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Document 52011AE1383

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts“ KOM(2011) 126 endg. — 2011/0059 (CNS) und zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Güterrechts eingetragener Partnerschaften“ KOM(2011) 127 endg. — 2011/0060 (CNS)

ABl. C 376 vom 22.12.2011, p. 87–91 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

22.12.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 376/87


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts“

KOM(2011) 126 endg. — 2011/0059 (CNS)

und zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Güterrechts eingetragener Partnerschaften“

KOM(2011) 127 endg. — 2011/0060 (CNS)

2011/C 376/16

Berichterstatter: Antonello PEZZINI

Der Rat beschloss am 26. April 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

 

Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts

KOM(2011) 126 endg. — 2011/0059 (CNS)

und

 

Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Güterrechts eingetragener Partnerschaften

KOM(2011) 127 endg. — 2011/0060 (CNS).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 31. August 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 474. Plenartagung am 21. und 22. September 2011 (Sitzung vom 21. September) mit 156 gegen 3 Stimmen bei 6 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) teilt die Auffassung der Kommission, dass im Bereich der Vermögensrechte internationaler Paare Unsicherheiten und Diskriminierungen beseitigt werden müssen, und erachtet die Annahme eines Legislativpakets, das aus zwei Verordnungen - einer für das Ehegüterrecht und einer für das Güterrecht eingetragener Partnerschaften - besteht, als angemessen.

1.2   Der EWSA ist der Auffassung, dass sämtliche einschlägige Rechtsvorschriften auf Rechtssicherheit, Planbarkeit, Vereinfachung und schnellem Zugang zur Gerichtsbarkeit, gerechten Lösungen, angemessenen Kosten und kurzen Fristen beruhen müssen, vorbehaltlich einzig der Ausnahmen, die im Zusammenhang mit der öffentlichen Ordnung stehen.

1.3   Der EWSA hält es für grundlegend, dass die jeweiligen Regelungen einen klaren und transparenten Schutz nicht nur der Rechte im Rahmen des Ehegüterrechts und des Güterrechts eingetragener Partnerschaften, sondern auch der Interessen und Rechte Dritter gewährleisten. In dieser Hinsicht sollte die Wahl der anwendbaren Rechtsvorschriften und der gerichtlichen Zuständigkeiten unbedingt zu dem Zeitpunkt erfolgen, zu dem die betreffende Verbindung eingegangen wird.

1.4   Der EWSA fragt sich in diesem Zusammenhang, ob es nicht möglich wäre, einen zusätzlichen optionalen Rechtsrahmen - das sog. 28. Regime - zu schaffen, der internationale Paare hinsichtlich ihres Güterstands und Güterrechts gleichermaßen schützen würde.

1.4.1   Darüber hinaus würde dadurch der Rückgriff auf das Schiedsverfahren erleichtert, was außergerichtlichen Einigungen Gültigkeit verschaffen würde.

1.5   Der EWSA betont erneut, dass die unmittelbare Vollstreckbarkeit der Beschlüsse gewährleistet werden muss, ohne weitere Verfahren einzuleiten, auch wenn diese vereinfacht würden, um die Kosten und Fristen für die Bürger und den Verwaltungsaufwand für die Rechtssysteme zu verringern.

1.6   Der EWSA empfiehlt die Schaffung eines Informations- und Schulungssystems für die zuständigen Gerichte wie auch für Juristen und Bürger in Form eines in sämtlichen Amtssprachen verfügbaren interaktiven Internetportals und eines Systems für den Austausch von beruflichen Kompetenzen und Fachwissen.

1.7   Der EWSA fordert die Schaffung eines europäischen Netzes nationaler Stellen für kostenlose rechtstechnische Unterstützung, die der Agentur für Grundrechte unterstellt sind, um zu gewährleisten, dass alle Paare ihre Rechte bewusst und sachkundig ausüben können.

