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Document 31996D0666

96/666/EG: Entscheidung der Kommission vom 26. Juni 1996 über eine Beihilfe Deutschlands an den Volkswagen- Konzern für die Werke in Mosel und Chemnitz (Nur der deutsche Text ist verbindlich) (Text von Bedeutung für den EWR)

ABl. L 308 vom 29.11.1996, p. 46–57 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

Legal status of the document In force

ELI: http://data.europa.eu/eli/dec/1996/666/oj

31996D0666

96/666/EG: Entscheidung der Kommission vom 26. Juni 1996 über eine Beihilfe Deutschlands an den Volkswagen- Konzern für die Werke in Mosel und Chemnitz (Nur der deutsche Text ist verbindlich) (Text von Bedeutung für den EWR)

Amtsblatt Nr. L 308 vom 29/11/1996 S. 0046 - 0057


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION vom 26. Juni 1996 über eine Beihilfe Deutschlands an den Volkswagen-Konzern für die Werke in Mosel und Chemnitz (Nur der deutsche Text ist verbindlich) (Text von Bedeutung für den EWR) (96/666/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 1,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a),

nachdem den Betroffenen gemäß Artikel 93 Absatz 2 Möglichkeit zur Äußerung gegeben wurde,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I

Mit Schreiben vom 14. Januar 1992 (1) setzte die Kommission Deutschland von ihrem Beschluß vom 18. Dezember 1991 in Kenntnis, das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages bezüglich der von den deutschen Behörden geplanten Beihilfen zugunsten des Volkswagen(VW)-Konzerns für seine Werke in den neuen Bundesländern zu eröffnen.

Bei Eröffnung des Verfahrens äußerte die Kommission aus folgenden Gründen ernste Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit der Beihilfen mit Artikel 92 des Vertrages:

1. Die staatlichen Beihilfen waren der Kommission nicht gemäß Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages notifiziert worden und konnten nicht gänzlich quantifiziert werden.

2. Die vorgesehene, anscheinend hohe Beihilfeintensität für einen Plan, der mit einem erheblichen Kapazitätsausbau auf dem europäischen Kraftfahrzeugmarkt verbunden ist, könnte zu Wettbewerbsverfälschungen führen.

3. Die Kumulierung von Regionalbeihilfen mit einer vergleichsweise hohen Intensität war bezüglich der strukturellen und wirtschaftlichen Probleme in den neuen Bundesländern nicht ausreichend begründet worden; die Gesamtbeihilfeintensität ist möglicherweise überhöht und mit den Kriterien des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen an die Kraftfahrzeugindustrie (2) unvereinbar.

II

Mit Schreiben vom 19. September 1990, 14. Dezember 1990 und 14. März 1991 forderte die Kommission zur Notifizierung der Beihilfemaßnahmen für die Neuinvestitionen der VW AG in den neuen Bundesländern gemäß dem Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen an die Kraftfahrzeugindustrie auf und unterstrich, daß solche Beihilfen nicht ohne vorherige Notifizierung und Genehmigung durch die Kommission gewährt werden dürfen.

Die deutsche Regierung erläuterte mit Schreiben vom 29. Mai 1991, daß der Gemeinschaftsrahmen für die Kfz-Industrie ihrer Auffassung nach zwischen dem 1. Januar 1991 und dem 31. März 1991 nicht auf die neuen Bundesländer anwendbar war, da er ursprünglich nur bis Ende 1990 gelten sollte und eine Verlängerung durch die Kommission im Dezember 1990 erst nach förmlicher Annahme der Verlängerung durch die Bundesregierung oder durch eine förmliche Entscheidung der Kommission in einem Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages rechtlich verbindlich werden konnte. Da die fraglichen Beihilfemaßnahmen vor dem 31. März 1991 genehmigt worden waren, hätten sie von der Kommission lediglich mit Bezug auf die genehmigten Regionalbeihilferegelungen für die neuen Bundesländer überprüft werden können.

