URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

10. Dezember 2020 ( *1 )

„Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen – Luftverkehrssektor – Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen Mailand-Linate (Italien) und Mailand-Malpensa (Italien) – Kapitalzuführungen des Betreibers dieser Flughäfen an seine 100%ige Tochtergesellschaft, die diese Dienstleistungen erbringt – Betreiber in staatlichem Eigentum – Beschluss, mit dem diese staatlichen Beihilfen für rechtswidrig und mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt werden – Art. 107 Abs. 1 AEUV – Begriffe ‚staatliche Mittel‘, ‚dem Staat zurechenbare Maßnahme‘ und ‚wirtschaftlicher Vorteil‘ – Grundsatz des privaten Wirtschaftsteilnehmers – Kriterium des privaten Kapitalgebers – Beweislast – Komplexe wirtschaftliche Beurteilungen – Umfang der gerichtlichen Kontrolle – Verfälschung von Beweisen“

In der Rechtssache C‑160/19 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 22. Februar 2019,

Comune di Milano (Italien), Prozessbevollmächtigte: A. Mandarano, E. Barbagiovanni, S. Grassani und L. Picciano, avvocati,

Klägerin,

andere Partei des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch D. Recchia, G. Conte und D. Grespan als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev (Berichterstatter), des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Zweiten Kammer sowie der Richter M. Ilešič, A. Kumin und T. von Danwitz,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juni 2020,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 16. Juli 2020

folgendes

Urteil

1

Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Comune di Milano (Stadt Mailand, Italien) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 13. Dezember 2018, Comune di Milano/Kommission (T‑167/13, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2018:940), mit dem dieses ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2015/1225 der Kommission vom 19. Dezember 2012 über die von der SEA SpA zugunsten der SEA Handling SpA vorgenommenen Kapitalerhöhungen (SA.21420 [C 14/10] [ex NN 25/10] [ex CP 175/06]) (ABl. 2015, L 201, S. 1, im Folgenden: streitiger Beschluss) abgewiesen hat.

Vorgeschichte des Rechtsstreits

2

Die SEA SpA betreibt die Flughäfen Mailand-Linate (Italien) und Mailand-Malpensa (Italien). Von 2002 bis 2010 (im Folgenden: fraglicher Zeitraum) wurde ihr Kapital nahezu vollständig von staatlichen Stellen gehalten, und zwar zu 84,56 % von der Stadt Mailand, zu 14,56 % von der Provincia di Milano (Provinz Mailand, Italien) und zu 0,88 % von sonstigen öffentlichen und privaten Kleinaktionären. Im Dezember 2011 erwarb F2i – Fondi Italiani per le infrastrutture SGR SpA für Rechnung zweier von ihr gehaltener Fonds 44,31 % des Kapitals der SEA, und zwar einen Teil des von der Stadt Mailand gehaltenen Kapitals (29,75 %) und das gesamte von der Provinz Mailand gehaltene Kapital (14,56 %).

3

Bis zum 1. Juni 2002 erbrachte die SEA selbst Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen Mailand-Linate und Mailand-Malpensa. Nach Inkrafttreten des Decreto legislativo n. 18 – Attuazione della direttiva 96/67/CE relativa al libero accesso al mercato dei servizi di assistenza a terra negli aeroporti della Comunità (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 18 zur Umsetzung der Richtlinie 96/67/EG über den Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen der Gemeinschaft) vom 13. Januar 1999 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 28 vom 4. Februar 1999) vollzog die SEA gemäß der in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 96/67/EG des Rates vom 15. Oktober 1996 über den Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen der Gemeinschaft (ABl. 1996, L 272, S. 36) vorgesehenen Verpflichtung die buchmäßige und rechtliche Trennung zwischen ihren mit den Bodenabfertigungsdiensten verbundenen und ihren übrigen Tätigkeiten. Zu diesem Zweck gründete sie eine neue, zur Gänze von ihr kontrollierte Gesellschaft, die SEA Handling SpA, die ab dem 1. Juni 2002 mit der Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten auf den Flughäfen Mailand-Linate und Mailand-Malpensa betraut wurde.

4

Am 26. März 2002 wurde zwischen der Stadt Mailand, der SEA und den Gewerkschaftsverbänden eine Vereinbarung (im Folgenden: Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002) geschlossen, worin es heißt:

„Die Verwaltung der Stadt Mailand … bestätigt …,

dass die SEA mindestens weitere fünf Jahre einen Mehrheitsanteil an dem Bodenabfertigungsunternehmen halten wird;

dass die SEA die Gewerkschaftsverbände über eventuelle Partner unterrichtet und ihnen den Geschäftsplan und die Strukturaufstellung des Unternehmens zur Prüfung vorlegt. … Die Vereinbarung, die die SEA mit den Gewerkschaftsverbänden abschließen wird, tritt erst nach der Vorlage des vorgenannten Plans und der Beratung hierüber durch die Gewerkschaftsverbände in Kraft;

dass der vereinbarte Mobilitätsplan eine Lösung für ggf. freigesetzte Arbeitnehmer vorsehen sollte, wobei ein Massenentlassungsverfahren auszuschließen ist und die SEA verpflichtet wird, Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen sowie Anreizsysteme für ein freiwilliges Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis oder den Renteneintritt begleitende Maßnahmen für die betroffenen Mitarbeiter vorzusehen;

dass die von den Arbeitnehmern erworbenen Ansprüche bei der Übernahme durch das neue Unternehmen gewahrt bleiben und sie eine Beschäftigungsgarantie für mindestens die nächsten fünf Jahre erhalten;

dass die SEA und potenzielle Partner das Gleichgewicht zwischen Kosten und Nutzen und den allgemeinen Wirtschaftsrahmen wahren, indem die Verwaltungskapazitäten aufrechterhalten und die Möglichkeiten, auf den nationalen und internationalen Märkten tätig zu werden, spürbar verbessert werden;

dass sie sich bei den zuständigen Ministerien und den Flughafenbehörden für den Erlass von Richtlinien einsetzen wird, die darauf abzielen, die Beschäftigung im Falle der Übertragung der Bodenabfertigungsdienste an ein Konkurrenzunternehmen zu garantieren, um insbesondere die Verpflichtungen der Flughafenbetreiber in Bezug auf die Sicherheit und die Zuverlässigkeit, die gleichermaßen für das Bodenabfertigungspersonal gelten müssen, zu erfüllen.

Die Stadtverwaltung und die Gewerkschaftsverbände gewährleisten die Überwachung dieser Vereinbarung, indem sie regelmäßig die Phasen ihrer Umsetzung im Rahmen zu diesem Zweck abgehaltener Sitzungen bewerten.“

5

Diese Verpflichtungen wurden durch Vereinbarungen zwischen der SEA und den Gewerkschaften u. a. vom 4. April 2002 und 19. Juni 2003 bestätigt, in die der Inhalt der Vereinbarung vom 26. März 2002 ausdrücklich übernommen wurde.

6

Im fraglichen Zeitraum erhielt die SEA Handling von der SEA Beihilfen in Form von Kapitalzuführungen in Höhe von insgesamt 359,644 Mio. Euro (im Folgenden: fragliche Maßnahmen). Mit diesen Beihilfen sollten die Betriebsverluste der SEA Handling gedeckt werden, wobei sich diese im fraglichen Zeitraum auf insgesamt 339,784 Mio. Euro beliefen, d. h. ca. 43,639 Mio. Euro (Jahr 2002), 49,489 Mio. Euro (Jahr 2003), 47,962 Mio. Euro (Jahr 2004), 42,430 Mio. Euro (Jahr 2005), 44,150 Mio. Euro (Jahr 2006), 59,724 Mio. Euro (Jahr 2007), 52,387 Mio. Euro (Jahr 2008), 29,7 Mio. Euro (Jahr 2009) und 13,4 Mio. Euro (Jahr 2010).

7

So erhielt die SEA Handling von der SEA im Rahmen der fraglichen Maßnahmen nacheinander 39,965 Mio. Euro (Jahr 2002), 49,132 Mio. Euro (Jahr 2003), 55,236 Mio. Euro (Jahr 2004), 40,229 Mio. Euro (Jahr 2005), 60,439 Mio. Euro (Jahr 2006), 41,559 Mio. Euro (Jahr 2007), 25,271 Mio. Euro (Jahr 2008) und 47,810 Mio. Euro (Jahr 2009).

8

Mit Schreiben vom 13. Juli 2006 erhielt die Europäische Kommission eine Beschwerde wegen mutmaßlicher staatlicher Beihilfemaßnahmen zugunsten der SEA Handling.

9

Mit Schreiben vom 23. Juni 2010 setzte die Kommission die italienischen Behörden von ihrem Beschluss in Kenntnis, das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV zu eröffnen.

10

Am 19. Dezember 2012 erließ die Kommission den streitigen Beschluss. Im 191. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses führte sie aus, dass die zur Deckung der Verluste der SEA Handling verwendeten Mittel Mittel der öffentlichen Hand seien, denn sie stammten von der SEA, an der während des Untersuchungszeitraums die Stadt Mailand und die Provinz Mailand zu 99,12 % beteiligt gewesen seien.

