beginn der Vermarktung des Betriebssystems Windows 2003 Server, des Nachfolgers des Systems Windows 2000 Server – erreichte Interoperabilitätsgrad lediglich ihren Einsatz als Teilserver innerhalb einer Active-Directory-Domäne (vgl. Randnrn. 296 und 297 der angefochtenen Entscheidung).

433    Schließlich ist zum voraussichtlichen Wachstum der Linux-Produkte auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver festzustellen, dass es – wie nachfolgend in den Randnrn. 595 bis 605 näher ausgeführt wird – zum einen geringer ausfällt als Microsoft behauptet und zum anderen nicht zulasten der Microsoft-Systeme gehen wird, sondern vor allem zulasten der Systeme von Novell und der Anbieter von UNIX-Produkten.

434    Zweitens macht Microsoft geltend, die Kommission habe außer Acht gelassen, dass es mehrere andere Methoden als die Offenlegung der fraglichen Informationen gebe, die eine hinreichende Interoperabilität zwischen den Betriebssystemen unterschiedlicher Anbieter erlaubten.

435    Hierzu genügt die Feststellung, dass Microsoft selbst sowohl in ihren Schriftsätzen als auch in der Antwort auf eine ihr in der mündlichen Verhandlung gestellte Frage eingeräumt hat, dass mit keiner der von ihr angeführten Methoden oder Lösungen der von der Kommission im vorliegenden Fall zu Recht verlangte hohe Interoperabilitätsgrad erreicht werden kann.

436    Folglich hat Microsoft nicht dargetan, dass die Interoperabilitätsinformationen im vorliegenden Fall nicht unerlässlich waren.

 iii) Zur Ausschaltung des Wettbewerbs


 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

437    Microsoft trägt vor, die ihr zur Last gelegte Weigerung sei nicht geeignet, den gesamten Wettbewerb auf einem abgeleiteten Markt, hier dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver, auszuschalten.

438    Zur Stützung dieses Vorbringens macht Microsoft erstens geltend, die Kommission habe im vorliegenden Fall ein falsches rechtliches Kriterium angewandt.

439    In Randnr. 589 der angefochtenen Entscheidung spreche die Kommission von einer bloßen „Gefahr“ der Ausschaltung des Wettbewerbs auf dem Markt. In Fällen, in denen es um Zwangslizenzen für Rechte des geistigen Eigentums gegangen sei, habe der Gerichtshof aber stets geprüft, ob die fragliche Weigerung „geeignet war, jeglichen Wettbewerb auszuschalten“, und habe dabei „annähernde Gewissheit“ verlangt. Die Kommission hätte deshalb ein strengeres Kriterium heranziehen müssen, nämlich eine „hohe Wahrscheinlichkeit“ der Ausschaltung wirksamen Wettbewerbs. Entgegen dem Vorbringen der Kommission seien die Begriffe „Gefahr“, „Möglichkeit“ und „Wahrscheinlichkeit“ nicht gleichbedeutend.

440    Die Bezugnahme in der angefochtenen Entscheidung auf die oben in Randnr. 320 angeführten Urteile Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission und CBEM sei irrelevant. In diesen Rechtssachen sei es nicht um eine Weigerung gegangen, eine Lizenz für Rechte des geistigen Eigentums zu erteilen. Außerdem habe in jeder dieser Rechtssachen mangels alternativer Bezugsquellen die unmittelbare und reale Erwartung einer Ausschaltung des Wettbewerbs bestanden.

441    Zweitens führt Microsoft aus, die Auffassung der Kommission, dass der Wettbewerb auf dem Markt der Server-Betriebssysteme durch ihre Weigerung, ihren Konkurrenten die Kommunikationsprotokolle offenzulegen, ausgeschaltet werden könnte, stehe in Widerspruch zu den Marktgegebenheiten. Zum einen verfügten die Unternehmen in Europa im Allgemeinen über heterogene Computerausstattungen, bestehend aus Windows-Betriebssystemen für Client-PCs und Server und aus konkurrierenden Server-Betriebssystemen, und zum anderen gehe aus den Mercer-Berichten hervor, dass die Firmenkunden ihre Entscheidungen über den Kauf von Server-Betriebssystemen anhand einer Reihe von Kriterien wie Zuverlässigkeit, Skalierbarkeit und Kompatibilität der Anwendungen träfen und die Interoperabilität mit den Windows-Betriebssystemen für Client-PCs nicht als ausschlaggebendes Kriterium ansähen.

442    Sechs Jahre nach der angeblichen Weigerung gebe es auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver nach wie vor zahlreiche Konkurrenten, u. a. IBM, Novell, Red Hat und Sun sowie mehrere Anbieter von Linux-Produkten. Wie bereits ausgeführt, sei Linux kürzlich auf den Markt gekommen und rasch gewachsen; es sei unstreitig, dass die Linux-Produkte, allein oder zusammen mit den Samba-Produkten oder der Server-Software Nterprise von Novell, bei einem breiten Spektrum von Aufgaben, darunter die Erbringung von Arbeitsgruppendiensten für Windows-Betriebssysteme für Client-PCs, in unmittelbarem Wettbewerb mit den Windows-Betriebssystemen für Server stünden. Überdies habe die IDC, die nach eigenen Angaben die weltweit führende Auskunfts- und Beratungsgruppe für die Branchen Informationstechnologie und Telekommunikation sei, die Ansicht vertreten, dass keine Gefahr der Ausschaltung des Wettbewerbs bestehe. Nach den Prognosen der IDC werde der Anteil von Microsoft am Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver, die auf Servern mit einem Preis unter 25 000 USD verwendet würden, praktisch unverändert bleiben, während sich der Anteil von Linux verdoppeln werde.

443    Drittens rügt Microsoft die „künstlich eng gehaltene“ Definition des zweiten Produktmarkts durch die Kommission.

444    Nach Ansicht von Microsoft ist der „Wettbewerb mit den Windows-Betriebssystemen für Server … noch stärker“, wenn in die genannte Definition auch andere Aufgaben als Datei- und Druckdienste sowie Nutzer- und Gruppenverwaltungsdienste einbezogen würden, die die Windows-Betriebssysteme für Server erfüllen könnten.

445    Die Kommission bestreite nicht, dass die Grundversion ihres Betriebssystems Windows Server 3000 ein breites Spektrum an Aufgaben erfüllen könne, von denen viele außerhalb des in der angefochtenen Entscheidung definierten zweiten Produktmarkts lägen. Nach der Vorgehensweise der Kommission gehöre das gleiche Windows-Betriebssystem für Server zum relevanten Markt, wenn es Windows-Betriebssystemen für Client-PCs Datei- und Druckdienste erbringe, und falle aus ihm heraus, wenn es denselben Betriebssystemen Proxy- oder Firewall-Dienste erbringe.

446    Die Kommission könne aus der Tatsache, dass das Betriebssystem Windows Server 2003 in verschiedenen Versionen zu unterschiedlichen Preisen angeboten werde, nicht ableiten, dass die Grundversion dieses Systems zu einem anderen Markt gehöre als andere Versionen. Die „kostspieligeren“ Versionen des Systems böten die gleichen Arbeitsgruppendienste wie seine Grundversion.

447    In der Erwiderung macht Microsoft ergänzende Ausführungen zur Rüge der falschen Definition des zweiten Produktmarkts. Sie führt zunächst aus, sie habe auf dem Gesamtmarkt der Server-Betriebssysteme einen Marktanteil von etwa 30 %. Sie fügt hinzu, niemand in der Branche verwende den Begriff „Arbeitsgruppenserver“ so, wie ihn die Kommission zur Definition dieses Produktmarkts verwendet habe; wenn „Branchenbeobachter“ gelegentlich von „Arbeitsgruppenservern“ sprächen, schließe das im Allgemeinen Server ein, die eine Vielzahl von Aufgaben erfüllten, darunter „Server für Web, Datenbanken und Anwendungen“. Keiner der Hauptanbieter auf dem Server-Markt verkaufe Arbeitsgruppenserver, die sich auf die Erfüllung der von der Kommission genannten Aufgaben beschränkten.

448    Überdies weist Microsoft die Erläuterungen zurück, mit denen die Kommission in der Klagebeantwortung ihre Definition des Marktes rechtfertigt. Hierzu führt Microsoft zunächst aus: „Die Anbieter berechnen verschiedenen Personen nicht verschiedene Preise für die gleiche Version eines Server-Betriebssystems, je nachdem, wie sie es nutzen.“ Sodann bestreitet sie, dass die Server-Betriebssysteme, die die Kommission als Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver ansehe, zur Erbringung von Arbeitsgruppendiensten „optimiert“ würden. Aus den IDC‑Daten, auf die die Kommission bei der Berechnung der Marktanteile zurückgegriffen habe, gehe hervor, dass – ausgenommen allein NetWare von Novell – „diese Betriebssysteme wesentlich mehr Zeit mit anderen Aufgaben als mit Arbeitsgruppenaufgaben verbringen“. Schließlich stellt sie fest: „Die Änderungskosten wären in vielen Fällen gleich null [und in] den anderen Fällen … gering.“

449    Darüber hinaus verweist Microsoft allgemein auf zwei Gutachten von Evans, Nichols und Padilla, die der Klageschrift als Anlage A.23 und der Erwiderung als Anlage C.12 beigefügt sind.

450    Viertens rügt Microsoft in der Erwiderung die von der Kommission bei der Berechnung der Marktanteile der Wirtschaftsteilnehmer auf dem zweiten Produktmarkt angewandte Methode, bei der nur die Zeit berücksichtigt worden sei, in der die Server-Betriebssysteme Arbeitsgruppenaufgaben erfüllt hätten, und nur die Verkäufe von Server-Betriebssystemen mit einem Preis unter 25 000 USD. Dies habe die absurde Folge, dass „sich ein Exemplar eines Betriebssystems sowohl innerhalb als auch außerhalb des Marktes befinden kann, je nachdem, welche Aufgaben es gerade erfüllt“, und liefere keine „relevanten Informationen über die beherrschende Stellung“.

451    Die CompTIA führt zunächst aus, die Kommission habe ein falsches rechtliches Kriterium angewandt, als sie geprüft habe, ob die Microsoft zur Last gelegte Weigerung eine bloße „Gefahr der Ausschaltung jedes wirksamen Wettbewerbs“ bedeute, während sie hätte prüfen müssen, ob diese Weigerung wahrscheinlich jeden Wettbewerb auf dem abgeleiteten Markt ausschalte. Sodann macht sie geltend, die in den Akten enthaltenen Beweise belegten nicht, dass die genannte Weigerung eine solche Folge haben könnte. Sie weist insbesondere auf den „zunehmenden Erfolg“ von Linux hin.

452    Die ACT hebt den sehr engen Zusammenhang zwischen den Kriterien der Unerlässlichkeit und der Ausschaltung des Wettbewerbs hervor. Die angefochtene Entscheidung sei insofern widersprüchlich, als darin zum einen anerkannt werde, dass bis zu 40 % des Markts der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver von Konkurrenten gehalten würden, die Substitutionsprodukte liefern könnten, ohne Zugang zu den Interoperabilitätsinformationen gehabt zu haben, und zum anderen ausgeführt werde, dass angesichts der Unerlässlichkeit der genannten Informationen ohne Zugang zu ihnen jeder Wettbewerb auf diesem Markt unmöglich sei.

453    Überdies wendet sich die ACT gegen die Auffassung der Kommission, dass der Wettbewerb durch „unbedeutende Akteure“ nicht zu berücksichtigen sei. Sie rügt ebenfalls, dass sich die Kommission auf eine bloße „Gefahr“ der Ausschaltung des Wettbewerbs stütze, und hebt hervor, dass Linux eine immer stärkere Marktposition erlange.

454    Die Kommission trägt vor, aufgrund der fraglichen Weigerung bestehe die Gefahr, dass jeder wirksame Wettbewerb auf dem abgeleiteten Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver ausgeschaltet werde.

455    Zur Stützung dieses Vorbringens macht sie erstens geltend, die in den Randnrn. 585 bis 692 der angefochtenen Entscheidung analysierten Beweise belegten eindeutig, dass eine „hohe Wahrscheinlichkeit“ bestehe, dass sich diese Gefahr „in naher Zukunft verwirklichen wird“. Unter Bezugnahme auf Randnr. 700 der Entscheidung führt sie aus, wenn das Verhalten von Microsoft nicht unterbunden werde, bestehe eine erhebliche Gefahr, dass die Produkte ihrer Konkurrenten auf „Nischen“ beschränkt blieben oder überhaupt nicht rentabel seien.

456    Die oben in Randnr. 320 angeführten Rechtssachen Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission und CBEM lieferten wertvolle Anhaltspunkte für die Beurteilung des Verhaltens von Microsoft anhand von Art. 82 EG, auch wenn es darin nicht um eine Weigerung gehe, eine Lizenz für Rechte des geistigen Eigentums zu erteilen. In diesem Zusammenhang hätten die vom Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zu missbräuchlichen Lieferverweigerungen verwendeten Begriffe „Gefahr“, „Möglichkeit“ und „Wahrscheinlichkeit“ die gleiche Bedeutung.

457    Die meisten Argumente von Microsoft beruhten auf der falschen Prämisse, dass die Kommission nachweisen müsse, dass der Wettbewerb bereits ausgeschaltet worden sei oder dies zumindest unmittelbar bevorstehe. Sie habe in der angefochtenen Entscheidung dargetan, dass „der auf der Grundlage der von Microsoft offengelegten Informationen erreichbare Interoperabilitätsgrad nicht ausreicht, um den Konkurrenten ein Überleben auf dem Markt zu ermöglichen“ (Fn. 712 der angefochtenen Entscheidung). Microsoft habe nicht nachgewiesen, dass diese Schlussfolgerung mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet sei.

458    Zweitens äußert sich die Kommission zum Vorbringen von Microsoft zu den Marktgegebenheiten.

459    Sie führt zunächst aus, dass „die Gefahr der Ausschaltung jedes Wettbewerbs bereits 1998 bestand und auch heute besteht“; der einzige Unterschied bestehe darin, dass „diese Ausschaltung des Wettbewerbs nun dichter bevorsteht als 1998“.

460    Sodann wendet sie sich gegen die Schlussfolgerungen, die Microsoft aus den Mercer-Berichten zieht; diese Berichte zeigten, dass die Kunden aufgrund des „unfairen Interoperabilitätsvorteils“ Windows als Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver wählten, obwohl es bei einer Reihe für die Kunden bedeutsamer Merkmale gegenüber anderen Produkten „im Hintertreffen“ sei.

461    Das von Microsoft auf das Wachstum der Linux-Produkte gestützte Argument werde durch nichts untermauert; in den Randnrn. 506 und 632 der angefochtenen Entscheidung werde klar gezeigt, dass „Linux in der Vergangenheit nur geringfügig gewachsen ist“. Aus den beiden letzten Umfragen von Mercer gehe hervor, dass Linux auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver nur einen sehr geringen Marktanteil von etwa 5 % habe.

462    Die Prognosen der IDC seien überhöht und beruhten auf ungenauen Daten (siehe oben, Randnrn. 365 und 366). In Wirklichkeit gehe aus den Daten der IDC hervor, dass Microsoft schnell eine beherrschende Stellung auf dem relevanten Markt erlangt habe, dass sie ihren Marktanteil weiter erhöhe und dass sie sich einer zunehmend zersplitterten Gruppe von Nischenanbietern gegenübersehe.

463    Drittens weist die Kommission die Kritik von Microsoft an ihrer Definition des zweiten Produktmarkts zurück.

464    Um zu dieser Definition zu kommen, habe sie zunächst eine „Liste grundlegender Arbeitsgruppendienste erstellt, die genau einem speziellen Kundenbedürfnis entsprechen“. Dabei handele es sich um Schlüsselelemente, die die Kunden beim Erwerb eines Betriebssystems für Arbeitsgruppenserver berücksichtigten. Sie habe ihre Analyse auf verschiedene Beweise gestützt, darunter die im Rahmen der Marktuntersuchung von 2003 gesammelten Informationen (Randnrn. 349 bis 352 der angefochtenen Entscheidung), die „statistische Korrelation“ zwischen der Verwendung eines bestimmten Betriebssystems für die Wahrnehmung eines der grundlegenden Arbeitsgruppendienste und seine Verwendung für die übrigen grundlegenden Dienste (Randnr. 353 der angefochtenen Entscheidung) sowie die Beschreibung der Microsoft-Produkte und ihr Preis (Randnrn. 359 bis 382 der angefochtenen Entscheidung).

465    Die Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver würden „optimiert“, um die Arbeitsgruppendienste zu erbringen, und die Art und Weise, in der sie sie erbrächten, spiele eine ausschlaggebende Rolle bei der Entscheidung über den Erwerb dieser Systeme. Dass die Arbeitsgruppenserver gelegentlich für eine andere Anwendung genutzt würden, führe nicht zu ihrem „temporären“ Ausschluss vom Markt oder zur „temporären“ Einbeziehung von Unternehmensservern, die für die Anwendungen des Unternehmens „optimiert“ seien.

466    Dem Vorbringen von Microsoft, ihre Windows-Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver könnten für Proxy- oder Firewall-Dienste verwendet werden, hält die Kommission unter Bezugnahme auf Randnr. 58 der angefochtenen Entscheidung entgegen, diese Aufgaben würden von speziellen „Peripherie-Servern“ erfüllt. Diese könnten daher auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver keinen Wettbewerbsdruck auf Microsoft ausüben.

467    In der Gegenerwiderung macht die Kommission zunächst geltend, die von ihr zur Bezeichnung des Produktmarkts verwendete Terminologie sei für die Richtigkeit ihrer Definition irrelevant. Im Übrigen werde der Ausdruck „Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver“ in der Branche sehr wohl verwendet, um die „in der [angefochtenen] Entscheidung in Rede stehende Produktart“ zu bezeichnen.

468    Sodann weist sie die Einwände von Microsoft gegen die in der Klagebeantwortung enthaltenen Erläuterungen (siehe oben, Randnr. 448) zurück.

469    Entgegen dem Vorbringen von Microsoft berechneten sowohl sie als auch ihre Konkurrenten den Kunden „verschiedene Preise für das gleiche Betriebssystem, je nachdem, wie sie es nutzen“. Die Preise hingen nämlich von der Zahl der Client-PCs ab, die Zugang zu dem betreffenden Server hätten. Die Verkäufer von Server-Betriebssystemen böten zudem – zu unterschiedlichen Preisen – mehrere verschiedene Versionen von Systemen an, die zur gleichen „Familie“ gehörten. Allgemein erhielten „die Kunden von Microsoft Lizenzen für die Windows-Server-Betriebssysteme, und es gibt prinzipiell keinen Grund dafür, dass Microsoft nicht nach Maßgabe der Nutzung differenzieren könnte“.

470    Das Vorbringen von Microsoft, dass die Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver „wesentlich mehr Zeit mit anderen Aufgaben als mit Arbeitsgruppenaufgaben verbringen“, beruhe auf Daten der IDC, die nach einer unangebrachten Methode verarbeitet worden seien.

471    Zu der Behauptung von Microsoft, dass die „Änderungskosten … in vielen Fällen gleich null“ wären, verweist die Kommission auf die Randnrn. 334 bis 341 und 388 bis 400 der angefochtenen Entscheidung, die zeigten, dass es auf der Angebotsseite sowohl bei Betriebssystemen für Client-PCs als auch bei Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver an der Substituierbarkeit fehle.

472    Microsoft bestreite nicht, dass die Interoperabilität mit Client-PCs – und speziell mit jenen, die unter Windows arbeiteten – für die Erbringung der Arbeitsgruppenaufgaben durch ein Server-Betriebssystem von besonderer Bedeutung sei. Die Weigerung von Microsoft, Interoperabilitätsinformationen offenzulegen, beeinträchtige in erheblichem Maß die Fähigkeit ihrer Konkurrenten, den Erwartungen der Verbraucher in Bezug auf die Erfüllung dieser Aufgaben gerecht zu werden, und verändere damit die Wettbewerbsbedingungen bei Server-Betriebssystemen, die zur Erfüllung solcher Aufgaben verkauft würden, verglichen mit denen, die andere Aufgaben erfüllen sollten. Dabei bleibe es „auch dann, wenn man … unterstellt, dass sowohl bei Microsoft als auch bei ihren Konkurrenten die verschiedenen Versionen ihrer derzeit auf dem Markt erhältlichen Server-Betriebssysteme alle gleichermaßen geeignet sind …, sowohl Aufgaben als Arbeitsgruppenserver als auch bestimmte andere ‚niedrige‘ Aufgaben (Anwendungen, die nicht auftragsentscheidend sind, wie E-Mail usw.) zu erfüllen.“

473    Die Kommission fügt hinzu: „Auf der Angebotsseite liegt es auf der Hand, dass – wenn man im vorliegenden Zusammenhang (i) von den Anforderungen der Kunden in Bezug auf Arbeitsgruppendienste (die Microsoft nicht bestreitet) und (ii) von der eigenen Hypothese von Microsoft ausgeht, dass die verschiedenen Versionen der Server-Betriebssysteme jedes Anbieters identische Fähigkeiten in Bezug auf Arbeitsgruppenaufgaben haben – genau die Marktverzerrungen, die die Konkurrenten von Microsoft zur Aufgabe des Verkaufs von Server-Betriebssystemen für Arbeitsgruppenaufgaben zwingen, einen Austausch auf der Angebotsseite durch den (Neu-)Eintritt der gleichen ‚Betriebssystemfamilien‘ auf der Grundlage der ‚hochwertigen‘ Versionen verhindern werden.“

474    Schließlich sei auf Anlage B.11 zur Klagebeantwortung und auf Anlage D.12 zur Gegenerwiderung zu verweisen, in denen die Ausführungen in Anlage A.23 zur Klageschrift und in Anlage C.12 zur Erwiderung kommentiert würden.

475    Viertens weist die Kommission die Kritik von Microsoft an ihrer Methode zur Berechnung der Marktanteile zurück. Sie weist zunächst darauf hin, dass es bei ihrer Beurteilung nicht darauf ankomme, dass Microsoft durch den ihr zur Last gelegten Missbrauch bereits eine beherrschende Stellung auf dem relevanten abgeleiteten Markt erworben habe; maßgebend sei, dass die Gefahr einer Ausschaltung des Wettbewerbs auf diesem Markt bestehe. Sodann führt sie aus, die genannte Methode ergebe „ein hinreichend zuverlässiges Bild des Ungleichgewichts der Kräfte auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver“. Sie habe im Übrigen nicht berücksichtigt, wie viel Zeit ein bestimmter Server verschiedenen Aufgaben widme, sondern in Bezug auf die Unternehmen, die an der Marktuntersuchung von 2003 teilgenommen und die zweite und dritte Umfrage von Mercer beantworten hätten, geprüft, welchen Anteil an den Arbeitsgruppenaufgaben die Server der verschiedenen Anbieter übernommen hätten. Weder aus dieser Marktuntersuchung noch aus diesen Umfragen ergebe sich, dass Microsoft bei irgendeiner der Arbeitsgruppenaufgaben einen Marktanteil von unter 60 % habe.

476    Die Kommission fügt hinzu, dass „die Anwendung der von Microsoft angeführten ‚Filter‘ [es] ermöglicht …, [die IDC‑]Daten als groben Anhaltspunkt für den Absatz der als Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver eingestuften Versionen verschiedener Anbieter heranzuziehen“. Sie führt aus: „Soweit das Ausschlusswirkung entfaltende eigene Verhalten von Microsoft … dazu führt, dass die Verkäufe der hauptsächlich für Arbeitsgruppenaufgaben angeschafften Server-Betriebssysteme von den Verkäufen der hauptsächlich für andere Aufgaben angeschafften Systeme getrennt werden, erlaubt es ein ‚Arbeitsbelastungsfilter‘, sich einen Eindruck von der relativen Stärke von Microsoft bei den hauptsächlich für die erstgenannten Aufgaben getätigten Verkäufe zu verschaffen.“ Jedenfalls betrage der Anteil von Windows, selbst wenn nur der „25 000-[USD]-Filter“ angewandt werde, ohne anhand der Arbeitsbelastung zu differenzieren, 65 % gemessen an der Menge und 61 % gemessen am Umsatz (Randnr. 491 der angefochtenen Entscheidung).

477    Die SIIA macht geltend, im Hinblick auf die Unerlässlichkeit der Interoperabilitätsinformationen sei die fragliche Weigerung dem Wesen nach geeignet, den Wettbewerb auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver auszuschalten. Insbesondere sei der Anteil von Microsoft an diesem Markt spürbar und schnell gestiegen, nachdem Microsoft sein Betriebssystem Windows 2000 Server auf den Markt gebracht habe. Das Vorbringen von Microsoft zur angeblichen Zunahme von Linux-Produkten auf dem Markt gehe fehl.

478    Die FSFE trägt vor, die Linux-Produkte übten auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver keinen Wettbewerbsdruck aus.

 Würdigung durch das Gericht

479    Das Gericht wird die vier Gruppen von Argumenten, auf die Microsoft ihre Auffassung stützt, dass der Wettbewerb im vorliegenden Fall nicht ausgeschaltet werde, in folgender Reihenfolge prüfen: als Erstes die Definition des relevanten Produktmarkts, als Zweites die zur Berechnung der Marktanteile angewandte Methode, als Drittes das anwendbare Kriterium und als Viertes die Beurteilung der Marktgegebenheiten und der Wettbewerbssituation.

–       Zur Definition des relevanten Produktmarkts

480    Die von Microsoft in Bezug auf die Definition des Produktmarkts vorgetragenen Argumente betreffen den zweiten der drei von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung herangezogenen Märkte (siehe oben, Randnrn. 23 und 25 bis 27), den Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver. Die Kommission beschreibt diese Systeme in der Weise, dass sie entwickelt worden seien und vertrieben würden, um Dienste wie die Nutzung von Dateien und Druckern sowie die Nutzer- und Gruppenverwaltung gemeinsam für eine relativ kleine Zahl von Client-PCs zu erbringen, die in kleinen oder mittelgroßen Netzwerken zusammengeschlossen seien (Randnrn. 53 und 345 der angefochtenen Entscheidung).

481    Microsoft ist im Wesentlichen der Auffassung, die Kommission habe diesen zweiten Markt zu eng definiert, indem sie nur die Server-Betriebssysteme einbezogen habe, die für die Erbringung der in der vorstehenden Randnummer genannten Dienste – der „Arbeitsgruppendienste“ – verwendet würden. Microsoft stellt die von der Kommission gewählte Definition im Wesentlichen deshalb in Frage, weil sie nachweisen möchte, dass sich der Markt anders entwickelt hat als in den Randnrn. 590 bis 636 der angefochtenen Entscheidung beschrieben und dass nicht jeder Wettbewerb ausgeschaltet wurde.

482    Einleitend ist festzustellen, dass die Definition des Produktmarkts, da sie mit der Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten durch die Kommission verbunden ist, nur Gegenstand einer beschränkten Kontrolle durch den Gemeinschaftsrichter sein kann (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 6. Juni 2002, Airtours/Kommission, T‑342/99, Slg. 2002, II‑2585, Randnr. 26). Er darf allerdings die Kontrolle der Auslegung von Wirtschaftsdaten durch die Kommission nicht unterlassen. Insoweit hat er zu prüfen, ob die Kommission ihre Beurteilung auf zutreffende, zuverlässige und kohärente Beweise gestützt hat, die alle bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehenden relevanten Daten einschließen und die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Tetra Laval, oben in Randnr. 89 angeführt, Randnr. 39).

483    Überdies ist festzustellen, dass sich Microsoft im Wesentlichen damit begnügt, zum einen die bereits im Verwaltungsverfahren dargelegten und von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich zurückgewiesenen Argumente wieder aufzugreifen, ohne anzugeben, inwiefern die Beurteilung der Kommission falsch sein soll, und zum anderen global auf zwei Gutachten in Anlage A.23 zur Klageschrift und Anlage C.12 zur Erwiderung verweist. Aus den oben in den Randnrn. 94 bis 99 genannten Gründen können diese beiden Gutachten vom Gericht nur insofern berücksichtigt werden, als sie Klagegründe oder Argumente untermauern oder ergänzen, die Microsoft in ihren Schriftsätzen ausdrücklich angeführt hat.

484    Um zu der streitigen Definition des Produktmarkts zu kommen, hat die Kommission die Austauschbarkeit der Produkte auf der Nachfrage- und der Angebotsseite berücksichtigt. Insoweit ist daran zu erinnern, dass es in der Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft (ABl. 1997, C 372, S. 5, Randnr. 7) heißt: „Der sachlich relevante Produktmarkt umfasst sämtliche Erzeugnisse und/oder Dienstleistungen, die von den Verbrauchern hinsichtlich ihrer Eigenschaften, [ihrer] Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als austauschbar oder substituierbar angesehen werden.“ Ferner heißt es in Randnr. 20 dieser Mitteilung, dass der Substituierbarkeit auf der Angebotsseite bei der Definition des relevanten Marktes dann ebenfalls Rechnung getragen werden könne, wenn sie sich genauso wirksam und unmittelbar auswirke wie die Nachfragesubstituierbarkeit. Dies setze jedoch voraus, dass die Anbieter in Reaktion auf kleine, aber dauerhafte Änderungen bei den relativen Preisen in der Lage seien, ihre Produktion auf die relevanten Erzeugnisse umzustellen und sie kurzfristig auf den Markt zu bringen, ohne spürbare Zusatzkosten oder ‑risiken zu gewärtigen.

485    Die Bestimmung des zweiten Marktes beruht keineswegs auf dem Gedanken, dass es eine gesonderte Kategorie von Server-Betriebssystemen gebe, die ausschließlich Datei- und Druckdienste sowie Dienste für die Verwaltung von Nutzern und Gruppen erbringen. Die Kommission erkennt vielmehr in der angefochtenen Entscheidung mehrmals ausdrücklich an, dass die Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver auch zur Erfüllung anderer Aufgaben verwendet werden und insbesondere Anwendungen, die nicht „auftragsentscheidend“ sind, übernehmen können (vgl. insbesondere Randnrn. 59, 355, 356 und 379 der angefochtenen Entscheidung). In Randnr. 59 der angefochtenen Entscheidung führt sie aus, nicht „auftragsentscheidende“ Anwendungen seien solche, deren Ausfall „sich zwar auf die Tätigkeit einiger Nutzer auswirken, nicht aber die gesamte Tätigkeit der Organisation in Frage stellen“ würde. Dabei verweist sie speziell auf die Erledigung interner E-Mail-Dienste. Wie nachstehend näher ausgeführt wird, stützt sich die von der Kommission herangezogene Definition auf die Feststellung, dass die Fähigkeit der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver, gemeinsam Datei- und Druckdienste sowie Dienste für die Verwaltung von Nutzern und Gruppen zu erbringen, ungeachtet der übrigen Aufgaben, die sie erledigen können, ein wesentliches Merkmal dieser Systeme darstellt, die hauptsächlich zur Erbringung der genannten Dienste entwickelt, vertrieben, gekauft und verwendet werden.

486    Was zunächst die Substituierbarkeit auf der Nachfrageseite angeht, so kommt die Kommission in Randnr. 387 der angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis, dass „keine Produkte einen so hohen Wettbewerbsdruck auf die Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver ausüben können, dass sie dem gleichen relevanten sachlichen Markt zugerechnet werden müssten“.

487    Zu diesem Ergebnis kommt die Kommission erstens anhand der Feststellung, aus den im Rahmen der Marktuntersuchung von 2003 gesammelten Informationen ergebe sich, dass die Arbeitsgruppenserver eine eigene Gruppe miteinander verbundener Aufgaben erfüllten, die von den Verbrauchern verlangt würden (Randnrn. 348 bis 358 der angefochtenen Entscheidung).

488    Diese Feststellung wird durch den Akteninhalt bestätigt, und Microsoft trägt nichts vor, das sie in Frage stellen könnte.

489    In ihrem Auskunftsverlangen vom 4. Juni 2003 fragte die Kommission die betreffenden Organisationen, ob es bei ihnen für die Erbringung von Datei- und Druckdiensten sowie von Diensten für die Verwaltung von Nutzern und Gruppen eine besondere Art von Servern gebe (erster Teil von Frage 1). Von den 85 Organisationen, die diese Frage beantworteten, bejahten dies 70 (etwa 82,3 %).

490    Die Kommission fragte die Organisationen ferner, ob die genannten Dienste ihres Erachtens ein „zusammengehörendes Bündel von Serveraufgaben“ seien (zweiter Teil von Frage 1). Von den 83 Organisationen, die diese Frage beantworteten, bejahten dies 51 (etwa 61,4 %).

491    Diese Ergebnisse sind insbesondere damit zu erklären, dass die genannten Dienste die Grunddienste darstellen, auf die die Benutzer von Client-PCs bei ihrer täglichen Arbeit zurückgreifen. Die Einheit I 06 z. B. stuft zur Begründung ihrer bejahenden Antwort auf beide Teile von Frage 1 die Server, die die Erbringung von Arbeitsgruppendiensten ermöglichen, als „Infrastrukturserver“ und die genannten Dienste als „Standarddienste für Arbeitsplatzrechner“ ein. Sie gibt hierzu an: „Jeder Benutzer ist zu identifizieren/authentifizieren; er erstellt/ändert Dateien, druckt sie aus, tauscht/teilt sie.“ In gleicher Weise bezeichnen andere Organisationen solche Server als „Erbringer von Infrastrukturdiensten“ (vgl. die Antworten der Einheiten I 13 und I 30).

492    Insoweit ist auch der Hinweis der Kommission in Randnr. 352 der angefochtenen Entscheidung bedeutsam, dass mehrere Organisationen ihre bejahende Antwort auf beide Teile von Frage 1 mit dem Erfordernis einer „einzigen Anmeldung“ der Benutzer, die Zugang zu den Netzwerkressourcen erhalten möchten, oder einem einzigen Verwaltungspunkt im Netz begründen (vgl. u. a. die Antworten der Einheiten I 30, I 46‑16 und I 46‑37 und von Inditex). Andere Organisationen führen Kostenaspekte an und verweisen insbesondere darauf, dass die Verwendung des gleichen Betriebssystems für die Erbringung von Arbeitsgruppendiensten eine Senkung der Verwaltungskosten ermögliche (vgl. u. a. die Antworten der Einheiten I 49‑19 und von Inditex).

493    Es trifft zu, dass die Kommission in die Beschreibung der „Arbeitsgruppenaufgaben“ in ihrem Auskunftsverlangen vom 4. Juni 2003 auch „Unterstützung für interne E-Mail- und Gemeinschaftsdienste und andere nicht ‚auftragsentscheidende‘ Anwendungen“ einbezog und dass eine Reihe der befragten Organisationen diese Einbeziehung billigte. Ferner trifft es zu, dass in der Antwort auf Frage 2 desselben Auskunftsverlangens 62 von 85 Organisationen (etwa 72,9 %) angaben, sie schätzten die Flexibilität eines Betriebssystems für Arbeitsgruppenserver, das neben Datei- und Druckdiensten sowie Diensten für die Verwaltung von Nutzern und Gruppen auch nicht „auftragsentscheidende“ Dienste erbringen könne.

494    Allein aus diesen Feststellungen kann jedoch nicht geschlossen werden, dass die Kommission den zweiten Produktmarkt zu eng definiert hat.

495    Zum einen bedürfen diese Feststellungen nämlich einer Differenzierung. So gaben mehrere befragte Organisationen in ihrer Antwort auf Frage 1 des Auskunftsverlangens vom 4. Juni 2003 an, bei ihnen würden die internen E‑Mail- oder Gemeinschaftsdienste von speziellen Servern ausgeführt, und sie unterschieden zwischen diesen Diensten und den übrigen von der Kommission angeführten Arbeitsgruppendiensten (vgl. u. a. die Antworten der Einheiten I 09‑1, I 11, I 22, I 37, I 53, I 46 ‑13, I 46‑15, I 59 und I 72 sowie von Danish Crown, Spardat und Stork Food & Dairy Systems). Beispielsweise vertrat die Einheit I 37 zwar die Ansicht, dass die von der Kommission definierten Arbeitsgruppenaufgaben eine Gesamtheit miteinander verbundener Server-Aufgaben darstellten, führte aber aus, dass „Datei/Druck-[Dienste] und die Verwaltung von Arbeitsplatzrechnern zusammengefasst sind“, während „interne E-Mail-[Dienste] auf anderen Servern untergebracht sind“. In gleicher Weise teilte die Einheit I 46‑15 mit, sie habe „einen Server, der nur Datei- und Druckdienste sowie die Verwaltung von Arbeitsplatzrechnern übernimmt“.

496    Zum anderen geht, wie die Kommission in den Randnrn. 353 und 354 der angefochtenen Entscheidung angibt und in ihrer Antwort auf eine der schriftlichen Fragen des Gerichts wiederholt, aus der Marktuntersuchung von 2003 auch hervor, dass die Organisationen, wenn sie für die Erbringung von Datei- oder Druckdiensten auf ein bestimmtes Betriebssystem zurückgreifen, im Allgemeinen das gleiche Betriebssystem für die Verwaltung von Nutzern und Gruppen verwenden. Microsoft wendet sich insoweit nicht gegen die Feststellungen in den Fn. 436 und 438 der angefochtenen Entscheidung, die die von der Kommission auf der Grundlage der Antworten auf Frage 5 ihres Auskunftsverlangens vom 16. April 2003 errechneten „Korrelationskoeffizienten“ betreffen. Die Kommission erläutert dort, dass der „Korrelationskoeffizient“ zwischen dem Arbeitsbelastungsanteil eines NetWare- oder Windows-Systems für einen der Arbeitsgruppendienste – d. h. Datei- und Druckdienste sowie Dienste für die Verwaltung von Nutzern und Gruppen – und dem Arbeitsbelastungsanteil des gleichen Systems für einen anderen dieser Dienste besonders hoch sei. Dagegen sei der „Korrelationskoeffizient“ zwischen dem Arbeitsbelastungsanteil eines NetWare- oder Windows-Systems für einen der Arbeitsgruppendienste und dem Arbeitsbelastungsanteil des gleichen Systems für einen anders gearteten Dienst, insbesondere für interne E-Mail-Dienste oder andere nicht „auftragsentscheidende“ Dienste, sehr viel niedriger. Die Kommission fügt hinzu, dieselben Schlussfolgerungen könnten aus bestimmten Ergebnissen der zweiten und der dritten Umfrage von Mercer gezogen werden. Aus diesen von Microsoft nicht bestrittenen Beweisen folgt mit anderen Worten, dass die Kombination der von der Kommission herangezogenen Arbeitsgruppendienste auf einem Server viel häufiger vorkommt als die Kombination eines dieser Dienste und eines anders gearteten Dienstes.

497    Auch wenn es zutrifft, dass die Benutzer der Möglichkeit, die Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver zur Erledigung bestimmter nicht „auftragsentscheidender“ Aufgaben neben den Arbeitsgruppendiensten zu verwenden, gewisse Bedeutung beimessen, ändert dies folglich nichts an der Schlussfolgerung, dass es eine gesonderte Nachfrage für Server-Betriebssysteme gibt, die die letztgenannten Dienste erbringen. Da erwiesen ist, dass die drei genannten Kategorien von Diensten die Wahl der Nachfrage bestimmen, spielt es keine Rolle, dass die zum relevanten Markt gehörenden Server-Betriebssysteme in der Lage sind, bestimmte Zusatzaufgaben zu erfüllen.

498    Hinzu kommt, dass – wie in den Randnrn. 357, 358 und 628 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt wird – die von Microsoft im Verwaltungsverfahren vorgelegten Erklärungen von Kunden die Stichhaltigkeit der Analyse der Kommission bestätigen.

499    Aus diesen Erklärungen ergibt sich nämlich, dass zwar – wie Microsoft in ihren Schriftsätzen mehrmals hervorhebt – die Organisationen häufig über „heterogene“ Computernetzwerke verfügen, d. h. über Netzwerke, in denen die für Server und Client-PCs verwendeten Betriebssysteme von verschiedenen Herstellern stammen, doch benutzen sie verschiedene Arten von Servern für die Erfüllung verschiedenartiger Aufgaben. Insbesondere geht aus diesen Erklärungen hervor, dass die Arbeitsgruppendienste, so wie sie von der Kommission definiert werden, im Allgemeinen von anderen Servertypen erbracht werden als denjenigen, auf denen „auftragsentscheidende“ Anwendungen laufen. So ergibt sich aus der Beschreibung, die diese Organisationen von ihrer EDV-Umgebung geben, dass die Arbeitsgruppendienste in der Regel von Servern der Einstiegsklasse erbracht werden, auf denen ein Windows- oder NetWare-System installiert ist, während die „auftragsentscheidenden“ Anwendungen auf teureren und größeren Servern mit einem UNIX-Betriebssystem oder auf Großrechnern laufen.

500    So gibt z. B. ein großer Chemie- und Pharmakonzern an, dass die „betriebsnotwendigen“ Anwendungen, die er für die Zahlung der Gehälter seines Personals und für interne Banktransaktionen verwende, auf Großrechnern liefen. Andere „betriebsnotwendige“ Anwendungen, die u. a. der verwaltungsmäßigen und technischen Betreuung einiger seiner Abteilungen dienten, liefen auf UNIX-Servern. Dagegen würden die nicht „betriebsnotwendigen“ Aufgaben, insbesondere Datei- und Druckdienste sowie Dienste für die Verwaltung von Nutzern und Gruppen, in diesem Konzern von gesonderten Servern wahrgenommen, auf denen hauptsächlich Windows-Betriebssysteme installiert seien. In gleicher Weise erläutert eine große Fluggesellschaft, dass die von ihr insbesondere für die Planung der Flüge und die Reservierungsdienste benutzten Anwendung auf UNIX-Servern liefen, während die nicht „auftragsentscheidenden“ Anwendungen von Windows-Servern erbracht würden. Ein weiteres einschlägiges Beispiel ist das einer Bankengruppe, die angibt, dass sie UNIX-Server für die wichtigsten Finanzanwendungen, Solaris-Server für die anderen Finanzanwendungen und intern entwickelte Anwendungen und Windows-NT‑Server für „Infrastrukturfunktionen wie Bereichsdienste (insbesondere Identifizierung und Autorisierung) sowie Datei- und Druckdienste“ verwende.

501    Wie insbesondere in den Randnrn. 58 und 346 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt wird, werden nicht alle Einstiegsserver für Arbeitsgruppendienste genutzt. Einige dieser Server sind am „Rand“ der Netzwerke installiert und dienen zur Erfüllung spezieller Aufgaben, etwa als Web-, Cache- oder Firewall-Server.

502    Nicht gefolgt werden kann schließlich auch dem Vorbringen von Microsoft, aus den Angaben der IDC gehe hervor, dass mit der einzigen Ausnahme des NetWare-Systems von Novell die von der Kommission als „Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver“ eingestuften Systeme der Erfüllung von Arbeitsgruppenaufgaben viel weniger Zeit widmeten als der Erfüllung anderer Aufgaben. Dieses Vorbringen stützt sich auf Angaben der IDC, die belegen sollen, dass nur 24 % der Verkäufe von Servern des gesamten Preisspektrums, auf denen ein Windows-Betriebssystem installiert sei, auf die Aufgabenbereiche „Datei“, „Druck“ und „Netzwerkverwaltung“ entfielen (vgl. Fn. 93 der Erwiderung). Wie sich aber insbesondere aus den Randnrn. 487 und 488 der angefochtenen Entscheidung ergibt und wie nachfolgend in Randnr. 553 näher dargelegt wird, weist die von der IDC zur Berechnung der Marktanteile verwendete Methode einige Ungenauigkeiten auf. Und selbst wenn die oben genannten Aufgaben den in der angefochtenen Entscheidung herangezogenen Arbeitsgruppendiensten entsprechen sollten, würde der anhand der Angaben der IDC errechnete Prozentsatz jedenfalls nur den Anteil der Verkäufe aller Versionen von Microsoft-Betriebssystemen für Server darstellen, der sich auf den Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver bezieht. Entgegen dem Vorbringen von Microsoft beschränkt sich der fragliche Prozentsatz nämlich nicht auf die Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver.

503    Zweitens hat die Kommission, gestützt vor allem darauf, wie Microsoft selbst ihre Produkte beschreibt, festgestellt, dass die Server-Betriebssysteme nach Maßgabe der von ihnen zu erfüllenden Aufgaben „optimiert“ wurden (Randnrn. 359 bis 368 der angefochtenen Entscheidung).

504    Nach Ansicht des Gerichts bestätigt der Akteninhalt die Richtigkeit dieser Feststellung.

505    So ergibt sich für die Server-Betriebssysteme der Reihe Windows 2000 aus den von Microsoft im Internet veröffentlichten Informationen, dass diese in drei verschiedenen Versionen vertrieben werden, und zwar Windows 2000 Server, Windows 2000 Advanced Server und Windows 2000 Datacenter Server, und dass jede dieser Versionen eine spezielle aufgabenorientierte Benutzernachfrage befriedigen soll.

506    Microsoft beschreibt den Windows 2000 Server als die „Einstiegsversion“ der Windows 2000 Server-Betriebssysteme und als „die richtige Lösung für Arbeitsgruppenserver für Datei-, Druck- und Kommunikationsaufgaben“ (Randnr. 361 der angefochtenen Entscheidung). Den Windows 2000 Server „gibt es mit einem bis vier Prozessoren und bis zu vier Gigabyte“ (Randnr. 364 der angefochtenen Entscheidung).

507    Der Windows 2000 Advanced Server wird von Microsoft charakterisiert als „das richtige Betriebssystem für wichtige Anwendungen im geschäftlichen Bereich und im elektronischen Geschäftsverkehr, die mit höheren Arbeitsbelastungen und besonders vorrangigen Prozessen verbunden sind“ (Randnr. 362 der angefochtenen Entscheidung). Er enthalte nicht nur alle Funktionen des Windows 2000 Servers, sondern „zusätzliche Skalierbarkeits- und Zuverlässigkeitsfunktionen wie Clustering, um [die] betriebsnotwendigen Anwendungen auch bei härtesten Belastungen funktionstüchtig zu erhalten“ (Randnr. 362 der angefochtenen Entscheidung). Den Windows 2000 Advanced Server „gibt es mit einem bis acht Prozessoren und bis zu 64 Gigabyte“ (Randnr. 364 der angefochtenen Entscheidung).

508    Schließlich bietet der Windows 2000 Datacenter Server nach der Beschreibung von Microsoft „maximale Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit“ und ist „das richtige Betriebssystem für auftragsentscheidende Datenbanken [und] Software zur Ressourcenplanung des Unternehmens“ (Randnr. 363 der angefochtenen Entscheidung). Er sei „gedacht für Unternehmen, die sehr zuverlässige Treiber und Software der Spitzenklasse benötigen“, und ihn „gibt es mit einem bis 32 Prozessoren und bis zu 64 Gigabyte“ (Randnrn. 363 und 364 der angefochtenen Entscheidung).

509    In ähnlicher Weise präsentiert Microsoft die verschiedenen Versionen der Server-Betriebssysteme der Nachfolgereihe von Windows 2000, nämlich Windows Server 2003 Standard Edition, Windows Server 2003 Enterprise Edition, Windows Server 2003 Datacenter Edition und Windows Server 2003 Web Edition.

510    So wird die Windows Server 2003 Standard Edition von Microsoft beschrieben als „ideales Vielzweck-Netzwerkbetriebssystem für den Alltagsbedarf von Organisationen jeder Größe, insbesondere aber von kleinen Unternehmen und Arbeitsgruppen“; sie ermögliche „intelligente gemeinsame Nutzung von Dateien und Druckern, sicheren Internetzugang, zentrale Desktop-Verwaltung und Lösungen zur Vernetzung von Mitarbeitern, Partnern und Kunden“ (Randnr. 365 der angefochtenen Entscheidung).

511    Zur Windows Server 2003 Enterprise Edition führt Microsoft aus, dieses System biete neben den Funktionen der Windows Server 2003 Standard Edition „die für betriebsnotwendige Anwendungen erforderlichen Zuverlässigkeitsmerkmale“ (Randnr. 366 der angefochtenen Entscheidung).

512    Die Windows Server 2003 Datacenter Edition ist nach den Angaben von Microsoft „für auftragsentscheidende Anwendungen konzipiert, die höchste Anforderungen an Skalierbarkeit, Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit stellen“ (Randnr. 366 der angefochtenen Entscheidung).

513    Schließlich wird die Windows Server 2003 Web Edition von Microsoft dahin gehend beschrieben, dass sie „für den Aufbau und die Speicherung von Web-Anwendungen, ‑seiten und ‑Diensten konzipiert“ und „speziell für die Bedürfnisse dedizierter Web-Dienste bestimmt“ sei (Randnr. 367 der angefochtenen Entscheidung). Dieses System könne „nur für die Erstellung von Webseiten, Websites, Web-Anwendungen und Web-Diensten verwendet werden“ (Randnr. 367 der angefochtenen Entscheidung).

514    Aus den vorstehenden Angaben folgt somit, dass Microsoft selbst die verschiedenen Versionen ihrer Server-Betriebssysteme so darstellt, dass sie verschiedene aufgabenbezogene Anforderungen der Benutzer erfüllen sollen. Ferner geht aus ihnen hervor, dass die verschiedenen Versionen nicht mit der gleichen Hardware laufen sollen.

515    Im Übrigen werden auch die Produkte anderer Anbieter von Server-Betriebssystemen im Hinblick auf die Erbringung von Arbeitsgruppendiensten „optimiert“. Dies gilt insbesondere für die Produkte des Unternehmens Red Hat, dessen Betriebssysteme Red Hat Enterprise Linux ES und Red Hat Enterprise Linux AS eindeutig unterschiedliche Anforderungen der Benutzer erfüllen sollen. So beschreibt dieses Unternehmen, wie die Kommission in Fn. 463 der angefochtenen Entscheidung ausführt, auf seiner Website sein System Red Hat Enterprise Linux ES als „ideal geeignet für Netzwerk-, Datei-, Druck-, Mail-, Web- und kundenspezifische oder integrierte kommerzielle Anwendungen“. Die Zielgruppe des Systems Red Hat Enterprise Linux AS seien dagegen „Hochleistungs- und aufgabenentscheidende Systeme“; es sei „die optimale Lösung für große Abteilungs- und Rechenzentrenserver“. Dies steht in Einklang mit der Feststellung, dass Betriebssysteme, die auf Hochleistungsservern installiert sind, „aufgabenentscheidende“ Operationen ausführen sollen und deshalb zuverlässiger sein und mehr Funktionen haben müssen als Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver (Randnrn. 57 und 346 der angefochtenen Entscheidung).

516    Drittens hat sich die Kommission auf die „Preisstrategie von Microsoft“ und insbesondere darauf gestützt, dass Microsoft für verschiedene Versionen ihrer Betriebssysteme unterschiedliche Preise verlange (Randnrn. 369 bis 382 der angefochtenen Entscheidung).

517    Hierzu ist zunächst festzustellen, dass es nach den von Microsoft nicht bestrittenen Angaben in den Randnrn. 370 bis 373 der angefochtenen Entscheidung erhebliche Preisunterschiede zwischen den verschiedenen Versionen der Server-Betriebssysteme von Microsoft gibt, sowohl bei der Reihe Windows 2000 Server als auch bei der Reihe Windows 2003 Server.

518    So lässt sich 25 Kundenzugangslizenzen (Client Access Licences, CAL) entnehmen, dass der Verkaufspreis des Systems Windows 2000 Advanced Server 2,22 mal so hoch ist wie der des Systems Windows 2000 Server. Der (anhand von 25 CAL ermittelte) Verkaufspreis des Systems Windows 2000 Datacenter Server ist 5,55 mal so hoch ist wie der des Systems Windows 2000 Server.

519    Desgleichen ist, ausgehend von 25 CAL, der Verkaufspreis des Systems Windows Server 2003 Enterprise Edition 2,22 mal so hoch wie der des Systems Windows Server 2003 Standard Edition. Der Verkaufspreis des Systems Windows Server 2003 Datacenter Edition ist 5,55 mal so hoch ist wie der des Systems Windows Server 2003 Standard Edition (ausgehend von 25 CAL). Das System Windows Server 2003 Web Edition, das nur für ganz bestimmte Aufgaben verwendet werden kann (siehe oben, Randnr. 513), wird zu einem weit niedrigeren Preis verkauft als das System Windows Server 2003 Standard Edition.

520    Sodann ist hervorzuheben, dass – anders als Microsoft offenbar meint (siehe oben, Randnr. 446) – die Kommission nicht allein daraus, dass Microsoft die verschiedenen Versionen ihres Server-Betriebssystems zu unterschiedlichen Preisen anbietet, den Schluss zieht, dass diese Versionen zu gesonderten Produktmärkten gehören. Was die Substituierbarkeit auf der Nachfrageseite angeht, so berücksichtigt die Kommission nicht nur diesen Aspekt, sondern auch und vor allem die Tatsache, dass jede dieser verschiedenen Versionen einen speziellen Bedarf der Benutzer decken soll.

521    Microsoft kann sich auch nicht darauf berufen, dass mit den „teureren“ Versionen ihrer Reihe Windows Server 2003, der Windows Server 2003 Enterprise Edition und der Windows Server 2003 Datacenter Edition, die gleichen Arbeitsgruppenaufgaben erledigt werden können wie mit der Windows Server 2003 Standard Edition. Auch wenn dies zutreffen mag, ändert es nichts daran, dass die beiden erstgenannten Systeme einen anderen Bedarf als das dritte decken sollen, und es ist wenig wahrscheinlich, dass ein Benutzer, der nur an Arbeitsgruppendiensten interessiert ist, zu diesem Zweck ein erheblich teureres System als die Windows Server 2003 Standard Edition erwerben wird.

522    Wie die Kommission in Randnr. 376 der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausführt, teilt Microsoft selbst diese Meinung, denn in ihren eigenen Marketingunterlagen heißt es in Bezug auf die Systeme der Reihe Windows 2000 Server:

„[M]it den drei Angeboten der Produktfamilie – Windows 2000 Server, [Windows 2000] Advanced Server und [Windows 2000] Datacenter Server – können Sie Ihre Investition auf den für Ihre verschiedenen unternehmerischen Bedürfnisse geeigneten Systembedarf zuschneiden, ohne unnötigen Aufpreis für Operationen, die keine maximale Betriebszeit erfordern.“

523    Im gleichen Kontext kann sich Microsoft ebenso wenig darauf stützen, dass das Betriebssystem Windows Server 2003 Standard Edition auch die Erledigung anderer als Arbeitsgruppenaufgaben ermöglicht. Bei diesem Argument wird nämlich nicht berücksichtigt, dass Microsoft für dieses Betriebssystem unterschiedliche Preise verlangt, je nachdem, ob es für Arbeitsgruppendienste oder für Dienste anderer Art genutzt werden soll. Wie in den Randnrn. 84 und 380 der angefochtenen Entscheidung erläutert wird, umfassen die Preise von Microsoft für das Betriebssystem Windows Server 2003 Standard Edition eine Gebühr für jeden Server, auf dem es installiert ist, und eine Gebühr (CAL) für jeden Client-PC, für den der Server Arbeitsgruppendienste erbringt. Dagegen muss der Benutzer keine CAL erwerben, wenn er dieses Betriebssystem für „nicht authentifizierte“ Aufgaben wie Firewall, Proxy oder Cache nutzen möchte. Diese Feststellungen belegen zudem, dass die Angabe von Microsoft, wonach „[d]ie Anbieter … verschiedenen Personen keine unterschiedlichen Preise für die gleiche Version eines Betriebssystems [berechnen], je nachdem, wie sie es nutzen“, nicht zutrifft.

524    Viertens schließlich hat die Kommission ausgeführt, dass andere Server-Betriebssysteme als die Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver innerhalb der Organisationen nicht so umfassend mit den Client-PCs zusammenarbeiten müssten wie die letztgenannten Systeme (Randnrn. 346 und 383 bis 386 der angefochtenen Entscheidung).

525    Hierzu genügt der Hinweis, dass die Kommission – wie bereits oben in Randnr. 385 festgestellt worden ist – diese Beurteilung zu Recht vorgenommen hat. Sie wird jedenfalls von Microsoft nicht in Abrede gestellt.

526    Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass Microsoft nicht nachgewiesen hat, dass die Schlussfolgerung der Kommission, wonach es keine Produkte gebe, die auf der Nachfrageseite einen so hohen Wettbewerbsdruck auf die Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver ausüben könnten, dass sie dem gleichen relevanten Produktmarkt zugerechnet werden müssten (Randnr. 387 der angefochtenen Entscheidung), offensichtlich falsch ist.

527    Die Frage der Substituierbarkeit auf der Angebotsseite wird von der Kommission in den Randnrn. 388 bis 400 der angefochtenen Entscheidung behandelt.

528    Sie ist insoweit folgender Ansicht: „Andere Anbieter von Betriebssystemen, insbesondere Anbieter von Server-Betriebssystemen, wären … nicht in der Lage, ihre Produktion und ihren Vertrieb ohne massive zusätzliche Kosten und Risiken innerhalb so kurzer Zeit auf Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver umzustellen, dass Erwägungen zur Angebotsseite hier relevant sein könnten“ (Randnr. 399 der angefochtenen Entscheidung). Sie weist speziell die von Microsoft in ihrer Erwiderung vom 16. November 2001 auf die zweite Mitteilung der Beschwerdepunkte vertretene Auffassung zurück, wonach es insofern eine „praktisch sofortige Substitution auf der Angebotsseite“ gebe, als es genüge, die „komplexeren Funktionen“ der Betriebssysteme für Hochleistungsserver zu „deaktivieren“, um ein mit einem Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver vergleichbares Produkt zu erhalten.

529    In ihren Schriftsätzen trägt Microsoft kein konkretes Argument vor, das geeignet wäre, die von der Kommission in den vorgenannten Randnummern der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Analyse in Frage zu stellen. In der Erwiderung beschränkt sie sich auf die allgemeine Behauptung, dass „[d]ie Änderungskosten … in vielen Fällen gleich null“ und in „den anderen Fällen … gering“ wären, ohne auch nur anzugeben, ob sie damit die Feststellungen der Kommission zur mangelnden Substituierbarkeit auf der Angebotsseite angreifen will.

530    Unter diesen Umständen hat Microsoft nicht nachgewiesen, dass die Kommission in offenkundig fehlerhafter Weise zu dem Schluss gekommen ist, dass es im vorliegenden Fall an der Substituierbarkeit auf der Angebotsseite fehlt.

531    Aus dem Vorstehenden ist zu schließen, dass die Kommission den zweiten Produktmarkt zu Recht als den Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver definiert hat.

532    Dieser Schluss wird nicht durch das Vorbringen von Microsoft in Frage gestellt, wonach niemand in der Branche den Begriff „Arbeitsgruppenserver“ so verwende, wie ihn die Kommission zur Definition des relevanten Produktmarkts verwendet habe. Zum einen ist nämlich, wie die Kommission völlig zutreffend betont, die Terminologie, auf die sie zur Bezeichnung des Marktes zurückgreift, irrelevant für die Frage, ob sie ihn korrekt definiert hat. Zum anderen ist das Vorbringen von Microsoft jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht nicht stichhaltig, denn aus den Akten geht hervor, dass die Ausdrücke „Arbeitsgruppenserver“ und „Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver“ in der Branche zur Bezeichnung der von der angefochtenen Entscheidung erfassten Art von Produkten verwendet werden. So führt Sun in ihrer Beschwerde vom 10. Dezember 1998 ausdrücklich aus, dass diese sich auf das Verhalten von Microsoft „im Bereich der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver“ beziehe. Desgleichen ist daran zu erinnern, dass Microsoft selbst in ihren Marketingunterlagen ihr Betriebssystem Windows 2000 Server als „die richtige Lösung für Arbeitsgruppenserver für Datei-, Druck- und Kommunikationsaufgaben“ darstellt (siehe oben, Randnr. 506).

–       Zur Methode bei der Berechnung der Marktanteile

533    Microsoft wirft der Kommission vor, zur Berechnung der Marktanteile der verschiedenen Wirtschaftsteilnehmer auf dem zweiten Produktmarkt eine ungeeignete Methode verwendet zu haben. Diese Methode liefere insbesondere keine „relevanten Informationen über die beherrschende Stellung“.

534    Nach Ansicht des Gerichts hat Microsoft aus den nachfolgend genannten Gründen nicht belegt, dass die von der Kommission angewandte Methode mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet ist.

535    In den Randnrn. 473 bis 490 der angefochtenen Entscheidung erläutert die Kommission diese Methode näher.

536    Sie führt zunächst aus, sie benutze zwei Kategorien von „Indikatoren“ (proxies) zur Beurteilung der Marktposition der verschiedenen Wirtschaftsteilnehmer, und zwar zum einen die von der IDC auf der Grundlage von Preisspannen und der Arbeitsbelastung durch verschiedene Aufgaben vorgenommenen Schätzungen neuer Verkäufe und zum anderen die auf den Ergebnissen der Marktuntersuchung von 2003 und der zweiten und dritten Umfrage von Mercer beruhenden Schätzungen der Marktanteile (Randnr. 473 der angefochtenen Entscheidung).

537    Die Feststellung in der vorstehenden Randnummer belegt zunächst, dass das Vorbringen von Microsoft, die Kommission habe bei der Berechnung der Marktanteile nur die Zeit berücksichtigt, in der die Server-Betriebssysteme Arbeitsgruppenaufgaben erfüllt hätten, und nur die Verkäufe von Server-Betriebssystemen mit einem Preis unter 25 000 USD, offenkundig nicht zutrifft. Microsoft lässt unerwähnt, dass die Kommission auch Daten aus anderen Quellen als der IDC berücksichtigt hat. Wie nachfolgend in Randnr. 556 ausgeführt wird, entsprechen die unter Heranziehung der letztgenannten Daten ermittelten Marktanteile weitgehend den Anteilen, die sich aus den IDC‑Daten ergeben.

538    Sodann führt die Kommission aus, die Marktanteile seien sowohl anhand der Zahl ausgelieferter Produkteinheiten als auch anhand des mit dem Verkauf von Soft- und Hardware zusammen erzielten Umsatzes zu berechnen (Randnrn. 474 bis 477 der angefochtenen Entscheidung).

539    Schließlich hält es die Kommission für erforderlich, die IDC‑Daten mittels zweier „Filter“ anzupassen (Randnrn. 478 bis 489 der angefochtenen Entscheidung). Zum einen berücksichtigt sie nur Server, deren Verkaufspreis unter 25 000 USD oder 25 000 Euro liegt, wobei im maßgebenden Zeitraum, wie aus Fn. 6 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, ein Euro in etwa einem USD entsprach. Zum anderen berücksichtigt sie nur bestimmte der von der IDC festgelegten Aufgabenkategorien.

540    Auf die Verwendung dieser beiden Filter bezieht sich die Rüge von Microsoft.

541    In Bezug auf den ersten Filter beschränkt sich Microsoft in der Erwiderung darauf, ganz allgemein seine Relevanz in Abrede zu stellen. In Anlage C.12 zur Erwiderung erläutert sie ihre Argumentation ein wenig, wobei sie zum einen geltend macht, die Marktuntersuchung von 2003 – wovon die Kommission einen Teil der Ergebnisse als Rechtfertigung für die Anwendung dieses Filters heranzog – betreffe „das Verhalten einer speziellen Kundengruppe“, und zum anderen beanstandet, dass die Kommission den Verkaufspreis der Server und nicht der Betriebssysteme heranziehe. Zum letztgenannten Punkt führt sie aus, ein Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver könne auf Servern mit ganz unterschiedlichen Preisen laufen, insbesondere auf Servern, die mehr als 25 000 USD kosteten.

542    Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.

543    Zunächst handelt es sich bei den von der Kommission im Rahmen der Marktuntersuchung von 2003 Befragten nicht um eine „spezielle Kundengruppe“. Wie in Randnr. 8 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt wird, wurden sie von der Kommission zufällig ausgewählt und waren in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig, von unterschiedlicher Größe und in verschiedenen Wirtschaftszweigen tätig.

544    Ferner bezieht sich – wie die Kommission in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts erläutert hat – die Preisgrenze von 25 000 USD oder 25 000 Euro auf die „Gesamtkosten des Systems (d. h. Hardware und Software)“. Nach Ansicht des Gerichts hat die Kommission bei der Beurteilung der Marktanteile der Wirtschaftsteilnehmer auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver zu Recht den Gesamtverkaufspreis von Hard- und Software herangezogen. Wie nämlich in den Randnrn. 69 und 474 der angefochtenen Entscheidung festgestellt wird, entwickeln und vertreiben mehrere Anbieter, darunter Sun und die meisten Anbieter von UNIX-Produkten, die Server-Betriebssysteme im Paket mit der Hardware. Im Übrigen hat Microsoft selbst während des Verwaltungsverfahrens die von der Kommission angewandte Vorgehensweise befürwortet (vgl. Randnr. 476 der angefochtenen Entscheidung).

545    Schließlich hat die Kommission zu Recht eine Preisgrenze von 25 000 USD oder 25 000 Euro festgesetzt, bei der es sich um die Obergrenze des Verkaufspreises von Servern handelt, die zu der ersten der drei Kategorien gehört, anhand deren die IDC den Markt für ihre Analysen einteilt (Randnr. 480 der angefochtenen Entscheidung). Aus den Ergebnissen der Marktuntersuchung von 2003 geht nämlich hervor, dass die Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver im Allgemeinen auf relativ preisgünstigen Servern laufen, die „aufgabenentscheidenden“ Anwendungen dagegen auf Hochleistungsservern.

546    Die Kommission hat daher im Rahmen dieser Untersuchung die befragten Organisationen u. a. um Angaben dazu gebeten, welchen Preis sie für einen Arbeitsgruppenserver zu zahlen bereit seien (Frage 3 des Auskunftsverlangens vom 4. Juni 2003). Von den 85 Organisationen, die darauf antworteten, teilten 83 (etwa 97,6 %) mit, dass sie nicht mehr als 25 000 Euro zahlen würden.

547    Desgleichen stellte die Kommission in ihrem Auskunftsverlangen vom 16. April 2003 den Organisationen bestimmte Fragen nach ihren vergangenen und geplanten Käufen von Servern für Datei- und Druckdienste (Fragen 8 und 9). Aus den Antworten auf diese Fragen geht hervor, dass von den 8 236 Servern, die sie zu diesem Zweck gekauft hatten, 8 001 (etwa 97,1 %) weniger als 25 000 Euro gekostet hatten und von den 2 695 Servern, deren Kauf geplant war, 2 683 (etwa 99,6 %) weniger als 25 000 Euro kosten sollten (Randnr. 479 der angefochtenen Entscheidung).

548    In Bezug auf den zweiten Filter beschränkt sich Microsoft in der Erwiderung auf den Hinweis, dass seine Anwendung die absurde Konsequenz hätte, dass „sich ein Exemplar eines Betriebssystems sowohl innerhalb als auch außerhalb des Marktes befinden kann, je nachdem, welche Aufgaben es gerade erfüllt“. In Anlage C.12 zur Erwiderung fügt sie hinzu: „Bei einem Großteil der [durch Verwendung dieses Filters] (künstlich) vom Markt ausgeschlossenen Verkäufe handelt es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um Verkäufe von Versionen [von Server-Betriebssystemen], die zum Zielmarkt der Kommission [dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver] gehören.“

549    Auch diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.

550    Nicht nur war die Kommission voll und ganz berechtigt, diesen zweiten Filter heranzuziehen, sondern Microsoft stellt auch die Folgen seiner Anwendung stark übertrieben dar.

551    Insoweit ist an den Grund zu erinnern, aus dem die Kommission die Verwendung dieses Filters für erforderlich hielt. Wie sich aus Randnr. 482 der angefochtenen Entscheidung ergibt, besteht er darin, dass nicht alle auf Servern mit einem Preis unter 25 000 USD oder 25 000 Euro installierten Betriebssysteme Arbeitsgruppendienste erbringen. Insbesondere sind einige dieser Systeme ausschließlich für die Erfüllung spezieller Aufgaben wie Web- oder Firewall-Dienste bestimmt, die sich außerhalb oder am Rand der Arbeitsgruppennetzwerke befinden. Dies gilt z. B. für die Windows Server 2003 Web Edition, deren Lizenzbedingungen ihre Verwendung für Arbeitsgruppendienste verbieten und die in der Regel auf Servern mit einem Preis unter 25 000 USD oder 25 000 Euro installiert sind.

552    Die Kommission hat daher zu Recht die Ansicht vertreten, dass die IDC‑Daten über die Verkäufe von Servern mit einem Preis unter 25 000 USD oder 25 000 Euro zu relativieren und auch die verschiedenen von diesen Servern wahrgenommenen Aufgabenarten zu berücksichtigen seien (Randnr. 483 der angefochtenen Entscheidung). Zu diesem Zweck hat sie die in einer Datenbank namens „IDC Server Workloads 2003 Model“ enthaltenen IDC‑Daten herangezogen. Es handelt sich um Daten von Verbrauchern, die von der IDC um Angaben dazu ersucht worden waren, welche Aufgaben (oder „workloads“) die in ihrer Organisation verwendeten Server erfüllen. Wie bereits zuvor in Randnr. 431 ausgeführt, ermittelte die IDC acht Hauptkategorien von Aufgaben und unterteilte diese in mehrere Unterkategorien. Die Kommission zog die Unterkategorien „file/print sharing“ und „networking“ heran, die den in der angefochtenen Entscheidung verwendeten Kategorien „Datei-/Druckdienste“ und „Gruppen- und Nutzerverwaltung“ am nächsten kamen (Randnr. 486 der angefochtenen Entscheidung).

553    Die unter die beiden oben genannten Unterkategorien fallenden Aufgaben entsprechen zwar nicht genau den Diensten, die Gegenstand des Marktes der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver sind. Der Kommission war dies im Übrigen voll und ganz bewusst, wie die von ihr in den Randnrn. 487 und 488 der angefochtenen Entscheidung genannten Beispiele zeigen, aus denen insbesondere hervorgeht, dass bestimmte von Hochleistungsservern wahrgenommene Aufgaben zu einer der fraglichen Unterkategorien gehören können, obwohl klar ist, dass es keine Arbeitsgruppenaufgaben sind.

554    Gerade die Kombination der beiden von Microsoft beanstandeten Filter ermöglicht es jedoch, dieses Konkordanzproblem zwischen den von der IDC festgelegten und den von der Kommission herangezogenen Aufgaben zu verringern.