1.8   Der EWSA betont, dass die verschiedenen Verfahren in den Bereichen Erbschaft, Scheidung, Trennung und Auflösung des gemeinsamen Güterstands auf den Zuständigkeitsbereich eines einzigen Gerichts konzentriert werden sollten.

1.9   Der EWSA empfiehlt schließlich mit Nachdruck, für die vollkommene Kohärenz der derzeit geltenden und er- bzw. überarbeiteten Regelungen zu sorgen, um einen einheitlichen, vereinfachten und für alle Unionsbürger zugänglichen güterrechtlichen Rahmen zu gewährleisten.

2.   Bestehender Rechtsrahmen

2.1   Für den EWSA ist es von wesentlicher Bedeutung, dass die Bürger frei zwischen allen Mitgliedstaaten verkehren und überall in der Europäischen Union ohne Nachteile und Unsicherheiten leben, eine Familie gründen und Eigentum erwerben können.

2.2   In den Verträgen und in der Grundrechtecharta der EU werden Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit, Zugang zu den Gerichten und Achtung der Grundrechte garantiert, insbesondere: Eigentumsrecht, Gleichheit vor dem Gesetz, Diskriminierungsverbot, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, (das nach einzelstaatlichen Gesetzen gewährleistete) Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen, und Recht auf ein unparteiisches Gericht.

2.3   Die zunehmende Mobilität der Bürger in der EU hat zu einer Zunahme der „internationalen“ Ehen und Partnerschaften zwischen Personen geführt, die nicht dieselbe Staatsangehörigkeit besitzen oder nicht in demselben Mitgliedstaat wohnhaft sind oder in einem Mitgliedstaat leben, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen.

2.4   Der EWSA ist sich der großen Bedeutung bewusst, die einer wirksamen Ausübung dieser Rechte in einem Raum ohne Binnengrenzen zukommt, und zwar ungeachtet der Form der Partnerschaft zwischen Bürgern aus verschiedenen Mitgliedstaaten und der Möglichkeit des Aufenthalts in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen. Diese Situation geht häufig mit dem Besitz von beweglichem und/oder unbeweglichem Vermögen in mehr als einem Land der EU einher.

2.5   In Europa gibt es derzeit ungefähr 16 Mio. internationale Paare. Von den im Jahr 2007 geschlossenen 2,4 Mio. neuen Ehen wiesen 13 % (310 000) einen internationalen Aspekt auf. Ebenso waren unter den im selben Jahr eingetragenen 211 000 Partnerschaften in der EU 41 000 internationale Paare.

2.6   In fünf Ländern sind Eheschließungen zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern möglich (seit 2001 in den Niederlanden, seit 2003 in Belgien, seit 2005 in Spanien, seit 2009 in Schweden und seit 2010 in Portugal), während die in 14 Mitgliedstaaten anerkannte „eingetragene Partnerschaft“ ein Rechtsinstitut neueren Datums ist (1). In all diesen 14 Ländern ist die eingetragene Partnerschaft von Personen gleichen Geschlechts zulässig, während die eingetragene Partnerschaft von Personen unterschiedlichen Geschlechts nur in Belgien, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden möglich ist.

2.7   Die Kommission befasste den EWSA im Jahr 2006 zum Grünbuch über die Regelung des Kollisionsrechts im Bereich des ehelichen Güterstands. Dabei befürwortete der Ausschuss grundsätzlich die Änderungen zur Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (2), mit denen die gerichtliche Zuständigkeit und das anwendbare Recht in Ehesachen ausgeweitet wurden. Er legte nahe, dass diese Änderungen in diesem Bereich eine Verordnung über die Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen in Ehe- und Sorgerechtssachen ergänzen sollten. Der EWSA hatte sich zur gerichtlichen Zuständigkeit und zum anwendbaren Recht bereits anlässlich der Vorlage des Grünbuchs „Scheidungsrecht“ geäußert, zu dem er eine sehr ausführliche Stellungnahme erarbeitet hatte, auf die an dieser Stelle verwiesen wird (3).