11

In den Erwägungsgründen 192 bis 217 des streitigen Beschlusses gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass die fraglichen Maßnahmen dem italienischen Staat zuzurechnen seien. Dafür gebe es fünf Indizien, nämlich erstens die in den Rn. 4 und 5 des vorliegenden Urteils genannten Gewerkschaftsvereinbarungen sowie weitere Dokumente, zweitens das besondere Abhängigkeitsverhältnis der Führungskräfte der SEA gegenüber der Stadt Mailand, drittens die von den SEA-Verwaltungsratsmitgliedern an die Stadt Mailand gerichteten Blanko-Rücktrittsgesuche, viertens die Bedeutung, die den Flughäfen Mailand-Malpensa und Mailand-Linate für die Politikbereiche der Stadt Mailand zukomme, und fünftens der Ausnahmecharakter der Kapitalerhöhungen, die von der Hauptversammlung der SEA genehmigt werden müssten. Insbesondere schloss die Kommission aus diesen Indizien auf das Vorliegen einer einheitlichen Strategie und einer fortgesetzten Beteiligung der italienischen Behörden, wobei dieser Umstand ihrer Ansicht nach dazu führt, dass sie der Pflicht enthoben sei, jede Maßnahme einzeln zu untersuchen.

12

In den Erwägungsgründen 219 bis 315 des streitigen Beschlusses prüfte die Kommission das Kriterium des privaten Kapitalgebers anhand der Angaben der italienischen Behörden, der SEA und der SEA Handling zu 1) einer mehrjährigen Strategie zur Verlustdeckung, 2) den Kapitalzuführungen im Jahr 2002, 3) dem Kontext zum Zeitpunkt des Erlasses der Beschlüsse über diese Kapitalzuführungen, 4) den Alternativen zur Deckung der Verluste, 5) der Wahl des Geschäftsmodells der SEA-Gruppe dahin, die von der SEA Handling angebotenen Dienstleistungen selbst zu erbringen, 6) der Umstrukturierung der SEA Handling und den insoweit von der SEA verfolgten Zielen, 7) den nachfolgenden wirtschaftlichen Ergebnissen der SEA Handling und 8) dem Vergleich dieser Ergebnisse mit jenen anderer Marktteilnehmer. Am Ende dieser Prüfung gelangte die Kommission zu dem Ergebnis, dass dieses Kriterium im Hinblick auf keine der fraglichen Maßnahmen erfüllt sei.

13

Im verfügenden Teil des streitigen Beschlusses stellte die Kommission insbesondere fest, dass die Kapitalerhöhungen, die die SEA zugunsten der SEA Handling für jedes Geschäftsjahr im fraglichen Zeitraum vorgenommen habe, staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 107 AEUV darstellten (Art. 1) und dass diese unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV gewährten Beihilfen mit dem Binnenmarkt unvereinbar seien (Art. 2). Folglich verfügte sie, dass die Italienische Republik diese Beihilfen vom Begünstigten zurückfordern muss (Art. 3 Abs. 1).

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

14

Mit am 18. März 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift erhob die Stadt Mailand Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses, hilfsweise auf Nichtigerklärung seiner Art. 3 bis 5.

15

Die Stadt Mailand stützte ihre Klage auf vier Klagegründe. Mit dem ersten und dem zweiten Klagegrund rügte sie Verstöße gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV insofern, als die Kommission zum einen fälschlicherweise festgestellt habe, dass eine Übertragung staatlicher Mittel stattgefunden habe und die fraglichen Maßnahmen dem italienischen Staat zuzurechnen seien, und zum anderen das Kriterium des privaten Kapitalgebers verkannt habe.

16

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht die Klage abgewiesen und der Stadt Mailand die Kosten auferlegt.

Anträge der Parteien

17

Die Stadt Mailand beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, den streitigen Beschluss für nichtig zu erklären und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

18

Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und der Stadt Mailand die Kosten aufzuerlegen.

Zum Rechtsmittel

19

Die Stadt Mailand stützt ihr Rechtsmittel auf vier Gründe, wobei der erste und der vierte Grund auf Verstöße gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV insofern gestützt sind, als das Gericht zum einen fälschlicherweise festgestellt habe, dass eine Übertragung staatlicher Mittel stattgefunden habe und die fraglichen Maßnahmen der Stadt Mailand zuzurechnen seien, und zum anderen das Kriterium des privaten Kapitalgebers verkannt habe. Mit dem zweiten und dem dritten Rechtsmittelgrund, die ebenfalls die Frage betreffen, ob die fraglichen Maßnahmen der Stadt Mailand zuzurechnen sind, macht diese geltend, das Gericht habe die Beweislastgrundsätze falsch angewandt sowie Tatsachen und Beweise verfälscht.

Zum ersten Rechtsmittelgrund: Begriff der staatlichen Beihilfe

Zum ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: Begriff der staatlichen Mittel

– Vorbringen der Parteien

20

Die Stadt Mailand macht geltend, dem Gericht sei ein Rechtsfehler unterlaufen, als es sich in den Rn. 65 und 66 des angefochtenen Urteils auf ihre Mehrheitsbeteiligung an der SEA und auf die Vermutung eines beherrschenden Einflusses im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2006/111/EG der Kommission vom 16. November 2006 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen (ABl. 2006, L 318, S. 17) gestützt habe, ohne zu überprüfen, ob die Kommission nachgewiesen habe, dass ein solcher Einfluss tatsächlich bestehe oder die Mittel der SEA zu ihren Gunsten verwaltet worden seien.

21

Zunächst belege die Tatsache, dass die Mitglieder des Verwaltungsrats und des Aufsichtsrats der SEA vom Mehrheitsaktionär ernannt worden seien, angesichts des anwendbaren italienischen Gesellschaftsrechts keineswegs, dass die Finanzmittel der SEA fortdauernd unter der Kontrolle staatlicher Stellen gestanden hätten.

22

Sodann sei die Richtlinie 2006/111 auf der Rechtsgrundlage von Art. 106 AEUV und nicht von Art. 107 AEUV erlassen worden, so dass die Logik dieser Richtlinie für die Beurteilung der in der letztgenannten Bestimmung enthaltenen Begriffe nicht relevant sei.

23

Schließlich sei die Voraussetzung einer ständigen staatlichen Kontrolle der Mittel nach der Rechtsprechung nur dann erfüllt, wenn die betreffenden Mittel den staatlichen Stellen konkret und ständig zur Verfügung stünden, was vorliegend nicht der Fall sei. So habe der Gerichtshof in seinem Urteil vom 13. September 2017, ENEA (C‑329/15, EU:C:2017:671), entschieden, dass der bloße Umstand, dass der Staat die Mehrheit am Kapital von Unternehmen halte, nicht den Schluss auf das Bestehen eines beherrschenden Einflusses zulasse, der die Steuerung der Verwendung der Mittel dieser Unternehmen ermögliche. Außerdem müsse der Nachweis erbracht werden, dass der Staat Weisungen in Bezug auf die Verwaltung der zur Gewährung der Beihilfe aufgewendeten Mittel erteile.

24

Die Kommission trägt vor, das Gericht habe ultra petita entschieden, als es im angefochtenen Urteil geprüft habe, ob eine Übertragung staatlicher Mittel vorliege, obwohl die Stadt Mailand im ersten Rechtszug, wie aus den Rn. 55 bis 58 und 64 des angefochtenen Urteils hervorgehe, kein Argument vorgebracht habe, mit dem die Einstufung der Mittel der SEA als staatliche Mittel beanstandet worden wäre. Daher könne die Stadt Mailand nicht eine Prüfung beanstanden, die das Gericht im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels in Bezug auf einen Grund vorgenommen habe, der im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sei. Die Kommission tritt zudem dem von der Stadt Mailand zur Begründetheit erstatteten Vorbringen entgegen.

– Würdigung durch den Gerichtshof

25

Was die Zulässigkeit des ersten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes anbelangt, stellt die Kommission zutreffend fest, dass das Gericht die staatliche Natur der an die SEA Handling übertragenen Mittel der SEA geprüft hat, ohne dass die Stadt Mailand hierzu ein konkretes Argument vorgetragen hätte, worauf das Gericht übrigens in Rn. 64 des angefochtenen Urteils hingewiesen hat.

26

Wie die Generalanwältin in Nr. 25 ihrer Schlussanträge festgestellt hat, ist jedoch aus der Klageschrift deutlich zu erkennen, dass die Stadt Mailand mit ihrem Vorbringen im Rahmen ihres ersten Klagegrundes sowohl die Zurechenbarkeit der fraglichen Maßnahmen als auch die staatliche Natur der aufgewendeten Mittel angriff. Folglich hat das Gericht mit den Erwägungen in den Rn. 65 und 66 des angefochtenen Urteils nicht ultra petita entschieden, so dass das Vorbringen der Kommission zur Unzulässigkeit des ersten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen ist.