555    Festzustellen ist jedenfalls, dass die Marktanteile, zu denen man bei Anwendung allein des ersten Filters gelangt, sich nicht wesentlich von denen unterscheiden, die sich bei Anwendung beider Filter ergeben. So beträgt der Marktanteil von Microsoft im Jahr 2002 bei einer Berechnung auf der Grundlage aller für weniger als 25 000 USD verkauften Server 64,9 % der verkauften Einheiten und 61 % des Umsatzes (Randnr. 491 der angefochtenen Entscheidung). Zieht man für die gleichen Server nur die Unterkategorien „file/print sharing“ und „networking“ heran, so ergeben sich folgende Marktanteile von Microsoft: 66,4 % der verkauften Einheiten (65,7 % des Umsatzes) für die erste Unterkategorie und 66,7 % der verkauften Einheiten (65,2 % des Umsatzes) für die zweite (Randnr. 493 der angefochtenen Entscheidung).

556    Allgemeiner entsprechen, wie in Randnr. 473 der angefochtenen Entscheidung festgestellt wird, die unter Heranziehung der IDC‑Daten bei gemeinsamer Anwendung beider Filter ermittelten Prozentsätze weitgehend den Sätzen, die den Ergebnissen der Marktuntersuchung von 2003 und der zweiten und dritten Umfrage von Mercer zu entnehmen sind (vgl. z. B. Randnrn. 495, 497 und 498 der angefochtenen Entscheidung). In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die Kommission jeweils eine vorsichtige Schätzung vorgenommen hat. So ging sie bei Microsoft vom niedrigsten Marktanteil – „mindestens 60 %“ – aus (Randnr. 499 der angefochtenen Entscheidung).

557    Aus dem Vorstehenden ist zu schließen, dass Microsoft nicht nachweist, dass die Methode der Kommission zur Berechnung der Marktanteile mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet ist oder dass infolgedessen die Schätzungen der Marktanteile in den Randnrn. 491 bis 513 der angefochtenen Entscheidung als offensichtlich fehlerhaft anzusehen ist.

558    Hinzuzufügen ist, dass die Kommission ihre Feststellung, dass Microsoft auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver eine beherrschende Stellung einnimmt, nicht allein auf die Anteile von Microsoft an diesem Markt gestützt hat. Sie hat nämlich auch berücksichtigt, dass es Zutrittsschranken zu diesem Markt gab (Randnrn. 515 bis 525 der angefochtenen Entscheidung), die insbesondere auf Netzwerkeffekte und Hindernisse für die Interoperabilität sowie auf enge geschäftliche und technologische Verbindungen zwischen dem genannten Markt und dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs zurückzuführen waren (Randnrn. 526 bis 540 der angefochtenen Entscheidung).

559    Schließlich ist in Bezug auf die missbräuchliche Lieferverweigerung daran zu erinnern, dass die Kommission Microsoft in der angefochtenen Entscheidung vorwirft, ihr Quasi-Monopol auf dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs mittels einer „Hebelwirkung“ (leveraging) zur Beeinflussung des Marktes der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver genutzt zu haben (Randnrn. 533, 538, 539, 764 bis 778, 1063, 1065 und 1069). Das Microsoft zur Last gelegte missbräuchliche Verhalten hat mit anderen Worten seinen Ursprung in ihrer beherrschenden Stellung auf dem erstgenannten Produktmarkt (Randnrn. 567 und 787 der angefochtenen Entscheidung). Selbst wenn die Kommission zu Unrecht angenommen haben sollte, dass Microsoft eine beherrschende Stellung auf dem letztgenannten Markt innehatte (vgl. u. a. Randnrn. 491 bis 541, 781 und 788 der angefochtenen Entscheidung), könnte dies daher für sich genommen nicht ausreichen, um zu dem Schluss zu kommen, dass sie fälschlich vom Missbrauch einer beherrschenden Stellung durch Microsoft ausgegangen ist.

–       Zum anwendbaren Kriterium

560    In der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission geprüft, ob die fragliche Weigerung den Wettbewerb auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver auszuschalten „drohte“ (Randnrn. 585, 589, 610, 622, 626, 631, 636, 653, 691, 692, 712, 725, 781, 992 und 1070). Microsoft hält dieses Kriterium für nicht streng genug, da die Rechtsprechung zur Ausübung eines Rechte des geistigen Eigentums von der Kommission verlange, den Nachweis dafür zu erbringen, dass die Weigerung, einem Dritten eine Lizenz zu erteilen, „geeignet [ist], jeglichen Wettbewerb … auszuschalten“, oder, mit anderen Worten, dass eine „hohe Wahrscheinlichkeit“ besteht, dass die Weigerung zu einem solchen Ergebnis führt.

561    Nach Ansicht des Gerichts ist die Rüge von Microsoft rein terminologischer Art und völlig irrelevant. Die Wendungen „den Wettbewerb auszuschalten droht“ und „geeignet, jeglichen Wettbewerb auszuschalten“, werden vom Gemeinschaftsrichter gleichermaßen verwendet, um denselben Gedanken zum Ausdruck zu bringen, dass nämlich Art. 82 EG nicht erst dann Anwendung findet, wenn auf dem Markt kein oder praktisch kein Wettbewerb mehr besteht. Es würde dem Zweck von Art. 82 EG, einen unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt zu erhalten und insbesondere den auf dem relevanten Markt noch bestehenden Wettbewerb zu schützen, klar zuwiderlaufen, wenn die Kommission abwarten müsste, bis die Konkurrenten vom Markt verdrängt wurden oder bis dies hinreichend kurz bevorsteht, bevor sie aufgrund dieser Vorschrift eingreifen könnte.

562    Im vorliegenden Fall war die Kommission umso mehr berechtigt, Art. 82 EG vor der völligen Ausschaltung des Wettbewerbs auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver anzuwenden, als dieser Markt durch erhebliche Netzwerkeffekte gekennzeichnet ist und die Ausschaltung des Wettbewerbs daher schwer rückgängig zu machen wäre (vgl. Randnrn. 515 bis 522 und 533 der angefochtenen Entscheidung).

563    Hinzu kommt, dass nicht die Ausschaltung jeglichen Wettbewerbs auf dem Markt nachgewiesen werden muss. Maßgebend für den Nachweis einer Verletzung von Art. 82 EG ist nämlich, dass die fragliche Weigerung jeglichen wirksamen Wettbewerb auf dem Markt auszuschalten droht oder dazu geeignet ist. Dass die Konkurrenten des beherrschenden Unternehmens in marginaler Weise in bestimmten „Marktnischen“ präsent bleiben, kann nicht ausreichen, um auf die Existenz eines solchen Wettbewerbs zu schließen.

564    Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nachzuweisen hat, dass die fragliche Lieferverweigerung jeglichen wirksamen Wettbewerb auszuschalten droht. Wie bereits oben in Randnr. 482 ausgeführt, muss die Kommission ihre Beurteilung auf zutreffende, zuverlässige und kohärente Beweise stützen, die alle bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehenden relevanten Daten einschließen und die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen.

–       Zur Beurteilung der Marktdaten und der Wettbewerbssituation

565    In der angefochtenen Entscheidung analysiert die Kommission zugleich den Umstand, dass Interoperabilitätsinformationen unerlässlich sind, und die Tatsache, dass die fragliche Weigerung den Wettbewerb auszuschalten droht (Randnrn. 585 bis 692 der angefochtenen Entscheidung). Ihre Analyse besteht aus vier Teilen. Erstens prüft sie die Entwicklung des Marktes der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver (Randnrn. 590 bis 636 der angefochtenen Entscheidung). Zweitens stellt sie fest, dass die Interoperabilität ein Faktor sei, der eine entscheidende Rolle bei der Nutzung von Windows-Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver spiele (Randnrn. 637 bis 665 der angefochtenen Entscheidung). Drittens führt sie aus, es gebe keinen Ersatz für die Offenlegung der Interoperabilitätsinformationen durch Microsoft (Randnrn. 666 bis 687 der angefochtenen Entscheidung). Viertens stellt sie einige Erwägungen zum MCPP an (Randnrn. 688 bis 691 der angefochtenen Entscheidung).

566    Das Vorbringen von Microsoft zur Stützung der vorliegenden Rüge betrifft im Wesentlichen den ersten Teil der oben genannten Analyse der Kommission. Microsoft macht geltend, die Marktdaten stünden im Widerspruch zur Ansicht der Kommission, dass der Wettbewerb auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver durch die fragliche Weigerung ausgeschaltet zu werden drohe.

567    Im Rahmen dieses ersten Teils hat die Kommission zunächst die Entwicklung der Marktanteile von Microsoft und ihren Konkurrenten auf dem zweiten Produktmarkt geprüft. Sie hat im Wesentlichen festgestellt, dass der Marktanteil von Microsoft schnell und stark gestiegen sei und weiter steige, zulasten insbesondere von Novell. Der Marktanteil der Anbieter von UNIX-Produkten sei gering. Linux-Produkte seien nur sehr schwach auf dem Markt vertreten, sie hätten in den letzten Jahren vor Erlass der angefochtenen Entscheidung auf diesem Markt nicht zugelegt, und einige Schätzungen ihres künftigen Wachstums könnten die Schlussfolgerung, dass der wirksame Wettbewerb auf dem Markt ausgeschaltet werde, nicht in Frage stellen.

568    Nach Ansicht des Gerichts werden diese verschiedenen Feststellungen durch den Akteninhalt bestätigt und durch das Vorbringen von Microsoft nicht in Frage gestellt.

569    Erstens geht nämlich aus den Akten hervor, dass Microsoft ursprünglich nur Betriebssysteme für Client-PCs lieferte und erst relativ spät in den Markt der Server-Betriebssysteme eindrang (vgl. u. a. Nr. 47 der Erwiderung vom 17. November 2000 auf die erste Mitteilung der Beschwerdepunkte). Erst Anfang der neunziger Jahre begann sie mit der Entwicklung eines Server-Betriebssystems – das erste System, „Windows NT 3.5 Server“, wurde ab Juli 1992 vertrieben – und erst mit „Windows NT 4.0“, das im Juli 1996 auf den Markt kam, erzielte sie erstmals einen echten wirtschaftlichen Erfolg (vgl. insbesondere Nr. 50 der Erwiderung vom 17. November 2000 auf die erste Mitteilung der Beschwerdepunkte und Nrn. 50 und 56 der Klageschrift).

570    Aus den in Randnr. 591 der angefochtenen Entscheidung wiedergegebenen IDC‑Daten ergibt sich, dass der Anteil von Microsoft, gemessen an verkauften Einheiten, am Markt der auf Servern mit einem Preis unter 25 000 USD installierten Betriebssysteme von 25,4 % (gemessen am Umsatz 24,5 %) im Jahr 1996 auf 64,9 % (gemessen am Umsatz 61 %) im Jahr 2002 stieg, eine Zunahme um fast 40 % in nur sechs Jahren.

571    Ferner ergibt sich aus den in Randnr. 592 der angefochtenen Entscheidung erwähnten IDC‑Daten, dass der Marktanteil von Microsoft nach der Markteinführung der Generation Windows 2000 ihrer Betriebssysteme ständig stieg. Wie die Kommission in der angefochtenen Entscheidung mehrmals zutreffend feststellt (vgl. z. B. Randnrn. 578 bis 584, 588 und 613), haben sich aber gerade bei dieser Produktreihe die Interoperabilitätsprobleme für die Konkurrenten von Microsoft in besonders ausgeprägter Weise gestellt.

572    So erleichterte z. B. die Software „NDS for NT“, die von Novell mittels Reverse Engineering entwickelt worden war, die Interoperabilität zwischen den Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver der Konkurrenten von Microsoft und der Windows-Domänenarchitektur, im konkreten Fall Windows NT. Dieses Produkt konnte auf einem Windows-NT‑Domänencontroller installiert werden und ermöglichte es den Kunden, das NDS (Novell Directory Service, später als eDirectory bezeichnet) von Novell zu verwenden, um die verschiedenen Bestandteile der Windows-NT‑Domänen zu verwalten. Da Microsoft Novell bestimmte Informationen nicht mitteilte, war NDS for NT dagegen unter dem Betriebssystem Windows 2000 Server nicht lauffähig (vgl. Randnr. 301 der angefochtenen Entscheidung).

573    Ein weiteres Beispiel ist „AS/U“, das von AT&T in den neunziger Jahren unter Verwendung bestimmter Elemente des Quellcode von Windows entwickelt wurde, die Microsoft ihr im Rahmen einer Lizenz offengelegt hatte. Mittels dieses Produkts konnte ein Server, auf dem ein UNIX-System installiert war, als Hauptdomänencontroller in einer Windows-NT‑Domäne eingesetzt werden (vgl. Randnr. 211 der angefochtenen Entscheidung). Desgleichen hatte Sun auf der Grundlage des ihr von AT&T im Rahmen einer Lizenz übermittelten Quellcodes von AS/U ein ähnliches Produkt wie AS/U namens „PC NetLink“ entwickelt. Wenn dieses Produkt auf einem Server mit dem Betriebssystem Solaris installiert war, konnte dieser Server zum einen „den Windows 3.X/95/98/NT‑Kunden in transparenter Weise die Datei-, Druck-, Verzeichnis- und Sicherheitsleistungen von Windows NT erbringen“, und zwar „nativ“, d. h., ohne dass die Benutzer auf ihren Client-PCs zusätzliche Software installieren mussten, und zum anderen als Hauptdomänencontroller oder als ersatzweiser Domänencontroller in einer Windows-NT‑Domäne fungieren (vgl. Randnr. 213 der angefochtenen Entscheidung). 2001 beschlossen Microsoft und AT&T, ihre Lizenzvereinbarung nicht auf bestimmte neue Technologien für Server-Betriebssysteme auszudehnen. Microsoft lieferte AT&T daher nicht die nötigen Quellcodebestandteile für die Nachfolgesysteme zu Windows NT 4.0. Infolgedessen war PC NetLink nur noch mit Client-PCs einsetzbar, auf denen Windows NT installiert war – und insbesondere nicht unter Windows 2000 –, und verlor nach und nach seine Attraktivität.

574    Im gleichen Zusammenhang sind die verschiedenen Änderungen zu erwähnen, die sich aus der Umstellung von der Windows-NT‑Technologie auf die Windows-2000-Technologie und auf Active Directory ergaben (siehe oben, Randnrn. 167 bis 171).

575    Zweitens geht aus den Akten hervor, dass parallel zur oben dargestellten Entwicklung der Marktposition von Microsoft der Anteil von Novell am Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver immer weiter zurückging, so dass sie dort innerhalb weniger Jahre zu einem Anbieter von untergeordneter Bedeutung wurde. Als Microsoft in den Markt der Server-Betriebssysteme eintrat, war dagegen der Marktführer für die Erbringung von Arbeitsgruppendiensten das System NetWare von Novell (vgl. Nr. 56 der Klageschrift), die seit Mitte der achtziger Jahre auf diesem Markt tätig war.

576    So ergibt sich aus den in Randnr. 593 der angefochtenen Entscheidung erwähnten IDC‑Daten, dass in der Unterkategorie „file/print sharing“ der Marktanteil von NetWare bei Servern mit einem Preis unter 25 000 USD, gemessen an verkauften Einheiten, von 33,3 % im Jahr 2000 auf 23,6 % im Jahr 2002 und, gemessen am Umsatz, von 31,5 % im Jahr 2000 auf 22,4 % im Jahr 2002 zurückging.

577    Der Niedergang von Novell wird sowohl durch Angaben von Marktanalysten als auch durch Microsoft selbst bestätigt (vgl. Randnr. 596 der angefochtenen Entscheidung).

578    Desgleichen heißt es in dem Mercer-Bericht, der die Analyse der Ergebnisse ihrer dritten Umfrage enthält, ausdrücklich, dass zahlreiche Organisationen NetWare in geringerem Umfang nutzten. Mercer führt insbesondere aus: „Die Befragung der Organisationen nach ihrer Nutzung der einzelnen Server-Betriebssysteme als Arbeitsgruppenserver in den letzten fünf Jahren ergab, dass die Zahl derjenigen, deren Nutzung von NetWare zurückgegangen ist, fast siebenmal so hoch ist wie die Zahl derjenigen, die NetWare stärker genutzt haben“ (vgl. S. 25 und Tabelle 16 des Berichts).

579    Wie die Kommission in den Randnrn. 594 und 595 der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausführt, belegen überdies einige Ergebnisse der Marktuntersuchung von 2003 und einige von Microsoft im Verwaltungsverfahren vorgelegte Erklärungen von Kunden eindeutig eine in den Organisationen bestehende Tendenz, NetWare durch Windows 2000 Server zu ersetzen. Dagegen gibt es nur sehr wenige Beispiele für eine „Migration“ von Windows zu NetWare (vgl. Randnrn. 594 und 632 der angefochtenen Entscheidung).

580    Drittens zeigen die Akten in Bezug auf die übrigen Konkurrenten von Microsoft, dass diese auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver nur eine ganz marginale Position behaupten konnten.

581    Was zunächst die Anbieter von UNIX-Systemen (darunter Sun) angeht, so ist den in Randnr. 508 der angefochtenen Entscheidung erwähnten IDC‑Daten zu entnehmen, dass im Jahr 2002 ihr kumulierter Marktanteil in der Unterkategorie „file/print sharing“ bei Servern mit einem Preis unter 25 000 USD nur bei 4,6 %, gemessen an verkauften Einheiten, und 7,4 %, gemessen am Umsatz, lag. In der Unterkategorie „networking“ waren es 6,4 % der verkauften Einheiten und 10,8 % des Umsatzes.

582    Insoweit geht aus den Ergebnissen der Marktuntersuchung von 2003 und den von Microsoft vorgelegten Erklärungen ihrer Kunden hervor, dass die UNIX-Systeme im Wesentlichen nicht für Arbeitsgruppenaufgaben verwendet werden, sondern für „aufgabenentscheidende“ Anwendungen, für Web- und Firewalldienste und in geringerem Umfang für interne E-Mail-Dienste (vgl. Randnrn. 509 bis 511 der angefochtenen Entscheidung).

583    In Bezug auf die Linux-Produkte geht aus den IDC‑Daten, den Ergebnissen der Marktuntersuchung von 2003 und den Erklärungen von Microsoft-Kunden hervor, dass entgegen dem Vorbringen von Microsoft auch diese Produkte zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver nur marginale Bedeutung hatten.

584    So ergibt sich aus den in Randnr. 599 der angefochtenen Entscheidung wiedergegebenen IDC‑Daten, dass der kumulierte Marktanteil der Anbieter von Linux-Produkten, gemessen an verkauften Einheiten, in der Unterkategorie „file/print sharing“ bei Servern mit einem Preis unter 25 000 USD von 5,1 % im Jahr 2000 auf 4,8 % im Jahr 2002 fiel. Gemessen am Umsatz blieb er in diesem Zeitraum konstant bei 3,9 %.

585    In der Unterkategorie „networking“ stieg zwar der kumulierte Marktanteil der Anbieter von Linux-Produkten bei Servern mit einem Preis unter 25 000 USD, gemessen an verkauften Einheiten, nach den in Fn. 728 der angefochtenen Entscheidung (vgl. auch Randnr. 505 der angefochtenen Entscheidung) erwähnten IDC‑Daten von 10,1 % im Jahr 2000 auf 13,4 % im Jahr 2002 (und von 8 % auf 10,8 % des Umsatzes). Diese Zunahme ist jedoch im Hinblick darauf zu relativieren, dass – wie die Kommission in Randnr. 488 und Fn. 728 der angefochtenen Entscheidung ausführt – diese Unterkategorie Dienstleistungen umfasst, bei denen es sich nicht um Arbeitsgruppendienste im Sinne der angefochtenen Entscheidung handelt. Zu ihr gehören nach der Beschreibung der IDC „folgende Netzanwendungen: Verzeichnisdienste, Sicherheit/Authentifizierung, Daten-/Dateientransfer über das Netz, Kommunikation und Daten-/Dateientransfer über das System“ (Randnr. 488 der angefochtenen Entscheidung). Eine solche Beschreibung ist geeignet, die von der IDC Befragten zu veranlassen, in diese Unterkategorie bestimmte Aufgaben einzubeziehen, die weder dorthin noch zum relevanten Produktmarkt gehören und die im Allgemeinen von Linux- oder UNIX-Systemen wahrgenommen werden. Die Beschreibung könnte z. B. dahin verstanden werden, dass sie Aufgaben „am Rande der Netze“ umfasst wie die Firewall, die als Bestandteil der „Sicherheit“ angesehen werden könnte, und das Routing, das dem „Daten-/Dateientransfer über das Netz“ zugeordnet werden könnte. Wie es insbesondere in den Randnrn. 58, 346, 482, 600 und 601 der angefochtenen Entscheidung heißt, werden derartige Aufgaben aber im Allgemeinen von Linux-Systemen auf Hochleistungsservern erfüllt. In den IDC‑Daten für die Unterkategorie „networking“ werden somit die Verkäufe von Linux-Systemen auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver zu hoch angesetzt.

586    Die Kommission führt zwar in Randnr. 487 der angefochtenen Entscheidung aus, dass auch die IDC‑Daten zur Unterkategorie „file/print sharing“ vor allem deshalb nicht ganz passten, weil die Hochleistungsserver, die „aufgabenentscheidende“ Anwendungen ausführten, zum Ausdruck bestimmter Dokumente wie Rechnungen verwendet werden könnten; dies könnte die Befragten zu der Annahme veranlassen, dass diese Server Aufgaben der genannten Unterkategorie erfüllen, obwohl es sich offensichtlich nicht um Arbeitsgruppenserver handelt. Durch die Verwendung des Filters von 25 000 Euro oder 25 000 USD kann diese Ungenauigkeit jedoch verringert werden (vgl. Randnr. 489 der angefochtenen Entscheidung, in der die Kommission erläutert, dass „mainframes“, die Rechnungen druckten, im Allgemeinen mehr kosteten). Die IDC‑Daten sind daher in Bezug auf die Unterkategorie „networking“ ungenauer als in Bezug auf die Unterkategorie „file/print sharing“.

587    Die Ergebnisse der Marktuntersuchung von 2003 enthalten keine Ungenauigkeiten der in der vorstehenden Randnummer angesprochenen Art. Sie bestätigen, dass Linux auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver nur marginale Bedeutung hatte. So wollte die Kommission in ihrem Auskunftsverlangen vom 16. April 2003 wissen, ob die Befragten Linux-Server in Verbindung mit Samba-Software für Arbeitsgruppenaufgaben nutzten (Frage 25). Von den 102 Teilnehmern an dieser Untersuchung griffen nur 19 für Arbeitsgruppenaufgaben auf solche Server zurück, und dies meist in ganz begrenztem Umfang (Randnr. 506 der angefochtenen Entscheidung). Von den über 1 200 000 Client-PCs, auf die sich die Marktuntersuchung von 2003 erstreckte, wurden bei weniger als 70 000 (d. h. weniger als 5,8 %) Datei- und Druckdienste unter Linux-Servern in Verbindung mit Samba erbracht (Randnrn. 506 und 599 der angefochtenen Entscheidung).

588    Desgleichen zeigt – wie die Kommission in der Klagebeantwortung (Nr. 140) ausführt – die zweite von Mercer durchgeführte Umfrage, dass die Linux-Produkte einen kumulierten Marktanteil von 4,8 % bei Datei- und Druckdiensten und 5,2 % bei Gruppen- und Nutzerverwaltungsaufgaben halten, während die dritte Umfrage von Mercer einen Marktanteil von 5,4 % bei Datei- und Druckdiensten und 4,5 % bei Gruppen- und Nutzerverwaltungsaufgaben ergab.

589    Tatsächlich zeigen die Ergebnisse der Marktuntersuchung von 2003, dass die Linux-Produkte ebenso wie die UNIX-Systeme im Allgemeinen für andere als Arbeitsgruppenaufgaben verwendet werden, insbesondere für Web- und Firewalldienste und für „aufgabenentscheidende“ Anwendungen (vgl. Randnrn. 600 und 601 der angefochtenen Entscheidung, in denen die Antworten auf die Fragen 5 und 6 des Auskunftsverlangens vom 16. April 2003 kommentiert werden).

590    Diese Feststellung wird zudem durch die von Microsoft im Verwaltungsverfahren übermittelten Kundenerklärungen bestätigt, wie die Kommission in Randnr. 602 der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausführt.

591    Hinzu kommt, dass sich die Präsenz der Anbieter von Linux-Produkten auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver – abgesehen davon, dass sie in keiner Weise mit der Marktpräsenz vergleichbar ist, die Microsoft in nur wenigen Jahren erreicht hat – nicht auf Kosten von Microsoft gegangen ist, sondern von Novell und der Anbieter von UNIX-Produkten. Wie die Kommission in der Gegenerwiderung (Nr. 104) ausführt, hatten von denjenigen, die im Rahmen der dritten Mercer-Umfrage angaben, Linux-Systeme in den letzten fünf Jahren verstärkt für Arbeitsgruppenaufgaben genutzt zu haben, 67 % NetWare oder UNIX in geringerem Maß genutzt, während nur 14 % die Nutzung von Windows verringerten. Außerdem wird in Randnr. 632 der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt, dass die Marktuntersuchung von 2003 nur zwei Fälle einer „Migration“ von Windows-Systemen zu Linux-Systemen bei der Erfüllung von Arbeitsgruppenaufgaben ergeben hat.

592    Das gegenteilige Vorbringen von Microsoft in Anlage C.11 zur Erwiderung ist wenig glaubhaft, insbesondere im Hinblick auf die ständige Zunahme ihres Anteils am relevanten Produktmarkt während des gesamten Zeitraums der fraglichen missbräuchlichen Weigerung.

593    Wie die vorgenannten Anhaltspunkte bestätigen, hatte die fragliche Weigerung zur Folge, dass sich die Produkte der Konkurrenten von Microsoft mit Randpositionen begnügen mussten oder sogar unrentabel wurden. Dass es einen geringfügigen Wettbewerb zwischen den Marktteilnehmern geben mag, kann daher die Auffassung der Kommission, dass die Gefahr eines Ausschlusses jedes wirksamen Wettbewerbs auf diesem Markt bestehe, nicht in Frage stellen.

594    Angesichts der oben in den Randnrn. 583 bis 593 erwähnten Gesichtspunkte hat die Kommission in Randnr. 603 der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, dass die Anbieter von Linux-Produkten auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver keine ernsthafte Bedrohung für Microsoft darstellten.

595    Microsoft macht ferner geltend, die Präsenz der Linux-Produkte auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver werde künftig weiter zunehmen. Sie führt dies in Anlage A.19 zur Klageschrift und in Anlage C.11 zur Erwiderung näher aus. Die Kommission antwortet darauf detailliert in Anlage B.10 zur Klagebeantwortung und in Anlage D.11 zur Gegenerwiderung.

596    Microsoft stützt ihr Vorbringen zunächst auf einige Ergebnisse der dritten Mercer-Umfrage.

597    Im Rahmen dieser Umfrage wollte Mercer von den EDV-Verantwortlichen der Organisationen, die bereits Linux-Betriebssysteme für Arbeitsgruppenaufgaben nutzten, wissen, ob sie planten, dies in den nächsten fünf Jahren in stärkerem Maß zu tun. Nach Tabelle 19 des Mercer-Berichts, in der die Ergebnisse dieser Umfrage analysiert werden, bejahten dies 53 der 70 von dieser Frage betroffenen EDV-Verantwortlichen.

598    Nach Ansicht des Gerichts hat die Kommission diesen Gesichtspunkt in Randnr. 605 der angefochtenen Entscheidung zu Recht nicht für ausschlaggebend gehalten. Zum einen machten diese 53 EDV-Verantwortlichen nur etwa 17,9 % der 296 EDV-Verantwortlichen aus, die an der dritten Mercer-Umfrage teilnahmen; 226 Personen hatten angegeben, dass ihre Organisation keine Linux-Systeme für Arbeitsgruppendienste nutze. Zum anderen quantifizierten die 53 EDV-Verantwortlichen ihre Absicht, für Arbeitsgruppenaufgaben stärker auf Linux-Systeme zurückzugreifen, nicht und gaben auch nicht an, ob dies auf Kosten der Windows-Systeme gehen werde.

599    Überdies waren nach Tabelle 18 des genannten Mercer-Berichts 58 EDV-Verantwortliche der Ansicht, dass die Linux-Systeme in den kommenden fünf Jahren für Arbeitsgruppenaufgaben nicht einmal „einsatzfähig“ wären.

600    Es trifft zu, dass nach derselben Tabelle 60 % der befragten EDV-Verantwortlichen angaben, ihre Organisation plane, in den nächsten fünf Jahren Linux-Systeme für die Erbringung von Arbeitsgruppendiensten anzuschaffen. Wie die Kommission in Randnr. 606 der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausführt, wurden diese Verantwortlichen jedoch weder ersucht, ihre Absicht zu quantifizieren, noch anzugeben, ob dies auf Kosten der Windows-Systeme gehen werde.

601    Sodann beruft sich Microsoft auf einige Vorausschätzungen der IDC, die belegten, dass sich der Marktanteil der Linux-Systeme in der Zeit von 2003 bis 2008 verdoppeln werde.

602    Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die IDC‑Angaben einige Unzulänglichkeiten aufweisen, da die von ihr verwendeten Unterkategorien Aufgaben enthalten, die außerhalb des von der angefochtenen Entscheidung erfassten Marktes der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver liegen. Die Wachstumsschätzungen der IDC sind daher zu relativieren.

603    Zum anderen dürfte, wie die Kommission in Randnr. 609 der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausführt, das begrenzte Wachstum der Linux-Systeme auf dem Markt, das nach diesen Schätzungen eintreten soll, nicht auf Kosten von Windows gehen, sondern auf Kosten konkurrierender Systeme und insbesondere von NetWare. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Novell im April 2003 angekündigt hat, dass ihr Betriebssystem „NetWare 7.0“ ab 2005 in zwei verschiedenen Versionen vertrieben werde, von denen die eine auf der herkömmlichen NetWare-Plattform basiere und die andere auf dem Betriebssystem Linux (vgl. Randnr. 95 der angefochtenen Entscheidung).

604    Schließlich beruft sich Microsoft in Anlage A.19 zur Klageschrift und in Anlage C.11 zur Erwiderung auf die Meinung bestimmter „Branchenbeobachter“. Konkret nimmt sie auf einige Abschnitte eines Berichts von Merrill Lynch vom 8. März 2004 (Anhang 7 der Anlage C.11 zur Erwiderung) Bezug, der die Ergebnisse einer Umfrage von Merrill Lynch bei 50 EDV-Verantwortlichen enthält. Die Hälfte dieser Personen gehe von einer zunehmenden Verwendung von Linux-Systemen in ihrer Organisation aus, und 34 % von ihnen wollten damit Windows NT bei Datei- und Druckaufgaben ersetzen.

605    Dieses Vorbringen ist nicht überzeugend. Es besagt lediglich, dass 17 % der befragten EDV-Verantwortlichen beabsichtigten, Windows NT bei den in der vorstehenden Randnummer genannten Aufgaben durch Linux-Systeme zu ersetzen, ohne dass Angaben zum Umfang dieser Ersetzung gemacht würden. In Wirklichkeit ist es im Hinblick darauf, dass die Windows-NT‑Technologie zum Zeitpunkt der Umfrage von Merrill Lynch bereits „veraltet“ war (vgl. Randnr. 583 der angefochtenen Entscheidung), sehr wahrscheinlich, dass die Zahl der Server mit diesem System relativ klein war und dass deshalb die oben angesprochene „Migration“ nur geringen Umfang haben würde. Außerdem ist daran zu erinnern, dass die mit Microsoft konkurrierenden Server-Betriebssysteme mit den Systemen der Generation Windows NT einen höheren Interoperabilitätsgrad erreichen konnten als mit den Systemen späterer Microsoft-Generationen. Wie die Kommission bei ihrer Beurteilung der Unerlässlichkeit der fraglichen Informationen hervorhebt (siehe oben, Randnr. 366), handelt es sich bei der im Bericht von Merrill Lynch angesprochenen „Migration“ um ein punktuelles Phänomen, das die Feststellungen der Kommission zur Gefahr der Ausschaltung des Wettbewerbs daher nicht in Frage stellen kann.

606    Ebenfalls im Rahmen des ersten Teils ihrer Analyse (der die Entwicklung des Marktes der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver betrifft) stellte die Kommission sodann fest, dass die Windows-2000-Technologien und insbesondere Active Directory auf dem Markt „auf schnellem Vormarsch“ seien (Randnrn. 613 bis 618 und 781 der angefochtenen Entscheidung). Sie fügte hinzu, „aufgrund dessen, dass Microsoft keine interoperabilitätsbezogenen Informationen mehr liefert, [ist] die Interoperabilität mit [den] Funktionen von Windows 2000 für Arbeitsgruppenserver anderer Anbieter deutlich schwieriger als bei den analogen Technologien von Windows NT“, und kam dann zu dem Ergebnis, dass „die Akzeptanz [der neuen, für Windows 2000 spezifischen Funktionen der Windows-Domäne] dazu beiträgt, die Kunden an eine homogene Windows-Lösung für Arbeitsgruppennetzwerke zu binden“ (Randnr. 613 der angefochtenen Entscheidung).

607    Nach Ansicht des Gerichts bestätigen mehrere Aktenstücke die Richtigkeit dieser Feststellungen.

608    So erklärte die IDC in einem im November 2001 veröffentlichten Bulletin: „Für die große Mehrheit der Benutzer ist die Frage nicht, ob, sondern wann sie Verzeichnisdienste implementieren werden, die Windows 2000 Server und künftige Windows Server-Betriebssysteme unterstützen“ und dass „für die Benutzer von Windows 2000 der Verzeichnisdienst ihrer Wahl ganz überwiegend Active Directory sein wird“ (Randnr. 614 der angefochtenen Entscheidung).

609    Desgleichen geht, wie die Kommission in Randnr. 616 der angefochtenen Entscheidung feststellt, aus einer Umfrage der Evans Data Corporation im Jahr 2002 hervor, dass auf die Frage, für welche Verzeichnisdienste ihre Anwendungen konzipiert seien, 50,3 % der betroffenen hausinternen Entwickler Active Directory nannten.

610    Einige Ergebnisse der Marktuntersuchung von 2003 bestätigen ebenfalls das eindrucksvolle Interesse an Active Directory. So fragte die Kommission die Adressaten ihres Auskunftsverlangens vom 16 April 2003, ob sie Active Directory in der Mehrzahl der Windows-Domänen ihres Computernetzwerks bereits implementiert (oder dies beschlossen) hätten (Frage 15). Von den 102 Befragten bejahten dies 61.

611    Das Interesse an Active Directory lässt sich auch einigen Ergebnissen der zweiten Mercer-Umfrage entnehmen, wie die Kommission in Randnr. 618 der angefochtenen Entscheidung feststellt.

612    Im Übrigen ist bereits oben in den Randnrn. 571 bis 574 ausgeführt worden, dass die Interoperabilität, die die konkurrierenden Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver mit den Produkten der Generation Windows 2000 erreichen können, viel geringer ist, als es mit den Systemen der Vorgängergeneration möglich war.

613    Schließlich wies die Kommission zum Abschluss des ersten Teils ihrer Analyse drei Gruppen von Argumenten zurück, mit denen Microsoft im Verwaltungsverfahren die von der Kommission bejahte Gefahr der Ausschaltung des Wettbewerbs in Abrede gestellt hatte. Microsoft nahm auf bestimmte Erklärungen ihrer Konkurrenten Bezug, berief sich darauf, dass die Computernetzwerke der Unternehmen heterogen seien, und machte geltend, dass es Ersatzlösungen für Windows gebe.

614    In ihren Schriftsätzen wiederholt Microsoft unter Bezugnahme auf die von ihr im Verwaltungsverfahren vorgelegten Erklärungen ihrer Kunden, dass die Netzwerke der Unternehmen heterogen seien.

615    Hierzu genügt die Feststellung, dass diese Erklärungen – wie bereits oben in den Randnrn. 498 bis 500 ausgeführt wird – bestätigten, dass in Bezug auf die Arbeitsgruppenserver die Computernetzwerke dieser Kunden hauptsächlich aus Windows-Systemen bestanden.

616    In ihren Schriftsätzen beruft sich Microsoft ferner darauf, dass die gewerblichen Kunden ihre Entscheidungen über den Kauf von Server-Betriebssystemen anhand einer Reihe von Kriterien träfen und dass die Frage der Interoperabilität mit den Windows-Betriebssystemen für Client-PCs dabei kein ausschlaggebender Gesichtspunkt sei. Wie bereits oben in Randnr. 426 dargelegt wird, trifft dies nicht zu.

617    Das Vorbringen von Microsoft, sechs Jahre nach der angeblichen Lieferverweigerung gebe es auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver nach wie vor zahlreiche Konkurrenten (siehe oben, Randnr. 442), ist aus den oben in Randnr. 429 dargelegten Gründen zurückzuweisen.

618    Nach alledem hat die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie die Auffassung vertrat, die Marktentwicklung mache deutlich, dass die Gefahr einer Ausschaltung des Wettbewerbs auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver bestehe.

619    Die Kommission war umso mehr zu dem Schluss berechtigt, dass die Gefahr einer Ausschaltung des Wettbewerbs auf diesem Markt bestehe, weil er bestimmte Merkmale aufweist, die geeignet sind, Organisationen, die bereits Windows für ihre Arbeitsgruppenserver gewählt haben, davon abzuhalten, künftig zu konkurrierenden Betriebssystemen zu wechseln. So ergibt sich, wie die Kommission in Randnr. 523 der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausführt, aus bestimmten Ergebnissen der dritten Mercer-Umfrage, dass eine „nachweislich erprobte Technologie“ in den Augen einer großen Mehrheit der befragten EDV-Verantwortlichen ein wichtiger Faktor ist. Zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung hatte Microsoft aber bei vorsichtiger Schätzung einen Anteil von mindestens 60 % am Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver (Randnr. 499 der angefochtenen Entscheidung). Desgleichen belegen einige Ergebnisse dieser Umfrage, dass der Faktor „verfügbares Fachwissen und Kosten/Verfügbarkeit von Unterstützung (intern oder extern“ für die meisten befragten EDV-Verantwortlichen wichtig ist. Die Kommission führt hierzu in Randnr. 520 der angefochtenen Entscheidung völlig zu Recht aus: „Dies bedeutet, je einfacher es ist, geschultes Fachpersonal für ein bestimmtes Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver zu finden, desto geneigter sind die Kunden, dieses Betriebssystem zu erwerben. Umgekehrt gilt, je populärer ein Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver bei den Kunden ist, desto einfacher ist es für Fachleute (und umso geneigter sind diese), die für dieses Produkt erforderlichen Kenntnisse zu erwerben.“ Der sehr hohe Anteil von Microsoft am Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver hat zur Folge, dass eine sehr große Zahl von Fachpersonal spezifische Kenntnisse der Windows-Betriebssysteme besitzt.

620    Folglich ist die Voraussetzung, dass die fragliche Weigerung den Wettbewerb auszuschalten droht, im vorliegenden Fall erfüllt.

 iv) Zum neuen Erzeugnis


 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

621    Microsoft trägt unter Bezugnahme auf die Randnrn. 48 und 49 des oben in Randnr. 107 angeführten Urteils IMS Health vor, es sei nicht erwiesen, dass die ihr zur Last gelegte Weigerung das Auftreten eines neuen Produkts verhindert habe, für das ein ungedeckter Bedarf der Verbraucher bestehe.

622    Sie vertreibe bereits Server-Betriebssysteme, die die fraglichen Kommunikationsprotokolle implementierten, und ihre Konkurrenten vertrieben ihre eigenen Server-Betriebssysteme, die die von ihnen für die Erbringung von Arbeitsgruppendiensten gewählten Kommunikationsprotokolle verwendeten.

623    Wie auch aus Randnr. 669 der angefochtenen Entscheidung hervorgehe, solle die angefochtene Entscheidung es ihren Konkurrenten ermöglichen, deren Produkte in genau der gleichen Weise wie die Windows-Betriebssysteme für Server arbeiten zu lassen. Die Kommission wolle, dass ihre Kommunikationsprotokolle von ihren Konkurrenten genutzt würden, um Server-Betriebssysteme zu entwickeln, die in unmittelbaren Wettbewerb mit ihren Produkten träten, indem sie deren Funktionen „nachahmten“.

624    In der angefochtenen Entscheidung werde kein neues Produkt genannt, das ihre Konkurrenten unter Heranziehung ihrer Kommunikationsprotokolle entwickeln würden, und es werde nicht dargetan, dass es eine Nachfrage nach einem solchen Produkt gebe. Die Kommission mache lediglich geltend, dass die Konkurrenten von Microsoft „die offengelegten Informationen nutzen [könnten], um erweiterte Funktionen ihrer eigenen Produkte zu entwickeln“ (Randnr. 695 der angefochtenen Entscheidung).

625    Es gebe im Übrigen weder im Schreiben vom 15. September 1998 noch in der Beschwerde von Sun vom 10. Dezember 1998 den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass Sun die „Microsoft-Technologie“ nutzen wolle, um ein anderes Produkt als ein Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver zu entwickeln.

626    Die Behauptung der Kommission, dass ein Produkt schon dann als neu eingestuft werden könne, wenn es wesentliche Elemente enthalte, die auf die eigenen Anstrengungen des Lizenznehmers zurückzuführen seien, treffe nicht zu. Die Hinzunahme einer den Produkten eines Konkurrenten entnommenen Funktion könne schwerlich als Entwicklung eines neuen Produkts angesehen werden.

627    Falsch sei auch das Vorbringen der Kommission, die ihr zur Last gelegte Weigerung sei eine „Weigerung, Anschlussinnovationen zuzulassen“ (siehe unten, Randnr. 632). Die Feststellungen in Randnr. 696 der angefochtenen Entscheidung seien nicht stichhaltig; Novell habe nie AS/U benutzt, und der Absatz der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver von Sun und „mehreren anderen Anbietern“, die eine Lizenz für AS/U erhalten hätten, sei stets gering gewesen. In Wirklichkeit seien die in der angefochtenen Entscheidung vorgesehenen Zwangslizenzen geeignet, die Innovation zu hemmen, denn Microsoft habe weniger Anreiz, eine bestimmte Technologie weiterzuentwickeln, wenn sie diese ihren Konkurrenten zur Verfügung stellen müsse.

628    Schließlich würden auch die Verbraucher durch die fragliche Weigerung nicht geschädigt. Der von der Kommission herangezogene Mercer-Bericht (siehe unten, Randnr. 635) beziehe sich auf Produkte, die momentan auf dem Markt seien, und sei daher irrelevant für die Frage, ob die Weigerung das Auftreten neuer Produkte verhindert habe, für die ein ungedeckter Bedarf der Verbraucher bestehe. Überdies belege keiner der Mercer-Berichte, dass Microsoft „gegenüber ihren Konkurrenten ‚im Hintertreffen‘ liege“. Die Kommission lasse insbesondere unerwähnt, dass die Windows-Betriebssysteme für Server in 10 von 13 Kategorien besser abgeschnitten hätten als NetWare- und Linux-Systeme und in 9 von 13 Kategorien besser als UNIX-Systeme. Kein Kunde habe im Verwaltungsverfahren geltend gemacht, dass er wegen der angeblichen Weigerung, den Konkurrenten Interoperabilitätsinformationen preiszugeben, gezwungen gewesen sei, Windows-Betriebssysteme für Server zu verwenden.

629    Die CompTIA trägt vor, die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung nicht dargetan, dass die Microsoft zur Last gelegte Weigerung das Auftreten eines neuen Produkts verhindert habe.

630    Die Kommission weist das Vorbringen von Microsoft zurück, dass die fragliche Weigerung das Auftreten eines neuen Produkts, für das ein ungedeckter Bedarf der Verbraucher bestehe, nicht verhindert habe.

631    Die Kommission führt hierzu aus, wie sich aus Randnr. 49 des oben in Randnr. 107 angeführten Urteils IMS Health ergebe, sei ein „neues Produkt“ ein Produkt, das nicht im Wesentlichen die Nachbildung von Produkten sei, die vom Inhaber des Urheberrechts bereits auf dem Markt angeboten würden. Es genüge folglich, dass wesentliche Elemente des fraglichen Produkts auf eigene Bemühungen des Lizenznehmers zurückzuführen seien. Da Microsoft nur die Spezifikationen und nicht die Implementierung ihrer Schnittstellen offenlegen müsse, würden sich ihre Konkurrenten nicht darauf beschränken, ihre Produkte zu kopieren, und wären dazu auch gar nicht in der Lage. Sie würden die Interoperabilitätsinformationen dazu verwenden, ständig verbesserte Produkte zu vertreiben, und „einen Mehrwert gegenüber den früheren Angeboten von Microsoft und ihnen selbst bieten“, statt infolge der Weigerung von Microsoft, diese Informationen preiszugeben, vom Markt verdrängt zu werden (Randnr. 695 der angefochtenen Entscheidung). Kein Merkmal der Produkte von Microsoft und insbesondere kein Teil ihres Softwarecodes werde in andere Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver integriert.

632    In der angefochtenen Entscheidung habe sie sich nicht auf die schlichte Analyse des Kriteriums des neuen Produkts im Sinne der Definition in dem oben in Randnr. 107 angeführten Urteil IMS Health beschränkt. Sie habe dieses Kriterium anhand des in Art. 82 Abs. 2 Buchst. b EG vorgesehenen Verbots von Missbräuchen in Form einer Einschränkung der technischen Entwicklung zum Schaden der Verbraucher geprüft. Dabei habe sie mit besonderer Sorgfalt untersucht, ob Microsoft zur Last gelegt werde, sich zu weigern, „Anschlussinnovationen“, d. h. die Entwicklung neuer Produkte, zuzulassen, und nicht nur, sich zu weigern, das Kopieren zu gestatten.

633    Zur Stützung dieses Vorbringens führt die Kommission erstens aus, sie habe geprüft, wie sich die Konkurrenten von Microsoft in der Vergangenheit verhalten hätten, wenn Microsoft ihnen Interoperabilitätsinformationen gegeben oder einigen von ihnen unabsichtlich gestattet habe, „Umgehungslösungen“ zu verwenden (Randnr. 696 der angefochtenen Entscheidung). Auf die zu diesem Punkt erhobenen Rügen von Microsoft (siehe oben, Randnr. 627) antwortet die Kommission, Novell sei kein „UNIX-Anbieter“ und habe sich deshalb nicht für „UNIX-basierte Implementierungen“ wie AS/U interessiert. Sun und andere UNIX-Anbieter hätten dagegen unter Verwendung von AS/U innovative Produkte entwickelt, um die Interoperabilität mit den Windows-Systemen zu erreichen; sie hätten damit eine Nachfrage der Verbraucher decken können, wenn Microsoft nicht die Übermittlung von Interoperabilitätsinformationen abgelehnt hätte.

634    Zweitens werde in Randnr. 698 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass zahlreiche verschiedene Implementierungen derselben Spezifikation möglich seien.

635    Drittens ergebe sich – wie in Randnr. 699 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt – aus den Ergebnissen der dritten Mercer-Umfrage, dass sich die Nutzer von Server-Betriebssystemen, obwohl Microsoft bei mehreren von ihnen als wichtig angesehenen Merkmalen gegenüber ihren Konkurrenten „im Hintertreffen“ liege, „wegen der für Alternativen bestehenden Interoperabilitätsbarriere“ mit Microsoft-Produkten begnügten. Microsoft schneide nur deshalb besser ab als ihre Konkurrenten, weil die Interoperabilität mit Windows als ein Faktor berücksichtigt werde und weil nachrangige Faktoren das gleiche Gewicht erhielten wie wichtige Faktoren. Zu dem Vorbringen von Microsoft, es habe sich kein Kunde darüber beschwert, dass er wegen der fraglichen Weigerung ein Windows-Betriebssystem habe wählen müssen, sei auf die Randnrn. 702 bis 708 der angefochtenen Entscheidung zu verweisen.

636    Viertens betrieben die Konkurrenten von Microsoft Forschung und Entwicklung; sie benötigten aber Zugang zu den Protokollen von Microsoft, damit Organisationen, die Windows-PCs und ‑Arbeitsgruppenserver nutzten, von ihrer Innovation profitieren könnten, ohne durch die mangelnde Interoperabilität benachteiligt zu werden. Die Kommission trägt hierzu vor: „Als solche beeinträchtigt die Weigerung nicht unmittelbar die Innovationsfähigkeit der Konkurrenten, sondern eher die Fähigkeit des Verbrauchers, von solchen Innovationen zu profitieren, und die Fähigkeit der Konkurrenten, an ihrer Innovation zu verdienen – und damit längerfristig ihr Anreiz zu Innovationen.“

637    Fünftens schließlich sei das Vorbringen von Microsoft zu ihren eigenen Innovationsanreizen für die Beurteilung der Folgen, die die missbräuchliche Praxis für die Innovationsanreize ihrer Konkurrenten habe, irrelevant.

638    Ferner macht die Kommission geltend, die Behauptung von Microsoft, dass das Kriterium des neuen Produkts im vorliegenden Fall nicht erfüllt sei, beruhe auf einem Fehlverständnis der Rechtsprechung.

639    Erstens erfordere dieses Kriterium nicht den konkreten Nachweis, dass das Produkt des Lizenznehmers Kunden anziehen werde, die die vom vorhandenen beherrschenden Anbieter angebotenen Produkte nicht kauften. In dem oben in Randnr. 107 angeführten Urteil IMS Health habe sich der Gerichtshof auf die Frage konzentriert, ob es Unterschiede zwischen den Produkten gebe, die die Entscheidung der Verbraucher beeinflussen könnten, oder – mit anderen Worten – auf die Frage, ob es eine „potenzielle Nachfrage“ nach dem neuen Produkt gebe. Das Kriterium des neuen Produkts beziehe sich nicht nur auf Produktionsbeschränkungen. In der Gegenerwiderung führt die Kommission aus, für die geplanten neuen Produkte bestehe eindeutig eine potenzielle Nachfrage; sie würden auf den momentan von den Microsoft-Konkurrenten vertriebenen Betriebssystemen beruhen, deren Merkmale die Verbraucher oft mehr schätzten als die entsprechenden Merkmale der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver von Microsoft.

640    Zweitens könne sich Microsoft nicht darauf berufen, dass sich die angefochtene Entscheidung auf die Fähigkeit ihrer Konkurrenten konzentriere, eigene „bestehende Produkte“ anzupassen. Die maßgebende Frage sei, ob sich diese Konkurrenten im Wesentlichen darauf beschränken würden, die vorhandenen, vom Inhaber der Rechte des geistigen Eigentums entwickelten Produkte zu kopieren. Bei den Produkten der Konkurrenten von Microsoft würden die gleichen Protokolle implementiert wie bei den Windows-Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver, aber in der Geschwindigkeit, der Sicherheit und den Funktionen unterschieden sie sich sehr.

641    Drittens sei es nach der Rechtsprechung nicht ausgeschlossen, dass die künftigen Produkte des Lizenznehmers mit den Produkten des Inhabers der Rechte des geistigen Eigentums konkurrierten, wie die Sachverhalte der oben in Randnr. 107 angeführten Urteile Magill und IMS Health zeigten.

642    Die SIIA macht geltend, die fragliche Weigerung verhindere, dass „nicht von Microsoft stammende neue und innovative Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver, die den Interoperabilitätsbedürfnissen der Nutzer entsprechen“, auf den Markt kämen. Mittels der Interoperabilitätsinformationen könnten die Konkurrenten von Microsoft nicht nur Produkte mit „verbesserten Funktionsweisen“ anbieten, sondern auch und vor allem interoperable Produkte. Im Übrigen würden die Konkurrenten von Microsoft keinen Wettbewerbsvorteil erlangen, wenn sie lediglich „Microsoft-Produkte kopieren“, und sie wären dazu auch gar nicht in der Lage, wenn sie Zugang zu den Informationen erhielten, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung seien.

 Würdigung durch das Gericht

643    Die Tatsache, dass das gerügte Verhalten das Auftreten eines neuen Produkts auf dem Markt verhindert, ist im Kontext von Art. 82 Abs. 2 Buchst. b EG zu berücksichtigen, der Missbräuche verbietet, die in „der Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung zum Schaden der Verbraucher“ bestehen.

644    Daher hat der Gerichtshof in Randnr. 54 des oben in Randnr. 107 angeführten Urteils Magill entschieden, dass die Weigerung der dort betroffenen Fernsehanstalten als missbräuchlich im Sinne der genannten Vorschrift einzustufen war, da sie das Auftreten eines neuen Erzeugnisses verhinderte, das sie selbst nicht anboten und nach dem eine potenzielle Nachfrage der Verbraucher bestand.

645    Wie aus der Entscheidung, die Gegenstand dieser Rechtssache war, hervorgeht, hatte die Kommission konkret die Ansicht vertreten, dass die Fernsehanstalten durch ihre Weigerung die Erzeugung oder den Absatz zum Schaden der Verbraucher einschränkten (vgl. Randnr. 23 Abs. 1 der Entscheidung 89/205/EWG der Kommission vom 21. Dezember 1988 über ein Verfahren nach Artikel [82 EG] [IV/31.851 – Magill TV Guide/ITP, BBC und RTE] [ABl. 1989, L 78, S. 43]). Sie hatte nämlich festgestellt, dass die fragliche Weigerung die Verlage daran hinderte, einen allgemeinen wöchentlichen Fernsehprogrammführer für die Verbraucher in Irland und Nordirland zu veröffentlichen, den es dort zu dieser Zeit nicht gab. Zwar veröffentlichte jede Fernsehanstalt einen wöchentlichen Fernsehprogrammführer, doch war dieser ausschließlich ihren eigenen Programmen gewidmet. Die Kommission leitete den Missbrauch einer beherrschenden Stellung durch diese Fernsehanstalten daraus ab, dass den Verbrauchern aufgrund des Fehlens eines allgemeinen wöchentlichen Fernsehprogrammführers auf dem irischen und nordirischen Markt ein Schaden entstehe, da sie, wenn sie sich über die Programmangebote der kommenden Woche informieren wollten, keine andere Möglichkeit hätten, als die wöchentlichen Führer jedes Senders zu kaufen und daraus selbst die Angaben zu entnehmen, die sie benötigten, um Vergleiche anzustellen.

646    In dem oben in Randnr. 107 angeführten Urteil IMS Health hat der Gerichtshof im Rahmen der Beurteilung des Auftretens eines neuen Produkts diesen Umstand ebenfalls in den Kontext einer Beeinträchtigung der Verbraucherinteressen gestellt. Wie er in Randnr. 48 des Urteils unter Bezugnahme auf Nr. 62 der Schlussanträge von Generalanwalt Tizzano in dieser Rechtssache (Slg. 2004, I‑5042) festgestellt hat, beruhte dieser Umstand auf der Erwägung, dass bei der Abwägung zwischen dem Interesse am Schutz der Rechte des geistigen Eigentums und der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit ihres Inhabers auf der einen und dem Interesse am Schutz des freien Wettbewerbs auf der anderen Seite das zuletzt genannte Interesse nur dann überwiegen kann, wenn die Verweigerung der Lizenz die Fortentwicklung des abgeleiteten Marktes zum Schaden der Verbraucher verhindert.

647    Das Auftreten eines neuen Produkts, auf das somit in den oben in Randnr. 107 angeführten Urteilen Magill und IMS Health Bezug genommen wird, kann nicht der einzige Parameter sein, anhand dessen geklärt werden kann, ob eine Weigerung, für ein Recht des geistigen Eigentums eine Lizenz zu erteilen, den Verbrauchern im Sinne von Art. 82 Abs. 2 Buchst. b EG schaden kann. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift kann ein solcher Schaden nicht nur bei einer Einschränkung der Erzeugung oder des Absatzes eintreten, sondern auch dann, wenn die technische Entwicklung eingeschränkt wird.

648    Zum letztgenannten Fall hat sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung geäußert. Dabei hat sie die Auffassung vertreten, durch die Microsoft zur Last gelegte Weigerung sei im Sinne von Art. 82 Abs. 2 Buchst. b EG die technische Entwicklung zum Schaden der Verbraucher eingeschränkt worden (Randnrn. 693 bis 701 und 782 der angefochtenen Entscheidung), und das Vorbringen von Microsoft zurückgewiesen, ein durch die fragliche Weigerung verursachter Schaden der Verbraucher sei nicht nachgewiesen worden (Randnrn. 702 bis 708 der angefochtenen Entscheidung).

649    Das Gericht hält die Feststellungen der Kommission in den vorstehend erwähnten Randnummern der Entscheidung für nicht offensichtlich fehlerhaft.

650    Erstens hat die Kommission in Randnr. 694 der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt: „Aufgrund der mangelnden Interoperabilität konkurrierender Betriebssystem-Produkte für Arbeitsgruppenserver mit der Windows-Domänenarchitektur ist eine zunehmende Zahl von Verbrauchern bei Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver an eine homogene Windows-Lösung gebunden.“

651    Wie hierzu bereits oben in den Randnrn. 371 bis 422 ausgeführt worden ist, hinderte die Microsoft zur Last gelegte Weigerung ihre Konkurrenten daran, Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver mit einem hinreichenden Grad an Interoperabilität mit der Windows-Domänenarchitektur zu entwickeln, was zur Folge hatte, dass sich die Verbraucher bei ihren Entscheidungen über den Erwerb von Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver den Microsoft-Produkten zuwandten. Wie ebenfalls bereits oben in den Randnrn. 606 bis 611 ausgeführt worden ist, geht aus mehreren Aktenstücken hervor, dass sich die Organisationen in zunehmendem Maß für die Technologien der Reihe Windows 2000, insbesondere für Active Directory, entschieden. Da bei den Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver dieser Produktreihe ausgeprägtere Interoperabilitätsprobleme auftraten (siehe oben, Randnrn. 571 bis 574, und Randnrn. 578 bis 584, 588 und 613 der angefochtenen Entscheidung), wurde durch die zunehmende Wahl dieser Systeme der in der vorstehenden Randnummer angesprochene „Bindungseffekt“ noch verstärkt.

652    Die damit verbundene Einschränkung der Wahlmöglichkeit der Verbraucher ist für sie umso nachteiliger, als ihres Erachtens – wie oben in den Randnrn. 407 bis 412 bereits ausgeführt – bei einer Reihe von Merkmalen wie „Zuverlässigkeit/Verfügbarkeit des Systems“ und „in das Server-Betriebssystem integrierte Sicherheit“, denen sie große Bedeutung beimessen, die konkurrierenden Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver den Windows-Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver überlegen sind.

653    Zweitens war die Kommission zu der Annahme berechtigt, dass der künstliche Vorteil bei der Interoperabilität, den sich Microsoft durch ihre Weigerung verschaffte, ihre Konkurrenten davon abhielt, Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver mit innovativen Merkmalen zu entwickeln und zu vermarkten, was insbesondere den Verbrauchern schadete (vgl. dazu Randnr. 694 der angefochtenen Entscheidung). Die Weigerung hatte nämlich zur Folge, dass diese Konkurrenten gegenüber Microsoft in Bezug auf die Vorzüge ihrer Produkte, vor allem im Hinblick auf Parameter wie Sicherheit, Zuverlässigkeit, Benutzerfreundlichkeit und Verarbeitungsgeschwindigkeit, benachteiligt wurden (Randnr. 699 der angefochtenen Entscheidung).

654    Die Feststellung der Kommission, dass die Konkurrenten von Microsoft, wenn sie „Zugang zu den Interoperabilitätsinformationen [hätten], deren Lieferung Microsoft verweigert, … die erlangten Angaben dazu verwenden [könnten], die erweiterten Funktionen ihrer eigenen Produkte im Rahmen des Netzes von Interoperabilitätsbeziehungen, das der Windows-Domänenarchitektur zugrunde liegt, zugänglich zu machen“ (Randnr. 695 der angefochtenen Entscheidung), wird durch das Verhalten der Konkurrenten in der Vergangenheit bestätigt, als sie Zugang zu bestimmten Informationen über die Microsoft-Produkte hatten. Die beiden von der Kommission in Randnr. 696 der angefochtenen Entscheidung genannten Beispiele – „PC NetLink“ und „NDS for NT“ – sind insoweit aufschlussreich. PC NetLink ist eine von Sun auf der Grundlage von AS/U entworfene Software, die von AT&T unter Verwendung bestimmter Elemente des Quellcodes von Microsoft, die diese ihr im Rahmen einer Lizenz in den neunziger Jahren übermittelt hatte, weiterentwickelt wurde (Randnrn. 211 bis 213 der angefochtenen Entscheidung). Aus einem von Microsoft im Verwaltungsverfahren vorgelegten Schriftstück ergibt sich, dass die innovativen Merkmale und der Mehrwert, den PC NetLink den Windows-Arbeitsgruppennetzen brachte, von Sun als Verkaufsargument für dieses Produkt verwendet wurde (Fn. 840 der angefochtenen Entscheidung). Desgleichen hob Novell in ihren Marketingunterlagen die neuen Merkmale hervor, die NDS for NT – eine von ihr mittels Reverse Engineering entwickelte Software – zur Windows-Domänenarchitektur, im konkreten Fall zu Windows NT, beisteuerte (Fn. 841 der angefochtenen Entscheidung).

655    Die Kommission hat in diesem Zusammenhang betont, dass es „eine Vielzahl von Differenzierungs- und Innovationsmöglichkeiten über die Gestaltung der Schnittstellenspezifikationen hinaus gibt“ (Randnr. 698 der angefochtenen Entscheidung). Ein und dieselbe Spezifikation kann mit anderen Worten von Softwareentwicklern in vielfältiger verschiedener und innovativer Weise implementiert werden.

656    Die angefochtene Entscheidung beruht somit auf dem Gedanken, dass die Konkurrenten von Microsoft nach der Beseitigung des Hindernisses, das für sie der unzureichende Interoperabilitätsgrad mit der Windows-Domänenarchitektur darstellt, Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver werden anbieten können, die keineswegs eine bloße Kopie der bereits auf dem Markt befindlichen Windows-Systeme sind, sondern sich von ihnen in Bezug auf Parameter unterscheiden werden, die die Verbraucher als wichtig ansehen (vgl. in diesem Sinne Randnr. 699 der angefochtenen Entscheidung).

657    Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Konkurrenten von Microsoft allein aufgrund des Zugangs zu den Interoperabilitätsinformationen, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung sind, gar nicht in der Lage wären, die Produkte von Microsoft zu klonen oder zu kopieren. Abgesehen davon, dass Microsoft selbst in ihren Schriftsätzen einräumt, dass die in Art. 5 der angefochtenen Entscheidung vorgesehene Abhilfemaßnahme dies nicht ermöglichen würde (siehe oben, Randnr. 241), ist nochmals darauf hinzuweisen, dass sich die fraglichen Informationen nicht auf Implementierungsdetails oder andere Bestandteile des Quellcodes von Microsoft erstrecken (siehe oben, Randnrn. 194 bis 206). Überdies handelt es sich bei den Protokollen, deren Spezifikationen Microsoft nach der angefochtenen Entscheidung offenlegen muss, nur um einen ganz geringen Teil aller Protokolle, die in den Windows-Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver implementiert sind.

658    Hinzu kommt, dass die Konkurrenten von Microsoft kein Interesse daran hätten, die Windows-Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver nur zu reproduzieren. Sobald sie dank der ihnen übermittelten Informationen in der Lage sind, Systeme zu entwickeln, die mit der Windows-Domänenarchitektur hinreichend interoperabel sind, haben sie, wenn sie einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Microsoft erlangen und auf dem Markt überleben wollen, keine andere Wahl, als ihre Produkte in Bezug auf bestimmte Parametern und bestimmte Funktionen von den Microsoft-Produkten abzugrenzen. Insoweit darf nicht außer Acht gelassen werden, dass – wie die Kommission in den Randnrn. 719 bis 721 der angefochtenen Entscheidung erläutert – die Implementierung von Spezifikationen eine schwierige Aufgabe ist, die in finanzieller und zeitlicher Hinsicht erheblicher Investitionen bedarf.

659    Schließlich genügt zu dem Vorbringen von Microsoft, dass sie weniger Anreiz habe, eine bestimmte Technologie weiterzuentwickeln, wenn sie diese ihren Konkurrenten zur Verfügung stellen müsse (siehe oben, Randnr. 627), die Feststellung, dass dies im Rahmen der Prüfung des Merkmals des neuen Produkts völlig irrelevant ist, da es bei dieser Prüfung um Auswirkungen der fraglichen Weigerung auf die Innovationsanreize der Konkurrenten von Microsoft geht und nicht um deren Innovationsanreize. Auf die letztgenannte Frage ist im Rahmen der Prüfung des Merkmals des Fehlens einer objektiven Rechtfertigung einzugehen.

660    Drittens hat die Kommission auch das Vorbringen von Microsoft im Verwaltungsverfahren, ein durch die ihr zur Last gelegte Weigerung verursachter Schaden der Verbraucher sei nicht nachgewiesen worden, zu Recht als unbegründet zurückgewiesen.

661    Zunächst geht, wie bereits oben in den Randnrn. 407 bis 412 ausgeführt worden ist, aus den Ergebnissen der dritten Umfrage von Mercer hervor, dass die Verbraucher entgegen dem Vorbringen von Microsoft die konkurrierenden Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver bei einer Reihe von Merkmalen, denen sie große Bedeutung beimessen, als den Windows-Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver überlegen ansehen.

662    Microsoft kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Verbraucher während des Verwaltungsverfahrens nie geltend gemacht hätten, dass sie wegen der Weigerung von Microsoft, ihren Konkurrenten Interoperabilitätsinformationen preiszugeben, gezwungen gewesen seien, ein Windows-Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver zu verwenden. Hierzu genügt die Feststellung, dass Microsoft die Angaben der Kommission in den Randnrn. 705 und 706 der angefochtenen Entscheidung nicht in Abrede stellt. So führt die Kommission in Randnr. 705 der angefochtenen Entscheidung aus, dass die Entwickler von Zusatzsoftware, die mit den Windows-Systemen interoperieren müsse, „auf die Schnittstelleninformationen angewiesen“ seien und dass die „Kunden … nicht immer genau wissen [werden], in welche Informationen Microsoft anderen Anbietern von Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver Einblick gegeben hat und in welche nicht“. In Randnr. 706 der angefochtenen Entscheidung fügt sie hinzu: „Vor die ‚Wahl‘ gestellt, ob sie Interoperabilitätsprobleme auf sich nehmen, die ihre Geschäftsabläufe schwerfällig, ineffizient und kostspielig machen, oder ob sie sich für eine homogene Windows-Lösung für ihr Arbeitsgruppennetzwerk entscheiden, werden die Kunden wohl zur letztgenannten Möglichkeit neigen. Wenn sie sich erst einmal auf Windows als Standard festgelegt haben, ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass sie Interoperabilitätsprobleme zwischen ihren Client-PCs und den Arbeitsgruppenservern melden werden.“

663    Überdies geht aus den Erklärungen von Microsoft selbst, die sie zu verschiedenen aufgrund des US-amerikanischen Vergleichs offengelegten Informationen abgegeben hat, hervor, dass die Offenlegung eine größere Wahlmöglichkeit der Verbraucher zur Folge hatte (vgl. Randnr. 703 der angefochtenen Entscheidung).

664    Schließlich ist daran zu erinnern, dass Art. 82 EG nach ständiger Rechtsprechung nicht nur auf Praktiken abzielt, durch die die Verbraucher unmittelbar geschädigt werden können, sondern auch auf Verhaltensweisen, die ihnen mittelbar durch einen Eingriff in eine Struktur wirksamen Wettbewerbs Schaden zufügen (Urteil des Gerichtshofs vom 13. Februar 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission, 85/76, Slg. 1979, 461, Randnr. 125, und Urteil Irish Sugar/Kommission, oben in Randnr. 229 angeführt, Randnr. 232). Im vorliegenden Fall hat Microsoft in die Struktur des wirksamen Wettbewerbs auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver eingegriffen, indem sie dort einen erheblichen Marktanteil erworben hat.

665    Aus alledem folgt, dass der von der Kommission gezogene Schluss, durch die Microsoft zur Last gelegte Weigerung werde die technische Entwicklung zum Schaden der Verbraucher im Sinne von Art. 82 Abs. 2 Buchst. b EG eingeschränkt, nicht offensichtlich fehlerhaft ist. Der das Auftreten eines neuen Produkts betreffende Umstand liegt somit hier vor.

 v) Zum Fehlen einer objektiven Rechtfertigung


 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

666    Microsoft macht erstens geltend, die ihr zur Last gelegte Weigerung sei aufgrund ihrer Rechte des geistigen Eigentums an der fraglichen „Technologie“ gerechtfertigt. Sie habe erhebliche Investitionen getätigt, um ihre Kommunikationsprotokolle auszuarbeiten, und der wirtschaftliche Erfolg ihrer Produkte sei dafür die gerechte Belohnung. Es sei allgemein anerkannt, dass die Weigerung eines Unternehmens, eine bestimmte Technologie an seine Konkurrenten weiterzugeben, damit gerechtfertigt werden könne, dass es nicht wolle, dass die Konkurrenten diese Technologie nutzten, um mit ihm in Wettbewerb zu treten.

667    In der Erwiderung beruft sich Microsoft darauf, dass die Technologie, die sie ihren Konkurrenten offenlegen müsse, geheim und von großem Wert für die Lizenznehmer sei und dass sie bedeutende Innovationen enthalte.

668    In ihrer Antwort auf eine der schriftlichen Fragen des Gerichts fügt sie hinzu, sie habe „angesichts des Schadens für die Innovationsanreize, der entstanden wäre, wenn Sun (oder andere) diese Technologie zur Entwicklung eines ‚funktionellen Äquivalents‘ benutzt hätten, das mit den Microsoft-Produkten auf demselben Markt konkurrieren würde“, eine objektive Rechtfertigung dafür, keine Lizenz für die genannte Technologie zu erteilen.

669    Zweitens führt Microsoft aus, die Kommission habe ihr Vorbringen unter Heranziehung eines neuen Kriteriums zurückgewiesen, das rechtsfehlerhaft sei und deutlich von den Kriterien der Rechtsprechung abweiche. In Randnr. 783 der angefochtenen Entscheidung habe die Kommission nämlich die Ansicht vertreten, dass eine Weigerung, durch Rechte des geistigen Eigentums geschützte Informationen mitzuteilen, gegen Art. 82 EG verstoße, wenn alles in allem die positiven Auswirkungen auf die Innovationen im gesamten Wirtschaftssektor gewichtiger seien als die negativen Auswirkungen auf die Innovationsanreize für das Unternehmen in beherrschender Stellung.

