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Document 52011DC0291

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT Jahresbericht über Einwanderung und Asyl 2010 MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT Jahresbericht über Einwanderung und Asyl 2010

/* KOM/2011/0291 endg. */

52011DC0291

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT Jahresbericht über Einwanderung und Asyl 2010 MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT Jahresbericht über Einwanderung und Asyl 2010 /* KOM/2011/0291 endg. */


I. EINLEITUNG

Die Entwicklung einer auf Solidarität und Verantwortlichkeit beruhenden vorausschauenden und umfassenden europäischen Migrationspolitik ist eines der grundlegenden Ziele der Europäischen Union[1].

Am 4. Mai legte die Kommission eine Mitteilung zur Migration vor[2]. Mit dieser Mitteilung sollte für aktuelle und künftige Vorschläge ein Rahmen geschaffen werden, der allen relevanten Aspekten Rechnung trägt und es der EU und ihren Mitgliedstaaten ermöglicht, ihre Politik in den Bereichen Asyl, Migration und Mobilität von Drittstaatsangehörigen als Gesamtkonzept kohärent umzusetzen.

Der vorliegende Jahresbericht entspricht einem Wunsch des Europäischen Rates, den dieser bei der Annahme des Paktes zu Einwanderung und Asyl[3] im Jahr 2008 geäußert hatte und hat die Entwicklungen bei der Umsetzung des Paktes im Jahr 2010 und die diesbezüglichen Prioritäten des Stockholmer Programms von 2009[4] auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten zum Gegenstand. Er wurde auf der Grundlage der Beiträge der Mitgliedstaaten und anderer Informationen, insbesondere der Berichte der Nationalen Kontaktstellen des Europäischen Migrationsnetzes (EMN), erstellt.

In dem Bericht werden die Entwicklungen auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten[5] zusammengefasst und bewertet, außerdem werden Empfehlungen für künftige Maßnahmen formuliert.

II. Einreise und Aufenthalt in der EU

Menschen reisen auf unterschiedlichen Wegen und zu unterschiedlichen Zwecken nach Europa ein. Die Art und Weise der Einreise eines Drittstaatsangehörigen in die EU hat unmittelbare Auswirkungen auf die ihm zustehenden Rechte, insbesondere, was den Zugang zum Arbeitsmarkt angeht. Gleich, welcher der spezifische Status von Migranten ist, die sich rechtmäßig in der EU aufhalten - sie müssen in die Gesellschaft des Aufnahmelandes integriert werden. Die Verantwortung hierfür tragen der Einwanderer und die Gesellschaft, die ihn aufnimmt, gemeinsam.

1. Legale Einwanderung – Eröffnung eines legalen Weges in die EU

1.1 Demografische Herausforderungen und Arbeitskräftemangel

Von 501 Millionen im Jahr 2010 wird die EU-Bevölkerung bis 2035 voraussichtlich auf 520,7 Millionen anwachsen und dann bis 2060 wieder auf 505,7 Millionen absinken. Während 2010 auf jede Person im Alter von 65 Jahren oder darüber 3,5 Personen im erwerbsfähigen Alter (20-64) kamen, wird das Verhältnis schätzungsweise auf 1,7 zu 1 schrumpfen[6].

Migration ist der wichtigste Faktor der Bevölkerungsentwicklung in der EU. 2009 betrug die Nettowanderungsziffer in die EU 857 000, d.h. sie machte 63 % des Bevölkerungswachstums aus.

Am 1.1.2003 betrug die Zahl der Drittstaatsangehörigen in der EU-25 16,2 Millionen; ihr Bevölkerungsanteil lag damit bei 3,6 %. 2010 ergab die Aufschlüsselung der Bevölkerung der EU-27 nach Staatsangehörigkeit, dass 20,1 Millionen Bürger eines Drittlands waren (4 % der Gesamtbevölkerung).

Die größten Gruppen von Drittstaatsangehörigen in der EU sind Türken, Marokkaner und Albaner.

2009 erwarben über 770 000 Menschen die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaats. Im Vergleich zum Zeitraum 2004-2008 ist dies ein Anstieg um 9 %.

2009 wurden Drittstaatsangehörigen zwei Millionen erste Aufenthaltstitel ausgestellt, 8 % weniger als im Vorjahr. Die Zahl der Erlaubnisse zur Ausübung einer vergüteten Tätigkeit sank, bedingt durch die Wirtschaftskrise, um 28 %. Diese Erlaubnisse machten 24% der Gesamtzahl der 2009 erteilten Erlaubnisse aus, während 27% für Familienzusammenführungen, 22% für Studienzwecke und 27% aus verschiedenen anderen Gründen erteilt wurden (Gewährung eines Schutzstatus, Aufenthaltstitel ohne Arbeitserlaubnis usw.).

Diese Tendenz spiegelt sich auch in den Überweisungen der Arbeitnehmer (in die Heimat) wider; sie gingen 2009 im Vergleich zu 2008 um 4 % zurück[7].

Aus diesen Zahlen ist zu schließen, dass die EU in Bezug auf ihre Bevölkerungsentwicklung mit einem strukturellen Problem konfrontiert ist. Trotz einer Arbeitslosenquote von fast 10 %, d.h. über 23 Millionen Arbeitslosen, wird allgemein ein Fachkräftemangel festgestellt. Dem Jahreswachstumsbericht 2010[8] zufolge ist die Nachfrage nach Arbeitskräften weiter gestiegen; trotz der hohen Arbeitslosigkeit können einige Arbeitgeber keine Arbeitskräfte mit geeigneten Qualifikationen finden. Um die wirtschaftliche Erholung zu unterstützen und die europäischen Sozialfürsorgesysteme aufrechtzuerhalten, muss die EU dringend das Problem der Diskrepanz zwischen dem Fachkräfteangebot und der Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt angehen. Dies geht aus der Strategie Europa 2020, den beschäftigungspolitischen Leitlinien und der Leitinitiative „Eine Agenda für neue Kompetenzen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten“ hervor. Die Strategie Europa 2020 verpflichtet die EU, bis 2020 eine Beschäftigungsquote von 75 % zu erreichen und dafür zu sorgen, dass die durch allgemeine und berufliche Bildung erworbenen Qualifikationen der Menschen besser auf den tatsächlichen Bedarf des Arbeitsmarktes abgestimmt werden.

