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Document 52012AE2075

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine verstärkte Partnerschaft im Europäischen Forschungsraum im Zeichen von Exzellenz und Wachstum“ COM(2012) 392 final

ABl. C 76 vom 14.3.2013, p. 31–36 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

14.3.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 76/31


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine verstärkte Partnerschaft im Europäischen Forschungsraum im Zeichen von Exzellenz und Wachstum“

COM(2012) 392 final

2013/C 76/06

Berichterstatterin: Daniela RONDINELLI

Die Europäische Kommission beschloss am 17. Juli 2012, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine verstärkte Partnerschaft im Europäischen Forschungsraum im Zeichen von Exzellenz und Wachstum“

COM(2012) 392 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 8. Januar 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 486. Plenartagung am 16./17. Januar 2013 (Sitzung vom 16. Januar) mit 120 Stimmen bei 2 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) hält die Verwirklichung des Europäischen Forschungsraums (EFR) für ein vordringliches Ziel, um Wachstum und Entwicklung von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur der EU sowie wissenschaftliche Spitzenleistungen und den Zusammenhalt zwischen Mitgliedstaaten, Regionen und der Gesellschaft zu fördern. Die im Programm Horizont 2020 vorgesehene Finanzierungspolitik sollte über der kritischen Schwelle liegen, um diese Ziele erreichen zu können

1.2

Der EWSA hat seinen Standpunkt zum EFR bereits in zahlreichen Stellungnahmen (1) zum Ausdruck gebracht und bereits mit der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Rat eine vertiefte Debatte und einen intensiven Dialog über das Thema aufgenommen und begrüßt deshalb die Mitteilung der Kommission.

1.3

Der EWSA stimmt der Kommission zu, die auf Wachstum als eines der vordringlichen Ziele des EFR verweist. In der gegenwärtigen schweren Wirtschafts- und Sozialkrise ist dieser Hinweis für die europäische organisierte Zivilgesellschaft von grundlegender Bedeutung.

1.4

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Freizügigkeit der Forscher und der freie Austausch akademischen Wissens und der Technologie zur „fünften Freiheit“ des Binnenmarkts werden müssen.

1.5

Der EWSA vertritt den Standpunkt, dass die Verwirklichung des einheitlichen Forschungsraums ein sich kontinuierlich weiterentwickelnder Prozess ist und hält die Zeitvorgabe bis 2014 für zu ehrgeizig – auch angesichts der Tatsache, dass in vielen Staaten Europas Sparmaßnahmen durchgeführt und staatliche Mittel für Forschung und Innovation gestrichen werden.

1.6

Der EWSA begrüßt den Vorschlag, den EFR im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit auf der Grundlage bewährter Verfahren anstatt auf dem Verordnungswege zu realisieren. Gleichwohl ist er darüber besorgt, dass die mit den Organisationen unterzeichneten Vereinbarungen lediglich freiwilliger und informeller Natur und rechtlich nicht bindend sind.

1.7

Der EWSA zählt auf einen starken politischen Willen, der zu wirksamen und wettbewerbsfähigen nationalen Forschungssystemen führen kann, die am besten im Zuge von „Peer Reviews“ verwirklicht werden. Diese Bewertungen müssen auf der Qualität der Forscherteams, der beteiligten Einrichtungen und den erzielten Ergebnissen beruhen.

1.8

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass sich die mit öffentlichen Mitteln finanzierte Forschung vorrangig mit den Bereichen befassen muss, die für das Wohlergehen der Unionsbürger von besonderer Bedeutung sind. Projekte im Bereich einer starken europäischen Zusammenarbeit sind weiterhin mit öffentlichen Mitteln zu unterstützen.

1.9

Der EWSA fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, alle zur Beseitigung der Hindernisse bei der Verwirklichung des EFR erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Diese Hindernisse betreffen den fehlenden europäischen Arbeitsmarkt für Forscher, ihre Arbeitsbedingungen, ihre Mobilität und die Sozialversicherungssysteme.

1.10

Der EWSA bekräftigt, dass die Renten- und Altersversorgungsregelungen für Forscher, die an länderübergreifenden Vorhaben beteiligt sind, dringend verbessert werden müssen. Es sollte ein europäischer Fonds für Zusatzrenten eingerichtet werden, um die Verluste abzudecken bzw. auszugleichen, die den Forschern beim Wechsel von einem Mitgliedstaat in einen anderen und somit von einem Sozialsystem zu einem anderen entstehen.