2.8   Der EWSA hatte auch die Frage gestellt, ob das Problem der Aufteilung gemeinsamer Güter (bewegliche und unbewegliche Sachen und andere Vermögensrechte) getrennt behandelt werden sollte, wobei der Anwendungsbereich des von dieser Aufteilung erfassten Personenkreises auf unverheiratete Paare (die jedoch gemeinsame Kinder haben können) ausgedehnt würde.

2.9   Möglicherweise wäre es logischer gewesen, zum einen alle Folgen der Auflösung der ehelichen Verbindung zu behandeln und zum andern alle Folgen der Trennung nicht verheirateter Paare, die eine eingetragene Partnerschaft leben, zu regeln und dazu einen einheitlichen Rechtsrahmen zu erarbeiten.

2.10   Dies hätte wahrscheinlich die Klarheit und Verständlichkeit des anwendbaren Rechts verbessert sowie die Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen vereinfacht, die häufig alle Bedingungen und Folgen der Scheidung bzw. Trennung in einem einzigen endgültigen Urteil regeln.

2.11   Aufgrund der Besonderheiten der Rechtsinstitute Ehe und eingetragene Partnerschaft und der rechtlichen Unterschiede zwischen diesen beiden Formen einer Verbindung hält es auch der Ausschuss für zweckmäßig, über zwei unterschiedliche Rechtsinstrumente zu verfügen: eines für die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts und eines für die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Güterrechts eingetragener Partnerschaften.

2.12   Der EWSA wirft die Frage auf, ob es nicht zweckmäßig wäre, die umfassende Erarbeitung eines einheitlichen Instruments in Form einer europäischen zusätzlichen und optionalen Regelung („28. Regimes“) (4) zu erwägen, die - in Ehe oder eingetragener Partnerschaft lebende - Paare frei und ohne jede Diskriminierung in Anspruch nehmen können. Als Orientierungspunkt könnte hier das deutsch-französische Übereinkommen über die Schaffung eines gemeinsamen Ehegüterrechts dienen (5).

2.12.1   Güterfragen von Ehen und eingetragenen Partnerschaften werden häufig außergerichtlich geklärt. In diesem Falle sollten nach Auffassung des EWSA in das „28. Regime“ bestimmte Klauseln über die Gültigkeit außergerichtlicher Schiedsvereinbarungen (6) aufgenommen werden, was erhebliche Vorteile für die Unionsbürger hätte.

2.13   Beide Instrumente sollten nach Auffassung des EWSA Folgendes sicherstellen:

Planbarkeit und Sicherheit des anwendbaren Rechts durch klare und einheitliche Vorschriften;

Kohärenz der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen und insbesondere im Familienrecht;

automatische Anerkennung der Entscheidungen und Vollstreckung durch ein vereinfachtes einheitliches Verfahren, mit dem der Verkehr der Urteile ohne Exequaturverfahren zur Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidungen gewährleistet wird;

Harmonisierung der Zuständigkeitsvorschriften und Bestimmung des anwendbaren Rechts durch eine einziges Gericht für alle Aspekte der Situation eines Paares, das eine entsprechende Wahl treffen sollte;

Schaffung eines Rechtsrahmens, der einheitlich strukturiert und leicht zugänglich ist, wobei zu diesem Zweck die Terminologie in sämtlichen Sachbereichen sowie alle Konzepte und Anforderungen an ähnliche Vorschriften in sämtlichen Sachbereichen vereinheitlicht und harmonisiert werden sollten (Rechtshängigkeit, Zuständigkeitsklauseln usw.).

3.   Vorschläge der Kommission

3.1   In ihrem „Bericht über die Unionsbürgerschaft 2010 - Weniger Hindernisse für die Ausübung von Unionsbürgerrechten (7) macht die Kommission die Unsicherheiten im Bereich der Vermögensrechte internationaler Paare als eines der Haupthindernisse aus, das die Bürger bei der Ausübung ihrer Rechte im Alltag beeinträchtigt.