27

Was die Begründetheit dieses Teils betrifft, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Qualifizierung einer Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV verlangt, dass alle nachfolgend genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens muss es sich um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln. Zweitens muss die Maßnahme geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Drittens muss dem Begünstigten durch sie ein selektiver Vorteil gewährt werden. Viertens muss sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen (Urteil vom 19. Dezember 2019, Arriva Italia u. a., C‑385/18, EU:C:2019:1121, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28

Daher müssen Vorteile, damit sie als Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV eingestuft werden können, gemäß der erstgenannten Voraussetzung zum einen unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden und zum anderen dem Staat zuzurechnen sein (Urteil vom 18. Mai 2017, Fondul Proprietatea, C‑150/16, EU:C:2017:388, Rn. 14 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29

Was insbesondere die Voraussetzung der unmittelbaren oder mittelbaren Gewährung des Vorteils aus staatlichen Mitteln betrifft, ist nach gefestigter Rechtsprechung der Begriff „Beihilfe“ weiter als der Begriff „Subvention“, da er nicht nur positive Leistungen wie die Subventionen selbst umfasst, sondern auch Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen regelmäßig zu tragen hat, und die somit, obwohl sie keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen nach Art und Wirkung gleichstehen (Urteil vom 18. Mai 2017, Fondul Proprietatea, C‑150/16, EU:C:2017:388, Rn. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30

Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass Art. 107 Abs. 1 AEUV sämtliche Geldmittel erfasst, die die öffentlichen Stellen tatsächlich zur Unterstützung von Unternehmen verwenden können, ohne dass es darauf ankommt, dass diese Mittel dauerhaft zum Vermögen des Staates gehören. Auch wenn die der fraglichen Maßnahme entsprechenden Beträge nicht auf Dauer dem Staat gehören, genügt folglich der Umstand, dass sie ständig unter staatlicher Kontrolle und somit den zuständigen nationalen Behörden zur Verfügung stehen, damit sie als staatliche Mittel qualifiziert werden können (Urteil vom 18. Mai 2017, Fondul Proprietatea, C‑150/16, EU:C:2017:388, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31

Was insbesondere öffentliche Unternehmen wie die SEA angeht, hat der Gerichtshof ferner entschieden, dass der Staat in der Lage ist, durch die Ausübung seines beherrschenden Einflusses auf diese Unternehmen die Verwendung ihrer Mittel zu steuern, um gegebenenfalls besondere Vorteile zugunsten anderer Unternehmen zu finanzieren (Urteil vom 18. Mai 2017, Fondul Proprietatea, C‑150/16, EU:C:2017:388, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32

Insoweit ist ein Unternehmen, das zu fast 100 % von öffentlichen Stellen gehalten wird und dessen Verwaltungsratsmitglieder zudem von diesen Stellen ernannt werden, als öffentliches Unternehmen unter staatlicher Kontrolle anzusehen, da diese Stellen nämlich unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf ein solches Unternehmen ausüben können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission, C‑482/99, EU:C:2002:294, Rn. 33 und 34).

33

Des Weiteren bedeutet die Gewährung von Garantien durch ein zur Gänze von einer Gemeinde gehaltenes Unternehmen den Einsatz staatlicher Mittel, da diese Garantien mit einem hinreichend konkreten wirtschaftlichen Risiko einhergehen, das zu Belastungen für dieses Unternehmen führen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. September 2014, Commerz Nederland, C‑242/13, EU:C:2014:2224, Rn. 30).

34

Wenn der Staat durchaus in der Lage ist, durch die Ausübung seines beherrschenden Einflusses auf diese Unternehmen die Verwendung ihrer Mittel zu steuern, um gegebenenfalls besondere Vorteile zugunsten anderer Unternehmen zu finanzieren, ist zudem der Umstand, dass die betreffenden Mittel von anderen Einrichtungen als Behörden verwaltet werden oder dass sie privatrechtlichen Ursprungs sind, ohne Bedeutung (Urteil vom 9. November 2017, Kommission/TV2/Danmark, C‑656/15 P, EU:C:2017:836, Rn. 47 und 48).

35

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass dem Gericht in den Rn. 65 und 66 des angefochtenen Urteils kein Rechtsfehler unterlaufen ist, als es aus den Tatsachen, dass die Anteile an der SEA beinahe zur Gänze und unmittelbar von staatlichen Stellen, darunter die Stadt Mailand, gehalten wurden und dass die Stadt Mailand entweder unmittelbar oder über ihre Mehrheit in der Hauptversammlung der SEA die Mitglieder des Verwaltungsrats und des Aufsichtsrats der SEA benannte, geschlossen hat, dass die finanziellen Mittel, die der SEA Handling von der SEA gewährt wurden, als staatliche Mittel einzustufen sind.

36

Entgegen der Behauptung der Stadt Mailand wird diese Feststellung weder durch die Bezugnahme auf Art. 2 Buchst b der Richtlinie 2006/111 in Rn. 65 des angefochtenen Urteils noch durch die Lehren aus dem Urteil vom 13. September 2017, ENEA (C‑329/15, EU:C:2017:671), entkräftet.

37

Denn zum einen stützen die Ausführungen in Rn. 35 des vorliegenden Urteils hinreichend die Schlussfolgerung des Gerichts zur Einbeziehung staatlicher Mittel, selbst wenn die Bezugnahme auf die Richtlinie 2006/111 für den vorliegenden Fall nicht relevant sein sollte.

38

Zum anderen ergibt sich, wie die Generalanwältin in den Nrn. 33 und 34 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, aus den Rn. 27 und 31 bis 35 des Urteils vom 13. September 2017, ENEA (C‑329/15, EU:C:2017:671), dass sich die Umstände, die diesem Urteil zugrunde liegen, von jenen im vorliegenden Verfahren unterscheiden. In der Rechtssache C‑329/15 ging es nämlich um eine Pflicht zur Abnahme von grünem Strom, die aufgrund eines Gesetzes des betreffenden Mitgliedstaats für Stromlieferanten unabhängig davon galt, ob ihr Kapital mehrheitlich vom Staat oder von privaten Wirtschaftsbeteiligten gehalten wurde. Somit ergab sich der Vorteil, der durch den betreffenden Mitgliedstaat als Gesetzgeber möglicherweise gewährt wurde, nicht aus den Kontrollbefugnissen, die der Staat als Mehrheitsaktionär in den betreffenden staatlichen Unternehmen ausüben konnte, und konnte daher unter den in den Rn. 32 bis 35 dieses Urteils angeführten Umständen nicht als aus staatlichen Mitteln finanziert eingestuft werden.

39

Nach alledem ist der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

Zum zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: Zurechenbarkeit der fraglichen Maßnahmen

– Vorbringen der Parteien

40

Die Stadt Mailand macht geltend, das Gericht habe gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV verstoßen, als es in Rn. 80 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass der Nachweis der Beteiligung der Stadt Mailand an der Gewährung der fraglichen Maßnahmen keinen positiven Beweis erfordere, sondern dass es ausreiche, die Unwahrscheinlichkeit einer fehlenden Beteiligung nachzuweisen.

41

Die Stadt Mailand führt hierzu aus, um eine zu weite Auslegung des Begriffs der staatlichen Beihilfe zu verhindern, habe der Gerichtshof das Kriterium der Zurechenbarkeit organischer Verbindungen um das strengere Kriterium einer aktiven Beteiligung des Staates am Erlass der betreffenden Maßnahmen ergänzt, wobei diese Beteiligung feststellbar sein und einen hinreichend starken konkreten Kausalzusammenhang mit jeder der getroffenen Maßnahmen aufweisen müsse. Es müsse daher nachgewiesen werden, dass der Staat sämtliche Maßnahmen angestoßen habe bzw. an deren Entwurf beteiligt gewesen sei, dass er seine Kontrollbefugnis tatsächlich ausgeübt habe und dass er auf jede der getroffenen Entscheidungen einen beherrschenden Einfluss ausgeübt habe.

42

Ein solcher Nachweis sei im vorliegenden Fall aber nicht erbracht worden, da das Gericht auf das Kriterium der Unwahrscheinlichkeit einer fehlenden Beteiligung zurückgegriffen habe, so dass es einen offensichtlichen Fehler begangen habe, als es die an die Zurechenbarkeit anzulegenden Beweisanforderungen herausgearbeitet habe.

43

Die Kommission stellt zunächst fest, dass die Stadt Mailand nur die Rn. 80 des angefochtenen Urteils beanstande, die lediglich die in Rn. 75 dieses Urteils dargestellten Rechtsprechungsgrundsätze zum Begriff der Zurechenbarkeit wiederhole, so dass dieser Teil teils unzulässig sei und teils ins Leere gehe. Jedenfalls habe sich das Gericht weder auf einen falschen Begriff der Zurechenbarkeit gestützt noch auf negative Vermutungen zurückgegriffen oder falsche Beweisanforderungen angelegt.

– Würdigung durch den Gerichtshof

44

Zunächst ist das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, wonach der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes unzulässig sei, denn die Stadt Mailand hat eindeutig die rechtlichen Grundsätze beanstandet, auf die sich das Gericht gestützt hat, um der Stadt Mailand das Verhalten der SEA zuzurechnen. Dabei spielt es an sich keine Rolle, ob das Gericht diese Grundsätze an mehreren Stellen des angefochtenen Urteils angeführt hat.

45

Was die Begründetheit betrifft, so ist in Rn. 28 des vorliegenden Urteils darauf hingewiesen worden, dass Vorteile, damit sie als Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV eingestuft werden können, gemäß der ersten der in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen zum einen unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden und zum anderen dem Staat zuzurechnen sein müssen.

