URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)
19. Dezember 2019 ( *1 )
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Staatliche Beihilfen – Begriff – In Schwierigkeiten befindliches öffentliches Eisenbahnunternehmen – Beihilfemaßnahmen – Bereitstellung einer Finanzhilfe – Zweck – Weiterbetrieb des öffentlichen Eisenbahnunternehmens – Bereitstellung von Mitteln und Beteiligung am Kapital dieses öffentlichen Unternehmens – Übertragung in das Kapital eines anderen öffentlichen Unternehmens – Kriterium des privaten Kapitalgebers – Pflicht, neue Beihilfen im Voraus anzumelden“
In der Rechtssache C‑385/18
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) mit Entscheidung vom 5. April 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Juni 2018, in dem Verfahren
Arriva Italia Srl,
Ferrotramviaria SpA,
Consorzio Trasporti Aziende Pugliesi (CO.TRA.P)
gegen
Ministero delle Infrastrutture e dei Trasporti,
Beteiligte:
Ferrovie dello Stato Italiane SpA,
Gestione Commissariale per Le Ferrovie del Sud Est e Servizi Automobilistici Srl a socio unico,
Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Zweiten Kammer sowie der Richter P. G. Xuereb (Berichterstatter), C. Vajda und A. Kumin,
Generalanwalt: E. Tanchev,
Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Mai 2019,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
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der Arriva Italia Srl, der Ferrotramviaria SpA und des Consorzio Trasporti Aziende Pugliesi (CO.TRA.P), vertreten durch G. L. Zampa und T. Salonico, avvocati, |
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der Ferrovie dello Stato Italiane SpA, vertreten durch A. Zoppini, G. M. Roberti, G. Bellitti und I. Perego, avvocati, |
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der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Palmieri, avvocatessa dello Stato, |
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der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten, |
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der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Recchia und F. Tomat als Bevollmächtigte, |
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. Juli 2019
folgendes
Urteil
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Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 107 und Art. 108 Abs. 3 AEUV. |
2 |
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Arriva Italia Srl, der Ferrotramviaria SpA und dem Consorzio Trasporti Aziende Pugliesi (CO.TRA.P) (im Folgenden: Arriva Italia u. a.) auf der einen Seite und dem Ministero delle Infrastrutture e dei Trasporti (Ministerium für Infrastruktur und Verkehr, Italien) auf der anderen Seite in Bezug darauf, dass dieses Ministerium seine 100%ige Beteiligung am Kapital der Ferrovie del Sud Est e Servizi Automobilistici Srl a socio unico (im Folgenden: FSE) auf die Ferrovie dello Stato Italiane SpA (im Folgenden: FSI) übertragen hat. |
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
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Rn. 188 der Bekanntmachung der Europäischen Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 [AEUV] (ABl. 2016, C 262, S. 1, im Folgenden: Bekanntmachung von 2016) sieht vor: „Die Tatsache, dass die Behörden eine öffentliche Dienstleistung einem internen Dienstleister übertragen (obgleich sie diese auch einem Dritten hätten übertragen können), schließt eine Wettbewerbsverfälschung nicht aus. Ausgeschlossen ist eine Wettbewerbsverfälschung hingegen dann, wenn sämtliche folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
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In den Rn. 211 und 212 der Bekanntmachung von 2016 heißt es:
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Rn. 219 der Bekanntmachung von 2016 bestimmt: „Während der Betrieb von Eisenbahninfrastruktur … eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen kann …, sind beim Bau von Eisenbahninfrastruktur, die potenziellen Nutzern zu gleichen und diskriminierungsfreien Bedingungen zur Verfügung gestellt wird, anders als beim Betrieb der Infrastruktur, die unter Randnummer 211 genannten Voraussetzungen in der Regel erfüllt. Die Finanzierung des Baus solcher Infrastruktur hat daher in der Regel keine Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten und verfälscht den Wettbewerb nicht. … (*) [Amtliche Fußnote] Diese Feststellung sagt nichts darüber aus, ob es sich bei Vorteilen, die der Staat dem Infrastrukturbetreiber gewährt, um staatliche Beihilfen handelt. Wenn beispielsweise der Betrieb der Infrastruktur einem rechtlichen Monopol unterliegt und kein Wettbewerb um den Markt für den Betrieb der Infrastruktur erfolgen kann, können Vorteile, die der Staat dem Betreiber gewährt, keinen Wettbewerb verfälschen, so dass keine staatlichen Beihilfen vorliegen. … Wenn der Eigentümer oder Betreiber auf einem anderen liberalisierten Markt tätig ist, sollte er, damit Quersubventionen verhindert werden, getrennte Bücher führen, in denen die Kosten und Einnahmen ordnungsgemäß zugewiesen werden, und sicherstellen, dass etwaige staatliche Zuwendungen nicht für andere Tätigkeiten verwendet werden (siehe Randnummer 188).“ |
Italienisches Recht
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Art. 1 Abs. 867 der Legge n. 208 – Disposizioni per la formazione del bilancio annuale e pluriennale dello Stato (legge di stabilità 2016) (Gesetz Nr. 208 mit Bestimmungen über die Aufstellung des Jahres- und Mehrjahreshaushalts des Staates [Stabilitätsgesetz von 2016]) vom 28. Dezember 2015 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 15 vom 20. Januar 2016, im Folgenden: Stabilitätsgesetz von 2016) sah vor, dass FSE wegen ihrer „ernsten finanziellen Lage“ unter kommissarische Leitung gestellt werden sollte. Dies sollte durch einen Erlass des Ministers für Infrastruktur und Verkehr umgesetzt werden. |
7 |
In Art. 1 Abs. 867 Sätze 2 und 5 des Stabilitätsgesetzes von 2016 wurde der kommissarische Leiter von FSE beauftragt, einen auf die Reduzierung der Betriebskosten von FSE ausgerichteten „Geschäftsplan für die Sanierung“ auszuarbeiten und dem Minister für Infrastruktur und Verkehr Vorschläge für die Übertragung oder Veräußerung von FSE nach Maßgabe von durch Erlass dieses Ministers zu bestimmenden Kriterien und Verfahren zu unterbreiten. Darüber hinaus bestimmte der sechste und letzte Satz von Art. 1 Abs. 867 des Stabilitätsgesetzes von 2016, dass bis zur Umsetzung des genannten Sanierungsplans „zur Sicherstellung der Aufrechterhaltung des Betriebs von [FSE]“ Ausgaben in Höhe von 70 Mio. Euro für 2016 genehmigt werden. |
8 |
Gemäß dieser Bestimmung des Stabilitätsgesetzes von 2016 erließ der Minister für Infrastruktur und Verkehr den Erlass Nr. 9 vom 12. Januar 2016 (im Folgenden: Erlass vom 12. Januar 2016), der die Übernahme der kommissarischen Leitung von FSE vorsah. Nach Art. 6 dieses Erlasses sollte der gemäß Art. 1 Abs. 867 des Stabilitätsgesetzes von 2016 für FSE bereitgestellte Betrag von 70 Mio. Euro zur schrittweisen Erhöhung des Kapitals von FSE dienen und konnte vom kommissarischen Leiter ohne Zustimmung des öffentlichen Anteilseigners genutzt werden, „um die Kontinuität und Ordnungsmäßigkeit der von der Gesellschaft erbrachten Dienste zu gewährleisten“. |