670    Die Anwendung eines solchen „Gewichtungskriteriums“ habe zur Folge, dass die Unternehmen in beherrschender Stellung geringere Anreize hätten, in Forschung und Entwicklung zu investieren, weil sie die Früchte ihrer Anstrengungen mit ihren Konkurrenten teilen müssten. Rechte des geistigen Eigentums gäben ihrem Inhaber einen Anreiz für weitere Innovationen und ermunterten zugleich die Konkurrenzunternehmen, ihrerseits innovativ tätig zu werden, damit sie nicht „ins Hintertreffen“ gerieten. Die Kommission versuche auch nicht, die negativen Auswirkungen der Zwangslizenzen, die Microsoft nach der angefochtenen Entscheidung erteilen müsse, auf ihre Konkurrenten zu „quantifizieren“; diese würden abwarten, welche Technologie sie mittels einer Lizenz erhalten könnten, statt sich die Mühe zu machen, ihre eigene Technologie zu entwickeln.

671    Zu beanstanden seien ferner die Unbestimmtheit und die unvorhersehbaren Folgen dieses Kriteriums; insbesondere mache die Kommission keine Angaben, anhand deren die Unternehmen in beherrschender Stellung ermitteln könnten, ob „die Bewahrung [ihrer] Innovationsanreize eine Entscheidung rechtfertigen kann, [ihr] geistiges Eigentum [ihrer] eigenen Nutzung vorzubehalten“. Allgemein werde in der angefochtenen Entscheidung nicht erläutert, wie das genannte Kriterium im vorliegenden Fall angewandt worden sei und wie es künftig angewandt werden solle.

672    Drittens stellt Microsoft die Relevanz der Bezugnahmen der Kommission auf den US-amerikanischen Vergleich und den Vergleich mit Sun (siehe unten, Randnr. 687) in Abrede.

673    Nach dem US-amerikanischen Vergleich müsse sie Lizenzen für die in Windows-Client-PC‑Betriebssystemen implementierten Kommunikationsprotokolle nur erteilen, damit sie in Server-Software implementiert werden könnten. Dagegen werde sie in der angefochtenen Entscheidung verpflichtet, Lizenzen für ihre „Server-Server“-Kommunikationsprotokolle zu erteilen, damit diese in unmittelbar konkurrierenden Server-Betriebssystemen eingesetzt werden könnten. Außerdem seien die Verpflichtungen aus dem US-amerikanischen Vergleich auf fünf Jahre begrenzt; ein Unternehmen habe aber einen größeren Anreiz, eine Technologie fortzuentwickeln, wenn es die vorgenommenen Verbesserungen nach einem bestimmten Zeitraum erneut exklusiv nutzen könne.

674    Der Vergleich mit Sun sehe eine auf sechs Jahre begrenzte gegenseitige Verpflichtung zum Austausch von Technologie und Rechten des geistigen Eigentums zu ausgehandelten Bedingungen vor. Nach der angefochtenen Entscheidung könnte Microsoft dagegen die Lizenznehmer nicht frei wählen und würde keine Lizenz von ihnen erhalten, die Gebühren und anderen Lizenzbedingungen unterlägen der Kontrolle durch die Kommission und die Pflicht von Microsoft zur Lizenzerteilung würde „für unbestimmte Zeit“ gelten.

675    Die CompTIA hebt zunächst die Bedeutung von Innovationen für den Wettbewerb im IT‑ und Kommunikationssektor sowie die Notwendigkeit eines „robusten Systems zum Schutz [der Rechte] des geistigen Eigentums“ hervor. Diese Rechte ermunterten die Unternehmen, ihre vorhandenen Produkte zu verbessern und neue Produkte auf den Markt zu bringen.

676    Sodann trägt sie unter Bezugnahme auf Randnr. 783 der angefochtenen Entscheidung vor, die Kommission habe im vorliegenden Fall ein neues Beurteilungskriterium angewandt, das mit der Rechtsprechung nicht in Einklang stehe.

677    Die Kommission macht erstens geltend, sie habe die von Microsoft vorgetragene Rechtfertigung angemessen berücksichtigt.

678    Sie führt hierzu zunächst aus, in der Klageschrift habe Microsoft eingeräumt, sich nur auf einen einzigen Rechtfertigungsgrund berufen zu haben, und zwar darauf, dass ihr Rechte des geistigen Eigentums an der betreffenden „Technologie“ zustünden. Einer solchen Rechtfertigung könne schon deshalb nicht gefolgt werden, weil der Gerichtshof in der oben in Randnr. 107 angeführten Rechtssache Magill, in der kein Zweifel daran bestanden habe, dass die angefochtene Entscheidung die betroffenen Gesellschaften zur Erteilung von Lizenzen für ein Urheberrecht gezwungen habe, die Weigerung als nicht objektiv gerechtfertigt angesehen habe. Diesen Ausführungen der Kommission schließt sich die SIIA an.

679    Sodann trägt die Kommission vor, sie habe das Vorbringen von Microsoft so verstanden, dass der Sachverhalt und insbesondere „die wahrscheinlichen Auswirkungen einer Lieferpflicht auf ihre Innovationsanreize“ so außergewöhnlich seien, dass die frühere Rechtsprechung nicht angewandt werden könne.

680    Microsoft hätte nachweisen müssen, dass das ihr zur Last gelegte missbräuchliche Verhalten objektiv gerechtfertigt gewesen sei. Microsoft hätte zumindest dartun müssen, dass die ihr auferlegte Pflicht zur Preisgabe von Interoperabilitätsinformationen negative Auswirkungen auf ihre Innovationsanreize hätte und dass diese Auswirkungen schwerer wiegen könnten als „alle von der Kommission ermittelten Faktoren, die sonst zur Missbräuchlichkeit des Verhaltens führen würden“. Microsoft habe aber nur rein theoretische und völlig unsubstantiierte Argumente vorgebracht.

681    Microsoft könne ihre Weigerung auch nicht damit rechtfertigen, dass die betreffende Technologie geheim und von großem Wert sei und dass sie bedeutende Innovationen enthalte. Diese Rechtfertigung sei überdies in der Klageschrift nicht erwähnt worden.

682    Zweitens bestreitet die Kommission, im vorliegenden Fall ein neues Beurteilungskriterium angewandt zu haben.

683    Dabei weist sie zunächst das Vorbringen von Microsoft zurück, ein Unternehmen sei berechtigt, eine bestimmte Technologie nicht an seine Konkurrenten weiterzugeben, wenn es sie daran hindern wolle, die Technologie zu nutzen, um mit ihm in Wettbewerb zu treten. Dieses Vorbringen könne zum einen dahin ausgelegt werden, dass auch dann, wenn die ersten drei Kriterien, die der Gerichtshof in den oben in Randnr. 107 angeführten Urteilen Magill und IMS Health aufgestellt habe, erfüllt seien, die Verweigerung von Lizenzen rechtmäßig sei, falls die Konkurrenten die Lizenz nutzen wollten, um mit dem beherrschenden Unternehmen in Wettbewerb zu treten. Eine solche These sei offenkundig falsch. Zum anderen könne das Vorbringen dahin ausgelegt werden, dass die in dem oben in Randnr. 107 angeführten Urteil Magill aufgestellten Grundsätze nicht zur Anwendung kämen, wenn sich das in Rede stehende Recht des geistigen Eigentums auf eine Technologie beziehe. Abgesehen davon, dass Microsoft nicht erläutere, was sie in diesem Zusammenhang unter „Technologie“ verstehe, sei es aber äußerst schwierig, zwischen „technologischen“ und „nicht technologischen“ Rechten des geistigen Eigentums zu unterscheiden. Es sei auch nicht sicher, dass die fraglichen Interoperabilitätsinformationen eine solche Technologie darstellten, vor allem wenn sie nur willkürliche Festlegungen ohne innovativen Charakter seien.

684    Falsch sei auch die Behauptung von Microsoft, dass ihre Konkurrenten aufgrund der angefochtenen Entscheidung keinen Anreiz mehr hätten, ihre eigene Technologie zu entwickeln. Microsoft äußere sich nicht zu der Feststellung in Randnr. 697 der angefochtenen Entscheidung, wonach ihre Konkurrenten angesichts des Quasi-Monopols, über das sie auf dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs verfüge, nicht in der Lage seien, tragfähige Alternativen zu ihren Kommunikationsprotokollen zu entwickeln.

685    Überdies beschränke sich Microsoft darauf, auf ihre Innovationsanreize im Bereich der Ausarbeitung von Protokollen zu verweisen, ohne ihre übrigen Produkte anzusprechen. Wie in Randnr. 724 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt werde, gehe eine solche Vorgehensweise fehl.

686    Schließlich lasse Microsoft unerwähnt, dass die fraglichen Informationen für die Interoperabilität erforderliche Informationen im Sinne der Richtlinie 91/250 seien. Wie sich aus Art. 6 dieser Richtlinie ergebe, halte der Gemeinschaftsgesetzgeber die Offenlegung solcher Informationen aber für innovationsfördernd.

687    Drittens nimmt die Kommission auf bestimmte Erklärungen von Microsoft im Verwaltungsverfahren und nach Erlass der angefochtenen Entscheidung Bezug. So habe Microsoft auf eine Frage der Dienststellen der Kommission geantwortet, sie habe nicht wahrgenommen, dass sich der US-amerikanische Vergleich negativ auf ihre Innovationsanreize ausgewirkt habe. Desgleichen habe Microsoft bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Sun nach Abschluss des Vergleichs zwischen ihnen erklärt, beide Gesellschaften würden weiterhin miteinander konkurrieren und innovativ tätig seien, und „die Auswirkung des Vergleichs werde nicht weniger Innovation, sondern mehr Innovation sein“. Das Argument von Microsoft, dieser Vergleich sehe gegenseitige Verpflichtungen vor, sei irrelevant. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass Sun bereits beim Abschluss des Vergleichs die Politik verfolgt habe, die einschlägigen Protokolle der gesamten Branche offenzulegen.

 Würdigung durch das Gericht

688    Einleitend ist festzustellen, dass die Kommission zwar die Beweislast für das Vorliegen der Umstände trägt, aus denen sich ein Verstoß gegen Art. 82 EG ergibt; es ist jedoch Sache des betroffenen beherrschenden Unternehmens und nicht der Kommission, vor dem Ende des Verwaltungsverfahrens gegebenenfalls eine etwaige objektive Rechtfertigung geltend zu machen und dafür Argumente und Beweise vorzubringen. Dann hat die Kommission, wenn sie einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung feststellen will, darzutun, dass die von dem Unternehmen vorgebrachten Argumente und Beweise nicht stichhaltig sind und dass folglich die geltend gemachte Rechtfertigung nicht durchgreifen kann.

689    Im vorliegenden Fall hat sich Microsoft, wie in Randnr. 709 der angefochtenen Entscheidung festgestellt wird und wie Microsoft in der Klageschrift ausdrücklich bestätigt hat, zur Rechtfertigung ihres Verhaltens nur darauf berufen, dass die betreffende Technologie durch Rechte des geistigen Eigentums geschützt sei. In diesem Zusammenhang hat sie ausgeführt, wenn sie verpflichtet wäre, Dritten Zugang zu dieser Technologie zu gewähren, würden „die Anreize entfallen, auch künftig in die Schaffung geistigen Eigentums zu investieren“ (Randnr. 709 der angefochtenen Entscheidung). In der Erwiderung hat sie sich zudem darauf berufen, dass die genannte Technologie geheim und von großem Wert sei und dass sie bedeutende Innovationen enthalte.

690    Nach Ansicht des Gerichts kann die bloße Tatsache – ihr Vorliegen unterstellt –, dass die von der angefochtenen Entscheidung erfassten Kommunikationsprotokolle oder ihre Spezifikationen durch Rechte des geistigen Eigentums geschützt werden, keine objektive Rechtfertigung im Sinne der oben in Randnr. 107 angeführten Urteile Magill und IMS Health darstellen. Diese Auffassung von Microsoft ist nämlich unvereinbar mit dem tragenden Grund für die Ausnahme, die in diesen Urteilen zugunsten des freien Wettbewerbs vorgenommen wird, denn wenn das bloße Innehaben von Rechten des geistigen Eigentums für sich genommen eine objektive Rechtfertigung für die Weigerung, eine Lizenz zu vergeben, sein könnte, wäre die in der Rechtsprechung ausgearbeitete Ausnahme nie anwendbar. Die Weigerung, eine Lizenz für ein Recht des geistigen Eigentums zu erteilen, könnte mit anderen Worten nie als Verletzung von Art. 82 EG angesehen werden, obwohl der Gerichtshof in den oben in Randnr. 107 angeführten Urteilen Magill und IMS Health das genaue Gegenteil festgestellt hat.

691    Insoweit ist daran zu erinnern, dass – wie oben in den Randnrn. 321, 323, 327 und 330 ausgeführt worden ist – der Gemeinschaftsrichter in der Möglichkeit des Inhabers eines Rechts des geistigen Eigentums, dieses Recht nur für sich zu nutzen, das Wesen seines ausschließlichen Rechts sieht. Die bloße Weigerung – auch eines Unternehmens in beherrschender Stellung –, einem Dritten eine Lizenz zu erteilen, kann daher als solche keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG darstellen. Nur wenn außergewöhnliche Umstände der bislang von der Rechtsprechung behandelten Art vorliegen, kann eine solche Weigerung als missbräuchlich eingestuft werden, so dass es im öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem Markt zulässig ist, in das ausschließliche Recht des Inhabers des geistigen Eigentums einzugreifen und ihn zu verpflichten, Dritten, die in diesen Markt eintreten oder sich dort halten wollen, Lizenzen zu erteilen. Wie oben dargelegt, waren solche außergewöhnlichen Umstände hier gegeben.

692    Auch dem Vorbringen von Microsoft in der Erwiderung, die betreffende Technologie sei geheim und von großem Wert für die Lizenznehmer und enthalte bedeutende Innovationen, kann nicht gefolgt werden.

693    Erstens ist nämlich die Tatsache, dass die betreffende Technologie geheim ist, die Folge einer einseitigen geschäftspolitischen Entscheidung von Microsoft. Sie kann auch aus dem Argument, dass die Interoperabilitätsinformationen geheim seien, nicht sowohl ableiten, dass sie zu deren Offenlegung nur unter den vom Gerichtshof in den oben in Randnr. 107 angeführten Urteilen Magill und IMS Health herausgearbeiteten außergewöhnlichen Umständen verpflichtet sein könne, als auch ihre Weigerung damit rechtfertigen. Schließlich gibt es keinen Grund dafür, dass eine geheime Technologie stärkeren Schutz genießt als z. B. eine Technologie, die ihr Erfinder im Rahmen eines Patentverfahrens offenlegen musste.

694    Zweitens sind die Interoperabilitätsinformationen ab dem Zeitpunkt, zu dem – wie hier – feststeht, dass sie unerlässlich sind, zwangsläufig von großem Wert für die Konkurrenten, die Zugang zu ihnen erhalten möchten.

695    Drittens folgt aus der Tatsache, dass das betreffende Unternehmen über ein Recht des geistigen Eigentums verfügt, notwendigerweise, dass dessen Gegenstand innovativen oder originellen Charakter hat. Es kann nämlich kein Patent ohne Erfindung und kein Urheberrecht ohne Originalität des Werkes geben.

696    Im Übrigen hat sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nicht darauf beschränkt, die von Microsoft vorgetragene Rechtfertigung, dass die betreffende Technologie durch Rechte des geistigen Eigentums geschützt sei, zurückzuweisen. Sie hat sich auch mit dem Vorbringen von Microsoft befasst, dass sich eine Verpflichtung, Dritten Zugang zu der fraglichen Technologie zu gewähren, negativ auf ihre Innovationsanreize auswirken würde (Randnrn. 709 und 712 der angefochtenen Entscheidung).

697    Wie die Kommission zutreffend vorbringt, hat Microsoft, die insoweit zunächst die Beweislast trägt (siehe oben, Randnr. 688), nicht hinreichend dargetan, dass eine ihr auferlegte Pflicht zur Preisgabe von Interoperabilitätsinformationen erhebliche negative Auswirkungen auf ihre Innovationsanreize hätte.

698    Microsoft hat hierzu nämlich nur vage, allgemeine und theoretische Argumente angeführt. So hat sie sich, wie die Kommission in Randnr. 709 der angefochtenen Entscheidung ausführt, in ihrer Erwiderung vom 17. Oktober 2003 auf die dritte Mitteilung der Beschwerdepunkte auf das Vorbringen beschränkt, bei einer Offenlegung würden „die Anreize entfallen, auch künftig in die Schaffung geistigen Eigentums zu investieren“, ohne die Technologien oder Produkte zu nennen, auf die sich dies beziehen sollte.

699    In einigen Abschnitten der in der vorstehenden Randnummer erwähnten Erwiderung spricht Microsoft von negativen Auswirkungen auf ihre Innovationsanreize in Bezug auf ihre Betriebssysteme im Allgemeinen, also sowohl die Systeme für Client-PCs als auch die Systeme für Server.

700    Insoweit genügt die Feststellung, dass die Kommission in den Randnrn. 713 bis 729 der angefochtenen Entscheidung völlig zu Recht das Vorbringen von Microsoft zum befürchteten Klonen ihrer Produkte zurückgewiesen hat. Insbesondere ist daran zu erinnern, dass die in Art. 5 der angefochtenen Entscheidung vorgesehene Abhilfemaßnahme es ihren Konkurrenten weder ermöglicht noch ermöglichen soll, ihre Produkte zu kopieren (siehe oben, Randnrn. 198 bis 206, 240 bis 242 und 656 bis 658).

701    Folglich ist nicht dargetan worden, dass die Offenlegung der Informationen, die Gegenstand dieser Abhilfemaßnahme sind, die Innovationsanreize von Microsoft erheblich verringern – oder gar beseitigen – wird.

702    In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es – wie die Kommission in den Randnrn. 730 bis 734 der angefochtenen Entscheidung zutreffend feststellt – ständiger Praxis der Wirtschaftsteilnehmer in der fraglichen Branche entspricht, Dritten Informationen zu geben, um die Interoperabilität mit ihren Produkten zu erleichtern, und dass Microsoft selbst so vorging, bis sie auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver hinreichend etabliert war. Dies ermöglicht es ihnen nämlich, die Attraktivität und damit den Wert ihrer eigenen Produkte zu steigern. In der vorliegenden Rechtssache hat aber kein Verfahrensbeteiligter geltend gemacht, dass sich derartige Offenlegungen negativ auf die Innovationsanreize dieser Wirtschaftsteilnehmer ausgewirkt hätten.

703    Hinzu kommt, dass die Offenlegung von Informationen über die Server-Client-Protokolle im Rahmen des US-amerikanischen Vergleichs und des MCPP keine negativen Auswirkungen auf die Innovationsanreize von Microsoft hatte (Randnr. 728 der angefochtenen Entscheidung); daher gibt es keinen offensichtlichen Grund zu der Annahme, dass die Offenlegung der Server-Server-Protokolle andere Folgen haben würde.

704    Schließlich beruht das Vorbringen von Microsoft, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung die von ihr angeführte objektive Rechtfertigung mittels eines neuen Beurteilungskriteriums zurückgewiesen habe, auf einem Fehlverständnis dieser Entscheidung.

705    Es stützt sich nämlich auf einen einzigen Satz in Randnr. 783 der angefochtenen Entscheidung, die zu dem Teil der Entscheidung gehört, der die Schlussfolgerung aus der Analyse der fraglichen Weigerung durch die Kommission in den Randnrn. 560 bis 578 enthält.

706    Dieser Satz lautet:

„Eine eingehende Prüfung des Umfangs der fraglichen Offenlegung führt … zu dem Schluss, dass alles in allem die positiven Auswirkungen einer Offenlegungspflicht auf die Innovationen im gesamten Wirtschaftssektor (einschließlich Microsoft) gewichtiger sind als ihre möglichen negativen Auswirkungen auf die Innovationsanreize für Microsoft.“

707    Er ist jedoch in Zusammenhang mit dem in der genannten Randnummer unmittelbar folgenden Satz zu sehen, wonach „die Notwendigkeit, die Innovationsanreize für Microsoft zu schützen, keine objektive Rechtfertigung darstellen [kann], die die genannten außergewöhnlichen Umstände aufwiegen würde“.

708    Ferner ist er zu Randnr. 712 der angefochtenen Entscheidung in Beziehung zu setzen, in der die Kommission folgende Erwägungen anstellt:

„Wie oben … ausgeführt, besteht die Gefahr, dass aufgrund der Weigerung von Microsoft, Informationen zu liefern, der Wettbewerb auf dem relevanten Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver ausgeschaltet wird, wobei dies damit zusammenhängt, dass die verweigerten Angaben für die Fortführung einer wirtschaftlichen Tätigkeit auf diesem Markt unerlässlich sind und dass die Weigerung von Microsoft für die Verbraucher nachteilige negative Auswirkungen auf die technische Entwicklung hat. Angesichts dieser außergewöhnlichen Umstände kann die Weigerung von Microsoft nicht allein damit objektiv gerechtfertigt werden, dass es sich um eine Weigerung handelt, Lizenzen für geistiges Eigentum zu vergeben. Daher muss geprüft werden, ob das Vorbringen von Microsoft zu ihren Innovationsanreizen größeres Gewicht hat als diese außergewöhnlichen Umstände.“

709    Mit anderen Worten hat die Kommission, in Einklang mit den in der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen (siehe oben, Randnrn. 331 bis 333) zunächst ermittelt, dass die vom Gerichtshof in den oben in Randnr. 107 angeführten Urteilen Magill und IMS Health herausgearbeiteten außergewöhnlichen Umstände hier vorlagen, und dann geprüft, ob die von Microsoft angeführte Rechtfertigung, dass ihre Innovationsanreize beeinträchtigt würden, größeres Gewicht hat als diese außergewöhnlichen Umstände einschließlich der Tatsache, dass die fragliche Weigerung die technische Entwicklung zum Schaden der Verbraucher im Sinne von Art. 82 Abs. 2 Buchst. b EG einschränkte.

710    Die Kommission hat dies nicht nach einer Abwägung der negativen Auswirkungen, die eine Verpflichtung zur Lieferung der fraglichen Informationen auf die Innovationsanreize von Microsoft haben könnte, gegen die positiven Auswirkungen dieser Pflicht auf die Innovation in der gesamten Branche verneint, sondern nach der Zurückweisung des Vorbringens von Microsoft zum Klonen ihrer Produkte (Randnrn. 713 bis 729 der angefochtenen Entscheidung), der Feststellung, dass die Offenlegung von Informationen über die Interoperabilität in dem betreffenden Wirtschaftszweig eine verbreitete Praxis sei (Randnrn. 730 bis 735 der angefochtenen Entscheidung), und dem Hinweis, dass sich die Verpflichtung, die IBM 1984 gegenüber der Kommission eingegangen sei, nicht wesentlich von dem unterscheide, was Microsoft in der angefochtenen Entscheidung aufgegeben werde (Randnrn. 736 bis 742 der angefochtenen Entscheidung), und dass ihre Vorgehensweise mit der Richtlinie 91/250 in Einklang stehe (Randnrn. 743 bis 763 der angefochtenen Entscheidung).

711    Aus alledem folgt, dass Microsoft keine objektive Rechtfertigung für ihre Weigerung dargetan hat, die fraglichen Interoperabilitätsinformationen preiszugeben.

712    Da auch die vom Gerichtshof in den oben in Randnr. 107 angeführten Urteilen Magill und IMS Health herausgearbeiteten außergewöhnlichen Umstände hier vorliegen, ist der erste Teil des Klagegrundes in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen.

2.     Zum zweiten Teil, der sich darauf stützt, dass Sun von Microsoft keinen Zugang zu der Technologie verlangt habe, zu deren Offenlegung die Kommission sie verpflichte

a)     Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

713    Microsoft macht erstens geltend, Sun habe von ihr nicht verlangt, Zugang zu Interoperabilitätsinformationen im Sinne der angefochtenen Entscheidung zu erhalten.

714    Wie sich aus einem Abschnitt der Beschwerde von Sun ergebe, habe sich das im Schreiben vom 15. September 1998 enthaltene Ersuchen nicht auf die „vollständigen und genauen Spezifikationen“ ihrer Kommunikationsprotokolle bezogen, sondern auf eingehende Informationen über die internen Merkmale ihrer Windows-Betriebssysteme für Server.

715    Selbst wenn man daher unterstelle, dass das Schreiben vom 6. Oktober 1998 als Weigerung aufgefasst werden könnte – was nicht der Fall sei –, könne nicht geltend gemacht werden, dass sie es abgelehnt habe, Sun die Technologie zugänglich zu machen, die sie der angefochtenen Entscheidung zufolge nicht preisgegeben haben solle.

716    Zudem habe Microsoft „dem Umfang des Ersuchens von Sun nicht entnehmen können, dass Sun eine Lizenz für die Kommunikationsprotokolle von Microsoft erhalten wollte“.

717    Überdies habe Sun in ihrer Beschwerde nicht auf die Kommunikationsprotokolle Bezug genommen.

718    Schließlich habe Sun im Schreiben vom 15. September 1998 ausgeführt, dass Microsoft ihres Erachtens „eine Referenzimplementierung sowie alle sonstigen Informationen beifügen sollte, die erforderlich sind, um – ohne Reverse Engineering – sicherzustellen, dass COM-Objekte und das gesamte Spektrum von Active-Directory-Technologien unter Solaris in vollständig kompatibler Weise laufen“. Der Zugang zu einer solchen „Technologie“ hätte es Sun ermöglicht, fast alle Funktionen der Windows-Betriebssysteme für Server „nachzuahmen“. Außerdem habe sich das Ersuchen von Sun auf eine „noch in der Entwicklung befindliche Technologie“ bezogen, da Windows 2000 Server und Active Directory erst im Dezember 1999 auf den Markt gekommen seien.

719    Zweitens habe Microsoft das Ersuchen von Sun im Schreiben vom 6. Oktober 1998 nicht „rundweg abgelehnt“, sondern Sun aufgefordert, mit ihr zu erörtern, „auf welchen Wegen die beiden Firmen die Interoperabilität zwischen ihren jeweiligen Produkten zum Nutzen der gemeinsamen Kunden verbessern könnten“. Sie habe Sun in diesem Schreiben auch verschiedene Wege zur „Erzielung von Interoperabilität“ aufgezeigt. Die Kommission führe in Randnr. 565 der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht aus, die betreffenden Technologien seien so komplex, dass von Sun keine Kenntnis der von ihr benötigten Informationen habe erwartet werden können. Sun sei ein hoch spezialisierter Anbieter von Server-Betriebssystemen, und es hätte jedenfalls ihr oblegen, ihr Ersuchen zu erläutern.

720    Sun sei auch der Einladung von Microsoft nicht gefolgt; insbesondere habe sie nicht an einem Treffen teilgenommen, das zur Erörterung der Interoperabilität ihrer jeweiligen Produkte anberaumt worden sei.

721    Schließlich bestehe kein Widerspruch zwischen dem Standpunkt von Microsoft, dass nicht feststehe, ob sie sich geweigert hätte, die Spezifikationen ihrer Kommunikationsprotokolle offenzulegen, wenn Sun oder „irgendein anderer“ sie darum ersucht hätte, und der Tatsache, dass sie die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung anstrebe. Es gebe nämlich einen großen Unterschied zwischen einem „mit einem anderen führenden Anbieter von Betriebssystemen ausgehandelten Lizenzaustausch“ und einer „Verpflichtung, nach behördlicher Weisung alle Welt mit selbst entwickelter Technologie zu beliefern“.

722    Drittens habe Sun von Microsoft nicht verlangt, dass diese ihr eine Lizenz für Rechte des geistigen Eigentums erteile, damit sie Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver im EWR entwickeln könne. Microsoft sei daher bei der Beantwortung des Schreibens vom 15. September 1998 nicht gehalten gewesen, ihrer besonderen Verantwortung nach Art. 82 EG für das Unterbleiben einer Behinderung wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs Rechnung zu tragen.

723    In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass Sun eine US-amerikanische Gesellschaft sei und das Schreiben vom 15. September 1998 von ihrem Sitz in den Vereinigten Staaten an den Sitz von Microsoft, die ebenfalls eine US-amerikanische Gesellschaft sei, in den Vereinigten Staaten geschickt habe. Da jede Verbindung zum EWR fehle und da in diesem Schreiben keine Rede davon sei, dass die betreffende Technologie zur Entwicklung und zum Vertrieb von Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver im Gebiet des EWR benötigt werde, gebe es keinen Grund für die Annahme, dass Sun eine Lizenz für dieses Gebiet habe erwerben wollen.

724    Die Kommission weist das gesamte Vorbringen von Microsoft zurück.

725    Erstens gehe das Ersuchen von Sun im Schreiben vom 15. September 1998 „zwar in mancher Hinsicht über den Anwendungsbereich der [angefochtenen] Entscheidung hinaus“, sei aber hinreichend klar, um Microsoft zum einen deutlich zu machen, dass Sun Zugang zu Interoperabilitätsinformationen haben wolle und zum anderen, dass sich einige dieser Informationen auf Merkmale der Windows- Arbeitsgruppennetzwerke (die „Active Directory domain“) bezogen hätten, die unerlässlich seien, damit Sun einen tragfähigen Wettbewerb auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver betreiben könne.

726    Microsoft gebe das Ersuchen von Sun ungenau wieder, wenn sie behaupte, dass es sich auf Elemente des Quellcodes beziehe und nicht auf Schnittstelleninformationen. Sun habe mit ihrem Ersuchen erreichen wollen, dass ihre Produkte mit der Windows-Umgebung „nahtlos kommunizieren“ könnten, und im Schreiben vom 6. Oktober 1998 habe Herr Maritz klar ausgeführt, dass er dieses Ersuchen auf Interoperabilitätsinformationen beziehe. Zudem habe Sun in ihrer Beschwerde hervorgehoben, dass sie Zugang zu „Schnittstelleninformationen“ haben wolle.

727    Wie aus den Randnrn. 713 bis 722 der angefochtenen Entscheidung hervorgehe, werde der Zugang zu den Interoperabilitätsinformationen es den Konkurrenten von Microsoft nicht ermöglichen, die Funktionen der Windows-Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver zu „klonen“ oder „nachzuahmen“.

728    Es sei unerheblich, dass Sun nicht das Wort „Kommunikationsprotokoll“ gebraucht habe, da ein Ersuchen um Zugang zu den für eine Verbindung und Interaktion mit der Windows-Software erforderlichen Informationen und ein Ersuchen um Zugang zu den Spezifikationen von Protokollen „ein und dasselbe“ seien.

729    Im Übrigen habe sich Microsoft im Schreiben vom 6. Oktober 1998 nicht darauf berufen, dass sich das Ersuchen von Sun auf eine „noch in der Entwicklung befindliche Technologie“ beziehe. Dieses Argument greife jedenfalls nicht durch, da die erste Beta-Version von Windows 2000 Server bereits seit einem Jahr auf dem Markt gewesen sei, als Sun das Schreiben vom 15. September 1998 an Microsoft geschickt habe.

730    Zweitens könne Microsoft nicht bestreiten, dass sie das Ersuchen von Sun abgelehnt habe.

731    Zum einen stehe der damit von Microsoft vertretene Standpunkt in Widerspruch zu ihrem Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 5 der angefochtenen Entscheidung.

732    Zum anderen habe Microsoft, wie aus den Randnrn. 194 bis 198 der angefochtenen Entscheidung hervorgehe, der Kommission ausdrücklich bestätigt, dass sie den Zugang zu bestimmten Interoperabilitätsinformationen verweigere. Wie in den Randnrn. 573 bis 577 der angefochtenen Entscheidung dargelegt werde, füge sich diese Weigerung in ein generelles Verhaltensmuster ein. Zudem habe Microsoft im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angegeben, dass die Weigerung Teil ihres „Geschäftsmodells“ sei.

733    Darüber hinaus sei zweifelhaft, ob Microsoft die verlangten Informationen an Sun übermittelt hätte, wenn diese den angeblichen Vorschlag von Microsoft, Gespräche über die Interoperabilität zu führen, energischer weiterverfolgt hätte. Insoweit sei auf einige in den Randnrn. 576 und 778 der angefochtenen Entscheidung wiedergegebene Erklärungen leitender Mitarbeiter von Microsoft zu verweisen. Es sei auch wenig wahrscheinlich, dass Herr Goldberg, der Mitarbeiter von Microsoft, von dem im Schreiben vom 6. Oktober 1998 die Rede sei, in diesem Bereich entscheidungsbefugt gewesen sei. Zudem habe sich Herr Terranova, ein Mitarbeiter von Sun, am 25. November 1998 mit Herrn Goldberg getroffen, und Microsoft lege nicht dar, inwiefern die Tatsache, dass Herr Terranova ein weiteres, für den 8. März 1999 vorgesehenes Treffen habe absagen müssen, Gespräche über die Interoperabilität verhindert habe. Und schließlich enthalte die von Herrn Goldberg vorgeschlagene Tagesordnung für das letztgenannte Treffen nicht den geringsten Hinweis auf die relevanten Technologien wie Active Directory.

734    Drittens spiele es keine Rolle, dass Sun im Schreiben vom 15. September 1998 nicht ausdrücklich auf den EWR Bezug genommen habe. Da der relevante geografische Markt der Weltmarkt sei, werde der EWR von dem Ersuchen in diesem Schreiben zwangsläufig erfasst; außerdem habe Sun am 10. Dezember 1998 Beschwerde bei der Kommission eingelegt.

b)     Würdigung durch das Gericht

735    Mit ihrem Vorbringen zur Untermauerung des zweiten Teils ihres einzigen Klagegrundes möchte Microsoft darlegen, dass die Kommission zu der Feststellung in der angefochtenen Entscheidung, dass sie ihre beherrschende Stellung durch die Weigerung missbraucht habe, Interoperabilitätsinformationen preiszugeben, nicht berechtigt gewesen sei, weil ihr in Wirklichkeit keine echte Weigerung zur Last gelegt werden könne. Sie stützt sich dabei im Wesentlichen auf den Schriftwechsel zwischen ihr und Sun Ende 1998. Ihr Vorbringen besteht aus drei Hauptteilen. Erstens macht sie geltend, das Ersuchen von Sun im Schreiben vom 15. September 1998 habe sich nicht auf Interoperabilitätsinformationen im Sinne der angefochtenen Entscheidung bezogen. Zweitens habe sie dieses Ersuchen jedenfalls im Schreiben vom 6. Oktober 1998 nicht abgelehnt. Drittens habe Sun sie im Schreiben vom 15. September 1998 nicht um eine Lizenz für die ihr im EWR zustehenden Rechte des geistigen Eigentums ersucht.

736    Jeder dieser drei Teile ist gesondert zu prüfen.

 Zum Umfang des Ersuchens von Sun

737    Zunächst sind der genaue Inhalt des Schreibens vom 15. September 1998 sowie dessen Analyse durch die Kommission in der angefochtenen Entscheidung in Erinnerung zu rufen.

738    Nach diesem Schreiben wollte Sun von Microsoft folgende Informationen erhalten:

–        zum einen alle Informationen, die nötig sind, um es Sun zu ermöglichen, native Unterstützung für COM-Objekte unter Solaris zu leisten;

–        zum anderen alle Informationen, die nötig sind, um es Sun zu ermöglichen, native Unterstützung für das gesamte Spektrum von Active-Directory-Technologien unter Solaris zu leisten.

739    Im gleichen Schreiben gab Sun den Umfang der gewünschten Informationen sowie das mit ihrem Ersuchen verfolgte Ziel an und führte dazu aus:

–        Die Anwendungen, die unter Solaris laufen sollen, sollten nahtlos über COM und/oder Active Directory mit den Windows-Betriebssystemen und/oder mit Software, die auf Windows basiert, kommunizieren können.

–        Microsoft sollte eine Referenzimplementierung sowie alle sonstigen Informationen beifügen, die erforderlich sind, um – ohne Reverse Engineering – sicherzustellen, dass COM-Objekte und das gesamte Spektrum von Active-Directory-Technologien unter Solaris in vollständig kompatibler Weise laufen.

–        Die Informationen sollten für sämtliche COM-Objekte sowie für das gesamte Spektrum von Active-Directory-Technologien geliefert werden, die gegenwärtig auf dem Markt sind.

–        Informationen über COM-Objekte und Active-Directory-Technologien, die künftig auf den Markt gebracht werden, sollten rechtzeitig und kontinuierlich zur Verfügung gestellt werden.

740    In Randnr. 186 der angefochtenen Entscheidung versteht die Kommission den zweiten Teil des Ersuchens von Sun im Schreiben vom 15. September 1998 (siehe oben, Randnr. 738, zweiter Gedankenstrich) dahin, dass Solaris „in der Lage sein [muss], in Windows-2000-Arbeitsgruppennetzwerken als vollständig kompatibler Domänencontroller zu agieren oder als Mitgliedsserver (insbesondere als Datei- und Druck-Server) mit der Active-Directory-Domänenarchitektur (Sicherheit, Verzeichnisdienst) vollständig kompatibel zu interagieren“. Sie fügt hinzu, der Umstand, dass sich das Ersuchen sowohl auf Client/Server- als auch auf Server/Server-Interoperabilität beziehe, stehe in Einklang damit, dass die „Windows Domänenarchitektur“ diese beiden Interoperabilitätsarten eng miteinander verknüpfe. Anders ausgedrückt umfasse das Ersuchen von Sun „die Spezifikationen für die von Windows-Arbeitsgruppenservern zur Erbringung von Datei-, Druck- sowie Gruppen- und Nutzerverwaltungsdiensten an Windows-Arbeitsgruppennetzwerke genutzten Protokolle“; dazu gehörten „sowohl die direkte Verbindung und Interaktion zwischen einem Windows-Arbeitsgruppenserver und einem Windows-Client-PC als auch die indirekte Verbindung und Interaktion zwischen einem Windows-Arbeitsgruppenserver und einem Windows-Client-PC über einen weiteren Windows-Arbeitsgruppenserver“ (Randnr. 187 der angefochtenen Entscheidung).

741    In Randnr. 188 der angefochtenen Entscheidung prüft die Kommission den ersten Teil des Ersuchens von Sun (siehe oben, Randnr. 738, erster Gedankenstrich). Sie weist darauf hin, dass COM/DCOM eine „für die Erbringung von Datei-, Druck- sowie Gruppen- und Nutzerverwaltungsdiensten in Windows erheblich[e]“ Technologie ist, und vertritt die Ansicht, dass sich dieser Teil des Ersuchens von Sun und dessen zweiter, Active Directory betreffender Teil überschnitten. In der folgenden Randnummer fügt sie jedoch hinzu, dass „der einzige Teil des Ersuchens von Sun um Informationen bezüglich der COM-Technologie, der für den in der [angefochtenen] Entscheidung behandelten Vorwurf der Lieferverweigerung relevant ist, derjenige ist, auf den sich das Ersuchen von Sun hinsichtlich der Kompatibilität mit Active Directory erstreckt“. Diese Ergänzung ist mit der Äußerung der Kommission in Randnr. 566 der angefochtenen Entscheidung zu vergleichen, wonach es zum einen „in [dieser] Entscheidung allein um die Weigerung von Microsoft [geht], eine vollständige Spezifikation der Protokolle vorzulegen, die der Windows Domänenarchitektur zugrunde liegen, mit der geregelt wird, wie die Windows-Arbeitsgruppenserver den Windows-Client-PCs Arbeitsgruppendienste erbringen“, und zum anderen „[d]ie Tatsache, dass Microsoft auch das Ersuchen von Sun um Informationen abgelehnt hat, die die plattformübergreifende Portabilität von COM erleichtern würden, nicht Teil des in der [genannten] Entscheidung behandelten Verhaltens ist“.

742    In Randnr. 190 der angefochtenen Entscheidung fügt die Kommission hinzu, aus dem Ersuchen von Sun gehe impliziert hervor, dass sie den Zugang zu den Spezifikationen erhalten wolle, um sie in ihren Produkten zu implementieren.

743    In den Randnrn. 199 bis 207 der angefochtenen Entscheidung stellt die Kommission eine Reihe von Erwägungen an, um zu belegen, dass die Informationen, zu denen Sun im Schreiben vom 15. September 1998 Zugang verlangte, mit der Interoperabilität zusammenhängen. Insoweit weist sie zunächst das Vorbringen von Microsoft in ihrer Erwiderung vom 17. Oktober 2003 auf die dritte Mitteilung der Beschwerdepunkte zurück, wonach es Sun darum gegangen sei, dass Microsoft eine unter Solaris verwendbare Version von Active Directory erstelle. Anschließend weist sie das von Microsoft ebenfalls im Verwaltungsverfahren angeführte Vorbringen zurück, wonach sich das Ersuchen von Sun auf „die innere Struktur der Windows-Betriebssysteme für Server“ bezogen habe und deshalb über Interoperabilitätsinformationen hinausgehe. Zum letztgenannten Punkt führt sie aus, Sun habe im Schreiben vom 15. September 1998 ausdrücklich erklärt, dass sie eine „nahtlose Kommunikation“ zwischen der Solaris- und der Windows-Umgebung anstrebe (Randnr. 207 der angefochtenen Entscheidung). Wie das Schreiben vom 6. Oktober 1998 zeige, habe Microsoft voll und ganz verstanden, dass Sun Zugang zu Informationen über die Interoperabilität mit „bestimmten Merkmalen von Windows“ haben wolle (Randnr. 207 der angefochtenen Entscheidung).

744    Sodann ist angesichts dieser verschiedenen Gesichtspunkte erstens festzustellen, dass zwar – wie die Kommission im Übrigen in der Klagebeantwortung selbst einräumt – das Ersuchen im Schreiben vom 15. September 1998 in mancher Hinsicht umfassender war als die Anordnungen in der angefochtenen Entscheidung, doch hat Sun in diesem Schreiben ihr Ersuchen dahin gehend eingeschränkt, dass sie nur wolle, dass ihre Produkte mit der Windows-Umgebung „nahtlos kommunizieren“ (seamlessly communicate) könnten. Desgleichen hat Sun in diesem Schreiben ausgeführt, dass die verlangten Informationen es ermöglichen sollten, „– ohne Reverse Engineering – sicherzustellen, dass COM-Objekte und das gesamte Spektrum von Active-Directory-Technologien unter Solaris in vollständig kompatibler Weise laufen“. Aus dem Wortlaut des Schreibens vom 15. September 1998 geht mit anderen Worten klar hervor, dass Sun Zugang zu Informationen erhalten wollte, die es ihr ermöglichen sollten, die Interoperabilität zwischen ihren Produkten und der Windows-Umgebung herbeizuführen.

745    Aus dem Wortlaut des Schreibens vom 15. September 1998 geht ferner hervor, dass Sun ein hohes Interoperabilitätsniveau zwischen ihren Produkten und der Windows-Domänenarchitektur erreichen wollte. Hierzu ist festzustellen, dass Herr Maritz im Schreiben vom 6. Oktober 1998, wenn er ausführt, dass Microsoft nicht plane, „Active Directory nach Solaris zu ‚portieren‘“, und dass es „zahlreiche Methoden – mit variierendem Funktionalitätsumfang – für eine Interoperation mit Active Directory“ gebe, klar unterscheidet zwischen dem hohen Grad an Interoperabilität, der erreicht werden kann, wenn die Bestandteile eines Betriebssystems auf ein anderes Betriebssystem „portiert“ werden, und dem geringeren oder „variierenden“ Interoperabilitätsgrad, der mit anderen, in diesem Schreiben angesprochenen Methoden erreicht werden kann.

746    Zweitens kann sich Microsoft nicht mit Erfolg darauf berufen, dass Sun in ihrer Beschwerde nicht das Wort „Kommunikationsprotokolle“ verwendet habe. Wie in Randnr. 49 der angefochtenen Entscheidung dargelegt wird und wie die Kommission in ihren Schriftsätzen zu Recht angibt, ist ein „Protokoll“ ein Regelwerk für die gegenseitige Verbindung und die Interaktion zwischen verschiedenen Softwareelementen innerhalb eines Netzwerks (siehe auch oben, Randnrn. 196 und 197). Wie oben in Randnr. 740 ausgeführt, wollte Sun Informationen über genau solche Regeln erhalten. Das Vorbringen von Microsoft ist umso weniger stichhaltig, als es rein formalistisch ist. Herr Maritz erwähnt nämlich im Schreiben vom 6. Oktober 1998 mehrfach die Interoperabilität zwischen den Produkten von Microsoft und den Produkten von Sun oder anderen Softwareanbietern. Dies zeigt, dass Microsoft den Umfang des Ersuchens von Sun genau erfasst hatte, ungeachtet dessen, dass im Schreiben vom 15. September 1998 nicht förmlich auf „Kommunikationsprotokolle“ Bezug genommen wurde.

747    Drittens kann dem Vorbringen von Microsoft, ein Zugang zu der in Rede stehenden Technologie hätte es Sun ermöglicht, fast alle Funktionen der Windows-Betriebssysteme für Server „nachzuahmen“, nicht gefolgt werden. Wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, wollte Sun Zugang zu den für die Herbeiführung der Interoperabilität zwischen ihren Produkten und der Windows-Domänenarchitektur erforderlichen Informationen erhalten. Wie u. a. aus den Randnrn. 34, 570 und 571 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht und wie bereits oben in den Randnrn. 199 bis 206 festgestellt worden ist, kann ein solches Ergebnis aber durch die Übermittlung nur der Spezifikationen bestimmter Protokolle erzielt werden, also ohne Preisgabe von Implementierungsdetails. Soweit sich das Vorbringen von Microsoft darauf stützt, dass Sun im Schreiben vom 15. September 1998 von ihr u. a. die Übermittlung einer „Referenzimplementierung“ verlangt habe, ließe dies, selbst wenn Sun damit die Übermittlung von Bestandteilen des Quellcodes von Microsoft hätte verlangen wollen, angesichts der von Sun vorgenommenen Einschränkungen des Umfangs ihres Ersuchens (siehe oben, Randnr. 744) nicht den Schluss zu, dass sie nicht auch die Protokollspezifikationen erhalten wollte, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung sind, wobei sich das dort geahndete Verhalten im Übrigen – wie ihrer Randnr. 569 zu entnehmen ist – auf die Weigerung von Microsoft beschränkt, die genannten Spezifikationen zu übermitteln.

748    Viertens kann Microsoft auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass das Ersuchen von Sun im Schreiben vom 15. September 1998 eine „noch in der Entwicklung befindliche Technologie“ betroffen habe. Zum einen ist dieses Vorbringen nämlich völlig irrelevant für die Frage, ob sich dieses Ersuchen auf Interoperabilitätsinformationen bezog, wie sie Gegenstand der angefochtenen Entscheidung sind. Zum anderen lässt es außer Acht, dass – wie in den Randnrn. 398 und 790 der angefochtenen Entscheidung festgestellt wird – Microsoft bereits am 23. September 1997, also fast ein Jahr vor der Übersendung dieses Schreibens, die erste Beta-Version von Windows 2000 Server herausgegeben hatte.

749     Aus den vorstehenden Erwägungen ist zu schließen, dass sich das Ersuchen von Sun im Schreiben vom 15. September 1998 entgegen dem Vorbringen von Microsoft eindeutig auf die Interoperabilitätsinformationen bezog, die Gegenstand der Entscheidung und der in ihrem Art. 5 vorgesehenen Abhilfemaßnahme sind.

 Zur Tragweite des Schreibens vom 6. Oktober 1998

750    Auch dem die Tragweite des Schreibens vom 6. Oktober 1998 betreffenden zweiten Teil des Vorbringens von Microsoft zur Stützung des zweiten Teils des Klagegrundes kann nicht gefolgt werden.

751    Schon aus dem Wortlaut dieses Schreibens ergibt sich bei einer Prüfung im Licht des Kontexts seiner Erstellung, seines Autors, des Umfangs seiner Kenntnisse der fraglichen Technologien und des Verhaltens von Microsoft bis zum Erlass der angefochtenen Entscheidung, dass die Kommission berechtigt war, dieses Schreiben in der angefochtenen Entscheidung als Weigerung auszulegen, Sun die von ihr verlangten Informationen zu geben.

752    Insoweit ist zunächst daran zu erinnern, dass – wie im Rahmen des ersten Teils des Klagegrundes festgestellt – das Vorbringen von Microsoft im Kontext der Problematik ihrer Weigerung, die Interoperabilitätsinformationen zu liefern und deren Nutzung zu gestatten, zum großen Teil auf der Frage beruht, welcher Grad an Interoperabilität zwischen ihren Produkten und denen ihrer Konkurrenten erzielt werden muss. Während des gesamten Verwaltungsverfahrens und im vorliegenden Verfahren hat Microsoft ihre Standpunkt verteidigt, wonach es genüge, dass die verschiedenen Betriebssysteme in der Lage seien, Informationen auszutauschen oder sich gegenseitig Dienste zu erweisen, oder – mit anderen Worten – dass sie zusammen „ordnungsgemäß funktionieren“ können. Nach Ansicht von Microsoft kann ein solches Ergebnis mit den bereits auf dem Markt verfügbaren Methoden erreicht werden, so dass sie nicht verpflichtet werden könne, zusätzliche Informationen preiszugeben, insbesondere soweit sie die Kommunikation innerhalb der „blauen Blase“ beträfen. Die Kommission verlange einen Grad an Interoperabilität, der weit über das in der Richtlinie 91/250 vorgesehene Maß hinausgehe und nicht der Art und Weise entspreche, in der die Unternehmen in der Praxis ihre Computernetzwerke gestalteten. Die Kommission wolle, dass die Betriebssysteme der Konkurrenten von Microsoft in jeder Hinsicht wie ein Windows-Betriebssystem für Server funktionierten; dies würde Microsoft zwingen, ihren Konkurrenten viel mehr als nur Informationen über die Schnittstellen ihrer Produkte zu übermitteln, und würde ihre Rechte des geistigen Eigentums und ihre Innovationsanreize beeinträchtigen.

753    Wie bereits oben in den Randnrn. 207 bis 245 ausgeführt, legt Microsoft den von der Kommission verlangten Grad an Interoperabilität und damit den Umfang der Informationen, auf die sich die angefochtene Entscheidung bezieht, falsch aus.

754    Diese Faktoren sind zu berücksichtigen, wenn beurteilt wird, wie die Kommission das Schreiben vom 6. Oktober 1998 verstanden hat und welche Argumente Microsoft hierzu vorgetragen hat.

755    Wie oben in Randnr. 746 dargelegt, hatte Microsoft den Umfang des Ersuchens von Sun im Schreiben vom 15. September 1998 genau erfasst und insbesondere verstanden, dass sie die für eine „nahtlose Kommunikation“ ihrer Produkte mit der Windows-Umgebung nötigen Informationen erhalten oder, mit anderen Worten, eine hohe Interoperabilität zwischen ihren Produkten und der Windows-Umgebung erreichen wollte.

756    Überdies wurde das Schreiben vom 15. September 1998 offensichtlich an Microsoft gerichtet, um Zugang zu Informationen zu erhalten, die nicht bereits öffentlich zugänglich oder über Lizenzen, die auf dem Markt angeboten wurden, verfügbar waren.

757    Die Antwort im Schreiben vom 6. Oktober 1998 besteht aus folgenden sechs Punkten:

–        Erstens dankt Herr Maritz Herrn Green für das Schreiben vom 15. September 1998 und teilt ihm mit, dass Microsoft stets bestrebt gewesen sei, ihren Konkurrenten zu helfen, „für [ihre] Plattform bestmögliche Produkte und Interoperabilität zu schaffen“.

–        Zweitens weist er Herrn Green darauf hin, dass Informationen über die Dienste und Schnittstellen der „Windows-Plattform“ bereits in Form des Produkts „MSDN“ zur Verfügung stünden.

–        Drittens lädt er Sun ein, an einer von Microsoft vom 11. bis 15. Oktober 1998 in Denver veranstalteten Konferenz teilzunehmen.

–        Viertens verweist er darauf, dass es eine Referenzimplementierung von COM unter Solaris gebe und dass für den Quellcode von COM u. a. bei der Software AG eine Lizenz erworben werden könne.

–        Fünftens erklärt er, dass Microsoft nicht plane, Active Directory nach Solaris zu „portieren“; es gebe jedoch Methoden – mit variierendem Interoperabilitätsumfang – für eine Interoperation mit Active Directory, zu denen die Verwendung des LDAP-Standardprotokolls gehöre.

–        Sechstens fordert er Sun auf, falls sie „weitere Unterstützung“ benötigen sollte, sich an die „Account Manager“ der „Developer Relations Group“ von Microsoft zu wenden, die bestrebt seien, „den Entwicklern zu helfen, die zusätzliche Unterstützung für die Microsoft-Plattformen benötigen“, und gab hierfür Herrn Goldberg als Kontaktperson an.

758    Erstens ist festzustellen, dass Herr Maritz im Schreiben vom 6. Oktober 1998 keineswegs auf die konkreten Ersuchen von Sun im Schreiben vom 15. September 1998 eingeht, sondern sich darauf beschränkt, Sun auf Informationsquellen und Methoden zu verweisen, die alle bereits öffentlich zugänglich oder über Lizenzen verfügbar waren. Da Herr Maritz die Bedeutung der konkreten Ersuchen von Herrn Green eindeutig erfasst hatte. kann ein solcher Hinweis nicht anders als eine Weigerung verstanden werden, die verlangten Informationen zu übermitteln.

759    Dass Herr Maritz im Schreiben vom 6. Oktober 1998 ausführt, Microsoft plane nicht, Active Directory nach Solaris zu „portieren“, bestätigt die Richtigkeit dieser Auslegung, da darin zum Ausdruck kommt, dass Herrn Maritz voll und ganz bewusst war, dass die Konkurrenten von Microsoft, darunter Sun, ein höheres Interoperabilitätsniveau als jenes anstrebten, das mit den in diesem Schreiben erwähnten Methoden erreichbar war (siehe oben, Randnr. 745).

760    Dies wird umso deutlicher, als Microsoft – was zunächst MSDN angeht – im vorliegenden Teil des Klagegrundes die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Beurteilung nicht bestreitet, wonach dieses Hilfsmittel es ihren Konkurrenten nicht ermöglicht, einen hinreichenden Interoperabilitätsgrad mit den Windows-Betriebssystemen für Client-PCs zu erreichen (Randnr. 563 der angefochtenen Entscheidung unter Bezugnahme auf Abschnitt 4.1.3 und insbesondere auf die Randnrn. 209 und 210).

761    Was sodann die von Microsoft im Schreiben vom 6. Oktober 1998 ebenfalls angesprochene Möglichkeit für Sun angeht, auf eine frei verfügbare Referenzimplementierung von COM zurückzugreifen, so hat Microsoft im Rahmen des vorliegenden Teils des Klagegrundes wiederum nicht geltend gemacht, dass die Kommission einen Fehler begangen habe, als sie in der angefochtenen Entscheidung die Ansicht vertrat, dass dieses Produkt keine ausreichende Lösung darstelle (Randnr. 563 der angefochtenen Entscheidung unter Bezugnahme auf Abschnitt 4.1.3 und insbesondere auf die Randnrn. 218 bis 230; vgl. auch die Randnrn. 288 bis 291).

762    Schließlich hat Microsoft in Bezug auf die im Schreiben vom 6. Oktober 1998 überdies ausdrücklich angesprochene Möglichkeit für Sun, auf das LDAP-Protokoll zurückzugreifen, weder im Rahmen des vorliegenden Teils des Klagegrundes geltend gemacht noch im Rahmen des vorhergehenden Teils des Klagegrundes dargetan, dass die Kommission einen Fehler beging, als sie insbesondere in den Randnrn. 194, 195 und 243 bis 250 der angefochtenen Entscheidung die Ansicht vertrat, dass dieses Protokoll nicht ausreiche, um ein angemessenes Interoperabilitätsniveau mit Active Directory zu erzielen.

763    Zweitens kann Microsoft aus der Tatsache, dass Herr Maritz im Schreiben vom 6. Oktober 1998 die zusätzliche Unterstützung durch Herrn Goldberg anbot, nicht ableiten, dass dieses Schreiben keine Weigerung enthalte. Die zusätzliche Unterstützung, von der im letzten Absatz des Schreibens die Rede ist, bezieht sich nämlich nur auf die in dessen zweitem und drittem Absatz erwähnten Informationen und Methoden. Microsoft bietet damit im Wesentlichen nur an, Sun in gleicher Weise zu helfen, wie es die „Account Manager“ der „Developer Relations Group“ bei jedem Entwickler tun, der Unterstützung für die „Microsoft-Plattformen“ benötigt.

764    Microsoft kann sich auch nicht darauf berufen, dass einer von ihr erstellten Zusammenfassung des Schriftwechsels zwischen ihr und Sun zufolge Letztere den Vorschlägen von Herrn Goldberg nicht habe folgen wollen. Wie die Kommission in Randnr. 193 der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausführt, ist an keiner Stelle dieser Zusammenfassung von einem förmlichen Angebot von Microsoft die Rede, die von Sun verlangten Informationen, d. h. Informationen, die über die öffentlich verfügbaren hinausgingen, zu liefern.

765    Drittens ist hinzuzufügen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung umso mehr berechtigt war, im Schreiben vom 6. Oktober 1998 eine Verweigerung des Zugangs zu den von Sun verlangten Interoperabilitätsinformationen zu sehen, als Microsoft im Verwaltungsverfahren ausdrücklich anerkannt hat, dass sie eine Reihe dieser Informationen nicht offengelegt habe und dies auch weiterhin nicht tun werde (vgl. hierzu die Randnrn. 194 bis 198 der angefochtenen Entscheidung). Auch wenn Microsoft in der mündlichen Verhandlung die Vollständigkeit eines der in Randnr. 195 der angefochtenen Entscheidung wiedergegebenen Zitate in Frage gestellt hat, hat sie nicht bestritten, dass sie im Verwaltungsverfahren die Replikation zwischen verschiedenen Kopien von Active Directory als „proprietär“ bezeichnet hat.

766    Das Vorbringen von Microsoft, das Schreiben vom 6. Oktober 1998 stelle keine Weigerung dar, ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

767    Überdies ist das Schreiben vom 6. Oktober 1998 in dem allgemeineren Kontext zu sehen, der in der angefochtenen Entscheidung beschrieben wird. Darin stützt sich die Kommission aber keineswegs allein auf dieses Schreiben, sondern vertritt – wie sich insbesondere aus den Randnrn. 194 bis 198 und 573 bis 577 ergibt – die Ansicht, dass sich die dort zum Ausdruck kommende Vorgehensweise in ein generelles Verhaltensmuster von Microsoft einfüge.

768    In Randnr. 573 der angefochtenen Entscheidung, in der u. a. auf Randnr. 194 Bezug genommen wird, führt die Kommission insbesondere aus, mehrere Konkurrenten von Microsoft hätten bestätigt, dass sie keine ausreichenden Interoperabilitätsinformationen erhalten hätten; einige von ihnen hätten auch angegeben, dass sich Microsoft geweigert habe, die gewünschten Informationen zu liefern, oder auf ihre Ersuchen nicht geantwortet habe.

769    Außerdem hat die Kommission in Randnr. 576 der angefochtenen Entscheidung Auszüge aus einer Zeugenaussage eines Verantwortlichen für Quellcode-Lizenzen von Windows vor den amerikanischen Gerichten wiedergegeben, die nach Ansicht der Kommission zeigt, dass Microsoft Lizenzen für die zur Interoperabilität mit der Windows-Domänenarchitektur nötigen Technologien nur in engem Rahmen vergibt.

770    Microsoft hat dies vor dem Gericht nicht speziell bestritten.

771    Darüber hinaus hat die Kommission in Randnr. 778 der angefochtenen Entscheidung den Einwänden von Microsoft, es habe keine Weigerung gegeben, da sie keinen Grund gehabt habe, Konkurrenten mittels einer „Hebelwirkung“ (leveraging) auszuschalten, einen Auszug aus einer Rede entgegengehalten, die Herr Gates, der Vorstandsvorsitzende von Microsoft, im Februar 1997 vor dem Verkaufspersonal von Microsoft hielt. Dieser Auszug bestätigt, dass es ein generelles Verhaltensmuster gab, das darauf abzielte, die Übermittlung von Interoperabilitätsinformationen zu beschränken, denn er enthält folgende Erklärung:

„Wir versuchen, unsere Kontrolle über Server für neue Protokolle zu nutzen und speziell Sun und Oracle den Zugang zu versperren … Ich weiß zwar nicht, ob uns dies gelingen wird, aber wir werden es versuchen.“

 Zum geografischen Umfang des Ersuchens im Schreiben vom 15. September 1998

772    Der dritte Teil des Vorbringens von Microsoft zur Stützung des zweiten Teils ihres einzigen Klagegrundes beruht darauf, dass Sun sie im Schreiben vom 15. September 1998 nicht ausdrücklich um Erteilung einer Lizenz für die ihr im EWR zustehenden Rechte des geistigen Eigentums ersucht habe, um dort Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver entwickeln zu können. Microsoft schließt daraus, dass sie bei ihrer Antwort an Sun nicht gehalten gewesen sei, ihrer besonderen Verantwortung für das Unterbleiben einer Beeinträchtigung des wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs Rechnung zu tragen.

773    Dieses Vorbringen ist als rein formalistisch zurückzuweisen.

774    Sun hat zwar im Schreiben vom 15. September 1998 von Microsoft nicht ausdrücklich verlangt, ihr eine Lizenz für Rechte des geistigen Eigentums im EWR zu erteilen. Es bestand jedoch kein Anlass für Sun, in ihrem Ersuchen darauf einzugehen, ob die Informationen, zu denen sie Zugang erhalten wollte, durch Rechte des geistigen Eigentums geschützt waren, und ob die Nutzung dieser Informationen eine Lizenz von Microsoft erforderte. Zudem liegt es auf der Hand, dass Sun von Microsoft die fraglichen Informationen erhalten wollte, um sie in ihren eigenen Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver implementieren zu können. Da im Übrigen der relevante geografische Markt für die genannten Systeme der Weltmarkt ist (vgl. hierzu Randnr. 427 der angefochtenen Entscheidung), wurde das Gebiet des EWR zwangsläufig von dem allgemein gehaltenen Ersuchen von Sun erfasst. Da Sun schließlich, wie die Kommission in ihren Schriftsätzen ausführt, einige Wochen später bei ihr eine Beschwerde nach Art. 3 der Verordnung Nr. 17 eingelegt hatte, konnte Microsoft jedenfalls dann nicht mehr verborgen geblieben sein, dass auch der EWR betroffen war.

775    Folglich hat die Kommission in Randnr. 787 der angefochtenen Entscheidung zu Recht die Auffassung vertreten, dass Microsoft bei der Beantwortung des Schreibens vom 15. September 1998 ihre besondere Verantwortung für das Unterbleiben einer Beeinträchtigung des wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt nicht gebührend berücksichtigt habe. In dieser Randnummer hat sie auch zu Recht ausgeführt, dass sich diese besondere Verantwortung aus der „Quasi-Monopolstellung“ von Microsoft auf dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs ergebe. Wie insbesondere aus den Erwägungen in der obigen Randnr. 740 hervorgeht, betraf die fragliche Weigerung nämlich „die Schnittstellenspezifikationen, die ein aus Windows-Arbeitsgruppenservern und ‑Client PCs bestehendes Netzwerk organisieren und die als solche keine[r] der beiden fraglichen Produkt[arten] (Client-PCs oder Arbeitsgruppenserver) zuzuordnen sind, sondern die Kompatibilität dieser beiden Produkt[arten] regeln“.

776    Aus alledem folgt, dass der zweite Teil des einzigen Klagegrundes, den Microsoft im Kontext der Problematik ihrer Weigerung, die Interoperabilitätsinformationen zu liefern und deren Nutzung zu gestatten, geltend macht, als unbegründet zurückzuweisen ist.

3.     Zum dritten Teil, der sich darauf stützt, dass die Kommission die den Gemeinschaften durch das TRIPS-Übereinkommen auferlegten Verpflichtungen nicht ordnungsgemäß berücksichtigt habe

a)     Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

777    Microsoft macht geltend, die angefochtene Entscheidung verletze Art. 13 des TRIPS-Übereinkommens, da sie sie verpflichte, ihren Konkurrenten Lizenzen für die Spezifikationen unternehmenseigener Kommunikationsprotokolle zu erteilen. Die in dieser Bestimmung vorgesehenen kumulativen Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

778    Erstens gehe diese Verpflichtung über das zur Erreichung der Interoperabilität erforderliche Maß hinaus und verstoße damit gegen die Voraussetzung, dass Rechte des geistigen Eigentums nur in „Sonderfällen“ Gegenstand von „Beschränkungen“ oder „Ausnahmen“ sein könnten. Mit dieser Verpflichtung wolle die Kommission es den übrigen Anbietern von Server-Betriebssystemen nämlich ermöglichen, Produkte zu schaffen, die die Funktionen der Windows-Betriebssysteme für Server „nachahmen“. Zu beanstanden sei auch die Verpflichtung, den Konkurrenten ihre Kommunikationsprotokolle unabhängig davon zur Verfügung zu stellen, ob sie von ihrem angeblich wettbewerbswidrigen Verhalten betroffen seien.

779    Zweitens beeinträchtige die ihr auferlegte Verpflichtung zur Lizenzerteilung unmittelbar die „normale Auswertung“ ihrer Rechte des geistigen Eigentums. Statt Lizenzen für ihre innovativen Technologien an Dritte zu vergeben, nutzten die Anbieter kommerzieller Software normalerweise ihre Rechte des geistigen Eigentums zur Entwicklung und Vermarktung von Produkten, die diese Technologien implementierten. Die Verpflichtung wirke sich auch negativ auf ihren Absatz aus, da ihre Konkurrenten ihre Kommunikationsprotokolle zur Schaffung von Server-Betriebssystemen nutzen könnten, die mit ihren eigenen Produkten austauschbar seien.

780    Drittens würden durch die ihr auferlegte Verpflichtung ihre „berechtigten Interessen … unzumutbar verletz[t]“, da sie außer Verhältnis zu dem erklärten Ziel der Kommission stünden, die Wirkungen eines wettbewerbswidrigen Verhaltens zu beseitigen. Das neue von der Kommission angewandte Gewichtungskriterium scheine nämlich Zwangslizenzen immer dann zu legitimieren, wenn Konkurrenten eines beherrschenden Unternehmens vom Zugang zu dessen geistigem Eigentum profitieren könnten, ohne dass es eine Rolle spiele, ob eine solche Maßnahme erforderlich sei, um ein wettbewerbswidriges Verhalten abzustellen.

781    Schließlich sei es möglich, dass das TRIPS-Übereinkommen im Gemeinschaftsrecht nicht unmittelbar anwendbar sei. Der Gerichtshof habe jedoch den Grundsatz aufgestellt, dass das Gemeinschaftsrecht, einschließlich Art. 82 EG, im Licht der von der Gemeinschaft geschlossenen völkerrechtlichen Verträge wie dem genannten Übereinkommen auszulegen sei (Urteil des Gerichtshofs vom 10. Dezember 1996, Kommission/Deutschland, C‑61/94, Slg. 1996, I‑3989, Randnr. 52).

782    Die ACT trägt zunächst vor, der in der vorstehenden Randnummer erwähnte Auslegungsgrundsatz müsse nicht nur für das abgeleitete Gemeinschaftsrecht gelten, sondern auch für die Bestimmungen des primären Gemeinschaftsrechts.

783    Überdies stehe die Auslegung von Art. 82 EG durch die Kommission in der angefochtenen Entscheidung in dreifacher Hinsicht nicht mit den internationalen Verpflichtungen der Gemeinschaft nach dem TRIPS-Übereinkommen in Einklang.

784    Erstens sei die in Art. 5 der angefochtenen Entscheidung vorgesehene Abhilfemaßnahme mit Art. 13 des Übereinkommens unvereinbar.

785    Zweitens verletze diese Abhilfemaßnahme Art. 31 des TRIPS-Übereinkommens, soweit sie die Erteilung von Zwangslizenzen für Patente von Microsoft bedeute.

786    Der genannte Artikel sehe u. a. Folgendes vor:

„Lässt das Recht eines Mitglieds die sonstige [d. h. eine andere als die nach Art. 30 erlaubte] Benutzung des Gegenstands eines Patents ohne die Zustimmung des Rechtsinhabers zu, einschließlich der Benutzung durch die Regierung oder von der Regierung ermächtigte Dritte, so sind folgende Bestimmungen zu beachten:

a)      die Erlaubnis zu einer solchen Benutzung wird aufgrund der Umstände des Einzelfalls geprüft“.

787    Dies bedeute, dass die Lizenzen nur fallweise gewährt werden könnten. Art. 5 der angefochtenen Entscheidung sehe aber Zwangslizenzen vor, die „Patente umfassen, die erteilt wurden, beantragt worden sind oder künftig beantragt und erteilt werden“. Dies sei gleichbedeutend mit Zwangslizenzen für „Kategorien von Erfindungen“.

788    Drittens führe angesichts von Art. 39 des TRIPS-Übereinkommens (des einzigen Artikels in dessen Abschnitt 7) Art. 5 der angefochtenen Entscheidung dadurch, dass er Microsoft verpflichte, ihren Konkurrenten Geschäftsgeheimnisse preiszugeben, nicht nur zum Verlust des Rechts, die Nutzung dieser Geschäftsgeheimnisse zu kontrollieren, sondern auch dazu, dass sie „völlig ausgelöscht“ würden.

789    Die Kommission weist zunächst darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung „die WTO-Übereinkünfte wegen ihrer Natur und ihrer Struktur grundsätzlich nicht zu den Vorschriften [gehören], an denen der Gerichtshof die Rechtmäßigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane misst“ (Urteil des Gerichtshofs vom 23. November 1999, Portugal/Rat, C‑149/96, Slg. 1999, I‑8395, Randnr. 47). Im Urteil vom 14. Dezember 2000, Dior u. a. (C‑300/98 und C‑392/98, Slg. 2000, I‑11307, Randnr. 44), habe der Gerichtshof die Ansicht vertreten, dass „die Bestimmungen des dem WTO-Übereinkommen als Anhang beigefügten TRIPS-Übereinkommens für den Einzelnen keine Rechte [begründen], auf die er sich nach dem Gemeinschaftsrecht unmittelbar vor den Gerichten berufen könnte“. Das oben in Randnr. 781 angeführte Urteil Kommission/Deutschland sei im vorliegenden Fall irrelevant, da es nicht die Auslegung einer Bestimmung des EG-Vertrags, sondern einer Vorschrift des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts betreffe. Microsoft vertrete jedenfalls im Wesentlichen die Auffassung, dass die angefochtene Entscheidung rechtswidrig sei, da sie das TRIPS-Übereinkommen verletze.