46

Was insbesondere die Voraussetzung betrifft, wonach eine Vorteile gewährende Maßnahme eines öffentlichen Unternehmens dem Staat zurechenbar sein muss, ist darauf hinzuweisen, dass allein daraus, dass die Vorteile von einem vom Staat kontrollierten öffentlichen Unternehmen gewährt worden sind, nicht auf die Zurechenbarkeit geschlossen werden kann. Auch wenn der Staat in der Lage ist, ein öffentliches Unternehmen zu kontrollieren und einen beherrschenden Einfluss auf dessen Tätigkeiten auszuüben, kann nämlich nicht ohne Weiteres vermutet werden, dass diese Kontrolle in einem konkreten Fall tatsächlich ausgeübt wird. Es muss außerdem geprüft werden, ob davon auszugehen ist, dass die Behörden in irgendeiner Weise am Erlass dieser Maßnahmen beteiligt waren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. September 2014, Commerz Nederland, C‑242/13, EU:C:2014:2224, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47

Insoweit kann nicht verlangt werden, dass anhand einer genauen Anweisung nachgewiesen wird, dass die Behörden das öffentliche Unternehmen konkret veranlasst haben, die in Rede stehenden Beihilfemaßnahmen zu treffen. Die Zurechenbarkeit einer Beihilfemaßnahme eines öffentlichen Unternehmens an den Staat kann nämlich aus einer Gesamtheit von Indizien abgeleitet werden, die sich aus den Umständen des konkreten Falles und aus dem Kontext ergeben, in dem diese Maßnahme ergangen ist (Urteile vom 17. September 2014, Commerz Nederland, C‑242/13, EU:C:2014:2224, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 18. Mai 2017, Fondul Proprietatea, C‑150/16, EU:C:2017:388, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48

Insbesondere ist jedes Indiz von Bedeutung, das im konkreten Fall entweder auf eine Beteiligung der Behörden oder auf die Unwahrscheinlichkeit einer fehlenden Beteiligung am Erlass einer Maßnahme, wobei auch deren Umfang, ihr Inhalt oder ihre Bedingungen zu berücksichtigen sind, oder auf das Fehlen einer Beteiligung der Behörden am Erlass dieser Maßnahme hinweist (Urteil vom 17. September 2014, Commerz Nederland, C‑242/13, EU:C:2014:2224, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49

Auch die bloße Tatsache, dass ein öffentliches Unternehmen in Form einer allgemeinrechtlichen Kapitalgesellschaft gegründet worden ist, kann nicht – in Anbetracht der Selbständigkeit, die ihm diese Rechtsform möglicherweise verleiht – als ausreichend angesehen werden, um auszuschließen, dass eine Beihilfemaßnahme einer solchen Gesellschaft dem Staat zuzurechnen ist. Denn die Existenz einer Kontrollsituation und die tatsächlichen Möglichkeiten der Ausübung eines beherrschenden Einflusses, die sie in der Praxis mit sich bringt, verhindern es, von vornherein auszuschließen, dass eine Maßnahme einer solchen Gesellschaft dem Staat zugerechnet werden kann und damit die Gefahr einer Umgehung der Vertragsbestimmungen über staatliche Beihilfen besteht, auch wenn die Rechtsform des öffentlichen Unternehmens als Indiz unter anderen an sich erheblich ist, um in einem konkreten Fall festzustellen, ob der Staat beteiligt ist oder nicht (Urteil vom 18. Mai 2017, Fondul Proprietatea, C‑150/16, EU:C:2017:388, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50

Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das Gericht bei seiner Prüfung in den Rn. 80 bis 88 des angefochtenen Urteils, ob die von der Kommission in den Erwägungsgründen 195 bis 200 des streitigen Beschlusses angeführten Indizien die Vermutung zuließen, dass die Stadt Mailand am Erlass der fraglichen Maßnahmen beteiligt gewesen war, die Grundsätze der in den Rn. 46 bis 49 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Rechtsprechung des Gerichtshofs angewandt hat.

51

Denn zum einen ergibt sich aus diesen Grundsätzen insbesondere, dass – entgegen der Behauptung der Stadt Mailand – weder die Kommission nachweisen noch das Gericht sich vergewissern musste, dass die Behörden das öffentliche Unternehmen konkret veranlasst hatten, die fraglichen Maßnahmen zu treffen.

52

Zum anderen braucht nicht entschieden zu werden, ob sich die Kommission nach der in Rn. 48 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Rechtsprechung ausschließlich auf Indizien stützen durfte, die im konkreten Fall auf die Unwahrscheinlichkeit einer fehlenden Beteiligung der Behörden hindeuteten. Wie die Generalanwältin in den Nrn. 38 bis 44 ihrer Schlussanträge festgestellt hat, beruht die Argumentation der Stadt Mailand auf dem fehlerhaften Verständnis des angefochtenen Urteils dahin, dass das Gericht es als zulässig erachtet habe, dass die Kommission die Feststellung der Zurechenbarkeit der fraglichen Maßnahmen ausschließlich darauf gestützt habe, dass es unwahrscheinlich sei, dass sich die Stadt Mailand nicht am Erlass der Maßnahmen beteiligt habe.

53

Das Gericht hat nämlich zunächst in den Rn. 80 bis 83 des angefochtenen Urteils erstens festgestellt, dass die Bedingungen der Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 eine klare und präzise Verpflichtung für die SEA schafften, zumindest während eines Zeitraums von fünf Jahren die Verluste der SEA Handling auszugleichen. Zweitens hat es festgestellt, dass die Stadt Mailand mit der Unterzeichnung dieser Vereinbarung auch in ihrer Eigenschaft als Mehrheitsaktionärin der SEA ihre Zustimmung nicht nur im Hinblick auf das Entstehen dieser Verpflichtung, sondern auch im Hinblick auf ihre Erfüllung und ihre spätere Durchführung durch die SEA gegeben hatte. Drittens hat es daraus abgeleitet, dass die aktive Teilnahme der Stadt Mailand an der Verhandlung und dem Abschluss dieser Vereinbarung ein Schlüsselelement für den Nachweis einer Beteiligung der italienischen Behörden an der Gewährung der fraglichen Maßnahmen darstellt.

54

Sodann hat das Gericht in den Rn. 84 bis 87 des angefochtenen Urteils im Rahmen seiner Würdigung des Sachverhalts den Protokollen der Sitzungen des Verwaltungsrats der SEA Handling, der Tatsache, dass die Bürgermeisterin von Mailand im Jahr 2006 den Rücktritt des Präsidenten des Verwaltungsrats der SEA gefordert und durchgesetzt hatte, und dem Vorliegen von Blanko-Rücktrittsgesuchen, die die Mitglieder des Verwaltungsrats der SEA an die Bürgermeisterin gerichtet haben sollen, einen positiven Beweiswert zugemessen.

55

Schließlich hat das Gericht in Rn. 88 des angefochtenen Urteils die Einstufung der fraglichen Maßnahmen als „Entscheidungen …, die … wichtig sind“, bestätigt, die die Kommission im 210. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses vorgenommen hat und aus der sie dort insbesondere auf die Unwahrscheinlichkeit einer fehlenden Beteiligung der Stadt Mailand am Erlass dieser Maßnahmen geschlossen hat.

56

Aus den Rn. 80 bis 88 des angefochtenen Urteils geht daher eindeutig hervor, dass das Gericht festgestellt hat, dass es im konkreten Fall positive Indizien für eine Beteiligung der Stadt Mailand am Erlass dieser Maßnahmen gibt, und es auf Grundlage dieser positiven Indizien als zulässig erachtet hat, dass sich auch die Kommission auf die Unwahrscheinlichkeit einer fehlenden Beteiligung der Stadt Mailand am Erlass zumindest einiger der fraglichen Maßnahmen im Zeitraum nach Abschluss der Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 gestützt hat.

57

Nach alledem ist der zweite Teil und damit der erste Rechtsmittelgrund insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Beweislastgrundsätze

Zum ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes: Angeblich ungleiche Beweislastverteilung

– Vorbringen der Parteien

58

Die Stadt Mailand trägt vor, das Gericht habe es unterlassen, die von ihr vorgelegten Beweise aufmerksam zu prüfen, als es diese in den Rn. 89 bis 94 des angefochtenen Urteils pauschal und unter bloßer wörtlicher Wiederholung der Erwägungen des streitigen Beschlusses als unzureichend, um die Unwahrscheinlichkeit einer fehlenden Beteiligung der Stadt Mailand an den fraglichen Maßnahmen zu widerlegen, zurückgewiesen habe.

59

Damit habe das Gericht es der Kommission erlaubt, sich auf den negativen Beweis der Unwahrscheinlichkeit einer fehlenden Beteiligung zu stützen, während es von der Stadt Mailand positive und konkrete Beweise für das Fehlen einer Beteiligung verlangt habe, wodurch von ihr eine probatio diabolica gefordert worden sei.

60

Dies werde insbesondere durch Rn. 82 des angefochtenen Urteils belegt, in der das Gericht das Vorbringen der Stadt Mailand zurückgewiesen habe, sie sei am Abschluss der Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 nur als politischer Vermittler beteiligt gewesen, obwohl dieser Umstand durch eidesstattliche Ad‑hoc-Erklärungen der Gewerkschaftsvertreter belegt worden sei. Denn das Gericht habe nicht nur diesen Erklärungen keinen Wert zugemessen, sondern es auch als unbedeutend erachtet, dass die Unterschrift unter dieser Vereinbarung vom Stadtrat für Personal und Arbeit stamme, und nicht vom Stadtrat für Haushalt.

61

Die Kommission hält das Vorbringen der Stadt Mailand für unzulässig, da der Gerichtshof damit um eine neue Würdigung des Sachverhalts ersucht werde. Das Gericht habe jedenfalls weder den Beweis der fehlenden Zurechenbarkeit unmöglich gemacht noch eine ungleiche Beweislastverteilung vorgenommen, sondern sorgsam sowohl die Indizien für als auch jene gegen die Zurechenbarkeit gewürdigt.

– Würdigung durch den Gerichtshof

62

Soweit die Stadt Mailand dem Gericht vorwirft, die Feststellung der Zurechenbarkeit der fraglichen Maßnahmen ausschließlich auf die Unwahrscheinlichkeit einer fehlenden Beteiligung ihrerseits am Erlass dieser Maßnahmen gestützt zu haben, ist bereits in den Rn. 52 und 56 des vorliegenden Urteils festgestellt worden, dass dieses Vorbringen auf einem falschen Verständnis des angefochtenen Urteils beruht, da das Gericht in den Rn. 80 bis 88 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass es positive Indizien gibt, die konkret auf eine Beteiligung der Stadt Mailand am Erlass der fraglichen Maßnahmen hinweisen.