Eine erste wichtige Maßnahme der Mitgliedstaaten zur Abwendung des drohenden Qualifikationsmangels besteht in der Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit ihrer inländischen Arbeitnehmer: Sie können deren allgemeine und berufliche Bildung verbessern und eine höhere Beschäftigungsrate unter den Frauen, den älteren Arbeitnehmer, ihren Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund und den sich bereits legal im Land aufhaltenden Drittstaatsangehörigen zu erreichen suchen sowie dem Grundsatz der Unionspräferenz Rechnung tragen. Angesichts des massiven Ungleichgewichts zwischen Qualifikationsbedarf und -angebot auf den europäischen Arbeitsmärkten und der unumkehrbaren Bevölkerungsentwicklung[9] fällt einer gut organisierten legalen Einwanderung und Integration im Einklang mit dem Stockholmer Programm, die sich auf die nachstehend genannten Rechtsinstrumente stützt, eine zentrale Rolle bei der langfristigen Absicherung der Wettbewerbsfähigkeit der EU und letztlich der Zukunft ihres Gesellschaftsmodells zu.

Die Einwanderer haben ganz Wesentliches für die Volkswirtschaften der EU geleistet. Im Zeitraum 2000-2005 sind über ein Viertel des gesamten Beschäftigungszuwachses und 21 % des durchschnittlichen BIP-Wachstums in der EU-15 Einwanderern aus Drittländern zuzurechnen. Dieser zunehmende Anteil der Migranten entfiel einerseits auf hochqualifizierte Arbeitsplätze in den expandierenden Wirtschaftssektoren und andererseits auf zahlreiche Arbeitsplätze, die eine Mischung aus weniger anspruchsvollen Qualifikationen erfordern. Daher sind die wirksame Steuerung der Migration und die Förderung der tatsächlichen Partizipation und gesellschaftlichen Einbeziehung der großen Zahl von Einwanderern, die bereits legal in der EU leben, eine Grundvoraussetzung für das Erreichen der in der Strategie Europa 2020 niedergelegten Beschäftigungsziele.

Die Kommission ist dabei, mehrere Instrumente zur Überprüfung des Verhältnisses zwischen Qualifikationen und Arbeitsplatzangebot einzuführen, beispielsweise das für 2012 vorgesehene umfassende EU-Kompetenzpanorama, den Europäischen Monitor für offene Stellen, das europäische Bulletin für berufliche Mobilität und die CEDEFOP-Prognosen über Qualifikationsangebot und -nachfrage auf längere Sicht. Die Kommission plant, 2012 ein Grünbuch zu dieser Thematik zu veröffentlichen.

Es muss dafür gesorgt werden, dass Einwanderer, sobald sie sich legal in der EU aufhalten, entsprechend ihrer Qualifikation und Berufserfahrung ohne Diskriminierung Zugang zu den Arbeitsmärkten erhalten und uneingeschränkt am sozioökonomischen, politischen und kulturellen Leben der Gesellschaft, in der sie leben, teilhaben können. Zum Erreichen der Ziele der Strategie Europa 2020 sind Maßnahmen zur Gewährleistung der Anerkennung erworbener Qualifikationen und Kompetenzen, der Zugang zu sozialen und Arbeitsvermittlungsdiensten ohne Diskriminierung sowie eine gute Koordinierung zwischen den Integrations- und Eingliederungsmaßnahmen unentbehrlich. Derzeit gibt es keine EU-weit einheitliche Methode zur Erfassung des Arbeitskräfte-Qualifikationsmangels in den Mitgliedstaaten und zur Beantwortung der Frage, ob Arbeitnehmer aus Drittländern über die benötigten Qualifikationen verfügen. Nicht in allen Mitgliedstaaten gibt es Systeme, die es ihnen (oder in ihrem Hoheitsgebiet tätigen Arbeitgebern) ermöglichen, (künftige) Qualifikationsmängel zu erkennen und/oder abzuschätzen, wie diese durch entsprechend ausgebildete Migranten behoben werden könnten. Während Art und Ausmaß der (künftigen) Qualifikationsdefizite je nach Mitgliedstaat unterschiedlich sind, hat die Frage, wie diese ausgeglichen werden können, in der ganzen EU große Dringlichkeit.

Für den Gesundheitssektor plant die Kommission beispielsweise, wie in der „Agenda für neue Kompetenzen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten“[10] angekündigt, 2012 einen Aktionsplan vorzulegen, der helfen soll, den Mangel bei den Gesundheitsberufen in der EU zu beheben. Die gemeinsame Aktion zur Planung des Arbeitskräftebedarfs, die in derselben Mitteilung angekündigt wird, soll dazu beitragen, fehlende Arbeitskräfte/Qualifikationen im Gesundheitswesen der Mitgliedstaaten zu erfassen. Es ist zu untersuchen, welche Rolle die Zuwanderung von entsprechend qualifizierten Drittstaatsangehörigen bei der Behebung dieses Arbeitskräftemangels spielen kann.

Wirksame Maßnahmen in diesem Bereich haben für alle Beteiligten Vorteile: Die Mitgliedstaaten werden weniger unter dem Arbeitskräftemangel leiden, männliche und weibliche Einwanderer erhalten die Chance, ihre Qualifikationen und Fertigkeiten voll auszuschöpfen, und die EU entwickelt einen attraktiven Arbeitsmarkt für Migranten. Die Kommission ist bereit, die Anstrengungen der Mitgliedstaaten während dieses Prozesses voll zu unterstützen und wird zu diesem Zweck verschiedene Instrumente vorschlagen.