9 |
In der Erwägung, dass sich das negative Eigenkapital von FSE auf 200 Mio. Euro belaufe, beschloss der Minister für Infrastruktur und Verkehr mit Erlass Nr. 264 vom 4. August 2016 (im Folgenden: Erlass vom 4. August 2016), die gesamte Beteiligung seines Ministeriums am Kapital dieser Gesellschaft auf FSI zu übertragen. |
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Dem Erlass vom 4. August 2016 zufolge wurde der Erwerber von FSE anhand der in Art. 1 Abs. 1 dieses Erlasses genannten Kriterien ausgewählt, nämlich a) „Rentabilität der öffentlichen Beteiligungen im Rahmen einer Umstrukturierung innerhalb einer wirtschaftlichen Einheit unter demselben Eigentümer (einer staatlichen Behörde)“; b) „der Erwerber verfügt über ausreichende industrielle Kapazitäten und ausreichendes Vermögen, um die Erhaltung der Arbeitsplätze und die Aufrechterhaltung des Dienstes zu gewährleisten und den Gläubigern eine Garantie zu bieten …“; und c) „die Gesellschaft wird unter Berücksichtigung des negativen Eigenkapitals von [FSE] saniert“. |
11 |
Nach Art. 2 Abs. 2 des Erlasses vom 4. August 2016 sollte die Übertragung ohne Gegenleistung erfolgen, vorbehaltlich der förmlichen Zusage von FSI, das Ungleichgewicht hinsichtlich der Vermögenslage von FSE innerhalb der gesetzlichen Fristen zu beseitigen. In Art. 2 Abs. 3 des Erlasses hieß es, dass die Übertragung nicht das Recht von FSE in Frage stelle, den nach Art. 1 Abs. 867 des Stabilitätsgesetzes von 2016 bereitgestellten Betrag von 70 Mio. Euro zu verwenden, um die in diesem Gesetz vorgesehenen Ziele zu erreichen. Außerdem geht aus Art. 2 Abs. 4 des Erlasses hervor, dass die Übertragung erst erfolgen durfte, wenn die Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato (Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde, Italien, im Folgenden: AGCM) beschlossen hatte, keine Untersuchung des Zusammenschlusses von FSI und FSE einzuleiten oder diesen Zusammenschluss zu genehmigen. |
12 |
Nachdem die Beteiligung am Kapital von FSE auf FSI übertragen worden war, wurde Art. 1 Abs. 867 Satz 6 des Stabilitätsgesetzes von 2016 durch Art. 47 Abs. 7 des Decreto-legge n. 50 – Disposizioni urgenti in materia finanziaria, iniziative a favore degli enti territoriali, ulteriori interventi per le zone colpite da eventi sismici e misure per lo sviluppo (Gesetzesdekret Nr. 50 mit finanziellen Dringlichkeitsmaßnahmen, Initiativen zugunsten der Gebietskörperschaften, weiteren Initiativen für von Erdbeben betroffene Gebiete und Maßnahmen zur Entwicklung) vom 24. April 2017 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 95 vom 24. April 2017, im Folgenden: Gesetzesdekret Nr. 50/2017), aus dem nach Änderung das Gesetz Nr. 96 vom 21. Juni 2017 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 31 vom 23. Juni 2017) wurde, geändert und erhielt folgenden Wortlaut: „Unbeschadet der in diesem Absatz vorgesehenen Verpflichtungen werden Ausgaben in Höhe von 70 Mio. Euro für das Jahr 2016 genehmigt. Die entsprechenden Mittel werden auf das Vermögen von [FSE] übertragen, um in Übereinstimmung mit den einschlägigen Rechtsvorschriften der Union und im Rahmen des Sanierungsplans der Gesellschaft ausschließlich zur Deckung der Verbindlichkeiten, einschließlich früherer Verbindlichkeiten, und des Finanzbedarfs des Infrastruktursegments verwendet zu werden. Die bereits nach Maßgabe des Erlasses [vom 4. August 2016] durchgeführten Rechtsakte, Maßnahmen und Geschäfte bleiben hiervon unberührt. …“ |
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
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Zu dem Zeitpunkt, als FSE unter kommissarische Leitung gestellt wurde, war sie von der Region Apulien (Italien) damit beauftragt, eine lokale Eisenbahninfrastruktur mit einer Länge von 474 km zu betreiben und instand zu halten und öffentliche Schienenpersonenverkehrsdienste sowie ergänzend bzw. ersatzweise Straßenverkehrsdienste zu erbringen. |
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FSI, eine vollständig im Eigentum des Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen stehende Gesellschaft, ist die Holdinggesellschaft eines Konzerns, der über seine Tochtergesellschaft Trenitalia SpA im Sektor des Güter- und Personenverkehrs auf der Schiene tätig ist. Trenitalia ist das größte italienische Eisenbahnunternehmen und besitzt eine Konzession von der ebenfalls zu diesem Konzern gehörenden Rete Ferroviaria Italiana SpA für den Betrieb des nationalen Eisenbahnnetzes. |
15 |
Am 24. Oktober 2016 erhoben Arriva Italia u. a., die alle im Sektor des öffentlichen Verkehrs – auf Schiene oder Straße – tätig sind und zuvor den kommissarischen Leiter über ihr Interesse am Erwerb von FSE informiert hatten, beim Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Verwaltungsgericht der Region Latium, Italien) Klage auf Nichtigerklärung des Erlasses vom 4. August 2016, der die Übertragung der gesamten Beteiligung des Ministeriums für Infrastruktur und Verkehr am Kapital von FSE auf FSI vorsah. |
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Zur Stützung dieser Klage machten sie insbesondere geltend, dass die Bereitstellung von 70 Mio. Euro und die Übertragung der gesamten Beteiligung des Ministeriums für Infrastruktur und Verkehr am Kapital von FSE auf FSI (im Folgenden zusammen: fragliche Maßnahmen) eine staatliche Beihilfe darstellten und dass der italienische Staat gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV verstoßen habe, indem er diese Maßnahmen nicht der Kommission gemeldet habe und sie umgesetzt habe. |
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Am 26. Oktober 2016 informierte die AGCM die italienische Regierung über das Vorhaben, die 100%ige Beteiligung des Ministeriums für Infrastruktur und Verkehr am Kapital von FSE auf FSI zu übertragen, sowie über die Bereitstellung von 70 Mio. Euro (im Folgenden: Mitteilung der AGCM). Der Grund für diese Mitteilung lag darin, dass nach Auffassung der AGCM jede der fraglichen Maßnahmen eine staatliche Beihilfe darstellen konnte. |
18 |
Am 21. November 2016 entschied die AGCM, keine Untersuchung des Zusammenschlusses von FSI und FSE einzuleiten, da ein solcher Zusammenschluss ihrer Auffassung nach keine beherrschende Stellung begründete oder verstärkte, die geeignet gewesen wäre, den Wettbewerb auf den betroffenen Märkten spürbar und dauerhaft zu beseitigen oder zu verringern. |
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In einer Mitteilung vom 28. November 2016 stellte der Minister für Infrastruktur und Verkehr fest, dass die beiden Voraussetzungen für die Übertragung seiner gesamten Beteiligung am Kapital von FSE auf FSI – nämlich dass die AGCM entschieden habe, keine Untersuchung des Zusammenschlusses von FSI und FSE einzuleiten, und dass sich FSI verpflichtet habe, das Ungleichgewicht hinsichtlich der Vermögenslage von FSE innerhalb der gesetzlichen Fristen zu beseitigen – erfüllt seien. Am selben Tag wurde die Übertragung der Beteiligung am Kapital von FSE auf FSI mit notariell beglaubigter Urkunde vollzogen. |