790    Sodann macht sie geltend, das Vorbringen von Microsoft beruhe auf der irrigen Prämisse, dass die angefochtene Entscheidung sie verpflichte, ihren Konkurrenten Lizenzen für die urheberrechtlich geschützten Spezifikationen unternehmenseigener Kommunikationsprotokolle zu erteilen. Die Frage des Urheberrechts sei hier bestenfalls „rein sekundärer Art“; da das „Offenlegungsrecht“, auf das sich Microsoft berufe, ein „immaterielles Recht“ sei, könne es nicht unter das TRIPS-Übereinkommen fallen.

791    Schließlich beruhe die Behauptung von Microsoft, dass die Voraussetzungen von Art. 13 des TRIPS-Übereinkommens vorliegend nicht erfüllt seien, auf „unzutreffenden Annahmen“. Die angeblich durch die angefochtene Entscheidung vorgeschriebenen Zwangslizenzen gingen nicht über das zur Erreichung von Interoperabilität erforderliche Maß hinaus; ein neues Abwägungskriterium sei im vorliegenden Fall nicht angewandt worden.

792    Das Vorbringen der ACT sei als unzulässig zurückzuweisen, soweit es sich auf die Art. 31 und 39 des TRIPS-Übereinkommens stütze, da sich Microsoft nicht auf diese Vorschriften berufen habe. Es sei jedenfalls in vollem Umfang unbegründet.

793    Die SIIA schließt sich den Ausführungen der Kommission an.

b)     Würdigung durch das Gericht

794    Im Rahmen des dritten Teils des vorliegenden einzigen Klagegrundes wirft Microsoft der Kommission vor, Art. 82 EG in einer mit Art. 13 des TRIPS-Übereinkommens unvereinbaren Weise ausgelegt zu haben. Wenn die Kommission der letztgenannten Bestimmung ordnungsgemäß Rechnung getragen hätte, hätte sie weder in Art. 2 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung zu dem Schluss kommen können, dass mit der fraglichen Weigerung eine beherrschende Stellung missbraucht werde, noch die in den Art. 4, 5 und 6 der Entscheidung vorgesehene Abhilfemaßnahme als Maßnahme in Bezug auf die Interoperabilitätsinformationen verhängen dürfen.

795    Microsoft stützt ihre Argumentation auf Randnr. 52 des oben in Randnr. 781 angeführten Urteils Kommission/Deutschland; dort habe der Gerichtshof ausgeführt, dass das Gemeinschaftsrecht, einschließlich Art. 82 EG, im Licht der bindenden völkerrechtlichen Verträge wie dem TRIPS-Übereinkommen auszulegen sei. In der mündlichen Verhandlung hat Microsoft hervorgehoben, dass sie keineswegs eine unmittelbare Wirkung der Bestimmungen des genannten Übereinkommens geltend mache.

796    Das Gericht ist der Ansicht, dass sich Microsoft nicht mit Erfolg auf das oben in Randnr. 781 angeführte Urteil Kommission/Deutschland berufen kann.

797    In Randnr. 52 dieses Urteils heißt es u. a.:

„[D]er Vorrang der von der Gemeinschaft geschlossenen völkerrechtlichen Verträge vor den Bestimmungen des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts [gebietet es], diese nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit diesen Verträgen auszulegen.“

798    Der damit vom Gerichtshof angesprochene Grundsatz konformer Auslegung kommt nur dann zur Anwendung, wenn der fragliche völkerrechtliche Vertrag Vorrang vor den Bestimmungen des einschlägigen Gemeinschaftsrechts hat. Da ein völkerrechtlicher Vertrag wie das TRIPS-Übereinkommen keinen Vorrang vor dem Primärrecht der Gemeinschaft hat, kann dieser Grundsatz nicht zur Anwendung kommen, wenn die auszulegende Bestimmung – wie hier – Art. 82 EG ist.

799    Außerdem hatte die Kommission im vorliegenden Fall – anders als in dem Fall, der Gegenstand von Randnr. 52 des oben in Randnr. 781 angeführten Urteils Kommission/Deutschland ist – genau genommen keine Wahl zwischen verschiedenen möglichen Auslegungen einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts zu treffen. Hier handelt es sich nämlich um einen Fall, in dem sie Art. 82 EG auf die konkreten tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten anzuwenden hatte und in dem – mangels Gegenbeweises – davon auszugehen ist, dass die Schlussfolgerungen, die sie insoweit gezogen hat, die einzig möglichen Schlussfolgerungen sind.

800    Im Übrigen ist das Gericht der Ansicht, dass Microsoft unter dem Deckmantel des Grundsatzes konformer Auslegung in Wirklichkeit nichts anderes tut, als die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung mit der Begründung in Frage zu stellen, dass sie Art. 13 des TRIPS-Übereinkommens verletze.

801    Nach ständiger Rechtsprechung gehören die WTO-Übereinkünfte aber wegen ihrer Natur und ihrer Struktur grundsätzlich nicht zu den Vorschriften, an denen der Gemeinschaftsrichter die Rechtmäßigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane misst (Urteil Portugal/Rat, oben in Randnr. 789 angeführt, Randnr. 47; Urteile des Gerichtshofs vom 12. März 2002, Omega Air u. a., C‑27/00 und C‑122/00, Slg. 2002, I‑2569, Randnr. 93, vom 9. Januar 2003, Petrotub und Republica/Rat, C‑76/00 P, Slg. 2003, I‑79, Randnr. 53, und vom 30. September 2003, Biret International/Rat, C‑93/02 P, Slg. 2003, I‑10497, Randnr. 52).

802    Nur wenn die Gemeinschaft eine bestimmte, im Rahmen der WTO übernommene Verpflichtung erfüllen wollte oder wenn die Gemeinschaftshandlung ausdrücklich auf konkrete Bestimmungen der WTO-Übereinkünfte verweist, ist es Sache des Gemeinschaftsrichters, die Rechtmäßigkeit der fraglichen Gemeinschaftshandlung an den Vorschriften der WTO zu messen (Urteile Portugal/Rat, oben in Randnr. 789 angeführt, Randnr. 49, und Biret International/Rat, oben in Randnr. 801 angeführt, Randnr. 53).

803    Da hier offensichtlich keiner der beiden in der vorstehenden Randnummer angesprochenen Fälle gegeben ist, kann sich Microsoft zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung der Art. 2, 4, 5 und 6 der angefochtenen Entscheidung nicht auf Art. 13 des TRIPS-Übereinkommens berufen. Das von der ACT unterstützte Vorbringen von Microsoft, wonach die in Art. 13 aufgestellten Voraussetzungen hier nicht erfüllt seien, braucht daher nicht geprüft zu werden.

804    Auch das Vorbringen der ACT, Art. 5 der angefochtenen Entscheidung sei mit den Art. 31 und 39 des TRIPS-Übereinkommens unvereinbar (siehe oben, Randnrn. 785 bis 788), ist aus den oben in den Randnrn. 796 bis 803 dargelegten Gründen zurückzuweisen.

805    Ferner ist darauf hinzuweisen, dass das Argument der ACT, Art. 5 der angefochtenen Entscheidung verletze Art. 31 Buchst. a des TRIPS-Übereinkommens, auf dem völlig falschen Gedanken beruht, dass die Abhilfemaßnahme die Vergabe von Zwangslizenzen für „Kategorien von Erfindungen“ vorsehe und keine individuelle Beurteilung voraussetze. Sollte Microsoft, um Art. 5 der angefochtenen Entscheidung nachzukommen, bestimmten Konkurrenten Lizenzen für die Nutzung eines oder mehrerer ihrer Patente erteilen müssen, so ist sie durch die angefochtene Entscheidung nicht daran gehindert, die Lizenzbedingungen von Fall zu Fall auszuhandeln.

806    Wie insoweit aus der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, ist die in ihrem Art. 5 behandelte Abhilfemaßnahme in einem dreistufigen Verfahren umzusetzen, bei dem die in den Randnrn. 1005 bis 1009 der Entscheidung genannten Bedingungen eingehalten werden.

807    Im ersten Schritt hat Microsoft die Interoperabilitätsinformationen im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der angefochtenen Entscheidung zusammenzustellen und das in Art. 5 Buchst. c der Entscheidung genannte Bewertungsverfahren einzurichten.

808    Im zweiten Schritt muss sie die Interoperabilitätsinformationen denjenigen Unternehmen zugänglich machen, die Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver entwickeln und vertreiben wollen, damit diese Unternehmen bewerten können, welchen wirtschaftlichen Wert die Implementierung dieser Informationen in ihre Produkte für sie haben wird (Randnr. 1008 Ziffer i der angefochtenen Entscheidung). Die Bedingungen, unter denen Microsoft diese Bewertung gestattet, müssen angemessen und frei von Diskriminierungen sein.

809    Im dritten Schritt muss Microsoft allen Unternehmen, die Interesse an den gesamten Interoperabilitätsinformationen oder einem Teil davon haben, diese Informationen zugänglich machen und den Unternehmen gestatten, sie in ihren Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver zu implementieren (Randnr. 1003 der angefochtenen Entscheidung). Auch in diesem Zusammenhang müssen die von Microsoft aufgestellten Bedingungen angemessen und frei von Diskriminierungen sein (Randnrn. 1005 bis 1008 der angefochtenen Entscheidung).

810    Aus diesen verschiedenen Teilen der angefochtenen Entscheidung geht klar hervor, dass Microsoft für den Fall, dass sich die von einem bestimmten Unternehmen gewünschten Interoperabilitätsinformationen auf eine Technologie beziehen, die durch ein Patent (oder ein anderes Recht des geistigen Eigentums) geschützt wird, nicht daran gehindert ist, mittels einer Lizenz Zugang zu diesen Informationen zu geben und ihre Nutzung zu gestatten, sofern dies zu angemessenen und diskriminierungsfreien Bedingungen geschieht.

811    Die bloße Tatsache, dass nach der angefochtenen Entscheidung die Bedingungen etwaiger Lizenzen angemessen und frei von Diskriminierungen sein müssen, bedeutet nicht, dass Microsoft jedem Unternehmen, das solche Lizenzen erhalten möchte, genau die gleichen Bedingungen auferlegen muss. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, diese Bedingungen der besonderen Situation jedes Unternehmens anzupassen und z. B. vom Umfang der gewünschten Informationen oder von der Art der Produkte abhängig zu machen, in denen sie implementiert werden sollen.

812    Aus alledem folgt, dass der dritte Teil des einzigen Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen ist.

813    Folglich ist der einzige im Rahmen des ersten Fragenkreises geltend gemachte Klagegrund in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen.

C –  Zur Kopplung des Verkaufs des Windows-Betriebssystems für Client-PCs und des Windows Media Player

814    In Zusammenhang mit diesem zweiten Fragenkreis macht Microsoft zwei Klagegründe geltend: die Verletzung von Art. 82 EG und einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der erste Klagegrund betrifft die Schlussfolgerung der Kommission, dass Microsofts Verhalten, die Lieferung des Windows-Betriebssystems für Client-PCs vom gleichzeitigen Erwerb des Windows Media Player abhängig zu machen, ein missbräuchliches Kopplungsgeschäft darstelle (Art. 2 Buchst. b der angefochtenen Entscheidung). Der zweite Klagegrund bezieht sich auf die in Art. 6 der angefochtenen Entscheidung vorgesehene Abhilfemaßnahme.

815    Vor der Prüfung dieser Klagegründe ist an eine Reihe von Feststellungen tatsächlicher und technischer Art zu erinnern, die in der angefochtenen Entscheidung getroffen wurden und die den Rahmen betreffen, in dem das oben genannte Verhalten steht. Diese Feststellungen werden von Microsoft im Wesentlichen nicht bestritten.

1.     Feststellungen tatsächlicher und technischer Art

816    In den Randnrn. 60 bis 66 der angefochtenen Entscheidung stellt die Kommission die digitalen Medien dar.

817    Zunächst definiert sie das Medienabspielprogramm als ein Softwareprodukt, das Ton- und Bildinhalte im Digitalformat „abspielen“, d. h. die entsprechenden Daten entschlüsseln und in Befehle für die Hardware wie Lautsprecher oder Bildschirm übersetzen kann (Randnr. 60 der angefochtenen Entscheidung).

818    In Randnr. 61 der angefochtenen Entscheidung führt sie sodann aus, die Ton- und Bildinhalte seien in digitalen Mediendateien nach bestimmten speziellen Formaten angeordnet, und es seien Komprimier- und Dekomprimieralgorithmen entwickelt worden, um ohne Einbußen an Ton- oder Bildqualität den für die Speicherung dieser Inhalte erforderlichen Platz zu verringern. Diese Algorithmen seien in Medienabspielprogrammen sowie in Kodierungssoftware implementiert, die komprimierte Dateien erzeugen könne. Der Teil des Codes in einem Medienabspielprogramm, der einen Komprimier- und Dekomprimieralgorithmus implementiere, werde „Codec“ genannt. Um einen in einem bestimmten Format unter Verwendung eines bestimmten Komprimier- und Dekomprimieralgorithmus komprimierten „digitalen Medieninhalt“ korrekt wiedergeben zu können, müsse ein Medienabspielprogramm dieses Format und diesen Komprimier- und Dekomprimieralgorithmus verstehen, also den entsprechenden Codec implementieren können.

819    In der folgenden Randnummer der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission aus, der Endnutzer könne über das Internet auf Ton- und Bildinhalte zugreifen, indem er die betreffende Datei auf seinen Client-PC herunterlade, sie also kopiere und dorthin übertrage. Sobald sie heruntergeladen sei, könne die Datei von einem mit ihrem Format kompatiblen Medienabspielprogramm „abgespielt“ werden.

820    In Randnr. 63 der angefochtenen Entscheidung legt die Kommission dar, dass der Endnutzer auch Ton- und Bildinhalte empfangen könne, die kontinuierlich über das Internet verbreitet würden. In diesem Fall müsse nicht das vollständige Herunterladen der betreffenden Datei abgewartet werden, da sie in einer Aufeinanderfolge kleiner Teile, d. h. in einem «Strom» von Daten an den Client-PC gesandt werde, den das Medienabspielprogramm nach und nach abspiele. Solch eine Nutzung setzte auf dem Client-PC ein Medienabspielprogramm mit Datenstrom-Kapazitäten voraus.

821    Die kontinuierliche Übertragung von Ton- und Bildinhalten an einen Endnutzer sei oft mit speziellen Datenstrom-Protokollen verbunden, die die Kommunikation zwischen dem Medienabspielprogramm und dem Softwareserver regelten, der den Inhalt über das Internet verbreite. Um auf Ton- und Bildinhalte, die mittels eines bestimmten Protokolls verbreitet würden, zugreifen zu können, müsse der Nutzer über ein Medienabspielprogramm verfügen, das dieses Protokoll „verstehe“ (Randnr. 64 der angefochtenen Entscheidung).

822    In Randnr. 66 der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission schließlich aus, dass Kodierungssoftware, Datenstromserver und Medienabspielprogramme, die in Bezug auf Unterstützung der Codecs, der Formate und der Datenstrom-Protokolle miteinander kompatibel seien, zum Aufbau einer Software-Infrastruktur verwandt werden könnten, um digitale Ton- und Bildinhalte im Wege kontinuierlicher Übertragung über Informationsnetze auszuliefern und zu nutzen. Eine solche Infrastruktur könne auch eine Plattform für die Entwicklung weiterer Anwendungen bilden, die sich auf die durch sie bereitgestellten Dienste stützten. Insbesondere könnten Medienabspielprogramme APIs (Anwendungsprogramm-Schnittstellen) enthalten, die von anderen Anwendungen aufgerufen würden, um z. B. das Abspielen einer Datei durch das Programm auszulösen.

823    In den Randnrn. 107 bis 120 der angefochtenen Entscheidung beschreibt die Kommission kurz die für die Nachfrage, den Wettbewerb und den Verbrauch im Bereich der digitalen Medien kennzeichnenden wirtschaftlichen Faktoren.

824    Am Anfang der Vertriebskette für digitale Medieninhalte stünden die Eigentümer dieser Inhalte, denen im Allgemeinen Urheberrechte an ihnen zustünden und die daher ihre Vervielfältigung und Verteilung kontrollieren könnten (Randnr. 108 der angefochtenen Entscheidung).

825    Anschließend würden die Inhalte von den Inhalteanbietern zusammengestellt und an die Verbraucher ausgeliefert, insbesondere durch Speicherung auf Servern, die mit dem Internet verbunden seien und auf die die Verbraucher von ihrem Client-PC aus zugreifen könnten (Randnrn. 109 bis 111 der angefochtenen Entscheidung).

826    Die Software-Infrastruktur, die die Schaffung und Übertragung sowie das Abspielen digitaler Inhalte ermögliche, werde von Softwareentwicklern wie Microsoft, RealNetworks und Apple zur Verfügung gestellt (Randnr. 112 der angefochtenen Entscheidung). Diese drei Unternehmen zeichneten sich dadurch aus, dass sie, neben der Unterstützung bestimmter Standardformate der Branche, eine umfassende Lösung von der Kodierungssoftware bis zum Abspielprogramm anböten, die im Wesentlichen auf ihren eigenen Technologien für digitale Medien und der ihnen gehörenden Dateiformate beruhe (Randnr. 113 der angefochtenen Entscheidung). So gehörten Microsoft folgende Formate: Windows Media Audio (WMA), Windows Media Video (WMV) und Advanced Streaming Format (ASF). Die Formate von RealNetworks hießen „RealAudio“ und „RealVideo“. Die „QuickTime“-Formate von Apple hätten die Dateinamenserweiterungen „.qt“, „.mov“ und „.moov“. Die anderen Softwareentwickler böten keine umfassende Lösung für die Wiedergabe von Multimedia-Inhalten an, sondern erwürben im Allgemeinen eine Lizenz für die Technologie eines der drei genannten Unternehmen oder verwendeten offene Industriestandards (Randnr. 117 der angefochtenen Entscheidung).

827    Es gebe verschiedene Wege für den Vertrieb der Medienabspielprogramme an die Endverbraucher (Randnrn. 119 und 120 der angefochtenen Entscheidung).

828    Erstens könnten die Abspielprogramme von den Geräteherstellern aufgrund von Vereinbarungen zwischen ihnen und den Softwareentwicklern auf den Client-PCs installiert werden. Auf dem Client-PC des Endverbrauchers seien damit außer einem Betriebssystem ein Medienabspielprogramm und gegebenenfalls weitere Software vorinstalliert. Nach den Angaben in Randnr. 68 der angefochtenen Entscheidung seien die Gerätehersteller Unternehmen, deren Tätigkeit darin bestehe, Computer unter Verwendung einer Palette von Bauteilen verschiedener anderer Hersteller zusammenzubauen. Hierzu gehöre im Allgemeinen die Installation eines von einem Softwareunternehmen gelieferten oder von dem Gerätehersteller selbst entwickelten Betriebssystems sowie die Bündelung einer Reihe von Anwendungen, die der Endnutzer verlange. Die zusammengebauten Geräte würden dann von „Wiederverkäufern“ erworben, die sie mit zusätzlicher Software weiterverkauften.

829    Zweitens könnten die Endnutzer Medienabspielprogramme aus dem Internet auf ihren Client-PC herunterladen.

830    Drittens könnten die Medienabspielprogramme im Einzelhandel verkauft oder zusammen mit anderen Softwareprodukten vertrieben werden.

831    In den Randnrn. 121 bis 143 der angefochtenen Entscheidung beschreibt die Kommission die betreffenden Produkte von Microsoft und ihren Konkurrenten.

832    Das Medienabspielprogramm von Microsoft nenne sich „Windows Media Player“, und zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung sei die jüngste Version dieses Abspielprogramms die „Windows Media Player 9 Series“ (WMP 9) gewesen. WMP 9, mit dem u. a. heruntergeladene oder kontinuierlich übertragene digitale Ton- und Bildinhalte abgespielt werden könnten, stehe seit dem 7. Januar 2003 zur Verfügung und laufe seit Anfang November 2003 auch mit den Betriebssystemen Mac OS und UNIX. WMP 9 unterstütze die Formate Real und QuickTime nicht.

833    Was die Konkurrenten von Microsoft angeht, so beschreibt die Kommission insbesondere die Produkte von RealNetworks (Randnrn. 125 bis 134 der angefochtenen Entscheidung) und Apple (Randnrn. 135 bis 140 der angefochtenen Entscheidung).

834    Im Jahr 1995 sei RealNetworks – unter dem damaligen Namen Progressive Networks Inc. – das erste größere Unternehmen gewesen, das Produkte vermarktet habe, die die kontinuierliche Übertragung digitaler Toninhalte erlaubten, unter ihnen das Abspielprogramm RealAudio Player. Im Februar 1997 habe RealNetworks den RealPlayer 4.0 auf den Markt gebracht, der das Abspielen von Audio- und Videodateien in Echtzeit und auf Abruf ermöglicht habe.

835    Apple habe Anfang der 90er Jahre unter der Bezeichnung „QuickTime Player“ ein Medienabspielprogramm entwickelt, das ursprünglich nur auf den Macintosh-PCs gelaufen sei. Im November 1994 habe Apple QuickTime 2.0 für Windows und im April 1999 das Abspielprogramm QuickTime 4.0 auf den Markt gebracht; Letzteres habe den kontinuierlichen Empfang digitaler Inhalte ermöglicht.

836    Die Kommission erwähnt ferner die Abspielprogramme MusicMatch Jukebox von MusicMatch und Winamp Media Player von Nullsoft. Sie führt aus, diese Abspielprogramme stützten sich nicht auf ihre eigenen Codecs oder Dateiformate, sondern entweder auf Technologien von Microsoft, Apple oder RealNetworks oder auf offene Formate (Randnrn. 141 bis 143 der angefochtenen Entscheidung).

837    In den Randnrn. 302 bis 314 der angefochtenen Entscheidung werden Microsofts Tätigkeiten im Bereich der Multimediasoftware chronologisch dargestellt. Diese Darstellung kann wie folgt zusammengefasst werden:

–        Im August 1991 veröffentlichte Microsoft eine Version seines Betriebssystems Windows 3.0, die „Multimedia-Erweiterungen“ enthielt, mit deren Hilfe die Nutzer Bilder ansehen und Klänge anhören, jedoch keine Multimedia-Inhalte kontinuierlich empfangen konnten.

–        1993 brachte Microsoft das Produkt „Video for Windows“ heraus, das den Media Player 2.0 enthielt und den Nutzern die Möglichkeit gab, auf ihrem Client-PC heruntergeladene Videodateien abzuspielen.

–        Im August 1995 brachte Microsoft das Betriebssystem Windows 95 auf den Markt, in das sie später ihren Web-Browser Internet Explorer integrierte, der das Audioabspielprogramm RealAudio Player von RealNetworks enthielt.

–        Im September 1996 veröffentlichte Microsoft die Software NetShow 1.0, die für Windows 95 entwickelt worden war und mit der Ton- und Bildinhalte abgespielt werden konnten, die über interne Netze („Intranet“) verbreitet wurden.

–        Am 21. Juli 1997 gaben Microsoft und RealNetworks den Abschluss einer Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Bereich der kontinuierlichen Medienübertragung bekannt, in deren Rahmen Microsoft u. a. von RealNetworks Lizenzen für die Einbindung der Codecs RealAudio und RealVideo 4.0 in ihre Software NetShow und für die Einbindung des RealPlayer 4.0 in den Internet Explorer erwarb.

–        Im Oktober 1997 kündigte Microsoft an, dass der RealPlayer 4.0 im Internet Explorer 4.0 enthalten sein werde.

–        Am 4. Mai 1998 brachte Microsoft die Betaversion ihrer Software Microsoft Media Player, die über das Internet kontinuierlich übertragene Multimedia-Inhalte abspielen konnte und insbesondere die Formate MPEG, QuickTime, RealAudio und RealVideo unterstützte, sowie die Betaversion ihrer Software Netshow 3.0 Server auf den Markt.

–        Am 25. Juni 1998 brachte Microsoft das Betriebssystem Windows 98 heraus, dessen Installations-CD die Abspielsoftware NetShow 2.0 enthielt, mit der kontinuierlich verbreitete Inhalte empfangen werden konnten; sie gehörte aber nicht zu den Standard-Konfigurationen, die Windows 98 den Nutzern anbot.

–        Am 7. Juli 1998 brachte Microsoft das Medienabspielprogramm Microsoft Windows Media Player 6 (WMP 6) auf den Markt, mit dem Inhalte abgespielt werden konnten, die kontinuierlich über das Internet verbreitet wurden, und das mit den Betriebssystemen Windows 95, Windows 98 und Windows NT 4.0 lief sowie die Formate RealAudio 4.0, RealVideo 4.0, ASF, AVI, WAV, MPEG und QuickTime unterstützte.

–        Am 5. Mai 1999 veröffentlichte Microsoft das Betriebssystem für Client-PCs Windows 98 Second Edition, in das das Abspielprogramm WMP 6 integriert war; dieses Abspielprogramm konnte weder von den Geräteherstellern noch von den Nutzern entfernt werden und wurde auch in die späteren Windows-Versionen – Windows ME, Windows 2000 Professional und Windows XP – integriert.

–        Im August 1999 führte Microsoft die „Windows Media Technologies 4“‑Architektur ein, zu der das Abspielprogramm Windows Media Player, Windows Media Services und Windows Media Tools sowie Microsofts eigene Digital-Rights-Management-Technologie gehörten.

–        Diese Software unterstützte in „nativem Modus“ weder die Formate von RealNetworks noch das QuickTime-Format.

–        Im September 2002 kündigte Microsoft die Betaversion von Windows Media 9 Series an, zu der u. a. das Abspielprogramm WMP 9 gehörte.

838    Microsoft ist der ihr im Rahmen des US-amerikanischen Vergleichs auferlegten Verpflichtung, den Geräteherstellern und den Endverbrauchern die Möglichkeit zu geben, den Zugriff auf ihre Middleware-Produkte zu aktivieren oder zu löschen, mit der Veröffentlichung von Windows 2000 Professional Service Pack 3 am 1. August 2002 und Windows XP Service Pack 1 am 9. September 2002 nachgekommen (Randnr. 315 der angefochtenen Entscheidung).

2.     Erster Klagegrund: Verletzung von Art. 82 EG

839    Der erste Klagegrund, den Microsoft im Rahmen des vorliegenden Fragenkreises geltend macht, besteht aus vier Teilen. Im Rahmen des ersten Teils macht Microsoft geltend, die Kommission habe sich bei der Feststellung einer Ausschlusswirkung für die Marktkonkurrenten auf eine neue und spekulative Theorie gestützt, für die es keine Rechtsgrundlage gebe. Im Rahmen des zweiten Teils trägt sie vor, die Kommission habe die Vorteile des „Architekturkonzepts“ ihres Betriebssystems nicht hinreichend berücksichtigt. Im Rahmen des dritten Teils führt sie aus, die Kommission weise nicht nach, dass ein Verstoß gegen Art. 82 EG, insbesondere Art. 82 Abs. 2 Buchst. d EG, vorliege. Im Rahmen des vierten Teils schließlich macht sie geltend, die Kommission habe die Verpflichtungen aus dem TRIPS-Übereinkommen nicht berücksichtigt.

840    Darüber hinaus macht Microsoft zu Beginn ihres Vorbringens zum vorliegenden Fragenkreis einige Ausführungen zu den Voraussetzungen eines missbräuchlichen Kopplungsgeschäfts.

841    Zunächst wird sich das Gericht mit den in der vorstehenden Randnummer erwähnten Ausführungen befassen. Sodann wird es in Anbetracht der sich insoweit ergebenden Schlussfolgerungen (siehe unten, Randnr. 869) auf die Argumente eingehen, die Microsoft im Rahmen der ersten drei Teile des ersten Klagegrundes geltend macht. Abschließend wird es sich zum vierten Teil dieses Klagegrundes äußern.

a)     Zu den Voraussetzungen eines missbräuchlichen Kopplungsgeschäfts

 Vorbringen der Beteiligten

842    Microsoft trägt unter Bezugnahme auf Randnr. 794 der angefochtenen Entscheidung vor, die Kommission habe ihrer Schlussfolgerung, dass ein missbräuchliches Kopplungsgeschäft vorliege, folgende Kriterien zugrunde gelegt:

–        Erstens handele es sich bei dem Kopplungsprodukt und dem daran gekoppelten Produkt um zwei gesonderte Produkte.

–        Zweitens verfüge das betreffende Unternehmen auf dem Markt für das Kopplungsprodukt über eine beherrschende Stellung.

–        Drittens gebe das genannte Unternehmen den Verbrauchern nicht die Möglichkeit, das Kopplungsprodukt ohne das daran gekoppelte Produkt zu beziehen.

–        Viertens werde durch die fragliche Praxis der Wettbewerb eingeschränkt.

843    Nach Randnr. 961 der angefochtenen Entscheidung habe die Kommission auch den Umstand berücksichtigt, dass das in Rede stehende Kopplungsgeschäft ihres Erachtens nicht objektiv gerechtfertigt gewesen sei.

844    Diese verschiedenen Kriterien wichen in zweierlei Hinsicht von den in Art. 82 Abs. 2 Buchst. d EG vorgesehenen Voraussetzungen ab.

845    Zum einen habe die Kommission das Kriterium „der an den Abschluss von Verträgen geknüpften Bedingung, dass die Vertragspartner zusätzliche Leistungen annehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen“, durch die Voraussetzung ersetzt, dass das beherrschende Unternehmen „den Verbrauchern nicht die Möglichkeit [gibt], das Kopplungsprodukt ohne das gekoppelte Produkt zu beziehen“.

846    Zum anderen habe die Kommission eine zusätzliche, im Ausschluss der Konkurrenten vom Markt bestehende Voraussetzung aufgestellt, die in Art. 82 Abs. 2 Buchst. d EG nicht ausdrücklich vorgesehen sei und normalerweise bei der Prüfung, ob ein missbräuchliches Kopplungsgeschäft vorliege, nicht berücksichtigt werde. Genauer gesagt habe die Kommission zunächst in Randnr. 841 der angefochtenen Entscheidung eingeräumt, dass der vorliegende Fall kein „klassischer Fall des Kopplungsgeschäfts“ sei, dann aber die Auffassung vertreten, dass eine Ausschlusswirkung für die Marktkonkurrenten bestehe, und zwar unter Heranziehung der neuen und „sehr spekulativen“ Theorie, dass die weite Verbreitung der Multimediafunktionalität von Windows die Inhalteanbieter zwingen würde, ihre Inhalte in den Windows-Media-Formaten zu kodieren, was zur Folge hätte, dass alle konkurrierenden Medienabspielprogramme vom Markt ausgeschlossen und die Verbraucher dann mittelbar gezwungen würden, nur die genannte Multimediafunktionalität zu nutzen.

847    Überdies sei die angefochtene Entscheidung widersprüchlich, da die Kommission in Randnr. 792 feststelle, dass vorliegend die Voraussetzungen des Art. 82 Abs. 2 Buchst. d EG erfüllt seien, zugleich aber Voraussetzungen berücksichtige, die davon abwichen.

848    Die ACT meint, die Kommission habe bei der Feststellung, dass ein missbräuchliches Kopplungsgeschäft vorliege, drei unterschiedliche Kategorien von Voraussetzungen berücksichtigt, nämlich erstens die Voraussetzungen nach Art. 82 Abs. 2 Buchst. d EG, zweitens die Voraussetzungen nach Art. 82 EG im Allgemeinen und drittens die vier in Randnr. 794 der angefochtenen Entscheidung genannten Voraussetzungen. Unabhängig davon, welche Kategorie von Voraussetzungen angewandt werde, sei die Beurteilung der Kommission fehlerhaft.

849    Die Kommission macht unter Bezugnahme auf Randnr. 831 der angefochtenen Entscheidung geltend, das in Rede stehende Kopplungsgeschäft verstoße gegen „Art. 82 [EG] im Allgemeinen und Art. 82 [Abs. 2] Buchst. d [EG] im Besonderen“. Sie habe diese beiden Vorschriften angesichts des Vorbringens von Microsoft im Verwaltungsverfahren und um „jeden Zweifel auszuschließen“ und „eine semantische Debatte über die Auslegung [von Art. 82 Abs. 2] Buchst. d [EG] zu vermeiden“, zusammen angeführt. Die Voraussetzungen, aufgrund deren sie im vorliegenden Fall zu dem Schluss gekommen sei, dass ein missbräuchliches Kopplungsgeschäft vorliege, stimmten mit den von der Rechtsprechung anerkannten Voraussetzungen überein.

 Würdigung durch das Gericht

850    Nach Ansicht des Gerichts ist das Vorbringen von Microsoft rein semantischer Natur und kann nicht durchgreifen.

851    Insoweit ist daran zu erinnern, wie die Kommission in der angefochtenen Entscheidung ihre Argumentation bezüglich des missbräuchlichen Kopplungsgeschäfts strukturiert.

852    In Randnr. 794 dieser Entscheidung führt sie aus, ein Kopplungsgeschäft im Sinne des Art. 82 EG setze voraus, dass die vier oben in Randnr. 842 genannten Kriterien erfüllt seien.

853    Sodann prüft sie das Microsoft zur Last gelegte Verhalten im Lichte dieser vier Kriterien (Randnrn. 799 bis 954 der angefochtenen Entscheidung).

854    Sie weist erstens darauf hin, dass Microsoft auf dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs über eine beherrschende Stellung verfüge (Randnr. 799 der angefochtenen Entscheidung). Dies wird von Microsoft nicht bestritten.

855    Zweitens seien die Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten und die Betriebssysteme für Client-PCs zwei gesonderte Produkte (Randnrn. 800 bis 825 der angefochtenen Entscheidung).

856    Drittens gebe Microsoft den Verbrauchern nicht die Möglichkeit, ihr Windows-Betriebssystem für Client-PCs ohne den Windows Media Player zu erwerben (Randnrn. 826 bis 834 der angefochtenen Entscheidung).

857    Viertens beeinträchtige der Kopplungsverkauf des Windows Media Player den Wettbewerb auf dem Markt der Medienabspielprogramme (Randnrn. 835 bis 954 der angefochtenen Entscheidung). Insoweit sei insbesondere darauf hinzuweisen, dass die Kommission und die Gemeinschaftsgerichte bei den klassischen Kopplungsgeschäften „die Ausschlusswirkung für konkurrierende Verkäufer im Fall der Bündelung eines gesonderten Produkts mit dem marktbeherrschenden Produkt als gegeben ansahen“ (Randnr. 841 der angefochtenen Entscheidung). Vorliegend gebe es jedoch gute Gründe dafür, nicht ohne nähere Prüfung davon auszugehen, dass der Kopplungsverkauf des Windows Media Player ein Verhalten sei, das seinem Wesen nach auf eine Einschränkung des Wettbewerbs hindeute (ibid.). Durch die Kopplung des Windows Media Player mit dem marktbeherrschenden Betriebssystem Windows werde der Windows Media Player die bevorzugte Plattform für ergänzende Inhalte und Anwendungen, was wiederum die Gefahr einer Einschränkung des Wettbewerbs auf dem Markt der Medienabspielprogramme mit sich bringe (Randnr. 842 der angefochtenen Entscheidung). Dies habe „Auswirkungen auf den Wettbewerb bei verwandten Produkten wie der Software zur Medienkodierung und ‑verwaltung (oft serverseitig), aber auch bei den Betriebssystemen für Client-PCs, für die Medienabspielprogramme, die mit Qualitätsinhalten kompatibel sind, eine wichtige Anwendung darstellen“ (ibid.).

858    Schließlich prüft die Kommission das Vorbringen, mit dem Microsoft nachzuweisen versucht, dass das ihr zur Last gelegte missbräuchliche Verhalten objektiv gerechtfertigt sei (Randnrn. 955 bis 970 der angefochtenen Entscheidung).

859    Diese von der Kommission durchgeführte Prüfung der Bestandteile eines Kopplungsgeschäfts ist zutreffend und steht sowohl mit Art. 82 EG als auch mit der Rechtsprechung in Einklang. Zu Recht stützte die Kommission sich bei der Beurteilung der Frage, ob das Microsoft zur Last gelegte Verhalten ein missbräuchliches Kopplungsgeschäft darstellt, auf die in Randnr. 794 der angefochtenen Entscheidung dargelegten Voraussetzungen sowie auf den Umstand, dass das Kopplungsgeschäft objektiv nicht gerechtfertigt war. Die genannten Voraussetzungen lassen sich nicht nur aus dem Begriff des Kopplungsgeschäfts selbst, sondern auch aus der Rechtsprechung herleiten (vgl. insbesondere Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1991, Hilti/Kommission, T‑30/89, Slg. 1991, II‑1439, bestätigt durch Urteil des Gerichtshofs vom 2. März 1994, Hilti/Kommission, C‑53/92 P, Slg. 1994, I‑667, sowie Urteile vom 6. Oktober 1994 und vom 14. November 1996, Tetra Pak/Kommission, oben in Randnr. 293 angeführt).

860    Die Aufzählung der missbräuchlichen Verhaltensweisen in Art. 82 Abs. 2 EG ist nicht abschließend, so dass es sich bei den dort genannten Verhaltensweisen nur um Beispiele für den Missbrauch einer beherrschenden Stellung handelt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. November 1996, Tetra Pak/Kommission, oben in Randnr. 293 angeführt, Randnr. 37). Denn nach ständiger Rechtsprechung enthält diese Bestimmung keine erschöpfende Aufzählung der Formen der nach dem EG-Vertrag verbotenen missbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung (Urteil des Gerichtshofs vom 21. Februar 1973, Europemballage und Continental Can/Kommission, 6/72, Slg. 1973, 215, Randnr. 26, und Urteil Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, oben in Randnr. 229 angeführt, Randnr. 112).

861    Hieraus folgt, dass ein Kopplungsgeschäft eines Unternehmens in beherrschender Stellung auch dann gegen Art. 82 EG verstoßen kann, wenn es nicht dem in Art. 82 Abs. 2 Buchst. d EG aufgeführten Beispiel entspricht. Die Kommission war daher berechtigt, ihrer Feststellung, dass ein missbräuchliches Kopplungsgeschäft vorliege, in der angefochtenen Entscheidung Art. 82 EG insgesamt und nicht nur Art. 82 Abs. 2 Buchst. d EG zugrunde zu legen.

862    Jedenfalls ist festzustellen, dass sich die von der Kommission in Randnr. 794 der angefochtenen Entscheidung angegebenen Bestandteile eines missbräuchlichen Kopplungsgeschäfts im Wesentlichen mit den Voraussetzungen nach Art. 82 Abs. 2 Buchst. d EG decken.

863    In diesem Zusammenhang ist das Vorbringen von Microsoft zurückzuweisen, wonach die Kommission im vorliegenden Fall Voraussetzungen zugrunde gelegt habe, die in zweierlei Hinsicht von den in Art. 82 Abs. 2 Buchst. d EG vorgesehenen Voraussetzungen abwichen.

864    Mit der Darlegung, dass zu prüfen sei, ob das beherrschende Unternehmen „den Verbrauchern nicht die Möglichkeit [gibt], das Kopplungsprodukt auch ohne das gekoppelte Produkt zu beziehen“, bringt die Kommission nur mit anderen Worten zum Ausdruck, dass der Begriff des Kopplungsgeschäfts voraussetzt, dass die Verbraucher unmittelbar oder mittelbar gezwungen werden, „zusätzliche Leistungen“ der in Art. 82 Abs. 2 Buchst. d EG genannten Art anzunehmen.

865    Wie nachfolgend in den Randnrn. 962 und 965 näher ausgeführt wird, wird im vorliegenden Fall dieser Zwang hauptsächlich zunächst auf die Gerätehersteller ausgeübt, die ihn dann an den Endnutzer weitergeben. Der Endnutzer unterliegt diesem Zwang unmittelbar in den weniger häufigen Fällen, in denen er ein Windows-Betriebssystem für Client-PCs nicht über den Gerätehersteller, sondern direkt im Einzelhandel erwirbt.

866    Es kann auch nicht behauptet werden, dass die Kommission für die Feststellung des Vorliegens eines missbräuchlichen Kopplungsgeschäfts im Sinne des Art. 82 Abs. 2 Buchst. d EG eine neue, im Ausschluss der Konkurrenten vom Markt liegende Voraussetzung eingeführt habe.

867    Zum einen enthält zwar weder diese Bestimmung noch Art. 82 EG allgemein eine Bezugnahme auf die wettbewerbswidrige Wirkung der betreffenden Vorgehensweise, doch wird eine Verhaltensweise grundsätzlich nur dann als missbräuchlich angesehen, wenn sie den Wettbewerb beschränken kann (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 30. September 2003, Michelin/Kommission, T‑203/01, Slg. 2003, II‑4071, im Folgenden: Urteil Michelin II, Randnr. 237).

868    Zum anderen kann, wie nachfolgend in den Randnrn. 1031 bis 1058 genauer dargelegt wird, nicht behauptet werden, die Kommission habe ihre Schlussfolgerung, dass vorliegend eine Ausschlusswirkung für die Marktkonkurrenten bestehe, auf eine neue und sehr spekulative Theorie gestützt. Wie sich aus Randnr. 841 der angefochtenen Entscheidung ergibt, war die Kommission der Auffassung, dass sie sich angesichts der spezifischen Umstände des vorliegenden Falls nicht – wie sonst normalerweise in den Fällen missbräuchlicher Kopplungsgeschäfte – auf die Erwägung beschränken dürfe, dass der gekoppelte Verkauf eines bestimmten Produkts und eines beherrschenden Produkts per se eine Ausschlusswirkung auf dem Markt habe. Sie unterzog daher die konkreten Auswirkungen, die durch das fragliche Kopplungsgeschäft bereits auf dem Markt der Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten entstanden waren, sowie die mutmaßliche weitere Entwicklung dieses Markts einer näheren Prüfung.

869    Nach alledem sind bei der Beurteilung des fraglichen Kopplungsgeschäfts die vier in Randnr. 794 der angefochtenen Entscheidung genannten Voraussetzungen (siehe oben, Randnr. 842) sowie die Voraussetzung des Fehlens einer objektiven Rechtfertigung heranzuziehen.

870    Die zweite in Randnr. 794 der angefochtenen Entscheidung genannte Voraussetzung ist als erfüllt anzusehen, da Microsoft unstreitig über eine beherrschende Stellung auf dem Markt des als Kopplungsprodukt eingestuften Betriebssystems für Client-PCs verfügt. Die Argumente, die Microsoft im Rahmen der ersten drei Teile des ersten Klagegrundes geltend macht (siehe oben, Randnr. 839), sind in Verbindung mit den vier anderen Voraussetzungen eines missbräuchlichen Kopplungsgeschäfts zu prüfen. Bei dieser Prüfung wird das Gericht wie folgt vorgehen. Erstens wird es unter Berücksichtigung der Erwägungen, die Microsoft im Rahmen des zweiten und des dritten Teils anstellt, klären, ob zwei gesonderte Produkte vorliegen. Zweitens wird es unter Berücksichtigung der Argumente, die Microsoft zur Stützung des dritten Teils vorbringt, prüfen, ob der Abschluss von Verträgen von zusätzlichen Leistungen abhängig ist. Drittens wird es sich unter Berücksichtigung der Erwägungen, die Microsoft im Rahmen des ersten Teils anstellt, mit der Voraussetzung einer Beschränkung des Wettbewerbs auf dem Markt befassen. Viertens wird es unter Berücksichtigung insbesondere des Vorbringens, das Microsoft im Rahmen des zweiten Teils geltend macht, die von ihr angeführten objektiven Rechtfertigungen prüfen.

871    Der vierte Teil, mit dem gerügt wird, dass die Verpflichtungen der Gemeinschaften aus dem TRIPS-Übereinkommen nicht berücksichtigt worden seien, wird zuletzt geprüft.

b)     Zum Vorliegen von zwei gesonderten Produkten

 Angefochtene Entscheidung

872    Die Kommission prüft diese erste Voraussetzung in den Randnrn. 800 bis 825 der angefochtenen Entscheidung. Ihre Analyse besteht aus drei Teilen. Erstens befasst sie sich mit dem Nachweis, dass die Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten und die Betriebssysteme für Client-PCs gesonderte Produkte darstellen (Randnrn. 800 bis 813 der angefochtenen Entscheidung). Zweitens weist sie das Argument von Microsoft zurück, sie habe mit der Kopplung ihrer Medienabspieltechnologie an ihr Windows-Betriebssystem vor 1999 begonnen (Randnrn. 814 bis 820 der angefochtenen Entscheidung). Drittens weist sie das Vorbringen von Microsoft zurück, der gekoppelte Verkauf eines Medienabspielprogramms mit Datenstrom-Kapazitäten und eines Betriebssystems sei übliche Handelspraxis (Randnrn. 821 bis 824 der angefochtenen Entscheidung).

873    Im ersten Teil ihrer Analyse legt die Kommission erstens dar, dass nach der Rechtsprechung die Existenz unabhängiger Hersteller, die sich auf die Herstellung des gekoppelten Produkts spezialisiert hätten, auf das Vorhandensein einer gesonderten Nachfrage der Verbraucher und somit eines gesonderten Markts für das genannte Produkt hindeute (Randnr. 802 der angefochtenen Entscheidung). Sie ist daher der Auffassung, dass im Rahmen einer Analyse nach Art. 82 EG die Frage, ob es sich um gesonderte Produkte handele, unter Berücksichtigung der Verbrauchernachfrage beurteilt werden müsse, da keine gesonderten Produkte vorlägen, wenn es keine unabhängige Nachfrage nach einem mutmaßlich gekoppelten Produkt gebe (Randnr. 803 der angefochtenen Entscheidung).

874    Zweitens weist die Kommission darauf hin, dass „der Markt Medienabspielprogramme getrennt anbietet“ und dass es Anbieter gebe, die eigenständige, betriebssystemunabhängige Medienabspielprogramme entwickelten und lieferten (Randnr. 804 der angefochtenen Entscheidung).

875    Drittens verweist sie auf die Praxis von Microsoft, Versionen ihres Windows Media Player für die Betriebssysteme Mac von Apple und Solaris von Sun zu entwickeln und zu vertreiben (Randnr. 805 der angefochtenen Entscheidung). Auch bringe Microsoft verbesserte Versionen ihres Abspielprogramms unabhängig von neuen oder verbesserten Versionen der Windows-Betriebssysteme auf den Markt (ibid.).

876    Viertens entscheide sich eine nicht unerhebliche Zahl von Verbrauchern, Medienabspielprogramme getrennt von ihrem Betriebssystem zu erwerben, darunter das Abspielprogramm RealPlayer von RealNetworks, einem Unternehmen, das keine Betriebssysteme entwickele oder verkaufe (Randnr. 806 der angefochtenen Entscheidung).

877    Fünftens benötigten oder wollten einige Nutzer von Betriebssystemen gar kein Medienabspielprogramm (Randnr. 807 der angefochtenen Entscheidung).

878    Sechstens sei das Vorbringen von Microsoft zurückzuweisen, dass es keine wesentliche Nachfrage nach Betriebssystemen ohne Medienabspieltechnologien gebe (Randnr. 809 der angefochtenen Entscheidung).

879    Siebtens werbe Microsoft unabhängig vom Betriebssystem speziell für den Windows Media Player (Randnr. 810 der angefochtenen Entscheidung).

880    Achtens unterschieden sich die Betriebssysteme für Client-PCs und die Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten auch in ihrer Funktionsweise (Randnr. 811 der angefochtenen Entscheidung).

881    Neuntens seien bei den beiden Produkten unterschiedliche Branchenstrukturen „involviert“, was sich daran zeige, dass Microsoft auf dem Markt der Medienabspielprogramme weiterhin eine Reihe von Konkurrenten habe, während der Marktanteil ihrer Konkurrenten bei den Betriebssystemen für Client-PCs unbedeutend sei (Randnr. 812 der angefochtenen Entscheidung). Zudem sei auch das Preisniveau beider Produkte verschieden (ibid.).

882    Zehntens unterschieden sich die von Microsoft verwendeten „Software Developer’s Kit-Lizenzen“ (im Folgenden: SDK-Lizenzen) danach, ob das „Software Developer’s Kit“ (Softwareentwicklerwerkzeug, im Folgenden: SDK) das Windows-Betriebssystem oder die Windows-Medientechnologien betreffe (Randnr. 813 der angefochtenen Entscheidung).

883    Im Rahmen des zweiten Teils ihrer Analyse macht die Kommission geltend, das Vorbringen von Microsoft, ihre Medienabspieltechnologie sei seit 1992 mit Windows gekoppelt, könne ihre Schlussfolgerung, dass es sich um zwei gesonderte Produkte handele, nicht entkräften. Sie weist insbesondere darauf hin, dass sie „das Verhalten von Microsoft seit dem Zeitpunkt beanstandet, zu dem die nachteiligen Auswirkungen der Kopplung zunahmen“. So habe Microsoft 1999 „ein Produkt (WMP 6) gekoppelt …, das hinsichtlich der wesentlichen Funktionalität, die viele Kunden von einem Medienabspielprogramm erwarteten (kontinuierlicher Empfang von Inhalten über das Internet), dem Produkt anderer Anbieter entsprach und mit dem Microsoft 1998 in den Markt der Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten eingestiegen war“ (Randnr. 816 der angefochtenen Entscheidung). Das erste Medienabspielprogramm mit Datenstrom-Kapazitäten, das Microsoft 1995 zusammen mit Windows vertrieben habe, sei der RealAudio Player von RealNetworks gewesen, da Microsoft selbst damals noch kein „markttaugliches“ Medienabspielprogramm besessen habe (Randnr. 817 der angefochtenen Entscheidung). Es sei jedoch möglich gewesen, den Softwarecode des RealAudio Player vollständig zu deinstallieren (ibid.).

884    Im Rahmen des dritten Teils ihrer Analyse weist die Kommission das Vorbringen von Microsoft zurück, dass die Kopplung eines Medienabspielprogramms mit Datenstrom-Kapazitäten an ein Betriebssystem für Client-PCs übliche Handelspraxis sei. Erstens lasse dieses Vorbringen außer Acht, dass es unabhängige Anbieter des gekoppelten Produkts gebe, zweitens koppelten Sun und die Anbieter von Linux nicht ihre eigenen Medienabspielprogramme, sondern die Medienabspielprogramme dritter Anbieter, und drittens verbinde kein Betriebssystemanbieter das Medienabspielprogramm so mit dem Betriebssystem, dass es nicht deinstalliert werden könne (Randnr. 823 der angefochtenen Entscheidung).

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

885    Microsoft macht, unterstützt von der CompTIA, DMDsecure u. a., der ACT, TeamSystem, Mamut und Exor, zunächst geltend, in der angefochtenen Entscheidung werde nicht dargetan, dass Windows und dessen Multimediafunktionalität zwei gesonderten Produktmärkten angehörten.

886    Die Multimediafunktionalität sei „seit langem ein Merkmal des Windows-Betriebssystems“. In Windows unterscheide sich der Softwarecode, der es den Nutzern ermögliche, Ton- und Bildinhalte abzuspielen, in keiner Weise von dem Code, der ihnen Zugang zu anderen Informationsarten wie Texten oder Grafiken verschaffe. Zudem setzten andere Teile von Windows und von Anwendungen Dritter, die unter diesem Betriebssystem liefen, denselben Softwarecode ein.

887    Die Kommission befasse sich in der Entscheidung nur mit der Frage, ob das angeblich gekoppelte Produkt – die Multimediafunktionalität – getrennt von dem angeblichen Kopplungsprodukt – dem Betriebssystem für Client-PCs – verfügbar sei. In Wirklichkeit sei die Frage angebracht, ob das letztgenannte Produkt regelmäßig ohne das gekoppelte Produkt angeboten werde. Es gebe aber keine wirkliche Verbrauchernachfrage nach einem Betriebssystem für Client-PCs ohne Multimediafunktionalität, und kein Wirtschaftsteilnehmer bringe daher ein solches Betriebssystem auf den Markt.

888    Die Kommission bestrafe beherrschende Unternehmen, die ihre Produkte durch Integration neuer Funktionalitäten verbesserten, wenn sie verlange, dass es möglich sein müsse, diese Funktionalitäten zu entfernen, sobald ein Drittunternehmen ein gesondertes Produkt auf den Markt bringe, das dieselben oder ähnliche Funktionalitäten biete.

889    Die Auffassung der Kommission sei umso weniger akzeptabel, als der angebliche Missbrauch nicht in der Integration der Multimediafunktionalität in Windows – die auf das Jahr 1992 zurückgehe und seither ständig verbessert worden sei –, sondern darin liege, dass Microsoft 1999 die Multimediafunktionalität verbessert habe, als sie ihre eigene Datenstrom-Kapazität hinzugefügt habe. Mit anderen Worten stelle die Kommission die Integration der Multimediafunktionalität nur insoweit in Frage, als sie es ermögliche, Ton- und Bildinhalte aus dem Internet abzuspielen, bevor sie vollständig heruntergeladen seien.

890    Alle übrigen wichtigen Betriebssysteme für Client-PCs, insbesondere Mac OS, Linux, OS/2 und Solaris, enthielten eine Multimediafunktionalität, mit der kontinuierlich aus dem Internet übertragene Inhalte abgespielt werden könnten. Alle ihre Konkurrenten seien der Auffassung, dass die Integration dieser Funktionalität in die Betriebssysteme für Client-PCs eine übliche Handelspraxis darstelle, die der Verbrauchernachfrage entspreche. Dies zeige, dass die Datenstrom-Kapazität eine „natürliche Funktion“ der Betriebssysteme für Client-PCs und kein gesondertes Produkt sei. In diesem Zusammenhang sei hervorzuheben, dass „ein Produkt in erster Linie anhand der Erwartungen und Forderungen der Verbraucher definiert werden sollte“. Nach den Feststellungen in Randnr. 824 der angefochtenen Entscheidung gehe die Kommission aber offensichtlich davon aus, dass es gerade der Wunsch der Verbraucher sei, die Betriebssysteme mit einer Multimediafunktionalität auszustatten.

891    Die Kommission räume in Randnr. 1013 der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich ein, dass Microsoft nicht missbräuchlich gehandelt hätte, wenn sie 1999 zum selben Preis zwei Windows-Versionen angeboten hätte, eine mit dem Windows Media Player und eine ohne ihn. Es werde aber durch nichts bewiesen, dass es für eine Windows-Version mit weniger Leistungsmerkmalen für denselben Preis eine Nachfrage gegeben hätte. Auch diese fehlende Nachfrage zeige, dass „Windows mit Multimediafunktionalität“ ein einziges Produkt sei.

892    Ferner macht Microsoft, in diesem Punkt unterstützt durch DMDsecure u. a. und die ACT, geltend, die Kommission könne ihre Auffassung, dass Windows und dessen Multimediafunktionalität zwei gesonderten Produktmärkten angehörten, nicht auf das oben in Randnr. 293 angeführte Urteil Tetra Pak II sowie die oben in Randnr. 895 angeführten Urteile vom 12. Dezember 1991 und vom 2. März 1994, Hilti/Kommission (im Folgenden: Rechtssache Hilti), stützen. Zum einen sei es in diesen Rechtssachen um Verbrauchsgüter gegangen, die in langlebigen Geräten während deren jeweiliger Lebensdauer verwendet worden und von ihnen „physisch gesondert“ gewesen seien. Im Unterschied zum vorliegenden Fall habe in den beiden genannten Rechtssachen nachweislich eine Nachfrage nach dem Kopplungsprodukt ohne das gekoppelte Produkt bestanden. Vorliegend habe die Kommission keinen einzigen Kunden genannt, der das angebliche Kopplungsprodukt ohne das angeblich gekoppelte Produkt hätte erwerben wollen.

893    Schließlich wendet sich Microsoft gegen bestimmte Argumente, die die Kommission in ihrer Klagebeantwortung als Beleg dafür vorgebracht hat, dass Windows ein gegenüber Windows Media Player gesondertes Produkt darstelle. Erstens seien die amerikanischen Gerichte nie zu dem Ergebnis gekommen, dass das genannte Abspielprogramm einem anderen Markt angehöre als das Windows-Betriebssystem. Zweitens beweise der Umstand, dass sie Windows Media Player-Versionen getrennt von Windows auf den Markt bringe, nicht, dass eine Nachfrage nach Windows ohne Windows Media Player bestehe. Diese Versionen seien zudem bloße Aktualisierungen der in Windows enthaltenen Multimediafunktionalität. Drittens sei die Behauptung der Kommission, dass die Dateien, aus denen der Windows Media Player bestehe, leicht zu identifizieren seien, unerheblich. Sie sei außerdem unzutreffend.

894    Die Kommission lege auch nicht dar, dass die Multimediafunktionalität nicht aufgrund ihres Wesens oder aufgrund von Handelsbräuchen mit den Betriebssystemen für Client-PCs verknüpft sei.

895    Die Integration der Multimediafunktionalität stelle einen „normalen Schritt“ in der Entwicklung der genannten Betriebssysteme dar, was dadurch bestätigt werde, dass alle Anbieter dieser Systeme eine solche Funktionalität in ihre Produkte einbezögen. Microsoft sei ständig bemüht, Windows entsprechend dem technologischen Fortschritt und der Entwicklung der Verbrauchernachfrage zu verbessern, und Windows und die anderen Betriebssysteme für Client-PCs seien im Lauf der Zeit so weiterentwickelt worden, dass sie ein zunehmend größeres Spektrum an Dateien unterstützen könnten. Für die Softwareentwickler und die Verbraucher bestehe kein grundlegender Unterschied zwischen Dateien, die Text oder Grafik enthielten, und Dateien, die Töne oder Bilder zum Inhalt hätten. Tatsächlich werde von einem modernen Betriebssystem erwartet, dass beide Dateiformen unterstützt würden.

896    Die Betriebssysteme und die Multimediafunktionalitäten seien auch aufgrund des Handelsbrauchs eine „enge Verbindung“ eingegangen. Microsoft habe die Multimediafunktionalität 1992 in Windows integriert und seither ständig verbessert. Die 1999 hinzugekommene Datenstrom-Kapazität sei nur eine von zahlreichen Ergänzungen gewesen, die sie vorgenommen habe, um mit dem schnellen Wandel der Technologie Schritt zu halten.

897    Die Kommission könne sich schließlich nicht auf die Feststellung des Gerichtshofs in Randnr. 37 seines oben in Randnr. 293 angeführten Urteils vom 14. November 1996, Tetra Pak/Kommission, berufen, wonach der Kopplungsverkauf von zwei Erzeugnissen auch dann, wenn er dem Handelsbrauch entspreche, einen Missbrauch im Sinne von Art. 82 EG darstellen könne, es sei denn, dass er objektiv gerechtfertigt sei. Anders als in der Rechtssache Tetra Pak II würden die Anbieter der Medienabspielprogramme von Drittunternehmen im vorliegenden Fall dadurch, dass die Multimediafunktionalität in Windows enthalten sei, nicht vom Markt ausgeschlossen.

898    In der Erwiderung fügt Microsoft hinzu, das Vorbringen der Kommission, wonach Unternehmen in beherrschender Stellung das Recht zu bestimmten Verhaltensweisen abgesprochen werden könne, die bei Unternehmen ohne beherrschende Stellung nicht zu beanstanden wären, und wonach unter bestimmten Umständen eine Berufung auf die branchenübliche Praxis nicht zulässig sei, sei für die Frage, ob die Kommission dargetan habe, dass die Voraussetzungen des Art. 82 EG Abs. 2 Buchst. d EG erfüllt seien, unerheblich.

899    Die Kommission, unterstützt durch die SIIA, hält die Behauptung von Microsoft, in der angefochtenen Entscheidung werde nicht dargelegt, dass Windows und dessen „Multimediafunktionalität“ zwei gesonderten Märkten angehörten, für falsch.

900    Sie weist vorab darauf hin, dass das Vorbringen von Microsoft auf einem „unscharfen Begriff von ‚Multimediafunktionalität‘“ beruhe. Was Microsoft als „Multimediafunktionalität“ bezeichne, sei kein allgemeiner und unteilbarer Codeblock. In der Praxis unterscheide Microsoft selbst zwischen der dem Betriebssystem zugrunde liegenden Multimedia-Infrastruktur, die als Plattform für die Multimedia-Anwendungen diene und grundlegende Systemdienste für das übrige Betriebssystem erbringe, und der Medienabspielprogramm-Anwendung, die auf dem Betriebssystem aufsetze und heruntergeladene oder über das Internet kontinuierlich übertragene digitale Audio- und Videodateien decodiere, dekomprimiere und abspiele. Ein Beispiel hierfür sei das Microsoft-Produkt „Windows XP Embedded“. Die angefochtene Entscheidung beziehe sich auf den gekoppelten Verkauf des Medienabspielprogramms mit Datenstrom-Kapazitäten „Windows Media Player“ durch Microsoft, nicht aber auf die zugrundeliegende Multimedia-Infrastruktur.

901    Wie in Randnr. 802 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt werde, habe der Gemeinschaftsrichter festgestellt, dass die Existenz unabhängiger Hersteller, die sich auf die Herstellung des gekoppelten Produkts spezialisiert hätten, darauf hindeute, dass es eine gesonderte Nachfrage der Verbraucher und somit einen gesonderten Markt für das gekoppelte Produkt gebe. Die von Microsoft vorgenommene Unterscheidung zwischen der vorliegenden Rechtssache und den Rechtssachen Tetra Pak II und Hilti, die darauf beruhe, dass die letztgenannten Rechtssachen Verbrauchsgüter beträfen, die von den Geräten, mit denen sie verwendet würden, physisch gesondert seien, sei nicht überzeugend. Die in den letztgenannten Rechtssachen ergangenen Urteile (siehe oben, Randnrn. 293 und 859) könnten nicht dahin ausgelegt werden, dass die Anwendung des Art. 82 EG auf den gekoppelten Verkauf von Verbrauchsgütern beschränkt werden müsse.

902    Dem Vorbringen von Microsoft, dass die Kommission hätte prüfen müssen, ob eine Nachfrage nach dem Kopplungsprodukt ohne das gekoppelte Produkt bestehe, könne nicht gefolgt werden, denn ihm liege die unzutreffende Annahme zugrunde, dass komplementäre Produkte keine gesonderten Produkte im Sinne des Art. 82 EG darstellen könnten. Die amerikanischen Gerichte hätten ähnliche Argumente, die Microsoft dort vorgebracht habe, zurückgewiesen und stets die Auffassung vertreten, dass es für die Intel-kompatiblen Betriebssysteme für Client-PCs einen gesonderten Markt gebe, und „Middleware“-Produkte (zu denen der Windows Media Player gehöre) von diesem Markt ausgeschlossen.

903    Die Handelspraxis von Microsoft, die darin bestehe, Windows Media Player-Versionen für die Betriebssysteme Mac von Apple und Solaris von Sun und sogar für andere Plattformen als Client-PCs – u. a. für Fernsehdecoder – zu entwickeln und zu vertreiben, sei ein weiterer Hinweis dafür, dass Betriebssysteme für Client-PCs und Medienabspielprogramme nicht einfach Bestandteile desselben Produkts seien (Randnr. 805 der angefochtenen Entscheidung). Darüber hinaus bringe Microsoft Erweiterungen für den Windows Media Player unabhängig von neuen oder verbesserten Versionen der Windows-Betriebssysteme auf den Markt, mache speziell für den Windows Media Player Werbung und wende verschiedene SDK-Lizenzvereinbarungen an, je nachdem, ob das SDK Windows oder Windows Media-Technologien betreffe (Randnrn. 805 und 913 der angefochtenen Entscheidung).

904    Besondere Bedeutung komme im Übrigen der speziellen Rolle der Gerätehersteller zu, die in ihren Beziehungen zu den Softwareanbietern als Zwischenhändler für die Endnutzer tätig würden und diesen durch die Zusammenstellung von Hardware, Client-PC‑Betriebssystem und Anwendungen entsprechend ihrer Nachfrage ein „gebrauchsfertiges“ Produkt lieferten (Randnrn. 68 und 119 der angefochtenen Entscheidung). Die meisten Verkäufe von Microsofts Betriebssystemen für Client-PCs (75 %) fänden über die Gerätehersteller statt. Dass die Verbraucher einen Computer erwerben wollten, auf dem ein Abspielprogramm vorinstalliert sei, zwinge Microsoft nicht dazu, ihr Medienabspielprogramm mit dem PC‑Betriebssystem zu koppeln. Um einer solchen Nachfrage der Verbraucher nachzukommen, könnten die Gerätehersteller auf den von ihnen verkauften Client-PCs ein Medienabspielprogramm installieren, genauso wie sie die Einbeziehung weiterer Softwareanwendungen anböten. Microsofts Vorbringen, wonach für ein Windows-Betriebssystem ohne Medienabspielprogramm keine Nachfrage bestehe, verkenne die oben dargelegte Rolle der Gerätehersteller.

905    Aus den der Kommission vorliegenden Beweisen gehe hervor, dass die Nutzer von Betriebssystemen nicht zwangsläufig wollten, dass die Betriebssysteme mit einem Medienabspielprogramm mit Datenstrom-Kapazitäten versehen seien (Randnr. 807 der angefochtenen Entscheidung), und dass, „wenn sie ein Medienabspielprogramm wollen, ihre Nachfrage nach Medienabspielprogrammen mit Datenstrom-Kapazitäten von der Nachfrage nach Betriebssystemen zu trennen ist“.

906    Wie sich aus den Randnrn. 814 bis 820 der angefochtenen Entscheidung ergebe, sei Microsofts Behauptung, wonach der angebliche Missbrauch das Ergebnis von Verbesserungen sei, die sie 1999 an der Multimediafunktionalität vorgenommen habe, irreführend.

907    Dem Argument von Microsoft, andere Anbieter von Betriebssystemen gingen genauso vor wie sie, sei entgegenzuhalten, dass Kopplungsverkäufe unterschiedliche Auswirkungen hätten, je nachdem, ob sie von einem beherrschenden oder einem anderen Unternehmen praktiziert würden. Auch einige Anbieter von Betriebssystemen, wie Sun und die Linux-Anbieter, bündelten ihr Betriebssystem nicht mit ihrem eigenen Medienabspielprogramm, sondern mit einem Abspielprogramm unabhängiger Anbieter, und sie bauten das betreffende Programm nicht so in ihr Betriebssystem ein, dass es sich nicht mehr entfernen lasse (Randnrn. 822 und 823 der angefochtenen Entscheidung).

908    Weder in Randnr. 1013 noch an irgendeiner anderen Stelle der angefochtenen Entscheidung werde eingeräumt, dass Microsoft nicht missbräuchlich gehandelt hätte, wenn sie 1999 zum selben Preis zwei Windows-Versionen angeboten hätte, eine mit dem Windows Media Player und eine ohne ihn. Sollte Microsoft nunmehr beschließen, die ungebündelte Windows-Version zum selben Preis wie die gebündelte Version anzubieten, so würde die Kommission diese Praxis unter Berücksichtigung der aktuellen Marktlage und der Microsoft auferlegten Verpflichtung, sich jeder Maßnahme mit gleicher Wirkung wie ein Kopplungsgeschäft zu enthalten, prüfen und gegebenenfalls eine neue Entscheidung nach Art. 82 EG treffen.

909    Schließlich sei die Behauptung von Microsoft unzutreffend, es sei nicht dargetan worden, dass die Multimediafunktionalität von Windows nicht aufgrund ihres Wesens oder aufgrund von Handelsbräuchen mit den Betriebssystemen für Client-PCs verknüpft sei.

910    Wie sich aus Randnr. 961 der angefochtenen Entscheidung ergebe, könne Unternehmen in beherrschender Stellung das Recht zu bestimmten Verhaltensweisen abgesprochen werden, die bei Unternehmen ohne beherrschende Stellung nicht zu beanstanden wären. Der Gerichtshof habe in seinem oben in Randnr. 293 angeführten Urteil Tetra Pak II entschieden, dass der Kopplungsverkauf von zwei Erzeugnissen auch dann, wenn er dem Handelsbrauch entspreche, einen Missbrauch im Sinne von Art. 82 EG darstellen könne, es sei denn, dass er objektiv gerechtfertigt sei. Es sei eine „Tautologie“, von Handelsbrauch oder Handelspraxis in einem Wirtschaftszweig zu sprechen, der zu 95 % von Microsoft kontrolliert werde. Nach ständiger Rechtsprechung sei eine Berufung auf die Branchenpraxis nicht möglich, wenn der Wettbewerb auf dem betreffenden Markt gerade durch die Existenz eines beherrschenden Unternehmens bereits eingeschränkt sei.

911    Schließlich treffe das Vorbringen von Microsoft nicht zu, dass die Integration einer Multimediafunktionalität in Betriebssysteme für Client-PCs zu einer normalen Entwicklung gehöre. Zum einen sei Microsoft nicht in der Lage gewesen, ein Medienabspielprogramm mit Datenstrom-Kapazitäten auf der Grundlage ihrer eigenen Technologie zu entwickeln, und habe erst nach der Übernahme von VXtreme im Jahr 1997 ein mit dem Programm von RealNetworks konkurrenzfähiges Abspielprogramm entwickeln können. Zum anderen habe Herr Bay, eine Führungskraft von Microsoft, in einer im Januar 1999 an Herrn Gates gesandten E-Mail vorgeschlagen, „den Kampf um die datenstromtauglichen Medien von NetShow gegen Real auf Windows gegen Real umzustellen“ und „der [Internet Explorer-] Strategie zu folgen, wo immer es angebracht ist“.

 Würdigung durch das Gericht

912    Microsoft macht im Wesentlichen geltend, die Multimediafunktionalität sei kein gesondertes Produkt neben dem Windows-Betriebssystem für Client-PCs, sondern ein Bestandteil dieses Systems. Es gehe daher nur um ein einziges Produkt, nämlich um das Windows-Betriebssystem für Client-PCs, das sich ständig weiterentwickle. Die Verbraucher erwarteten, dass jedes Betriebssystem für Client-PCs mit den von ihnen als wesentlich angesehenen Funktionalitäten ausgerüstet sei, zu denen die Audio- und Videofunktionalitäten gehörten, und dass diese ständig auf den neuesten Stand gebracht würden.

913    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Wirtschaftszweig der Informations- und Kommunikationstechnologien ein sich ständig und rasch entwickelnder Wirtschaftszweig ist, so dass zunächst als gesondert erscheinende Produkte später sowohl in technologischer Hinsicht als auch im Hinblick auf die Wettbewerbsregeln als ein einziges Produkt angesehen werden können.