- Die Mitgliedstaaten müssen – mit voller Unterstützung der Kommission – das Problem der Diskrepanz zwischen dem Arbeitskräftebedarf und dem Angebot an qualifiziertem Personal in Angriff nehmen. Um diesen Bedarf zu decken, dürfte die Zuwanderung von entsprechend qualifizierten Arbeitskräften aus Drittländern von zentraler Bedeutung sein.

- Die erleichterte EU-weite Anerkennung von in Drittländern erworbenen Fähigkeiten und Qualifikationen würde zur Folge haben, dass die Menschen in ihrer Arbeit ihr Potenzial voll entfalten können. Geografisch flexiblere Arbeitsmärkte würden es den Migranten ermöglichen, leichter zu einem möglicherweise in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Arbeitgeber zu wechseln. Dabei sollten ihre Aufenthaltsrechte gewahrt bleiben; zugleich würden Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt einander angenähert.

- Im Rahmen der EU-Strategie 2020 sollten die Mitgliedstaaten und die EU die Rolle, die die Einwanderung bei der Deckung des Arbeitskräftemangels spielen könnte, nicht verkennen.

1.2 Rechtsrahmen

Auf europäischer Ebene kamen die Mitgliedstaaten erst 1999[11] überein, eine gemeinsame Migrationspolitik einzuführen. Somit handelt es sich um einen relativ neuen Politikbereich. Seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon werden Beschlüsse zur Migrationspolitik im Wege des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens gefasst.

Was die Entwicklung der legalen Einwanderung betrifft, stand das Jahr 2010 immer noch im Zeichen der Wirtschaftskrise. Die Verfahren zur Verabschiedung von EU-Vorschlägen erwiesen sich als schwierig, und bei den Gesprächen über neue Vorschläge wurden nur geringe Fortschritte erzielt. Diese Situation ist seit Juli 2010, als die Kommission Vorschläge zu den Saisonarbeitnehmern[12] und zur konzerninternen Entsendung[13] vorlegte, unverändert. Außerdem wurden von einigen nationalen Parlamenten Bedenken hinsichtlich der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips angemeldet. Die Gespräche über den Richtlinienvorschlag für eine einzige Aufenthalts-/Arbeitserlaubnis und beschäftigungsrelevante Rechte der Einwanderer wurden fortgesetzt, aber das Europäische Parlament und der Rat konnten sich bisher nicht einigen.

Die EU braucht ein Einwanderungssystem mit flexiblen Zugangsregelungen, zugleich aber gemeinsame Standards für Einreise und Aufenthalt sowie angemessen geschützte Rechte für die Migranten. Daher ist die Annahme des Vorschlags über die einzige Aufenthalts-/Arbeitserlaubnis unerlässlich. Andernfalls gibt es auf EU-Ebene keinen Schutz der Rechte legaler Einwanderer, und die unterschiedlichen Konzepte hinsichtlich der Verwaltungsformalitäten und ihrer Vereinfachung werden fortbestehen. Auch die Vorschläge für Saisonarbeitnehmer und konzerninterne Entsendungen sind unentbehrlich, wenn ein EU-Rechtsrahmen für die legale Einwanderung geschaffen werden soll. Die Richtlinie über die konzerninterne Entsendung wird dazu beitragen, eine wissensbasierte und innovative Wirtschaft zu entwickeln, Investitionen multinationaler Unternehmen anzulocken und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft zu steigern. Die Richtlinie über Saisonarbeitnehmer dient der Bekämpfung der Ausbeutung einer besonders gefährdeten Migrantengruppe und beinhaltet einen einfachen gemeinsamen Rahmen für Saisonarbeitnehmer, die vorübergehend in der EU arbeiten möchten.

Auch im Hinblick auf die Umsetzung der „EU-Blue-Card“-Richtlinie, die bis zum Juni 2011 erfolgt sein sollte, ist die Situation alles andere als befriedigend. Bisher haben nur wenige Mitgliedstaaten der Kommission ihre Umsetzungsmaßnahmen übermittelt. Mit der EU-Blue Card werden attraktive Maßnahmen eingeführt - Gleichstellung mit inländischen Arbeitnehmern, günstige Bedingungen für die Familienzusammenführung und Mobilität innerhalb der EU, mit denen hochqualifizierte Arbeitnehmer angezogen werden sollen. Die Kommission setzte die Evaluierung der Umsetzung der bestehenden Richtlinien (über langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige, Studenten und Forscher) fort und will im Laufe des Jahres 2011 Berichte dazu vorzulegen. Bei der Familienzusammenführung halten einige Mitgliedstaaten Maßnahmen gegen den Missbrauch dieses Verfahrens für notwendig und haben entsprechende Gesetzesänderungen eingeleitet. Im Nachgang zu ihrem Bericht über die Richtlinie zur Familienzusammenführung[14] des Jahres 2008 wird die Kommission Ende des Jahres ein Grünbuch zum Thema Familienzusammenführung vorlegen.

Um den Rechtsrahmen für die legale Einwanderung weiterentwickeln zu können, müssen nach Auffassung der Kommission die Gespräche mit allen Interessengruppen, einschließlich der Sozialpartner, intensiviert werden.

- Die Mitgliedstaaten müssen die Blue-Card-Richtlinie bis Juni 2011 vollständig umsetzen.

- Es muss in naher Zukunft Einigung über den Entwurf der Richtlinie für eine einzige Aufenthalts-/Arbeitserlaubnis erzielt werden. In den kommenden Monaten müssen deutliche Fortschritte bei den Gesprächen über die Vorschläge zu den Saisonarbeitnehmern und den konzerninternen Entsendungen erreicht werden.

- Die Evaluierung der Umsetzung der geltenden Richtlinien muss fortgesetzt werden . Dadurch können Umsetzungsprobleme erkannt, bestehende Vorschriften verbessert und kann außerdem festgestellt werden, ob Bedarf an einer Konsolidierung des Acquis besteht.