3.2   Die Vorschläge der Kommission stützen sich auf Artikel 81 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

3.3   Dem Rat wurden zwei Initiativen der Kommission vorgelegt, die das auf die Eigentumsrechte internationaler Paare anwendbare Recht berühren: Die erste betrifft die Bestimmung der Zuständigkeit, das anwendbare Recht und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts; die andere betrifft die gleichen Fragen im Bereich des Güterrechts eingetragener Partnerschaften.

3.4   Mit diesen Vorschlägen beabsichtigt die Kommission, Brücken zwischen den verschiedenen Rechtsordnungen der EU zu schlagen und internationalen Paaren das Leben zu erleichtern, ohne das materielle Recht der Mitgliedstaaten im Bereich der Ehe oder der eingetragenen Partnerschaft zu vereinheitlichen oder anzutasten, allerdings mit dem Ziel,

internationalen verheirateten Paaren die Wahl des auf ihre gemeinsamen Güter anwendbaren Rechts im Falle des Todes eines Partners oder der Scheidung zu ermöglichen;

die Rechtssicherheit für eingetragene Partnerschaften mit internationalem Hintergrund zu erhöhen, indem die Güter in Partnerschaft lebender Personen grundsätzlich dem Recht des Landes unterworfen wird, in dem die Partnerschaft eingetragen wurde;

die Rechtssicherheit für internationale Paare (die in Ehe oder in eingetragener Partnerschaft leben) durch Einführung kohärenter Vorschriften zur Bestimmung des zuständigen Gerichts und des anwendbaren Rechts aufgrund einer Rangfolge objektiver Anknüpfungspunkte zu erhöhen;

die Planungssicherheit für internationale Paare durch Vereinfachung des Verfahrens zur EU-weiten Anerkennung von Entscheidungen und Urkunden und durch die Möglichkeit der Bürger, einem einzigen Gericht verfahrenseinleitende Schriftstücke zu übermitteln, zu erhöhen.

3.5   Die Vorschläge sehen auch die Einrichtung einer Website im Rahmen des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen über bestehende Register im Bereich des Ehegüterrechts und nationaler Rechtsvorschriften vor.

3.6   Die Vorschläge erfordern die einstimmige Annahme durch den Rat der Europäischen Union nach Anhörung des Europäischen Parlaments.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1   Der EWSA hält es für sinnvoll, dass die Wahl des auf Ehegatten anzuwendenden Rechts zum Zeitpunkt der Eheschließung erfolgt, wobei zu vermeiden ist, dass ein Recht gewählt wird, mit dem die Ehe keinerlei rechtliche Anknüpfungspunkte hat. Bei einer bereits bestehenden Ehe, für die keine Rechtswahl getroffen wurde, sollte indes im Einklang mit dem in der kürzlich verabschiedeten Verordnung „Rom III“ angewandten System eine Liste objektiver Anknüpfungspunkte vorgesehen werden, anhand derer das anzuwendende Recht bestimmt wird (8).

4.1.1   Nach Ansicht des EWSA würde durch die Einführung von Vorschriften, die den Ehegatten eine begrenzte Wahlmöglichkeit bei der Bestimmung des anzuwendenden Rechts lassen, die Rechtssicherheit erhöht und den Betroffenen ein gewisser Spielraum bei der Wahl des auf ihr Vermögen anzuwendenden Rechts gegeben, wobei zugleich der Schutz der Interessen Dritter gewährleistet würde.

4.1.2   Im Falle einer eingetragenen Partnerschaft wird das Recht des Staates gewählt, in dem die Partnerschaft eingetragen wird.

4.1.3   Der EWSA betont, dass gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und des im Kommissionsdokument KOM(2011) 126 endg. enthaltenden Vorschlags angemessene und klare Informationen über die Rechtswahl bereitgestellt werden müssen, um die Partner mit dem Scheidungsrecht und den Vorschriften über ihre vermögensrechtlichen Beziehungen vertraut zu machen.