63

Außerdem hat sich das Gericht, wie die Generalanwältin in Nr. 48 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, vor dem Hintergrund der in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze in gleicher Weise mit den von der Stadt Mailand geltend gemachten Indizien auseinandergesetzt, die belegen sollen, dass sie nicht am Erlass dieser Maßnahmen beteiligt war.

64

So hat das Gericht bei sämtlichen von der Kommission oder der Stadt Mailand vorgebrachten Indizien alle Gesichtspunkte geprüft, die für und die gegen deren Beweiswert sprechen bzw. für deren Gewichtung bedeutsam sind. Daraus folgt, dass das Gericht die von den Parteien vorgebrachten Argumente und Beweise ausgewogen geprüft hat und nach eingehender Würdigung aller vorgebrachten Gesichtspunkte zu seinem Ergebnis gelangt ist.

65

Somit hat das Gericht, wie die Generalanwältin in Nr. 49 ihrer Schlussanträge festgestellt hat, das Vorbringen der Stadt Mailand nicht – wie diese behauptet – deshalb zurückgewiesen, weil es die Erbringung positiver und konkreter Beweise für die fehlende Beteiligung der Stadt Mailand am Erlass der fraglichen Maßnahmen verlangt hat oder weil es eine ungleiche Beweislastverteilung vorgenommen hat, sondern deshalb, weil es den Beweiswert jedes einzelnen vorgebrachten Indizes gewürdigt hat.

66

Was schließlich das in Rn. 60 des vorliegenden Urteils zusammengefasste Vorbringen, mit dem die Stadt Mailand diese Würdigung durch das Gericht in Frage stellen möchte, anbelangt, so ist es – wie die Kommission zu Recht geltend macht – so zu verstehen, dass es auf eine neue Würdigung des Sachverhalts gerichtet ist, was nicht unter die Zuständigkeit des Gerichtshofs fällt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. November 2016, Kommission/Frankreich und Orange, C‑486/15 P, EU:C:2016:912, Rn. 97).

67

Folglich ist der erste Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes als teils unzulässig und teils unbegründet zurückzuweisen.

Zum zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes: Beweisthema

– Vorbringen der Parteien

68

Nach Ansicht der Stadt Mailand ist dem Gericht ein Rechtsfehler unterlaufen, als es in den Rn. 73 und 83 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass die Kommission zu Recht davon ausgegangen sei, dass die erwiesene aktive Teilnahme der Stadt Mailand am Abschluss der Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 als solche ausgereicht habe, um den Schluss zu rechtfertigen, dass sie an der Gewährung der fraglichen Maßnahmen beteiligt gewesen sei, die als einheitliche Maßnahme anzusehen seien.

69

Nach der Rechtsprechung hätte die Kommission die Zurechenbarkeit jeder einzelnen im fraglichen Zeitraum erfolgten Rekapitalisierungsmaßnahme nachweisen müssen, da die verschiedenen Maßnahmen völlig voneinander getrennt gewesen seien. Dem Gerichtshof zufolge könnten mehrere aufeinanderfolgende Maßnahmen des Staates nur dann als eine einzige Maßnahme betrachtet werden, wenn sie in Anbetracht ihrer zeitlichen Abfolge, ihres Zwecks und der Lage des Unternehmens derart eng miteinander verknüpft seien, dass sie sich unmöglich voneinander trennen ließen. Außerdem habe das Gericht diese Rechtsprechung zu den Kriterien der staatlichen Mittel und des privaten Wirtschaftsteilnehmers zu Unrecht auf die Zurechenbarkeit einer Maßnahme erstreckt.

70

Insoweit habe die Stadt Mailand zunächst das Gericht darauf hingewiesen, dass die angeblichen Indizien für die Zurechenbarkeit zahlenmäßig gering, von unbefriedigender Qualität und nicht unmittelbar mit den fraglichen Maßnahmen verknüpft seien. Sodann treffe es nicht zu, dass die italienischen Behörden und die SEA das Bestehen einer mehrjährigen Strategie zur Deckung der Verluste der SEA Handling während des für ihre Umstrukturierung erforderlichen Zeitraums eingeräumt hätten, da sich die fraglichen Behauptungen nur auf eine Sanierungsstrategie der SEA Handling bezögen. Schließlich seien die Rekapitalisierungen stets in Situationen ohne jeden Zusammenhang erfolgt.

71

Die Kommission erwidert, eine Beschränkung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Voraussetzungen, die erfüllt sein müssten, damit mehrere aufeinanderfolgende Maßnahmen des Staates als eine einzige Maßnahme angesehen werden könnten, auf die Kriterien der staatlichen Mittel und des privaten Wirtschaftsteilnehmers widerspräche ihrem Wortlaut und ihrer Logik. Im Übrigen beschränke sich die Stadt Mailand darauf, den Gerichtshof um eine neue Würdigung des Sachverhalts zu ersuchen, was im Rechtsmittelverfahren unzulässig sei.

– Würdigung durch den Gerichtshof

72

Nach gefestigter Rechtsprechung kann angesichts dessen, dass die staatlichen Maßnahmen unterschiedliche Formen annehmen und nach ihren Wirkungen zu untersuchen sind, nicht ausgeschlossen werden, dass mehrere aufeinanderfolgende Maßnahmen des Staates für die Zwecke der Anwendung von Art. 107 Abs. 1 AEUV als eine einzige Maßnahme zu betrachten sind. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn aufeinanderfolgende Maßnahmen namentlich in Anbetracht ihrer zeitlichen Abfolge, ihres Zwecks und der Lage des Unternehmens zum Zeitpunkt dieser Maßnahmen derart eng miteinander verknüpft sind, dass sie sich unmöglich voneinander trennen lassen (Urteile vom 4. Juni 2015, Kommission/MOL, C‑15/14 P, EU:C:2015:362, Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 26. März 2020, Larko/Kommission, C‑244/18 P, EU:C:2020:238, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73

Da es nach dieser Rechtsprechung für die Zwecke der Anwendung von Art. 107 Abs. 1 AEUV auf die staatlichen Maßnahmen als solche ankommt und diese deshalb objektiv auf ihre Auswirkungen zu untersuchen sind, kann diese Rechtsprechung jedoch nicht ausschließlich auf bestimmte der in dieser Vorschrift genannten Kriterien angewandt werden. Daher kann diese Rechtsprechung, wie die Generalanwältin in Nr. 54 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, auch auf das Kriterium der Zurechenbarkeit solcher Maßnahmen an den Staat Anwendung finden.

74

Daraus folgt, dass dem Gericht entgegen dem Vorbringen der Stadt Mailand kein Rechtsfehler unterlaufen ist, als es in Rn. 71 des angefochtenen Urteils auf diese Rechtsprechung Bezug genommen und sie anschließend im Rahmen seiner Prüfung der Zurechenbarkeit der fraglichen Maßnahmen an die Stadt Mailand angewandt hat.

75

Im Übrigen beschränkt sich die Stadt Mailand, wie die Kommission zu Recht geltend macht, darauf, mit dem in Rn. 70 des vorliegenden Urteils zusammengefassten Vorbringen um eine neue Würdigung des Sachverhalts anstelle derjenigen des Gerichts in den Rn. 72 und 73 des angefochtenen Urteils zu ersuchen, was, wie sich aus der in Rn. 66 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, im Rechtsmittelverfahren nicht zulässig ist.

76

Folglich sind der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes und damit der zweite Rechtsmittelgrund insgesamt als teils unzulässig und teils unbegründet zurückzuweisen.

Dritter Rechtsmittelgrund: Verfälschung von Beweisen

Vorbringen der Parteien

77

Die Stadt Mailand trägt vor, das Gericht habe die Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 verfälscht, als es in Rn. 77 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass diese Vereinbarung eine klare und präzise Verpflichtung der SEA vorsehe, für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren das Gleichgewicht zwischen Kosten und Nutzen und den allgemeinen wirtschaftlichen Rahmen der SEA Handling aufrechtzuerhalten, und daraus den Schluss gezogen habe, dass die SEA aufgrund dieser Verpflichtung mögliche Verluste der SEA Handling auszugleichen gehabt habe, die den Fortbestand ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit hätten beeinträchtigen können.

78

Die Stadt Mailand erläutert insoweit, dass diese Vereinbarung der SEA keine Verpflichtung auferlegt habe, die SEA Handling zu rekapitalisieren, da sie weder Verluste noch Rekapitalisierungen oder Verpflichtungen der SEA bei Eintritt solcher Ereignisse erwähne. Folglich habe das Gericht sie im Licht der späteren Kapitalerhöhungen rückwirkend gelesen und sei daher nicht vom Kontext des Abschlusses dieser Vereinbarung ausgegangen. Nach dem Wortlaut dieser Vereinbarung sei die SEA Handling aber gegründet worden, um den Wettbewerb auf den anderen italienischen Flughäfen aufnehmen zu können, und damit im Hinblick auf ein positives Wachstumsszenario.

79

Die Stadt Mailand führt aus, dass sie in einer Klausel der Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 zwar „bestätigt“ habe, dass „das Gleichgewicht zwischen Kosten und Nutzen und der allgemeine wirtschaftliche Rahmen“ der SEA Handling aufrechterhalten würden, diese Klausel jedoch zwischen der Klausel über die Verringerung der Mittel und der über die Ausdehnung der Geschäftstätigkeit der SEA Handling auf andere Märkte stehe und durch diese Maßnahmen Rekapitalisierungen vermieden werden sollten. Außerdem nehme die Vereinbarung auf die mögliche Beteiligung von Aktionären am Kapital der SEA Handling Bezug, um deren Erfolgsaussichten zu erhöhen. Schließlich werde darin ausgeführt, dass die Verwaltungskapazitäten der SEA Handling aufrechterhalten würden, um ihre Möglichkeiten, auf den nationalen und internationalen Märkten in einen wirksamen Wettbewerb zu treten, noch weiter zu verbessern.