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In der Mitteilung des Ministers vom 28. November 2016 hieß es, dass der nach Art. 1 Abs. 867 des Stabilitätsgesetzes von 2016 bereitgestellte Betrag von 70 Mio. Euro „ausschließlich zur Deckung des Finanzbedarfs der Eisenbahninfrastrukturen [von FSE] und in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht zu verwenden“ sei. |
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Im Januar 2017 stellte FSE beim Tribunale di Bari (Bezirksgericht Bari, Italien) einen Antrag auf Zulassung zu einem Vergleichsverfahren. |
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Mit Urteil vom 31. Mai 2017 wies das Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Verwaltungsgericht der Region Latium) die bei ihm erhobene Klage ab. |
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Gegen dieses Urteil legten Arriva Italia u. a. beim Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) Berufung ein. |
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Dieser hält für die Bearbeitung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits eine Auslegung des AEU-Vertrags für erforderlich. |
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Erstens sei unklar, ob die fraglichen Maßnahmen mit staatlichen Mitteln finanziert worden seien und dem Empfänger einen Vorteil verschafften, wie es Art. 107 Abs. 1 AEUV voraussetze. Insbesondere sei denkbar, dass der Kontext und die Zwecke der Übertragung der Beteiligung am Kapital von FSE auf FSI es ermöglichten, den in Art. 345 AEUV verankerten Grundsatz der Neutralität der Union in Bezug auf die Eigentumsordnung der Unternehmen geltend zu machen. |
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Zweitens sei zu beachten, dass der für FSE bereitgestellte Betrag von 70 Mio. Euro zwar in die Buchführung von FSE Eingang gefunden habe, aber nicht materiell aus dem Haushalt des italienischen Staates abgeflossen sei. Daher sei zweifelhaft, ob die fraglichen Mittel als bereits gewährt angesehen werden könnten und somit der Anmeldepflicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV unterlägen. |
27 |
Drittens sei der im vorliegenden Fall maßgebliche Wirtschaftssektor derjenige des regionalen Personenverkehrs in dem Gebiet, das von dem Dienstleistungsvertrag zwischen FSE und der Region Apulien erfasst werde. Die AGCM habe jedoch festgestellt, dass die Übertragung der Beteiligung am Kapital von FSE auf FSI keinen Zusammenschluss darstelle, der zur Folge hätte, dass der Wettbewerb auf irgendeinem der hier in Rede stehenden Märkte für Verkehrsdienste beschränkt werde. |
28 |
Schließlich sei fraglich, ob, falls dennoch das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe festgestellt werde, der bereitgestellte Betrag von 70 Mio. Euro zurückgezogen und die gegenwärtige Eigentumsstruktur von FSE aufrechterhalten werden müsste oder im Gegenteil ein Ausschreibungsverfahren für den Erwerb dieser Gesellschaft zu betreiben wäre. |
29 |
Unter diesen Umständen hat der Consiglio di Stato (Staatsrat) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
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Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
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Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 107 AEUV dahin auszulegen ist, dass zum einen die Bereitstellung eines Geldbetrags für ein öffentliches Eisenbahnunternehmen, das sich in ernsten finanziellen Schwierigkeiten befindet, und zum anderen die Übertragung der gesamten Beteiligung eines Mitgliedstaats am Kapital dieses Unternehmens auf ein anderes öffentliches Unternehmen ohne Ausschreibungsverfahren und ohne Gegenleistung, aber unter Verpflichtung letzteren Unternehmens, das Ungleichgewicht hinsichtlich der Vermögenslage des ersteren zu beseitigen, staatliche Beihilfen im Sinne dieses Artikels darstellen. |
31 |
Nach ständiger Rechtsprechung verlangt die Qualifizierung einer Maßnahme als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV, dass alle in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt sind. So muss es sich erstens um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln. Zweitens muss die Maßnahme geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Drittens muss dem Begünstigten durch sie ein selektiver Vorteil gewährt werden. Viertens muss sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen (Urteil vom 27. Juni 2017, Congregación de Escuelas Pías Provincia Betania, C‑74/16, EU:C:2017:496, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
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Somit ist zu prüfen, ob diese Voraussetzungen bei den fraglichen Maßnahmen erfüllt sind. |
Zur Bereitstellung des Betrags von 70 Mio. Euro für FSE
33 |
Zur Bereitstellung des Betrags von 70 Mio. Euro für FSE ist in Bezug auf die erste der in Rn. 31 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen darauf hinzuweisen, dass Vergünstigungen, damit sie als „Beihilfen“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV eingestuft werden können, zum einen unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden und zum anderen dem Staat zuzurechnen sein müssen (Urteil vom 15. Mai 2019, Achema u. a., C‑706/17, EU:C:2019:407, Rn. 47 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
34 |
Was erstens die Zurechenbarkeit der Maßnahme an den Staat betrifft, genügt die Feststellung, dass die Bereitstellung der genannten Summe für FSE unmittelbar aus dem Stabilitätsgesetz von 2016 hervorgeht. |
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Was zweitens das Erfordernis anbelangt, dass die Vergünstigung unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt wird, bedeutet der vom vorlegenden Gericht angeführte Umstand, dass der Betrag von 70 Mio. Euro nicht materiell aus dem Haushalt des italienischen Staates abgeflossen ist und daher zu keiner Ausgabe für den Haushalt dieses Mitgliedstaats geführt hat, für sich genommen nicht, dass dieser Betrag nicht unter „staatliche Mittel“ subsumiert werden kann. Dies gilt insbesondere, wenn durch Art. 1 Abs. 867 des Stabilitätsgesetzes von 2016 eine potenzielle Belastung für den Haushalt des italienischen Staates begründet wurde. |
36 |
Insoweit geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass eine Beihilfe ab dem Zeitpunkt, zu dem das geltende nationale Recht dem Begünstigten einen Rechtsanspruch auf Empfang einer Unterstützung aus staatlichen Mitteln verleiht, als gewährt anzusehen ist, so dass es nicht auf die tatsächliche Übertragung der fraglichen Mittel ankommt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. März 2013, Magdeburger Mühlenwerke, C‑129/12, EU:C:2013:200, Rn. 40). |
37 |
Was speziell ein begünstigtes Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten angeht, ist es nämlich die Entscheidung der Behörden, ihm eine staatliche Unterstützung zu bewilligen, und weniger deren tatsächliche Auszahlung, die es seinen Führungskräften möglicherweise erlaubt, seine Tätigkeit für wirtschaftlich tragfähig zu halten und sie daher fortzusetzen – vorausgesetzt, das begünstigte Unternehmen erlangt durch diese Entscheidung einen Rechtsanspruch auf Empfang dieser Unterstützung, was das vorlegende Gericht erforderlichenfalls zu prüfen haben wird. |