914    Die Frage, ob die Kommission zu Recht der Auffassung war, dass die Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten und die Betriebssysteme für Client-PCs zwei gesonderte Produkte darstellten, ist anhand der tatsächlichen und technischen Situation zu beurteilen, die bestand, als nach Ansicht der Kommission das beanstandete Verhalten zu einem schädigenden Verhalten wurde, also ab Mai 1999.

915    Das Gericht hat daher zu prüfen, ob die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu der Annahme berechtigt war, dass Microsoft, als sie ab Mai 1999 die Windows-Version mit integriertem Windows Media Player auf den Markt brachte, eine Kopplung des Verkaufs zweier gesonderter Produkte im Sinne von Art. 82 EG vornahm.

916    Ferner ist vorab darauf hinzuweisen, dass, wie die Kommission zu Recht ausführt, die Argumentation von Microsoft im Zusammenhang mit der Frage des gekoppelten Verkaufs von Windows und Windows Media Player zum großen Teil auf dem unscharfen Begriff der Multimediafunktionalität beruht. Insoweit geht aus der angefochtenen Entscheidung klar hervor, dass das in diesem Zusammenhang beanstandete Verhalten nur die im Windows Media Player bestehende Anwendungssoftware betrifft, nicht hingegen die übrige im Windows-Betriebssystem für Client-PCs enthaltene Multimediatechnologie (vgl. insbesondere Randnrn. 1019 und 1020 der angefochtenen Entscheidung). Wie die Kommission und deren Streithelfer in ihren Schriftsätzen und in der Sitzung vorgetragen haben, unterscheidet Microsoft in ihrer technischen Dokumentation selbst zwischen den Dateien, aus denen der Windows Media Player besteht, und den sonstigen Mediendateien, insbesondere denen, die sich auf die grundlegende Multimedia-Infrastruktur des Betriebssystems beziehen. Auch ist auf das Beispiel des Microsoft-Produkts „Windows XP Embedded“ zu verweisen, das in den Randnrn. 1028 bis 1031 der angefochtenen Entscheidung erwähnt wird und in der Sitzung erörtert worden ist. Technisch gesehen stellt dieses Produkt ein echtes Betriebssystem für Client-PCs dar, aber die Lizenzbedingungen von Microsoft beschränken seine Verwendung auf bestimmte spezielle Geräte wie Geldautomaten und Decoder. Die Besonderheit dieses Produkts besteht darin, dass die IT‑Techniker die Komponenten des Betriebssystems auswählen können. Hierfür bedienen sie sich des so genannten „Target Designer“, um auf ein Menu mit den Komponenten zuzugreifen, die sie in ihr Betriebssystem aufnehmen oder aus ihm ausschließen können. Zu diesen Komponenten gehört insbesondere der Windows Media Player. Das genannte Menu enthält ferner getrennte Einträge für die Multimedia-Infrastruktur und die Multimedia-Anwendungen, und der Windows Media Player zählt ausdrücklich zu Letzteren.

917    Zunächst ist der Feststellung der Kommission in Randnr. 803 der angefochtenen Entscheidung zuzustimmen, dass die Frage, ob gesonderte Produkte vorliegen, im Rahmen einer Prüfung nach Art. 82 EG unter Berücksichtigung der Verbrauchernachfrage zu beurteilen ist. Diese Auffassung wird im Übrigen von Microsoft geteilt (siehe oben, Randnr. 890).

918    Die Kommission hat in der genannten Randnummer auch zu Recht festgestellt, dass weder von gesonderten Produkten noch von einem missbräuchlichen Kopplungsgeschäft die Rede sein kann, wenn es an einer eigenständigen Nachfrage nach dem mutmaßlich gekoppelten Produkt fehlt.

919    Dem Argument von Microsoft, die Kommission habe somit ein unzutreffendes Kriterium angewandt und hätte richtigerweise prüfen müssen, ob das mutmaßliche Kopplungsprodukt regelmäßig ohne das gekoppelte Produkt angeboten worden sei oder ob die Verbraucher „Windows ohne Multimediafunktionalität woll[ten]“, kann nicht gefolgt werden.

920    Erstens findet die Auffassung der Kommission nämlich eine Grundlage in der Rechtsprechung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. November 1996, Tetra Pak/Kommission, oben in Randnr. 293 angeführt, Randnr. 36, Urteil vom 12. Dezember 1991, Hilti/Kommission, oben in Randnr. 859 angeführt, Randnr. 67, und Urteil vom 6. Oktober 1994, Tetra Pak/Kommission, oben in Randnr. 293 angeführt, Randnr. 82).

921    Zweitens läuft, wie die Kommission zu Recht in ihren Schriftsätzen ausführt, das Vorbringen von Microsoft, dem der Gedanke zugrunde liegt, dass für ein Windows-Betriebssystem für Client-PCs ohne Medienabspielprogramm mit Datenstrom-Kapazitäten keine Nachfrage bestehe, de facto darauf hinaus, dass komplementäre Produkte keine gesonderten Produkte im Sinne des Art. 82 EG darstellen können, was der Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte zu Kopplungsgeschäften widerspräche. In Bezug auf die Rechtssache Hilti kann zum Beispiel davon ausgegangen werden, dass es für den Erwerb von Kartuschenstreifen für Bolzenschussgeräte ohne ergänzende Lieferung von Bolzen keine Nachfrage gab, da ein Kartuschenstreifen ohne Bolzen nutzlos ist. Dies hinderte indessen den Gemeinschaftsrichter nicht an der Feststellung, dass die beiden Produkte gesonderten Märkten angehörten.

922    Bei komplementären Produkten wie den Betriebssystemen für Client-PCs und der Anwendungssoftware ist es durchaus möglich, dass die Verbraucher die Produkte zusammen, aber von unterschiedlichen Quellen erwerben wollen. Dass z. B. die meisten Nutzer von Client-PCs die Ausstattung ihres Betriebssystems für Client-PCs mit einer Textverarbeitungssoftware wünschen, führt nicht dazu, dass diese verschiedenen Produkte zu einem einzigen Produkt im Sinne des Art. 82 EG werden.

923    Das Vorbringen von Microsoft lässt die besondere Mittlerrolle der Gerätehersteller außer Acht, die Hardware und Software unterschiedlicher Herkunft miteinander verbinden, um dem Endnutzer einen gebrauchsfertigen PC anzubieten. Hätten die Gerätehersteller und die Verbraucher die Möglichkeit, Windows ohne Windows Media Player zu erwerben, so würde dies, wie die Kommission völlig zutreffend in Randnr. 809 der angefochtenen Entscheidung feststellt, nicht zwangsläufig bedeuten, dass sie sich für ein Windows-System ohne Medienabspielprogramm mit Datenstrom-Kapazitäten entschieden. Die Gerätehersteller würden der Nachfrage der Verbraucher nach einem auf dem Betriebssystem vorinstallierten Abspielprogramm nachkommen und ein Softwarepaket anbieten, das ein unter Windows lauffähiges Medienabspielprogramm mit Datenstrom-Kapazitäten enthält, wobei der Unterschied jedoch darin liegen würde, dass dieses Abspielprogramm nicht zwangsläufig der Windows Media Player wäre.

924    Drittens kann das Vorbringen von Microsoft jedenfalls deshalb nicht durchgreifen, weil, wie die Kommission in Randnr. 807 der angefochtenen Entscheidung feststellt, für Betriebssysteme für Client-PCs, die keine Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten enthalten, eine Nachfrage besteht, z. B. von Unternehmen, die befürchten, dass ihre Angestellten diese Abspielprogramme zu außerberuflichen Zwecken nutzen könnten. Dies wird von Microsoft nicht bestritten.

925    Überdies belegt eine Reihe von Faktoren, die sich aus dem Wesen und den technischen Merkmalen der betreffenden Produkte, den Marktbeobachtungen, der Entwicklungsgeschichte der Produkte sowie der Handelspraxis von Microsoft ergeben, dass eine gesonderte Nachfrage der Verbraucher nach Medienabspielprogrammen mit Datenstrom-Kapazitäten besteht.

926    Insoweit ist erstens daran zu erinnern, dass das Windows-Betriebssystem für Client-PCs eine Systemsoftware, der Windows Media Player dagegen eine Anwendungssoftware ist. Hierzu führt die Kommission in Randnr. 37 der angefochtenen Entscheidung aus: „‚Systemsoftware‘ steuert die Hardware des Computers, an die sie Anweisungen im Auftrag von ‚Anwendungen‘ sendet, die ein spezifisches Bedürfnis des Nutzers erfüllen, wie z. B. die Textverarbeitung. Betriebssysteme sind Systemsoftwareprodukte, die die Grundfunktionen eines Computers steuern und es dem Nutzer ermöglichen, den Computer mit Anwendungssoftware zu nutzen.“ Allgemein geht aus der Beschreibung dieser Produkte in den Randnrn. 324 bis 342 und 402 bis 425 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass sich die Betriebssysteme für Client-PCs und die Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten hinsichtlich der Funktionalitäten deutlich voneinander unterscheiden.

927    Zweitens gibt es Anbieter, die Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten entwickeln und autonom, d. h. unabhängig von einem Betriebssystem für Client-PCs, liefern. So bietet Apple sein Abspielprogramm QuickTime getrennt von seinen Betriebssystemen für Client-PCs an. Ein anderes, besonders überzeugendes Beispiel ist das von RealNetworks, dem Hauptkonkurrenten von Microsoft auf dem Markt der Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten, der Betriebssysteme für Client-PCs weder entwickelt noch verkauft. Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung der Umstand, dass auf dem Markt unabhängige, auf die Herstellung und den Verkauf des gekoppelten Produkts spezialisierte Unternehmen tätig sind, ein wichtiges Indiz dafür ist, dass ein gesonderter Markt für dieses Produkt besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. November 1996, Tetra Pak/Kommission, oben in Randnr. 293 angeführt, Randnr. 36, Urteil vom 12. Dezember 1991, Hilti/Kommission, oben in Randnr. 859 angeführt, Randnr. 67, und Urteil vom 6. Oktober 1994, Tetra Pak/Kommission, oben in Randnr. 293 angeführt, Randnr. 82).

928    Drittens entwickelt und vermarktet Microsoft, wie sie in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts bestätigt hat, auch Versionen des Windows Media Player für die Betriebssysteme für Client-PCs ihrer Konkurrenten, nämlich für Mac OS X von Apple und Solaris von Sun. Ebenso gibt es den RealPlayer von RealNetworks u. a. für Windows, Mac OS X, Solaris und bestimmte UNIX-Betriebssysteme.

929    Viertens kann das Abspielprogramm Windows Media Player unabhängig vom Windows-Betriebssystem für Client-PCs von der Website von Microsoft heruntergeladen werden. Ebenso nimmt Microsoft Verbesserungen am Windows Media Player unabhängig von Neuentwicklungen oder Verbesserungen seines Windows-Betriebssystems für Client-PCs vor.

930    Fünftens macht Microsoft Werbung speziell für das Abspielprogramm Windows Media Player (vgl. Randnr. 810 der angefochtenen Entscheidung).

931    Sechstens bietet Microsoft, wie die Kommission zutreffend in Randnr. 813 der angefochtenen Entscheidung darlegt, SDK-Lizenzen an, die sich danach unterscheiden, ob sie das Windows-Betriebssystem für Client-PCs oder die Windows-Medientechnologien betreffen. Es gibt daher eine spezielle SDK-Lizenz für den Windows Media Player.

932    Siebtens schließlich erwirbt trotz der von Microsoft praktizierten Kopplungsgeschäfte eine nicht unerhebliche Zahl von Verbrauchern weiterhin getrennt von ihrem Betriebssystem für Client-PCs Medienabspielprogramme, die in Konkurrenz zum Windows Media Player stehen, was beweist, dass sie die beiden Produkte als gesonderte Produkte ansehen.

933    Aus den vorstehend angeführten Faktoren geht in rechtlich hinreichender Weise hervor, dass die Kommission zu Recht die Auffassung vertrat, dass die Betriebssysteme für Client-PCs einerseits und die Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten andererseits zwei gesonderte Produkte im Sinne des Art. 82 EG darstellen.

934    Diese Schlussfolgerung wird durch die übrigen von Microsoft vorgebrachten Argumente nicht entkräftet.

935    Was erstens das Argument von Microsoft angeht, die Integration des Abspielprogramms Windows Media Player in das Windows-Betriebssystem ab Mai 1999 stelle einen normalen und notwendigen Schritt in der Entwicklung dieses Systems dar und erfolge im Rahmen einer ständigen Verbesserung seiner Multimediafunktionalität, so genügt die Feststellung, dass der Umstand, dass ein Kopplungsgeschäft in Form einer technischen Integration eines Produkts in ein anderes erfolgt, nicht zur Folge hat, dass die Integration bei der Beurteilung ihrer Auswirkung auf den Markt nicht als Kopplungsverkauf zweier gesonderter Produkte eingestuft werden kann.

936    Wie Microsoft selbst auf eine Frage des Gerichts in der Sitzung eingeräumt hat, war ihre Entscheidung, den WMP 6 ab Mai 1999 als eine in das Windows-Betriebssystem integrierte Funktionalität zur Verfügung zu stellen, nicht das Ergebnis einer technischen Notwendigkeit. Zu diesem Zeitpunkt war Microsoft durch nichts daran gehindert, dieses Medienabspielprogramm genauso zu vertreiben, wie sie ab Juni 1998 ihr vorhergehendes Abspielprogramm NetShow vertrieben hatte, das auf der Installations-CD für Windows 98 enthalten war, wobei keine der vier Standard-Installationen von Windows 98 die Installation von NetShow vorsah; es musste von den Nutzern installiert werden, wenn sie das Programm nutzen wollten.

937    Ferner ist das Argument von Microsoft, die Integration des Windows Media Player in das Windows-Betriebssystem sei aus technischen Gründen geboten gewesen, angesichts des Inhalts bestimmter interner Mitteilungen von Microsoft wenig glaubhaft. So ergibt sich aus einer E‑Mail von Herrn Bay an Herrn Gates vom 3. Januar 1999 (siehe oben, Randnr. 911), dass die Integration des Windows Media Player in Windows ihn vor allem gegenüber dem RealPlayer konkurrenzfähiger machen sollte, indem er als Bestandteil von Windows dargestellt wird und nicht als eine mit dem RealPlayer vergleichbare Anwendungssoftware.

938    Zweitens kann Microsoft nicht geltend machen, die Kommission lege nicht dar, dass die Multimediafunktionalität nicht aufgrund ihres Wesens oder aufgrund von Handelsbräuchen an die Betriebssysteme für Client-PCs gekoppelt sei

939    Aus den oben in den Randnrn. 925 bis 932 angestellten Erwägungen geht nämlich hervor, dass die Betriebssysteme für Client-PCs und die Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten ihrem Wesen nach keine untrennbaren Produkte sind. Zwar besteht zwischen einem Betriebssystem für Client-PCs wie Windows und einer Anwendungssoftware wie Windows Media Player insofern eine Verbindung, als sich die beiden Produkte aus der Sicht des Nutzers auf demselben Computer befinden und ein Medienabspielprogramm nur funktioniert, wenn ein Betriebssystem vorhanden ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die beiden Produkte bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln nicht in wirtschaftlicher und geschäftspolitischer Hinsicht voneinander getrennt werden können.

940    Zudem ist es, wie die Kommission zu Recht ausführt, schwierig, von Handelsbräuchen in einem Wirtschaftszweig zu sprechen, der zu 95 % von Microsoft kontrolliert wird.

941    Microsoft kann sich auch nicht darauf berufen, dass die konkurrierenden Anbieter von Betriebssystemen für Client-PCs diese Betriebssysteme ebenfalls mit einem Medienabspielprogramm mit Datenstrom-Kapazitäten koppelten. Zum einen hat Microsoft nämlich nicht nachgewiesen, dass eine solche Kopplungspraxis ihrer Konkurrenten bereits bestand, als das missbräuchliche Kopplungsgeschäft begann. Zum anderen spricht das geschäftliche Verhalten der genannten Konkurrenten keineswegs gegen die These der Kommission, sondern bestätigt diese. Denn wie insbesondere aus den Randnrn. 822 und 823 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht und wie die Kommission in ihren Schriftsätzen ausführt, sehen bestimmte mit Microsoft konkurrierende Anbieter von Betriebssystemen, die diese mit einem Medienabspielprogramm liefern, dessen Installation fakultativ vor, lassen seine vollständige Deinstallation zu oder bieten eine Auswahl verschiedener Abspielprogramme an.

942    Jedenfalls kann nach der Rechtsprechung ein Kopplungsverkauf von zwei Erzeugnissen auch dann, wenn er dem Handelsbrauch entspricht oder wenn zwischen diesen beiden Erzeugnissen sachlich eine Beziehung besteht, einen Missbrauch im Sinne von Art. 82 EG darstellen, es sei denn, dass er objektiv gerechtfertigt ist (Urteil vom 14. November 1996, Tetra Pak/Kommission, oben in Randnr. 293 angeführt, Randnr. 37).

943    Drittens schließlich ist das von Microsoft in der Sitzung vorgebrachte Argument, die von ihr aufgrund der Abhilfemaßnahme in den Verkehr gebrachte entkoppelte Windows-Version habe keinen Erfolg gehabt, ebenfalls zurückzuweisen. Wie bereits oben in Randnr. 260 ausgeführt, ist nämlich die Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts der Gemeinschaft anhand der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erlasses zu würdigen. Außerdem sind eventuelle Zweifel an der Wirksamkeit der von der Kommission angeordneten Abhilfemaßnahme für sich allein kein Beleg dafür, dass die Würdigung der Kommission bezüglich der Frage, ob zwei gesonderte Produkte vorliegen, fehlerhaft ist.

944    Nach alledem hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass die Betriebssysteme für Client-PCs und die Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten gesonderte Produkte darstellten.

c)     Zur fehlenden Möglichkeit der Verbraucher, das Kopplungsprodukt ohne das gekoppelte Produkt zu erwerben

 Angefochtene Entscheidung

945    In den Randnrn. 826 bis 834 der angefochtenen Entscheidung widmet sich die Kommission dem Nachweis, dass die dritte Voraussetzung eines missbräuchlichen Kopplungsgeschäfts – die Ausübung von Zwang – im vorliegenden Fall erfüllt sei, da Microsoft den Verbrauchern nicht die Möglichkeit gebe, das Windows-Betriebssystem für Client-PCs ohne das Medienabspielprogramm Windows Media Player zu erwerben.

946    Hierzu führt die Kommission aus, in der Regel seien die Gerätehersteller, die das Windows-Betriebssystem von Microsoft in Lizenz zur Vorinstallation auf einem Client-PC erwürben, die „unmittelbaren Adressaten“ des Zwangs und gäben ihn an die Endnutzer weiter (Randnr. 827 der angefochtenen Entscheidung). Nach dem Lizenzvergabesystem von Microsoft müssten die Gerätehersteller das Windows-Betriebssystem mit dem vorinstallierten Windows Media Player in Lizenz nehmen. Microsoft erteile für dieses System nämlich keine Lizenz ohne Windows Media Player. Diejenigen Gerätehersteller, die auf dem genannten Betriebssystem ein anderes Medienabspielprogramm installieren wollten, könnten dies nur zusätzlich zum Windows Media Player tun. In Randnr. 829 der angefochtenen Entscheidung fügt die Kommission hinzu, es sei technisch unmöglich, den Windows Media Player zu deinstallieren.

947    Der US-amerikanische Vergleich ändere hieran nichts, da die „Entfernung des Endnutzer-Zugangs … Microsofts Kunden nicht die Möglichkeit [gibt], Windows ohne [Windows Media Player] zu erwerben“ (Randnr. 828 der angefochtenen Entscheidung).

948    Microsoft könne sich auch nicht auf den Umstand berufen, dass die Verbraucher für den Erwerb des Windows Media Player kein zusätzliches Entgelt zahlen müssten, da Art. 82 Abs. 2 Buchst. d EG bei den „zusätzlichen Leistungen“ keine „Bezahlung“ erwähne (Randnr. 831 der angefochtenen Entscheidung). Der Preis für dieses Abspielprogramm sei zudem vermutlich im Gesamtpreis für den Kopplungsverkauf von Windows und Windows Media Player „versteckt“ (Fn. 971 der angefochtenen Entscheidung).

949    Schließlich lege der Wortlaut des Art. 82 EG nicht den Schluss nahe, dass die Verbraucher gezwungen sein müssten, das „gekoppelte“ Produkt zu verwenden. Sofern das Kopplungsgeschäft den Wettbewerb zu beschränken drohe, sei es unerheblich, ob die Verbraucher gezwungen seien, den Windows Media Player zu kaufen oder zu verwenden (Randnrn. 832 und 833 der angefochtenen Entscheidung).

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

950    Microsoft, unterstützt durch die CompTIA, DMDsecure u. a., die ACT, TeamSystem, Mamut und Exor, macht geltend, im vorliegenden Fall könne von „zusätzlichen Leistungen“ im Sinne des Art. 82 Abs. 2 Buchst. d EG keine Rede sein.

951    Zur Begründung führt sie aus, die Verbraucher hätten für die Multimediafunktionalität von Windows kein zusätzliches Entgelt zu zahlen. Diese sei ein Merkmal von Windows und im Gesamtpreis des Betriebssystems enthalten. Anders als in den Rechtssachen Hoffmann-La Roche/Kommission, oben in Randnr. 664 angeführt, und Hilti nötige sie den Verbrauchern keinen finanziellen Nachteil auf, der sie von der Verwendung der Produkte ihrer Konkurrenten abhalten könnte.

952    Die Verbraucher seien nicht genötigt, die Multimediafunktionalität von Windows zu verwenden. Sie könnten sogar die aufgrund des – durch Urteil des District Court vom 1. November 2002 bestätigten – US-amerikanischen Vergleichs geschaffene Windows-Funktion „Set Program Access & Defaults“ nutzen, um jeden Zugriff des Endnutzers auf diese Funktionalität auszuschließen und ein konkurrierendes Medienabspielprogramm als Standardsteuerung für verschiedene Arten von Mediendateien zu installieren.

953    Anders als in den Rechtssachen Tetra Pak II und Hilti seien die Verbraucher nicht daran gehindert, Medienabspielprogramme von Drittunternehmen anstelle der Multimediafunktionalität von Windows oder zusätzlich zu dieser zu installieren und zu nutzen. In Randnr. 860 der angefochtenen Entscheidung weise die Kommission im Übrigen darauf hin, dass jeden Monat durchschnittlich 1,7 Medienabspielprogramme genutzt würden; dieser Wert nehme zu.

954    In ihrer Erwiderung fügt Microsoft hinzu, die Auffassung der Kommission führe dazu, dass Art. 82 EG jede praktische Wirksamkeit genommen werde. Würde ihr nämlich gefolgt, so hätte dies den Wegfall des Erfordernisses des „Zwangs“ als Voraussetzung eines missbräuchlichen Kopplungsgeschäfts zur Folge, was vernünftigen wirtschaftlichen Grundsätzen widersprechen würde.

955    Die Kommission trägt vor, die Argumente, auf die sich Microsoft zur Begründung ihrer Auffassung berufe, dass im vorliegenden Fall von „zusätzlichen Leistungen“ im Sinne des Art. 82 Abs. 2 Buchst. d EG keine Rede sein könne, seien bereits in den Randnrn. 826 bis 834, 960 und 961 der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen worden. Diese Argumente fänden in der Rechtsprechung keinerlei Stütze und würden Art. 82 EG jede praktische Wirksamkeit nehmen. Zwang liege vor, wenn ein beherrschendes Unternehmen seinen Kunden die tatsächliche Möglichkeit nehme, das Kopplungsprodukt ohne das gekoppelte Produkt zu erwerben.

956    Art. 82 Abs. 2 Buchst. d EG erwähne keine „Bezahlung“. Microsoft bringe mit ihrer Argumentation zum Ausdruck, dass von einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs nicht die Rede sein könne, wenn ein beherrschendes Unternehmen für zwei Produkte einen einheitlichen Preis und nicht zwei getrennte Preise verlange oder den Verbrauchern ein Produkt ohne zusätzliches Entgelt aufdränge. Microsoft verwechsle damit die Frage des Zwangs mit der der Wettbewerbsbeeinträchtigung.

957    Aus dem Wortlaut des Art. 82 EG gehe auch nicht hervor, dass die Kunden zur Verwendung des gekoppelten Produkts gezwungen oder an der Verwendung von Ersatzprodukten der Konkurrenten anstelle des gekoppelten Produkts gehindert sein müssten. Dagegen sei für die Prüfung der Voraussetzung eines Ausschlusses des Wettbewerbs eindeutig die Frage erheblich, ob damit zu rechnen sei, dass die Verbraucher oder die Anbieter ergänzender Software oder Inhalte das gekoppelte Produkt zum Nachteil konkurrierender nicht gekoppelter Produkte verwendeten.

958    Dem Vorbringen von Microsoft, die Verbraucher nutzten jeden Monat durchschnittlich 1,7 Medienabspielprogramme, hält die Kommission entgegen, es sei den Verbrauchern nicht möglich, den Windows Media Player auf ihrem PC durch ein anderes Medienabspielprogramm zu ersetzen, sondern sie könnten zu ihm nur ein zweites Abspielprogramm hinzufügen. Der genannte Wert dürfe somit nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Windows Media Player auf den Windows-PCs stets vorinstalliert sei.

959    In ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts führt die Kommission aus, der US-amerikanische Vergleich verpflichte Microsoft nicht, den Zugriff des Endnutzers auf den Windows Media Player zu unterdrücken, sondern nur, ihn zu verbergen, so dass der Player auf dem PC weiterhin vorinstalliert und voll aktiviert sei. Die Gerätehersteller und die Endnutzer seien daher auch weiterhin gezwungen, den Windows Media Player und Windows gleichzeitig zu erwerben. Wie aus Randnr. 852 der angefochtenen Entscheidung hervorgehe, habe Microsoft den Mechanismus, mit dem der Zugriff verborgen werde, so konzipiert, dass der Windows Media Player die Standardparameter außer Kraft setzen und sich reaktivieren könne, sobald der Nutzer über den Internet Explorer auf kontinuierlich über das Internet verbreitete Mediendateien zugreife.

 Würdigung durch das Gericht

960    Microsoft ist im Wesentlichen der Auffassung, der Umstand, dass sie den Windows Media Player in das Windows-Betriebssystem für Client-PCs integriert habe, führe zu keinem Zwang und keiner zusätzlichen Leistung im Sinne des Art. 82 Abs. 2 Buchst. d EG. Sie begründet dies damit, dass die Verbraucher erstens für die Multimediafunktionalität von Windows kein zusätzliches Entgelt zahlten, zweitens nicht verpflichtet seien, diese Funktionalität zu nutzen, und drittens nicht daran gehindert würden, konkurrierende Medienabspielprogramme zu installieren und zu nutzen.

961    Es kann nicht bestritten werden, dass die Verbraucher infolge des beanstandeten Verhaltens keine Möglichkeit haben, das Windows-Betriebssystem für Client-PCs ohne den Windows Media Player zu erwerben, was bedeutet (siehe oben, Randnr. 864), dass die Voraussetzung, dass der Abschluss von Verträgen von zusätzlichen Leistungen abhängig ist, als erfüllt anzusehen ist.

962    Wie die Kommission zu Recht in Randnr. 827 der angefochtenen Entscheidung ausführt, wirkt dieser Zwang in den meisten Fällen zunächst auf die Gerätehersteller und wird dann an die Verbraucher weitergegeben. Die Gerätehersteller, deren Aufgabe darin besteht, die Client-PCs zusammenzubauen, installieren darauf u. a. ein von einem Softwareanbieter geliefertes oder von ihnen selbst entwickeltes Betriebssystem für Client-PCs. Wollen sie ein Windows-Betriebssystem auf den von ihnen zusammengebauten Client-PCs installieren, so müssen sie hierfür von Microsoft eine Lizenz erwerben. Nach dem Lizenzvergabesystem von Microsoft ist es jedoch nicht möglich, eine Lizenz für das Windows-Betriebssystem ohne den Windows Media Player zu erhalten. Unstreitig werden die weitaus meisten Windows-Betriebssysteme für Client-PCs über die Gerätehersteller verkauft, d. h. über die Lizenzvergabe von Software, die beim Kauf eines Client-PCs erworben wird, wobei lediglich 10 % der Betriebssystemverkäufe durch den Verkauf individueller Windows-Lizenzen erzielt werden.

963    Der Zwang, der damit auf die Gerätehersteller ausgeübt wird, ist nicht nur vertraglicher, sondern auch technischer Art. Unstreitig ist es nämlich technisch unmöglich, den Windows Media Player zu deinstallieren.

964    Da die Gerätehersteller in ihren Beziehungen zu den Softwareanbietern als Zwischenhändler für die Endnutzer handeln und Letzteren einen „gebrauchsfertigen“ PC liefern, trifft die fehlende Möglichkeit, das Windows-Betriebssystem für Client-PCs ohne den Windows Media Player zu erwerben, letztlich diese Nutzer.

965    In dem selteneren Fall, dass der Endnutzer ein Windows-Betriebssystem für Client-PCs direkt von einem Einzelhändler erwirbt, wird der oben genannte Zwang vertraglicher und technischer Art unmittelbar auf den Endnutzer ausgeübt.

966    Die von Microsoft geltend gemachten Argumente sind zurückzuweisen.

967    So kann sich Microsoft nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Verbraucher kein zusätzliches Entgelt für den Windows Media Player zahlen müssen.

968    Zwar berechnet Microsoft für den Windows Media Player kein gesondertes Entgelt, doch kann hieraus nicht geschlossen werden, dass das Abspielprogramm unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird. Wie aus Randnr. 232 der Klageschrift hervorgeht, ist der Preis des Windows Media Player im Gesamtpreis des Windows-Betriebssystems für Client-PCs enthalten.

969    Zudem ergibt sich jedenfalls weder aus Art. 82 Abs. 2 Buchst. d EG noch aus der Rechtsprechung zu Kopplungsgeschäften, dass nur dann, wenn die Verbraucher für das gekoppelte Produkt ein bestimmtes Entgelt zahlen müssen, davon ausgegangen werden kann, dass ihnen zusätzliche Leistungen im Sinne der genannten Vorschrift aufgedrängt werden.

970    Auch der von Microsoft geltend gemachte Umstand, dass die Verbraucher nicht zur Nutzung des auf ihrem Client-PC vorinstallierten Windows Media Player verpflichtet sind und dass sie dort Medienabspielprogramme von Drittunternehmen installieren und nutzen können, ist im Rahmen der Prüfung der vorliegenden Voraussetzung unerheblich. Wiederum verlangt weder Art. 82 Abs. 2 Buchst. d EG noch die Rechtsprechung zu Kopplungsgeschäften, dass die Voraussetzung der Abhängigkeit des Abschlusses von Verträgen von der Annahme zusätzlicher Leistungen nur dann als erfüllt angesehen werden darf, wenn die Verbraucher gezwungen sind, das gekoppelte Produkt zu nutzen, oder gehindert sind, das von einem Konkurrenten des beherrschenden Unternehmens gelieferte Produkt zu nutzen. Wie die Kommission in Randnr. 832 der angefochtenen Entscheidung zu Recht feststellt, waren z. B. in der Rechtssache Hilti die Verbraucher nicht verpflichtet, die Bolzen der Marke Hilti zu nutzen, die sie zusammen mit den Bolzenschussgeräten derselben Marke erhielten.

971    Wie im Einzelnen bei der Prüfung der Voraussetzung, dass der Wettbewerb auf dem Markt beschränkt wird, darzulegen sein wird, werden aufgrund des in Rede stehenden Kopplungsgeschäfts zum einen die Gerätehersteller davon abgehalten, ein zweites Medienabspielprogramm mit Datenstrom-Kapazitäten auf den Client-PCs zu installieren, und zum anderen die Verbraucher dazu veranlasst, den Windows Media Player zulasten konkurrierender Medienabspielprogramme zu nutzen, und zwar auch dann, wenn Letztere qualitativ höherwertig sind.

972    Das Argument, das Microsoft auf bestimmte aufgrund des US-amerikanischen Vergleichs getroffene Maßnahmen stützt (siehe oben, Randnr. 952), ist ebenfalls zurückzuweisen.

973    Zum einen wurde der Vergleich nämlich erst im November 2001 geschlossen, und Microsoft traf die nach diesem Vergleich erforderlichen Maßnahmen bezüglich der Middleware (einschließlich Windows Media Player) erst im August und September 2002. Mit dem missbräuchlichen Kopplungsgeschäft wurde jedoch im Mai 1999 begonnen. Auch war der US-amerikanische Vergleich für begrenzte Zeit, nämlich bis 2007, geschlossen worden.

974    Wie die Kommission in Randnr. 828 der angefochtenen Entscheidung zu Recht feststellt, hatten zum anderen die Maßnahmen, die Microsoft aufgrund des US-amerikanischen Vergleichs traf, nicht zur Folge, dass die Verbraucher das Windows-Betriebssystem für Client-PCs erwerben konnten, ohne zugleich den Windows Media Player erwerben zu müssen. Aufgrund dieses Vergleichs war Microsoft lediglich verpflichtet, das auf dem Bildschirm erscheinende Windows Media Player-Symbol und ähnliche Zugänge zu entfernen sowie die automatische Ausführung des Windows Media Player zu deaktivieren. Da der Windows Media Player somit vorinstalliert und voll aktiviert blieb, waren die Gerätehersteller und die Verbraucher weiterhin gezwungen, die beiden Produkte gemeinsam zu erwerben. Wie in Randnr. 852 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt wird, konzipierte Microsoft den Mechanismus zudem so, dass der Windows Media Player die Standardparameter außer Kraft setzen und sich reaktivieren konnte, sobald der Nutzer über den Internet Explorer auf kontinuierlich über das Internet verbreitete Mediendateien zugriff.

975    Nach alledem hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass die Voraussetzung der Auferlegung zusätzlicher Leistungen im vorliegenden Fall erfüllt ist.

d)     Zur Beschränkung des Wettbewerbs

 Angefochtene Entscheidung

976    In den Randnrn. 835 bis 954 der angefochtenen Entscheidung prüft die Kommission die vierte Voraussetzung eines missbräuchlichen Kopplungsgeschäfts, das Vorliegen einer Wettbewerbsbeschränkung.

977    Ausgangspunkt ihrer Prüfung ist Randnr. 841 der angefochtenen Entscheidung, die lautet:

„Es gibt … Umstände im Zusammenhang mit dem Kopplungsverkauf des [Windows Media Player], die eine genauere Prüfung der Auswirkungen dieser Praxis auf den Wettbewerb im vorliegenden Fall rechtfertigen. Während in den klassischen Fällen des Kopplungsverkaufs die Kommission und die Gerichte der Auffassung waren, dass die Bündelung eines gesonderten Produkts mit dem beherrschenden Produkt die Ausschlusswirkung für konkurrierende Verkäufer belegt, können sich im vorliegenden Fall die Nutzer – teilweise gratis –Medienabspielprogramme von Drittanbietern über das Internet besorgen und tun dies auch in gewissem Umfang. Es gibt somit durchaus gute Gründe, nicht ohne nähere Untersuchung davon auszugehen, dass der Kopplungsverkauf des [Windows Media Player] eine Handlung ist, die ihrem Wesen nach geeignet ist, den Wettbewerb einzuschränken.“

978    Die Kommission legt ihre Erwägungen in der angefochtenen Entscheidung sodann in drei Schritten dar.

979    Im ersten Schritt stellt sie fest, dass der Kopplungsverkauf dem Windows Media Player weltweit eine Omnipräsenz bei Client-PCs verschaffe (Randnrn. 843 bis 878 der angefochtenen Entscheidung).

980    Erstens sei das Windows-Betriebssystem für Client-PCs auf mehr als 90 % der weltweit verkauften Client-PCs vorinstalliert, so dass Microsoft durch die Bündelung des Windows Media Player mit Windows sicherstelle, dass er an der Omnipräsenz von Windows auf den Client-PCs teilhabe. Die Nutzer, auf deren Client-PC der Windows Media Player vorinstalliert sei, neigten im Allgemeinen kaum dazu, ein anderes Medienabspielprogramm zu nutzen (Randnrn. 843 bis 848 der angefochtenen Entscheidung).

981    Zweitens sei die Möglichkeit, mit den Geräteherstellern Vertriebsvereinbarungen zu schließen, ein weniger wirksames Mittel, um Medienabspielprogramme in den Verkehr zu bringen, als Microsofts Kopplungsverkauf (Randnrn. 849 bis 857 der angefochtenen Entscheidung).

982    Drittens könnten weder das Herunterladen von Medienabspielprogrammen aus dem Internet noch andere Vertriebswege wie der Kopplungsverkauf eines Medienabspielprogramms mit anderer Software oder Internetzugangsdiensten sowie sein Einzelhandelsverkauf die Omnipräsenz des Windows Media Player ausgleichen (Randnrn. 858 und 876 der angefochtenen Entscheidung).

983    Im zweiten Schritt prüft die Kommission die Auswirkungen dieses Kopplungsverkaufs auf die Inhalteanbieter und Softwareentwickler sowie auf bestimmte angrenzende Märkte (Randnrn. 879 bis 899 der angefochtenen Entscheidung). Sie ist im Wesentlichen der Ansicht, dass angesichts der den Markt der Medienabspielprogramme kennzeichnenden mittelbaren Netzwerkeffekte „die Omnipräsenz des [Windows Media Player-]Codes [ihm] einen erheblichen Wettbewerbsvorteil sichert, was zu nachteiligen Auswirkungen auf die Wettbewerbsstruktur auf diesem Markt führen kann“ (Randnr. 878 der angefochtenen Entscheidung).

984    In diesem Zusammenhang führt die Kommission aus, die Inhalteanbieter und Softwareentwickler legten bei ihrer Entscheidung, für welche Technologie sie ihre komplementäre Software entwickelten, den prozentualen Anteil der Installation und Nutzung von Medienabspielprogrammen zugrunde. Sie neigten dazu, ihre Lösungen auf der Grundlage des Windows Media Player zu entwickeln, da sie dadurch die Möglichkeit hätten, sämtliche Windows-Nutzer zu erreichen, d. h. mehr als 90 % der Nutzer von Client-PCs. Außerdem könnten die komplementären Softwareprodukte, sobald sie in den proprietären Windows-Media-Formaten kodiert seien, mit konkurrierenden Medienabspielprogrammen nur arbeiten, wenn Microsoft für die entsprechende Technologie eine Lizenz vergebe.

985    In den Randnrn. 883 bis 891 der angefochtenen Entscheidung prüft die Kommission insbesondere die Lage der Inhalteanbieter. Da die Unterstützung vieler verschiedener Technologien mit zusätzlichen Entwicklungs-, Infrastruktur- und Verwaltungskosten verbunden sei, neigten die Inhalteanbieter dazu, nur einem Technologiepaket den Vorzug zu geben. Auch sei der Umstand, dass ein bestimmtes Medienabspielprogramm, das eine Reihe von Medientechnologien enthalte, weitverbreitet sei, ein wichtiger Faktor, der die Inhalteanbieter überzeugen könne, für die von diesem Abspielprogramm verwendeten Technologien Multimedia-Inhalte zu erstellen. Indem sie sich auf das Medienabspielprogramm mit der stärksten Verbreitung stützten, maximierten sie nämlich die potenzielle Reichweite ihrer eigenen Produkte. Die Omnipräsenz des Windows Media Player auf den Windows-Client-PCs sichere Microsoft somit einen Wettbewerbsvorteil, der nichts mit den wesentlichen Eigenschaften des Produkts zu tun habe.

986    In den Randnrn. 892 bis 896 der angefochtenen Entscheidung untersucht die Kommission die Lage der Softwareentwickler. Sie führt im Wesentlichen aus, die Softwareentwickler hätten einen Anreiz, Anwendungen nur für die Windows-Media-Player-Plattform und nicht für mehrere verschiedene Plattformen zu erstellen, da sie auf diese Weise praktisch sämtliche potenziellen Nutzer ihrer Produkte erreichen, ihre Kosten decken und ihre begrenzten Entwicklungsressourcen rentabel einsetzen könnten. Aus einigen Ergebnissen der Marktuntersuchung von 2003 gehe hervor, dass die Entwicklung von Anwendungen für mehrere Medientechnologien mit zusätzlichen Kosten verbunden sei.

987    In den Randnrn. 897 bis 899 der angefochtenen Entscheidung stellt die Kommission fest, dass die Omnipräsenz des Windows Media Player auf den Client-PCs Auswirkungen auf bestimmte angrenzende Märkte wie die Märkte für Medienabspielprogramme auf drahtlosen Informationsendgeräten, für Decoder, für DRM-Lösungen (Verwaltung digitaler Rechte) und für Online-Musikwiedergabe habe.

988    Im dritten Schritt schließlich prüft die Kommission die Marktentwicklung anhand von Marktstudien der Unternehmen Media Metrix, Synovate und Nielsen/NetRatings (Randnrn. 900 bis 944 der angefochtenen Entscheidung). Sie ist im Wesentlichen der Auffassung, dass die Daten dieser Studien „übereinstimmend einen Trend zugunsten der Nutzung von [Windows Media Player] und Windows-Media-Formaten auf Kosten der wichtigsten konkurrierenden Medienabspielprogramme (und Medienabspielprogrammtechnologien) erkennen lassen“ (Randnr. 944 der angefochtenen Entscheidung).

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

989    Microsoft macht zunächst geltend, die Kommission habe eine zusätzliche, im Ausschluss der Konkurrenten vom Markt bestehende Voraussetzung aufgestellt, die normalerweise bei der Beurteilung, ob ein missbräuchliches Kopplungsgeschäft vorliege, nicht berücksichtigt werde. In Randnr. 841 der angefochtenen Entscheidung habe sie eingeräumt, dass der vorliegende Fall kein „klassischer Fall des Kopplungsverkaufs“ sei und dass es „gute Gründe [gibt], nicht ohne nähere Untersuchung davon auszugehen, dass der Kopplungsverkauf des [Windows Media Player] eine Handlung ist, die ihrem Wesen nach geeignet ist, den Wettbewerb einzuschränken“. Die Kommission habe sodann die Auffassung vertreten, dass es eine Ausschlusswirkung für die Marktkonkurrenten gebe, und sich dabei auf eine neue und sehr spekulative Theorie gestützt (siehe oben, Randnr. 846).

990    Wie sich aus Randnr. 842 der angefochtenen Entscheidung ergebe, beruhe die neue Theorie der Kommission auf der Existenz mittelbarer Netzwerkeffekte sowie auf der Vorstellung, dass der Wettbewerb irgendwann in der Zukunft beschränkt sein könnte, falls die Softwareentwickler und Inhalteanbieter sich angesichts der weiten Verbreitung der Windows-Multimediafunktionalität veranlasst sähen, ihre Produkte ausschließlich für den Windows Media Player zu entwickeln. Die Theorie stütze somit die Annahme, dass es wettbewerbswidrige Wirkungen gebe, allein auf das zukünftige Verhalten Dritter, auf das Microsoft keinerlei Einfluss habe.

991    Microsoft habe alle erforderlichen Maßnahmen getroffen, um zu gewährleisten, dass die Integration der Multimediafunktionalität in Windows keinen Ausschluss der konkurrierenden Medienabspielprogramme vom Markt bewirke. Eine Reihe dieser Maßnahmen sei im Übrigen in dem Urteil des District Court vom 1. November 2002 „kodifiziert“ worden.

992    Dieses Vorbringen stützt Microsoft zunächst auf eine Reihe von Ausführungen zu ihrer Vorgehensweise bei der Ausgestaltung von Windows.

993    Erstens stelle sie sicher, dass die genannte Integration nicht das Funktionieren konkurrierender Medienabspielprogramme störe. Es sei daher technisch möglich – und allgemein üblich –, auf einem Client-PC, auf dem Windows installiert sei, ein oder mehrere Medienabspielprogramme Dritter zusätzlich zur Multimediafunktionalität von Windows arbeiten zu lassen. Zweitens seien die Medienabspielprogramme Dritter über die Windows-Benutzerschnittstelle leicht zugänglich. Drittens gestalte Microsoft Windows so, dass die Medienabspielprogramme Dritter automatisch bestimmte Aspekte der Multimediafunktionalität anböten, die Windows selbst anbieten könne. Viertens sei es für die Gerätehersteller und die Verbraucher mit einem von Microsoft hierfür geschaffenen Instrument möglich, dem Endnutzer den Zugang zum Windows Media Player zu entziehen. Fünftens unterstütze Microsoft die Entwicklung von Anwendungen, die mit der Windows-Multimediafunktionalität konkurrierten, indem sie diese Funktionalität über die veröffentlichten APIs offenlege.

994    Zudem trage Microsoft in den Verträgen mit Windows-Vertriebshändlern, also im Wesentlichen mit den Geräteherstellern, dafür Sorge, dass die Anbieter konkurrierender Medienabspielprogramme die Möglichkeit behielten, eigene Produkte zu vertreiben. So sehe Microsoft ausdrücklich vor, dass es den Geräteherstellern unbenommen bleibe, auf den Windows-Client-PCs Softwareprodukte ihrer Wahl zu installieren, einschließlich der mit Windows Media Player konkurrierenden Medienabspielprogramme. Sie erlaube den Geräteherstellern außerdem, durch Anbringung von Symbolen im Start-Menü und auf dem Windows-Desktop oder durch Hinweis auf dem Bildschirm beim erstmaligen Start von Windows den Zugang zum Internet anzubieten. Von den Internetzugangsanbietern würden nämlich häufig mit dem Windows Media Player konkurrierende Medienabspielprogramme angeboten und beworben.

995    Ferner verlange sie von Softwareentwicklern, Inhalteanbietern und allen anderen in den mit ihnen geschlossenen Verträgen niemals, dass sie ausschließlich oder zu einem festen Prozentsatz ihres Gesamtumsatzes mit Multimediasoftware den Windows Media Player vertreiben oder für diesen werben müssten.

996    Die Integration der Multimediafunktionalität in Windows stehe auch weder der Nutzung der mit dem Windows Media Player konkurrierenden Medienabspielprogramme unter Windows noch ihrem „großflächigen Vertrieb“ entgegen. Für den Vertrieb der konkurrierenden Medienabspielprogramme gebe es mehrere Methoden, u. a. die Vorinstallation durch Gerätehersteller auf neuen Client-PCs, das Herunterladen aus dem Internet oder aus dem unternehmenseigenen Intranet, die Integration durch andere Softwareentwickler in deren Produkte und den Vertrieb durch Inhalteanbieter oder Anbieter von Internetdiensten an die Nutzer ihrer Produkte oder Dienste.

997    In demselben Zusammenhang trägt Microsoft unter Hinweis auf eine Studie in Anlage A.24.1 zur Klageschrift vor, aus einer kürzlich durchgeführten Untersuchung ergebe sich, dass sowohl in den Vereinigten Staaten von Amerika als auch in Westeuropa die meisten Gerätehersteller auf ihren Client-PCs mit dem Windows Media Player konkurrierende Medienabspielprogramme wie RealPlayer und QuickTime installierten. Die Behauptung der Kommission, dass die Gerätehersteller konkurrierende Medienabspielprogramme auf einem Client-PC nur installierten, wenn sie den Windows Media Player entfernen könnten, sei somit unzutreffend. Außerdem belegten sogar die in der angefochtenen Entscheidung aufgeführten Marktdaten, dass die Nutzung konkurrierender Medienabspielprogramme ständig zunehme, mitunter in gleichem Maß wie oder stärker als die Nutzung der Windows-Multimediafunktionalität.

998    Schließlich führt Microsoft, insoweit unterstützt von der ACT, aus, die Theorie der Kommission über den Ausschluss der Konkurrenten lasse bestimmte relevante Faktoren außer Acht und stütze sich auf Prognosen, die im Widerspruch zu den Tatsachen stünden. Die der Kommission obliegende Beweislast sei besonders ausgeprägt, wenn sie die zukünftige Entwicklung untersuche.

999    Erstens habe die Kommission „die Faktoren außer Acht gelassen, die die Inhalteanbieter veranlassen, andere Formate als das Format Windows Media zu nutzen“. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Verbreitungsgrad einer mit einem besonderen Format verbundenen Multimediasoftware derjenige Faktor sei, der die Wahl des Formats bestimme, in dem der Inhalteanbieter seine Produkte kodiere. Die Kommission habe es bei der Marktuntersuchung von 2003 versäumt, die Inhalteanbieter danach zu fragen, ob andere Faktoren ihre Kodierungsentscheidungen beeinflussten.

1000 Die Kommission behaupte zu Unrecht, dass den Inhalteanbietern zusätzliche Kosten entstünden, wenn sie ihre Produkte in mehr als einem Format anböten. Sie hätte nachweisen müssen, dass die Kosten, die durch die Bereitstellung von Inhalten in einem zusätzlichen Format verursacht würden, die sich hieraus ergebenden Vorteile überwögen. In Wirklichkeit habe die Kommission Beweismittel zusammengetragen – ohne sie jedoch zu berücksichtigen –, die belegten, dass die Kosten, die mit der Bereitstellung von Inhalten in einem bestimmten Medienformat verbunden seien, einen unbedeutenden Teil der Gesamtkosten darstellten. Wie aus Randnr. 894 der angefochtenen Entscheidung hervorgehe, koste die „Kodierung in einer zweiten Multimediatechnologie nur halb so viel wie bei der ersten“. Microsoft, die insoweit von der CompTIA und der ACT unterstützt wird, schließt hieraus, dass das Angebot mehrerer Multimediaformate zu Größenvorteilen führe und dass ein zweites Format auch dann angeboten werde, wenn es bei den Nutzern viel weniger beliebt sei.

1001 Sogar einige Inhalteanbieter, die sich nur auf ein Format stützten, hätten sich auch noch nach Beginn des angeblichen Missbrauchs nicht für Windows Media entschieden So verwende Apple die Windows-Multimediatechnologie weder für ihr Produkt iPod noch für ihren Online-Musikdienst iTunes. Die Softwareentwickler hätten überdies der Kommission mitgeteilt, dass sie durchschnittlich „zwei der drei wichtigsten API‑Sets (Windows, Real oder QuickTime)“ verwendeten.

1002 In ihrer Erwiderung verweist Microsoft, die in diesem Punkt von DMDsecure u. a. unterstützt wird, auf einen Bericht eines ihrer Sachverständigen (Anlage C.16 zur Erwiderung) und führt aus, der Markt der Medienabspielprogramme könne nur dann „umkippen“, wenn den Nutzern oder Inhalteanbietern durch die Nutzung mehrerer Medienabspielprogramme bedeutende Kosten entstünden und wenn die Medienabspielprogramme in Bezug auf ihre wesentlichen Merkmale und den Inhalt, auf den sie Zugriff gewährten, als homogen angesehen würden. Keine der beiden Voraussetzungen sei vorliegend jedoch erfüllt.

1003 Zweitens stehe die Prognose in Randnr. 984 der angefochtenen Entscheidung, wonach ein „Umkippen“ zugunsten des Formats Windows Media in „absehbarer Zeit“ stattfinden werde, im Widerspruch zu den Tatsachen und dem Akteninhalt. Diese belegten nämlich, dass die Inhalteanbieter weiterhin unterschiedliche Formate nutzten, dass die Medienabspielprogramme Dritter keineswegs vom Markt verschwunden seien, sondern florierten und dass die Verbraucher nicht gezwungen seien, den Windows Media Player zu nutzen.

1004 Aus der Marktuntersuchung von 2003 ergebe sich, dass zehn der zwölf Inhalteanbieter, die ihre Inhalte in Windows-Media-Formaten kodierten, dies auch in anderen Formaten täten. Zahlreiche Inhalteanbieter nutzten weiterhin Formate, die von Apple, RealNetworks oder anderen Anbietern entwickelt worden seien. Eine Studie der 1 000 in der Zeit von 2001 bis 2004 in den Vereinigten Staaten meist besuchten Websites belege, dass die Zahl der Sites „mit Multimedia-Inhalt jeder Art“ um 47 % zugenommen habe, während die Zahl der Sites, die RealNetworks-Formate nutzten, um 59 % und die der Sites, die QuickTime-Formate nutzten, um 79 % gestiegen sei.

1005 Zudem böten die Gerätehersteller weiterhin mehrere Medienabspielprogramme auf den von ihnen verkauften PCs an. Im Mai 2004 habe die durchschnittliche Zahl der Abspielprogramme Dritter auf den von den wichtigsten Geräteherstellern verkauften Heimcomputern oder kleinen Bürocomputern bei 4,3 für amerikanische Modelle und bei 2,4 für europäische Modelle gelegen.

1006 Überdies sei die durchschnittliche Zahl der monatlich pro Person genutzten Medienabspielprogramme von 1,5 Ende 1999 auf 2,1 im Jahr 2004 gestiegen. Die Kommission könne sich nicht darauf berufen, dass die Zahl der Nutzer des Windows Media Player zunehme. Entscheidend sei, ob die Zahl der Nutzer anderer Formate so groß sei, dass für die Inhalteanbieter ein Interesse daran bestehe, ihre Produkte in diesen Formaten zu kodieren. Im Übrigen sei die Analogie, die die Kommission zu Netscape Navigator herstelle, nicht stichhaltig.

1007 Der Theorie der Kommission zum Ausschluss der Konkurrenten vom Markt fehle es eindeutig an Objektivität. Aus der angefochtenen Entscheidung ergebe sich, dass die Theorie nur dann anwendbar sei, wenn die an Windows gekoppelte Multimediafunktionalität von Microsoft entwickelt werde. Sie sei insbesondere nicht auf die Zeit von 1995 bis 1998 angewandt worden, als das Medienabspielprogramm mit Datenstrom-Kapazitäten von RealNetworks in Windows integriert gewesen sei.

1008 DMDsecure u. a., die ACT, TeamSystem, Mamut und Exor machen im Wesentlichen dieselben Argumente wie Microsoft geltend.

1009 Die Kommission weist zunächst auf die Feststellungen in Randnr. 841 der angefochtenen Entscheidung hin und trägt vor, aus den „wohlbekannten Präzedenzfällen“ ergebe sich, dass der bloße Umstand, dass ein Unternehmen in beherrschender Stellung ein gesondertes Produkt mit einem beherrschenden Produkt bündele, den Schluss auf eine Ausschlusswirkung für die Marktkonkurrenten zulasse. Im vorliegenden Fall sei sie jedoch angesichts der Besonderheiten des Marktes der Auffassung gewesen, dass es „gute Gründe [gibt], nicht ohne nähere Untersuchung davon auszugehen, dass der Koppelungsverkauf des [Windows Media Player] eine Handlung ist, die ihrem Wesen nach geeignet ist, den Wettbewerb einzuschränken“. Sie habe keineswegs die Ansicht vertreten, dass das beanstandete Verhalten als solches nicht missbräuchlich sei, sondern dass es „in seinem speziellen Marktzusammenhang“ zu untersuchen sei. Sie sei erstaunt, von Microsoft kritisiert zu werden, weil sie sich bemüht habe, die durch das fragliche Kopplungsgeschäft herbeigeführte tatsächliche Ausschlusswirkung für die Konkurrenten zu prüfen. Dass sie eine solche Ausschlusswirkung in einem Fall nachgewiesen habe, in dem diese in der Regel vermutet werde, bedeute nicht, dass sie eine neue Rechtstheorie angewandt habe.

1010 Sie habe am Ende ihrer Untersuchung festgestellt, dass „Microsoft … in den normalen Ablauf des Wettbewerbs [eingegriffen hat]“ (Randnr. 980 der angefochtenen Entscheidung) und dass „[d]ie Bündelung des [Windows Media Player] mit Windows … daher mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer Schwächung des Wettbewerbs [führt], so dass die Aufrechterhaltung einer wirksamen Wettbewerbsstruktur in absehbarer Zeit nicht mehr gewährleistet sein wird“ (Randnr. 984 der angefochtenen Entscheidung). Entgegen den Ausführungen von Microsoft habe sie weder in Randnr. 984 noch an anderer Stelle der angefochtenen Entscheidung behauptet, das in Rede stehende missbräuchliche Verhalten werde in absehbarer Zeit zur Ausschaltung aller Medienabspielprogramme Dritter führen. Sie habe nachgewiesen, dass Microsoft „durch ihr Kopplungsgeschäft die Wahlmöglichkeiten und Anreize der Marktteilnehmer verfälscht hat“. Eine solche Verfälschung des Wettbewerbsablaufs komme einer Wettbewerbsbeschränkung im Sinne der Rechtsprechung gleich, „da sie geeignet ist, den Wettbewerb auszuschließen“. Sie habe auch die durch das missbräuchliche Verhalten von Microsoft ausgelösten tatsächlichen Ausschlusswirkungen für die Konkurrenten anhand der Daten über die Marktentwicklung untersucht. Wie aus Randnr. 944 der angefochtenen Entscheidung hervorgehe, ließen diese Daten übereinstimmend einen Trend hin zur Nutzung des Windows Media Player und der Windows-Media-Formate erkennen und bestätigten, dass es bereits einen gewissen Ausschlussgrad auf dem Markt gebe.

1011 Die Behauptung von Microsoft, sie habe alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass das in Rede stehende Kopplungsgeschäft nicht zum Ausschluss der mit dem Windows Media Player konkurrierenden Medienabspielprogramme vom Markt führe, treffe nicht zu. Das missbräuchliche Verhalten von Microsoft habe im Mai 1999 begonnen und zum Zeitpunkt der Einreichung der Klagebeantwortung noch angedauert. Der US-amerikanische Vergleich sei erst im November 2001 geschlossen worden, und die Maßnahmen zu seiner Durchführung seien erst im August und September 2002 ergriffen worden. Diese Maßnahmen seien zudem völlig unzureichend, um den im Kopplungsgeschäft bestehenden Missbrauch, der in der angefochtenen Entscheidung festgestellt werde, zu beseitigen. Zu den unterschiedlichen Methoden für den Vertrieb konkurrierender Medienabspielprogramme, auf die Microsoft verweise, ergebe sich aus den Randnrn. 849 bis 877 der angefochtenen Entscheidung, dass sie keine Möglichkeit böten, den genannten Abspielprogrammen die Omnipräsenz zu verschaffen, die Microsoft dem Windows Media Player durch die Bündelung mit Windows garantieren könne.

1012 Die Kommission nimmt ferner auf die Feststellungen zum Wettbewerbsausschluss in der angefochtenen Entscheidung und insbesondere in deren Randnrn. 844 bis 846 und 879 bis 882 Bezug.

1013 Sie ist, in diesem Punkt unterstützt von der SIIA, der Ansicht, dass ihre Feststellung, wonach das in Rede stehende Kopplungsgeschäft den Wettbewerb auf dem Markt auszuschließen drohe, nicht spekulativ sei, sondern sich auf eine inhaltliche Beurteilung der Besonderheiten des Marktes sowie der Anreize für Inhalteanbieter und Softwareentwickler stütze. Aus dem Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2003, Van den Bergh Foods/Kommission (T‑65/98, Slg. 2003, II‑4653), gehe hervor, dass es zulässig sei, die wahrscheinlichen Reaktionen Dritter, insbesondere der Wettbewerber und der Kunden, auf die einseitige Maßnahme eines beherrschenden Unternehmens bei der Prüfung, ob diese Maßnahme einen Ausschluss des Wettbewerbs herbeiführen könne, zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall lasse Microsoft den Kunden unstreitig keine Möglichkeit, Windows ohne Windows Media Player zu erwerben. Das in Rede stehende Kopplungsgeschäft habe zudem einen unmittelbaren Einfluss auf Dritte und behindere somit deren freie Wahl (Randnrn. 845, 851, 870, 883, 884 und 895 der angefochtenen Entscheidung).

1014 Wie in den Randnrn. 879 bis 896 der angefochtenen Entscheidung dargelegt worden sei, habe sie die Auswirkungen des beanstandeten Verhaltens ausführlich untersucht, namentlich dadurch, dass sie eine Vielzahl umfangreicher Fragebögen an Inhalteanbieter, Softwareentwickler und Inhalteeigentümer gesandt habe.

1015 Aufgrund der Antworten auf diese Fragebögen habe sie folgende Feststellungen treffen können:

–        Alle Inhalteanbieter, die die Fragebögen beantwortet hätten, hätten angegeben, dass die Erstellung eines bestimmten Inhalts für mehr als eine Technologie zu Mehrkosten führe (Randnr. 884 der angefochtenen Entscheidung).

–        Sie seien der Ansicht gewesen, dass die Zahl der Nutzer einer bestimmten Technologie und das Vorhandensein einer Client-Software für die Medienwiedergabe auf den PCs wichtige Faktoren bei der Wahl der zu unterstützenden Technologie seien (Randnr. 886 der angefochtenen Entscheidung).

–        Einige Anbieter hätten sogar erklärt, dass die Zahl der Nutzer einer bestimmten Technologie „der bei weitem wichtigste Faktor“ gewesen sei (Randnr. 889 der angefochtenen Entscheidung).

–        Solange konkurrierende Medienabspielprogramme in erheblichem Umfang genutzt würden, könne die Unterstützung zusätzlicher Formate für die Inhalteanbieter kostenmäßig von Vorteil sein (Randnr. 890 der angefochtenen Entscheidung).

–        Die Antworten der Softwareentwickler seien in dieselbe Richtung gegangen wie die der Inhalteanbieter (Randnrn. 893 bis 896 der angefochtenen Entscheidung).

–        So hätten 12 von 13 Softwareentwicklern die Frage bejaht, ob die Mehrkosten für die Unterstützung mehrerer Formate ihre künftige Entscheidung beeinflussen könnten, Anwendungen für andere Technologien als Windows Media zu entwickeln (Randnr. 890 der angefochtenen Entscheidung).

–        Durch die Bündelung von Windows mit dem Windows Media Player garantiere Microsoft den Inhalteanbietern und Softwareentwicklern, dass die Endnutzer ihre Inhalte abspielen könnten, oder, mit anderen Worten, dass sie einen weiten Kundenkreis erreichen könnten; die Omnipräsenz des Windows Media Player auf den Windows-Client-PCs sichere Microsoft somit einen Wettbewerbsvorteil, der nichts mit den wesentlichen Eigenschaften des Produkts zu tun habe (Randnr. 891 der angefochtenen Entscheidung).

1016 Schließlich sei die Behauptung von Microsoft zurückzuweisen, wonach die vorliegend angewandte Theorie bestimmte relevante Faktoren außer Acht lasse und sich auf Prognosen stütze, die im Widerspruch zu den Tatsachen stünden.

1017 Insoweit treffe es nicht zu, dass die Kommission „Faktoren außer Acht gelassen [hat], die die Inhalteanbieter veranlassen, andere Formate als Windows Media zu nutzen“. In den Auskunftsverlangen, die sie an die Inhalteanbieter gerichtet habe, habe sie nicht ausschließlich die Frage der „Reichweite“ eines Medienabspielprogramms aufgeworfen, und in der angefochtenen Entscheidung habe sie nicht ausgeführt, dass die Reichweite der einzige relevante Faktor sei, sondern lediglich die Bedeutung dieses Faktors hervorgehoben. Microsoft erkenne jedenfalls an, dass die Inhalteanbieter den genannten Faktor berücksichtigten, wenn sie das Kodierungsformat für ihre Produkte wählten, und räume somit stillschweigend ein, dass „die durch [ihr] Kopplungsgeschäft erreichte unübertroffene Omnipräsenz diese [Wahl] verfälscht“.

1018 Aus den Fragen, die sie den Inhalteanbietern und den Softwareentwicklern gestellt habe, ergebe sich zudem, dass diese in der Tat eine Abwägung vornähmen und den Kosten einer Unterstützung mehrerer Technologien größeres Gewicht beimäßen als ihren Vorteilen. Microsoft habe selbst darauf hingewiesen, dass „die Kodierung kontinuierlich übertragener Inhalte in mehreren Formaten für Inhalteanbieter teuer und zeitaufwendig“ sei (Randnr. 883 der angefochtenen Entscheidung); dies werde durch bestimmte, im Rahmen der Marktuntersuchung von 2003 eingeholte Informationen bestätigt (Randnr. 884 der angefochtenen Entscheidung). Die Kosten für die Unterstützung mehrerer Technologien seien, auch wenn sie nicht der einzige für die Entscheidung der Inhalteanbieter, eine Kodierung in mehreren Formaten vorzunehmen, maßgebende Faktor seien, offensichtlich ein bedeutsamer Gesichtspunkt, dem sie Rechnung trügen. Es treffe auch nicht zu, dass die Kommission im Rahmen der Marktuntersuchung von 2003 Beweise dafür zusammengetragen habe, dass die mit der Bereitstellung von Inhalten in einem bestimmten Medienformat verbundenen Kosten nur einen unbedeutenden Teil der Gesamtkosten darstellten. Aus den Informationen, die sie erhalten habe, gehe vielmehr hervor, dass die mit der Aufbereitung der Inhalte verbundenen Kosten beträchtlich seien.

1019 Auch die Feststellungen in dem Bericht in Anlage C.16 zur Erwiderung (siehe oben, Randnr. 1002) seien nicht stichhaltig. Die angefochtene Entscheidung belege, dass das Herunterladen die Omnipräsenz, die der Windows Media Player durch das in Rede stehende Kopplungsgeschäft erreiche, nicht ausgleichen könne, und diese Omnipräsenz verfälsche die Anreize für die Inhalteanbieter. Die Schlussfolgerung der Kommission, dass eine beherrschende Stellung missbraucht werde, beruhe überdies nicht auf der Feststellung, dass der Wettbewerb völlig ausgeschaltet werde oder dass der Markt „umkippe“. Schließlich gebe der Verfasser des genannten Berichts erstens keine Begründung für seine Auffassung, lasse zweitens verschiedene wichtige Aspekte des vorliegenden Falls, wie z. B. „die Verfälschungen der Netzwerkeffekte durch die Hebelwirkung des Monopols“, außer Betracht und belege drittens nicht, dass die seiner Auffassung nach für das „Umkippen“ des Markts erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

1020 Darüber hinaus wendet sich die Kommission, die in diesem Punkt von der SIIA unterstützt wird, gegen das Vorbringen von Microsoft, die in der angefochtenen Entscheidung durchgeführte Untersuchung des Wettbewerbsausschlusses stehe im Widerspruch zu den Tatsachen.

1021 Zunächst stelle Microsoft Randnr. 984 der angefochtenen Entscheidung falsch dar, da dort nicht auf ein „Umkippen“ des Markts Bezug genommen, sondern nur festgestellt werde, dass das Kopplungsgeschäft von Microsoft die Wettbewerbsstruktur auf dem Markt der Medienabspielprogramme zu beeinträchtigen drohe.

1022 Ferner ließen die in der angefochtenen Entscheidung herangezogenen Branchendaten übereinstimmend erkennen, dass ein Trend zur Nutzung von Windows Media Player und Windows-Media-Formaten zu Ungunsten der wichtigsten konkurrierenden Medienabspielprogramme bestehe (Randnrn. 906 bis 942 der angefochtenen Entscheidung). Aus diesen Daten ergebe sich, dass bis zum zweiten Quartal 1999 RealPlayer der Marktführer mit nahezu doppelt so vielen Nutzern wie Windows Media Player und QuickTime gewesen sei (Randnr. 906 der angefochtenen Entscheidung). Vom zweiten Quartal 1999 bis zum zweiten Quartal 2002 sei dagegen die Gesamtzahl der Nutzer des Windows Media Player um 39 Millionen gestiegen, also etwa im gleichen Umfang wie die Zahl der Nutzer der Medienabspielprogramme von RealNetworks und Apple zusammen (Randnr. 907 der angefochtenen Entscheidung). Die jüngsten Daten von Nielsen/NetRatings zeigten, dass der Windows Media Player einen deutlichen Vorsprung vor dem RealPlayer (über 50 % mehr ausschließliche Nutzer dieses Programms) und QuickTime (mehr als dreimal so viele ausschließliche Nutzer) erreicht habe und dass der Abstand sich von Oktober 2002 bis Januar 2004 noch vergrößert habe (Randnr. 922 der angefochtenen Entscheidung). Dieser Trend sei vergleichbar mit der Situation auf dem Markt der Internet-Browser, der Gegenstand des Verfahrens wegen Verstoßes gegen das amerikanische Kartellrecht gewesen sei.

1023 Microsoft bestreite diese verschiedenen Daten nicht, lege aber neue Daten vor, von denen einige aus der Zeit nach Erlass der angefochtenen Entscheidung stammten und deswegen nicht berücksichtigt werden könnten.

1024 Schließlich werde die in der angefochtenen Entscheidung festgestellte Ausschlusswirkung auf den Wettbewerb jedenfalls durch neuere Daten bestätigt.

1025 So habe Microsoft erstens die von ihr vorgelegten Daten bezüglich der Inhalteanbieter (siehe oben, Randnr. 1004) nicht belegt und präsentiere sie in irreführender Weise. Es sei offensichtlich, dass in der Zeit von 2001 bis 2004 die Zahl der Websites mit Multimedia-Inhalt „jeder Art“ zugenommen habe, so dass es nicht verwundere, dass es mehr Websites mit anderen als Windows-Media-Formaten gebe. Microsoft erwähne auch nicht, dass im selben Zeitraum die Zahl der Websites, die das Windows-Media-Format unterstützten, um 141 % gestiegen sei, und mache weder Angaben über die tatsächliche Menge der Inhalte, die von den fraglichen Websites in anderen als Windows-Media-Formaten angeboten würden, noch über die tatsächliche Nutzung der Inhalte in diesen Multimediaformaten.

1026 Zweitens seien die Angaben zur durchschnittlichen Zahl von Medienabspielprogrammen, die die Gerätehersteller auf den Client-PCs vorinstallierten, nicht schlüssig (siehe oben, Randnr. 1005). Aus den von Microsoft vorgelegten Unterlagen gehe jedenfalls hervor, dass mehr als 70 % der in Europa verkauften PCs und mehr als 80 % der weltweit verkauften PCs im Allgemeinen nur ein einziges Medienabspielprogramm enthielten und dass dies wegen des fraglichen Kopplungsgeschäfts stets der Windows Media Player sei. Soweit die Gerätehersteller konkurrierende Medienabspielprogramme auf den PCs vorinstallierten, werde diese Vorinstallation von dem Umstand „überschattet“, dass der Windows Media Player automatisch auf 95 % der weltweit verkauften PCs vorhanden sei. Schließlich seien Microsofts Angaben nicht zuverlässig, da sie sich vor allem auf konkurrierende Medienabspielprogramme bezögen, die aufgrund von „legacy deals“ (auslaufenden Verträgen) vorinstalliert und nicht erneuert worden seien, sowie auf Software, die nicht als Medienabspielprogramm mit Datenstrom-Kapazitäten eingestuft werden könne.