1.11

Der EWSA weist darauf hin, dass die neuen, von der Kommission vorgeschlagenen Initiativen nicht die Anstrengungen zur Senkung der Verwaltungskosten für Forscher innerhalb des EFR beeinträchtigen oder zunichte machen dürfen.

1.12

Der EWSA fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, alle Maßnahmen zur effektiven Beseitigung der nach wie vor bestehenden Diskriminierung und Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen in Lehre, Wissenschaft und Forschung zu ergreifen. Insbesondere begrüßt er die Entscheidung, einen Frauenanteil von mindestens 40 % in allen Ausschüssen sicherzustellen, die an Einstellungsverfahren sowie an der Aus- und/oder Überarbeitung von Projektbewertungskriterien beteiligt sind. Dies gilt auch für Ausschüsse, die beschäftigungspolitische Maßnahmen in Hochschul-, Forschungs- und Wissenschaftszentren festlegen.

1.13

Der EWSA begrüßt den Kommissionsvorschlag, einen Fahrplan für die Entwicklung von e-Infrastrukturen zur Unterstützung der e-Wissenschaft zu erstellen. Er verweist auf seine Stellungnahme (2) zur Mitteilung (3) der Kommission über den Zugang zu sowie die Bewahrung und Verbreitung von Forschungsergebnissen und wissenschaftlichen Erkenntnissen.

1.14

Der EWSA unterstützt den Appell der europäischen Forscher und Wissenschaftler (4) an die Adresse der Staats- und Regierungschefs und an die Präsidenten der europäischen Organe, dass es sich Europa nicht leisten kann, seine besten Talente, Forscher und Dozenten, zumal wenn sie jung sind, zu verlieren. Die europäischen Mittel erhöhen die Effizienz und Effektivität nationaler Gelder und verbessern die gesamteuropäische und internationale Wettbewerbsfähigkeit. Er fordert mithin, dass der entsprechende Ausgabenposten für Forschung und das Streben nach Spitzenleistungen im künftigen EU-Haushalt für den Zeitraum 2014-2020 nicht verringert werden.

1.15

Der EWSA ist der Auffassung, dass bei der geplanten Kartierung der Tätigkeiten in den prioritären Bereichen, beim Forum für die Verbreitung und Übertragung der Projekte in Wissenschaft und Forschung und der abschließenden Bewertung der Wirkung der Mitteilung die umfassende und effektive Teilhabe der vom EFR betroffenen Zivilgesellschaft vorgesehen werden sollte.

1.16

Der EWSA hofft aus allen genannten Gründen, dass im Ausschuss eine Gruppe gebildet wird, die für die europäischen Institutionen zum Bezugspunkt wird in den verschiedenen künftigen Phasen der Bewertung, Überwachung und Entscheidungsfindung bezüglich der Verwirklichung des EFR.

2.   Einleitung

2.1

Der EWSA hat in zahlreichen Stellungnahmen seine Vorstellung vom EFR vorgebracht, die nichts an ihrer Gültigkeit und Relevanz verloren haben. Er begrüßt diese Mitteilung, mit der eine verstärkte Partnerschaft angestrebt wird, ein Beleg für die Dringlichkeit, mit der die EU und die Mitgliedstaaten ihre Zusagen einhalten und ausbauen müssen. Die Fortschritte sind nicht in allen Mitgliedstaaten gleich weit gediehen, einige Mitgliedstaaten kommen nur langsam voran. Der innovative Aspekt der Mitteilung besteht darin, dass die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten auf mit dem EFR verbundene Organisationen (5) ausgedehnt wird. Der EWSA befürwortet eine breitere und effizientere verstärkte Zusammenarbeit.

2.2

Der EWSA schließt sich der Auffassung der Kommission an, dass die Verwirklichung des EFR das Wirtschaftswachstum, wissenschaftliche Spitzenleistungen und den Zusammenhalt zwischen den Regionen, Staaten und Gesellschaften fördern muss. Gleichzeitig muss die notwendige Interaktion zwischen Wissenschaft und Markt, zwischen Innovation und Unternehmen und zwischen neuen Formen der Arbeitsorganisation und einer immer stärker verknüpften Forschungslandschaft zur Kenntnis genommen und weiterentwickelt werden.