80

Daraus folge, dass die Stadt Mailand in der Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 keine tatsächliche oder rechtliche Verpflichtung in Bezug auf Rekapitalisierungen eingegangen sei.

81

Nach Ansicht der Kommission beschränkt sich die Stadt Mailand darauf, unter dem Deckmantel einer angeblichen Verfälschung die vom Gericht vorgenommene Würdigung der Indizien für die Zurechenbarkeit des Handelns der SEA an die Stadt Mailand zu beanstanden, weshalb dieses Vorbringen unzulässig sei. Jedenfalls entbehre dieses Vorbringen jeder Grundlage.

Würdigung durch den Gerichtshof

82

Nach Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist allein das Gericht zuständig für die Feststellung der Tatsachen – sofern sich nicht aus den Prozessakten ergibt, dass seine Feststellungen tatsächlich falsch sind – und für ihre Würdigung (Urteil vom 30. November 2016, Kommission/Frankreich und Orange, C‑486/15 P, EU:C:2016:912, Rn. 97 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

83

Folglich stellt die Tatsachenwürdigung, sofern die dem Gericht vorgelegten Beweise nicht verfälscht werden, keine Rechtsfrage dar, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt (Urteil vom 30. November 2016, Kommission/Frankreich und Orange, C‑486/15 P, EU:C:2016:912, Rn. 98 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

84

Behauptet ein Rechtsmittelführer eine Verfälschung von Beweisen durch das Gericht, muss er nach Art. 256 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 168 Abs. 1 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichtshofs genau angeben, welche Beweise das Gericht verfälscht haben soll, und die Beurteilungsfehler darlegen, die das Gericht seines Erachtens zu dieser Verfälschung veranlasst haben. Ferner muss sich nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine solche Verfälschung in offensichtlicher Weise aus den Akten ergeben, ohne dass es einer neuen Tatsachen- und Beweiswürdigung bedarf (Urteil vom 30. November 2016, Kommission/Frankreich und Orange, C‑486/15 P, EU:C:2016:912, Rn. 99 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

85

Im vorliegenden Fall hat das Gericht in Rn. 77 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die SEA nach dem Wortlaut der Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 eine klare und präzise Verpflichtung übernommen hatte, für den Zeitraum von mindestens fünf Jahren „das Gleichgewicht zwischen Kosten und Nutzen und [den] allgemeine[n] wirtschaftliche[n] Rahmen“ der SEA Handling dadurch aufrechtzuerhalten, dass „[ihre] Verwaltungskapazitäten aufrechterhalten und ihre Möglichkeiten, auf den nationalen und internationalen Märkten tätig zu werden, spürbar verbessert werden“.

86

Daher ist festzustellen, dass der Wortlaut der Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 die vom Gericht in Rn. 77 des angefochtenen Urteils vertretene Auslegung zulässt, wonach die SEA aufgrund dieser Verpflichtung mögliche Verluste der SEA Handling auszugleichen hatte, die den Fortbestand ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit beeinträchtigen konnten. Wie das Gericht in derselben Randnummer festgestellt hat, wird diese Auslegung außerdem durch die in Rn. 5 des vorliegenden Urteils angeführten späteren Gewerkschaftsvereinbarungen bestätigt, so dass sich die angebliche Verfälschung jedenfalls nicht in offensichtlicher Weise aus den Akten ergibt.

87

Im Übrigen genügt der Hinweis, dass sich die Stadt Mailand – wie die Kommission zu Recht geltend macht und die Generalanwältin in den Nrn. 65 bis 68 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat – darauf beschränkt, unter dem Deckmantel einer angeblichen Verfälschung dieser Vereinbarung die Würdigung dieses Beweises durch das Gericht zu beanstanden, wenn sie vorträgt, dass das Gericht es unterlassen habe, vom Kontext des Abschlusses dieser Vereinbarung auszugehen.

88

Folglich ist der dritte Rechtsmittelgrund als teils unzulässig und teils unbegründet zurückzuweisen.

Vierter Klagegrund: Kriterium des privaten Kapitalgebers

Vorbringen der Parteien

89

Die Stadt Mailand bringt vor, das Gericht habe in den Rn. 97, 107 und 108 des angefochtenen Urteils den Sachverhalt falsch beurteilt und dadurch das Kriterium des privaten Kapitalgebers verkannt.

90

Erstens ließen nämlich, wie im Rahmen des zweiten Rechtsmittelgrundes dargelegt worden sei, weder die Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 noch irgendein anderes Dokument den Schluss zu, dass es eine Strategie zur Deckung der Verluste der SEA Handling durch die SEA gegeben habe.

91

Zweitens sei das Gericht bei der Prüfung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers nicht vom Kontext der besonderen Lage der SEA zum damaligen Zeitpunkt ausgegangen. Diese Lage unterscheide sich von der Lage eines typischen privaten Kapitalgebers, da die SEA eine ausschließliche Konzession für den Betrieb der Mailänder Flughäfen bis zum Jahr 2041 habe und daher mit geringem Risiko und sehr langfristigen Rentabilitätsaussichten arbeite.

92

Der Fehler des Gerichts bestehe in der Bedeutung, die es dem Fehlen zeitgenössischer wirtschaftlicher Studien zugemessen habe, die eine sorgfältige Prüfung der Rentabilität der Rekapitalisierungen der SEA Handling und der Dauer, bis sie eine Rendite erbrächten, anhand einer Kosten-Nutzen-Analyse belegten. Dies ergebe sich insbesondere aus Rn. 114 des angefochtenen Urteils, in der das Gericht zu Unrecht die Relevanz einer von der Stadt Mailand vorgelegten wirtschaftlichen Studie allein deshalb verneint habe, weil sie nach dem Erlass der fraglichen Maßnahmen erstellt worden sei.

93

Die Rechtsprechung verlange nämlich nicht, dass die Beweise für die wirtschaftliche Rationalität einer Maßnahme aus der Zeit ihres Erlasses stammten, sondern, dass bei der Beurteilung dieser Maßnahme anhand dieses Kriteriums auf den Kontext ihres Erlasses abzustellen sei, so dass der in der wirtschaftlichen Studie dargestellte Ausblick und nicht die wirtschaftliche Studie als solche ex ante erfolgen müsse. Es wäre nämlich absurd, würde man – so wie das Gericht – die Inanspruchnahme des Kriteriums des privaten Kapitalgebers durch ein privates Unternehmen von der unabdingbaren Voraussetzung abhängig machen, dass dieses Unternehmen ein Dokument vorlege, das seine Prognosen bestätige.

94

Insoweit weist die Stadt Mailand darauf hin, dass im Jahr 2002 der Ausblick von SEA Handling positiv gewesen sei und danach eine Reihe äußerer und unvorhergesehener Ereignisse ihre Sanierung verlangsamt hätten. Daher habe die SEA nicht jede Rekapitalisierung neuerlich konkret auf ihre Rentabilität prüfen müssen und sei auch nach dem nationalen Recht nicht verpflichtet gewesen, schriftlich und gestützt auf externe Wirtschaftsexperten die Rationalität ihrer Maßnahmen zu begründen. Da insbesondere das Problem der SEA Handling im Wesentlichen mit den Personalkosten zusammengehangen habe, habe es keinen Grund gegeben, wirtschaftliche Studien in Auftrag zu geben.

95

Drittens habe das Gericht zu Unrecht angenommen, dass die Würdigung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten durch die Kommission nur einer beschränkten Kontrolle durch den Unionsrichter unterliege. Nach der Rechtsprechung obliege es dem Unionsrichter nämlich, eine eingehende und umfassende tatsächliche und rechtliche Kontrolle auszuüben, die sich insbesondere auf die Auslegung der wirtschaftlichen Daten durch die Kommission beziehe.

96

Viertens wirft die Stadt Mailand dem Gericht vor, ihr die Beweislast für das Kriterium des privaten Kapitalgebers auferlegt zu haben, da die Kommission insoweit keinerlei Nachweis erbracht habe. Die Kommission habe nämlich, wie sie vor dem Gericht eingeräumt habe, weder eine Untersuchung des Marktes für Flughafendienstleistungen noch eine wirtschaftliche Studie über dieses Kriterium oder eine Analyse der wirtschaftlichen Ergebnisse anderer vergleichbarer Betreiber durchgeführt. Ebenso wenig habe sie angegeben, welche Maßnahmen die SEA nach diesem Kriterium hätte ergreifen müssen.

97

Entgegen den Vorgaben der Rechtsprechung habe die Kommission ihre Annahme, dass die SEA Handling einen Vorteil erhalten habe, mangels positiver Beweise auf eine negative Vermutung gestützt, die auf dem Fehlen von Informationen, die eine gegenteilige Schlussfolgerung zuließen, beruhe. Folglich seien dem Gericht dadurch Rechtsfehler unterlaufen, dass es nicht geprüft habe, ob die Kommission bei ihrer Beurteilung alle relevanten Gesichtspunkte berücksichtigt habe.

98

Die Kommission hält das Vorbringen der Stadt Mailand für unbegründet.

Würdigung durch den Gerichtshof

99

Als Erstes ist festzustellen, dass sich das in Rn. 90 des vorliegenden Urteils zusammengefasste Vorbringen der Stadt Mailand darauf beschränkt, das Vorbringen im Rahmen des zweiten Rechtsmittelgrundes zu wiederholen, so dass es aus den bereits in Rn. 75 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen nicht durchgreifen kann.