38 |
Zu letzterem Punkt ist darauf hinzuweisen, dass die Bereitstellung des Betrags von 70 Mio. Euro für FSE gemäß Art. 1 Abs. 867 des Stabilitätsgesetzes von 2016 „bis zur Umsetzung des Sanierungsplans“ bewilligt wurde, den der kommissarische Leiter, dem nach derselben Vorschrift die Verwaltung von FSE oblag, zu erstellen hatte. |
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Wie sich ebenfalls aus Art. 1 Abs. 867 des Stabilitätsgesetzes von 2016 ergibt, hatte der italienische Gesetzgeber nämlich angesichts der „ernsten finanziellen Lage“, in der sich FSE bei Erlass dieses Gesetzes befand, beschlossen, ihr diesen Betrag zur Verfügung zu stellen, um die Aufrechterhaltung ihres Betriebs zu gewährleisten, wie sich auch aus Art. 6 des Erlasses vom 12. Januar 2016 ergibt, was impliziert, dass diese Zurverfügungstellung sofort gelten sollte. Sie stand nicht unter der Bedingung der Fertigstellung eines Sanierungsplans. |
40 |
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass in dem technischen Bericht, der dem Stabilitätsgesetz von 2016 beigefügt ist, von erheblichen negativen Auswirkungen auf die Kontinuität der öffentlichen Personenverkehrsdienste in der Region Apulien die Rede ist, die ohne ein außerordentliches Einschreiten des italienischen Staates ab Dezember 2015 einträten. Außerdem ist daran zu erinnern, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Betrag laut der Vorlageentscheidung von FSE verbucht wurde, nachdem dieses Gesetz von 2016 erlassen worden war. |
41 |
Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die auf der Grundlage von Art. 1 Abs. 867 des Stabilitätsgesetzes von 2016 erfolgte Bereitstellung des Betrags von 70 Mio. Euro für FSE selbst dann, wenn dieser Betrag nicht materiell aus dem Haushalt des italienischen Staates abgeflossen sein sollte, eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel im Sinne der in Rn. 31 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung darstellen kann, vorausgesetzt, FSE hat bereits durch diese Bestimmung einen Rechtsanspruch auf den Erhalt des bereitgestellten Betrags erlangt, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat. |
42 |
Zur zweiten in Rn. 31 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzung geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass es für die Qualifizierung einer nationalen Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ nicht des Nachweises einer tatsächlichen Auswirkung der fraglichen Beihilfe auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten und einer tatsächlichen Wettbewerbsverzerrung bedarf, sondern nur der Prüfung, ob die Beihilfe geeignet ist, diesen Handel zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen (Urteil vom 27. Juni 2017, Congregación de Escuelas Pías Provincia Betania, C‑74/16, EU:C:2017:496, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
43 |
Insoweit brauchen die begünstigten Unternehmen nicht selbst am Handel zwischen Mitgliedstaaten teilzunehmen. Wenn nämlich ein Mitgliedstaat Unternehmen eine Beihilfe gewährt, kann die inländische Tätigkeit dadurch beibehalten oder verstärkt werden, so dass sich die Chancen der in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Unternehmen, in den Markt dieses Mitgliedstaats einzudringen, verringern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2013, Libert u. a., C‑197/11 und C‑203/11, EU:C:2013:288, Rn. 78 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
44 |
Weiter ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Voraussetzung, wonach die Beihilfe geeignet sein muss, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, nicht vom örtlichen oder regionalen Charakter der erbrachten Verkehrsdienste oder von der Größe des betreffenden Tätigkeitsgebiets abhängt (Urteil vom 14. Januar 2015, Eventech, C‑518/13, EU:C:2015:9, Rn. 69). |
45 |
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung ist festzustellen, dass eine der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens, nämlich Arriva Italia, eine Tochtergesellschaft des deutschen Konzerns Deutsche Bahn AG ist und dass, wie der Generalanwalt in Nr. 48 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Bereitstellung des Betrags von 70 Mio. Euro für FSE die Chancen dieser Gesellschaft – oder auch anderer Unternehmen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten als der Italienischen Republik – verringert hat, den Betrieb der FSE überlassenen Eisenbahninfrastruktur zu übernehmen oder Personenverkehrsdienste auf dieser Infrastruktur zu erbringen. Unter diesen Umständen ist eine finanzielle Unterstützung, die den Fortbestand eines in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen Unternehmens wie FSE ermöglicht, geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. |
46 |
Hinsichtlich der dritten in Rn. 31 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzung ist unstreitig, dass die Bereitstellung des Betrags von 70 Mio. Euro für FSE einen diesem öffentlichen Unternehmen gewährten Vorteil darstellte. Nach ständiger Rechtsprechung sind jedoch die Voraussetzungen, die eine Maßnahme erfüllen muss, um unter den Begriff „Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 AEUV zu fallen, nicht erfüllt, wenn das begünstigte öffentliche Unternehmen denselben Vorteil, der ihm aus Staatsmitteln gewährt wurde, unter Umständen, die normalen Marktbedingungen entsprechen, hätte erhalten können, wobei diese Beurteilung bei öffentlichen Unternehmen grundsätzlich unter Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers erfolgt (Urteil vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
47 |
Ferner geht aus der Rechtsprechung hervor, dass zur Beurteilung der Frage, ob dieselbe Maßnahme unter normalen Marktbedingungen von einem privaten Kapitalgeber, der sich in einer möglichst ähnlichen Lage befindet wie der Staat, getroffen worden wäre, nur die Vorteile und Verpflichtungen zu berücksichtigen sind, die mit der Eigenschaft des Staates als Anteilseigner zusammenhängen, nicht aber jene, die sich an seine Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt knüpfen (Urteil vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
48 |
Im Übrigen ist dieses Kriterium im Zweifelsfall nur dann anwendbar, wenn der Mitgliedstaat eindeutig und anhand objektiver und nachprüfbarer Nachweise, die vor oder gleichzeitig mit der Entscheidung über die Gewährung des wirtschaftlichen Vorteils entstanden sind, belegen kann, dass er die durchgeführte Maßnahme in seiner Eigenschaft als Anteilseigner getroffen hat. Insoweit können insbesondere Nachweise erforderlich sein, die zeigen, dass diese Entscheidung auf wirtschaftlichen Bewertungen beruht, die mit jenen vergleichbar sind, die ein rationaler privater Kapitalgeber, der sich in einer möglichst ähnlichen Lage wie dieser Mitgliedstaat befindet, unter den gegebenen Umständen vor dieser Kapitalanlage hätte erstellen lassen, um die künftige Rentabilität einer solchen Kapitalanlage zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 82 und 84). |