2.3

Nach Meinung des EWSA sind in der aktuellen weltweiten Krise präzisere und entschlossenere Maßnahmen erforderlich, um die negativen Auswirkungen der nationalen Fragmentierung bei Gestaltung und Durchführung der Forschungspolitik zu überwinden und die Tätigkeiten zu optimieren, die eine effizientere Forschungspolitik ermöglichen. Diese Maßnahmen müssen außerdem auf die Ankurbelung des gesunden und fairen Wettbewerbs und den Ausbau länderübergreifender Synergien zwischen nationalen Forschungssystemen, die Erleichterung von Forschungslaufbahnen sowie die Mobilität und den freien Austausch von Wissen ausgerichtet sein (6).

2.4

Bei der öffentlichen Konsultation im Zuge der Erarbeitung der Mitteilung wurde Folgendes deutlich:

Die Forscher nennen als ihre größten Bedenken die geringe Attraktivität ihres Berufs, die begrenzte Mobilität und die fehlenden Möglichkeiten für den Ideenaustausch;

Nach Meinung der Organisationen, die die Forschung finanzieren und/oder durchführen, müssen mehr und zielgerichtetere Anstrengungen und Koordinierungsmaßnahmen unternommen werden, um Exzellenz zu schaffen und um den großen Herausforderungen in Europa und der Welt begegnen zu können. Die länderübergreifende Zusammenarbeit ist paneuropäisch, und angemessene Infrastrukturen für den Zugang zu Datenbanken, Forschungsergebnissen und Veröffentlichungen sind unerlässlich. Die an Forschungsvorhaben beteiligte Zivilgesellschaft muss stärker an der Entscheidungsfindung in Bezug auf den EFR mitwirken;

Der Privatsektor sieht ein allgemeines Problem in dem Mangel an hochqualifizierten und gut ausgebildeten Forschern. Auch die Industrie fordert nachdrücklich eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Bildungs- und Wissenschaftssektor zum einen und der Wirtschaft zum anderen; nach Ansicht der Unternehmen arbeiten Wissenschaft, Privatsektor und Industrie nicht ausreichend zusammen;

Die Mitgliedstaaten und die assoziierten Länder stimmen darin überein, dass konkretere Maßnahmen zur Vollendung des EFR notwendig sind. Sie geben dem auf bewährten Verfahren beruhenden Konzept gegenüber Legislativmaßnahmen den Vorzug.

3.   Ausbau der nationalen Forschungssysteme, um sie effizienter, offener und wettbewerbsfähiger zu machen

3.1

Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission, die nationalen Forschungssysteme auf der Grundlage bewährter Verfahren zu stärken. Er teilt den Standpunkt, dass die Zuweisung der Finanzmittel durch offene Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen erfolgen soll, die von Gremien unabhängiger führender Experten aus den Mitgliedstaaten oder Drittländern (Peer Review  (7)) bewertet werden. Die Bewertung der Qualität der Forschungsteams, der beteiligten Forschungseinrichtungen und der erzielten Ergebnisse muss als Grundlage für Entscheidungen über die institutionelle Förderung dienen. Für die Bewertung der Forscher, der Forschungsteams sowie der Forschungsprojekte und -programme werden in vielen Fällen keine vergleichbaren Normen herangezogen, obwohl es sich um Projekte und Forschungen mit ähnlicher Finanzierung und Durchführung handelt. Aus Sicht des Ausschusses ist dies ein inakzeptabler Wertverlust zu einem Zeitpunkt, zu dem nicht wenige Mitgliedstaaten die Forschungshaushalte erheblich kürzen.