4.1.4   Der EWSA sieht die Rechtssicherheit als Priorität an, weshalb er Bedenken hinsichtlich der Frage anmeldet, inwieweit die hinsichtlich des auf ihren Güterstand anzuwendenden Rechts getroffene Wahl eines Paares respektiert werden kann, wenn sein Vermögen nicht in dem Staat belegen ist, dessen Recht es gewählt hat.

4.1.4.1   Nach Auffassung des Ausschusses sollte zum Zeitpunkt der Eheschließung und der Trennung oder Scheidung eine ausgewogene Bewertung des Vermögens vorgenommen werden, um sowohl die Rechtssicherheit als auch das Recht der Ehegatten auf die Bewahrung des Werts ihres beweglichen und unbeweglichen Vermögens zu garantieren.

4.1.4.2   Der EWSA legt nahe, in allen Urkunden in Bezug auf die Vermögensgegenstände einen Verweis auf den ehelichen Güterstand aufzunehmen. Dies ist besonders wichtig, wenn Unternehmensanteile und -beteiligungen, Lebensversicherungen, Pensionsfonds usw. vorhanden sind.

4.1.5   Der EWSA fragt sich, welche Folgen für Dritte auftreten können, wenn das für den Güterstand gewählte anzuwendende Recht von dem des Ortes der tatsächlichen Belegenheit des Vermögens - u.U. außerhalb der EU - abweicht.

4.2   Der Ausschuss hält es für wichtig, durch Fortschritte bezüglich Kostensenkung und kürzere Fristen bei der Anerkennung von Entscheidungen und durch den Ausschluss der Möglichkeit, bei Gerichten in verschiedenen Mitgliedstaaten Rechtsmittel einzulegen, die Probleme im Zusammenhang mit der Anerkennung von Entscheidungen und Rechtsakten zu beseitigen.

4.3   Durch die Vorschriften über die Zuständigkeit bei güterrechtlichen Auseinandersetzungen würde die Zuständigkeit des mit einer Scheidung oder einem Nachlass befassten Gerichts auf mit güterrechtlichen Auseinandersetzungen zusammenhängende Fragen ausgeweitet. Hieraus würde sich für die Bürger eine größere Rechtssicherheit ergeben, da das für die Scheidung oder den Nachlass zuständige Gericht auch für die güterrechtliche Auseinandersetzung zuständig wäre.

4.3.1   Der Ausschuss zeigt sich besorgt über die Folgen der Fristen für die Anpassung der internen Rechtsvorschriften der einzelnen Staaten und das Datum des Inkrafttretens der Verordnungen in Bezug auf die Güterstände.

4.4   Der EWSA hält es für unerlässlich, den freien Verkehr der Entscheidungen dank ihrer automatischen Anerkennung in der gesamten Union und einer Vollstreckung durch ein vereinfachtes einheitliches Verfahren sicherzustellen und für die geforderte Kohärenz bei der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen zu sorgen.

4.5   Der EWSA ist der Ansicht, dass das allgemeine Ziel darin bestehen sollte, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, der einheitlich strukturiert und leicht zugänglich ist; seines Erachtens sollte zu diesem Zweck die Terminologie in sämtlichen Sachbereichen sowie alle Konzepte und Anforderungen an ähnliche Vorschriften in sämtlichen Sachbereichen vereinheitlicht und harmonisiert werden (z.B. Rechtshängigkeit, Zuständigkeitsklauseln, gewöhnlicher Aufenthalt usw.).

4.6   Außerdem hält es der Ausschuss für wichtig, ohne Vorbehalt - abgesehen von die öffentliche Ordnung betreffenden und im Einklang mit der Grundrechtecharta stehenden Vorbehalten - im Einklang mit den Änderungen, die im Hinblick auf die zivil- und handelsrechtlichen Vorschriften im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vorgeschlagen wurden (9), die Anerkennung und die Vollstreckung der Entscheidungen sowie deren freien Verkehr im Binnenmarkt ohne Exequaturverfahren zu ermöglichen.