1027 Drittens bestehe ein deutlicher Trend zugunsten der Nutzung des Windows Media Player und des Windows-Media-Formats. Die Daten von Nielsen/NetRatings zur Nutzung der Medienabspielprogramme in den Vereinigten Staaten belegten, dass sich im März 2005 der Nutzungsanteil des Windows Media Player auf mehr als 80 % belaufen habe, der Anteil von RealPlayer auf unter 40 % gefallen sei und der Anteil von QuickTime nur etwas mehr als 10 % betragen habe. Aus den jüngsten Daten von Nielsen/NetRatings gehe auch hervor, dass der Anteil der ausschließlichen Nutzer des Windows Media Player ständig zugenommen habe und gegenwärtig bei 53 % bis 55 % der Nutzer liege, während er beim RealPlayer 10 % bis 13 % und beim QuickTime Player 3 % oder 4 % betrage.

1028 Zur Behauptung von Microsoft, es fehle der These über den Ausschluss der Konkurrenten vom Markt an Objektivität, da sie keine Anwendung gefunden habe, als das Medienabspielprogramm von RealNetworks in Windows integriert gewesen sei (siehe oben, Randnr. 1007), sei auf Randnr. 818 der angefochtenen Entscheidung zu verweisen; der Kommission könne die Verfolgung eines bestimmten Verstoßes gegen das gemeinschaftliche Wettbewerbsrecht nicht deshalb verwehrt sein, weil sie einen möglichen anderen Verstoß nicht verfolgt habe.

1029 Die SIIA trägt im Wesentlichen dieselben Argumente vor wie die Kommission.

1030 Audiobanner.com trägt vor, das fragliche Kopplungsgeschäft habe negative Auswirkungen auf die Investitionen Dritter in Technologien, die mit denen von Microsoft konkurrierten, auf die Innovationen im Sektor der datenstromtauglichen digitalen Medien und auf die Verbraucher. In Bezug auf den letzten Punkt betont sie, dass das fragliche Kopplungsgeschäft den Leistungswettbewerb behindere.

 Würdigung durch das Gericht

1031 Microsoft macht im Wesentlichen geltend, die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass die Integration des Windows Media Player in das Windows-Betriebssystem für Client-PCs zu einer Beschränkung des Wettbewerbs führe, so dass die vierte in Randnr. 794 der angefochtenen Entscheidung genannte Voraussetzung eines missbräuchlichen Kopplungsgeschäfts im vorliegenden Fall nicht als erfüllt angesehen werden könne.

1032 Insbesondere habe die Kommission, die erkannt habe, dass kein klassischer Fall des Kopplungsgeschäfts vorliege, eine neue und sehr spekulative Theorie anwenden müssen. Sie habe sich dabei auf eine Untersuchung der möglichen zukünftigen Reaktionen Dritter gestützt, um zu dem Schluss zu gelangen, dass das fragliche Kopplungsgeschäft geeignet sei, den Wettbewerb zu beschränken.

1033 Nach Ansicht des Gerichts ist das Vorbringen von Microsoft nicht stichhaltig und beruht auf einer selektiven und unzutreffenden Betrachtung der angefochtenen Entscheidung. Es konzentriert sich nämlich im Wesentlichen auf den zweiten der drei in den Randnrn. 835 bis 954 der angefochtenen Entscheidung dargestellten Argumentationsschritte der Kommission.

1034 Tatsächlich hat die Kommission aber in der angefochtenen Entscheidung u. a. eindeutig nachgewiesen, dass der Umstand, dass Microsoft ab Mai 1999 den Geräteherstellern zur Vorinstallation auf Client-PCs nur die mit Windows Media Player gebündelte Windows-Version anbot, unweigerlich zur Folge hatte, dass die Marktbeziehungen zwischen Microsoft, den Geräteherstellern und den Anbietern der Medienabspielprogramme Dritter durch eine erhebliche Veränderung der Ausgewogenheit des Wettbewerbs zugunsten von Microsoft und zum Nachteil der übrigen Wirtschaftsteilnehmer beeinträchtigt wurden.

1035 Dass die Kommission die konkreten Auswirkungen, die durch das fragliche Kopplungsgeschäft auf dem Markt bereits entstanden waren, sowie dessen mutmaßliche weitere Entwicklung untersuchte, statt sich – wie sonst normalerweise in den Fällen missbräuchlicher Kopplungsgeschäfte – auf die Erwägung zu beschränken, dass das genannte Kopplungsgeschäft per se eine Ausschlusswirkung auf dem Markt entfaltete, bedeutet, wie bereits oben in Randnr. 868 ausgeführt, nicht, dass die Kommission eine neue Rechtstheorie angewandt hat.

1036 Ausgangspunkt für die Prüfung der Kommission, ob die Voraussetzung der Wettbewerbsbeschränkung vorliegt, ist Randnr. 841 der angefochtenen Entscheidung, wo sie ausführt, dass es vorliegend gute Gründe gebe, nicht ohne nähere Untersuchung davon auszugehen, dass der Kopplungsverkauf von Windows und Windows Media Player eine Handlung sei, die ihrem Wesen nach den Wettbewerb einschränken könne (siehe oben, Randnr. 977). Die Schlussfolgerung, zu der die Kommission insoweit gelangte, beruht im Wesentlichen auf der Feststellung, dass durch die Bündelung des Windows Media Player mit dem Windows-Betriebssystem für Client-PCs – das auf den allermeisten weltweit verkauften Client-PCs vorinstalliert ist –, ohne dass der Player vom Betriebssystem getrennt werden kann, dem Windows Media Player die Omnipräsenz des genannten Betriebssystems bei Client-PCs zugute kommt, die die anderen Vertriebswege der Medienabspielprogramme nicht ausgleichen können.

1037 Diese Feststellung, die Gegenstand des ersten Argumentationsschritts der Kommission ist (vgl. Randnrn. 843 bis 878 der angefochtenen Entscheidung, wie oben in den Randnrn. 979 bis 982 zusammengefasst), ist voll und ganz begründet.

1038 Erstens liegt es auf der Hand, dass das in Rede stehende Kopplungsgeschäft dem Windows Media Player weltweit eine beispiellose Präsenz auf den Client-PCs verschaffte, weil er dadurch automatisch einen dem Windows-Betriebssystem für Client-PCs entsprechenden Grad der Marktdurchdringung erreichen konnte, ohne mit den konkurrierenden Produkten in einen Leistungswettbewerb treten zu müssen. Insoweit ist bereits ausgeführt worden, dass Microsofts Marktanteil auf dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs unstreitig mehr als 90 % beträgt und dass die meisten Verkäufe von Windows-Betriebssystemen für Client-PCs (etwa 75 %) über die Gerätehersteller erfolgen, die sie auf den von ihnen zusammengebauten und vertriebenen Client-PCs vorinstallieren. Aus den in Randnr. 843 der angefochtenen Entscheidung genannten Zahlen geht hervor, dass Microsoft im Jahr 2002 bei den auf dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs verkauften Einheiten einen Marktanteil von 93,8 % besaß (vgl. auch Randnr. 431 der angefochtenen Entscheidung) und dass Windows – und damit der Windows Media Player – auf 196 Millionen der weltweit in der Zeit von Oktober 2001 bis März 2003 verkauften 207 Millionen Client-PCs vorinstalliert war.

1039 Wie nachfolgend näher erläutert wird, könnte ohne den Vertriebsvorteil, über den der Windows Media Player verfügt, weil Microsoft ihr Windows-Betriebssystem für Client-PCs in der genannten Weise einsetzt, kein Medienabspielprogramm Dritter einen derartigen Grad der Marktdurchdringung erreichen.

1040 Hinzuzufügen ist, dass die Bündelung des Windows-Betriebssystems mit dem Abspielprogramm NetShow 2.0, die Microsoft ab Juni 1998 vornahm, nicht sicherstellte, dass das genannte Abspielprogramm auf den Client-PCs in gleichem Umfang präsent war. Wie bereits oben in den Randnrn. 837 und 936 ausgeführt, war NetShow 2.0 zwar auf der Installations-CD für Windows 98 vorhanden, doch sah keine der vier Standardinstallationen dieses Systems seine Installation vor. Die Nutzer mussten NetShow 2.0 mit anderen Worten getrennt installieren und konnten auch davon Abstand nehmen. Desgleichen hinderte das gebündelte Angebot weder die Anbieter der Medienabspielprogramme Dritter, mit Microsoft anhand der wesentlichen Eigenschaften ihrer Produkte zu konkurrieren, noch die Gerätehersteller, sich diesen Wettbewerb zunutze zu machen.

1041 Zweitens ist klar, dass, wie die Kommission in Randnr. 845 der angefochtenen Entscheidung zu Recht feststellt, „Nutzer, auf deren Client-PCs der [Windows Media Player] vorinstalliert ist, … im Allgemeinen weniger dazu [neigen], andere Medienabspielprogramme zu nutzen, da sie bereits über eine Anwendung verfügen, die als Abspielprogramm für kontinuierlich übertragene Multimedia-Inhalte fungiert“. Ohne das fragliche Kopplungsgeschäft müssten sich daher Verbraucher, die über ein Medienabspielprogramm mit Datenstrom-Kapazitäten verfügen wollen, für eines der auf dem Markt angebotenen Programme entscheiden.

1042 Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Kommission in den Randnrn. 119, 848, 869 und 956 der angefochtenen Entscheidung auf die Bedeutung hinweist, die es für die Nutzer hat, „gebrauchsfertige“ (out-of-the-box) Client-PCs oder Systeme kaufen zu können, d. h. solche, die mit geringstmöglichem Aufwand installiert und genutzt werden können. Ein Anbieter, dessen Software auf dem Client-PC vorinstalliert ist und beim Hochfahren des PCs automatisch startet, verfügt daher eindeutig über einen Wettbewerbsvorteil gegenüber allen anderen Anbietern ähnlicher Produkte.

1043 Drittens stellt die Kommission in Randnr. 857 der angefochtenen Entscheidung zu Recht fest, dass das beanstandete Verhalten die Gerätehersteller davon abhalte, auf den von ihnen verkauften Client-PCs konkurrierende Medienabspielprogramme vorzuinstallieren.

1044 Wie in Randnr. 851 der angefochtenen Entscheidung festgestellt wird, zögern die Gerätehersteller, dem Programmpaket, das sie den Verbrauchern anbieten, ein zweites Medienabspielprogramm hinzuzufügen, da dieses Programm zusätzliche Speicherkapazitäten auf der Festplatte des Client-PCs in Anspruch nimmt, jedoch im Wesentlichen ähnliche Funktionalitäten bietet wie der Windows Media Player, so dass es wenig wahrscheinlich ist, dass die Verbraucher bereit sein werden, für diese zusätzliche Software einen höheren Preis zu zahlen.

1045 Außerdem kann das Vorhandensein mehrerer Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten auf demselben Client-PC zu Verwirrung bei den Nutzern und zu erhöhten Kosten für Kundenbetreuung und Softwareerprobung führen (vgl. Randnr. 852 der angefochtenen Entscheidung). Während des Verwaltungsverfahrens wies Microsoft selbst darauf hin, dass die Gerätehersteller in der Regel mit geringen Gewinnspannen arbeiteten und deshalb darauf bedacht seien, solche Kosten nicht tragen zu müssen (vgl. Fn. 1006 der angefochtenen Entscheidung).

1046 Das Inverkehrbringen der gebündelten Version von Windows und Windows Media Player als einzige Version des Windows-Betriebssystems, das die Gerätehersteller auf neuen Client-PCs vorinstallieren konnten, hatte somit unmittelbar und sofort zur Folge, dass den Geräteherstellern die bis dahin bestehende Möglichkeit entzogen wurde, die Produkte nach ihrer Vorstellung von dem, was für die Verbraucher am attraktivsten ist, zusammenzubauen, und dass es ihnen vor allem verwehrt war, als einziges Medienabspielprogramm ein mit dem Windows Media Player konkurrierendes Programm zu wählen. Bezüglich des letztgenannten Punktes ist zu bedenken, dass der RealPlayer damals einen wichtigen Handelsvorteil als Marktführer hatte. Wie Microsoft selbst einräumt, gelang ihr erst 1999 die Entwicklung eines Medienabspielprogramms mit Datenstrom-Kapazitäten, das ausreichend leistungsfähig war, während das vorhergehende Abspielprogramm, NetShow, „bei den Kunden nicht beliebt [war], weil es nicht besonders gut funktionierte“ (Randnr. 819 der angefochtenen Entscheidung). Ferner ist daran zu erinnern, dass von August 1995 bis Juli 1998 die Produkte von RealNetworks – zunächst RealAudio Player, dann RealPlayer – zusammen mit Windows vertrieben wurden. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass, wenn es das beanstandete Verhalten von Microsoft nicht gegeben hätte, der Wettbewerb zwischen RealPlayer und Windows Media Player anhand der wesentlichen Eigenschaften dieser beiden Produkte entschieden worden wäre.

1047 Selbst wenn es den Anbietern der mit Microsoft konkurrierenden Medienabspielprogramme gelänge, mit den Geräteherstellern eine Vereinbarung über die Vorinstallation ihres Produkts zu schließen, so wären sie gegenüber Microsoft weiterhin in einer nachteiligen Wettbewerbsposition. Da nämlich zum einen der Windows Media Player von den Geräteherstellern oder den Nutzern nicht aus dem Programmpaket, das Windows und den Windows Media Player umfasst, entfernt werden kann, könnte das Medienabspielprogramm Dritter niemals das einzige Medienabspielprogramm auf dem Client-PC sein. Vor allem hindert das in Rede stehende Kopplungsgeschäft die Anbieter der Abspielprogramme Dritter, insoweit anhand der wesentlichen Eigenschaften der Produkte mit Microsoft zu konkurrieren. Da zum anderen die Zahl der Medienabspielprogramme, zu deren Vorinstallation auf den Client-PCs die Gerätehersteller bereit sind, beschränkt ist, treten die Anbieter der Medienabspielprogramme Dritter untereinander in Wettbewerb, um zu erreichen, dass ihre Produkte vorinstalliert werden, während Microsoft dank des fraglichen Kopplungsgeschäfts diesem Wettbewerb und den dadurch entstehenden erheblichen Mehrkosten entgeht. Bezüglich des letztgenannten Punktes ist auf Randnr. 856 der angefochtenen Entscheidung zu verweisen, in der die Kommission die 2001 zwischen RealNetworks und Compaq geschlossene Vertriebsvereinbarung hinsichtlich des RealPlayer erwähnt und ausführt, dass Microsoft im Verwaltungsverfahren eingeräumt habe, dass RealNetworks die Gerätehersteller bezahle, damit diese ihre Produkte vorinstallierten.

1048 Aus diesen verschiedenen Feststellungen ergibt sich, dass die Kommission zu Recht der Auffassung war, dass „die Möglichkeit, mit den Geräteherstellern Vereinbarungen zu schließen, ein weniger effizientes und wirksames Mittel zum Vertrieb der Medienabspielprogramme [war] als der von Microsoft praktizierte Kopplungsverkauf“ (Randnr. 849 der angefochtenen Entscheidung).

1049 Viertens hat die Kommission auch zu Recht festgestellt, dass der Vertrieb der Medienabspielprogramme auf anderem Weg als der Vorinstallation durch die Gerätehersteller keinen Ausgleich für die Omnipräsenz des Windows Media Player schaffen konnte (Randnrn. 858 bis 876 der angefochtenen Entscheidung).

1050 Über das Herunterladen von Medienabspielprogrammen aus dem Internet kann zwar eine beachtliche Zahl von Nutzern erreicht werden, doch ist dieser Vertriebsweg nicht so wirksam wie die Vorinstallation durch die Gerätehersteller. Erstens wird nämlich durch das Herunterladen nicht sichergestellt, dass der Vertrieb der konkurrierenden Medienabspielprogramme dem des Windows Media Player gleichwertig ist (Randnr. 861 der angefochtenen Entscheidung). Zweitens wird das Herunterladen von einer nicht unerheblichen Zahl von Nutzern im Gegensatz zur Nutzung eines vorinstallierten Produkts als kompliziert angesehen. Drittens wird, wie die Kommission in Randnr. 866 der angefochtenen Entscheidung feststellt, eine beträchtliche Zahl von Versuchen des Herunterladens – nach den von RealNetworks 2003 durchgeführten Tests mehr als 50 % – nicht erfolgreich abgeschlossen. Zwar wird das Herunterladen durch Breitband schneller und somit weniger komplex, doch verfügten 2002 nur ein Sechstel der europäischen Haushalte mit Internetanschluss über einen Breitbandanschluss (Randnr. 867 und Fn. 1037 der angefochtenen Entscheidung). Viertens werden die Nutzer wahrscheinlich zu der Auffassung neigen, dass ein in den Client-PC, den sie gekauft haben, integriertes Medienabspielprogramm besser funktionieren wird als ein von ihnen selbst installiertes Produkt (Randnr. 869 der angefochtenen Entscheidung). Fünftens schließlich ist den Angestellten der meisten Unternehmen das Herunterladen von Software aus dem Internet nicht erlaubt, da dies die Arbeit der Netzwerkadministratoren erschweren würde (Randnr. 869 der angefochtenen Entscheidung).

1051 Einige von Microsoft selbst im Verwaltungsverfahren zur Verfügung gestellte und in den Randnrn. 909 bis 911 der angefochtenen Entscheidung aufgeführte Daten bestätigen, dass das Herunterladen aus dem Internet kein so wirksamer Vertriebsweg wie die Vorinstallation durch die Gerätehersteller ist. Microsoft hat nämlich zum einen angegeben, dass 8,8 Millionen Kopien ihres Abspielprogramms WMP 6 in den zwölf Monaten nach seinem Inverkehrbringen heruntergeladen worden seien, und zum anderen, dass sie von Juli 1999 bis September 1999 7,9 Millionen Betriebssysteme Windows 98 SE verkauft habe. Das Abspielprogramm WMP 6 fand mit anderen Worten durch die Bündelung mit dem Windows-Betriebssystem innerhalb von drei Monaten in etwa dieselbe Verbreitung wie innerhalb eines Jahres durch das Herunterladen.

1052 Wie die Kommission in Randnr. 870 der angefochtenen Entscheidung ausführt, ist das Herunterladen zwar ein in technischer Hinsicht preisgünstiger Vertriebsweg für Medienabspielprogramme, doch müssen die Anbieter bedeutende Ressourcen darauf verwenden, „gegen die Trägheit der Endnutzer anzukämpfen und sie davon zu überzeugen, die Vorinstallation des [Windows Media Player] zu ignorieren“.

1053 In Bezug auf die anderen Vertriebswege der Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten, auf die in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen wird, also die Bündelung des Abspielprogramms mit anderer Software oder mit Internetzugangsdiensten sowie der Einzelhandel, trägt Microsoft nichts vor, das die Beurteilung der Kommission, wonach diese Vertriebswege nur eine „zweitbeste Lösung und hinsichtlich Effizienz und Wirksamkeit nicht mit dem Vertrieb der auf (Windows-)PCs vorinstallierten Software vergleichbar [sind]“, in Frage stellen könnte (Randnrn. 872 bis 876 der angefochtenen Entscheidung).

1054 Nach alledem hat die Kommission in ihrer in den Randnrn. 843 bis 878 der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Analyse, die den ersten Schritt ihrer Argumentation darstellt, rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass der Kopplungsverkauf von Windows und Windows Media Player ab Mai 1999 zwangsläufig erhebliche Folgen für die Wettbewerbsstruktur hatte. Denn durch diese Praxis konnte Microsoft einen beispiellosen Vorteil in Bezug auf den Vertrieb ihres Produkts erzielen und weltweit die Omnipräsenz des Windows Media Player auf den Client-PCs sicherstellen, wodurch die Nutzer von der Verwendung der Medienabspielprogramme Dritter und die Gerätehersteller von der Vorinstallation dieser Programme auf den Client-PCs abgehalten wurden.

1055 Wie Microsoft darlegt, statten einige Gerätehersteller zwar weiterhin das ihren Kunden angebotene Programmpaket mit Medienabspielprogrammen Dritter aus. Auch nehmen unstreitig die Zahl der Medienabspielprogramme und der Grad der Nutzung mehrerer Programme ständig zu. Dies entkräftet jedoch nicht die Schlussfolgerung der Kommission, dass das beanstandete Verhalten geeignet war, den Wettbewerb im Sinne der Rechtsprechung zu schwächen. Denn seit Mai 1999 sind die Anbieter von Medienabspielprogrammen Dritter nicht mehr in der Lage, über die Gerätehersteller darum zu konkurrieren, dass auf den von diesen zusammengebauten und verkauften Client-PCs anstelle des Windows Media Player ihre eigenen Produkte als alleiniges Medienabspielprogramm installiert werden.

1056 Die Richtigkeit der oben genannten Feststellungen wird ferner durch bestimmte Daten bestätigt, die die Kommission im Rahmen ihres dritten Argumentationsschritts geprüft hat. Wie nachfolgend in den Randnrn. 1080 bis 1084 ausgeführt wird, belegen insbesondere die Daten in den Randnrn. 905 bis 926 der angefochtenen Entscheidung einen deutlichen Trend zur Nutzung des Windows Media Player zulasten konkurrierender Medienabspielprogramme.

1057 Zudem geht aus den von Microsoft selbst im Verwaltungsverfahren übermittelten und in den Randnrn. 948 bis 951 der angefochtenen Entscheidung genannten Informationen hervor, dass die erhebliche Zunahme der Nutzung des Windows Media Player nicht darauf zurückgeführt werden kann, dass er qualitativ besser als die konkurrierenden Abspielprogramme ist oder dass Letztere, insbesondere der RealPlayer, bestimmte Mängel aufweisen.

1058 Nach alledem reichen die Feststellungen, die die Kommission im Rahmen ihres ersten Argumentationsschritts getroffen hat, für sich genommen zum Nachweis dafür aus, dass die vierte Voraussetzung eines missbräuchlichen Kopplungsgeschäfts im vorliegenden Fall erfüllt ist. Diese Feststellungen beruhen nicht auf einer neuen oder sehr spekulativen Theorie, sondern auf der Art des beanstandeten Verhaltens, den Marktbedingungen und den wesentlichen Merkmalen der betreffenden Produkte. Ihnen liegen genaue, zuverlässige und kohärente Beweise zugrunde, die zu entkräften es Microsoft allein mit ihrem Vorbringen, dass es sich um bloße Vermutungen handele, nicht gelungen ist.

1059 Aus dem Vorstehenden folgt, dass das Vorbringen von Microsoft gegen die Feststellungen der Kommission im Rahmen ihrer anderen beiden Argumentationsschritte nicht geprüft zu werden braucht. Gleichwohl soll kurz darauf eingegangen werden.

1060 Im zweiten Schritt ihrer Argumentation befasst sich die Kommission mit dem Nachweis, dass die Omnipräsenz des Windows Media Player, die sich aus seiner Bündelung mit Windows ergibt, nicht unerheblichen Einfluss auf die Inhalteanbieter und die Softwareentwickler hat.

1061 Die Auffassung der Kommission beruht darauf, dass der Markt der Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten durch bedeutende mittelbare Netzwerkeffekte gekennzeichnet ist, oder, wie Herr Gates es ausdrückt, auf der Existenz einer „positiven Rückkopplungsschleife“ (Randnr. 882 der angefochtenen Entscheidung). Der letztgenannte Ausdruck beschreibt das Phänomen, dass die Investitionen in die Entwicklung von Produkten, die mit einer bestimmten Softwareplattform kompatibel sind, umso höher sind, je größer die Zahl der Nutzer dieser Plattform ist, was wiederum ihre Beliebtheit bei den Nutzern erhöht.

1062 Die Kommission ist zu Recht davon ausgegangen, dass es im vorliegenden Fall ein solches Phänomen gebe und dass die Inhalteanbieter und Softwareentwickler ihrer Entscheidung, für welche Technologie sie ihre eigenen Produkte entwickelten, den prozentualen Anteil der Installation und Nutzung von Medienabspielprogrammen zugrunde gelegt hätten (Randnr. 879 der angefochtenen Entscheidung). Sie hat zutreffend festgestellt, dass diese Wirtschaftsteilnehmer dazu geneigt hätten, vorrangig den Windows Media Player zu nutzen, da sie dadurch die Möglichkeit gehabt hätten, weltweit die meisten Nutzer von Client-PCs zu erreichen, und dass die Übertragung von Inhalten und Anwendungen, die mit einem bestimmten Medienabspielprogramm kompatibel seien, für sich genommen einen bedeutenden Wettbewerbsfaktor darstelle, da sie die Beliebtheit dieses Medienabspielprogramms erhöhe, was wiederum die Nutzung der zugrunde liegenden Multimediatechnologie fördere, einschließlich der Codecs, der Formate (darunter das Format DRM) und der Server-Software (Randnrn. 880 und 881 der angefochtenen Entscheidung).

1063 Was erstens speziell die Auswirkungen des Kopplungsgeschäfts auf die Inhalteanbieter angeht, so beruht die Beurteilung dieser Frage durch die Kommission in den Randnrn. 883 bis 891 der angefochtenen Entscheidung auf einer tragfähigen Grundlage.

1064 Insbesondere hat sie völlig zu Recht festgestellt, dass die Bereitstellung mehrerer unterschiedlicher Technologien mit zusätzlichen Entwicklungs-, Infrastruktur- und Verwaltungskosten für die Inhalteanbieter verbunden sei, so dass diese dazu neigten, für ihre Produkte nur eine Technologie zu verwenden, wenn sie damit ein breites Publikum erreichen könnten.

1065 Aus den von der Kommission gesammelten Beweisen und vor allem aus den Antworten auf die Auskunftsverlangen, die die Kommission im Rahmen der Marktuntersuchung von 2003 an die Inhalteanbieter gerichtet hatte, ergibt sich, dass die Kodierung von kontinuierlich übertragenem Inhalt in mehreren Formaten teuer und zeitaufwendig ist. In ihrem Auskunftsverlangen vom 16. April 2003 hatte die Kommission die Inhalteanbieter u. a. gefragt, ob die Erstellung eines bestimmten Inhalts für mehr als eine Technologie zu Mehrkosten führe (Frage 19). Alle antwortenden Unternehmen bejahten dies und nannten insbesondere Mehrkosten für Personal und Überstunden für die Aufbereitung der Inhalte sowie für Material, Infrastruktur und Lizenzen. Auf die Frage, wie hoch sie diese Mehrkosten schätzten, nannten die betreffenden Unternehmen eine Spanne von 20 % bis 100 % der ursprünglichen Kosten für die Bereitstellung des Inhalts in nur einem Format, also durchschnittliche Mehrkosten von etwa 50 % (Frage 20). Wie die Kommission in Randnr. 884 der angefochtenen Entscheidung feststellt, erklärte eines der befragten Unternehmen sogar, dass „die relativ hohen Kosten der Aufbereitung der Inhalte die wirtschaftlichen Anreize für Tonträgerfirmen und/oder Online-Portale zur Unterstützung mehrerer Formate mit unterschiedlicher Verbreitung reduzieren könnten“ und dass „[d]ie einzelnen Schallplattenfirmen … diese Mehrkosten gegen die Vorteile der größeren Reichweite und der Unterstützung mehrerer Technologien abwägen [werden]“.

1066 Entgegen dem Vorbringen von Microsoft hat die Kommission geprüft, ob die aus einer Kodierung in mehreren Formaten resultierenden Vorteile gewichtiger sind als die dadurch entstehenden Mehrkosten. Sie hatte nämlich im Rahmen der Marktuntersuchung von 2003 die Inhalteanbieter danach gefragt, und diese hatten sich dazu geäußert (vgl. Randnrn. 884, 887, 889 und 890 der angefochtenen Entscheidung).

1067 Aus den von der Kommission gesammelten Beweisen geht auch hervor, dass die Inhalteanbieter umso eher geneigt sind, für die in einem Medienabspielprogramm implementierte Technologie Inhalte zu schaffen, je weiter dieses Programm verbreitet ist. Wie die Kommission in Randnr. 885 der angefochtenen Entscheidung zu Recht ausführt, maximieren die Inhalteanbieter die potenzielle Reichweite ihrer eigenen Produkte, wenn sie sich auf das Medienabspielprogramm mit der stärksten Verbreitung stützen.

1068 Wie in Randnr. 886 der angefochtenen Entscheidung dargelegt, hatte die Kommission in ihrem Auskunftsverlangen vom 16. April 2003 die betreffenden Inhalteanbieter gefragt, ob die Reichweite einer bestimmten Technologie und das Vorhandensein einer Client-Software für die Medienwiedergabe auf den Client-PCs wesentliche Faktoren bei der Wahl der zu unterstützenden Technologie seien (Fragen 33 und 34). Alle Inhalteanbieter, die darauf antworteten, bejahten dies (Randnr. 886 der angefochtenen Entscheidung).

1069 Unter diesen Umständen und angesichts der Tatsache, dass Windows weltweit auf nahezu allen Client-PCs vorhanden ist, ist die Kommission in Randnr. 891 der angefochtenen Entscheidung zu Recht zu folgendem Ergebnis gekommen: „Durch die Bündelung des [Windows Media Player] kann Microsoft den Inhalteanbietern und Softwareentwicklern garantieren, dass die Endnutzer ihre Inhalte abspielen können, oder, mit anderen Worten, dass sie einen weiten Kundenkreis erreichen können. Die Omnipräsenz des [Windows Media Player] auf den Windows-PCs sichert Microsoft somit einen Wettbewerbsvorteil, der nichts mit den Eigenschaften ihres Produkts zu tun hat. Ist ein auf einem bestimmten Format basierender Inhalt erst einmal weit verbreitet, so stärkt dies die Wettbewerbsposition kompatibler Medienabspielprogramme [und] der Zutritt neuer Wettbewerber zum Markt wird erschwert.“

1070 In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass Art. 82 EG darauf abzielt, einem beherrschenden Unternehmen zu verbieten, seine eigene Stellung zu stärken, indem es zu anderen Mitteln als denjenigen eines Leistungswettbewerbs greift (Urteil des Gerichts vom 21. Oktober 1997, Deutsche Bahn/Kommission, T‑229/94, Slg. 1997, II‑1689, Randnr. 78, und Urteil Van den Bergh Foods/Kommission, oben in Randnr. 1013 angeführt, Randnr. 157).

1071 Zweitens hat die Kommission in den Randnrn. 892 bis 896 der angefochtenen Entscheidung die Auswirkungen des Kopplungsgeschäfts auf die Softwareentwickler zutreffend gewürdigt.

1072 Insbesondere stellt sie in Randnr. 892 der angefochtenen Entscheidung zu Recht fest, dass die Softwareentwickler dazu neigten, Anwendungen nur für eine Plattform zu erstellen, wenn sie dadurch praktisch sämtliche potenziellen Nutzer ihrer Produkte erreichen könnten, da die Anpassung ihrer Programme an andere Plattformen, das Inverkehrbringen dieser Programme und die Kundenbetreuung in Bezug auf sie mit zusätzlichen Kosten verbunden seien.

1073 Aus den Antworten auf einige Fragen, die die Kommission im Rahmen der Marktuntersuchung von 2003 an die Softwareentwickler gerichtet hatte (vgl. insbesondere Fragen 8 und 48 des Auskunftsverlangens vom 16. April 2003), ergibt sich, dass die Erstellung von Anwendungen für mehrere Multimediatechnologien mit Mehrkosten für Personal, Überstunden, Lizenzen und Kundenbetreuung verbunden sind. Die betreffenden Softwareentwickler nannten für diese Mehrkosten eine Spanne von 1 % bis 100 % der Kosten für die Erstellung von Anwendungen für nur eine Technologie, woraus sich ein Durchschnitt von etwa 58 % ergab (vgl. Randnr. 894 der angefochtenen Entscheidung).

1074 Wie aus den Antworten auf das Auskunftsverlangen vom 16. April 2003 ferner hervorgeht, kann der Umstand, dass die Erstellung von Anwendungen für ergänzende Technologien, die keine Microsoft-Technologien sind, mit Mehrkosten für die Softwareentwickler verbunden ist, ihre Entscheidung darüber beeinflussen, ob sie Anwendungen für ergänzende Technologien entwickeln (vgl. Randnr. 894 der angefochtenen Entscheidung; vgl. auch die in Randnr. 893 der angefochtenen Entscheidung wiedergegebene Erklärung des Befragten T30).

1075 Unter diesen Umständen und angesichts der Tatsache, dass der Windows Media Player aufgrund des fraglichen Kopplungsgeschäfts weltweit auf der großen Mehrzahl aller Client-PCs vorhanden ist, ist davon auszugehen, dass die Kommission in Randnr. 895 der angefochtenen Entscheidung zu Recht ausgeführt hat, dass die Softwareentwickler, die auf ein Medienabspielprogramm gestützte Anwendungen erstellten, einen Anreiz hatten, dies vor allem für den Windows Media Player zu tun. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im Rahmen der Marktuntersuchung von 2003 die befragten Softwareentwickler aufgefordert hatte, nähere Angaben zu den Faktoren für die Wahl der Technologie zu machen, für die sie ihre Anwendungen erstellten (Frage 7 des Auskunftsverlangens vom 16. April 2003). Von den vierzehn Unternehmen, die darauf antworteten, nannten zehn den Grad der Präsenz eines Medienabspielprogramms auf dem Client-PC als wichtigsten oder zweitwichtigsten Faktor (Randnr. 896 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission hatte die Softwareentwickler auch gefragt, ob es für sie von Bedeutung sei, dass die Schnittstellen für den Windows Media Player auf nahezu allen Windows-Client-PCs vorhanden seien (Frage 14 des Auskunftsverlangens vom 16. April 2003). Von den dreizehn Unternehmen, die darauf antworteten, bejahten dies zehn (Randnr. 896 der angefochtenen Entscheidung).

1076 Drittens stellt die Kommission in den Randnrn. 897 bis 899 der angefochtenen Entscheidung fest, dass die Omnipräsenz, über die der Windows Media Player dank des fraglichen Kopplungsgeschäfts verfüge, auch Auswirkungen auf bestimmte angrenzende Märkte habe, wie z. B. die Märkte für Medienabspielprogramme auf drahtlosen Informationsendgeräten, für Decoder, für DRM-Lösungen und für Online-Musikwiedergabe. Insoweit genügt die Feststellung, dass Microsoft kein Argument vorgebracht hat, das diese Beurteilung in Frage stellen könnte.

1077 Nach alledem beruht der zweite Argumentationsschritt der Kommission auf einer tragfähigen Grundlage.

1078 Im dritten Schritt ihrer Argumentation prüft die Kommission die Marktentwicklung anhand von Marktstudien der Unternehmen Media Metrix, Synovate und Nielsen/NetRatings und kommt zu dem Schluss, dass die Daten in diesen Studien „übereinstimmend einen Trend zugunsten der Nutzung von [Windows Media Player] und Windows-Media-Formaten auf Kosten der wichtigsten konkurrierenden Medienabspielprogramme (und Medienabspielprogrammtechnologien) erkennen lassen“ (Randnr. 944 der angefochtenen Entscheidung).

1079 Diese Schlussfolgerung ist zutreffend.

1080 So ergibt sich erstens zur Nutzung der Medienabspielprogramme aus den von Media Metrix zusammengetragenen Daten, dass der Windows Media Player bis zum zweiten Quartal des Jahres 1999, in dem das fragliche Kopplungsgeschäft begann, weit hinter dem Marktführer RealPlayer lag, der über fast doppelt so viele Nutzer verfügte (Randnrn. 905 und 906 der angefochtenen Entscheidung). Dagegen stieg die Gesamtzahl der Nutzer des Windows Media Player in der Zeit zwischen dem zweiten Quartal des Jahres 1999 und dem zweiten Quartal des Jahres 2002 um mehr als 39 Millionen, also in vergleichbarem Umfang wie bei RealPlayer und QuickTime Player zusammen (vgl. Tabellen 8 und 9 in Randnr. 907 der angefochtenen Entscheidung).

1081 Die Daten, die Synovate für Microsoft sammelte und die in den Randnrn. 918 bis 920 der angefochtenen Entscheidung wiedergegeben werden, zeigen ebenfalls eine deutliche Tendenz zugunsten des Windows Media Player und zulasten von RealPlayer und QuickTime Player.

1082 Aus den in Randnr. 920 der angefochtenen Entscheidung aufgeführten Daten von Synovate geht insbesondere hervor, dass zwar eine Reihe von Nutzern mehr als ein Medienabspielprogramm verwendet; im August 2003 erklärten jedoch 45 % der befragten „Mehrfachnutzer“, dass das von ihnen am häufigsten genutzte Medienabspielprogramm der Windows Media Player sei, während es beim RealPlayer 19 % und beim QuickTime Player 11 % waren. Im Vergleich hierzu wurde im Oktober 1999 von den Mehrfachnutzern am häufigsten der RealPlayer verwendet (50 %), gefolgt zunächst vom Windows Media Player (22 %) und dann vom QuickTime Player (15 %).

1083 In diesem Zusammenhang ist hinzuzufügen, dass die Feststellung von Microsoft, die Verbraucher hätten im Juni 2002 durchschnittlich 1,7 Medienabspielprogramme genutzt – 2004 war dieser Wert auf 2,1 gestiegen –, relativiert werden muss. Wie die Kommission in Randnr. 860 der angefochtenen Entscheidung zu Recht feststellt, erlaubt das Herunterladen aus dem Internet – auch wenn es kein ebenso wirksamer Vertriebsweg wie die Vorinstallation durch die Gerätehersteller ist – dem Nutzer allenfalls, auf seinem Client-PC ein weiteres Medienabspielprogramm zu installieren, nicht aber, den Windows Media Player zu ersetzen. Der Windows Media Player verbleibt weiterhin auf dem Client-PC, während das zusätzliche Abspielprogramm in einigen Fällen der RealPlayer und in anderen der QuickTime Player oder ein sonstiges Medienabspielprogramm Dritter ist.

1084 Schließlich zeigen auch die Daten von Nielsen/Netratings (vgl. Randnrn. 921 und 922 der angefochtenen Entscheidung), dass der Windows Media Player von Oktober 2002 bis Januar 2004 seinen Vorsprung sowohl gegenüber dem RealPlayer als auch gegenüber dem QuickTime Player deutlich vergrößerte.

1085 Was zweitens die Nutzung der Formate angeht, so zeigen die in den Randnrn. 930 bis 932 der angefochtenen Entscheidung genannten Daten von Nielsen/Netratings eine Tendenz zugunsten der Windows-Media-Formate und zulasten der RealNetworks-Formate und der QuickTime-Formate von Apple.

1086 Drittens hat die Kommission in den Randnrn. 934 bis 942 der angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt, dass die ihr von Microsoft im Verwaltungsverfahren übermittelten Daten von Netcraft – einem Anbieter von Internet-Diensten – über die auf den Websites verwendeten Multimediaformate nicht schlüssig sind. Die Kommission hat insbesondere in rechtlich hinreichender Weise dargetan, dass die in den Randnrn. 940 bis 942 der angefochtenen Entscheidung aufgezählten methodologischen Fehler der von Netcraft durchgeführten Untersuchungen die Behauptung von Microsoft untergraben, dass „die RealNetworks-Formate im November 2002 im [Internet] immer noch wesentlich verbreiteter waren“ (Randnr. 937 der angefochtenen Entscheidung).

1087 Viertens schließlich hat die Kommission in Randnr. 943 der angefochtenen Entscheidung zu Recht das Vorbringen zurückgewiesen, das Microsoft darauf stützte, dass der RealPlayer im Jahr 2001 in den Vereinigten Staaten auf 92 % aller privaten PCs installiert gewesen sei und somit bei diesen PCs über eine vergleichbare Installationsbasis wie der Windows Media Player verfügt habe. Zum einen war der RealPlayer nämlich, wie in derselben Randnummer ausgeführt wird, 2003 in den Vereinigten Staaten nur noch auf 60 % bis 70 % der privaten PCs installiert. Zum anderen beträgt die Installationsrate des Windows Media Player auf den Windows-Client-PCs 100 % und sowohl auf den privat als auch auf den beruflich genutzten Client-PCs weltweit über 90 %.

1088 Nach alledem beruht das Endergebnis, zu dem die Kommission in den Randnrn. 978 bis 984 der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die wettbewerbswidrigen Auswirkungen des in Rede stehenden Kopplungsgeschäfts gelangt, auf einer tragfähigen Grundlage. Die Kommission stellt dort zu Recht Folgendes fest:

–        Microsoft nutzt das Windows-Betriebssystem für Client-PCs als Vertriebskanal, um sich einen erheblichen Wettbewerbsvorteil auf dem Markt der Medienabspielprogramme zu sichern (Randnr. 979 der angefochtenen Entscheidung).

–        Durch das fragliche Kopplungsgeschäft befinden sich Microsofts Konkurrenten von vornherein in einer nachteiligen Position, und zwar selbst dann, wenn ihre Produkte dem Windows Media Player qualitativ überlegen sind (ibid.).

–        Microsoft verfälscht den normalen Ablauf des Wettbewerbs, von dem die Verbraucher durch schnellere Innovationszyklen infolge eines ungehinderten Leistungswettbewerbs profitieren würden (Randnr. 980 der angefochtenen Entscheidung).

–        Das in Rede stehende Kopplungsgeschäft erhöht die Windows schützenden inhalts- und anwendungsbezogenen Marktzutrittsschranken und erleichtert die Errichtung solcher Schranken zugunsten des Windows Media Player (ibid.).

–        Microsoft schützt sich vor wirksamem Wettbewerb durch potenziell effizientere Anbieter von Medienabspielprogrammen und bewirkt damit, dass weniger Talent und Kapital in die Innovation von Medienabspielprogrammen investiert werden (Randnr. 981 der angefochtenen Entscheidung).

–        Durch das fragliche Kopplungsgeschäft kann Microsoft ihren Einfluss auf den angrenzenden Märkten für Multimediasoftware ausdehnen und dort den wirksamen Wettbewerb zum Nachteil der Verbraucher schwächen (Randnr. 982 der angefochtenen Entscheidung).

–        Durch das fragliche Kopplungsgeschäft sendet Microsoft Signale aus, die von Innovationen bei allen Technologien abschrecken, für die sie sich irgendwann interessieren und die sie künftig mit Windows koppeln könnte (Randnr. 983 der angefochtenen Entscheidung).

1089 Die Kommission hat daher in Randnr. 984 der angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt, dass die Kopplung von Windows und Windows Media Player mit einiger Wahrscheinlichkeit zu einer Schwächung des Wettbewerbs führe, so dass die Aufrechterhaltung einer wirksamen Wettbewerbsstruktur in naher Zukunft nicht mehr gewährleistet sei. Sie hat aber nicht erklärt, dass der Kopplungsverkauf zur Ausschaltung des gesamten Wettbewerbs auf dem Markt der Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten führen würde. Das Argument von Microsoft, mehrere Jahre nach Beginn des betreffenden Missbrauchs seien weiterhin mehrere Medienabspielprogramme Dritter auf dem Markt, entkräftet somit nicht die These der Kommission.

1090 Nach alledem hat Microsoft nichts vorgebracht, das die Richtigkeit der Feststellungen in Frage stellen könnte, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zur Voraussetzung der Wettbewerbsbeschränkung getroffen hat. Somit hat die Kommission rechtlich hinreichend bewiesen, dass die genannte Voraussetzung erfüllt ist.

e)     Zum Fehlen einer objektiven Rechtfertigung

 Angefochtene Entscheidung

1091 In den Randnrn. 955 bis 970 der angefochtenen Entscheidung prüft die Kommission das Vorbringen von Microsoft, dass der fragliche Kopplungsverkauf Effizienzgewinne mit sich bringe, die die festgestellten wettbewerbswidrigen Auswirkungen aufwiegen könnten.

1092 Erstens weist die Kommission das Argument von Microsoft zurück, der Kopplungsverkauf bringe Effizienzgewinne beim Vertrieb mit sich (Randnrn. 956 bis 961 der angefochtenen Entscheidung).

1093 Insoweit ist die Kommission zunächst der Auffassung, Microsoft könne nicht mit Erfolg geltend machen, dass das Vorhandensein einer Reihe von Standardoptionen auf einem „gebrauchsfertigen“ Computer den Verbrauchern Vorteile in Form von Zeitersparnis und einer geringeren Gefahr von Verwechslungen bringe. Microsoft verkenne damit den Unterschied zwischen „dem Vorteil, den ein zusammen mit dem Betriebssystem für Client-PCs vorinstalliertes Medienabspielprogramm für die Verbraucher hat, und der Tatsache, dass Microsoft das Medienabspielprogramm für die Verbraucher auswählt“ (Randnr. 956 der angefochtenen Entscheidung).

1094 Sodann hebt sie die Rolle der Gerätehersteller und insbesondere den Umstand hervor, dass diese die Client-PCs individuell mit Hard- und Software ausstatteten, um sie von konkurrierenden Produkten abzuheben und der Verbrauchernachfrage gerecht zu werden. Die Kommission führt aus: „Der Markt würde daher auf die mit dem Kauf eines vollständigen Pakets aus Hardware, Betriebssystem und Anwendungssoftware wie Medienabspielprogrammen einhergehenden Effizienzvorteile reagieren und wäre zudem frei, die von den Verbrauchern gewünschte Produktvielfalt anzubieten“ (Randnr. 957 der angefochtenen Entscheidung). Die Verbraucher könnten diejenige Kombination von Betriebssystem für Client-PCs und Medienabspielprogramm aus dem Angebot der Gerätehersteller wählen, die ihnen am meisten zusage.

1095 Microsoft könne auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass durch die Einsparungen, die der Kopplungsverkauf zweier Produkte ermögliche, Finanzmittel erhalten bleiben könnten, die andernfalls zur Aufrechterhaltung eines Vertriebssystems für das zweite Produkt benötigt würden, und dass die Einsparungen an die Verbraucher weitergegeben würden, «die die mit einem zweiten Kaufvorgang einschließlich Auswahl und Installation des Produkts verbundenen Kosten vermeiden könnten » (Randnr. 958 der angefochtenen Entscheidung). Insoweit seien insbesondere die geringen Vertriebskosten für Softwarelizenzen der Bedeutung gegenüberzustellen, die die Wahlfreiheit des Verbrauchers und die Innovation bei einer Software wie den Abspielprogrammen hätten.

1096 Schließlich sei die Behauptung von Microsoft zurückzuweisen, durch ein Verbot des in Rede stehenden Kopplungsgeschäfts würde sie schlechter gestellt als ihre meisten Konkurrenten, die ihre Betriebssysteme mit Multimediafunktionalitäten lieferten. Die angefochtene Entscheidung hindere Microsoft nicht daran, mit den Geräteherstellern Vereinbarungen über die Vorinstallation des Windows-Betriebssystems und eines Medienabspielprogramms – gegebenenfalls des Windows Media Player – auf den Client-PCs zu treffen, um der Verbrauchernachfrage zu entsprechen. Es sei missbräuchlich, dass Microsoft durch das Kopplungsgeschäft stets sein eigenes Medienabspielprogramm aufzwinge (Randnr. 959 der angefochtenen Entscheidung). Außerdem lasse Microsoft außer Betracht, dass die Auswirkungen eines Kopplungsgeschäfts auf dem Markt unterschiedlich seien, je nachdem, ob es von einem Unternehmen in beherrschender Stellung oder von einem Unternehmen ohne eine solche Stellung praktiziert werde. Überdies könne einem Unternehmen in beherrschender Stellung das Recht zu bestimmten Verhaltensweisen abgesprochen werden, die bei Unternehmen ohne beherrschende Stellung nicht zu beanstanden wären.

1097 Zweitens weist die Kommission das Vorbringen von Microsoft zurück, dass der fragliche Kopplungsverkauf Effizienzgewinne mit sich bringe, weil der Windows Media Player eine Plattform für Inhalte und Anwendungen sei (Randnrn. 962 bis 969 der angefochtenen Entscheidung).

1098 Microsoft habe keinen Beweis dafür vorgelegt, dass die Integration des Windows Media Player in Windows die technische Leistungsfähigkeit des Produkts erhöhe oder – allgemeiner – dass das fragliche Kopplungsgeschäft unerlässlich sei, damit die von ihr geltend gemachten wettbewerbsfördernden Wirkungen eintreten könnten. Microsoft habe weder behauptet noch bewiesen, dass die Softwareentwickler nicht in der Lage gewesen wären, Anwendungen zu entwickeln, wenn der Windows Media Player unabhängig vom Windows-Betriebssystem für Client-PCs vertrieben worden wäre (Randnr. 965 der angefochtenen Entscheidung).

1099 Dass Medienabspielprogramme verschiedener Hersteller unter Windows arbeiten könnten, habe zudem erheblich zur Verbreitung der Multimediatechnologie mit Datenstrom-Kapazitäten und zu der sich hieraus ergebenden Entwicklung einer Vielzahl von Multimedia-Anwendungen beigetragen (Randnr. 966 der angefochtenen Entscheidung).

1100 Drittens gelangt die Kommission in Randnr. 970 der angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis, Microsoft habe nicht in rechtlich hinreichender Weise dargetan, dass das fragliche Kopplungsgeschäft wegen wettbewerbsfördernder Wirkungen, die die von ihm ausgehenden Wettbewerbsbehinderungen ausglichen, objektiv gerechtfertigt sei. Die Vorteile, die sich Microsoft zufolge aus dem Kopplungsgeschäft ergäben, könnten genauso gut ohne es erreicht werden. Die sonstigen von Microsoft geltend gemachten Vorteile bedeuteten im Wesentlichen eine Rentabilitätssteigerung für sie und stünden in keinem Verhältnis zu den wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen des Kopplungsgeschäfts.

1101 In den Randnrn. 1026 bis 1042 der angefochtenen Entscheidung prüft die Kommission das Vorbringen, das Microsoft darauf stützt, dass zwischen Windows und Windows Media Player sowie zwischen Windows und den Anwendungen anderer Anbieter Interdependenzen bestünden.

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

1102 Zu Beginn ihres Vorbringens im Zusammenhang mit der Bündelung von Windows und Windows Media Player macht Microsoft eine Reihe von Ausführungen zum Sachverhalt.

1103 Erstens bringe die Integration neuer Funktionalitäten, die im Allgemeinen bei Aktualisierungen ihres Windows-Betriebssystems für Client-PCs vorgenommen werde, Vorteile für die Softwareentwickler, die Gerätehersteller und die Verbraucher mit sich.

1104 Den Softwareentwicklern stehe mit dem Windows-Betriebssystem für Client-PCs eine stabile und klar definierte Plattform für die Entwicklung von Programmen zur Verfügung. Durch die Integration neuer Funktionalitäten in dieses System könne dafür bestimmte Software leichter und schneller entwickelt werden. Dass die Softwareentwickler die von Windows angebotenen Funktionalitäten nutzen könnten, ermögliche es ihnen, die Zahl der bei ihren eigenen Produkten zu entwerfenden, zu entwickelnden und zu testenden Funktionalitäten sowie die Gesamtgröße dieser Produkte gering zu halten. Je weniger Softwarecodes eine Anwendung enthalte, desto geringer sei die Gefahr, dass sie versage und technische Betreuung benötige.

1105 Die Gerätehersteller, so Microsoft, „verlassen sich darauf, dass Windows weitere Funktionalitäten erhält, damit sie PCs fertigen können, die den Verbrauchern zusagen und die Erstellung interessanter neuer Anwendungen unterstützen“.

1106 Die Verbraucher erwarteten, dass Windows ständig verbessert werde. Ferner wollten die neuen PC‑Nutzer, insbesondere diejenigen, deren technische Kenntnisse begrenzt seien, leicht zu konfigurierende und zu nutzende PCs.

1107 Zweitens beschreibt Microsoft die Vorteile, die sich aus der Integration vor allem einer Multimediafunktionalität in Windows ergäben. Sie führt aus, die Anwendungen Dritter könnten auf diese Funktionalität zurückgreifen, was den Softwareentwicklern die Einbeziehung von Ton- und Bildinhalten in ihre Produkte erleichtere. Die einheitlich vorhandene Multimediafunktionalität in Windows, die den Softwareentwicklern über die veröffentlichten APIs angeboten werde, sei ein Anreiz für die Erstellung zahlreicher Anwendungen gewesen, die auf solchen Inhalten beruhten. Auch biete die Multimediafunktionalität von Windows eine Reihe von Funktionen, wie das Abspielen von Audio-CDs und Video-DVDs und das Herunterladen von Musik aus dem Internet, die bei den Verbrauchern beliebt seien und zur Erhöhung des Absatzes von Client-PCs beitrügen. Schließlich würden die mit einer Multimediafunktionalität in Windows ausgestatteten PCs für die Verbraucher attraktiver und leichter nutzbar.

1108 Die Hauptrechtfertigung für ihr Verhalten liege darin, dass die Integration neuer Funktionalitäten in die Betriebssysteme als Reaktion auf technologische Fortschritte und die Entwicklung der Verbrauchernachfrage ein Kernelement des Wettbewerbs in dieser Branche sei und sich dort seit über 20 Jahren bewährt habe. Die Integration einer Datenstrom-Kapazität in Windows sei einer der Aspekte ihrer „erfolgreichen Geschäftsstrategie“ und habe dazu beigetragen, dass digitale Medien zunehmend genutzt würden. Microsoft, die insoweit von DMDsecure u. a. und Exor unterstützt wird, trägt weiter vor, die Kommission habe einen offenkundigen Beurteilungsfehler begangen, indem sie die realen Vorteile, die sich aus der Integration neuer Funktionalitäten in das Windows-Betriebssystem ergäben, nicht hinreichend berücksichtigt habe.

1109 Zur Stützung des Vorbringens in der vorstehenden Randnummer stellt Microsoft drei Erwägungen an.

1110 Erstens macht sie, unterstützt von DMDsecure u. a., TeamSystem, Mamut und Exor, geltend, die Integration einer Multimediafunktionalität in Windows sei unerlässlich, damit die Softwareentwickler und die Ersteller von Websites die „stabile und klar definierte“ Windows-Plattform wirksam nutzen könnten. Durch Rückgriff auf diese Funktionalität könnten sie Ton- und Bildinhalte ohne weiteres in ihre Produkte einbeziehen und müssten somit nicht den zum Abspielen solcher Inhalte erforderlichen komplexen Softwarecode entwerfen und entwickeln, sondern könnten sich auf die Verbesserung der Leistungsmerkmale ihrer Produkte konzentrieren.

1111 Die Behauptung der Kommission in Randnr. 1031 der angefochtenen Entscheidung, es sei unerheblich, ob die mit Windows gekoppelte Multimediafunktionalität von Microsoft oder von einem Dritten zur Verfügung gestellt werde, da es möglich sei, den Softwarecode, der diese Funktionalität zur Verfügung stelle, weiterzuverkaufen oder sich auf eine Funktionalität von Medienabspielprogrammen Dritter zu stützen, sei falsch. Die Softwareentwickler müssten, wenn sie nicht über eine einheitliche Plattform verfügten, die eine zuverlässige Zusammenstellung von Systemdiensten liefere, in jedem einzelnen Fall ermitteln, welche Funktionalitäten auf der Windows-Version, die auf dem PC eines bestimmten Kunden installiert sei, vorhanden seien, und dann gegebenenfalls die fehlenden Funktionalitäten bereitstellen. Hierdurch würden die Anwendungen schwerfälliger und komplexer und damit in der Entwicklung, im Test und in der Unterhaltung teurer.

1112 Microsoft, insoweit unterstützt von Exor, trägt vor, wenn von Fall zu Fall Komponenten zu Windows hinzugefügt würden, bestünde die Gefahr, dass es zu Konflikten zwischen den verschiedenen Versionen dieser Komponenten komme, was zu Funktionsstörungen von Windows oder der installierten Anwendung führen würde.

1113 Bei den Anwendungen, „die bereits in großem Umfang genutzt werden“, gebe es kein System für den Vertrieb der Windows-Komponenten, die sie zur Erlangung der Multimediafunktionalität heranzögen. Diese Anwendungen funktionierten mit einer Windows-Version ohne Windows Media Player nicht mehr richtig. Auch sei die Multimediafunktionalität von Windows nicht „fungibel“, so dass eine Anwendung, die nach ihrer Konzeption auf diese Funktionalität zurückgreifen solle, nicht ohne grundlegende Änderung auf eine ähnliche Funktionalität eines konkurrierenden Medienabspielprogramms zurückgreifen könne.

1114 Falsch sei auch die Behauptung der Kommission, die konkurrierenden Medienabspielprogramme könnten den Windows Media Player in Bezug auf einen großen Teil seiner Funktionalitäten ersetzen. Die Kommission weise insbesondere nicht nach, dass sich ein Dritter dazu entschließen werde, eine „Ersatzfunktionalität für alle in Windows integrierten Multimediafunktionalitäten“ anzubieten.

1115 Wenn in bestimmten Windows-Kopien die Multimediafunktionalität fehlen würde, wäre dies auch nachteilig für die Ersteller von Websites, die sich auf diese Funktionalität stützten, um Ton- und Bildinhalte zu übertragen. Könnten sie sich nicht mehr darauf verlassen, dass in Windows eine einheitliche Multimediafunktionalität vorhanden sei, so müssten sie in ihre Produkte Mechanismen aufnehmen, um die erforderliche Multimediafunktionalität feststellen zu können und, wenn diese nicht vorhanden sei, den notwendigen Softwarecode auf den PC des Nutzers herunterzuladen.

1116 Schließlich wendet sich Microsoft in ihrer Erwiderung gegen die Behauptung der Kommission, dass der Vorteil, der sich aus der Integration einer einheitlichen Multimediafunktionalität in Windows ergebe, keine stichhaltige gemeinschaftsrechtliche Rechtfertigung sei. Zum einen dürfe die Kommission nämlich bei der Anwendung des Art. 82 EG nicht die Vorteile außer Acht lassen, die sich aus dem als missbräuchlich erachteten Verhalten ergäben. Zum anderen sei es unzutreffend, dass die Standardisierung, die sich im vorliegenden Fall einstellen würde, nicht die Folge eines Wettbewerbsgeschehens sei.

1117 Zweitens sei die Integration der Multimediafunktionalität in Windows unentbehrlich, um von „anderen Vorteilen“ profitieren zu können.

1118 Windows bestehe aus einer Vielzahl spezialisierter Softwarecode-Blöcke, die spezielle Funktionen wahrnähmen. Um die Duplizierung derselben Funktionalität in jedem dieser Blöcke zu vermeiden, griffen besondere Softwarecode-Blöcke – die „Komponenten“ – zur Erfüllung spezieller Aufgaben wechselseitig aufeinander zurück. Eine einzige Komponente könne somit genutzt werden, um mehrere Funktionen zu erfüllen. Eine Komponente, die Toninhalte übertrage, könne z. B. sowohl für die „Hilfefunktion“ in Windows genutzt werden als auch für die Sprachausgabe, die Sehbehinderten den Zugang zu Windows erleichtere. Diese als „Komponentisierung“ bezeichnete Methode der Softwareentwicklung beruhe auf der Interdependenz der Komponenten, so dass die Entfernung einer Komponente zur Folge habe, dass zahlreiche andere Komponenten nicht mehr funktionierten. So würden mehrere Bestandteile von Windows XP, darunter die Hilfe, nicht mehr funktionieren, wenn die Multimediafunktionalität aus dem Betriebssystem entfernt würde. Zudem könnte Microsoft angesichts der Interdependenz der Komponenten andere Teile von Windows, die so konzipiert seien, dass sie auf die Multimediafunktionalität zurückgriffen, nicht weiterentwickeln, wenn sie nicht sicher wäre, dass diese Funktionalität auf jedem Windows-Client-PC vorhanden sei. Die Computerhersteller dürften daher nicht die Freiheit haben, Windows-Komponenten, insbesondere solche, die die Multimediafunktionalität bereitstellten, beliebig zu entfernen.

1119 In der Erwiderung bestreitet Microsoft, nie geltend gemacht zu haben, dass die Integration des Windows Media Player in Windows technische Effizienzgewinne mit sich bringe. Sie habe im Einzelnen dargelegt, weshalb es „in technischer Hinsicht effizient [ist], eine Multimediafunktionalität in Windows einzubeziehen, auf die sowohl andere Teile des Betriebssystems als auch Anwendungen, die auf dieses Betriebssystem aufgesetzt werden, zurückgreifen können“. Der Umstand, dass sich zahlreiche Softwareentwickler aus freien Stücken dafür entschieden, auf die Multimediafunktionalität von Windows zurückzugreifen, sei für sich genommen der Beweis, dass die „einheitliche Integration“ einer solchen Funktionalität technische Effizienzgewinne bringe. Und schließlich habe sie im Verwaltungsverfahren nachgewiesen, dass Windows „schneller“ arbeite, wenn diese Funktionalität integriert sei.

1120 Drittens werde der Vollzug der in Art. 6 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung vorgesehenen Abhilfemaßnahme einige nachteilige Folgen haben.

1121 Zum einen würde die Entfernung bestimmter Komponenten aus dem Gesamtgefüge von Windows und Windows Media Player eine Herabminderung des Betriebssystems bedeuten, insbesondere wenn es sich dabei um Komponenten handele, die zur Bereitstellung grundlegender Dienste genutzt würden, wie die Fähigkeit zum Abspielen von Ton- und Bildinhalten.

1122 Sollte zum anderen die angefochtene Entscheidung ein Präzedenzfall sein, der Microsoft daran hindern würde, in Zukunft andere Programme in ihr Windows-Betriebssystem zu integrieren, so würde es schnell unmöglich werden, dieses System zu entwerfen, zu entwickeln und zu testen. Jeder Softwarecode-Block, dessen Entfernung ermöglicht werden müsse, würde für Microsoft einen exponentiellen Zuwachs an Arbeitsaufwand bedeuten. Würde die Kommission z. B. beschließen, auf einen zweiten Softwarecode-Block dieselben Grundsätze anzuwenden wie in der angefochtenen Entscheidung, so müsste Microsoft vier verschiedene Windows-Versionen anbieten. Eine derartige „Fragmentierung“ würde zu Ungewissheit darüber führen, ob eine bestimmte Kopie der Betriebssysteme die Funktionalitäten enthalte, auf die die Softwareentwickler, die Hersteller von Peripheriegeräten oder die Nutzer zurückgreifen wollten. Es würde dann eine oder sogar mehrere Windows-Versionen je Computerhersteller geben, und jede von ihnen würde eine unterschiedliche Zusammenstellung von Funktionalitäten anbieten. Längerfristig würde der Umstand, dass Windows-Funktionalitäten entfernt werden könnten, die Wahlmöglichkeit der Verbraucher einschränken, da diese an bestimmte Marken von Client-PCs mit individuellen Windows-Versionen gebunden wären, ohne sicher sein zu können, dass Anwendungen wie z. B. Grafikprogramme auf anderen Windows-Versionen liefen. Es würde auch erheblich schwieriger werden, verschiedene Marken von Client-PCs innerhalb eines Rechnernetzes miteinander zu kombinieren und aneinander anzupassen. Diese „Fragmentierung“ könnte nur dadurch vermieden werden, dass Windows in seiner aktuellen Version „eingefroren“ würde.

1123 Die Kommission weist zunächst das Vorbringen von Microsoft zum Sachverhalt zurück. Sie macht insbesondere geltend, die allgemeinen Ausführungen von Microsoft über die Vorteile, die die Integration neuer Funktionalitäten, die nichts mit dem Windows Media Player zu tun hätten, in die Betriebssysteme für Client-PCs mit sich bringe, seien unerheblich.

1124 Sodann führt die Kommission, unterstützt von der SIIA, aus, Microsoft weise nicht nach, dass das beanstandete Verhalten objektiv gerechtfertigt sei.

1125 Sie weist darauf hin, dass sie in den Randnrn. 955 bis 970 der angefochtenen Entscheidung das Vorbringen von Microsoft zurückgewiesen habe, wonach der fragliche Kopplungsverkauf Effizienzgewinne mit sich bringe, die die festgestellten wettbewerbswidrigen Auswirkungen aufwiegen könnten. Was insbesondere die angeblichen Effizienzgewinne beim Vertrieb angehe, so beruhe das Vorbringen von Microsoft auf einer Verkennung des Unterschieds zwischen „den Vorteilen, die die Vorinstallation eines Medienabspielprogramms mit dem Betriebssystem für Client-PCs für die Verbraucher hat, und der Tatsache, dass Microsoft das Abspielprogramm für die Verbraucher auswählt“. Wie in Randnr. 962 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt werde, habe Microsoft keinen technischen Effizienzgewinn angeführt, für den die Integration des Windows Media Player in Windows eine Vorbedingung wäre. Für die erstmals in der Erwiderung aufgestellte Behauptung von Microsoft, Windows arbeite mit integrierter Multimediafunktionalität schneller, gebe es nicht den geringsten Beweis. Schließlich schütze sich Microsoft durch den fraglichen Kopplungsverkauf vor wirksamem Wettbewerb durch potenziell effizientere Anbieter von Medienabspielprogrammen, die ihre Stellung gefährden könnten. Sie bewirke damit, dass weniger Talent und Kapital in die Innovation von Medienabspielprogrammen investiert würden, und verringere ihre eigenen Innovationsanreize in diesem Bereich.

1126 Anschließend prüft die Kommission die drei von Microsoft vorgebrachten Erwägungen.

1127 Erstens wiesen die Medienabspielprogramme Merkmale sowohl einer Anwendung als auch einer Softwareplattform auf. Anders ausgedrückt könnten sie, obwohl sie sich auf das Betriebssystem für Client-PCs stützten, ihrerseits als Basis für andere Anwendungen dienen. Die Medienabspielprogramme stellten ihre Dienste als Plattform unabhängig davon zur Verfügung, ob sie mit einem PC‑Betriebssystem verbunden seien oder nicht.

1128 Der Vorteil, den der in Rede stehende Kopplungsverkauf den Softwareentwicklern und den Inhalteanbietern biete, bestehe darin, dass sie sich „Wettbewerbsanstrengungen“ ersparen könnten; dies könne keine nach dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft zulässige Rechtfertigung darstellen. Wegen der Kopplung des Windows Media Player an das „omnipräsente Windows-Monopol“ sei es nicht nötig, dass die Softwareentwickler und Inhalteanbieter, die als Plattform ihrer Produkte den Windows Media Player wählten, die Nutzer zu dessen Installation bewegten. Dagegen schüfen diejenigen, die als Plattform ihrer Produkte ein Medienabspielprogramm Dritter wählten, regelmäßig einen Anreiz für die Verbraucher, auf ihrem Computer das erforderliche Abspielprogramm zu installieren, z. B. dadurch, dass sie Links für das Herunterladen des Programms aus dem Internet vorsähen.

1129 Der in Rede stehende Kopplungsverkauf führe zu einer Steigerung der Kosten, die die Anbieter konkurrierender Medienabspielprogramme und die Entwickler von Drittsoftware, die sich auf diese Programme stützten, zu tragen hätten, um die Nutzer zur Installation der genannten Programme zu bewegen, da „die Wettbewerber die durch das automatische Vorhandensein des Windows Media Player hervorgerufenen abschreckenden Faktoren überwinden müssen, um zu erreichen, dass ein anderes Medienabspielprogramm installiert wird, obwohl es im Wesentlichen die gleichen Merkmale aufweist (die Kosten für das Erlernen, die Unterstützung und die Speicherung sind Beispiele für diese abschreckenden Faktoren)“.

1130 Überdies laufe das Vorbringen von Microsoft zur einheitlichen Plattform auf die Behauptung hinaus, ihr müsse die Ausdehnung des Windows-Monopols durch Bündelung anderer Softwareprodukte mit Windows aus dem einfachen Grund gestattet werden, dass diese Softwareprodukte auch Drittentwicklern Plattformkapazitäten verschafften. Microsoft mache im Wesentlichen geltend, dass die Integration des Windows Media Player in Windows zu einer De-facto-Standardisierung führe und dass dies für Dritte einen Vorteil bedeute, da sie wüssten, dass der Windows Media Player in Windows stets enthalten sei. Eine Standardisierung könne aber nicht einseitig von einem beherrschenden Unternehmen durch Kopplungsgeschäfte erzwungen werden (Randnr. 969 der angefochtenen Entscheidung).

1131 Auch wenn der Softwarecode nicht völlig fungibel sei (siehe oben, Randnr. 1113), könnten konkurrierende Medienabspielprogramme den Windows Media Player bei einem großen Teil seiner Funktionalitäten ersetzen. Bezüglich der übrigen Funktionalitäten könnten sich die Anbieter konkurrierender Abspielprogramme dazu entschließen, sie gegenwärtig nicht zu implementieren, da ihnen bekannt sei, dass sie im Windows Media Player verfügbar seien. Dies schließe indessen nicht aus, dass die Anbieter die Funktionalitäten unmittelbar nach Umsetzung der Abhilfemaßnahme entwickeln könnten, um sich die entkoppelte Windows-Version nutzbar zu machen und der Nachfrage der Softwareentwickler zu entsprechen.

1132 In der Gegenerwiderung betont die Kommission, sie habe nie behauptet, dass die Medienabspielprogramme Dritter „perfekte Surrogate“ für die Multimediafunktionalität von Windows seien. In der angefochtenen Entscheidung habe sie lediglich dargelegt, dass diese Programme in Verbindung mit einer entkoppelten Windows-Version die Merkmale des Windows Media Player zum großen Teil „ersetzen“ könnten. Die Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten träten aufgrund einer Reihe von Parametern wie Übertragungsqualität, Methode der Inhalteorganisation und Format der bereitgestellten Datei miteinander in Wettbewerb.

1133 Schließlich widerspricht die Kommission dem Vorbringen von Microsoft, bestimmte Anwendungen würden nicht mehr problemlos laufen, wenn sie mit der Windows-Version genutzt würden, die nach Art. 6 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung angeboten werden müsse. Unter Bezugnahme auf das in Randnr. 1038 der angefochtenen Entscheidung angeführte Beispiel trägt sie ferner vor, die professionellen Websites enthielten in der Regel Mechanismen, die das Fehlen der für die Verwaltung einer Internetseite erforderlichen Komponenten automatisch entdeckten und deren Herunterladen ermöglichten. In der Gegenerwiderung fügt sie hinzu, den Entwicklern, die ihre Produkte auf den Windows Media Player stützten, stünden jedenfalls mehrere Wege offen, um der Möglichkeit zu begegnen, dass ein PC‑Nutzer den Windows Media Player noch nicht installiert habe.