3.2

Der Ausschuss ist sich bewusst, dass die europäische Forschung zur Weltspitze gehört. Dank der Forschung an den europäischen Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen konnten die europäischen Unternehmen sich als Marktführer und Vorreiter der technologischen Entwicklung etablieren und Spitzenplätze einnehmen. Daher zeigt sich der EWSA über die Schlussfolgerung der Europäischen Kommission besorgt, die in ihrer Folgenabschätzung betont, dass die Kluft zwischen Europa, den USA, Japan und weiteren Industrieländern immer offensichtlicher wird (8). Dies scheint darauf hinzuweisen, dass Europa bei der Wissensgenerierung an Boden verliert, zumal die globalen Marktführer im Innovationsbereich in Bezug auf einige Indikatoren vor der EU-27 liegen. Nach Auffassung des EWSA muss der EFR angesichts der weltweiten Krise und der dadurch bedingten Verschiebung des Kräfteverhältnisses zur Stärkung der marktführenden Stellung der europäischen Wissenschaft dienen, deren Qualität und Exzellenz einen Wettbewerbsvorteil in dem Konkurrenzkampf mit internationalen Mitbewerbern bieten muss.

3.3

Die Europäische Union beschloss 2002, die Investitionen in Forschung und Entwicklung aller Mitgliedstaaten auf 3 % des EU-BIP zu erhöhen (9). Angesichts des wiederholten Scheiterns bei der Verwirklichung dieses Ziels und der Verschiebung auf 2020 stellt sich der Ausschuss die Frage, ob dieses Ziel erreicht wird. Der EWSA ist auch der Auffassung, dass insbesondere in der gegenwärtigen schweren wirtschaftlichen und sozialen Krise Wachstum eine der Prioritäten des EFR sein muss, und ist angesichts der drastischen Kürzungen im Forschungsbereich aufgrund der Sparpolitik zutiefst beunruhigt.

3.4

Eine der Säulen des Europäischer Hochschulraums (EHR), der eng mit der Verwirklichung des EFR verbunden ist, ist die Förderung der Mobilität, um Studierende, Professoren und Forscher in ihrer Aus- und Weiterbildung effektiv zu bereichern. Aufgrund dieser Kürzungen werden zahlreiche europäische Forscher schwerlich voll vom EFR profitieren und sich daran beteiligen können. Der Ausschuss nimmt die getroffenen Entscheidungen mit Sorge zur Kenntnis (10).

3.5

Der Ausschuss bekräftigt seine Überzeugung, dass für effiziente und wettbewerbsfähige nationale Forschungssysteme ein starker politischer Wille erforderlich ist, und fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, ihren Zusagen entschlossener und rascher nachzukommen.

3.6

Es scheint, dass die mit öffentlichen Mitteln finanzierte Forschung in den letzten Jahren für das Wohlbefinden der Unionsbürger strategische Bereiche vernachlässigt hat, die hingegen für den EFR innovative Forschungsbereiche darstellen sollten, insbesondere im Rahmen einer Zusammenarbeit auf europäischer Ebene.

3.7

Der EWSA betont außerdem, dass bei der Optimierung und/oder Neukonzipierung der wirtschaftlichen Unterstützung für die nationalen Forschungssysteme die falsche Dichotomie zwischen angewandter Forschung und Grundlagenforschung vermieden werden muss, da diese einigen Mitgliedstaaten offenbar als Grund für eine Kürzung ihrer Haushaltsmittel dienen könnte. Dies ist ein erhebliches Hindernis für den Zugang zu Finanzmitteln.

4.   Länderübergreifende Zusammenarbeit

4.1

In der EU hat sich die gesamteuropäische Forschungszusammenarbeit auf einige große Initiativen beschränkt (11). Lediglich 0,8 % der staatlichen Mittelzuweisungen (12) für Forschung und Entwicklung werden für gemeinsame Programme der Mitgliedstaaten, auch für Programme, die von der Kommission unterstützt oder kofinanziert werden, verwendet. Dabei können durch die länderübergreifende Zusammenarbeit nachweislich das Forschungs- und Entwicklungsniveau verbessert, neue Sektoren erschlossen und öffentliche und private Mittel für gemeinsame Vorhaben gewonnen werden. Dies bestätigt die Notwendigkeit, dass die Wissensnetze in ganz Europa eng miteinander verwoben werden müssen.

4.2

Die Einführung neuer Finanzierungskonzepte für die Forschung wie die „ERC Synergy Grants“, die 2012 aufgelegt wurden, um kleine grenzübergreifende (und im allgemeinen multidisziplinäre) Forschergruppen zu unterstützen, kann dazu beitragen, den Mehrwert und die Komplementarität der gemeinsamen Arbeit aufzuzeigen, sofern diese ein kreatives Management aufweisen und das komplementäre Kenntnisse, Fähigkeiten und Finanzierungsmittel auf neue Weise miteinander verbinden.