49 |
Insoweit ist daran zu erinnern, dass der Betrag von 70 Mio. Euro laut Art. 1 Abs. 867 des Stabilitätsgesetzes von 2016 angesichts der „ernsten finanziellen Lage“ von FSE bis zur Umsetzung des Sanierungsplans „zur Sicherstellung der Aufrechterhaltung [ihres] Betriebs“ für sie bereitgestellt wurde. Ein privater Kapitalgeber in einer möglichst ähnlichen Lage wie der Staat hätte aber in einer Situation wie der hier in Rede stehenden einem in ernsten finanziellen Schwierigkeiten befindlichen Unternehmen keinen Betrag von 70 Mio. Euro zur Verfügung gestellt, ohne zuvor die Rentabilität einer solchen Investition bewertet zu haben. |
50 |
Aus den Akten geht jedoch nicht hervor, dass der italienische Staat vor dem Erlass des Stabilitätsgesetzes von 2016 eine solche Bewertung vorgenommen hätte. Zwar verweist der technische Bericht, der diesem Gesetz beigefügt ist, insoweit auf eine „wirtschaftliche und finanzielle Prüfung“. Allerdings gibt es, wie der Generalanwalt in Nr. 54 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, keinen Hinweis darauf, dass mit dieser Prüfung ermittelt werden sollte, ob die Bereitstellung von 70 Mio. Euro für den italienischen Staat rentabel sein würde. |
51 |
Unter diesen Umständen, d. h. ohne Anhaltspunkte dafür, dass der Staat die Entscheidung, den in Rede stehenden Betrag für FSE bereitzustellen, in seiner Eigenschaft als deren Anteilseigner getroffen hat – was das vorlegende Gericht jedoch zu überprüfen haben wird –, erscheint es nicht möglich, unter Heranziehung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers zu dem Schluss zu gelangen, dass diese Bereitstellung keinen selektiven Vorteil darstellte. |
52 |
Zur letzten der in Rn. 31 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen ist darauf hinzuweisen, dass es nach der in Rn. 42 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung nicht des Nachweises einer tatsächlichen Wettbewerbsverzerrung bedarf, sondern nur der Prüfung, ob die Beihilfe geeignet ist, den Wettbewerb zu verfälschen. Des Weiteren ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass Beihilfen, die ein Unternehmen von den Kosten befreien sollen, die es normalerweise im Rahmen seiner laufenden Geschäftsführung oder seiner üblichen Tätigkeiten zu tragen gehabt hätte, grundsätzlich die Wettbewerbsbedingungen verfälschen (Urteil vom 27. Juni 2017, Congregación de Escuelas Pías Provincia Betania, C‑74/16, EU:C:2017:496, Rn. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
53 |
Eine Bereitstellung von Mitteln wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die es einem in ernsten finanziellen Schwierigkeiten befindlichen Unternehmen ermöglicht, sich auf dem Markt zu halten, ist somit grundsätzlich geeignet, die Wettbewerbsbedingungen zu verfälschen. |
54 |
Zwar tragen FSI und die italienische Regierung vor, erstens sei dies im Ausgangsverfahren nicht der Fall, weil der Betrag von 70 Mio. Euro nur zur Finanzierung der von FSE betriebenen Eisenbahninfrastruktur habe verwendet werden dürfen, zweitens habe dieser Betrieb nach italienischem Recht einem rechtlichen Monopol unterlegen und drittens sei dadurch, dass FSE über den Betrieb dieser Infrastruktur einerseits und die Erbringung von Verkehrsdiensten andererseits getrennt Buch führe, jegliche Gefahr einer Quersubventionierung ausgeschlossen. Dieses Vorbringen vermag jedoch die Feststellung in der vorstehenden Randnummer in Bezug auf die Auswirkungen auf die Wettbewerbsbedingungen, die sich daraus ergeben können, dass ein in ernsten finanziellen Schwierigkeiten befindliches Unternehmen wie FSE auf dem Markt gehalten wird, nicht zu entkräften. |
55 |
Erstens sahen nämlich weder die ursprüngliche Fassung von Art. 1 Abs. 867 des Stabilitätsgesetzes von 2016 noch die Erlasse vom 12. Januar und vom 4. August 2016 vor, dass der für FSE bereitgestellte Betrag von 70 Mio. Euro nur zur Finanzierung der von ihr genutzten Eisenbahninfrastruktur verwendet werden durfte. Erst in der durch das Gesetzesdekret Nr. 50/2017 vom 24. April 2017 geänderten Fassung wurde in dieser Bestimmung des Stabilitätsgesetzes von 2016 eine solche Zweckbindung dieses Betrags erwähnt. |
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Da sich aber aus der in Rn. 36 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, dass es für die Beurteilung, ob eine Maßnahme mit dem Beihilfenrecht der Union vereinbar ist, auf den Zeitpunkt ankommt, in dem das geltende nationale Recht dem Begünstigten einen Rechtsanspruch auf Erhalt der betreffenden Beihilfe verleiht, kann die Änderung der Zweckbindung des fraglichen Betrags durch das Gesetzesdekret Nr. 50/2017 nichts an der Schlussfolgerung ändern, dass die Bereitstellung dieses Betrags geeignet war, den Wettbewerb zu verfälschen, vorausgesetzt, Art. 1 Abs. 867 des Stabilitätsgesetzes von 2016 in seiner ursprünglichen Fassung verlieh FSE bereits einen bedingungsfreien Rechtsanspruch auf Erhalt dieses bereitgestellten Betrags, was, wie sich aus Rn. 41 des vorliegenden Urteils ergibt, das vorlegende Gericht zu prüfen hat. |
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Zweitens führt es zwar, wie die Kommission in den Rn. 188 und 219 ihrer Bekanntmachung von 2016 sinngemäß ausführt, unter bestimmten Umständen nicht zu einer Wettbewerbsverfälschung, wenn ein Mitgliedstaat eine öffentliche Dienstleistung, die einem rechtlichen Monopol unterliegt, einem öffentlichen Unternehmen überträgt, und ein Vorteil, der dem Betreiber einer einem rechtlichen Monopol unterliegenden Infrastruktur gewährt wird, kann unter solchen Umständen nicht den Wettbewerb verfälschen. Wie die Kommission aber in Rn. 188 Buchst. b dieser Bekanntmachung ebenfalls klarstellt, ist eine Wettbewerbsverfälschung unter solchen Umständen nur dann ausgeschlossen, wenn das rechtliche Monopol nicht nur den Wettbewerb auf dem Markt, sondern auch den Wettbewerb um den Markt ausschließt, indem es jeglichen möglichen Wettbewerb um die Stellung als alleiniger Erbringer einer Dienstleistung ausschließt. |
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Aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten geht hervor, dass FSE während der Laufzeit ihres Vertrags mit der Region Apulien das ausschließliche Recht hat, die von diesem Vertrag erfasste Eisenbahninfrastruktur zu betreiben, um öffentliche Schienenpersonenverkehrsdienste zu erbringen. Um festzustellen, dass es sich um einen Markt handelte, um den der Wettbewerb ausgeschlossen war, müsste jedoch nachgewiesen werden, dass die Region Apulien durch Gesetzes- oder Verordnungsmaßnahmen verpflichtet war, den Betrieb dieser Infrastruktur und diese Dienstleistungen ausschließlich an dieses Unternehmen zu vergeben (vgl. entsprechend Urteil vom 29. Juli 2019, Azienda Napoletana Mobilità, C‑659/17, EU:C:2019:633, Rn. 38). In den dem Gerichtshof vorgelegten Akten findet sich aber kein Beleg für eine solche Verpflichtung, so dass es dieser Region offenbar freistand, diesen Betrieb und diese Dienstleistungen an einen anderen Anbieter zu vergeben. |