1134 Zweitens weist die Kommission das von Microsoft auf die Komponentisierung gestützte Vorbringen zurück.

1135 Dieses Vorbringen sei völlig abstrakt, da Microsoft sich vor allem allgemein auf den Begriff der Multimediafunktionalität beziehe. Wie bereits ausgeführt, beeinträchtige die Abhilfemaßnahme nach Art. 6 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung die grundlegende Windows-Multimediafunktionalität nicht.

1136 Die Dateien, aus denen der Windows Media Player bestehe und die der angefochtenen Entscheidung zufolge entfernt werden müssten, seien von Microsoft eindeutig identifiziert worden. Dies gehe aus einem Schreiben vom 13. September 2004 hervor, das Herr Heiner, ein Mitarbeiter von Microsoft, ihr übersandt habe, so dass Microsoft nicht behaupten könne, die Erstellung einer entkoppelten Windows-Version sei technisch nicht machbar.

1137 In der angefochtenen Entscheidung werde Microsoft aufgegeben, eine Windows-Version zu entwickeln und anzubieten, die nicht mit dem Windows Media Player gekoppelt sei, sowie sicherzustellen, dass diese Version voll funktionsfähig und von einwandfreier Qualität sei. Die Entscheidung hindere Microsoft nicht daran, eine Windows-Version anzubieten, die „in Einklang mit ihrer aktuellen Methode zur Entwicklung von Software“ mit dem Windows Media Player gekoppelt sei.

1138 Microsoft führe für die „Interdependenz der Komponenten“ nur ein Beispiel an, nämlich die Hilfefunktion von Windows XP. Soweit sich diese Hilfe auf Töne oder Bilder stütze, beruhe sie auf einer Multimedia-Infrastruktur, die in der nicht an den Windows Media Player gekoppelten Windows-Version erhalten bleibe. Sie werde somit einwandfrei arbeiten, unabhängig davon, ob der Windows Media Player vorhanden sei; dies belege ein von RealNetworks im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorgelegter Testbericht. Für die Behauptung von Microsoft, zahlreiche andere Leistungsmerkmale von Windows XP würden nicht mehr funktionieren, wenn die Multimediafunktionalität aus dem Gesamtpaket von Windows und Windows Media Player entfernt werde, gebe es keinen Beweis.

1139 In den Randnrn. 1026 bis 1042 der angefochtenen Entscheidung werde die Frage der angeblichen Interdependenzen zwischen Windows und Windows Media Player im Einzelnen untersucht. Wie dort festgestellt werde, liege es auf der Hand, dass im Fall der Entfernung des Windows Media Player aus Windows bestimmte Funktionalitäten, die er normalerweise anbiete, nicht verfügbar seien (Randnr. 1033 der angefochtenen Entscheidung). Dies bedeute jedoch nicht, dass das Betriebssystem nicht ordnungsgemäß arbeiten werde oder das Produkt „herabgemindert“ sei. Das Beispiel von Windows XP Embedded belege, dass es technisch möglich sei, die Funktionsfähigkeit von Windows auch ohne die infolge der Entfernung des Codes fehlenden Multimediafähigkeiten in einer nicht zum Zusammenbruch der Funktionalitäten des Betriebssystems führenden Weise zu erhalten (Randnrn. 1028 bis 1030 der angefochtenen Entscheidung).

1140 Drittens hält die Kommission das Vorbringen von Microsoft zu den künftigen negativen Auswirkungen der Abhilfemaßnahme nach Art. 6 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung für hypothetisch, spekulativ und völlig unerheblich.

1141 Zum einen führt sie aus, Microsoft sei nach der angefochtenen Entscheidung weiterhin berechtigt, die gebündelte Windows-Version anzubieten.

1142 Zum anderen trägt sie, insoweit unterstützt von der SIIA, vor, Microsoft vertreibe bereits mehrere verschiedene, nicht alle untereinander austauschbare Versionen ihres Betriebssystems für Client-PCs wie Windows 98, Windows 2000, Windows Millennium Edition, Windows NT und Windows XP. Diese verschiedenen Windows-Versionen unterstützten nicht dieselben Anwendungen.

1143 Schließlich weist sie das Vorbringen zurück, Microsoft müsste Windows in dessen aktueller Version „einfrieren“. Die Abhilfemaßnahme nach Art. 6 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung erhalte in vollem Umfang die Innovationsanreize für Microsoft, sowohl auf dem Markt der Medienabspielprogramme als auch auf dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs, und ermögliche es den Verbrauchern, ihre Kaufentscheidungen an den Leistungen der Produkte zu orientieren. Die Kommission, in diesem Punkt unterstützt von Audiobanner.com, fügt hinzu, in Wirklichkeit verhindere das in Rede stehende Kopplungsgeschäft die Innovation, insbesondere auf dem Markt der Medienabspielprogramme (Randnr. 981 der angefochtenen Entscheidung). Überdies schrecke diese Praxis von Investitionen bei allen Technologien ab, für die sich Microsoft irgendwann interessieren könnte (Randnr. 983 der angefochtenen Entscheidung).

 Würdigung durch das Gericht

1144 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass zwar die Kommission die Beweislast für das Vorliegen von Umständen trägt, die einen Verstoß gegen Art. 82 EG darstellen, dass es jedoch dem betreffenden beherrschenden Unternehmen und nicht der Kommission obliegt, vor dem Ende des Verwaltungsverfahrens eine etwaige objektive Rechtfertigung anzuführen und sie mit Sachargumenten und Beweisen zu untermauern. Will die Kommission den Missbrauch einer beherrschenden Stellung feststellen, so muss sie sodann dartun, dass die Sachargumente und Beweise, auf die sich das genannte Unternehmen beruft, nicht durchgreifen und dass die angeführte Rechtfertigung damit keinen Erfolg haben kann.

1145 In ihren Schriftsätzen trägt Microsoft zur Rechtfertigung ihres Verhaltens im Wesentlichen zwei Gruppen von Argumenten vor, die sich großenteils mit den Argumenten decken, die sie zum gleichen Zweck im Verwaltungsverfahren vorbrachte und die die Kommission in den Randnrn. 955 bis 970 und 1026 bis 1042 der angefochtenen Entscheidung prüfte und zu Recht zurückwies, wie sich aus den folgenden Randnummern ergibt.

1146 Zum einen rügt Microsoft, die Kommission habe die Vorteile ihrer Geschäftsstrategie, zu der die ständige Integration neuer Funktionalitäten in Windows gehöre, außer Acht gelassen. Microsoft macht in diesem Zusammenhang insbesondere geltend, die Integration einer Multimediafunktionalität in Windows sei unerlässlich, damit die Softwareentwickler und Ersteller von Websites weiterhin die erheblichen Vorteile der „stabilen und klar definierten“ Windows-Plattform nutzen könnten.

1147 Zum anderen macht Microsoft geltend, es würde für die Verbraucher, die Softwareentwickler und die Ersteller von Websites eine Reihe von Problemen hervorrufen, wenn die Multimediafunktionalität aus dem Gesamtpaket von Windows und Windows Media Player entfernt würde. Sie beruft sich insbesondere darauf, dass ihr Windows-Betriebssystem auf der so genannten „Komponentisierungsmethode“ beruhe (siehe oben, Randnr. 1118) und dass die Entfernung der Multimediafunktionalität eine Schwächung und „Fragmentierung“ dieses Systems nach sich ziehen würde.

1148 Was die erste Gruppe der Argumente von Microsoft angeht, so ist zunächst auf den genauen Umfang des in Art. 2 Buchst. b der angefochtenen Entscheidung festgestellten Missbrauchs sowie der in ihrem Art. 6 Buchst. a vorgesehenen Abhilfemaßnahme hinzuweisen.

1149 Die Kommission wirft Microsoft in der angefochtenen Entscheidung nicht die Integration des Windows Media Player in Windows vor, sondern die Tatsache, dass sie auf dem Markt ausschließlich eine Windows-Version anbietet, in die der Windows Media Player integriert ist, so dass sie den Geräteherstellern und den Verbrauchern keine Möglichkeit gibt, Windows ohne Windows Media Player zu erhalten oder ihn zumindest aus dem Gesamtpaket von Windows und Windows Media Player zu entfernen. So gibt Art. 6 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung Microsoft zwar auf, eine „voll funktionsfähige Version ihres Windows-Betriebssystems für Client-PCs ohne integrierten Windows Media Player“ anzubieten, stellt jedoch ausdrücklich klar, dass „Microsoft … weiterhin berechtigt [ist], ihr Windows-Betriebssystem für Client-PCs gekoppelt mit dem Windows Media Player anzubieten“ (vgl. in diesem Sinne auch Randnrn. 1011 und 1023 der angefochtenen Entscheidung).

1150 Die Kommission stellt daher weder die Geschäftsstrategie von Microsoft in Frage, soweit diese darin besteht, ein Medienabspielprogramm mit Datenstrom-Kapazitäten in ihr Betriebssystem für Client-PCs zu integrieren, noch die Möglichkeit von Microsoft, die Softwareentwickler und Ersteller von Websites in den Genuss der Vorteile der „stabilen und klar definierten“ Windows-Plattform kommen zu lassen. Die Kommission beanstandet, dass Microsoft die ihrer Geschäftsstrategie entsprechende Windows-Version nicht neben einer Version dieses Systems ohne Windows Media Player vertreibt, um den Geräteherstellern oder den Endverbrauchern gegebenenfalls die Möglichkeit zu eröffnen, auf dem Client-PC als erstes Abspielprogramm mit Datenstrom-Kapazitäten das Produkt ihrer Wahl zu installieren.

1151 Microsoft kann sich auch nicht darauf berufen, dass das fragliche Kopplungsgeschäft das einheitliche Vorhandensein einer Multimediafunktionalität in Windows garantiere, so dass es für die Softwareentwickler und Ersteller von Websites nicht erforderlich sei, in ihre Produkte Mechanismen aufzunehmen, mit denen sich feststellen lasse, welches Medienabspielprogramm auf einem bestimmten Client-PC vorhanden sei, und gegebenenfalls die erforderliche Funktionalität installiert werden könne (siehe oben, Randnrn. 1107, 1111 und 1115). Dass die Softwareentwickler und die Ersteller von Websites aufgrund des Kopplungsgeschäfts sicher sein können, dass der Windows Media Player weltweit auf fast allen Client-PCs vorhanden ist, gehört nämlich gerade zu den Hauptgründen, aus denen die Kommission zu Recht davon ausgegangen ist, dass das genannte Kopplungsgeschäft zum Ausschluss der konkurrierenden Medienabspielprogramme vom Markt führe. Zwar bringt das einheitliche Vorhandensein, auf das sich Microsoft beruft, den genannten Wirtschaftsteilnehmern möglicherweise Vorteile, doch genügt dies nicht, um die wettbewerbswidrigen Auswirkungen des fraglichen Kopplungsgeschäfts auszugleichen.

1152 Wie die Kommission zu Recht ausführt (siehe oben, Randnr. 1130), macht Microsoft damit der Sache nach geltend, dass die Integration des Windows Media Player in Windows und die Vermarktung von Windows allein in dieser Form zu einer De-facto-Standardisierung der Windows-Media-Player-Plattform führen würden, was für den Markt positive Auswirkungen habe. Zwar mag die Standardisierung im Allgemeinen tatsächlich gewisse Vorteile haben, doch darf sie nicht einseitig von einem Unternehmen in beherrschender Stellung durch Kopplungsgeschäfte aufgezwungen werden.

1153 Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass Dritte die von Microsoft befürwortete De-facto-Standardisierung gar nicht wollen und es vorziehen würden, wenn unterschiedliche Plattformen weiterhin miteinander in Wettbewerb stünden, und zwar vor dem Hintergrund, dass dadurch die Innovation auf der Ebene dieser Plattformen belebt wird.

1154 Überdies könnten, wie die Kommission und die SIIA zu Recht ausführen, die übrigen von Microsoft geltend gemachten Vorteile genauso gut ohne das beanstandete Verhalten erreicht werden.

1155 So kann die Nachfrage der Verbraucher nach einem „gebrauchsfertigen“ Client-PC, der insbesondere ein Medienabspielprogramm mit Datenstrom-Kapazitäten enthält, voll und ganz durch die Gerätehersteller erfüllt werden, deren Tätigkeit gerade darin besteht, solche PCs zusammenzubauen und u. a. ein Betriebssystem für Client-PCs mit den vom Verbraucher gewünschten Anwendungen zu kombinieren (Randnrn. 68 und 119 der angefochtenen Entscheidung). Zudem hindert die angefochtene Entscheidung Microsoft nicht daran, die mit dem Windows Media Player gekoppelte Windows-Version den Verbrauchern, die dieser Lösung den Vorzug geben, weiterhin anzubieten.

1156 Ebensowenig kann sich Microsoft darauf berufen, dass die Gerätehersteller „sich darauf [verlassen], dass Windows weitere Funktionalitäten erhält, damit sie PCs fertigen können, die den Verbrauchern zusagen und die Erstellung interessanter neuer Anwendungen unterstützen“. Die Gerätehersteller können nämlich Client-PCs mit diesen Merkmalen anbieten, indem sie Anwendungen von Softwareentwicklern beziehen und auf den PCs vorinstallieren. In gleicher Weise können die Funktionalitäten, die der Windows Media Player bietet, von Microsoft autonom geliefert werden, d. h. ohne dessen Kopplung an ihr Windows-Betriebssystem.

1157 Microsoft kann auch nicht behaupten, dass die Integration einer Multimediafunktionalität in Windows unerlässlich sei, damit die Softwareentwickler und die Ersteller von Websites die Windows-Plattform wirksam nutzen könnten und den erforderlichen Softwarecode nicht selbst entwerfen müssten.

1158 Aus den in den Randnrn. 962 bis 967 der angefochtenen Entscheidung genannten Gründen ist dieses Vorbringen als unbegründet zurückzuweisen. Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten – der Windows Media Player ebenso wie die konkurrierenden Abspielprogramme – zwar Anwendungssoftware sind, jedoch APIs aufweisen und somit auch als Plattform für Drittanwendungen dienen können. Ein Medienabspielprogramm mit Datenstrom-Kapazitäten muss aber keineswegs in ein Betriebssystem für Client-PCs integriert sein, um solche Plattformdienste zur Verfügung stellen zu können. Entgegen der Darstellung von Microsoft hat das Fehlen einer solchen Integration insbesondere nicht zur Folge, dass die Entwickler von Drittsoftware den erforderlichen Softwarecode selbst schreiben müssen. So entwickeln, wie in Randnr. 966 der angefochtenen Entscheidung festgestellt wird, viele Softwareentwickler und Anbieter von Internetinhalten ihre Produkte, indem sie sich auf die APIs des RealPlayer stützen, obwohl er nicht in ein Betriebssystem für Client-PCs integriert ist. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Softwareentwickler Anwendungen schreiben können – und auch schreiben –, die mit WMP 9 laufen sollen, obwohl dieses Abspielprogramm auf Windows nicht vorinstalliert war (Randnr. 965 der angefochtenen Entscheidung).

1159 Wie schließlich die Kommission sowohl in der angefochtenen Entscheidung als auch in ihren Schriftsätzen ausführt, belegt Microsoft nicht, dass die Integration des Windows Media Player in Windows technische Effizienzgewinne mit sich bringt oder, anders gesagt, „die Leistung des Produkts in technischer Hinsicht verbessert“ (Randnr. 962 der angefochtenen Entscheidung).

1160 In der Erwiderung macht Microsoft erstmals geltend, dass „Windows … mit integrierter Multimediafunktionalität schneller [arbeitet]“. Insoweit genügt die Feststellung, dass dieses Vorbringen unsubstantiiert ist.

1161 Ebenfalls in der Erwiderung trägt Microsoft vor, der Umstand, dass sich zahlreiche Softwareentwickler aus freien Stücken dafür entschieden, auf die Multimediafunktionalität von Windows zurückzugreifen, belege, dass die „einheitliche Integration“ einer solchen Funktionalität technische Effizienzgewinne bringe. Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen. Zum einen bezieht sich die angefochtene Entscheidung auf den Windows Media Player und nicht auf die Multimediafunktionalität im Allgemeinen. Zum anderen beweist der bloße Umstand, dass Softwareentwickler sich auf den Windows Media Player stützen, nicht, dass der Kopplungsverkauf technische Effizienzgewinne mit sich bringt.

1162 Die zweite Gruppe der Argumente von Microsoft greift ebenfalls nicht durch.

1163 Zu der These von Microsoft, dass Anwendungen, „die bereits in großem Umfang genutzt werden“, mit der Windows-Version ohne Windows Media Player nicht mehr richtig funktionierten, genügt die Feststellung, dass dies nicht in rechtlich hinreichender Weise belegt worden ist.

1164 Das Vorbringen von Microsoft, die Entfernung der Multimediafunktionalität aus dem Gesamtpaket von Windows und Windows Media Player werde die Lauffähigkeit bestimmter Teile des Windows-Betriebssystems selbst beeinträchtigen, ist nicht begründet. Die einzigen Beispiele, die Microsoft hierzu anführt – die in Windows enthaltene Hilfe und die Sprachausgabe – überzeugen nicht. Diese Systeme beruhen nämlich auf der grundlegenden Multimedia-Infrastruktur des Windows-Betriebssystems und nicht auf dem Windows Media Player. Wie bereits oben in Randnr. 916 zur Frage des Kopplungsverkaufs ausgeführt, betrifft das beanstandete Verhalten aber nur die im Windows Media Player bestehende Anwendungssoftware, nicht hingegen die übrige im Windows-Betriebssystem für Client-PCs enthaltene Multimediatechnologie, und die grundlegende Multimedia-Infrastruktur dieses Systems bleibt in der nach Art. 6 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung anzubietenden Windows-Version erhalten. Wie in Randnr. 916 ebenfalls festgestellt worden ist, unterscheidet Microsoft in ihrer technischen Dokumentation selbst zwischen den Dateien, aus denen der Windows Media Player besteht, und den sonstigen Mediendateien, insbesondere denen, die sich auf die genannte grundlegende Multimedia-Infrastruktur beziehen.

1165 Microsoft kann auch nicht geltend machen, dass die Entfernung des Windows Media Player aus dem Gesamtpaket von Windows Media Player und Windows eine Schwächung des Betriebssystems bedeuten würde. Windows XP Embedded kann so konfiguriert werden, dass der Windows Media Player nicht einbezogen ist, ohne dass dadurch die Integrität der anderen Funktionalitäten des Betriebssystems beeinträchtigt wird. Zudem wurde in der Zeit von Juni 1998 bis Mai 1999, in der Microsoft erstmals das Medienabspielprogramm mit Datenstrom-Kapazitäten WMP 6 in ihr Windows-Betriebssystem für Client-PCs integrierte, ohne den Geräteherstellern oder den Verbrauchern zu gestatten, es daraus zu entfernen, dieses Programm von Microsoft als getrennte Anwendungssoftware angeboten, ohne dass dies die Lauffähigkeit des Windows-Betriebssystems beeinträchtigte. Überdies hat Microsoft in Vollzug der Abhilfemaßnahme nach Art. 6 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung eine voll funktionsfähige Windows-Version ohne Windows Media Player auf den Markt gebracht.

1166 Schließlich ist auch das Vorbringen zurückzuweisen, das Microsoft auf die Gefahr einer „Fragmentierung“ des Windows-Betriebssystems stützt (siehe oben, Randnr. 1122). Wie die Kommission in ihrer Klagebeantwortung ausführt, ist dieses Vorbringen zum einen hypothetisch und spekulativ. Zum anderen steht es im Widerspruch zu Microsofts eigener Handelspraxis. So brachte Microsoft im Laufe der letzten Jahre nacheinander mehrere verschiedene, nicht alle untereinander austauschbare Versionen ihres Windows-Betriebssystems auf den Markt, nämlich Windows 98, Windows 2000, Windows Me, Windows NT und Windows XP. Überdies gibt es z. B. das Betriebssystem Windows XP in sieben verschiedenen Versionen.

1167 Nach alledem hat Microsoft keine objektive Rechtfertigung für den missbräuchlichen Kopplungsverkauf des Windows-Betriebssystems für Client-PCs und des Windows Media Player dargetan.

f)     Zum Verstoß gegen die den Gemeinschaften durch das TRIPS-Übereinkommen auferlegten Verpflichtungen

 Angefochtene Entscheidung

1168 In den Randnrn. 1049 bis 1053 der angefochtenen Entscheidung prüft die Kommission das Vorbringen von Microsoft, wonach die Abhilfemaßnahme für die missbräuchliche Lieferverweigerung gegen die Verpflichtungen der Gemeinschaft aus dem TRIPS-Übereinkommen verstoße, sowie ihr Vorbringen, wonach die Abhilfemaßnahme für das missbräuchliche Kopplungsgeschäft gegen die Verpflichtungen der Gemeinschaft aus dem Übereinkommen über technische Handelshemmnisse (TBT) vom 15. April 1994 (Anhang 1A des Übereinkommens zur Errichtung der WTO [im Folgenden: TBT‑Übereinkommen]) verstoße.

1169 Die Kommission macht im Wesentlichen geltend, die angefochtene Entscheidung stehe mit ihren Verpflichtungen aus dem TRIPS-Übereinkommen und dem TBT‑Übereinkommen voll und ganz in Einklang (Randnr. 1052 der angefochtenen Entscheidung).

1170 Zudem könne sich Microsoft aus den oben in den Randnrn. 801 und 802 angeführten Gründen nicht auf die genannten Übereinkommen berufen, um die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in Frage zu stellen (Randnr. 1053 der angefochtenen Entscheidung).

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

1171 Microsoft macht geltend, die angefochtene Entscheidung verpflichte sie, eine Version ihres Windows-Betriebssystems zu entwickeln, aus dem die Multimediafunktionalität „fast vollständig“ entfernt worden sei, sowie dieses „herabgeminderte Produkt“ den Verbrauchern in Europa unter den Handelsmarken Microsoft und Windows anzubieten. Dadurch verletze die angefochtene Entscheidung ihre Marken- und Urheberrechte, zwei Rechtskategorien, zu deren Schutz die Gemeinschaften nach dem TRIPS-Übereinkommen rechtlich verpflichtet seien.

1172 Ihre Markenrechte würden durch die angefochtene Entscheidung unter Verstoß gegen die Art. 17 und 20 des TRIPS-Übereinkommens eingeschränkt. Nach Art. 17 des TRIPS-Übereinkommens seien Ausnahmen von den Rechten aus einer Marke nur begrenzt möglich und müssten die berechtigten Interessen des Inhabers der Marke und Dritter berücksichtigen. Nach Art. 20 des TRIPS-Übereinkommens dürfe die Benutzung einer Marke nicht ungerechtfertigt durch besondere Erfordernisse erschwert werden, wie „die Benutzung in einer besonderen Form oder die Benutzung in einer Weise, die ihre Fähigkeit beeinträchtigt, die Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden“.

1173 Mit der Forderung, Lizenzen für eine Windows-Version ohne Multimediafunktionalität anzubieten, verpflichte die Kommission sie, ihre „kostbarste“ Marke auf einem Produkt anzubringen, das sie nicht entworfen habe und von dem sie wisse, dass es nicht im gewünschten Maß funktionieren werde. Auch könnte eine Verwechslungsgefahr zwischen dieser Windows-Version und der Version mit Multimediafunktionalität bestehen. Ferner beeinträchtige die angefochtene Entscheidung ihr Recht, die Qualität der mit ihrer Marke versehenen Produkte zu überwachen. Insoweit sei nochmals darauf hinzuweisen, dass die durch Art. 6 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung vorgeschriebene Windows-Version die Funktionsfähigkeit einer Reihe von Bestandteilen des Windows-Betriebssystems selbst sowie von Anwendungen und Websites, die auf der genannten Multimediafunktionalität basierten, beeinträchtigen werde. Die damit durch die angefochtene Entscheidung herbeigeführten „Erschwernisse“ seien keine „begrenzten“ Ausnahmen im Sinne von Art. 17 des TRIPS-Übereinkommens. Die ihr auferlegte Verpflichtung, ihre Marken Windows und Microsoft auf minderwertigen Produkten anzubringen, deren Gestaltung nicht ihrer Kontrolle unterliege, stehe in unmittelbarem Widerspruch zu ihren eigenen Interessen und zu den Interessen der Verbraucher und der Entwickler von Drittsoftware.

1174 Ein Verstoß gegen Art. 20 des TRIPS-Übereinkommens liege vor, da die Kommission sie, obwohl es ebenso wirksame Alternativen gebe, dazu zwinge, der Marke Windows eine Bürde aufzuerlegen, die ihre Funktion als Herkunfts- und Qualitätshinweis verwässere, was zu Verwirrung bei den Verbrauchern führe und dem „Goodwill“ der Marke schade.

1175 Was die Urheberrechte angehe, so beeinträchtige die angefochtene Entscheidung ihre vom TRIPS-Übereinkommen geschützten ausschließlichen Rechte, Anpassungen, Bearbeitungen und andere Veränderungen ihrer Werke sowie deren Vervielfältigung – auf welche Art und in welcher Form auch immer – zu gestatten und Windows-Kopien öffentlich zu vertreiben. Die angefochtene Entscheidung nötige sie nämlich zum einen, eine bearbeitete Fassung von Windows zu erstellen, die nicht ihrem eigenen Entwurf entspreche und eine wesentliche Umgestaltung ihres geschützten Werks darstelle, und zum anderen, Lizenzen für die Benutzung von Kopien dieser „erzwungenen Bearbeitung ihres geschützten Werks“ zu vergeben. Zwangslizenzen für ein urheberrechtlich geschütztes Werk seien nach dem TRIPS-Übereinkommen nur unter den hier nicht erfüllten Voraussetzungen seines Art. 13 statthaft.

1176 Die Kommission macht geltend, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung könne nicht anhand des TRIPS-Übereinkommens überprüft werden (siehe oben, Randnr. 789).

1177 Hilfsweise trägt sie vor, das Vorbringen von Microsoft sei jedenfalls unbegründet.

1178 Erstens weist sie insoweit das Vorbringen von Microsoft zu ihren Markenrechten zurück.

1179 Dieses Vorbringen sei schwer nachvollziehbar; Microsoft lege nicht dar, ob der angebliche Verstoß gegen das TRIPS-Übereinkommen die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Feststellung in Bezug auf die missbräuchliche Kopplung oder die Abhilfemaßnahme für diesen Missbrauch betreffe.

1180 Überdies stehe nach Art. 16 Abs. 1 des TRIPS-Übereinkommens dem Inhaber einer eingetragenen Marke das ausschließliche Recht zu, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung identische oder ähnliche Zeichen zu benutzen. Microsoft erläutere nicht, in welcher Weise dieses Recht durch die angefochtene Entscheidung beeinträchtigt werde oder inwieweit die Benutzung ihrer Marken aufgrund dieser Entscheidung durch besondere Erfordernisse im Sinne des Art. 20 des TRIPS-Übereinkommens ungerechtfertigt erschwert werden könnte. Das vorgenannte ausschließliche Recht werde somit im vorliegenden Fall ebenso gewahrt wie die Funktion der Marke als Garantie für die Herkunft der Produkte.

1181 Zudem schränke die Abhilfemaßnahme nach Art. 6 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung keineswegs das Recht von Microsoft ein, die Qualität der mit ihrer Marke versehenen Produkte zu überwachen, da sie die „umfassende Kontrolle über die Qualität ihrer Produkte“ behalte. Das Vorbringen von Microsoft, die nicht an den Windows Media Player gekoppelte Windows-Version sei ein herabgemindertes Produkt, sei bereits widerlegt worden, und die von Microsoft angeführte Verwechslungsgefahr könne durch geeignete Information und Kennzeichnung ausgeschlossen werden.

1182 Selbst wenn schließlich die angefochtene Entscheidung die Markenrechte von Microsoft einschränken würde, so böte die Ausnahmebestimmung in Art. 17 des TRIPS-Übereinkommens in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2 und Art. 40 Abs. 2 dieses Übereinkommens die Möglichkeit, die in der angefochtenen Entscheidung festgestellte Verletzung des Wettbewerbsrechts abzustellen.

1183 Zweitens weist die Kommission das von Microsoft auf ihre Urheberrechte gestützte Vorbringen zurück.

1184 Zunächst gestatte die angefochtene Entscheidung keinem Dritten, die urheberrechtlich geschützten Werke von Microsoft zu bearbeiten oder zu vervielfältigen; Microsoft könne sich nicht auf ein „Recht auf Unversehrtheit“ berufen, da dies ein Persönlichkeitsrecht sei und damit nicht vom TRIPS-Übereinkommen erfasst werde.

1185 Dem von Microsoft auf Art. 13 des TRIPS-Übereinkommens gestützten Vorbringen könne nicht gefolgt werden. Die angefochtene Entscheidung befasse sich mit einem „Sonderfall“ im Sinne des genannten Artikels, und zwar mit „Kopplungsgeschäften, die einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen würden“.

1186 Selbst wenn schließlich die angefochtene Entscheidung die Urheberrechte von Microsoft einschränken würde, so böte die Ausnahmebestimmung in Art. 13 des TRIPS-Übereinkommens in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2 und Art. 40 Abs. 2 dieses Übereinkommens die Möglichkeit, die in der angefochtenen Entscheidung festgestellte Verletzung des Wettbewerbsrechts abzustellen.

1187 Die SIIA schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen der Kommission an.

 Würdigung durch das Gericht

1188 Microsoft stellt die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung mit der Begründung in Frage, dass sie gegen verschiedene Bestimmungen des TRIPS-Übereinkommens, insbesondere dessen Art. 13, 17 und 20, verstoße.

1189 Wie bereits oben in Randnr. 801 ausgeführt, gehören die Übereinkünfte der WTO nach ständiger Rechtsprechung wegen ihrer Natur und ihrer Struktur grundsätzlich nicht zu den Vorschriften, an denen der Gemeinschaftsrichter die Rechtmäßigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane misst.

1190 Wie ebenfalls bereits oben in Randnr. 802 ausgeführt, hat der Gemeinschaftsrichter die Rechtmäßigkeit der fraglichen Gemeinschaftshandlung nur dann an den WTO-Regeln zu messen, wenn die Gemeinschaft eine bestimmte, im Rahmen der WTO übernommene Verpflichtung erfüllen wollte oder wenn die Gemeinschaftshandlung ausdrücklich auf konkrete Bestimmungen der WTO-Übereinkünfte verweist. Hier liegt offenkundig keiner dieser beiden Fälle vor. Microsoft kann sich zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung nicht auf das TRIPS-Übereinkommen und insbesondere dessen Art. 13, 17 und 20 berufen, da die angefochtene Entscheidung den Kopplungsverkauf von Windows und Windows Media Player betrifft.

1191 Dieser Teil des ersten Klagegrundes ist somit zurückzuweisen, ohne dass das Vorbringen geprüft zu werden braucht, auf das Microsoft ihn gestützt hat.

1192 Hinzuzufügen ist, dass sich den Bestimmungen des TRIPS-Übereinkommens jedenfalls nichts entnehmen lässt, das die Wettbewerbsbehörden der WTO-Mitglieder an der Anordnung von Abhilfemaßnahmen hindern würde, die die Verwertung von Rechten des geistigen Eigentums eines Unternehmens in beherrschender Stellung beschränken oder regeln, wenn es diese Rechte in wettbewerbswidriger Weise ausübt. So ergibt sich, wie die Kommission zu Recht ausführt, aus Art. 40 Abs. 2 des TRIPS-Übereinkommens ausdrücklich, dass die WTO-Mitglieder den Missbrauch solcher Rechte regeln dürfen, um nachteilige Auswirkungen auf den Wettbewerb zu vermeiden. Die genannte Bestimmung lautet:

„Dieses Übereinkommen hindert die Mitglieder nicht daran, in ihren Rechtsvorschriften Lizenzierungspraktiken und Lizenzbedingungen aufzuführen, die in bestimmten Fällen einen Missbrauch von Rechten des geistigen Eigentums mit nachteiligen Auswirkungen auf den Wettbewerb auf dem entsprechenden Markt bilden können. Wie vorstehend vorgesehen, kann ein Mitglied im Einklang mit den sonstigen Bestimmungen dieses Übereinkommens geeignete Maßnahmen ergreifen, um solche Praktiken, zu denen zum Beispiel Bestimmungen über exklusive Rücklizenzen, über die Verhinderung von Angriffen auf die Gültigkeit sowie erzwungene Paketlizenzen gehören können, unter Berücksichtigung seiner einschlägigen Gesetze und sonstigen Vorschriften zu verhindern oder zu kontrollieren.“

1193 Nach alledem ist der erste Klagegrund insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

3.     Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

a)     Angefochtene Entscheidung

1194 Als Abhilfemaßnahme für das in Art. 2 Buchst. b der angefochtenen Entscheidung angesprochene missbräuchliche Kopplungsgeschäft wird Microsoft in ihrem Art. 6 aufgegeben, binnen einer Frist von 90 Tagen ab Zustellung der Entscheidung eine voll funktionsfähige Version ihres Windows-Betriebssystems für Client-PCs ohne integrierten Windows Media Player anzubieten. Microsoft darf weiterhin ihr Windows-Betriebssystem für Client-PCs gekoppelt mit dem Windows Media Player anbieten. Art. 6 der Entscheidung sieht zudem vor, dass Microsoft innerhalb derselben Frist die Kommission über alle Maßnahmen unterrichten muss, die sie ergreift, um dieser Verpflichtung nachzukommen.

1195 In den Randnrn. 1011 bis 1042 der angefochtenen Entscheidung macht die Kommission nähere Ausführungen zu dieser Abhilfemaßnahme.

1196 Zunächst beschreibt sie die Tragweite der Abhilfemaßnahme (Randnrn. 1011 bis 1014 der angefochtenen Entscheidung).

1197 Sie führt u. a. aus, die Verpflichtung von Microsoft, eine Windows-Version ohne Windows Media Player anzubieten, betreffe sowohl den Fall, in dem eine Lizenz für Windows unmittelbar den Endnutzern erteilt werde, als auch den Fall, in dem die Lizenz den Geräteherstellern erteilt werde. Desgleichen behalte Microsoft die Möglichkeit, eine mit dem Windows Media Player gebündelte Windows-Version anzubieten, sowohl in Bezug auf die Endnutzer als auch in Bezug auf die Gerätehersteller.

1198 Die Kommission untersagt Microsoft ferner jede technische, wirtschaftliche, vertragliche oder sonstige Maßnahme, die die gleiche Wirkung wie ein gekoppelter Verkauf von Windows und Windows Media Player hätte, wobei sie u. a. ausführt, dass die Windows-Version ohne Windows Media Player genauso leistungsfähig sein müsse wie die ihn enthaltende Version. Randnr. 1013 der angefochtenen Entscheidung enthält eine nicht abschließende Aufzählung der aufgrund dessen verbotenen Tätigkeiten.

1199 Sodann setzt die Kommission Microsoft eine Frist von 90 Tagen für die Umsetzung der fraglichen Abhilfemaßnahme (Randnrn. 1015 bis 1017 der angefochtenen Entscheidung).

1200 Anschließend weist sie das Vorbringen von Microsoft zurück, die in Art. 6 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung vorgesehene Abhilfemaßnahme sei nicht hinreichend bestimmt, da Microsoft nicht genau wisse, welchen Softwarecode sie aus ihrem Produkt entfernen müsse (Randnrn. 1018 bis 1021 der angefochtenen Entscheidung). Sie führt u. a. Windows XP Embedded als Beispiel an und betont, dass die angefochtene Entscheidung von Microsoft keineswegs verlange, sämtliche Multimediadateien aus Windows zu entfernen, sondern nur diejenigen, aus denen sich der Windows Media Player zusammensetze.

1201 Schließlich stellt die Kommission eine Reihe von Erwägungen an, um die Verhältnismäßigkeit der fraglichen Abhilfemaßnahme darzutun (Randnrn. 1022 bis 1042 der angefochtenen Entscheidung).

1202 Erstens sei diese Maßnahme erforderlich, um die sich aus dem beanstandeten Verhalten ergebende Wettbewerbsbeschränkung zu beseitigen (Randnr. 1022 der angefochtenen Entscheidung).

1203 Zweitens werde Microsoft durch die in Art. 6 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung vorgesehene Abhilfemaßnahme weder daran gehindert, ihr Medienabspielprogramm zu vertreiben, noch würden ihr andere Beschränkungen als das Verbot auferlegt, die fraglichen Kopplungsgeschäfte fortzusetzen oder Maßnahmen mit gleicher Wirkung vorzunehmen (Randnr. 1023 der angefochtenen Entscheidung). Microsoft dürfe weiterhin eine mit dem Windows Media Player gekoppelte Windows-Version vertreiben (ibid.).

1204 Drittens sei das Vorbringen zurückzuweisen, das Microsoft darauf stütze, dass es keine signifikante Verbrauchernachfrage nach Betriebssystemen für Client-PCs ohne Multimediafunktionalität gebe (Randnrn. 1024 und 1025 der angefochtenen Entscheidung). Die Gerätehersteller könnten die Erwartungen der Verbraucher erfüllen, indem sie das von diesen gewählte Medienabspielprogramm auf den an sie verkauften Client-PCs vorinstallierten.

1205 Viertens prüft die Kommission in den Randnrn. 1026 bis 1034 der angefochtenen Entscheidung das Vorbringen von Microsoft, dass zwischen Windows und dem Windows Media Player Interdependenzen bestünden. Unter erneuter Bezugnahme auf das Beispiel von Windows XP Embedded weist sie die Behauptung zurück, dass die Beseitigung des Codes des Windows Media Player die Integrität des Betriebssystems beeinträchtigen würde. Sie führt weiter aus, Microsoft habe nicht dargetan, dass die Integration des Windows Media Player in Windows Voraussetzung für das Erzielen von Effizienzgewinnen sei, und fügt u. a. hinzu: „Wenn Entwickler ihre eigenen Lösungen konzipieren oder einen weitervermarktbaren Code Dritter in ihre Anwendung integrieren, sind sie nicht vom Vorhandensein des Medienabspielprogramms auf dem Client-PC des Nutzers abhängig“ (Randnr. 1032 der angefochtenen Entscheidung).

1206 Fünftens schließlich prüft die Kommission in den Randnrn. 1035 bis 1042 der angefochtenen Entscheidung das Vorbringen von Microsoft, dass zwischen Windows und den Anwendungen anderer Anbieter Interdependenzen bestünden. Sie weist insbesondere die Behauptung zurück, dass die Beseitigung des Codes des Windows Media Player nachteilige Folgen für Inhalteanbieter und Softwareentwickler hätte. Es sei nicht ungewöhnlich, dass die Inhalteanbieter Lösungen implementierten, die feststellten, welches Medienabspielprogramm auf einem bestimmten Client-PC installiert sei, und die nötigen Maßnahmen für den Fall vorsähen, dass die Darstellung ihrer Inhalte ein bestimmtes Medienabspielprogramm oder eine spezielle Version eines solchen Programms erfordere (Randnr. 1037 der angefochtenen Entscheidung). In Bezug auf die Softwareentwickler mache Microsoft zu Unrecht geltend, dass es von Vorteil sei, Windows als „einheitliche Plattform“ beizubehalten (Randnr. 1041 der angefochtenen Entscheidung). Microsoft könne sich nicht darauf berufen, dass ihre Praxis den Softwareentwicklern, deren Produkte sich auf Medienabspielprogramme stützten, zu diesem Zweck einen „zentralen Bezugspunkt“ verschaffe, denn diese Praxis verfälsche den Leistungswettbewerb (Randnr. 1042 der angefochtenen Entscheidung).

b)     Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

1207 Microsoft macht geltend, die in Art. 6 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung vorgesehene Abhilfemaßnahme verstoße in dreifacher Hinsicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

1208 Erstens lasse diese Maßnahme das berechtigte Interesse außer Acht, das die Softwareentwickler und die Ersteller von Websites daran hätten, „Windows als stabile und konsistente Plattform zu erhalten“.

1209 Zweitens beeinträchtige die Abhilfemaßnahme die Persönlichkeitsrechte von Microsoft, indem von ihr verlangt werde, ihr Windows-Betriebssystem herabzumindern und Dritten für diese herabgeminderte Version ihres Produkts Lizenzen zu erteilen. Sie verletze insbesondere das Recht von Microsoft, sich Änderungen ihres Werks oder dessen Umgestaltung, Verstümmelung oder sonstigen Beeinträchtigung zu widersetzen.

1210 Drittens sei die in Art. 6 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung vorgesehene Abhilfemaßnahme „in sich widersprüchlich“, und es sei Microsoft unmöglich, ihr nachzukommen, da verlangt werde, dass sie wichtige Funktionalitäten aus Windows entferne und zugleich sicherstelle, dass die herabgeminderte Windows-Version nicht weniger leistungsfähig sei als die mit dem Windows Media Player gekoppelte Version.

1211 Die Kommission hält die fragliche Abhilfemaßnahme vor allem deshalb für verhältnismäßig, weil Microsoft weiterhin eine mit dem Windows Media Player gekoppelte Windows-Version anbieten dürfe. Microsoft werde durch die Abhilfemaßnahme auch nicht daran gehindert, ihr Medienabspielprogramm zu vertreiben und es weiterhin getrennt zum Herunterladen anzubieten.

1212 Es sei keineswegs unmöglich, den Softwarecode des Windows Media Player zu identifizieren oder der in Art. 6 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung vorgesehenen Abhilfemaßnahme nachzukommen. Microsoft räume selbst ein, dass sie bereits eine marktreife nicht gekoppelte Windows-Version entwickelt habe. Im Übrigen sei auf die Randnrn. 1018 bis 1021 der angefochtenen Entscheidung zu verweisen.

1213 Microsoft habe auch keinen Beweis dafür vorgelegt, dass die Abhilfemaßnahme Dritten Schaden zufüge oder zu einer Herabminderung des Betriebssystems führe.

1214 Zu der geltend gemachten Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte von Microsoft sei festzustellen, dass Microsoft „in Europa normalerweise nicht als Inhaberin von Persönlichkeitsrechten angesehen“ werde. Die fragliche Abhilfemaßnahme schließe außerdem nicht aus, dass die Schöpfer des Werkes dessen „Urheberschaft“ für sich in Anspruch nähmen, und bedeute keine Offenlegung des Codes.

1215 Schließlich ist die Kommission, insoweit unterstützt von der SIIA, der Auffassung, dass die im Urteil des District Court vom 1. November 2002 vorgesehenen Maßnahmen nicht ausreichten, um den Missbrauch in Form des in der angefochtenen Entscheidung behandelten Kopplungsverkaufs zu beseitigen. In diesem Urteil werde Microsoft nicht dazu verpflichtet, den Code des Windows Media Player aus dem Betriebssystem für Client-PCs zu entfernen, sondern lediglich dazu, Vorkehrungen zu treffen, damit die Gerätehersteller und die Endnutzer das Symbol auf dem Bildschirm und die Menüeinträge für den Zugriff auf die Software des Windows Media Player verbergen könnten. Außerdem habe Microsoft den Mechanismus, mit dem der Zugriff verborgen werde, so konzipiert, dass der Windows Media Player reaktiviert werden und die Standardeinstellungen der Nutzer aufheben könne. Die Maßnahmen, die Gegenstand des genannten Urteils seien, beeinflussten somit weder die Omnipräsenz des Codes des Windows Media Player auf den Client-PCs noch, als Folge davon, den Anreiz für Softwareentwickler und Inhalteanbieter, „ihre Zusatzangebote auf den Windows Media Player als Plattformtechnologie auszurichten“.

c)     Würdigung durch das Gericht

1216 Zur Stützung des vorliegenden Klagegrundes wiederholt Microsoft im Wesentlichen die von ihr im Rahmen des ersten Klagegrundes zur Voraussetzung des Fehlens einer objektiven Rechtfertigung geltend gemachten Argumente (siehe oben, Randnrn. 1102 bis 1122).

1217 Die Gründe, aus denen das Gericht diese Argumente als nicht stichhaltig angesehen hat, sind auch bei der Prüfung des vorliegenden Klagegrundes heranzuziehen.

1218 Erstens genügt daher in Bezug auf das Argument, die Kommission habe das Interesse der Softwareentwickler und der Ersteller von Websites an einer stabilen und klar definierten Plattform unberücksichtigt gelassen, ein Hinweis auf die obigen Randnrn. 1148 bis 1153.

1219 Zweitens ist das Argument von Microsoft, die in Art. 6 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung vorgesehene Abhilfemaßnahme verpflichte sie, ihr Windows-Betriebssystem herabzumindern und für eine solche herabgeminderte Version ihres Produkts Dritten eine Lizenz zu erteilen, bereits oben in Randnr. 1165 zurückgewiesen worden.

1220 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die angefochtene Entscheidung von Microsoft nicht verlangt, eine Windows-Version anzubieten, bei der sämtliche Multimediadateien – einschließlich derjenigen, die sich auf die grundlegende Multimedia-Infrastruktur des Betriebssystems beziehen – entfernt wurden. Betroffen sind nämlich nur die Dateien, aus denen sich der Windows Media Player zusammensetzt und die Microsoft in ihrer technischen Dokumentation selbst von den übrigen Dateien unterscheidet (siehe oben, Randnrn. 916 und 1164). Ferner ist darauf hinzuweisen, dass – wie das Beispiel von Windows XP Embedded beweist – die Integrität der übrigen Funktionalitäten nicht beeinträchtigt wird, wenn der Windows Media Player nicht im Betriebssystem vorhanden ist (siehe oben, Randnr. 1165).

1221 Hinzu kommt, dass das Medienabspielprogramm mit Datenstrom-Kapazitäten von Microsoft in der Zeit von Juni 1998 bis Mai 1999 als getrennte Anwendungssoftware angeboten wurde, ohne dass dies die Lauffähigkeit des Windows-Betriebssystems beeinträchtigte. Wie bereits oben in Randnrn. 936 ausgeführt, hat Microsoft in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, dass sie technisch gesehen im Mai 1999 nichts daran gehindert habe, ihr Medienabspielprogramm weiterhin in dieser Weise zu vertreiben, d. h. ohne seine Integration in das Betriebssystem Windows 98 Second Edition.

1222 Drittens ergibt sich aus den oben in den Randnrn. 1219 bis 1221 dargelegten Erwägungen, dass das Vorbringen von Microsoft, die in Art. 6 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung vorgesehene Abhilfemaßnahme sei in sich widersprüchlich, so dass sie ihr unmöglich nachkommen könne, unbegründet ist. Es beruht nämlich auf der unzutreffenden Prämisse, dass die in Art. 6 Buchst. a verlangte Windows-Version eine herabgeminderte Version ihres Betriebssystems darstellt. Wie die Kommission in ihren Schriftsätzen zu Recht ausführt, liegt es zwar auf der Hand, dass im Fall der Entfernung des Windows Media Player aus Windows seine Funktionalitäten in dieser Version des Betriebssystems nicht mehr verfügbar sind, doch kann daraus nicht geschlossen werden, dass diese Version herabgemindert oder in jeder anderen Hinsicht weniger leistungsfähig ist als eine mit dem Abspielprogramm gekoppelte Version des Betriebssystems. Die Verpflichtung von Microsoft, eine „voll funktionsfähige“ Version ihres Windows-Betriebssystems für Client-PCs ohne integrierten Windows Media Player anzubieten (Art. 6 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung), muss im Licht insbesondere der in Randnr. 1012 der angefochtenen Entscheidung getroffenen Feststellung gesehen werden, wonach „die ungebündelte Windows-Version … nicht weniger leistungsfähig sein [darf] als die mit dem [Windows Media Player] gekoppelte Windows-Version, wobei zu berücksichtigen ist, dass die [Windows Media Player]-Funktionalität per definitionem kein Bestandteil der ungebündelten Windows-Version ist“.

1223 Nach Ansicht des Gerichts ist die in Art. 6 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung vorgesehene Abhilfemaßnahme keineswegs unverhältnismäßig, sondern stellt ein angemessenes Mittel dar, um den betreffenden Missbrauch abzustellen und die festgestellten wettbewerbsrechtlichen Probleme auszuräumen, wobei sie Microsoft und ihrer Geschäftsstrategie die geringstmöglichen Schwierigkeiten bereitet.

1224 So ist mit der Umsetzung der genannten Maßnahme, abgesehen von der Entwicklung der in Art. 6 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung verlangten Windows-Version, in technischer Hinsicht keinerlei Änderung der gegenwärtigen Praxis von Microsoft verbunden.

1225 Insbesondere darf Microsoft weiterhin die mit dem Windows Media Player gekoppelte Windows-Version anbieten. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nur den Verbrauchern die Möglichkeit geben will, dieses Betriebssystem ohne Windows Media Player zu beziehen.

1226 Wie die Kommission zu Recht ausführt, beeinträchtigt die fragliche Abhilfemaßnahme zudem nicht die Möglichkeit für Microsoft, ihr Medienabspielprogramm zu vertreiben und es insbesondere zum Herunterladen aus dem Internet anzubieten.

1227 Schließlich war die Kommission aus den oben in Randnr. 974 genannten Gründen zu der Auffassung berechtigt, dass die von Microsoft aufgrund des US-amerikanischen Vergleichs getroffenen Maßnahmen nicht ausreichten, um den fraglichen Missbrauch abzustellen und die festgestellten wettbewerbsrechtlichen Probleme auszuräumen.

1228 Nach alledem ist der zweite Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

1229 Die Anträge auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung sind somit zurückzuweisen, soweit sie den Fragenkreis des gebündelten Verkaufs von Windows und Windows Media Player betreffen.

D –  Zur Problematik des unabhängigen Überwachungsbeauftragten

1.     Angefochtene Entscheidung

1230 Nach Art. 4 Abs. 1 der angefochtenen Entscheidung ist Microsoft verpflichtet, das in Art. 2 festgestellte missbräuchliche Verhalten gemäß den Modalitäten ihrer Art. 5 und 6 zu beenden. Microsoft muss zudem jedes Verhalten unterlassen, das im Zweck oder in der Wirkung dem festgestellten Verhalten gleicht oder vergleichbar ist (Art. 4 Abs. 2).

1231 Als Abhilfemaßnahme für die missbräuchliche Weigerung, die Interoperabilitätsinformationen offen zu legen, gibt Art. 5 der angefochtenen Entscheidung Microsoft auf, binnen 120 Tagen ab Zustellung dieser Entscheidung allen Unternehmen, die ein Interesse daran haben, Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver zu entwickeln und zu vertreiben, die genannten Informationen zur Verfügung zu stellen und diesen Unternehmen unter angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen die Nutzung der Informationen für die Entwicklung und den Vertrieb von Betriebssystemen für Arbeitsgruppenserver zu gestatten. Microsoft hat überdies die zur Verfügung gestellten Interoperabilitätsinformationen kontinuierlich und unverzüglich zu aktualisieren. Schließlich verpflichtet Art. 5 der angefochtenen Entscheidung Microsoft, binnen 120 Tagen ab Zustellung dieser Entscheidung einen Bewertungsmechanismus einzurichten, der es den interessierten Unternehmen in praktikabler Weise ermöglicht, sich Kenntnis vom Umfang und von den Nutzungsbedingungen der Interoperabilitätsinformationen zu verschaffen.

1232 Als Abhilfemaßnahme für den missbräuchlichen Kopplungsverkauf des Windows-Betriebssystems für Client-PCs und des Windows Media Player wird Microsoft in Art. 6 der angefochtenen Entscheidung u. a. aufgegeben, binnen 90 Tagen ab Zustellung der Entscheidung eine voll funktionsfähige Version ihres Windows-Betriebssystems für Client-PCs ohne integrierten Windows Media Player anzubieten. Microsoft darf weiterhin ihr Windows-Betriebssystem für Client-PCs gekoppelt mit dem Windows Media Player anbieten.

1233 Ferner sieht Art. 7 der angefochtenen Entscheidung vor, dass ein geeigneter Mechanismus zur Unterstützung der Kommission bei der Überwachung der Einhaltung der angefochtenen Entscheidung durch Microsoft geschaffen wird, zu dem u. a. die Einsetzung eines unabhängigen Überwachungsbeauftragten gehört. Nach diesem Artikel hat Microsoft die genannten Vorkehrungen binnen 30 Tagen ab Zustellung der Entscheidung vorzuschlagen, wobei sich die Kommission, falls sie den vorgeschlagenen Überwachungsmechanismus nicht für geeignet hält, „das Recht vor[behält], einen solchen Mechanismus durch Entscheidung vorzuschreiben“.

1234 In den Randnrn. 1043 bis 1048 der angefochtenen Entscheidung beschreibt die Kommission den in der vorstehenden Randnummer angesprochenen Überwachungsmechanismus näher und formuliert u. a. „Vorgaben für Microsoft [in Bezug auf die Ausarbeitung ihres Vorschlags für die Einsetzung eines unabhängigen Überwachungsbeauftragten]“ (Randnr. 1044 der angefochtenen Entscheidung).

1235 So legt sie in Randnr. 1045 der angefochtenen Entscheidung dar, dass die „Hauptaufgabe“ des Überwachungsbeauftragten darin bestehe, sich auf Antrag eines Dritten oder der Kommission oder von sich aus dazu zu äußern, „ob Microsoft in einem konkreten Fall ihren Verpflichtungen aus [der angefochtenen] Entscheidung nicht nachgekommen ist, sowie zu jeder Frage, die für die wirksame Durchsetzung dieser Entscheidung von Interesse sein könnte“.

1236 In den Randnrn. 1046 und 1047 der angefochtenen Entscheidung erläutert sie die Aufgabe des Überwachungsbeauftragten in Bezug auf jeden der beiden in Rede stehenden Missbräuche (siehe unten, Randnr. 1261).

1237 In Randnr. 1048 der angefochtenen Entscheidung stellt sie die Grundsätze auf, die Microsoft bei ihrem Vorschlag bezüglich des Überwachungsbeauftragten zu beachten hat. Erstens werde der Überwachungsbeauftragte von der Kommission aus einer von Microsoft aufgestellten Liste ausgewählt, und Microsoft müsse ein Verfahren vorsehen, anhand dessen die Kommission einen Überwachungsbeauftragten ihrer Wahl benennen könne, wenn sie keine der vorgeschlagenen Personen für geeignet halte, die Aufgabe zu erfüllen. Zweitens müsse der Überwachungsbeauftragte von Microsoft unabhängig sein, und es müssten „Vorkehrungen getroffen werden, die gewährleisten, dass er keinem Interessenkonflikt ausgesetzt ist oder wird“. Er müsse die zur ordnungsgemäßen Ausführung seines Auftrags erforderliche Eignung besitzen und befugt sein, Sachverständige hinzuzuziehen, die bestimmte genau definierte Aufgaben für ihn erledigten. Drittens müssten Vorkehrungen getroffen werden, die gewährleisteten, dass der Überwachungsbeauftragte „Zugang zur Unterstützung, zu Informationen, zu Unterlagen, zu den Geschäftsräumen und zu den Mitarbeitern von Microsoft erhält, soweit er dies für die angemessene Wahrnehmung seines Auftrags benötigt“. Viertens müsse er uneingeschränkten Zugang zum Quellcode der einschlägigen Microsoft-Produkte haben. Fünftens schließlich seien „[a]lle Kosten für die Einsetzung des Überwachungsbeauftragten einschließlich einer angemessenen Vergütung seiner Tätigkeit … von Microsoft zu tragen“.

2.     Vorbringen der Beteiligten

1238 Microsoft hält die ihr in Art. 7 der angefochtenen Entscheidung auferlegte Verpflichtung, einen unabhängigen Überwachungsbeauftragten einzusetzen, für rechtswidrig, da die Kommission weder befugt sei, die ihr aufgrund der Verordnung Nr. 17 verliehenen Durchführungsbefugnisse auf eine Privatperson zu übertragen, noch Microsoft die Kosten für die Überwachung der Einhaltung der angefochtenen Entscheidung, zu denen die Vergütung des unabhängigen Überwachungsbeauftragten gehöre, auferlegen dürfe.

1239 Zunächst bestreitet Microsoft, dass ihr Antrag auf Nichtigerklärung des Art. 7 der angefochtenen Entscheidung verfrüht sei. Die Kommission könne sich insbesondere nicht darauf berufen, dass sie einen Überwachungsmechanismus durch gesonderte Entscheidung hätte anordnen können, falls sie mit Microsofts Vorschlag nicht einverstanden gewesen wäre, und dass Microsoft dann um Nichtigerklärung dieser Entscheidung hätte nachsuchen können.

1240 Sodann macht Microsoft erstens geltend, aus den Randnrn. 1043 bis 1048 der angefochtenen Entscheidung gehe klar hervor, dass es sich bei den Befugnissen, die im vorliegenden Fall auf den unabhängigen Überwachungsbeauftragten übertragen würden, um Ermittlungs- und Durchführungsbefugnisse handele, die normalerweise der Kommission zustünden. Der Überwachungsbeauftragte habe zwar hauptsächlich die Aufgabe, Stellungnahmen zur Einhaltung der angefochtenen Entscheidung abzugeben, sei aber auch befugt, die Maßnahmen zu prüfen, die Microsoft ergreife, um dieser Entscheidung nachzukommen. In Fn. 1317 der angefochtenen Entscheidung werde darauf hingewiesen, dass er „nicht nur reagieren, sondern auch Eigeninitiative zeigen [sollte], wenn er überwacht, ob Microsoft ihren Verpflichtungen nachkommt“. Die angefochtene Entscheidung solle daher eine unabhängige Quelle für Ermittlungs- und Durchführungsmaßnahmen schaffen.

1241 Nach den Art. 11 und 14 der Verordnung Nr. 17 und den Art. 18 bis 21 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2003 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) stünden die Ermittlungs- und Durchführungsbefugnisse im Zusammenhang mit den genannten Vorschriften aber ausschließlich der Kommission und den nationalen Wettbewerbsbehörden zu. Keine der beiden Verordnungen gebe der Kommission das Recht, diese Befugnisse auf Dritte oder gar auf Privatpersonen zu übertragen.

1242 Durch eine derartige Übertragung von Befugnissen entziehe die Kommission den Unternehmen die Garantien, die ihnen die Rechtsprechung zum Schutz ihrer Verteidigungsrechte zuerkannt habe.

1243 In der Erwiderung fügt Microsoft hinzu, sie erhebe keine Einwände dagegen, dass ein unabhängiger Überwachungsbeauftragter die Kommission in technischen Fragen berate. Hierfür hätte die Kommission jedoch ihren eigenen Sachverständigen benennen müssen.

1244 Zweitens weist Microsoft darauf hin, dass sie nach Art. 7 in Verbindung mit Randnr. 1048 Ziff. v der angefochtenen Entscheidung verpflichtet sei, „[a]lle Kosten für die Einsetzung des Überwachungsbeauftragten einschließlich einer angemessenen Vergütung seiner Tätigkeit“ zu tragen. Bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln dürfe die Kommission dem betreffenden Unternehmen aber keine anderen finanziellen Belastungen als Geldbußen und Zwangsgelder auferlegen.

1245 Die Kommission könne die ihr eingeräumte Befugnis, einem Unternehmen die Beendigung einer Zuwiderhandlung aufzugeben, nicht als Rechtfertigung dafür anführen, dass sie ihm die für den Überwachungsbeauftragten anfallenden Kosten aufbürde. Für die Auferlegung einer solchen finanziellen Belastung gebe es weder in der Verordnung Nr. 17 noch in der Verordnung Nr. 1/2003 oder in irgendeiner anderen Vorschrift eine Rechtsgrundlage.

1246 Die Kommission macht geltend, das Vorbringen von Microsoft zur Frage des Überwachungsbeauftragten sei unzulässig, da es verfrüht, spekulativ und für eine Nichtigerklärung des Art. 7 der angefochtenen Entscheidung unzureichend sei. Der genannte Artikel verpflichte Microsoft, einen Vorschlag für die Schaffung eines Überwachungsmechanismus zu unterbreiten, wobei sich jedoch die Kommission das Recht vorbehalte, einen solchen Mechanismus durch Entscheidung vorzuschreiben, falls sie den dahin gehenden Vorschlag von Microsoft für ungeeignet halte. In den Randnrn. 1044 bis 1048 der angefochtenen Entscheidung würden die Vorgaben formuliert, von denen sich Microsoft bei der Ausarbeitung dieses Vorschlags leiten lassen müsse, doch die meisten dieser Vorgaben würden Microsoft nicht durch Art. 7 der angefochtenen Entscheidung vorgeschrieben. Insbesondere würden dort weder die genauen Aufgaben des unabhängigen Überwachungsbeauftragten noch die „Quelle“ seiner Vergütung festgelegt. Es stehe Microsoft daher frei, für den Überwachungsbeauftragten einen engeren als den in der angefochtenen Entscheidung vorgesehenen Aufgabenkreis sowie abweichende Vergütungsmodalitäten vorzuschlagen. Die Kommission könne diese Vorschläge dann zurückweisen und durch Entscheidung ein anders lautendes Mandat festlegen. Eine solche Entscheidung würde die angefochtene Entscheidung nicht nur bestätigen, sondern selbst eine anfechtbare Handlung darstellen.

1247 Hilfsweise trägt die Kommission vor, das Vorbringen von Microsoft sei unbegründet.

1248 Erstens ergebe sich aus den Randnrn. 1044 bis 1048 der angefochtenen Entscheidung nicht, dass sie die Ermittlungs- und Durchführungsbefugnisse, die ihr für die Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG eingeräumt worden seien, auf eine Privatperson übertragen habe. Was die „Informationsbeschaffung“ angehe, so sehe die angefochtene Entscheidung nur einen „auf beiderseitigem Einverständnis beruhenden Mechanismus“ vor, der es erlaube, zahlreiche technische Fragen, die sich bei der Durchführung der Abhilfemaßnahmen ergeben könnten, rasch zu lösen. Zwar könne der unabhängige Überwachungsbeauftragte nach Randnr. 1048 und Fn. 1317 der angefochtenen Entscheidung Fragen an Microsoft richten und Zugang zu Dokumenten und zum Quellcode der einschlägigen Produkte erlangen, doch sei Microsoft durch nichts daran gehindert, in ihrem Mandatsvorschlag anzugeben, dass sie die Beantwortung derartiger Fragen oder die Herausgabe der verlangten Informationen verweigern könne. Bei einer derartigen Weigerung würde die Kommission prüfen, ob ein Einschreiten nach Kapitel V der Verordnung Nr. 1/2003 zweckmäßig sei, und damit ein unbeschränktes Ermessen bei der Ausübung ihrer Ermittlungsbefugnisse behalten.

1249 In Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts hat die Kommission vorgetragen, Art. 7 der angefochtenen Entscheidung stütze sich auf Art. 3 der Verordnung Nr. 17 und sei „Ausdruck“ der ihr durch diesen Artikel eingeräumten Befugnis zum Erlass von Entscheidungen, mit denen Unternehmen aufgegeben werde, eine Zuwiderhandlung abzustellen.

1250 Zweitens stehe der Umstand, dass Microsoft die Vergütung des Überwachungsbeauftragten zu tragen habe, offenkundig nicht im Zusammenhang mit den Sanktionen nach der Verordnung Nr. 17 und der Verordnung Nr. 1/2003. Sollte Art. 7 der angefochtenen Entscheidung dahin zu verstehen sein, dass er eine Verpflichtung bezüglich der Vergütung des unabhängigen Überwachungsbeauftragten auferlege, so wäre die Rechtsgrundlage für diese Verpflichtung Art. 3 der Verordnung Nr. 17. Eine Entscheidung auf der Grundlage dieses Artikels könne sowohl die Anordnung zur Vornahme bestimmter unrechtmäßig unterbliebener Tätigkeiten oder Leistungen umfassen als auch das Verbot, bestimmte Tätigkeiten, Praktiken oder Sachverhalte, die dem Vertrag widersprächen, fortbestehen zu lassen, und sei für ihren Adressaten mit gewissen Kosten verbunden. Wie sich aus Randnr. 1044 der angefochtenen Entscheidung ergebe, setze die Durchführung der Abhilfemaßnahmen voraus, dass die Einhaltung der Verpflichtungen, die Microsoft durch die angefochtene Entscheidung auferlegt worden seien, wirksam überwacht werde.

3.     Würdigung durch das Gericht

1251 Microsoft will die Nichtigerklärung des Art. 7 der angefochtenen Entscheidung erreichen und macht dazu geltend, die Kommission habe durch die rechtswidrige Übertragung ihrer Ermittlungs- und Durchführungsbefugnisse auf einen Dritten die ihr in Art. 82 EG und in der Verordnung Nr. 17 eingeräumten Kompetenzen überschritten. Es gebe im Gemeinschaftsrecht keine Rechtsgrundlage dafür, dass einem Unternehmen ein Überwachungsmechanismus der in Art. 7 der angefochtenen Entscheidung genannten Art auferlegt werde und dass das Unternehmen die Vergütung eines Dritten tragen müsse, den die Kommission damit betraut habe, sie dabei zu unterstützen, die Einhaltung der in einer Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt werde, angeordneten Abhilfemaßnahmen zu überwachen.

1252 Die Kommission hält diesen Antrag auf Nichtigerklärung für verfrüht und damit unzulässig, weil Art. 7 der angefochtenen Entscheidung Microsoft keine Verpflichtung auferlege, sondern ihr lediglich aufgebe, einen Vorschlag für die Schaffung eines Überwachungsmechanismus zu unterbreiten. Dieser Artikel führe jedenfalls nicht zu einer Übertragung ihrer Befugnisse. Rechtsgrundlage für den Überwachungsmechanismus sowie für die Verpflichtung von Microsoft, die Vergütung des unabhängigen Überwachungsbeauftragten zu tragen, sei Art. 3 der Verordnung Nr. 17, aufgrund dessen den beteiligten Unternehmen aufgegeben werden könne, die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen.

1253 Die Rechtmäßigkeit von Art. 7 der angefochtenen Entscheidung ist anhand der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidung zu beurteilen. Zu diesem Zeitpunkt war noch die Verordnung Nr. 17 in Kraft, da die an ihre Stelle getretene Verordnung Nr. 1/2003 ab 1. Mai 2004 anzuwenden war.

1254 Zu den Ermittlungs- und Durchführungsbefugnissen, über die die Kommission im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung verfügte, zählten, soweit sie für den Antrag auf Nichtigerklärung des Art. 7 dieser Entscheidung einschlägig sind, die in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 17 vorgesehene Befugnis, die beteiligten Unternehmen zu verpflichten, die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen, die Befugnisse in Bezug auf Auskunftsverlangen nach Art. 11 der genannten Verordnung, die Nachprüfungsbefugnisse nach Art. 14 der Verordnung sowie die in Art. 16 der Verordnung vorgesehene Befugnis, gegen Unternehmen Zwangsgelder festzusetzen, um sie anzuhalten, die festgestellte Zuwiderhandlung zu unterlassen.

1255 Zunächst ist das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, wonach der Antrag auf Nichtigerklärung des Art. 7 verfrüht sei, da dieser Artikel von Microsoft lediglich verlange, einen Vorschlag zu unterbreiten, bevor die Kommission eine endgültige Entscheidung über die Schaffung eines Überwachungsmechanismus erlasse. Dass nämlich Art. 7 der angefochtenen Entscheidung eine Aufforderung zur Unterbreitung eines Vorschlags enthält, kann nichts daran ändern, dass dieser Artikel insofern verbindlich ist, als die Kommission mit ihm von ihrer Befugnis Gebrauch macht, die Unterlassung einer Zuwiderhandlung anzuordnen.

1256 Stellt die Kommission in einer Entscheidung fest, dass ein Unternehmen gegen Art. 82 EG verstoßen hat, so hat dieses Unternehmen unverzüglich alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sein Verhalten mit dieser Vorschrift in Einklang zu bringen, und zwar auch dann, wenn die Kommission in ihrer Entscheidung keine spezifischen Maßnahmen vorgeschrieben hat. Sind in der Entscheidung Abhilfemaßnahmen vorgesehen, so ist das betreffende Unternehmen verpflichtet, diese Maßnahmen – unter Übernahme aller damit verbundenen Kosten – umzusetzen, da ihm andernfalls Zwangsgelder nach Art. 16 der Verordnung Nr. 17 auferlegt werden können (siehe unten, Randnr. 1259).

1257 Aus dem Wortlaut des Art. 7 der angefochtenen Entscheidung und insbesondere daraus, dass Microsoft eine Frist von 30 Tagen gesetzt wird, ergibt sich, dass diese Bestimmung eine solche verbindliche Maßnahme vorsieht. Zwar besteht die erste Reaktion, wenn ein geeigneter Vorschlag von Microsoft ausbleibt, in einer Maßnahme nach Art. 7 Abs. 2, d. h. in der Anordnung eines Überwachungsmechanismus durch Entscheidung, doch setzt sich Microsoft, wenn sie der Verpflichtung zur Unterbreitung eines Vorschlags nicht nachkommt, gleichwohl auch der Gefahr aus, dass Zwangsgelder gegen sie festgesetzt werden. Die Verbindlichkeit der angeordneten Maßnahme kann nicht allein deshalb in Frage gestellt werden, weil die Kommission sich vorbehält, einen solchen Mechanismus selbst vorzuschreiben, wenn sie den Vorschlag von Microsoft für ungeeignet hält. Wird eine solche spezifische, in einer Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 82 EG abgestellt werden soll, angeordnete Maßnahme nicht durchgeführt, so stellt dies einen gesonderte Zuwiderhandlung gegen das Gemeinschaftsrecht dar, im vorliegenden Fall gegen Art. 3 der Verordnung Nr. 17.

1258 Diese Beurteilung kann nicht durch das Argument der Kommission entkräftet werden, dass Microsoft einen anderen Vorschlag hätte unterbreiten können, der ihrer eigenen Vorstellung von dem, was die Kommission von ihr verlangen durfte, besser entsprochen hätte. Nach ständiger Rechtsprechung ist der verfügende Teil eines Rechtsakts untrennbar mit seiner Begründung verbunden und muss erforderlichenfalls unter Berücksichtigung der Gründe ausgelegt werden, die zu seinem Erlass geführt haben (Urteile des Gerichtshofs vom 15. Mai 1997, TWD/Kommission, C‑355/95 P, Slg. 1997, I‑2549, Randnr. 21, und vom 29. April 2004, Italien/Kommission, C‑91/01, Slg. 2004, I‑4355, Randnr. 49; Urteil des Gerichts vom 14. Oktober 2004, Pollmeier Malchow/Kommission, T‑137/02, Slg. 2004, II‑3541, Randnr. 60).