4.3

Außerdem bestehen nach wie vor Hindernisse und Hürden für den Zugang ausländischer Forscher zu nationalen Forschungszentren von europäischem Interesse und zu den gesamteuropäischen Forschungsinfrastrukturen für Wissenschaftler, die in den nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten arbeiten. In beiden Fällen wird der Zugang über ein nationales Präferenzkriterium bestimmt. Der EWSA ist der Auffassung, dass dadurch die volle Entfaltung des EFR verhindert wird.

4.4

Nach Ansicht des EWSA sollte die geplante Kartierung der Tätigkeiten, in der die Stärken, Schwächen und Mängel der länderübergreifenden wissenschaftlichen Zusammenarbeit aufgezeigt sind, sich nicht nur auf die von den Mitgliedstaaten bereitgestellten Informationen stützen, sondern auch eine effektive und echte Teilhabe der am EFR beteiligten und/oder daran interessierten Zivilgesellschaft sicherstellen.

5.   Öffnung des Arbeitsmarkts für Forscher

5.1   Einstellungsverfahren

Trotz der unternommenen Anstrengungen bestehen nach wie vor Hürden für offene, transparente und in erster Linie leistungsbezogene Einstellungsverfahren für Forscher. Die Auswahlkriterien werden nicht immer entsprechend angekündigt; die Bestimmungen für die Auswahl der Mitglieder der Bewertungsgremien sind nicht bekannt und zwischen den Mitgliedstaaten oftmals nicht vergleichbar (z.B. Internetportal „Euraxess“). Die Europäische Kommission merkt an, dass eine bestimmte Zahl an Forschungsstellen nicht leistungsbezogen vergeben wurde, die genaue Zahl ist jedoch nicht bekannt (13). Die Empfehlung zur „Europäischen Charta für Forscher“ und zum „Verhaltenskodex für die Einstellung von Forschern“ sowie zur „Europäischen Partnerschaft für die Forscher“ (14) hat eine gewisse positive Wirkung auf nationaler und institutioneller Ebene gezeitigt. Gleichwohl erfolgt die Anwendung der Grundsätze der Charta und des Kodex nach wie vor zu langsam. Der EWSA befürchtet, dass sich die mangelnde Integration des Arbeitsmarkts, für Forscher, der ihnen bessere Garantien bieten würde, ein schwer zu überwindendes Hindernis für die Verwirklichung des EFR bis 2014 sein könnte.

5.2   Arbeitsbedingungen

Die Arbeitsbedingungen der Forscher unterscheiden sich erheblich in den einzelnen Mitgliedstaaten; in einigen Fällen sind sie nicht attraktiv genug, um junge Menschen für eine Forschungslaufbahn zu begeistern, erfahrene Wissenschaftler zu halten und ausländische Forscher anzuziehen. Die Beförderungskriterien, die Karriereaussichten und die Bestimmungen für Vergütung und Besoldung sind ebenfalls von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat viel zu unterschiedlich. Die Forschungseinrichtungen anerkennen die Mobilität nicht unbedingt als Indikator für die akademische Leistung. Die Mitgliedstaaten, die am schwersten von der Krise betroffen sind, verzeichnen bereits eine massive Abwanderung von Nachwuchswissenschaftlern und/auch erfahrenen Forschern, die neue Berufschancen auch außerhalb Europas suchen. Die Kommission kann ihre Augen nicht länger vor diesem Verlust an Humanressourcen in Wissenschaft und Forschung verschließen, und der EWSA fordert sie auf, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten konkrete Sofortmaßnahmen anzunehmen, um diese Abwanderung zu bremsen.

5.3   Mobilität

Die Bedingungen für die Übertragbarkeit und den Zugang zu Stipendien und Finanzierungen erschweren die Mobilität der Forscher ebenfalls, da sie ihre staatlichen Stipendien nicht unbedingt ins Ausland mitnehmen können (dies ist in 13 Mitgliedstaaten der Fall); die Forscherteams können nicht immer ihre Partner aus anderen Mitgliedstaaten in ihre nationalen Forschungsprojekte einbeziehen, da die Stipendiaten in zahlreichen Mitgliedstaaten (genaugenommen in 11) staatliche Einrichtungen sein müssen. In vier Mitgliedstaaten werden Stipendien ausschließlich an eigene Staatsangehörige vergeben.