4.7   Der EWSA hält es auch für sinnvoll, dass ein einziges Gericht für die verschiedenen Verfahren zuständig ist: Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und güterrechtliche Auseinandersetzung. Die zuständigen Gerichte sind dieselben wie diejenigen, die in der Verordnung „Brüssel IIa“ genannt werden.

4.7.1   Der Ausschuss betont, wie wichtig es ist, Parallelverfahren und die Anwendung unterschiedlicher Sachrechte auf das Vermögen von Eheleuten oder eingetragenen Lebenspartnern zu vermeiden.

4.8   Der EWSA hält es für grundlegend wichtig, Schulungsmaßnahmen für die Bediensteten der zuständigen Behörden und für Juristen durchzuführen, die den neuen Rechtsrahmen im Bereich der Güterstände von Eheleuten oder eingetragenen Lebenspartnern werden anwenden müssen.

4.9   Die Eheleute oder eingetragenen Lebenspartner müssen angemessen darüber informiert werden, wie sich das gewählte Recht im Falle einer Vermögensübertragung auf ihr Vermögen auswirkt, vor allem wenn das gewählte Recht von dem des Ortes der tatsächlichen Belegenheit des Vermögens abweicht.

4.10   Im Einklang mit den Schlussfolgerungen des Rates „Justiz und Inneres“ vom 24./25. Februar 2011„[ist] die Achtung der Grundrechte auch zu berücksichtigen […], wenn Rechtsakte erstellt werden, die keinem Gesetzgebungsverfahren unterliegen (10). Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die Agentur für Grundrechte eine aktive Rolle dabei spielen kann und muss, die Partner technisch-juristisch zu unterstützen, damit sie ihre Rechte wirksam ausüben können.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1   Vorschläge zur Regelung des ehelichen Güterstands

5.1.1   Der Ausschuss stimmt der Begriffsbestimmung des ehelichen Güterstands zu, demzufolge dieser sowohl die Aspekte, die mit der Verwaltung des Vermögens der Eheleute im Alltag zusammenhängen, als auch die Aspekte, die bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung zum Tragen kommen, umfasst, ohne die Art dinglicher Rechte wie auch die Qualifikation der Sachen und Rechte und die Prärogativen der Inhaber solcher Rechte zu berühren, vorbehaltlich einzig der Ausnahmen im Sinne der öffentlichen Ordnung gemäß der Rechtsordnung der Mitgliedstaaten.

5.1.2   Dem Ausschuss ist es ein ernstes Anliegen, dass im Bereich der Zuständigkeit Kohärenz gewährleistet wird zwischen den geltenden Regelungen gemäß Verordnung 1259/2010 (Scheidung oder Trennung), Verordnung 2201/2003 (Ehesachen) und den im vorliegenden Verordnungsvorschlag vorgesehenen Vorschriften (siehe Kapitel II, Artikel 4 und 5 sowie Kapitel III, Artikel 15 bis 18).

5.1.2.1   Nach Auffassung des EWSA könnten unterschiedliche Regelungen in den verschiedenen Fällen - deren Wahl im reinen Ermessen der Beteiligten liegt - zu übermäßiger Komplexität und möglicherweise zu konkurrierenden Zuständigkeiten führen, was erhebliche Belastungen in puncto Fristen und Kosten mit sich bringt. Nach Auffassung des Ausschusses ist es sinnvoll, die gerichtliche Zuständigkeit zum Zeitpunkt der Eheschließung festzulegen.

5.1.3   Nach Ansicht des Ausschusses muss der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung im Bereich des freien Verkehrs gerichtlicher Entscheidungen, Eintragungen und öffentlicher Urkunden im Bereich des Ehegüterrechts eventuelle weitere Verfahren, die über diese Vorschläge hinausgehen, ausschließen. Jedwedes Exequaturverfahren (siehe Verordnungen Brüssel I und II) würde zu Belastungen in puncto Kosten und Fristen führen.