1259 Angesichts der – nachfolgend in Randnr. 1261 zusammenfassend dargestellten – Aufgabe, die die Kommission für den Überwachungsbeauftragten vorsieht, sowie der Befugnisse, die ihr durch die Art. 3 und 16 der Verordnung Nr. 17 eingeräumt werden, hat Art. 7 der angefochtenen Entscheidung zur Folge, dass Microsoft, wenn sie nicht innerhalb von 30 Tagen einen Vorschlag unterbreitet, der den insbesondere in den Randnrn. 1045 bis 1048 der Entscheidung aufgeführten Grundsätzen entspricht, gegen die Entscheidung verstoßen und Gefahr laufen würde, dass gegen sie gemäß Art. 16 der Verordnung Nr. 17 Zwangsgelder festgesetzt werden. Die Rechtsstellung von Microsoft wurde demnach durch Art. 7 der angefochtenen Entscheidung unmittelbar berührt, so dass der Antrag auf Nichtigerklärung dieser Bestimmung nicht, wie dies von der Kommission geltend gemacht wird, als verfrüht oder spekulativ angesehen werden kann.

1260 Sodann ist zu prüfen, ob es für Art. 7 der angefochtenen Entscheidung eine Rechtsgrundlage in der Verordnung Nr. 17 gibt oder ob die Kommission, wie Microsoft meint, ihre Ermittlungs- und Durchführungsbefugnisse dadurch überschritten hat, dass sie Microsoft aufgibt, der Einsetzung eines unabhängigen, mit den fraglichen Aufgaben und Befugnissen ausgestatteten Überwachungsbeauftragten zuzustimmen.

1261 Aus den Randnrn. 1043 bis 1048 der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass die Aufgabe des unabhängigen Überwachungsbeauftragten insbesondere in Folgendem besteht:

–        Seine „Hauptaufgabe“ besteht darin, sich dazu zu äußern, ob Microsoft in einem konkreten Fall ihren Verpflichtungen aus der angefochtenen Entscheidung (einschließlich der Verpflichtung, die Abhilfemaßnahmen ordnungsgemäß durchzuführen) nicht nachgekommen ist.

–        Der Überwachungsbeauftragte wird sich auf Antrag eines Dritten oder der Kommission oder von sich aus äußern.

–        Insoweit ist vorgesehen, dass der Überwachungsbeauftragte nicht nur reagieren, sondern auch Eigeninitiative zeigen soll, wenn er überwacht, ob Microsoft ihren Verpflichtungen nachkommt (Fn. 1317 der angefochtenen Entscheidung).

–        Bezüglich der in Rede stehenden missbräuchlichen Weigerung hat der Überwachungsbeauftragte zu prüfen, ob die von Microsoft zur Verfügung gestellten Informationen vollständig und zutreffend sind, ob die Voraussetzungen, unter denen Microsoft die Spezifikationen zur Verfügung stellt und ihre Nutzung erlaubt, angemessen und frei von Diskriminierungen sind und ob die Offenlegung unverzüglich erfolgt.

–        Bezüglich des missbräuchlichen Kopplungsgeschäfts hat der Überwachungsbeauftragte die Kommission bei der Prüfung der Frage zu beraten, ob Beschwerden Dritter über die mangelnde Einhaltung der angefochtenen Entscheidung durch Microsoft in technischer Hinsicht begründet sind und ob insbesondere die Windows-Version ohne Windows Media Player weniger leistungsfähig ist als die mit ihm gekoppelten Windows-Versionen, die Microsoft weiterhin vertreibt. Der Überwachungsbeauftragte hat auch zu prüfen, ob Microsoft die Leistungsfähigkeit konkurrierender Medienabspielprogramme durch selektive, unzureichende oder verspätete Offenlegungen von Windows-APIs behindert.

1262 In Randnr. 1048 der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission die Grundsätze auf, an denen sich Microsoft bei ihrem Vorschlag bezüglich des unabhängigen Überwachungsbeauftragten nach Art. 7 der Entscheidung zu orientieren hat. Sie haben insbesondere folgenden Inhalt:

–        Der Überwachungsbeauftragte wird von der Kommission aus einer von Microsoft aufgestellten Liste ausgewählt (Randnr. 1048 Ziff. i).

–        Er muss von Microsoft unabhängig sein, und es müssen Vorkehrungen getroffen werden, die gewährleisten, dass er keinem Interessenkonflikt ausgesetzt ist oder wird; er muss die zur ordnungsgemäßen Ausführung seines Auftrags erforderliche Eignung besitzen und befugt sein, Sachverständige hinzuzuziehen, die bestimmte genau definierte Aufgaben für ihn erledigen (Randnr. 1048 Ziff. ii).

–        Es müssen Vorkehrungen getroffen werden, die gewährleisten, dass der Überwachungsbeauftragte Zugang zur Unterstützung, zu Informationen, zu Unterlagen, zu den Geschäftsräumen und zu den Mitarbeitern von Microsoft erhält, soweit er dies für die angemessene Wahrnehmung seines Auftrags benötigt (Randnr. 1048 Ziff. iii).

–        Er muss uneingeschränkten Zugang zum Quellcode der einschlägigen Microsoft-Produkte haben (Meinungsverschiedenheiten über die Richtigkeit und Vollständigkeit der von Microsoft zur Verfügung gestellten Spezifikationen können nur durch Überprüfung der technischen Dokumentation anhand des Quellcodes der Microsoft-Produkte gelöst werden) (Randnr. 1048 Ziff. iv).

–        Alle Kosten für die Einsetzung des Überwachungsbeauftragten einschließlich einer angemessenen Vergütung seiner Tätigkeit sind von Microsoft zu tragen (Randnr. 1048 Ziff. v).

1263 Aus dieser Beschreibung geht hervor, dass die Kommission die Aufgabe des unabhängigen Überwachungsbeauftragten darin sieht, dass er die Durchführung der Abhilfemaßnahmen bewertet und überwacht, indem er sich gegebenenfalls Zugang zu den im dritten und vierten Gedankenstrich der vorstehenden Randnummer genannten Hilfsmitteln verschafft, wobei er nicht nur unabhängig, sondern auch aus eigener Initiative handeln soll.

1264 Die Kommission räumt in ihren Schriftsätzen ausdrücklich ein, dass sie die ihr durch die Verordnung Nr. 17 verliehenen Ermittlungs- und Durchführungsbefugnisse nicht auf einen Dritten übertragen darf. Sie bestreitet jedoch, dass der in der angefochtenen Entscheidung vorgesehene Überwachungsmechanismus eine solche Übertragung von Befugnissen bedeutet.

1265 Die Kommission darf dagegen, wie Microsoft anerkennt, überwachen, ob das betreffende Unternehmen die in einer Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird, angeordneten Abhilfemaßnahmen durchführt, und sich vergewissern, dass die übrigen zur Beseitigung der wettbewerbswidrigen Auswirkungen der Zuwiderhandlung erforderlichen Maßnahmen unverzüglich und vollständig durchgeführt werden. Zu diesem Zweck ist sie berechtigt, von den Untersuchungsbefugnissen nach Art. 14 der Verordnung Nr. 17 Gebrauch zu machen und gegebenenfalls einen externen Sachverständigen hinzuzuziehen, um u. a. Aufschluss über technische Fragen zu erhalten.

1266 Zudem lässt sich nicht bestreiten, dass die Kommission, wenn sie beschließt, sich von einem externen Sachverständigen unterstützen zu lassen, diesem Informationen und Dokumente übermitteln kann, die sie im Rahmen der Ausübung ihrer Untersuchungsbefugnisse nach Art. 14 der Verordnung Nr. 17 erlangt hat.

1267 Nach den Art. 11 Abs. 4 und 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 sind die Unternehmen verpflichtet, den Auskunftsverlangen der Kommission nachzukommen und die von ihr angeordneten Nachprüfungen zu dulden. Solche Auskunftsverlangen und Nachprüfungen unterliegen jedoch gegebenenfalls der Kontrolle durch die Gemeinschaftsgerichte.

1268 Mit der Schaffung eines Überwachungsmechanismus, zu dem die Einsetzung eines unabhängigen Überwachungsbeauftragten im Sinne des Art. 7 der angefochtenen Entscheidung gehört, dem u. a. die in Randnr. 1048 Ziff. iii und iv dieser Entscheidung aufgeführten Funktionen übertragen wurden, ist die Kommission viel weiter gegangen, als wenn sie ihren eigenen externen Sachverständigen eingesetzt hätte, um sich bei einer Überprüfung der Umsetzung der in den Art. 4, 5 und 6 der angefochtenen Entscheidung vorgesehenen Abhilfemaßnahmen von ihm beraten zu lassen.

1269 Durch Art. 7 der angefochtenen Entscheidung verlangt die Kommission nämlich die Einsetzung einer Person, die bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht nur von Microsoft, sondern auch von der Kommission selbst unabhängig ist, da sie bei der Ausübung ihrer Befugnisse aus eigener Initiative und auf Ersuchen Dritter tätig werden soll. Wie die Kommission in Randnr. 1043 der angefochtenen Entscheidung ausführt, geht dieses Erfordernis über die bloße Verpflichtung hinaus, ihr über die Tätigkeiten von Microsoft Bericht zu erstatten.

1270 Zudem ist die für den unabhängigen Überwachungsbeauftragten vorgesehene Rolle nicht darauf beschränkt, Microsoft Fragen zu stellen und der Kommission über die Antworten zu berichten, verbunden mit Ratschlägen zur Durchführung der Abhilfemaßnahmen. Was die Verpflichtung von Microsoft angeht, dem Überwachungsbeauftragten unabhängig von der Kommission Zugang zu Informationen, Unterlagen, Geschäftsräumen und Mitarbeitern sowie zum Quellcode ihrer einschlägigen Produkte zu gestatten, so ist für das kontinuierliche Tätigwerden des Überwachungsbeauftragten bei der Überwachung der Aktivitäten von Microsoft, die mit den Abhilfemaßnahmen zusammenhängen, keine zeitliche Beschränkung vorgesehen. Aus Randnr. 1002 der angefochtenen Entscheidung ergibt sich hierzu, dass sich die Verpflichtung zur Offenlegung der Interoperabilitätsinformationen nach Auffassung der Kommission «vorausgreifend» auf künftige Generationen der Microsoft-Produkte erstrecken sollte.

1271 Die Kommission ist daher nicht befugt, in Ausübung ihrer Befugnisse nach Art. 3 der Verordnung Nr. 17 Microsoft zu verpflichten, einem unabhängigen Überwachungsbeauftragten Befugnisse einzuräumen, die sie selbst nicht auf einen Dritten übertragen darf. Hieraus folgt, dass Art. 7 Abs. 2 der angefochtenen Entscheidung insbesondere insoweit der Rechtsgrundlage entbehrt, als er die Übertragung von Untersuchungsbefugnissen auf den unabhängigen Überwachungsbeauftragten umfasst, die nur die Kommission im Rahmen der Verordnung Nr. 17 ausüben darf.

1272 Sollte es im Übrigen, wie die Kommission ausführt, ihre Absicht gewesen sein, einen allein auf beiderseitigem Einverständnis beruhenden Mechanismus zu schaffen, so wäre es nicht erforderlich gewesen, einen solchen Mechanismus in Art. 7 der angefochtenen Entscheidung anzuordnen.

1273 Schließlich überschreitet die Kommission ihre Befugnisse insoweit, als durch Art. 7 in Verbindung mit Randnr. 1048 Ziff. v der angefochtenen Entscheidung alle Kosten für die Einsetzung des Überwachungsbeauftragten einschließlich seiner Vergütung sowie die mit der Erfüllung seiner Aufgaben verbundenen Kosten Microsoft auferlegt werden.

1274 Die Verordnung Nr. 17 enthält keine Bestimmung, die die Kommission dazu berechtigt, den Unternehmen die Kosten aufzuerlegen, die ihr selbst durch die Überwachung der Umsetzung von Abhilfemaßnahmen entstehen.

1275 Die Kommission hat nämlich in ihrer Eigenschaft als mit der Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft betraute Behörde in unabhängiger, objektiver und unparteiischer Weise für die Umsetzung der Entscheidungen zu sorgen, mit denen eine Zuwiderhandlung festgestellt wird. Es wäre mit der Verantwortung, die sie insoweit trägt, unvereinbar, wenn die wirksame Umsetzung des Gemeinschaftsrechts davon abhängig wäre oder beeinflusst würde, ob das Unternehmen, an das sich die Entscheidung richtet, zur Tragung solcher Kosten gewillt und fähig ist.

1276 Zudem geht aus der Rechtsprechung hervor, dass das Ermessen der Kommission bei der Entscheidung über Abhilfemaßnahmen, die Unternehmen auferlegt werden, damit sie eine Zuwiderhandlung beenden, nicht unbegrenzt ist. Im Rahmen der Anwendung des Art. 3 der Verordnung Nr. 17 verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Belastungen, die den Unternehmen auferlegt werden, damit sie eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht beenden, nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung des angestrebten Ziels – Wiederherstellung der Legalität im Hinblick auf die verletzten Vorschriften – angemessen und erforderlich ist (Urteil Magill, oben in Randnr. 107 angeführt, Randnr. 93).

1277 Ist die Kommission nicht befugt, einem Unternehmen, das gegen Art. 82 EG verstoßen hat, durch Entscheidung nach Art. 3 der Verordnung Nr. 17 Abhilfemaßnahmen samt der damit verbundenen, über das angemessene und erforderliche Maß hinausgehenden Kosten aufzuerlegen, so ist sie erst recht nicht befugt, diesem Unternehmen Kosten aufzuerlegen, die sie bei der Wahrnehmung ihrer eigenen Untersuchungs- und Durchführungsaufgaben zu tragen hat.

1278 Nach alledem gibt es für Art. 7 der angefochtenen Entscheidung in der Verordnung Nr. 17 keine Rechtsgrundlage; er überschreitet somit die Untersuchungs- und Durchführungsbefugnisse, über die die Kommission nach der Verordnung Nr. 17 verfügt, soweit Microsoft aufgegeben wird, einen Vorschlag für die Schaffung eines Überwachungsmechanismus zu unterbreiten, der zum einen die Einsetzung eines unabhängigen Überwachungsbeauftragten umfassen muss, der befugt ist, unabhängig von der Kommission Zugang zur Unterstützung, zu Informationen, zu Unterlagen, zu den Geschäftsräumen und zu den Mitarbeitern von Microsoft sowie zum Quellcode der einschlägigen Microsoft-Produkte zu erhalten, und der zum anderen die Übernahme aller Kosten für die Einsetzung des Überwachungsbeauftragten einschließlich seiner Vergütung durch Microsoft vorsieht. Die Kommission darf sich daher nicht das Recht vorbehalten, einen solchen Mechanismus durch Entscheidung vorzuschreiben, falls sie den Vorschlag von Microsoft nicht für geeignet hält.

1279 Art. 7 der angefochtenen Entscheidung ist folglich in dem in der vorstehenden Randnummer dargelegten Umfang für nichtig zu erklären.

II –  Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbuße

A –  Angefochtene Entscheidung

1280 Die beiden in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Missbräuche werden mit einer einzigen Geldbuße in Höhe von 497 196 304 Euro geahndet (Art. 3 der angefochtenen Entscheidung).

1281 Mit der Geldbuße befasst sich die Kommission in den Randnrn. 1054 bis 1080 der angefochtenen Entscheidung.

1282 Zunächst führt sie aus, dass sie die Bestimmungen von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 berücksichtigt habe (Randnr. 1054 der angefochtenen Entscheidung), und weist darauf hin, dass sie bei der Festsetzung der Geldbuße Schwere und Dauer des Verstoßes sowie etwaige erschwerende und mildernde Umstände berücksichtigen müsse (Randnr. 1055 der angefochtenen Entscheidung).

1283 Sodann weist sie die Argumente zurück, auf die Microsoft im Verwaltungsverfahren ihre These gestützt hatte, dass ihr im vorliegenden Fall keine Geldbuße auferlegt werden dürfe (Randnrn. 1056 bis 1058 der angefochtenen Entscheidung).

1284 Hierzu trägt sie erstens vor, aus der angefochtenen Entscheidung ergebe sich in rechtlich hinreichender Weise, dass Microsoft vorsätzlich oder zumindest fahrlässig gegen Art. 82 EG und Art. 54 EWR-Abkommen verstoßen habe (Randnr. 1057 der angefochtenen Entscheidung). Zweitens bestreitet sie, eine neue „Rechtsregel“ eingeführt zu haben, und vertritt die Ansicht, Microsoft hätte daher bewusst sein müssen, dass sie gegen die vorstehend genannten Vorschriften verstoße (ibid.). Drittens weist sie das Vorbringen von Microsoft zurück, dass das missbräuchliche Kopplungsgeschäft nicht 1999 begonnen haben könne, da bestimmte Multimediafunktionalitäten seit 1992 in das Windows-Betriebssystem integriert seien (ibid.).

1285 Anschließend legt sie die Berechnungsweise der Geldbuße dar (Randnrn. 1059 bis 1079 der angefochtenen Entscheidung).

1286 Erstens ermittelt sie anhand von Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung den Grundbetrag der Geldbuße (Randnrn. 1059 bis 1078 der angefochtenen Entscheidung).

1287 Zum einen stellt sie zur Schwere der Zuwiderhandlung fest, dass sie bei der Beurteilung dieses Faktors die Art der Zuwiderhandlung, deren Auswirkungen auf den Markt und den Umfang des betreffenden räumlichen Markts zu berücksichtigen habe (Randnr. 1060 der angefochtenen Entscheidung).

1288 Zur Art der Zuwiderhandlung weist sie in den Randnrn. 1061 bis 1068 der angefochtenen Entscheidung auf Folgendes hin:

–        Der Gerichtshof habe Lieferverweigerungen und Kopplungsverkäufe von Unternehmen in beherrschender Stellung bereits wiederholt für rechtswidrig erklärt.

–        Microsoft nehme mit einem Marktanteil von über 90 % eine beherrschende Stellung auf dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs ein.

–        Dieser Markt sowie die beiden anderen in der angefochtenen Entscheidung aufgeführten Märkte seien durch bedeutende direkte und indirekte Netzwerkeffekte gekennzeichnet.

–        Unter diesen Umständen habe Microsoft eine Hebelstrategie verfolgt, die sich in zwei missbräuchlichen Verhaltensweisen niederschlage.

–        Die missbräuchliche Lieferverweigerung offenbare ein generelles Verhaltensmuster von Microsoft, das darauf ausgerichtet sei, zu ihren Gunsten eine Reihe privilegierter Verbindungen zwischen ihrem Betriebssystem für Client-PCs und ihrem Betriebssystem für Arbeitsgruppenserver herzustellen und zu nutzen, und das eine Abkehr vom früheren höheren Lieferniveau bedeute.

–        Durch diese missbräuchliche Praxis könne Microsoft ihre beherrschende Stellung auf den Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver ausdehnen, der von „erheblichem Wert“ sei.

–        Das Eindringen in diesen Markt könne weitere schädliche Auswirkungen auf den Wettbewerb haben.

–        Das missbräuchliche Kopplungsgeschäft garantiere Microsoft, dass die Omnipräsenz ihres Betriebssystems für Client-PCs von ihrem Windows Media Player geteilt werde, was die Gerätehersteller davon abhalte, auf den Client-PCs Medienabspielprogramme Dritter vorzuinstallieren, und den Wettbewerb auf dem Markt der Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten beeinträchtige.

–        Diese missbräuchliche Praxis habe zudem spürbare Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation im Bereich der Bereitstellung von Inhalten im Internet und der Multimediasoftware.

–        Die beherrschende Stellung auf dem Markt der Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten könne schließlich ein strategisches Tor zu einer Reihe verwandter Märkte darstellen, von denen einige sehr gewinnträchtig seien.

1289 Angesichts der in der vorstehenden Randnummer angeführten Gesichtspunkte ist die Kommission der Ansicht, dass die Zuwiderhandlung ihrer Art nach als „besonders schwer“ zu qualifizieren sei (Randnr. 1068 der angefochtenen Entscheidung).

1290 Zu den Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt stellt die Kommission Folgendes fest: „Das Verhaltensmuster von Microsoft, das darin besteht, die Konkurrenz mittels Hebelwirkung auszuschalten, hat erhebliche Auswirkungen auf den Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver und den Markt der Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten“ (Randnr. 1069 der angefochtenen Entscheidung).

1291 Sie stützt diese Feststellung auf folgende Gesichtspunkte:

–        Die missbräuchliche Lieferverweigerung habe es Microsoft bereits ermöglicht, eine beherrschende Stellung auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver zu erlangen, und drohe den Wettbewerb auf diesem Markt auszuschalten (Randnr. 1070 der angefochtenen Entscheidung).

–        Das missbräuchliche Kopplungsgeschäft habe es Microsoft bereits ermöglicht, auf dem Markt der Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten eine führende Stellung zu erlangen, und aus den in der angefochtenen Entscheidung geprüften Beweisen gehe hervor, dass „der Markt bereits im Begriff sein könnte, zugunsten des [Windows Media Player] zu kippen“ (Randnr. 1071 der angefochtenen Entscheidung).

1292 Zur geografischen Ausdehnung der fraglichen Produktmärkte führt die Kommission aus, die drei in der angefochtenen Entscheidung genannten Märkte erstreckten sich auf den gesamten EWR (Randnr. 1073 der angefochtenen Entscheidung).

1293 In Randnr. 1074 der angefochtenen Entscheidung kommt die Kommission aufgrund der vorstehenden Analyse zu dem Ergebnis, dass Microsoft einen besonders schweren Verstoß gegen Art. 82 EG und Art. 54 des EWR-Abkommens begangen habe, der mit einer Geldbuße von mehr als 20 Millionen Euro zu ahnden sei. In Randnr. 1075 setzt sie den ursprünglichen, anhand der Schwere bemessenen Betrag – den Ausgangspunkt für den Grundbetrag der Geldbuße – auf 165 732 101 Euro fest (im Folgenden: Ausgangsbetrag).

1294 In Randnr. 1076 der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission aus, zur Erzielung einer hinreichend abschreckenden Wirkung auf Microsoft und in Anbetracht ihrer bedeutenden Wirtschaftskraft sei der Ausgangsbetrag der Geldbuße auf 331 464 203 Euro zu verdoppeln.

1295 Zum anderen stellt die Kommission zur Dauer der Zuwiderhandlung fest, dass die missbräuchliche Lieferverweigerung im Oktober 1998 begonnen habe und noch nicht beendet sei, während das missbräuchliche Kopplungsgeschäft im Mai 1999 begonnen habe und ebenfalls noch nicht beendet sei (Randnr. 1077 der angefochtenen Entscheidung). Die Zuwiderhandlung von Microsoft habe somit insgesamt fünf Jahre und fünf Monate gedauert und sei folglich eine Zuwiderhandlung von langer Dauer (ibid.). Sie erhöht daher den in der vorstehenden Randnummer genannten Betrag um 50 %; daraus ergibt sich ein Grundbetrag der Geldbuße von 497 196 304 Euro (Randnr. 1078 der angefochtenen Entscheidung).

1296 Zweitens ist die Kommission der Auffassung, dass es im vorliegenden Fall keine zu berücksichtigenden erschwerenden oder mildernden Umstände gebe (Randnr. 1079 der angefochtenen Entscheidung). Sie setzt daher den Endbetrag der Geldbuße auf 497 196 304 Euro fest (Randnr. 1080 der angefochtenen Entscheidung).

B –  Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

1297 Microsoft ist der Ansicht, die in Art. 3 der angefochtenen Entscheidung verhängte Geldbuße entbehre jeder Grundlage, da keine Zuwiderhandlung gegen Art. 82 EG vorliege.

1298 Hilfsweise macht sie geltend, die Geldbuße sei überhöht und unverhältnismäßig und müsse deshalb für nichtig erklärt oder erheblich herabgesetzt werden.

1299 Insoweit hält sie es erstens nicht für gerechtfertigt, ihr eine Geldbuße aufzuerlegen, da die ihr vorgeworfenen Zuwiderhandlungen aus „neuen Rechtstheorien“ resultierten. Sie stützt diese Auffassung auf Auszüge aus Pressemitteilungen der Kommission in Wettbewerbssachen (Pressemitteilungen vom 20. April 2001, IP/01/584, und vom 2. Juni 2004, IP/04/705) sowie auf die Praxis der Kommission, in Verfahren, die neue oder komplexe Fragen aufwerfen, keine Geldbußen zu verhängen. Überdies habe die Kommission in bestimmten Verfahren die betreffenden Unternehmen angesichts der Tatsache, dass diese Unternehmen aus der früheren Entscheidungspraxis der Kommission nicht ohne weiteres darauf schließen konnten, dass sie mit dem ihnen zur Last gelegten Verhalten gegen die Wettbewerbsregeln verstießen, nur mit einer symbolischen Geldbuße belegt.

1300 Die Grundsätze, die die Kommission im vorliegenden Fall angewandt habe, wichen erheblich von der Rechtsprechung ab; sie seien das Ergebnis einer „wesentlichen Änderung, die die Theorien der Kommission im Verlauf des Verfahrens während der letzten fünf Jahre erfuhren“.

1301 Was das missbräuchliche Verhalten angehe, das in der Weigerung von Microsoft bestehen solle, ihren Konkurrenten Interoperabilitätsinformationen zur Verfügung zu stellen und deren Nutzung zu gestatten, so habe die Kommission die in Rede stehenden Informationen nie genau bezeichnet. Sun habe Microsoft auch nicht gebeten, ihr eine Lizenz für Rechte des geistigen Eigentums zu erteilen, damit sie Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver im EWR entwickeln könne. Schließlich vertrete die Kommission insoweit eine ganz neue Position, als sie eine Verpflichtung zur Erteilung einer Lizenz für hochwertige Rechte des geistigen Eigentums aufstelle, die dazu diene, die Entwicklung von Produkten zu erleichtern, die in unmittelbarem Wettbewerb zu den Windows-Betriebssystemen für Server stünden. In Anbetracht dieser verschiedenen Gesichtspunkte habe Microsoft gute Gründe für die Annahme gehabt, dass der vorliegende Fall nicht die vom Gerichtshof geforderten außergewöhnlichen Umstände aufweise.

1302 Was zum anderen das missbräuchliche Verhalten angehe, das darin bestehen solle, dass Microsoft die Lieferung des Windows-Betriebssystems für Client-PCs vom gleichzeitigen Erwerb des Windows Media Player abhängig gemacht habe, so werde die Theorie, die die Kommission zu den Kopplungsgeschäften vertrete, in der ersten Mitteilung der Beschwerdepunkte überhaupt nicht erwähnt. Es sei das erste Mal, dass die Kommission die Verbesserung eines Produkts durch Integration einer „verbesserten“ Funktionalität, im vorliegenden Fall einer Multimediafunktionalität mit Datenstrom-Kapazität, als mögliche Zuwiderhandlung gegen Art. 82 EG ansehe, wenn nicht zugleich zum selben Preis eine Version des Produkts ohne diese Funktionalität angeboten werde.

1303 Zweitens hält Microsoft die gegen sie festgesetzte Geldbuße für überhöht. Zur Begründung trägt sie drei Gruppen von Argumenten vor.

1304 Erstens sei der Ausgangsbetrag der Geldbuße nicht gerechtfertigt. Zunächst sei die Festsetzung dieses Betrags auf 165 732 101 Euro willkürlich und nicht ordnungsgemäß begründet. Ferner treffe die Behauptung der Kommission nicht zu, dass Microsoft eine „besonders schwere“ Zuwiderhandlung begangen habe. Die Kommission habe mehr als fünf Jahre benötigt, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass das Verhalten von Microsoft zu beanstanden sei; noch länger habe sie gebraucht, um zu beschließen, welche Abhilfemaßnahmen angemessen seien. Schließlich habe Microsoft nicht vorhersehen können, dass ihr Verhalten als Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln oder gar als „besonders schwere“ Zuwiderhandlung angesehen werden könnte.

1305 In ihrer Erwiderung macht Microsoft geltend, die Kommission behaupte zu Unrecht, dass die betreffenden Missbräuche spürbare Auswirkungen auf den relevanten Märkten hätten.

1306 Ebenfalls in der Erwiderung führt Microsoft aus, die Kommission habe bei der Festsetzung des Ausgangsbetrags nicht nur die „von den Zuwiderhandlungen betroffenen Produkte“ berücksichtigt, sondern habe sich auf den Umsatz von Microsoft auf dem allgemeinen Markt der Server-Betriebssysteme gestützt. Von den Einnahmen, die sie mit diesen Systemen erzielt habe, könne aber weniger als ein Viertel dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver zugeordnet werden, so wie ihn die Kommission definiere.

1307 Zweitens sei die Kommission nicht berechtigt gewesen, den Ausgangsbetrag zu verdoppeln, um der „bedeutenden Wirtschaftskraft“ von Microsoft und der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, eine hinreichend abschreckende Wirkung zu gewährleisten. Die Kommission werfe ihr nicht vor, dass sie sich nicht rechtstreu verhalten wolle; Herr Monti, das damals für den Wettbewerb zuständige Mitglied der Kommission, habe im Gegenteil ihre Bemühungen um eine gütliche Einigung im vorliegenden Fall sowie die Professionalität der Mitglieder ihres Teams lobend hervorgehoben. Die Kommission könne sich auch nicht auf die Notwendigkeit berufen, andere Unternehmen von der Begehung vergleichbarer Zuwiderhandlungen abzuschrecken. Schließlich stütze sich der Ausgangsbetrag auf ihre weltweit erzielten Umsätze und Gewinne, und dieselben Daten würden benutzt, um seine Erhöhung zur Erzielung einer Abschreckungswirkung zu rechtfertigen (Fn. 1342 der angefochtenen Entscheidung), was darauf hinauslaufe, „denselben Faktor zweimal zu berücksichtigen“. Die sonstigen in Fn. 1342 der angefochtenen Entscheidung genannten Faktoren rechtfertigten die Verdopplung des Ausgangsbetrags in keiner Weise.

1308 Drittens sei die Erhöhung des verdoppelten Ausgangsbetrags um 50 % aufgrund der Dauer der Zuwiderhandlung unangemessen. Die Kommission habe weder die Maßnahmen von Microsoft zur Lösung der Probleme, auf die die Kommission bei ihren Erörterungen und in den Mitteilungen der Beschwerdepunkte hingewiesen habe, noch die Verpflichtungen berücksichtigt, die sie im Rahmen des US-amerikanischen Vergleichs übernommen habe. Überdies habe die Kommission die Dauer des Verwaltungsverfahrens nicht berücksichtigt; es könne Microsoft nicht zur Last gelegt werden, dass sie versucht habe, mit der Kommission eine Übereinkunft zu erzielen. Sie habe die angeblichen Missbräuche nicht eher beenden können, da „die Theorien der Kommission sich während der letzten sechs Jahre so sehr geändert haben“.

1309 Nach Ansicht der Kommission ist das Hauptvorbringen von Microsoft zurückzuweisen, da Microsoft nicht nachgewiesen habe, dass sie das Vorliegen eines Verstoßes gegen Art. 82 EG zu Unrecht bejaht habe.

1310 Die Kommission wendet sich auch gegen das Hilfsvorbringen von Microsoft.

1311 Erstens hält sie die Geldbuße für gerechtfertigt.

1312 Sie habe im vorliegenden Fall keine neue Rechtsregel angewandt.

1313 Bezüglich der in Rede stehenden missbräuchlichen Weigerung habe sie berücksichtigt, dass möglicherweise Rechte des geistigen Eigentums auf dem Spiel stünden. Sie habe daher, gestützt auf Urteile wie das oben in Randnr. 107 angeführte Urteil Magill, einen großen Teil der angefochtenen Entscheidung auf die Darlegung verwandt, dass unter bestimmten außergewöhnlichen Umständen eine Weigerung, für Rechte des geistigen Eigentums eine Lizenz zu erteilen, einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen könne. Da zudem in den Erwägungsgründen der Richtlinie 91/250 ausdrücklich darauf hingewiesen werde, dass es einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen könne, wenn Interoperabilitätsinformationen zurückgehalten würden, könne Microsoft nicht ernsthaft behaupten, ihr sei nicht bewusst gewesen, dass sie gegen Art. 82 EG verstoße.

1314 Die Kommission führt zudem aus, sie habe das Vorbringen von Microsoft zur Tragweite des Ersuchens von Sun bereits widerlegt und bereits darauf hingewiesen, dass es nach der Rechtsprechung nicht ausgeschlossen sei, dass die Produkte des Urheberrechtsinhabers und die zukünftigen Produkte des Lizenznehmers miteinander konkurrierten. In der Gegenerwiderung fügt sie hinzu, sie habe schon in der ersten Mitteilung der Beschwerdepunkte „eine Reihe von Informationen, die Microsoft zu Unrecht zurückbehalten hat“, angeführt, und wiederholt sodann, es sei Microsoft voll und ganz bewusst gewesen, dass sie ihren Konkurrenten den Zugang zu den in der angefochtenen Entscheidung genannten Interoperabilitätsinformationen verweigert habe.

1315 Bezüglich des missbräuchlichen Kopplungsgeschäfts räumt die Kommission ein, dass sich der vorliegende Fall von früheren Rechtsstreitigkeiten über Kopplungsgeschäfte möglicherweise dadurch unterscheide, dass sie in der angefochtenen Entscheidung die tatsächlichen Auswirkungen dieses Verhaltens beurteilt habe. Hieraus könne jedoch nicht abgeleitet werden, dass sie eine neue Theorie entwickelt habe. Ihre Feststellungen beruhten auf bekannten rechtlichen und wirtschaftlichen Grundsätzen.

1316 Microsoft habe angesichts der ihr zur Verfügung stehenden bedeutenden finanziellen und rechtlichen Mittel auch vorhersehen können, dass ihr Verhalten, unter Ausnutzung ihrer beherrschenden Stellung auf einem bestimmten Markt einen anderen Markt zu erobern, als missbräuchlich eingestuft würde. Das Argument, dass keine Geldbuße zu verhängen sei, wenn das betreffende Unternehmen nicht habe wissen können, dass es gegen die Wettbewerbsregeln verstoße, sei von den Gemeinschaftsgerichten stets zurückgewiesen worden. Schließlich könne sich Microsoft nicht darauf berufen, dass die Kommission in einem anderen Fall ein Unternehmen nicht mit einer Geldbuße belegt habe.

1317 Zweitens führt die Kommission aus, die Geldbuße sei nicht überhöht; sie mache lediglich 1,62 % des weltweiten Umsatzes von Microsoft in deren am 30. Juni 2003 endenden Geschäftsjahr aus.

1318 Sie verfüge bei der Festsetzung der Geldbuße über ein Ermessen und müsse keine genauen mathematischen Formeln anwenden. Die Begründungspflicht verlange von ihr nicht, in ihrer Entscheidung bezifferte Angaben zur Art der Berechnung der Geldbußen zu machen. In Einklang mit den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 [KS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), habe sie die Schwere des Verstoßes unter Berücksichtigung seiner Art, seiner Auswirkungen auf den Markt und des Umfangs des räumlichen Markts gewürdigt.

1319 Sie habe den Ausgangsbetrag der Geldbuße nicht unter Bezugnahme auf den weltweiten Umsatz von Microsoft festgesetzt, sondern unter Bezugnahme auf den Umsatz, den diese im EWR auf dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs und für Arbeitsgruppenserver erzielt habe. In Fn. 217 der Klagebeantwortung stellt die Kommission fest, dass dieser Ausgangspunkt bei 7,5 % des genannten Umsatzes liege. Die Behauptung von Microsoft, ein Faktor sei doppelt herangezogen worden, sei daher unbegründet. Ihrer Behauptung, der auf dem allgemeinen Markt der Server-Betriebssysteme erzielte Umsatz sei berücksichtigt worden, hält die Kommission entgegen, dass die Zahlen herangezogen worden seien, die ihr Microsoft aufgrund eines die Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver betreffenden Auskunftsverlangens mitgeteilt habe. Sie verweist insoweit auf ein an sie gerichtetes Schreiben von Microsoft vom 9. März 2004 (Anlage D.16 zur Gegenerwiderung).

1320 Sie sei auch berechtigt gewesen, auf den Ausgangsbetrag der Geldbuße einen Multiplikator von 2 anzuwenden. Dieser Betrag entspreche weniger als 1 % des Umsatzes, den Microsoft im letzten Geschäftsjahr erzielt habe, und hätte der Geldbuße keine hinreichende Abschreckungswirkung verliehen. Bei der Festsetzung des Multiplikators habe sie berücksichtigt, dass große Unternehmen im Allgemeinen über Mittel verfügten, die es ihnen ermöglichten, eine bessere Kenntnis von den Anforderungen und Auswirkungen des Wettbewerbsrechts zu haben als kleinere Unternehmen.

1321 Nach der Rechtsprechung bestehe das Abschreckungsziel, das sie bei der Bemessung einer Geldbuße verfolgen dürfe, darin, zu gewährleisten, dass Unternehmen die im Vertrag für ihre Tätigkeiten in der Gemeinschaft oder im EWR festgelegten Wettbewerbsregeln beachteten (Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, T‑224/00, Slg. 2003, II‑2597, Randnrn. 110 und 111). Die abschreckende Wirkung einer wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln festgesetzten Geldbuße dürfe daher nicht allein anhand der besonderen Situation des mit der Geldbuße belegten Unternehmens bestimmt werden. Es gehe nicht nur darum, dieses Unternehmen davon abzuschrecken, dieselbe Zuwiderhandlung zu wiederholen oder andere Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln zu begehen, sondern auch darum, andere „in Bezug auf Größe und Mittel vergleichbare“ Unternehmen von ähnlichen Zuwiderhandlungen abzuhalten.

1322 Die Kommission trägt weiter vor, sie habe nicht behauptet, dass Microsoft ihre Untersuchung behindert habe, und habe Microsoft keine erschwerenden Umstände zur Last gelegt.

1323 Ferner treffe es nicht zu, dass die Erhöhung des anhand der Schwere festgesetzten Betrags um 50 % wegen der Dauer der Zuwiderhandlung unangemessen sei. Sie sei der gängigen Praxis gefolgt, wonach bei Zuwiderhandlungen von langer Dauer für jedes Jahr der Teilnahme an der Zuwiderhandlung eine Erhöhung um 10 % erfolge.

1324 Microsoft könne sich nicht auf die Maßnahmen berufen, die sie zur Lösung der von der Kommission aufgeworfenen Probleme oder im Rahmen des US-amerikanischen Vergleichs getroffen habe, denn diese Maßnahmen seien für die Berechnung der Dauer der Zuwiderhandlung unerheblich. Wie sich aus den Randnrn. 241, 242 und 270 bis 279 der angefochtenen Entscheidung ergebe, sei durch diese Maßnahmen die Zuwiderhandlung nicht beendet worden.

1325 Die Kommission wendet sich schließlich gegen das Vorbringen von Microsoft zur Dauer des Verwaltungsverfahrens; sie weist insbesondere darauf hin, dass die Dauer dieses Verfahrens durch die Vielschichtigkeit der Sache und die Notwendigkeit gerechtfertigt gewesen sei, die Verteidigungsrechte von Microsoft zu gewährleisten.

C –  Würdigung durch das Gericht

1326 Im Rahmen der vorliegenden Anträge hat das Gericht die Rechtmäßigkeit des Art. 3 der angefochtenen Entscheidung zu prüfen und gegebenenfalls in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung die durch den genannten Artikel gegen Microsoft verhängte Geldbuße für nichtig zu erklären oder herabzusetzen.

1327 Die Kommission verhängt für die beiden in Art. 2 der angefochtenen Entscheidung festgestellten Missbräuche gegen Microsoft eine einzige Geldbuße. Aus den Randnrn. 1061 bis 1069 dieser Entscheidung geht u. a. hervor, dass die Kommission, auch wenn sie anerkennt, dass zwei gesonderte Missbräuche vorliegen, gleichwohl davon ausgeht, dass Microsoft eine einzige Zuwiderhandlung in Form der Anwendung einer Strategie begangen habe, die darin bestehe, sich ihrer beherrschenden Stellung auf dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs als Hebel zu bedienen (vgl. insbesondere Randnr. 1063 der angefochtenen Entscheidung).

1328 Aus den Randnrn. 1054 bis 1080 der angefochtenen Entscheidung ergibt sich, dass die Kommission – auch wenn die Entscheidung hierauf nicht ausdrücklich Bezug nimmt – die Geldbußen anhand der in den Leitlinien geschilderten Methode berechnen wollte.

1329 Microsoft macht in erster Linie geltend, Art. 3 der angefochtenen Entscheidung müsse für nichtig erklärt werden, da die verhängte Geldbuße mangels einer Zuwiderhandlung gegen Art. 82 EG jeder Grundlage entbehre.

1330 Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen. Denn die im Rahmen des Fragenkreises der Weigerung, Interoperabilitätsinformationen zur Verfügung zu stellen und ihre Nutzung zu gestatten, sowie des Fragenkreises des gekoppelten Verkaufs des Windows-Betriebssystems für Client-PCs und des Windows Media Player vorgenommene Beurteilung hat ergeben, dass die Kommission diese beiden Verhaltensweisen von Microsoft zu Recht als Zuwiderhandlung gegen Art. 82 EG eingestuft hat.

1331 Hilfsweise macht Microsoft geltend, die Geldbuße sei überhöht und unverhältnismäßig und müsse daher für nichtig erklärt oder erheblich herabgesetzt werden. Sie führt insbesondere aus, die beiden in Art. 2 der angefochtenen Entscheidung genannten Verhaltensweisen seien völlig neue Formen des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung; sie habe nicht vorhersehen können, dass ihr Verhalten, das zum einen in der Wahrnehmung ihrer Rechte des geistigen Eigentums bezüglich einer von ihr entwickelten hochwertigen Technologie und zum anderen in der technologischen Verbesserung eines vorhandenen Produkts bestanden habe, von der Kommission als Verstoß gegen Art. 82 EG aufgefasst werde.

1332 Die von Microsoft hilfsweise vorgebrachten Argumente sind unbegründet. Insbesondere belegt sie nicht, dass die Kommission Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung unzutreffend gewürdigt oder bei der Festsetzung der Geldbuße einen Fehler begangen hat.

1333 Bei der Prüfung des ersten Fragenkreises hat das Gericht die Richtigkeit der Beurteilung der Kommission bestätigt, wonach die Microsoft zur Last gelegte Weigerung – ausgehend von der Prämisse, dass es sich dabei um eine Weigerung handeln kann, Dritten eine Lizenz für Rechte des geistigen Eigentums zu erteilen – missbräuchlich gewesen sei, weil sie zum einen von außergewöhnlichen Umständen im Sinne der Rechtsprechung begleitet gewesen sei, die es im öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem Markt erlaubten, in das ausschließliche Recht des Inhabers eines Rechts des geistigen Eigentums einzugreifen, und zum anderen nicht objektiv gerechtfertigt gewesen sei.

1334 Bei der Prüfung des zweiten Fragenkreises hat das Gericht festgestellt, dass die Kommission in rechtlich hinreichender Weise nachgewiesen hat, dass Microsoft, indem sie die Lieferung des Windows-Betriebssystems für Client-PCs vom gleichzeitigen Erwerb des Windows Media Player abhängig machte, die Voraussetzungen eines missbräuchlichen Kopplungsgeschäfts im Sinne des Art. 82 EG erfüllte, das objektiv nicht gerechtfertigt war.

1335 Zu dem Vorbringen von Microsoft, die beiden in Art. 2 der angefochtenen Entscheidung festgestellten Missbräuche seien das Ergebnis einer „neuen Rechtsauslegung“ (siehe oben, Randnrn. 1299 bis 1302), genügt die Feststellung, dass das Gericht bereits im Rahmen seiner Prüfung der ersten beiden Fragenkreise die Unbegründetheit dieses Vorbringens aufgezeigt hat. Wie sich aus seiner Prüfung ergibt, hat die Kommission im vorliegenden Fall keine neue Rechtsregel angewandt.

1336 Zu dem in Art. 2 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung festgestellten Missbrauch ist bereits dargelegt worden, dass der Gerichtshof zum maßgeblichen Zeitpunkt in dem oben in Randnr. 107 angeführten Urteil Magill schon entschieden hatte, dass zwar die Verweigerung einer Lizenz seitens des Inhabers eines Rechts des geistigen Eigentums als solche keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen kann, selbst wenn sie von einem Unternehmen in beherrschender Stellung ausgeht, dass aber die Ausübung des ausschließlichen Rechts durch dessen Inhaber unter außergewöhnlichen Umständen zu einem missbräuchlichen Verhalten führen kann.

1337 Das Vorbringen von Microsoft, sie habe nicht ohne weiteres wissen können, dass das beanstandete Verhalten gegen die Wettbewerbsregeln verstoße, ist darüber hinaus schwer mit der Position zu vereinbaren, die sie im Verwaltungsverfahren vertrat. Microsoft machte nämlich geltend, wenn die Kommission feststellen sollte, dass die fragliche Weigerung einen Missbrauch darstelle, könnte dadurch die mit der Richtlinie 91/250 erreichte „sorgfältige Balance zwischen Urheberrecht und Wettbewerbspolitik“ in Frage gestellt werden (Randnr. 743 der angefochtenen Entscheidung). Zudem wird im 26. Erwägungsgrund dieser Richtlinie festgestellt, dass ihre Bestimmungen „die Anwendung der Wettbewerbsregeln nach den Artikeln [81 EG und 82 EG] unberührt [lassen], wenn ein marktbeherrschender Anbieter den Zugang zu Informationen verweigert, die für die in dieser Richtlinie definierte Interoperabilität notwendig sind“.

1338 Die Kommission hat daher zu Recht die Auffassung vertreten, dass Microsoft hätte wissen müssen, dass sie mit der fraglichen Weigerung Gefahr lief, gegen die Wettbewerbsregeln zu verstoßen.

1339 Das Gleiche gilt für den in Art. 2 Buchst. b der angefochtenen Entscheidung festgestellten Missbrauch, da das Vorbringen, es sei eine neue Theorie angewandt worden, bereits im Rahmen der Prüfung des zweiten Fragenkreises zurückgewiesen worden ist (siehe insbesondere oben, Randnrn. 859 und 863 bis 868). Daher stellt die Kommission in Randnr. 1057 der angefochtenen Entscheidung zu Recht fest, dass sich ihre Prüfung des fraglichen Kopplungsgeschäfts sowie der hieraus gezogene Schluss, dass dieses Verhalten missbräuchlich sei, auf eine gefestigte Praxis insbesondere in den Rechtssachen Hilti und Tetra Pak II stütze.

1340 Der Umstand, dass das missbräuchliche Kopplungsgeschäft in der ersten Mitteilung der Beschwerdegründe nicht behandelt wurde, ist für die Frage, ob die Kommission eine neue Rechtstheorie angewandt hat, unerheblich.

1341 Das Vorbringen, die angefochtene Entscheidung sei die erste Entscheidung, in der die Kommission es als Missbrauch eingestuft habe, dass ein Produkt durch Integration einer „verbesserten“ Funktionalität verbessert werde, greift ebenfalls nicht durch. Wie oben in den Randnrn. 936, 937 und 1221 festgestellt, wurde die fragliche Integration nämlich nicht aufgrund von Erwägungen technischer Art vorgenommen. Außerdem erschüttert dieses Vorbringen insbesondere aus den oben in Randnr. 935 genannten Gründen nicht die Einschätzung der Kommission, dass es sich um zwei gesonderte Produkte handelt, wobei dies eines der Kriterien ist, die nach der oben in Randnr. 859 angeführten Rechtsprechung die Feststellung eines missbräuchlichen Kopplungsgeschäfts erlauben.

1342 Nach alledem kann Microsoft nicht geltend machen, dass die Kommission ihr keine oder nur eine symbolische Geldbuße hätte auferlegen dürfen.

1343 Auch das Vorbringen von Microsoft, die Geldbuße sei überhöht, ist zurückzuweisen. Die Kommission hat Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zutreffend beurteilt.

1344 In Bezug auf die Schwere der Zuwiderhandlung ist vorab daran zu erinnern, dass die beiden in Rede stehenden Missbräuche im Zusammenhang mit einer Zuwiderhandlung stehen, bei der Microsoft eine Hebelstrategie anwandte, indem sie ihre beherrschende Stellung auf dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs nutzte, um sie auf zwei andere benachbarte Märkte – den Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver und den Markt der Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten – auszudehnen.

1345 Was zunächst den in Art. 2 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung festgestellten Missbrauch angeht, so beurteilt die Kommission dessen Schwere unter Berücksichtigung seiner Art (Randnrn. 1064 und 1065 der angefochtenen Entscheidung), seiner konkreten Auswirkungen auf den Markt (Randnrn. 1069 und 1070 der angefochtenen Entscheidung) und des Umfangs des relevanten räumlichen Markts (Randnr. 1073 der angefochtenen Entscheidung). Sie stuft die Zuwiderhandlung, in deren Zusammenhang dieser Missbrauch steht, als „besonders schwer“ ein, so dass sie mit einer Geldbuße von mehr als 20 Millionen Euro geahndet werden kann.

1346 Die Gesichtspunkte, die von der Kommission in den in der vorstehenden Randnummer genannten Abschnitten der Entscheidung berücksichtigt wurden, rechtfertigen die Einstufung der Zuwiderhandlung als „besonders schwer“. Diese Beurteilung kann durch das Vorbringen von Microsoft nicht in Frage gestellt werden.

1347 Das Gericht weist insoweit darauf hin, dass mehrere in den Akten enthaltene interne Unterlagen von Microsoft bestätigen, dass sie ihre beherrschende Stellung auf dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs als Hebel benutzte, um ihre Stellung auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver zu verstärken. So zitiert die Kommission in Randnr. 774 der angefochtenen Entscheidung aus einer E-Mail, die Herr Bayer, ein hochrangiger Mitarbeiter von Microsoft, an Herrn Madigan, einen anderen hochrangigen Mitarbeiter von Microsoft, richtete und in der Herr Bayer darauf hinweist, dass „[Microsoft] … bei Datenverarbeitungssystemen für Unternehmen einen enormen Vorteil [hat], weil sie die beherrschende Stellung von Windows im Desktop-Bereich als Hebel einsetzen kann“.

1348 In der folgenden Randnummer der angefochtenen Entscheidung nimmt die Kommission Bezug auf einen Abschnitt einer weiteren zwischen diesen beiden hochrangigen Mitarbeitern von Microsoft ausgetauschten E-Mail, der belegt, dass die Eroberung des Markts der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver als ein Mittel angesehen wurde, um dieselbe Hebelstrategie in Bezug auf das Internet anzuwenden. Dieser Abschnitt lautet:

„Die Beherrschung der Internet-Server-Infrastruktur ist eine härtere Nuss, [aber] wir könnten es über den Unternehmenssektor schaffen, wenn wir ihn beherrschen könnten (was ich für möglich halte).“

1349 Wie die Kommission zu Recht in Randnr. 778 der angefochtenen Entscheidung ausführt, ist ferner einem Auszug aus einer Rede von Herrn Gates im Februar 1997 zu entnehmen, dass die Führungsspitze von Microsoft die Interoperabilität als ein Werkzeug im Rahmen dieser Hebelstrategie ansah. Dieser Auszug lautet:

„Wir versuchen, unsere Kontrolle über Server für neue Protokolle zu nutzen und speziell Sun und Oracle den Zugang zu versperren … Ich weiß zwar nicht, ob uns dies gelingen wird, aber wir werden es versuchen.“

1350 Die Rede von Herrn Gates wurde im Februar 1997 gehalten, also lange vor dem Zeitpunkt, zu dem Microsoft das im Schreiben vom 15. September 1998 enthaltene Ersuchen zurückwies. Die Kommission war daher zu Recht der Ansicht, dass die streitige Weigerung Teil einer Gesamtstrategie war, bei der Microsoft ihre beherrschende Stellung auf dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs nutzte, um ihre Wettbewerbsstellung auf dem benachbarten Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver zu verstärken.

1351 Den in Art. 2 Buchst. b der angefochtenen Entscheidung behandelten Kopplungsverkauf von Windows Media Player und Windows hat die Kommission ebenfalls zutreffend als „besonders schwere“ Zuwiderhandlung eingestuft.

1352 Insoweit ergibt sich erstens aus der E‑Mail, die Herr Bay im Januar 1999 an Herrn Gates sandte (siehe oben, Randnr. 911), dass dieser zweite Missbrauch ebenfalls Teil einer Hebelstrategie war.

1353 Zweitens stellt die Kommission in Randnr. 1068 der angefochtenen Entscheidung zu Recht fest, dass der genannte Missbrauch seiner Art nach eine besonders schwere Zuwiderhandlung gegen Art. 82 EG und Art. 54 des EWR-Abkommens sei.

1354 Kopplungsgeschäfte waren nämlich vom Gemeinschaftsrichter, insbesondere in den Rechtssachen Hilti und Tetra Pak II, bereits eindeutig für rechtswidrig erklärt worden, und das beanstandete Verhalten erfüllt die dort genannten Voraussetzungen. Wie oben in den Randnrn. 859 und 863 bis 868 ausgeführt, hat die Kommission im vorliegenden Fall keine neue Rechtstheorie angewandt; dies gilt vor allem für ihre Prüfung, ob die Voraussetzung des Ausschlusses der Konkurrenten vom Markt erfüllt war.

1355 Ferner weist die Kommission in Randnr. 1066 der angefochtenen Entscheidung völlig zu Recht darauf hin, dass das fragliche Kopplungsgeschäft dem Windows Media Player weltweit eine Omnipräsenz auf Client-PCs verschafft, was die Gerätehersteller davon abhält, auf diesen PCs konkurrierende Medienabspielprogramme vorzuinstallieren, und den Wettbewerb auf dem Markt der Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten beeinträchtigt (siehe oben, Randnrn. 1031 bis 1058).

1356 Wie die Kommission schließlich in Randnr. 1067 der angefochtenen Entscheidung zutreffend hervorhebt, hat das missbräuchliche Kopplungsgeschäft spürbare Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation im Bereich der Bereitstellung von Inhalten im Internet und im Bereich der Multimediasoftware, bei denen es sich um wichtige und in der Entwicklung befindliche Bereiche handelt. Wie oben in den Randnrn. 1060 bis 1075 dargelegt, ist die Omnipräsenz, die der Windows Media Player durch das Kopplungsgeschäft erhält, für die Inhalteanbieter ein Anreiz, ihre Inhalte in Windows-Media-Formaten zu vertreiben, und für die Softwareentwickler, ihre Produkte so zu konzipieren, dass sie sich auf bestimmte Funktionalitäten des Windows Media Player stützen, ungeachtet dessen, dass die konkurrierenden Medienabspielprogramme von vergleichbarer oder sogar höherer Qualität sind. Wie ebenfalls bereits oben in Randnr. 1076 dargetan worden ist, war die Kommission in den Randnrn. 897 bis 899 der angefochtenen Entscheidung zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass das missbräuchliche Kopplungsgeschäft auch Auswirkungen auf einige benachbarte Märkte hatte.

1357 Drittens trifft die Feststellung der Kommission in den Randnrn. 1069 und 1071 der angefochtenen Entscheidung zu, dass das in Rede stehende missbräuchliche Kopplungsgeschäft erhebliche Auswirkungen auf den Markt der Medienabspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten habe. Aufgrund dieses Geschäfts konnte Microsoft nämlich u. a. auf dem letztgenannten Markt mit dem Windows Media Player die Führungsrolle erlangen.

1358 Viertens erstreckt sich der Markt der Abspielprogramme mit Datenstrom-Kapazitäten unstreitig auf den gesamten EWR (Randnr. 1073 der angefochtenen Entscheidung).

1359 Aus den oben in den Randnrn. 1344 bis 1358 dargelegten Erwägungen geht hervor, dass die Kommission berechtigt war, bei der Festsetzung der Geldbuße für die Zuwiderhandlung als Ausgangspunkt einen Mindestbetrag von 20 Millionen Euro zu wählen.

1360 Nachdem die Kommission im vorliegenden Fall die Art der Zuwiderhandlung, ihre Auswirkungen auf die relevanten Produktmärkte sowie den geographischen Umfang dieser Märkte berücksichtigt hatte, legte sie einen einzigen Ausgangsbetrag von 165 732 101 Euro für beide Missbräuche fest (Randnr. 1075 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission erläutert in der angefochtenen Entscheidung weder, woraus sich dieser Betrag herleitet, noch, wie er sich auf die beiden Missbräuche verteilt. Eine Gesamtbetrachtung von Fn. 217 der Klagebeantwortung und des Inhalts des Schreibens von Microsoft vom 9. März 2004 (siehe oben, Randnr. 1319) zeigt jedoch, dass dieser Betrag 7,5 % des kumulierten Umsatzes entspricht, den Microsoft im EWR auf den Märkten der Betriebssysteme für Client-PCs und der Arbeitsgruppenserver in ihrem am 30. Juni 2003 endenden Geschäftsjahr erzielte. Entgegen dem Vorbringen von Microsoft kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass der Ausgangsbetrag willkürlich festgesetzt wurde.

1361 Zu der Behauptung von Microsoft, die Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße auf 165 732 101 Euro sei nicht begründet worden, genügt der Hinweis, dass nach ständiger Rechtsprechung aus der Begründungspflicht nicht folgt, dass die Kommission in ihrer Entscheidung bezifferte Angaben zur Berechnungsweise der Geldbußen machen muss (Urteile des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Sarrió/Kommission, C‑291/98 P, Slg. 2000, I‑9991, Randnrn. 76 und 80, und Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, oben in Randnr. 95 angeführt, Randnr. 464).

1362 Das Vorbringen von Microsoft, die Kommission habe ihren Umsatz auf dem allgemeinen Markt der Server-Betriebssysteme herangezogen, d. h. auf einem größeren als dem zweiten in der angefochtenen Entscheidung aufgeführten Markt, ist ebenfalls zurückzuweisen. Die Kommission hat sich nämlich auf die Zahlen gestützt, die ihr von Microsoft mit Schreiben vom 9. März 2004 (siehe oben, Randnr. 1319) auf ein Auskunftsverlangen vom 2. März 2004 (Anlage D.16 zur Gegenerwiderung) mitgeteilt worden waren, das sich ausdrücklich auf die von Microsoft zu dieser Zeit noch gelieferten Windows-Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver bezog.

1363 Die Kommission hat ferner zur Gewährleistung einer hinreichenden Abschreckungswirkung der Geldbuße in Anbetracht der erheblichen Wirtschaftskraft von Microsoft zu Recht einen Multiplikator von 2 auf den genannten Ausgangsbetrag angewandt. Da Microsoft ihre beherrschende Stellung auf dem Markt der Betriebssysteme für Client-PCs zumindest während der nächsten Jahre höchstwahrscheinlich behalten wird, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie weitere Gelegenheiten haben wird, die Hebelstrategie in Bezug auf andere benachbarte Märkte anzuwenden. Überdies wurde gegen Microsoft auch schon in den Vereinigten Staaten wegen einer ähnlichen Praxis wie dem fraglichen missbräuchlichen Kopplungsgeschäft vorgegangen, nämlich wegen der Bündelung des Verkaufs ihres Internet-Browsers und des Windows-Betriebssystems für Client-PCs, und es besteht die Gefahr, dass sie künftig eine gleichartige Zuwiderhandlung mit anderer Anwendungssoftware begehen wird.

1364 In Bezug auf die Dauer der Zuwiderhandlung ist das Vorbringen von Microsoft, die Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße um 50 % sei überzogen, zurückzuweisen. Wie das Gericht bereits bei der Prüfung des zweiten Teils des die Weigerung, Interoperabilitätsinformationen zu liefern, betreffenden Fragenkreises festgestellt hat, ging die Kommission zu Recht davon aus, dass das Schreiben vom 6. Oktober 1998 die Weigerung enthielt, Sun die von dieser erbetenen Informationen zu übermitteln. Die Kommission war daher zu der Feststellung berechtigt, dass Microsoft von diesem Zeitpunkt an ein Verstoß gegen Art. 82 EG vorzuwerfen war. Es steht fest, dass dieser Verstoß bis zum Erlass der angefochtenen Entscheidung andauerte und dass ab Mai 1999 ein zweites missbräuchliches Verhalten zu ihm hinzukam.

1365 Schließlich war die Kommission zu Recht der Auffassung, dass im vorliegenden Fall keine erschwerenden oder mildernden Umstände zu berücksichtigen waren.

1366 Nach alledem ist das Vorbringen von Microsoft, die Geldbuße sei überhöht und unverhältnismäßig, zurückzuweisen.

1367 Demnach ist die Klage als unbegründet abzuweisen, soweit sie auf die Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbuße gerichtet ist.

 Kosten

1368 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 87 § 3 kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt oder wenn ein außergewöhnlicher Grund vorliegt.

1369 Im vorliegenden Fall ist Microsoft mit ihren Anträgen auf Nichtigerklärung der gesamten angefochtenen Entscheidung und auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbuße unterlegen. Die Kommission ist dagegen unterlegen, soweit sie beantragt hat, die Klage insgesamt abzuweisen.

1370 Im Verfahren zur Hauptsache sind demnach die Kosten zu teilen. Microsoft trägt 80 % ihrer eigenen Kosten und 80 % der Kosten der Kommission, mit Ausnahme der Kosten, die der Kommission in Zusammenhang mit der Streithilfe der CompTIA, der ACT und von TeamSystem, Mamut, DMDsecure u. a. und Exor entstanden sind. Die Kommission trägt 20 % ihrer eigenen Kosten und 20 % der Kosten von Microsoft mit Ausnahme der Kosten, die Microsoft in Zusammenhang mit der Streithilfe der SIIA, der FSFE, von Audiobanner.com und des ECIS entstanden sind.

1371 Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes trägt Microsoft ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission, mit Ausnahme der Kosten, die der Kommission in Zusammenhang mit der Streithilfe der CompTIA, der ACT und von TeamSystem, Mamut, DMDsecure u. a. und Exor entstanden sind.

1372 Die CompTIA, ACT, TeamSystem, Mamut, DMDsecure u. a. und Exor tragen ihre eigenen Kosten einschließlich der durch das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten. Da die Kommission nicht beantragt hat, diesen Streithelferinnen die in Zusammenhang mit ihrer Streithilfe entstanden Kosten aufzuerlegen, haben sie nur ihre eigenen Kosten zu tragen.

1373 Die Kosten der SIIA, der FSFE, von Audiobanner.com und des ECIS einschließlich der durch das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten sind von Microsoft zu tragen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Große Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Art. 7 der Entscheidung 2007/53/EG der Kommission vom 24. März 2004 in einem Verfahren gemäß Artikel 82 [EG] und Artikel 54 EWR-Abkommen gegen die Microsoft Corp. (Sache COMP/C‑3/37.792 – Microsoft) wird für nichtig erklärt, soweit

–        Microsoft aufgegeben wird, einen Vorschlag für die Schaffung eines Mechanismus zu unterbreiten, zu dem die Einsetzung eines unabhängigen Überwachungsbeauftragten gehören muss, der befugt ist, unabhängig von der Kommission Zugang zur Unterstützung, zu Informationen, zu Unterlagen, zu den Geschäftsräumen und zu den Mitarbeitern von Microsoft sowie zum Quellcode der einschlägigen Microsoft-Produkte zu erhalten;

–        verlangt wird, dass der Vorschlag für die Schaffung dieses Mechanismus vorsieht, dass alle mit der Einsetzung des Überwachungsbeauftragten verbundenen Kosten einschließlich seiner Vergütung von Microsoft getragen werden;

–        der Kommission das Recht vorbehalten wird, einen Mechanismus der im ersten und im zweiten Gedankenstrich genannten Art durch Entscheidung vorzuschreiben.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Microsoft trägt 80 % ihrer eigenen Kosten und 80 % der Kosten der Kommission mit Ausnahme der Kosten, die der Kommission in Zusammenhang mit der Streithilfe der The Computing Technology Industry Association, Inc., der Association for Competitive Technology, Inc., der TeamSystem SpA, der Mamut ASA, der DMDsecure.com BV, der MPS Broadband AB, der Pace Micro Technology plc, der Quantel Ltd, der Tandberg Television Ltd und der Exor AB entstanden sind.

4.      Microsoft trägt ihre eigenen Kosten und die der Kommission durch das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Rechtssache T‑201/04 R entstandenen Kosten mit Ausnahme der Kosten, die der Kommission in Zusammenhang mit der Streithilfe der The Computing Technology Industry Association, der Association for Competitive Technology und von TeamSystem, Mamut, DMDsecure.com, MPS Broadband, Pace Micro Technology, Quantel, Tandberg Television und Exor entstanden sind.

5.      Microsoft trägt die Kosten der Software & Information Industry Association, der Free Software Foundation Europe, von Audiobanner.com und des European Committee for Interoperable Systems (ECIS) einschließlich der durch das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten.

6.      Die Kommission trägt 20 % ihrer eigenen Kosten und 20 % der Kosten von Microsoft mit Ausnahme der Kosten, die Microsoft in Zusammenhang mit der Streithilfe der Software & Information Industry Association, der Free Software Foundation Europe, von Audiobanner.com und des ECIS entstanden sind.

7.      Die The Computing Technology Industry Association, die Association for Competitive Technology, TeamSystem, Mamut, DMDsecure.com, MPS Broadband, Pace Micro Technology, Quantel, Tandberg Television und Exor tragen ihre eigenen Kosten einschließlich der durch das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten.

Vesterdorf

Jaeger

Pirrung

García-Valdecasas

Tiili

Azizi

Cooke

Meij

Forwood

Martins Ribeiro

 

      Wiszniewska-Białecka

Vadapalas

 

      Labucka

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. September 2007.

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon

 

      B. Vesterdorf

Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte des Rechtsstreits

Angefochtene Entscheidung

I –  Relevante Produktmärkte und räumlich relevanter Markt

II –  Beherrschende Stellung

III –  Missbrauch der beherrschenden Stellung

A –  Weigerung, Interoperabilitätsinformationen zu liefern und deren Nutzung zu gestatten

B –  Kopplung des Verkaufs des Windows-Betriebssystems für Client-PCs mit dem des Windows Media Player

IV –  Geldbuße und Abhilfemaßnahmen

Verfahren wegen Verletzung des Kartellrechts der Vereinigten Staaten

Verfahren

Anträge der Verfahrensbeteiligten

Rechtliche Würdigung

I –  Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung

A –  Vorfragen

1.  Zum Umfang der Kontrolle durch den Gemeinschaftsrichter

2.  Zur Zulässigkeit des Inhalts bestimmter Anlagen

B –  Zur Weigerung, Interoperabilitätsinformationen zu liefern und deren Nutzung zu gestatten

1.  Zum ersten Teil, der sich darauf stützt, dass die vom Gemeinschaftsrichter aufgestellten Kriterien, die es erlaubten, ein Unternehmen in beherrschender Stellung zur Erteilung einer Lizenz zu zwingen, im vorliegenden Fall nicht erfüllt seien

a)  Einleitung

b)  Zu den verschiedenen Interoperabilitätsgraden und zur Tragweite der in Art. 5 der angefochtenen Entscheidung vorgesehenen Abhilfemaßnahme

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

–  Tatsächliche und technische Feststellungen

–  Zur Art der in der angefochtenen Entscheidung behandelten Informationen

–  Zu dem von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung verlangten Interoperabilitätsgrad

–  Zur Tragweite von Art. 5 Buchst. a der angefochtenen Entscheidung

c)  Zu dem Vorbringen, dass die Kommunikationsprotokolle von Microsoft durch Rechte des geistigen Eigentums geschützt würden

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

Würdigung durch das Gericht

d)  Zu den konkreten zur Stützung des ersten Teils des Klagegrundes vorgetragenen Argumenten

i) Zu den Umständen, anhand deren das gerügte Verhalten zu analysieren ist

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

ii)   Zur Unerlässlichkeit der Interoperabilitätsinformationen

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

Würdigung durch das Gericht

–  Zu dem geltend gemachten Rechtsfehler

–  Zu dem geltend gemachten Sachverhaltsirrtum

iii) Zur Ausschaltung des Wettbewerbs

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

Würdigung durch das Gericht

–  Zur Definition des relevanten Produktmarkts

–  Zur Methode bei der Berechnung der Marktanteile

–  Zum anwendbaren Kriterium

–  Zur Beurteilung der Marktdaten und der Wettbewerbssituation

iv) Zum neuen Erzeugnis

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

Würdigung durch das Gericht

v) Zum Fehlen einer objektiven Rechtfertigung

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

Würdigung durch das Gericht

2.  Zum zweiten Teil, der sich darauf stützt, dass Sun von Microsoft keinen Zugang zu der Technologie verlangt habe, zu deren Offenlegung die Kommission sie verpflichte

a)  Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

b)  Würdigung durch das Gericht

Zum Umfang des Ersuchens von Sun

Zur Tragweite des Schreibens vom 6. Oktober 1998

Zum geografischen Umfang des Ersuchens im Schreiben vom 15. September 1998

3.  Zum dritten Teil, der sich darauf stützt, dass die Kommission die den Gemeinschaften durch das TRIPS-Übereinkommen auferlegten Verpflichtungen nicht ordnungsgemäß berücksichtigt habe

a)  Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

b)  Würdigung durch das Gericht

C –  Zur Kopplung des Verkaufs des Windows-Betriebssystems für Client-PCs und des Windows Media Player

1.  Feststellungen tatsächlicher und technischer Art

2.  Erster Klagegrund: Verletzung von Art. 82 EG

a)  Zu den Voraussetzungen eines missbräuchlichen Kopplungsgeschäfts

Vorbringen der Beteiligten

Würdigung durch das Gericht

b)  Zum Vorliegen von zwei gesonderten Produkten

Angefochtene Entscheidung

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

Würdigung durch das Gericht

c)  Zur fehlenden Möglichkeit der Verbraucher, das Kopplungsprodukt ohne das gekoppelte Produkt zu erwerben

Angefochtene Entscheidung

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

Würdigung durch das Gericht

d)  Zur Beschränkung des Wettbewerbs

Angefochtene Entscheidung

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

Würdigung durch das Gericht

e)  Zum Fehlen einer objektiven Rechtfertigung

Angefochtene Entscheidung

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

Würdigung durch das Gericht

f)  Zum Verstoß gegen die den Gemeinschaften durch das TRIPS-Übereinkommen auferlegten Verpflichtungen

Angefochtene Entscheidung

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

Würdigung durch das Gericht

3.  Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

a)  Angefochtene Entscheidung

b)  Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

c)  Würdigung durch das Gericht

D –  Zur Problematik des unabhängigen Überwachungsbeauftragten

1.  Angefochtene Entscheidung

2.  Vorbringen der Beteiligten

3.  Würdigung durch das Gericht

II –  Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbuße

A –  Angefochtene Entscheidung

B –  Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

C –  Würdigung durch das Gericht

Kosten


* Verfahrenssprache: Englisch.