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Folglich war die Bereitstellung des Betrags von 70 Mio. Euro für FSE, indem sie dieser Gesellschaft den Verbleib auf dem Markt ermöglichte, geeignet, zu verhindern, dass der Betrieb der von FSE betriebenen Eisenbahninfrastruktur und die Erbringung von Verkehrsdiensten auf dieser Infrastruktur anderen Unternehmen, wie etwa Arriva Italia u. a., übertragen werden. |
60 |
Was drittens das Vorbringen anbelangt, dass FSE über den Betrieb der in Rede stehenden Eisenbahninfrastruktur einerseits und die Erbringung von Verkehrsdiensten andererseits getrennt Buch führe, ist darauf hinzuweisen, dass selbst dann, wenn der Betrag von 70 Mio. Euro an FSE ausgezahlt und von ihr, gegebenenfalls ab Inkrafttreten des Gesetzesdekrets Nr. 50/2017, ausschließlich zur Finanzierung dieser Eisenbahninfrastruktur verwendet worden wäre, dieser Umstand nichts an den in Rn. 53 des vorliegenden Urteils dargelegten Auswirkungen auf den Wettbewerb ändern würde. Denn wie die Kommission in Rn. 219 ihrer Bekanntmachung von 2016 ausgeführt hat, ist es der Bau von Eisenbahninfrastruktur, die potenziellen Nutzern zu gleichen und diskriminierungsfreien Bedingungen zur Verfügung gestellt wird, der die in Rn. 211 dieser Bekanntmachung genannten Voraussetzungen in der Regel erfüllt, so dass seine Finanzierung in der Regel den Wettbewerb nicht verfälscht. |
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Selbst wenn man die Bereitstellung dieses Betrags für FSE so verstehen könnte, dass sie allein für den Bau einer Eisenbahninfrastruktur und nicht für andere Zwecke erfolgte, würde es sich aber gleichwohl um eine Eisenbahninfrastruktur handeln, die potenziellen Nutzern nicht zu gleichen und diskriminierungsfreien Bedingungen zur Verfügung gestellt wird, da FSE während der Laufzeit ihres Vertrags mit der Region Apulien über ein ausschließliches Recht auf diese Nutzung verfügt. Der Umstand, dass FSE zu einer getrennten Buchhaltung verpflichtet ist, ändert daher nichts an der Schlussfolgerung, dass die Bereitstellung des Betrags von 70 Mio. Euro für dieses Unternehmen geeignet war, den Wettbewerb zu verfälschen. |
62 |
Nach alledem kann – vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen – eine Maßnahme, mit der für ein in ernsten finanziellen Schwierigkeiten befindliches öffentliches Eisenbahnunternehmen ein Geldbetrag bereitgestellt wird, als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 AEUV eingestuft werden. |
Zur Übertragung der Beteiligung am Kapital von FSE auf FSI
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Zur zweiten der beiden fraglichen Maßnahmen ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sie zwei Elemente aufweist, nämlich zum einen die Übertragung der gesamten Beteiligung des Ministeriums für Infrastruktur und Verkehr am Kapital von FSE auf FSI, und zwar ohne Ausschreibung und ohne Gegenleistung, und zum anderen die von FSI übernommene Verpflichtung, das Ungleichgewicht hinsichtlich der Vermögenslage von FSE zu beseitigen. |
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Auch wenn die Tatsache, dass die Beteiligung am Kapital von FSE ohne Gegenleistung auf FSI übertragen wurde, auf den ersten Blick dafür spricht, dass letzteres Unternehmen als Empfänger einer etwaigen staatlichen Beihilfe angesehen werden könnte, ist daran zu erinnern, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Transaktion darauf abzielte, die Rentabilität von FSE wiederherzustellen. Es ist also nicht auszuschließen, dass FSE als Empfänger der etwaigen Beihilfe angesehen werden kann. Das vorlegende Gericht wird daher zu prüfen haben, welches dieser beiden Unternehmen gegebenenfalls als Empfänger einer etwaigen staatlichen Beihilfe anzusehen ist bzw. ob anhand der in Rn. 31 des vorliegenden Urteils dargelegten Kriterien angenommen werden kann, dass FSE und FSI gemeinsam eine solche Beihilfe empfangen haben. |
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Was die Frage betrifft, ob die zweite der beiden fraglichen Maßnahmen eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 AEUV darstellt, ist erstens zur ersten der in Rn. 31 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen festzustellen, dass die Übertragung der gesamten Beteiligung des Ministeriums für Infrastruktur und Verkehr am Kapital von FSE auf FSI als eine dem Staat zurechenbare Übertragung staatlicher Mittel anzusehen ist. Zudem stellt die von FSI übernommene Verpflichtung, das Ungleichgewicht hinsichtlich der Vermögenslage von FSE zu beseitigen, ebenfalls eine Übertragung staatlicher Mittel – nämlich an FSE – dar, vorausgesetzt, FSE hat einen Rechtsanspruch auf diese Unterstützung erlangt, was das vorlegende Gericht gegebenenfalls zu prüfen haben wird. Da die Zusage, das Ungleichgewicht hinsichtlich der Vermögenslage von FSE zu beseitigen, von einem öffentlichen Unternehmen stammt, das vollständig im Eigentum des Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen steht, ist sie jedenfalls dem italienischen Staat zurechenbar. |
66 |
Entgegen dem Vorbringen der italienischen Regierung und von FSI kann die Auffassung, dass die Übertragung der Beteiligung am Kapital von FSE auf FSI nicht als eine staatliche Beihilfe angesehen werden könne, nicht darauf gestützt werden, dass der AEU-Vertrag nach seinem Art. 345 die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt lässt. |
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Wie der Generalanwalt in Nr. 87 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, schließt Art. 345 AEUV die Anwendbarkeit des Beihilfenrechts auf öffentliches Eigentum nämlich nicht aus, da gemäß Art. 106 Abs. 1 AEUV die Wettbewerbsregeln des AEU-Vertrags einschließlich der Regeln über staatliche Beihilfen grundsätzlich auch für öffentliche Unternehmen gelten. Folgte man der Auffassung, dass die beihilfenrechtlichen Regeln nicht anwendbar seien, weil der Empfänger ein öffentliches Unternehmen sei und der gewährte Vorteil in der wirtschaftlichen Sphäre des Staates im weiteren Sinne verbleibe, würde dies zudem entsprechend dem Vorbringen der Kommission die praktische Wirksamkeit dieser Regeln beeinträchtigen und eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung öffentlicher und privater Empfänger herbeiführen, was gegen den in Art. 345 AEUV verankerten Grundsatz der Neutralität verstieße. |
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Jedenfalls ist daran zu erinnern, dass es im Ausgangsverfahren nicht nur um die Übertragung des Kapitals eines in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen öffentlichen Unternehmens auf ein anderes öffentliches Unternehmen geht, sondern auch um die von diesem öffentlichen Empfänger der Übertragung eingegangene Verpflichtung, das Ungleichgewicht hinsichtlich der Vermögenslage dieses in Schwierigkeiten befindlichen öffentlichen Unternehmens zu beseitigen. |