Der Rechtsstandpunkt Deutschlands wird aus folgenden Gründen nicht von der Kommission geteilt:

1. Die Entscheidung 90/381/EWG der Kommission (3) bezüglich der Anwendung des Gemeinschaftsrahmens für die Kfz-Industrie auf Deutschland, die von der Bundesregierung nicht angefochten worden war, war zeitlich unbegrenzt, so daß die im Dezember 1990 durch die Kommission vorgenommene Verlängerung des Gemeinschaftsrahmens die Notifizierungspflichten nicht beeinträchtigte.

2. Die Bundesregierung hat die Verlängerung des Gemeinschaftsrahmens selbst weder angefochten noch darauf reagiert, so daß die Kommission legitimerweise annehmen durfte, daß Deutschland die Bestimmungen einhalten würde.

3. Bei der Genehmigung der Ausweitung bestehender Regionalbeihilferegelungen auf die neuen Bundesländer (SG(91) D/12002 vom 9. Januar 1991) legte die Kommission fest, daß die Bestimmungen der Gemeinschaftsrahmen einzuhalten sind.

4. Diese Ausweitung hat zur Folge, daß die Bestimmungen des 19. Rahmenprogramms der Gemeinschaftsaufgabe (das von Deutschland im Juli 1991 bekanntgegeben und mit Schreiben SG(90) D/27707 vom 2. Oktober 1991 genehmigt worden war) auch bei Beihilfefällen in den neuen Bundesländern einzuhalten sind. Die Bestimmung über die vorherige Notifizierung von Beihilfen an die Kraftfahrzeugindustrie gilt daher auch in diesen Fällen.

Die Kommission sah diese Fälle somit als nicht notifiziert an, da die deutschen Behörden die Beihilfe ohne vorherige Zustimmung durch die Kommission genehmigt hatten.

Der Beschluß, das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages zu eröffnen, gründete sich auf eine erste detaillierte Prüfung der Informationen in den Schreiben der deutschen Behörden vom 16. September und 10. Dezember 1991, mehrere bilaterale Kontakte zwischen den deutschen Behörden und Vertretern der Kommission sowie einen Ortstermin der Kommission am Werksstandort im August 1991.

In ihrem Schreiben vom 14. Januar 1992 forderte die Kommission die Bundesregierung nicht nur auf, innerhalb eines Monats zu dem Beschluß, das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages im Fall VW zu eröffnen, Stellung zu nehmen, sondern auch, innerhalb von zehn Arbeitstagen zu bestätigen, daß sie einer Aussetzung aller Zahlungen an VW für deren Investitionen in Mosel, Chemnitz und Eisenach zustimmte. Die Kommission behielt sich bei Nichtabgabe einer solchen Erklärung vor, von der Zahlung jeglicher staatlichen Beihilfen für die Projekte abzusehen.

III

Mit Schreiben vom 29. Januar 1992 erklärte sich die Bundesregierung bereit, weitere Beihilfezahlungen bis zum Abschluß des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 auszusetzen. Mit Schreiben vom 31. März 1992 legte die Bundesregierung ihre Bemerkungen zum Schreiben der Kommission vom 14. Januar 1992 vor.

Mit Schreiben vom 24. April 1992 forderte die Kommission die deutschen Behörden, die Treuhandanstalt (THA) und VW auf, weitere Informationen zu übermitteln, die zur vollständigen Überprüfung der Sache erforderlich waren.

Die Fragen, die in einem zweiseitigen Gespräch vom 28. April 1992 und in weiteren Einzelheiten in den nachfolgenden Schreiben der Kommission vom 14. Mai, 5. Juni, 21. August und 17. November 1992 erläutert wurden, wurden in den Schreiben der deutschen Behörden vom 20. Mai, 3. Juni, 12. Juni, 20. Juli, 29. Juli, 8. September, 25. September, 2. Oktober, 16. Oktober, 21. Oktober, 4. November und 25. November 1992 nach und nach beantwortet. VW ergänzte diese Informationen durch Mitteilungen an die Kommission vom 15. Juni und 30. Oktober 1992 und 12. Januar und 20. Januar 1993. Die Antworten wurden in mehreren Gesprächen der Kommission mit den verschiedenen deutschen Behörden und mit VW vom 16. Juni, 9. September, 12. Oktober, 16. Oktober und 3. Dezember 1992 und 8. Januar und 11. Januar 1993 erörtert.