5.4   Sozialversicherung

Der Ausschuss bekräftigt die Empfehlung, die er in seiner Stellungnahme zu „Horizont 2020“ (15) ausgesprochen hat, und zwar die Renten- und Altersversorgungsregelungen für Forscher, die an länderübergreifenden Vorhaben beteiligt sind, dringend zu überarbeiten und einen europäischen Fonds für Zusatzrenten einzurichten, um die Verluste abzudecken bzw. auszugleichen, die den Forschern beim Wechsel von einem Mitgliedstaat in einen anderen und somit von einem Sozialsystem zu einem anderen entstehen. Die Sozialversicherungssysteme gehen oftmals davon aus, dass die Forscher während ihrer gesamten Forschungslaufbahn für denselben Arbeitgeber tätig sind, d.h. die Forschungsjahre im Ausland werden in der Regel ausgeklammert oder einfach nicht eingerechnet. Die bisherigen Anstrengungen sind eindeutig unzureichend; dieses Hindernis besteht nach wie vor und belastet insbesondere die Nachwuchsforscher.

6.   Gleichstellung der Geschlechter und Berücksichtigung des Gleichstellungsaspekts in der Forschung

6.1

In den letzten Jahren ist eine erhebliche Zunahme der Zahl an Forscherinnen in fast allen Sektoren zu verzeichnen, aber die Zahl der in akademischen Führungspositionen beschäftigten Forscherinnen als Leiterinnen von Spitzenforschung in wissenschaftlichen Einrichtungen und Universitäten ist noch zu niedrig (16). Dabei ist hinreichend bewiesen, dass gemischte Forschungsteams bessere Ergebnisse bringen und von umfassenderen Erfahrungen, gemeinsamem Wissen, unterschiedlichen Standpunkten und einem höheren Niveau an sozialer Intelligenz profitieren können. Die akademische Laufbahn von Frauen ist nach wie vor von einer erheblichen vertikalen Trennung gekennzeichnet. Die so genannte „gläserne Decke“ ist ebenso wie die Trennung auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor Wirklichkeit (17).

6.2

Im akademischen Bereich ebenso wie in den Forschungszentren besteht – wie in anderen Bereichen der Wirtschaft auch – immer noch ein geschlechterspezifisches Lohngefälle. Dieses ist u.a. zurückzuführen auf vorgeblich „geschlechtsneutrale“ Stellenbeschreibungen, in denen die Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen ausgeklammert werden, die ungleiche Verteilung familiärer Aufgaben sowie die unmittelbare und mittelbare Diskriminierung (18). Das wissenschaftliche Potenzial von Frauen wird somit unterbewertet und nicht ausgeschöpft; Frauen sind unterrepräsentiert, und es mangelt an der Gleichstellung von Männern und Frauen bei den Forschungs- und Innovationsentscheidungen.

6.3

Nicht alle Mitgliedstaaten verfolgen eine Politik zur Förderung der Berücksichtigung des Gleichstellungsaspekts in der Forschung, und dies untergräbt ihre Qualität und Relevanz. Eine ausgewogenere Vertretung von Frauen könnte für eine breitere Vielfalt der Talentreserven, der Arbeitskräfte und der Entscheidungsfindung sorgen und würde die Qualität der Forschung verbessern. Dadurch könnten auch hohe wirtschaftliche Kosten und Fehler aufgrund der Nichtberücksichtigung des Gleichstellungsaspekts in der Forschung vermieden werden. Wird dieser Aspekt in den Forschungsinhalten nicht stärker berücksichtigt, so hat dies negative Auswirkungen auf die Ziele des EFR in Bezug auf das Exzellenzniveau. Eine stärkere Berücksichtigung von Frauen trägt zu sozioökonomischem Wachstum in Europa, Exzellenz, Leistungssteigerung und Forschungseffizienz bei.