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Was zweitens die Voraussetzung der Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten anbelangt, ist festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Übertragung, genauso wie die Bereitstellung des Betrags von 70 Mio. Euro für FSE, die Chancen für Arriva Italia sowie für andere Unternehmen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten als der Italienischen Republik verringert, auf den FSE überlassenen Märkten zu operieren. Somit muss die Übertragung der Beteiligung am Kapital von FSE auf FSI, die ohne Gegenleistung, aber unter Verpflichtung von FSI, das Ungleichgewicht hinsichtlich der Vermögenslage von FSE zu beseitigen, erfolgte, als eine Maßnahme angesehen werden, die geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. |
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Drittens ist zu der Frage, ob die Übertragung der Beteiligung des Ministeriums für Infrastruktur und Verkehr am Kapital von FSE auf FSI einen selektiven Vorteil für FSI darstellen kann, darauf hinzuweisen, dass eine solche Kapitalübertragung ohne finanzielle Gegenleistung grundsätzlich einen selektiven Vorteil für die Einheit, auf die das Kapital übertragen wird, begründet, wenn zum Zeitpunkt der Übertragung der Wert des Kapitals die Kosten der etwaigen Verpflichtungen übersteigt, die diese Einheit im Rahmen der Übertragung eingeht. Dementsprechend kann im vorliegenden Fall die fragliche Übertragung einen selektiven Vorteil für FSI darstellen, wenn der Wert, den FSE zum Zeitpunkt der Übertragung hatte – erforderlichenfalls erhöht um den vom italienischen Staat zu ihren Gunsten bereitgestellten Betrag von 70 Mio. Euro –, die Investition übersteigt, die FSI tätigen muss, um ihrer Pflicht zur Beseitigung des Ungleichgewichts hinsichtlich der Vermögenslage von FSE nachzukommen, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat. |
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Eine solche Übertragung kann außerdem einen selektiven Vorteil für die Einheit darstellen, deren Kapital übertragen wird, wenn sie ihr den Fortbestand ermöglicht. Im Ausgangsverfahren hängt das Bestehen eines solchen Vorteils für FSE folglich davon ab, ob die von FSI eingegangene Verpflichtung, das Ungleichgewicht hinsichtlich der Vermögenslage von FSE zu beseitigen, dieser ermöglicht, die ihr von der Region Apulien überlassene Eisenbahninfrastruktur weiter zu betreiben und weiterhin Verkehrsdienste auf dieser Infrastruktur zu erbringen, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat. |
72 |
Entgegen dem, was die italienische Regierung und FSI in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht haben, geht aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten nicht hervor, dass das öffentliche Unternehmen, das diesen Vorteil empfangen hat – sei es FSI oder FSE –, gemäß dem Kriterium des privaten Kapitalgebers denselben Vorteil wie den, der ihm aus staatlichen Mitteln zur Verfügung gestellt wurde, unter Umständen, die normalen Marktbedingungen entsprechen, hätte erlangen können. Wie in der Mitteilung der AGCM ausgeführt wurde, hat der italienische Staat nämlich, bevor er seine Beteiligung am Kapital von FSE auf FSI übertrug – ohne Gegenleistung und unter Verpflichtung Letzterer, das Ungleichgewicht hinsichtlich der Vermögenslage von FSE zu beseitigen –, nicht die Rentabilität dieser Übertragung bewertet. Dies wird das vorlegende Gericht jedoch zu überprüfen haben, wobei es insbesondere den von der italienischen Regierung in ihren Erklärungen erwähnten Auditbericht und die von FSI in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof angeführten Studien von März und Mai 2016 zu berücksichtigen haben wird. |
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Insoweit ist zunächst daran zu erinnern, dass es für die Anwendung des Kriteriums des privaten Kapitalgebers im Zweifelsfall möglich sein muss, eindeutig und anhand objektiver und nachprüfbarer Nachweise zu belegen, dass der betreffende Mitgliedstaat die durchgeführte Maßnahme in seiner Eigenschaft als Anteilseigner getroffen hat (Urteil vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 82). Aus dem Erlass vom 4. August 2016 geht aber hervor, dass die Übertragung der Beteiligung am Kapital von FSE auf FSI vornehmlich darauf abzielte, die Arbeitsplätze zu erhalten und die von FSE erbrachten Verkehrsdienste fortzuführen. Ein weiterer Zweck dieser Transaktion bestand darin, die Beteiligung am Kapital von FSE im öffentlichen Sektor zu halten. Derartige Erwägungen sind einem privaten Kapitalgeber jedoch fremd. |
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Sodann ist darauf hinzuweisen, dass wirtschaftliche Bewertungen, die nach Gewährung des Vorteils erstellt werden, oder die rückblickende Feststellung der tatsächlichen Rentabilität der vom betroffenen Mitgliedstaat getätigten Kapitalanlage nicht für den Nachweis ausreichen, dass dieser Mitgliedstaat vor oder gleichzeitig mit dieser Gewährung eine solche Entscheidung in seiner Eigenschaft als Anteilseigner getroffen hat (Urteil vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 85). Der laut FSI positive Ausgang des von FSE betriebenen Vergleichsverfahrens kann daher nicht berücksichtigt werden, um festzustellen, ob die Übertragung der Beteiligung am Kapital von FSE auf FSI dem Kriterium des privaten Kapitalgebers entsprach. |
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Demnach erscheint es – vorbehaltlich der in Rn. 72 des vorliegenden Urteils dargestellten Überprüfung – nicht möglich, anhand des Kriteriums des privaten Kapitalgebers zu dem Schluss zu gelangen, dass die Übertragung der Beteiligung des Ministeriums für Infrastruktur und Verkehr am Kapital von FSE auf FSI im vorliegenden Fall keinen selektiven Vorteil darstellte. |
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Viertens ist zu der Frage, ob eine solche Übertragung geeignet ist, den Wettbewerb zu verfälschen, im Einklang mit den Ausführungen des Generalanwalts in Nr. 118 seiner Schlussanträge festzustellen, dass durch die genannte Übertragung in Verbindung mit der von FSI eingegangenen Verpflichtung, das Ungleichgewicht hinsichtlich der Vermögenslage von FSE zu beseitigen, verhindert wurde, dass der Betrieb der von FSE betriebenen Eisenbahninfrastruktur und die Erbringung von Verkehrsdiensten auf dieser Infrastruktur potenziellen Wettbewerbern von FSE, wie etwa Arriva Italia u. a., übertragen werden. |
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Diese Feststellung wird dadurch, dass die AGCM keine Prüfung des Zusammenschlusses von FSI und FSE anhand der italienischen Vorschriften über Zusammenschlüsse eingeleitet hat, nicht in Frage gestellt, da sich die Beurteilung der wettbewerblichen Auswirkungen einer Transaktion anhand dieser Vorschriften nicht mit der Beurteilung deckt, ob eine staatliche Beihilfe vorliegt. Aus der Entscheidung der AGCM geht nämlich hervor, dass die von ihr vorgenommene Beurteilung darauf abzielte, zu ermitteln, ob durch einen solchen Zusammenschluss eine beherrschende Stellung geschaffen oder verstärkt wurde, die geeignet war, den Wettbewerb auf den betroffenen Märkten spürbar und dauerhaft zu beseitigen oder zu verringern, und nicht, ob der Zusammenschluss geeignet war, den Wettbewerb im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV zu verfälschen. Zudem ergibt sich aus der Mitteilung der AGCM, dass diese Behörde der Auffassung war, die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Übertragung sei geeignet, den Wettbewerb zu verfälschen. |