Anfang Januar 1993, als die Kommission die Überprüfung der Sache abgeschlossen hatte und kurz vor der endgültigen Entscheidung stand, informierte VW sie inoffiziell darüber, daß das Unternehmen seine Investitionspläne in den neuen Bundesländern prüft und sich daher für eine Zurückstellung der Kommissionsentscheidung bis nach Abschluß dieser Prüfung ausspricht. Die deutschen Behörden schlossen sich dem an.

Am 13. Januar 1993 beschloß VW, wesentliche Teile des Investitionsvorhabens um bis zu drei Jahre aufzuschieben. Da sich durch den geänderten Projektzeitplan einige grundlegende Parameter geändert hatten, anhand deren die Kommission die Vereinbarkeit des Beihilfevorhabens mit dem sektoralen Gemeinschaftsrahmen beurteilt hatte, stimmte die Kommission einer Überarbeitung ihrer Analyse zu, bei der die geänderten Investitionspläne von VW zu berücksichtigen waren.

Einige Einzelheiten des geänderten Projekts wurden der Kommission in einem zweiseitigen Gespräch am 5. Mai 1993 vorgestellt. Schriftliche Informationen zum neuen Investitionsplan wurden von den deutschen Behörden mit Schreiben vom 6. Juni 1993 vorgelegt und von VW mit Schreiben vom 24. Juni und 6. Juli 1993 sowie in einem Telefax vom 10. November 1993 ergänzt. Die neuen Informationen wurden außerdem in zweiseitigen Gesprächen vom 18. Mai, 10. Juni, 2. Juli und 22. Juli 1993 erörtert. Neue Informationen über geplante Gesamtkapazitäten des VW-Konzerns wurden durch die Bundesregierung mit Schreiben vom 15. Februar und mit Telefax vom 25. Februar 1994 übermittelt.

Bei einem Ortstermin Anfang April 1994 wurden neue Informationen zu den Projekten eingeholt, die in die Analyse einzubeziehen waren, da sie auf Projektänderungen schließen ließen. Diese Informationen wurden in Gesprächen vom 11. Mai, 2. Juni, 7. Juni und 24. Juni 1994 erörtert und durch weitere schriftliche Informationen ergänzt, die anläßlich dieser Gespräche übergeben oder von den deutschen Behörden und VW am 10. Mai, 30. Juni, 4. Juli und 12. Juli 1994 übermittelt wurden. Mit Schreiben vom 24. Mai 1994 an VW änderten die deutschen Behörden außerdem die Beihilfeverträge.

Am 27. Juli 1994 traf die Kommission die abschließende Entscheidung 94/1068/EG (4) über das Beihilfevorhaben der deutschen Behörden für die Umstrukturierung der ehemals zum IFA-Kombinat gehörenden, inzwischen jedoch von VW übernommenen Fahrzeug-, Motoren- und Zylinderkopfwerke (Mosel I, Chemnitz I, Eisenach).

IV

Mit der Entscheidung 94/1068/EG war der Beihilfefall jedoch erst teilweise abgeschlossen, da die deutschen Behörden außerdem die Gewährung von Regionalbeihilfen für Investitionen in die neuen in Sachsen zu bauenden Fahrzeug- und Motorenwerke des VW-Konzerns (Mosel II und Chemnitz II) beabsichtigten. Zum Zeitpunkt der genannten Entscheidung sagten die deutschen Behörden zu, daß die endgültigen Investitionspläne von VW für diese neuen Werke Ende 1994 vorliegen würden, so daß die Standardanalyse hätte erfolgen können.