2. Asyl – internationaler Schutz und Solidarität

2009 registrierten die Mitgliedstaaten 266 400 Asylanträge; 2010 lag die Zahl bei 257 815, das entspricht einem leichten Rückgang um 3 %. Während Polen, Italien, Ungarn und Malta 2010 weniger Asylsuchende als 2009 verzeichneten, nahm deren Zahl in Deutschland, Belgien und Schweden deutlich zu. 2010 standen unter den Länder, deren Staatsangehörige in der EU Asyl beantragten, an erster Stelle Afghanistan (20 580), Russland (18 500), Serbien (17 715, ohne Kosovo*[15]), Irak (15 800) und Somalia (14 350). 2010 erhielten 55 095 Asylsuchende in der EU erstinstanzlich einen Schutzstatus (d.h. sie wurden als Flüchtlinge anerkannt oder erhielten subsidiären oder humanitären Schutz). Somit wurde in 25 % der erstinstanzlichen Verfahren ein Schutzstatus gewährt. 2009 wurden 7 147 Flüchtlinge aus Drittländern in der EU neu angesiedelt. Bis zum 3. Quartal 2010 betrug diese Zahl 3 848. |

Der Legislativprozess im Bereich Asyl war 2010 langsam und mühsam. Die Mitgesetzgeber verständigten sich auf eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Richtlinie über langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige auf Personen, die unter internationalen Schutz gestellt sind; ferner wurden gewissen Fortschritte bei der Dublin- und der Eurodac-Verordnung sowie der Anerkennungsrichtlinie erzielt. Um die festgefahrenen Verhandlungen über die Richtlinien zu den Aufnahmebedingungen und den Asylverfahren wieder in Gang zu bringen, wird die Kommission im Juni 2011 geänderte Vorschläge dieser beiden Instrumente einbringen.

Die Annahme der Verordnung zur Einrichtung des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) im Jahr 2010 war ein wichtiger Schritt. Die Kommission arbeitet konzentriert daran, dass das EASO im Juni diesen Jahres in der Lage ist, zum Ausbau der praktischen Zusammenarbeit beizutragen.

Eine der Komponenten des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) ist die Solidarität unter den Mitgliedstaaten. Derzeit läuft ein Pilotprojekt zur Umsiedlung von rund 250 Personen mit internationalem Schutzstatus aus Malta in zehn Mitgliedstaaten; dieses wird über den ursprünglich vorgesehenen Zeitraum hinaus verlängert, damit die Umsiedlung von kürzlich angekommenen Migranten, die internationalen Schutz benötigen, erleichtert wird.

Nachdem Griechenland der Europäischen Kommission im August 2010 einen Aktionsplan vorgelegt hatte, begann das Land mit einer umfassenden Überarbeitung seines Asyl- und Migrationssystems, wobei es von der Kommission, den Mitgliedstaaten, Norwegen, dem UNHCR und anderen EU-Partnern unterstützt wurde. Derzeit sind dort Expertenteams für Asylfragen im Einsatz, die vom EASO koordiniert werden. Schon 2010 hat Griechenland neue Gesetze angenommen, deren Umsetzung auf dem Wege ist.

Die laufenden regionalen Schutzprogramme in Tansania und Osteuropa wurden fortgesetzt. Die Umsetzung eines neuen regionalen Schutzprogramms am Horn von Afrika hat in enger Zusammenarbeit mit dem UNHCR im September begonnen, und die Entwicklung eines anderen regionalen Schutzprogramms in Nordostafrika (Ägypten, Libyen und Tunesien) ist weit vorangeschritten.

In diesem Zusammenhang spielt auch die Neuansiedlung eine wesentliche Rolle. Die Verhandlungen über die Einführung eines gemeinsamen Neuansiedlungsprogramms für die EU müssen zu einem praktischen und fruchtbaren Ende kommen. Benötigt werden ein strategischer Ansatz und eine politische Entscheidung, wie die Neuansiedlung eingesetzt werden soll.

- Die Verhandlungen über sämtliche Legislativvorschläge im Bereich Asyl müssen 2012 fristgerecht abgeschlossen werden.

- Die jüngsten Ereignisse im Mittelmeerraum und die Notwendigkeit, die Asylsysteme bestimmter Mitgliedstaaten neu zu gestalten, zeigen, dass es notwendig ist, auf EU-Ebene ein gemeinsames Verfahren und einen einheitlichen Status zu schaffen. Dazu gehören eine bessere EU-Gesetzgebung, eine verstärkte, vom EASO koordinierte praktische Zusammenarbeit und ein konkretes facettenreiches Engagement für die Solidarität sowie die vermehrte Investition in die Zusammenarbeit mit Drittländern.

- Das Europäische Parlament und der Rat müssen zu einer Einigung über das gemeinsame Neuansiedlungsprogramm der EU gelangen.

- Das Neuansiedlungs-Pilotprojekt der EU mit Malta, die von Griechenland beschlossenen Legislativreformen und die laufende Unterstützung, die dem Land bei der Umsetzung des Aktionsplans zuteil wurde, sind konkrete Beispiele des Zusammenspiels von Verantwortung und Solidarität , die für den Aufbau des GEAS erforderlich sind.

3. Integration – für die Migranten und die aufnehmenden Gesellschaften gleichermaßen unentbehrlich

2010 standen Integrationsfragen europaweit ganz oben auf der politische Agenda. Auf der einen Seite wird den europäischen Führungspersönlichkeiten mehr und mehr bewusst, wie wichtig eine Abstimmung zwischen Einwanderungs- und Integrationspolitik ist und welche Anstrengungen die sich rechtmäßig aufhaltenden Einwanderer und die aufnehmenden Gesellschaften unternehmen müssen, damit die wirtschaftliche, soziale, kulturelle und politische Teilhabe der Migranten verwirklicht werden kann. Auf der anderen Seite kann in Europa die Einstellung einiger Menschen in puncto Einwanderung und Integration zu Diskriminierung und Rassismus führen, obgleich die gegen Einwanderung gerichteten Gefühle häufig von der Migrationswirklichkeit und wirtschaftspolitischen Gegebenheiten abgekoppelt sind.