100

Als Zweites ist zu dem in Rn. 95 des vorliegenden Urteils zusammengefassten Vorbringen zu der dem Gericht obliegenden gerichtlichen Kontrolle festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Prüfung, die die Kommission bei der Anwendung des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers vorzunehmen hat, erfordert, dass eine wirtschaftliche Gesamtbeurteilung vorgenommen wird und dass der Unionsrichter im Rahmen der Kontrolle, die die Unionsgerichte in Bezug auf die Würdigung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten durch die Kommission im Bereich der staatlichen Beihilfen ausüben, nicht die wirtschaftliche Beurteilung seitens der Kommission durch seine eigene ersetzen darf (Urteil vom 26. März 2020, Larko/Kommission, C‑244/18 P, EU:C:2020:238, Rn. 39).

101

Folglich ist das angefochtene Urteil nicht deshalb rechtsfehlerbehaftet, weil sich das Gericht darauf beschränkt hat, zu prüfen, ob die wirtschaftlichen Beurteilungen der Kommission zur Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet sind.

102

Entgegen der Behauptung der Stadt Mailand kann aus der aus den Urteilen vom 8. Dezember 2011, KME Germany u. a./Kommission (C‑272/09 P, EU:C:2011:810), und vom 8. Dezember 2011, Chalkor/Kommission (C‑386/10 P, EU:C:2011:815), hervorgegangenen Rechtsprechung kein anderer Schluss gezogenen werden. Wie nämlich die Generalanwältin in Nr. 80 ihrer Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, lässt sich diese Rechtsprechung, die sich auf die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der Kommission bezieht, mit denen Zuwiderhandlungen gegen die Art. 101 und 102 AEUV festgestellt und gegebenenfalls hierfür finanzielle Sanktionen verhängt werden, nicht als solche auf die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der Kommission über staatliche Beihilfen übertragen.

103

Als Drittes ist hinsichtlich der Behauptung, das Gericht habe in den Rn. 113 bis 117 des angefochtenen Urteils die Beweislastverteilung verkannt, darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV keine Maßnahme aus Staatsmitteln zugunsten eines Unternehmens umfassen kann, wenn dieses Unternehmen denselben Vorteil unter Umständen, die normalen Marktbedingungen entsprechen, hätte erhalten können, denn die Beurteilung der Voraussetzungen, unter denen ein solcher Vorteil gewährt wurde, erfolgt grundsätzlich unter Anwendung des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers (Urteil vom 6. März 2018, Kommission/FIH Holding und FIH Erhvervsbank, C‑579/16 P, EU:C:2018:159, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

104

Wenn sich insoweit erkennen lässt, dass das Kriterium des privaten Kapitalgebers anwendbar sein könnte, hat die Kommission den betroffenen Mitgliedstaat um alle einschlägigen Informationen zu ersuchen, um überprüfen zu können, ob die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit und Anwendung dieses Kriteriums erfüllt sind (Urteile vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 104, sowie vom 6. März 2018, Kommission/FIH Holding und FIH Erhvervsbank, C‑579/16 P, EU:C:2018:159, Rn. 47).

105

Die Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers dient nämlich dazu, festzustellen, ob der einem Unternehmen aus staatlichen Mitteln – in welcher Form auch immer – gewährte wirtschaftliche Vorteil aufgrund seiner Wirkungen den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen kann (Urteil vom 5. Juni 2012,Kommission/EDF, C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 89). Zu prüfen ist folglich nicht, ob ein privater Kapitalgeber genauso gehandelt hätte wie der öffentliche Kapitalgeber, sondern ob er unter ähnlichen Umständen einen gleich hohen Betrag wie der öffentliche Kapitalgeber zugeführt hätte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 95).

106

Zur Beurteilung der Frage, ob dieselbe Maßnahme unter normalen Marktbedingungen von einem privaten Kapitalgeber, der sich in einer möglichst ähnlichen Lage befindet wie der Staat, getroffen worden wäre, sind nur die Vorteile und Verpflichtungen zu berücksichtigen, die mit der Eigenschaft des Staates als Anteilseigner zusammenhängen, nicht aber jene, die sich an seine Eigenschaft als Träger von öffentlicher Gewalt knüpfen (Urteil vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 79). Wenn sich ein Mitgliedstaat im Verwaltungsverfahren auf das Kriterium des privaten Kapitalgebers beruft, muss er im Zweifelsfall eindeutig und anhand objektiver und nachprüfbarer Nachweise belegen, dass er die durchgeführte Maßnahme in seiner Eigenschaft als Anteilseigner getroffen hat (Urteil vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 82).

107

Aus diesen Nachweisen muss klar hervorgehen, dass der betroffene Mitgliedstaat vor oder gleichzeitig mit der Gewährung des wirtschaftlichen Vorteils die Entscheidung getroffen hat, mit der tatsächlich durchgeführten Maßnahme Kapital in das von ihm kontrollierte öffentliche Unternehmen zu investieren. Insoweit können insbesondere Nachweise erforderlich sein, die zeigen, dass diese Entscheidung auf wirtschaftlichen Bewertungen beruht, die mit jenen vergleichbar sind, die ein rationaler privater Kapitalgeber in einer möglichst ähnlichen Lage wie dieser Mitgliedstaat vor dieser Kapitalanlage hätte erstellen lassen, um die künftige Rentabilität einer solchen Kapitalanlage zu bestimmen (Urteil vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 83 und 84).

108

Im vorliegenden Fall geht, wie die Generalanwältin in Nr. 101 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, aus dem streitigen Beschluss und dem angefochtenen Urteil eindeutig hervor, dass die Kommission in diesem Beschluss den Grundsatz des privaten Wirtschaftsteilnehmers angewandt hat und dass die Anwendbarkeit des Kriteriums des privaten Kapitalgebers im konkreten Fall weder vor der Kommission noch vor dem Gericht problematisiert wurde, was die Kommission übrigens in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof bestätigt hat.

109

Was die Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers anbelangt, so gehört dieses zu den Faktoren, die die Kommission berücksichtigen muss, um das Vorliegen einer Beihilfe festzustellen, und stellt somit keine Ausnahme dar, die nur zur Anwendung kommt, wenn sich ein Mitgliedstaat auf sie beruft und festgestellt worden ist, dass die in Art. 107 Abs. 1 AEUV enthaltenen Tatbestandsmerkmale des Begriffs „staatliche Beihilfe“ vorliegen (Urteile vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 103, vom 26. März 2020, Larko/Kommission, C‑244/18 P, EU:C:2020:238, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

110

Folglich obliegt es der Kommission, insbesondere unter Berücksichtigung der vom betreffenden Mitgliedstaat übermittelten Informationen zu beweisen, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers nicht erfüllt sind, so dass die fragliche staatliche Maßnahme einen Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV beinhaltet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. März 2020, Larko/Kommission, C‑244/18 P, EU:C:2020:238, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

111

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im Rahmen einer Entscheidung über den Abschluss des förmlichen Prüfverfahrens nach Art. 7 der Verordnung Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [108 AEUV] (ABl. 1999, L 83, S. 1) nicht einfach von der Annahme, dass einem Unternehmen ein Vorteil zugeflossen ist, der eine staatliche Beihilfe darstellt, ausgehen darf, indem sie sich, weil sie nicht über Informationen für eine mögliche gegenteilige Schlussfolgerung verfügt, in Ermangelung anderer Anhaltspunkte für die positive Feststellung eines solchen Vorteils auf eine negative Vermutung stützt (Urteile vom 17. September 2009, Kommission/MTU Friedrichshafen, C‑520/07 P, EU:C:2009:557, Rn. 58, sowie vom 26. März 2020, Larko/Kommission, C‑244/18 P, EU:C:2020:238, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).

112

Allerdings sind für die Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers nach der Rechtsprechung nur die im Zeitpunkt der Entscheidung über die Vornahme der Kapitalanlage verfügbaren Informationen und vorhersehbaren Entwicklungen relevant (Urteil vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 105). Im Übrigen muss sich die Kommission, da sie keine unmittelbare Kenntnis der Umstände besitzt, unter denen eine Kapitalanlageentscheidung getroffen wurde, bei der Anwendung dieses Kriteriums weitgehend auf die objektiven und nachprüfbaren Anhaltspunkte stützen, die der betreffende Mitgliedstaat als Nachweis dafür geliefert hat, dass die durchgeführte Maßnahme in seiner Eigenschaft als Anteilseigner getroffen wurde und daher nach der in den Rn. 106 und 107 angeführten Rechtsprechung das genannte Kriterium anwendbar ist.

113

Da die Entscheidung zu berücksichtigen ist, die der private Kapitalgeber zum Zeitpunkt der Vornahme der Kapitalanlage getroffen hätte, kann das Fehlen einer vorherigen Bewertung, auch wenn es für sich genommen nicht entscheidend ist, folglich ein relevanter Gesichtspunkt für die Überprüfung komplexer wirtschaftlicher Beurteilungen sein, die die Kommission im Rahmen der Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers vorzunehmen hat.

114

Wenn nämlich Kapitalzuschüsse eines öffentlichen Kapitalgebers selbst langfristig von jeder Aussicht auf Rentabilität absehen, entsprechen sie nicht dem Kriterium des privaten Kapitalgebers und sind als Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. März 1991, Italien/Kommission, C‑303/88, EU:C:1991:136, Rn. 22, sowie vom 6. März 2018, Kommission/FIH Holding und FIH Erhvervsbank, C‑579/16 P, EU:C:2018:159, Rn. 61).