6.4

Der EWSA fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ihre Bemühungen zu intensivieren und entschlossenere Maßnahmen zum effektiven Abbau von Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen in Lehre, Forschung und Wissenschaft zu ergreifen. So müssen sie insbesondere das Versprechen einlösen, einen Frauenanteil von mindestens 40 % in allen Ausschüssen sicherzustellen, die an der Auftragsvergabe sowie an der Aus- und/oder Überarbeitung von Projektbewertungskriterien beteiligt sind oder beschäftigungspolitische Maßnahmen in Hochschul-, Forschungs- und Wissenschaftszentren festlegen. Ein weiteres positives Mittel ist nach Ansicht des Ausschusses die Erstellung, Durchführung und Bewertung von Aktionsplänen zur Gleichstellung von Männern und Frauen in Hochschulen und Forschungszentren, sofern Frauen aktiv und umfassend in den gesamten Prozess eingebunden sind.

6.5

Darüber hinaus fordert der Ausschuss die Europäische Kommission auf, die Einbeziehung der organisierten Zivilgesellschaft in die Ausarbeitung der Empfehlung zu gewährleisten, in der die Leitlinien für die institutionellen Änderungen zur Förderung einer echten Gleichstellung von Männern und Frauen in den Hochschulen und Forschungseinrichtungen enthalten sind.

7.   Optimaler Austausch von, Zugang zu und Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen, auch über digitale Mittel

7.1

Im April 2008 legte die Kommission eine Empfehlung zum Umgang mit geistigem Eigentum bei Wissenstransfertätigkeiten (19) und für einen Praxiskodex für Hochschulen und andere öffentliche Forschungseinrichtungen vor (20). Gleichwohl reicht der Kodex nicht aus, um die Ziele der Empfehlung erreichen zu können.

7.2

Der Zugang zu wissenschaftlichen Informationen ist eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreiche Forschung und Innovationsförderung, also auch für die Wettbewerbsfähigkeit Europas. Dazu gehört der Wissenstransfer zwischen Forschern, zwischen Forschungspartnerschaften – insbesondere zwischen Forschung und Unternehmen – sowie zwischen Forschern und Bürgern, einschließlich eines offenen Zugangs zu Veröffentlichungen. Der EWSA begrüßt die dementsprechende Mitteilung der Kommission (21) und verweist auf seine spezifische Stellungnahme (22) dazu.

7.3

Ferner begrüßt der EWSA das Vorhaben, einen Fahrplan für die Entwicklung von e-Infrastrukturen zur Unterstützung der e-Wissenschaft durch den Zugang zu Forschungsinstrumenten und -ressourcen zu erstellen.

7.4

Der EWSA fordert die Kommission auf, die Teilhabe der in Wissenschaft und Forschung tätigen Organisationen der europäischen Zivilgesellschaft an dem regelmäßigem Informationsaustausch zu fördern und zur Geltung zu bringen, der im Rahmen eines Forums der Mitgliedstaaten angekündigt wird, das als Referenz für die Verbreitung und Übertragung der Ergebnisse wissenschaftlicher Programme und Projekte dienen soll.

Brüssel, den 16. Januar 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  ABl. C 95 vom 23.4.2003, S. 48; ABl. C 218 vom 11.9.2009, S.8; ABl. C 306 vom 16.12.2009, S. 13, ABL. C 132 vom 3.5.2011, S.39; ABl. C 318 vom 29.10.2011, S.121; ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 111, ABl. C 299 vom 4.10.2012, S.72, ABl. C 229 vom 31.7.2012, S.60; ABl. C 44 vom 15.2.2013, Stellungnahme des EWSA „Schlüsseltechnologien“, Stellungnahme des EWSA „Internationale Zusammenarbeit bei Forschung und Innovation“ und Stellungnahme des EWSA „Zugang zu wissenschaftlichen Informationen - öffentliche Investitonen“ (Siehe Seite 43, 48 dieses Amtsblatts).

(2)  Stellungnahme des EWSA „Zugang zu wissenschaftlichen Informationen - öffentliche Investitonen“.

(3)  COM(2012) 401 final.