Trotz gewisser Anstrengungen sind Einwanderer in europäischen Gesellschaften mit Partizipationshindernissen konfrontiert. Um diesen Problemen zu begegnen, trafen sich 2010 die für Integration zuständigen Minister in Saragossa und bekräftigten ihr Engagement für „Integration als Triebfeder für Entwicklung und sozialen Zusammenhalt“[16]. Die Kommission lancierte ein Pilotprojekt, um Indikatoren zu erarbeiten, mit denen die Ergebnisse der Integrationspolitik erfasst werden können. Ferner hat sie damit begonnen, so genannte „Europäische Module“ zu entwickeln, mit denen die nationalen und lokalen Integrationsmaßnahmen unterstützt werden sollen. Es fanden zwei Zusammenkünfte des Europäischen Integrationsforums statt. Die europäische Website zur Integration wurde weiterentwickelt, außerdem wurde das dritte Integrationshandbuch veröffentlicht.

Auf einzelstaatlicher Ebene haben die meisten Mitgliedstaaten nationale Integrationspläne entwickelt und/oder beratende Gremien eingesetzt, die zu Integrationsfragen konsultiert werden können. Einige Mitgliedstaaten haben ihre Gesetze geändert und Tests eingeführt, mit denen die Integration der Drittstaatsangehörigen bewertet werden soll. In einigen Mitgliedstaaten wurde die Formalisierung der Rechte und Pflichten von neu angekommenen Migranten durch einen „Einreise- und Integrationsvertrag“ fortgesetzt. Viele Mitgliedstaaten achteten besonders darauf, dass die Migranten die Sprache der aufnehmenden Gesellschaft erlernen, und versuchten das Problem steigender Arbeitslosenquoten unter Migranten durch Maßnahmen für einen besseren Zugang zur Beschäftigung in den Griff zu bekommen. Der Trend, umfassende Strategien und Kontrollsysteme zu entwickeln, um die Ergebnisse dieser Maßnahmen verfolgen zu können, setzte sich in den meisten Mitgliedstaaten fort.

Es bedarf weiterer Anstrengungen, die Integration wirksam zu fördern. Die EU muss den Beitrag der Migranten zum Wirtschaftswachstum anerkennen und unterstützen sowie den sozialen Zusammenhalt absichern. Nur wenn die EU schrittweise für eine echte soziale und wirtschaftliche Integration der sich legal in der Union aufhaltenden Drittstaatsangehörigen sorgt, kann sie erreichen, dass die Migration größere Akzeptanz findet und die europäischen Grundwerte gestärkt werden. Im Interesse einer adäquaten Gesamtlösung sollten Synergien zwischen gezielten Initiativen im Rahmen der Migrationspolitik und horizontalen Initiativen angeregt werden. Für die Kommission ist ein „Bottom-up“-Ansatz auf der Grundlage guter Governance auf lokaler und regionaler Ebene die beste Methode, um dieses Ziel zu erreichen. Die Kommission wird Anreize hierzu bieten und diese Maßnahmen unterstützen. In der Mitteilung zu einer „Europäischen Agenda für die Integration von Drittstaatsangehörigen“ sowie dem zugehörigen Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen, die in Kürze von der Kommission angenommen werden, legt die Kommission ihren Standpunkt zur Integration dar.

- Die EU muss schrittweise für eine wirkliche soziale und wirtschaftliche Integration der sich rechtmäßig in der Union aufhaltenden Drittstaatsangehörigen - ob Männer oder Frauen - sorgen, damit das Potenzial von Einwanderung, Wachstum und Zusammenhalt voll ausgeschöpft werden kann.

- Der Beitrag der Migranten zum Wirtschaftswachstum und der soziale Zusammenhalt sind für die EU miteinander vereinbar. Spürbare Ergebnisse können erst dann erzielt werden, wenn Fragen der Integration und Teilhabe in sämtliche relevanten Politikbereiche der Mitgliedstaaten Eingang finden. Die beste Methode, dies zu erreichen, ist ein „Bottom-up“-Ansatz auf der Grundlage eines guten Governance-Systems auf lokaler/regionaler Ebene.

- Die EU sollte eine proaktive Informations- und Kommunikationsstrategie auf EU-, nationaler und lokaler Ebene betreiben, damit Einwanderung positiver wahrgenommen wird.

III. BEKÄMPFUNG DER ILLEGALEN UND ERLEICHTERUNG DER LEGALEN EINWANDERUNG

2009 wurden in der EU-27 etwa 570 000 Drittstaatsangehörige ohne gültigen Aufenthaltstitel aufgegriffen (7 % weniger als 2008). Bei rund 253 000 Drittstaatsangehörigen veranlassten die Mitgliedstaaten die Rückkehr in ihr Herkunftsland (4,7% mehr als 2008). 2010 wurden 63 % der illegalen Grenzüberschreitungen in die EU (d.h. etwa 20 000 Fälle) im dritten Quartal 2010 an der griechisch/türkischen Landgrenze festgestellt. |

Wirksame Maßnahmen zur Verhinderung der illegalen Einwanderung und Sicherung der Grenzen sind ein wesentlicher Teil einer kohärenten und überzeugenden EU-Einwanderungspolitik. Doch muss diese Politik fair sein und unter Wahrung der Menschenrechte durchgeführt werden.