115

Insoweit obliegt es dem Gericht, sich – entsprechend den Ausführungen in den Rn. 100 und 101 des vorliegenden Urteils – zu vergewissern, dass solche komplexen wirtschaftlichen Beurteilungen der Kommission mit keinem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet sind, was bedeutet, dass es nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, deren Zuverlässigkeit und Kohärenz zu prüfen hat, sondern auch zu kontrollieren hat, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die für die Bewertung eines komplexen Sachverhalts heranzuziehen sind, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlussfolgerungen tragen können (Urteil vom 26. März 2020, Larko/Kommission, C‑244/18 P, EU:C:2020:238, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

116

Wie die Generalanwältin in den Nrn. 103 und 104 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, lässt im vorliegenden Fall die in den Rn. 113 bis 117 des angefochtenen Urteils enthaltene Würdigung ungeachtet der Wortwahl nicht erkennen, dass das Gericht gegen die für das Kriterium des privaten Kapitalgebers geltenden Beweislastregeln verstoßen hätte.

117

Aus der Würdigung in den Rn. 85 und 86 des vorliegenden Urteils ergibt sich nämlich, dass das Gericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, dass sich die SEA im Rahmen der Gewerkschaftsvereinbarung vom 26. März 2002 verpflichtet hatte, während eines Zeitraums von mindestens fünf Jahren mögliche Verluste der SEA Handling auszugleichen, die den Fortbestand ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit beeinträchtigen konnten. Wie die Generalanwältin in den Nrn. 105 und 106 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, hätte ein privater Kapitalgeber eine solche Verpflichtung aber nicht übernommen, ohne zuvor deren Rentabilität und wirtschaftliche Rationalität angemessen zu bewerten. Unter diesen Umständen und im Licht der in den Rn. 107 und 114 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung kann das Fehlen einer angemessenen vorherigen Bewertung der Rentabilität bzw. wirtschaftlichen Rationalität solcher Kapitalanlagen ein wesentlicher Beleg dafür sein, dass ein privater Kapitalgeber unter ähnlichen Umständen keinen gleich hohen Betrag wie der öffentliche Kapitalgeber zugeführt hätte.

118

Das Gericht hat zunächst in Rn. 97 des angefochtenen Urteils die tatsächlichen Umstände berücksichtigt, auf die die Kommission ihre Feststellung im streitigen Beschluss gestützt hatte, wonach die fraglichen Maßnahmen ohne jede angemessene vorherige Bewertung erlassen worden seien, die ein privater Kapitalgeber in der Lage der SEA hätte erstellen lassen, um sich ihrer Rentabilität oder wirtschaftlichen Rationalität zu vergewissern, und sodann insbesondere in den Rn. 113 bis 117 des angefochtenen Urteils geprüft, ob diese Feststellung der Kommission mit offensichtlichen Beurteilungsfehlern behaftet ist. In den Rn. 120 und 132 des angefochtenen Urteils hat das Gericht dies verneint.

119

Folglich hat das Gericht die ihm obliegende Kontrolle ausgeübt, indem es insbesondere in den Rn. 113 bis 117 des angefochtenen Urteils geprüft hat, ob die Kommission, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, davon ausgehen durfte, dass die im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben geeignet waren, das Unterbleiben einer solchen Bewertung zu belegen.

120

Unter diesen Umständen hat das Gericht, als es in den Rn. 113 bis 117 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass der Kommission bei ihren in Rn. 97 des angefochtenen Urteils wiedergegebenen Feststellungen kein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen war, nicht die Tatsache verkannt, dass die Kommission zu beweisen hat, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers nicht erfüllt sind.

121

Außerdem kann die Stadt Mailand angesichts der Erwägungen in den Rn. 117 bis 120 des vorliegenden Urteils nicht mit ihrer Behauptung durchdringen, das Gericht habe die Beweislast der Kommission verkannt, indem es nicht beanstandet habe, dass die Kommission keine Marktstudien durchgeführt habe, sich auf negative Vermutungen gestützt habe und nicht alle relevanten Gesichtspunkte berücksichtigt habe.

122

Als Viertes ist zu dem Vorwurf der Stadt Mailand, das Gericht habe in Rn. 114 des angefochtenen Urteils eine wirtschaftliche Studie allein deshalb nicht berücksichtigt, weil sie nach den fraglichen Maßnahmen erstellt worden sei, zunächst festzustellen, dass dieses Vorbringen auf einem falschen Verständnis dieses Urteils beruht. Aus dem Wortlaut dieser Rn. 114 ergibt sich nämlich, dass das Gericht den Inhalt der von der Stadt Mailand vorgelegten wirtschaftlichen Studie geprüft und sie zunächst wegen der darin enthaltenen lapidaren und widersprüchlichen Feststellungen und damit ihrer inhärenten Unzulänglichkeit für die Zwecke einer Prüfung anhand des Kriteriums des privaten Kapitalgebers zurückgewiesen hat. Erst im weiteren Verlauf dieser Rn. 114 hat es zudem festgestellt, dass diese wirtschaftliche Studie erst nach den fraglichen Maßnahmen erstellt worden war.

123

Jedenfalls ist festzustellen, dass für die Anwendung des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers nur die im Zeitpunkt der Entscheidung über die Vornahme der fraglichen Maßnahme verfügbaren Informationen und vorhersehbaren Entwicklungen relevant sind (Urteil vom 26. März 2020, Larko/Kommission, C‑244/18 P, EU:C:2020:238, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung), und zwar insbesondere um die Gründe darzulegen, die tatsächlich hinter der Entscheidung der fraglichen staatlichen Stelle stehen, die streitige Kapitalanlage vorzunehmen. Die wirtschaftliche Beurteilung, die die Kommission im Verwaltungsverfahren vornimmt, erfolgt im Fall von Beihilfen, die unter Verstoß gegen die Anmeldepflicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV gewährt wurden, jedoch notwendigerweise nach dem Erlass der betreffenden Maßnahmen.

124

Daher können wirtschaftliche Studien und Analysen, auf die sich diese wirtschaftliche Beurteilung der Kommission stützt, ebenso wie etwaige Gegengutachten gleicher Art, auf die sich der betroffene Mitgliedstaat oder der Beihilfeempfänger beruft, um auf die Studien einzugehen, auf die sich die Kommission stützt, für die Anwendung des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers relevant sein, soweit sie allein auf den zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung über die Vornahme der fraglichen Maßnahme verfügbaren Informationen und vorhersehbaren Entwicklungen beruhen.

125

Da im vorliegenden Fall die wirtschaftliche Studie, auf die die Stadt Mailand ihre Beurteilung stützt, nach dem Erlass der fraglichen Maßnahmen durchgeführt wurde, kann sie nicht die Feststellung der Kommission in Frage stellen, nach der keine angemessene vorherige Bewertung der Rentabilität und der wirtschaftlichen Rationalität dieser Maßnahmen erfolgt war und die einen wesentlichen Grund für die Folgerung der Kommission bildete, dass ein privater Kapitalgeber unter ähnlichen Umständen der SEA Handling keinen gleich hohen Betrag wie die SEA zugeführt hätte.

126

Daraus folgt, dass dem Gericht kein Rechtsfehler unterlaufen ist, als es zum einen geprüft hat, ob die von der Stadt Mailand angeführte wirtschaftliche Studie Elemente einer wirtschaftlichen Analyse enthält, die für die wirtschaftliche Beurteilung, die die Kommission im Rahmen der Anwendung des Grundsatzes des privaten Wirtschaftsteilnehmers vorzunehmen hatte, relevant sind, und zum anderen festgestellt hat, dass diese Studie angesichts dessen, dass sie nach dem Erlass der fraglichen Maßnahmen durchgeführt wurde, keinen offensichtlichen Fehler der von der Kommission im streitigen Beschluss angeführten Beurteilung begründen konnte, nach der diese Maßnahmen ohne jegliche angemessene vorherige Bewertung erlassen worden waren, die ein privater Kapitalgeber in der Lage der SEA hätte erstellen lassen, um sich der Rentabilität bzw. wirtschaftlichen Rationalität der Maßnahmen zu vergewissern.

127

Als Fünftes geht hinsichtlich des Vorbringens der Stadt Mailand, das Gericht sei nicht von der besonderen Lage der SEA zum fraglichen Zeitpunkt ausgegangen, die sich durch sehr langfristige Rentabilitätsaussichten ausgezeichnet habe, zunächst aus Rn. 112 des angefochtenen Urteils hervor, dass das Gericht diesen Aspekt bei seiner Würdigung berücksichtigt hat.

128

Selbst wenn die Rentabilitätsaussichten wie von der Stadt Mailand behauptet bis ins Jahr 2041 zu erstrecken wären, hätte die Stadt Mailand für diese Maßnahmen zudem eine Aussicht auf Rendite vor diesem Zeitpunkt geben müssen. Es ist jedoch festzustellen, dass sich die Prüfung des Gerichts in den Rn. 113 bis 131 des angefochtenen Urteils gerade dieser Frage gewidmet hat.

129

Schließlich ist die Beanstandung der Richtigkeit dieser Prüfung seitens der Stadt Mailand so zu verstehen, dass damit der Gerichtshof um eine neue Würdigung des Sachverhalts ersucht wird, wofür er nach der in Rn. 66 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung nicht zuständig ist.

130

Unter diesen Umständen ist der vierte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

131

Nach alledem ist das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Kosten

132

Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist.

133

Nach Art. 138 Abs. 1 dieser Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

134

Da die Stadt Mailand mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

 

2.

Die Comune di Milano trägt die Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Italienisch.