(4)  Offener Brief von 42 Nobelpreisträgern und 5 Preisträgern der „Fields-Medaille“, 23.10.2012, http://erc.europa.eu/

(5)  Die Kommission hat am 17. Juli 2012 die Vereinbarungen für die Zusammenarbeit mit der „European Association of Research and Technology Organisations“ (EARTO); Nordforsk; der „Liga der European Research Universities (LERU)“, der „European University Association“ (EUA) und mit „Science Europe“ unterzeichnet.

(6)  COM(2010) 546 final.

(7)  Grundprinzipien, die in den „Leitlinien für die Rahmenbedingungen der Initiativen für die gemeinsame Planung in der Forschung“ – GPC 2010, erläutert werden.

(8)  Der Bericht „Europäischer Innovationsanzeiger“ macht deutlich, dass die USA, Japan und Südkorea eine höhere Ertragskraft als die EU-27 haben. Der Stellenwert der Schwellenländer wie Brasilien, China und Indien wächst, und ihr Gewicht in Bezug auf F&E nimmt zu.

(9)  In 2008 betrugen diese Investitionen 1,92 % des EU-BIPs, während sie in den USA bei 2,79 % lagen (Eurostat, 2008).

(10)  Patrizio Fiorilli, haushaltspolitischer Sprecher der Kommission, hat im Oktober 2012 erklärt, dass die Mittel des EU-Haushalts und der Mitgliedstaaten für die Erasmus-Stipendien gekürzt werden.

(11)  So z.B. die Rahmenprogramme Europäische Weltraumagentur, Europäisches Laboratorium für Molekularbiologie und Europäische Organisation für kernphysikalische Forschung.

(12)  GBAORD ist das Kriterium zur Messung der staatlichen Mittelzuweisungen oder Ausgaben für Forschung und Entwicklung.

(13)  Es gibt jährlich ca. 40 000 freie Stellen für Forscher, davon 9 600 für ordentliche Universitätsprofessuren (Technopolis, 2010).

(14)  Die Kommission hat 2008 zur Förderung der konkreten Umsetzung der Charta und des Verhaltenskodexes die Strategie für die personellen Ressourcen zur Ergänzung der Charta und des Verhaltenskodexes für Forscher lanciert. 2009 hat sie eine institutionelle Strategiegruppe für Humanressourcen eingesetzt, um eine Plattform für den Austausch bewährter Verfahren unter allen beteiligten Akteuren in Europa zu schaffen.

(15)  ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 111.

(16)  45 % aller Doktoranten sind Frauen, jedoch lediglich 30 % aller aktiven Wissenschafter, und nur 19 % sind auf Professorenstellen. Durchschnittlich werden nur 13 % aller hochrangigen Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen und 9 % aller Hochschulen von Frauen geleitet. Siehe vorläufige Zahlen für 2012 in „Gender in Research and Innovation: statistics and innovation“ der Helsinki-Gruppe „Frauen und Wissenschaft“ - Europäische Kommission http://ec.europa.eu

(17)  Der Frauenanteil von Studenten (55 %) und Absolventen (59 %) ist höher als der Männeranteil, der dann wiederum bei höheren Funktionen größer ist. Lediglich 44 % der wissenschaftlichen Mitarbeiter, 36 % der außerordentlichen Professoren und 18 % der Lehrstuhlinhaber sind Frauen.

(18)  Die Entschließung des Europäischen Parlaments vom März 2012 zeigt, dass das Lohngefälle nach wie vor groß ist. Im Schnitt verdienen die Frauen in der EU 17,5 % weniger als Männer, wobei sie 60 % der jungen Hochschulabsolventen stellen.

(19)  C(2008) 1329.

(20)  Mit diesem Dokument sollte den Mitgliedstaaten und Interessenträgern Verfahren und Maßnahmen zur Förderung des Wissenstransfers an die Hand gegeben werden. Damit ist es aber nicht getan. Die Zahl von Mitarbeitern mit Erfahrung in der Industrie (beispielsweise in den für Verbreitung und Weitergabe von Wissen zuständigen Hochschulabteilungen) ist zudem in Europa bedeutend niedriger als in anderen Teilen der Welt. Lediglich 5 bis 6 % der Forscher in der EU sind vom öffentlichen in den privaten Sektor gewechselt und umgekehrt.

(21)  COM(2012) 401 final.

(22)  Stellungnahme des EWSA „Zugang zu wissenschaftlichen Informationen - öffentliche Investitonen“.


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