1. Instrumente für die Bekämpfung der illegalen Einwanderung

In den letzten Jahren wurden zwei wichtige Rechtsinstrumente verabschiedet – die Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG und die Richtlinie 2009/52/EG über Sanktionen gegen Arbeitgeber. Sie gelten inzwischen, doch ist der Stand ihrer Umsetzung sehr unbefriedigend, insbesondere, was die Rückführungsrichtlinie anbelangt, bei der die Umsetzungsfrist am 24. Dezember 2010 abgelaufen ist. Eine vollständige und rechtzeitige Umsetzung ist unerlässlich. Diese den Migranten unmittelbare Rechte zusprechenden Vorschriften können und werden bereits vor nationalen Gerichten geltend gemacht und direkt auf nationaler Ebene angewandt, unabhängig davon, ob nationale Umsetzungsbestimmungen tatsächlich in Kraft sind.

Verstärkte Grenzkontrollen und die Zusammenarbeit mit Drittländern, vor allem im Wege von Wiederaufnahmeabkommen, haben sich als wirksame Mittel erwiesen - ihre abschreckende Wirkung und das bessere Funktionieren der Rückkehrvereinbarungen haben einige Mitgliedstaaten bereits feststellen können. Dennoch kann die Wirksamkeit der Rückübernahmeabkommen, wie in der Mitteilung der Kommission über die Evaluierung der Rückübernahmeabkommen (KOM(2011)76) dargelegt, auf EU-Ebene noch verbessert werden. Die Zunahme der von Frontex koordinierten gemeinsamen Rückführungsflüge war zweifelsohne ein Erfolg, der der Agentur weitere Unterstützung und mehr finanzielle Mittel eingebracht hat. Darüber hinaus werden jetzt die vom Rat beschlossenen 29 Maßnahmen für den verstärkten Schutz der Außengrenzen und zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung umgesetzt. In ihrem Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen[17] über die Durchführung dieser 29 Maßnahmen berichtete die Kommission im Einzelnen über die bei jeder einzelnen Maßnahme erzielten Fortschritte. Dabei wurden besonders die Rolle von Frontex, die Entwicklung von EUROSUR und die laufenden Gespräche über Migration mit den wichtigsten Herkunfts- und Transitländern als Teil der Umsetzung des Gesamtansatzes hervorgehoben. Diese Maßnahmen müssen rascher und vorrangig durchgeführt werden.

Die Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer, die von der Kommission ernannte EU-Koordinatorin für die Bekämpfung des Menschenhandels und eine 2010 eingeführte Website über die Bekämpfung des Menschenhandels[18] haben der EU neue Befugnisse und Möglichkeiten zur Bekämpfung dieser modernen Form der Sklaverei verschafft. Auch in dem kürzlich angenommenen Bericht über die Anwendung der Richtlinie 2004/81/EG über die Erteilung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatsangehörige, die Opfer des Menschenhandels sind[19], wurde ein wirkungsvollerer Schutz dieser Menschen eingefordert, der auch dazu beitragen soll, die Netzwerke der Menschenhändler aufzudecken.

- Die Mitgliedstaaten müssen die für die Bekämpfung der illegalen Einwanderung und die Glaubwürdigkeit der legalen Einwanderung wesentliche Richtlinie über Sanktionen für Arbeitgeber bis Juli 2011 vollständig umsetzen.

- Die Mitgliedstaaten müssen verstärkt Maßnahmen gegen den Menschenhandel ergreifen. Dazu gehört auch die Unterstützung der Opfer im Rahmen der Richtlinie 2004/81/EG. Es gilt, die Netze der Händler zu zerschlagen und zugleich den Opfern mehr Rechte einzuräumen.

- Die Rückführungsrichtlinie muss vollständig umgesetzt und von den Mitgliedstaaten angewandt werden. Diese sollten weiterhin die in dieser Richtlinie vorgesehene Möglichkeit nutzen, die freiwillige Rückkehr als bevorzugte Form der Rückkehr zu fördern .

- Die gemeinsamen Rückführungsflüge müssen unter Mitwirkung des Europäischen Rückkehrfonds und FRONTEX fortgesetzt werden, wobei, wie in der Rückführungsrichtlinie vorgesehen, Begleitpersonal vorzusehen ist.

- Die Mitgliedstaaten müssen Einreiseverweigerungen systematisch in das SIS aufnehmen, damit die europäische Dimension von Einreiseverweigerungen, die entsprechend der Rückführungsrichtlinie erteilt werden, volle Wirkung entfaltet.

2. Wirksame Grenzkontrolle

2010 unterbreitete die Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Einführung eines Evaluierungsmechanismus für die Überprüfung der Anwendung des Schengen-Besitzstands. Angesichts der jüngsten Erfahrungen muss ihre Annahme Vorrang haben, damit die EU bessere Voraussetzungen für eine einheitliche Anwendung der Vorschriften hat und geeignete Maßnahmen ergreifen kann, wenn gegen sie verstoßen wird. Das Visa-Informationssystems (VIS) wurde weiterentwickelt: Die zweite und dritte von insgesamt vier Testphasen konnten abgeschlossen werden. Über die technischen Spezifikationen für die Verknüpfung des SIS II mit den nationalen Systemen wurde eine abschließende Einigung erzielt. Die Mitgliedstaaten bereiteten weiter die Einführung von EUROSUR entsprechend dem Zeitplan vor. Mit EUROSUR wird schrittweise ein Mechanismus eingeführt, der den die Grenzkontrollen durchführenden Behörden der Mitgliedstaaten die Zusammenarbeit und den Austausch operativer Informationen untereinander und mit Frontex ermöglicht, damit die Kontrollen an den Außengrenzen des Schengen-Raums, vor allem im südlichen Mittelmeer und an den östlichen Landgrenzen, verstärkt werden und wirksamer gegen illegale Einwanderung und grenzübergreifende Kriminalität vorgegangen werden kann. In den letzten Jahren war die EU durch einen erheblichen Zustrom illegaler Migranten mit kritischen Situationen an ihren Grenzen konfrontiert. Dies stellte und stellt weiterhin die Fähigkeit der EU, rasch und wirkungsvoll zu reagieren, wenn die unmittelbar von Migrationsströmen betroffenen Mitgliedstaaten um Unterstützung im Geiste der Solidarität bitten, auf die Probe. Die Leistungen von Frontex werden mittlerweile allgemein anerkannt, und es besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass ihre Rolle ausgebaut werden muss, damit sie noch wirkungsvoller tätig werden kann.