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Daraus folgt – vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen –, dass die Übertragung einer Beteiligung am Kapital eines in ernsten finanziellen Schwierigkeiten befindlichen öffentlichen Unternehmens auf ein anderes öffentliches Unternehmen, und zwar ohne Gegenleistung, aber unter Verpflichtung letzteren Unternehmens, das Ungleichgewicht hinsichtlich der Vermögenslage des in Schwierigkeiten befindlichen öffentlichen Unternehmens zu beseitigen, als „staatliche Beihilfe“ eingestuft werden kann. |
79 |
Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 107 AEUV dahin auszulegen ist, dass – vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen – sowohl die Bereitstellung eines Geldbetrags für ein in ernsten finanziellen Schwierigkeiten befindliches öffentliches Unternehmen als auch die Übertragung der gesamten Beteiligung eines Mitgliedstaats am Kapital dieses Unternehmens auf ein anderes öffentliches Unternehmen, und zwar ohne Gegenleistung, aber unter Verpflichtung letzteren Unternehmens, das Ungleichgewicht hinsichtlich der Vermögenslage des ersteren zu beseitigen, als „staatliche Beihilfen“ im Sinne dieses Artikels eingestuft werden können. |
Zur zweiten Frage
80 |
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht in seiner zweiten Frage zwar auf Art. 107 Abs. 3 AEUV Bezug genommen hat, aus seiner Entscheidung aber hervorgeht, dass diese Frage in Wirklichkeit Art. 108 Abs. 3 AEUV betrifft, wonach die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Kommission von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen rechtzeitig zu unterrichten. |
81 |
Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Kern wissen, welche Konsequenzen – wenn das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass Maßnahmen wie die Bereitstellung eines Geldbetrags für ein in ernsten finanziellen Schwierigkeiten befindliches öffentliches Unternehmen oder die Übertragung der gesamten Beteiligung eines Mitgliedstaats am Kapital dieses Unternehmens auf ein anderes öffentliches Unternehmen, und zwar ohne Gegenleistung, aber unter Verpflichtung letzteren Unternehmens, das Ungleichgewicht hinsichtlich der Vermögenslage des ersteren zu beseitigen, als „staatliche Beihilfen“ im Sinne von Art. 107 AEUV anzusehen sind – daraus zu ziehen sind, dass diese Beihilfen entgegen Art. 108 Abs. 3 AEUV nicht bei der Kommission angemeldet wurden. |
82 |
Zwar fragt das vorlegende Gericht mit seiner zweiten Frage den Gerichtshof auch, ob im Fall der Feststellung, dass eine staatliche Beihilfe vorliegt, diese Beihilfe mit dem Unionsrecht vereinbar wäre. Aus seiner Entscheidung geht jedoch hervor, dass das vorlegende Gericht mit dieser Frage in Wirklichkeit wissen möchte, ob, falls davon ausgegangen werden kann, dass die fraglichen Maßnahmen ihren Adressaten einen Vorteil gewähren, die weiteren Voraussetzungen für die Einstufung einer Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ ebenfalls erfüllt sind. Insoweit überschneidet sich die zweite Frage also mit der ersten. |
83 |
Jedenfalls ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung, die zudem in der Vorlageentscheidung zitiert wird, für die Beurteilung der Vereinbarkeit von Beihilfemaßnahmen mit dem Binnenmarkt ausschließlich die Kommission zuständig ist, die dabei der Kontrolle der Unionsgerichte unterliegt (Urteile vom 11. Juli 1996, SFEI u. a., C‑39/94, EU:C:1996:285, Rn. 42, sowie vom 29. Juli 2019, Bayerische Motoren Werke/Kommission, C‑654/17 P, EU:C:2019:634, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
84 |
Was die Antwort auf die zweite Frage betrifft, obliegt es nach ständiger Rechtsprechung den nationalen Gerichten, die mit einem Rechtsstreit wegen angeblicher Verletzung der Pflicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV, eine staatliche Beihilfe bei der Kommission anzumelden, befasst sind, entsprechend ihrem nationalen Recht alle Folgerungen aus einer solchen Verletzung zu ziehen, und zwar sowohl bezüglich der Wirksamkeit der Rechtshandlungen zur Durchführung der Beihilfemaßnahmen als auch bezüglich der Wiedereinziehung der unter Verstoß gegen diese Bestimmung gewährten finanziellen Unterstützungen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Oktober 2016, DEI und Kommission/Alouminion tis Ellados, C‑590/14 P, EU:C:2016:797, Rn. 100 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
85 |
Insoweit ist hervorzuheben, dass die Wiederherstellung der Situation vor der Zahlung einer rechtswidrigen oder mit dem Binnenmarkt unvereinbaren Beihilfe für die Erhaltung der praktischen Wirksamkeit der Bestimmungen der Verträge über staatliche Beihilfen unbedingt erforderlich ist (Urteil vom 7. März 2018, SNCF Mobilités/Kommission, C‑127/16 P, EU:C:2018:165, Rn. 104 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
86 |
Im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits wird das vorlegende Gericht, soweit die fraglichen Maßnahmen als staatliche Beihilfen anzusehen sind, somit alle Schlussfolgerungen zu ziehen haben, die sich daraus ergeben, dass diese Beihilfen entgegen Art. 108 Abs. 3 AEUV nicht bei der Kommission angemeldet wurden und daher als rechtswidrig anzusehen sind. |
87 |
Was die Bereitstellung des Betrags von 70 Mio. Euro anbelangt, wird das vorlegende Gericht insbesondere den Vorteil einschließlich der darauf angefallenen Zinsen, der sich für FSE aus der Zurverfügungstellung dieses Betrags ergeben hat, ermitteln und FSE zur Rückerstattung dieses Vorteils verpflichten müssen. |
88 |
Was die Übertragung der Beteiligung am Kapital von FSE auf FSI betrifft, wird die Wiederherstellung der vorherigen Situation gegebenenfalls implizieren, dass diese Übertragung durch Rückzuweisung der Beteiligung an FSE an das Ministerium für Infrastruktur und Verkehr rückgängig gemacht wird und sämtliche Wirkungen dieser Übertragung neutralisiert werden. |
89 |
Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass, wenn Maßnahmen wie die Bereitstellung eines Geldbetrags für ein in ernsten finanziellen Schwierigkeiten befindliches öffentliches Unternehmen oder die Übertragung der gesamten Beteiligung eines Mitgliedstaats am Kapital dieses Unternehmens auf ein anderes öffentliches Unternehmen, und zwar ohne Gegenleistung, aber unter Verpflichtung letzteren Unternehmens, das Ungleichgewicht hinsichtlich der Vermögenslage des ersteren zu beseitigen, als „staatliche Beihilfen“ im Sinne von Art. 107 AEUV anzusehen sind, das vorlegende Gericht alle Konsequenzen daraus zu ziehen hat, dass diese Beihilfen entgegen Art. 108 Abs. 3 AEUV nicht bei der Kommission angemeldet wurden und daher als rechtswidrig anzusehen sind. |
Kosten
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Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt: |
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Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Italienisch.