5.1.4   In beiden Verordnungen sollte nach Auffassung des EWSA in Artikel 4 die Möglichkeit ausgeschlossen werden, die Ausdehnung der Zuständigkeit des Gerichts, das für die Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung der Ehe bzw. für die Aufhebung oder Ungültigerklärung einer eingetragenen Partnerschaft zuständig ist, auf güterrechtliche Fragen in Verbindung mit diesen Verfahren von einer Vereinbarung der Ehegatten bzw. Partner abhängig zu machen.

5.2   Vorschläge zur Regelung des Güterrechts eingetragener Partnerschaften

5.2.1   Nach Auffassung des EWSA muss den besonderen Eigenschaften eingetragener Partnerschaften Rechnung getragen werden, um die rechtlichen Folgen für eingetragene Partnerschaften bezüglich vermögensrechtlicher Beziehungen untereinander sowie gegenüber Dritten zu bestimmen.

5.2.2   In Bezug auf die Vorschriften in Kapitel III des Verordnungsvorschlags 127/2011 (eingetragene Partnerschaften) ist der EWSA der Ansicht, dass diese vorgeschlagenen Bestimmungen mit dem anzuwendenden Recht des Staates der Belegenheit dieses Vermögens kollidieren können.

5.2.3   Um die Garantien zum Schutz der Rechte der Angehörigen eingetragener Partnerschaften sowie von Dritten zu stärken und angesichts der bestehenden Unterschiede zwischen den Regelungen in den Ländern, die eingetragene Partnerschaften zulassen, wäre es sinnvoll, eine Harmonisierung der Informationssysteme, der Verfahren der Publizität und Geltendmachung der Rechte an Vermögenswerten der Partner, insbesondere bei Belegenheit des Vermögens in Ländern, die eine solche Regelung nicht kennen, durchzuführen.

5.3   Zugang zu Informationen über die güterrechtlichen Regelungen der Mitgliedstaaten

5.3.1   Der EWSA betont, dass ein angemessener Zugang zu den Informationen - an erster Stelle für Ehegatten und Mitglieder eingetragener Partnerschaften, aber auch für die zuständigen Gerichte und Juristen - mittels praktischer Leitfäden und der Schaffung von Internetportalen in den Amtssprachen der EU sichergestellt werden muss.

5.3.2   Der Ausschuss hält ein Schulungsprogramm für Gerichte, Juristen und Nutzer, das von Maßnahmen zum Erfahrungsaustausch begleitet wird, für unerlässlich. Damit sollen eine angemessene Verbreitung beruflicher Kompetenzen sowie Kenntnisse über die entsprechenden einzelnen nationalen Rechtssysteme gewährleistet werden.

5.3.3   Der EWSA fordert den Aufbau eines europäischen Netzes einzelstaatlicher Stellen für die technisch-juristische Unterstützung, die der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte unterstehen. Damit soll eine bewusste Ausübung der Rechte der Partner im Bereich des Ehegüterrechts und des Güterrechts eingetragener Partnerschaften gewährleistet werden.

Brüssel, den 21. September 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Schweden, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn und Vereinigtes Königreich.

(2)  ABl. C 325 vom 30.12.2006, S. 71.

(3)  ABl. C 24 vom 31.1.2006, S. 20.

(4)  ABl. C 21 vom 21.1.2011, S. 26.

(5)  Siehe: Französischer Ministerrat, 23. März 2011.

(6)  Vorschlag des italienischen Justizministeriums; siehe auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache West Tankers (C-185/07, Ziffer 26) bezüglich der Gültigkeit der Schiedsklausel.

(7)  Angenommen am 27. Oktober 2010.

(8)  Siehe Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 vom 20. Dezember 2010, ABl. L 343 vom 29.12.2010, S. 10.

(9)  Siehe KOM(2010) 748 endg.

(10)  Siehe Schlussfolgerungen des Rates zur Rolle des Rates der Europäischen Union bei der Gewährleistung einer wirksamen Umsetzung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 24./25. Februar 2011.


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