Die konzertierten EU-Maßnahmen zur Bewältigung grenzspezifischer Krisen werden mit unterschiedlichem Erfolg durchgeführt. Einerseits haben die EU und die Mitgliedstaaten gezeigt, dass sie auf besondere Probleme eines Mitgliedstaats, seine Außengrenzen wirksam zu kontrollieren, entschlossen reagieren können. Erstmals kamen auf Antrag Griechenlands im Zusammenhang mit dem Druck auf seine Landgrenzen mit der Türkei die Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke (RABIT) von Frontex zum Einsatz. Durch den von den beteiligten Mitgliedstaaten nachdrücklich unterstützten raschen Einsatz der Soforteinsatzteams konnte die Situation stabilisiert und die Zahl der ankommenden Personen im Vergleich zu den Spitzenbelastungen 2010 gesenkt werden. Kürzlich hat in Anbetracht der Lage im südlichen Mittelmeerraum Malta den Einsatz dieser Teams beantragt.

Andererseits konnte aus diesen Ereignissen der Schluss gezogen werden, dass sich alle Mitgliedstaaten intensiver an einer Zusammenarbeit und einheitlichen Anwendung des Schengen-Besitzstands beteiligen müssen. Koordinierte präventive EU-Maßnahmen gegenüber den Herkunftsländern sind noch immer langsam und schwach ausgeprägt.

- Das Europäische Parlament und der Rat müssen sich so rasch wie möglich über die vorgeschlagene Änderung der FRONTEX-Verordnung einig werden, damit die Arbeitsweise der Agentur auf eine solide Rechtsgrundlage gestellt wird.

- Sämtliche Schengen-Grenzübergangsstellen müssen angemessen ausgerüstet sein, die Grenzen müssen ordnungsgemäß überwacht werden , und Grenzschutzbeamte müssen, wie im Schengener Grenzkodex vorgesehen, im Gebrauch neuer IT-Tools geschult werden.

- Der vorgeschlagene Schengen-Evaluierungsmechanismus muss angenommen werden, damit zwischen den Mitgliedstaaten und den EU-Einrichtungen das gegenseitige Vertrauen im Hinblick auf die ordnungsgemäße, einheitliche und kohärente Anwendung des Schengen-Besitzstands gefestigt wird.

- Zu prüfen wäre auch die Durchführbarkeit eines europäischen Grenzschutzsystems.

- Die örtliche Schengen-Zusammenarbeit muss voll ausgeschöpft werden, damit vor allem zum Vorteil der Bona-fide-Reisenden ein vollständig harmonisiertes, vereinfachtes Visumverfahren gewährleistet ist.

- Mit Blick auf die Entwicklung eines zuverlässigen Systems von EU-Grenzkontrollen müssen die Mitgliedstaaten weiter die Voraussetzungen für die Einrichtung von EUROSUR schaffen und prüfen, ob die Einführung eines Einreise-/Ausreisesystems und eines Registrierungsprogramms für Reisende wünschenswert sind.

- 2012 wird die Kommission Vorschläge unterbreiten, damit die Kontrollen an den Außengrenzen durch eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen FRONTEX, EUROPOL und den nationalen Zoll- und Polizeibehörden besser koordiniert werden.

IV. UNBEGLEITETE MINDERJÄHRIGE – EINE BESONDERE HERAUSFORDERUNG

Unbegleitete Minderjährige verdienen besondere Aufmerksamkeit. Viele dieser Kinder sind Asylsuchende, die somit durch die Asylvorschriften geschützt sind. Einige von ihnen erreichen das Gebiet der EU auf illegalem Wege, und dies ist die am meisten gefährdete Gruppe.

In den letzten Jahren waren die meisten Mitgliedstaaten mit einer zunehmenden Zahl von in ihrem Gebiet ankommenden unbegleiteten Minderjährigen konfrontiert, so dass allmählich deutlich wurde, dass die EU tätig werden muss. Daraufhin erarbeitete die Kommission 2010 einen Aktionsplan für unbegleitete Minderjährige (2010-2014)[20], auf dessen Grundlage der Rat im Juni Schlussfolgerungen[21] annahm. Der Aktionsplan empfiehlt einen gemeinsamen EU-Ansatz auf der Grundlage des Kindeswohls und nennt einige Hauptaktionsfelder wie Prävention, Aufnahme und Erarbeitung dauerhafter Lösungen. Ferner wird im Aktionsplan festgehalten, dass für den Schutz unbegleiteter Minderjähriger eine engere Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaten, EASO, den EU-Einrichtungen und Interessengruppen unabdingbar ist.

Derzeit wird dieser Aktionsplan umgesetzt. Das Seminar des belgischen Ratsvorsitzes von 2010 mit dem Titel „Unbegleitete Minderjährige: Kinder überschreiten die Außengrenzen der EU und suchen Schutz“ führte zur Annahme einer Reihe von Empfehlungen, in denen u.a. die Bedeutung der Einführung von Verfahren für eine rasche Identifizierung unbegleiteter Kinder an der Grenze hervorgehoben wird. Den von den Mitgliedstaaten 2010 vorgelegten Berichten zufolge schwankte die Zahl der auf ihrem Gebiet eintreffenden unbegleiteten Minderjährigen ganz erheblich und belief sich von einigen wenigen auf bis zu 6 000. Einige Mitgliedstaaten führten in den Herkunftsländern gezielte Informationskampagnen durch, mit denen auf die Gefahren der illegalen Einwanderung von unbegleiteten Minderjährigen hingewiesen wurde. Manche Mitgliedstaaten entwickelten Verfahren, mit denen das Alter unbegleiteter Minderjähriger bestimmt werden kann.

- Die EU und die Mitgliedstaaten müssen mit der Umsetzung des Aktionsplans für unbegleitete Minderjährige fortfahren.

V. EXTERNE DIMENSION DER MIGRATIONSPOLITIK DER UNION – DER GESAMTANSATZ ZUR MIGRATIONSFRAGE

2010 wurden die vorhandenen Instrumente des Gesamtansatzes zur Migrationsfrage zunehmend eingesetzt, um die externe Dimension der EU-Migrationspolitik zu entfalten. Insbesondere wächst das Interesse an den Mobilitätspartnerschaften. Einige Mitgliedstaaten erklärten sich unter Berufung auf ihre Beteiligung an Mobilitätspartnerschaften bereit, noch weitere einzugehen. Die Zusammenarbeit mit der Republik Moldau, Kap Verde und Georgien im Rahmen von Mobilitätspartnerschaften wurde fortgesetzt. Mit Armenien und Ghana wurden Gespräche über neue Mobilitätspartnerschaften geführt. Die Kommission beabsichtigt ferner, in naher Zukunft Gespräche mit den Ländern des südlichen Mittelmeerraums über den Abschluss von Mobilitätspartnerschaften einzuleiten.

Neben ihrer bilateralen Zusammenarbeit wurden die Mitgliedstaaten zunehmend im Rahmen gemeinsamer EU-Initiativen tätig. Nach der Überprüfung des Abkommens von Cotonou wurde ein Migrationsdialog mit den Ländern in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean (AKP) eingeleitet. Die AKP-Bebachtungsstelle für Migration nahm im Oktober 2010 ihre Tätigkeit auf. Innerhalb der Partnerschaft für Migration, Mobilität und Beschäftigung zwischen Afrika und der EU wurde auf dem dritten Afrika-EU-Gipfel von Tripolis im November ein neuer Aktionsplan für 2011-2013 angenommen. Ende 2010 wurde mit der Arbeit an der künftigen Ausrichtung des Prager Prozesses (zum Aufbau von Migrationspartnerschaften) begonnen. Der strukturierte Dialog über Migrationsfragen zwischen der EU und den Ländern Lateinamerikas wurde weiterentwickelt. Es wurde eine Plattform für die Zusammenarbeit in Migrations- und Flüchtlingsfragen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten geschaffen. Im Oktober 2010 fand ein Migrationsdialog mit Indien statt. Mit Blick auf den Erweiterungsprozess ist es wichtig, eng mit den Beitrittsländern zusammenzuarbeiten, damit sie ihre Migrations- und Asylpolitik und -praxis an die EU-Standards heranführen können.

Eine starke externe Migrationspolitik wird immer wichtiger. Der Vertrag von Lissabon und die Einführung des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) eröffnen neue Möglichkeiten und erfordern ein Nachdenken über die Rolle des Gesamtansatzes zur Migrationsfrage im größeren Kontext der Außenbeziehungen der Union. Die externe Dimension der Migrationspolitik der EU muss auch den Prozess widerspiegeln, mit dem die EU die Bedingungen für die Modernisierung ihres Arbeitsmarkts entsprechend der Strategie Europa 2020 schafft. In den Gesamtansatz zur Migrationsfrage sollten daher vermehrt die externen und internen strategischen Ziele der Union im Bereich der Migration aufgenommen werden.

- Die externe Dimension der Migrationspolitik der Union muss im Einklang mit der Strategie Europa 2020 die Prioritäten des Arbeitsmarkts und die Rolle der Migration widerspiegeln.

- Der Gesamtansatz zur Migrationsfrage muss in einen langfristigen, ausgewogenen und nachhaltigen politischen Rahmen umgewandelt werden, in dem die geografischen und thematischen Prioritäten der EU zum Tragen kommen.

- Die Mitgliedstaaten sowie die Organe und einschlägigen Agenturen der EU müssen darüber hinaus wirksamer zusammenarbeiten, um durch einen beständigen Mechanismus auf der Grundlage des Solidaritätsprinzips und in Partnerschaft mit den Drittländern plötzliche massive Migrationsströme vorauszusehen und zu verhindern.

- Die EU wird ihren Partnerländern, insbesondere den Ländern des südlichen Mittelmeerraums, einen strukturierten Dialog über Migration, Mobilität und Sicherheit anbieten, der in entsprechende Mobilitätspartnerschaften münden soll, die Initiativen zur legalen Migration und Visaerleichterung einschließen.

[1] Stockholmer Programm vom 2. Dezember 2009, Rat der Europäischen Union 17024/09 .

[2] KOM(2011) 248/3.

[3] http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/08/st13/st13440.de08.pdf

[4] http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2010:115:0001:0038:DE:PDF

[5] Die Einzelheiten sind einem Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen zu entnehmen.

[6] Sofern nichts anderes angegeben ist, stammen alle angeführten Zahlen von Eurostat.

[7] Eurostat, Kurz gefasst, 40/2010.

[8] Jahreswachstumsbericht, MEMO/11/11, S. 3.

[9] Eurostat, kurz gefasst, 72/2008, "Ageing characterises the demographic perspectives of the European societies".

[10] http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2010:0682:FIN:DE:PDF

[11] Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Tampere.

[12] KOM(2010) 379 endgültig.

[13] KOM(2010) 378 endgültig.

[14] 2003/86/EG.

[15] * nach der VN-Resolution 1244 von 1999.

[16] http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/ec/115346.pdf.

[17] SEK(2010) 1480 endg. vom 26.11.2010.

[18] http://ec.europa.eu/anti-trafficking/index.action.

[19] KOM(2010) 493.

[20] KOM(2010) 213. Das EMN stelle eine EU-Studie über unbegleitete Minderjährige zur Verfügung (http://emn.intrasoft-intl.com/html/index.html).

[21] http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/jha/114900.pdf .

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