Die Bundesregierung unterrichtete die Kommission in der Folge mehrmals mündlich über Verzögerungen bei der Fertigstellung dieser Pläne. Ein Schreiben der Kommission vom 12. April 1995, in dem die Vorlage der VW-Pläne angemahnt wurde, blieb unbeantwortet. Mit Schreiben vom 4. August 1995 forderte die Kommission dringend zur Vorlage der erforderlichen Informationen auf und kündigte eine einstweilige Anordnung und eine spätere abschließende Entscheidung auf der Grundlage der vorliegenden Informationen für den Fall an, daß Deutschland der Aufforderung nicht nachkommen sollte. In Beantwortung dieses Schreibens unterrichtete Deutschland die Kommission mit Schreiben vom 22. August 1995, daß die Investitionspläne von VW noch immer nicht abgeschlossen seien. Da VW vor Eröffnung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 unzulässigerweise bereits rund 360,8 Mio. DM an Investitionszuschüssen und 10,6 Mio. DM an Investitionszulagen erhalten hatte, legte die Kommission mit der Entscheidung 96/179/EG (5) Deutschland auf, alle Unterlagen, Informationen und Daten über die Neuinvestitionsprojekte des VW-Konzerns in Sachsen und über die zu gewährenden Beihilfen zu übermitteln.

In Beantwortung dieser einstweiligen Anordnung wurden in einem Gespräch am 20. November 1995 einige Informationen über das Projekt und die Produktionskapazität übermittelt. Diese wurden in einem Schreiben vom 13. Dezember 1995, das am 4. Januar 1996 bei der Kommission einging, ergänzt und in Gesprächen vom 21./22. Dezember 1995 erläutert. Nach weiteren Fragen der Kommission vom 15. Januar 1996 und einem Gespräch vom 23. Januar 1996 wurden die meisten ausstehenden Informationen mit Schreiben vom 1. Februar und 12. Februar 1996 übermittelt. In Beantwortung eines Schreibens der Kommission vom 23. Februar 1996, in dem die deutschen Behörden auf noch ausstehende Informationen hingewiesen wurden, wurden diese in einem Gespräch vom 25. März 1996 übermittelt und in zwei Gesprächen am 2. und 10. April 1996 erörtert.

Unter anderem wurden folgende Punkte bezüglich der neuen Projekte in den verschiedenen Mitteilungen und Gesprächen behandelt:

1. Einzelheiten der VW-Investitionspläne in den neuen Bundesländern und deren Bezug zu bestehenden VW-Aktivitäten im Kraftfahrzeugsektor;

2. die genaue Höhe der geplanten und der bereits an VW ausgezahlten Beihilfen;

3. eine Prüfung der geplanten Aufwendungen hinsichtlich der Förderfähigkeit gemäß den Kriterien, die von der Kommission bei der Anwendung des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen an die Kraftfahrzeugindustrie zugrunde gelegt werden;

4. eine gründliche Prüfung der Nettozusatzkosten der neuen Werke in Mosel und Chemnitz, verglichen mit gleichwertigen Werken in einem zentralen nicht geförderten Gebiet der Gemeinschaft, die von VW als "Vergleichswerke" ("comparator plants") ausgewählt werden sollten;

5. prognostizierte Kapazität, Produktion und Kosten der neuen Werke sowie die geplante Entwicklung der Jahreskapazität aller europäischen Werke des VW-Konzerns bis zum Jahr 2002;

6. Berücksichtigung möglicher negativer Auswirkungen auf den Sektor als Ganzes, die sich aus der Durchführung des Beihilfevorhabens ergeben, insbesondere hinsichtlich der Kapazitätsentwicklung in dem Sektor.

V

Hinsichtlich der Vereinbarkeit der geplanten staatlichen Beihilfemaßnahmen mit dem Gemeinsamen Markt hat Deutschland 1993 folgende Argumente angeführt:

1. Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c)

Dies sei die Rechtsgrundlage für die Beurteilung der Vereinbarkeit der Beihilfemaßnahmen. Trotz der Vereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 litten die neuen Bundesländer noch immer unter wirtschaftlichen Nachteilen, die aus der Teilung Deutschlands herrührten.

Die Kommission möge daher prüfen, ob solche Nachteile die Gewährung staatlicher Beihilfen rechtfertigten. Falls ja, seien alle anderen Bewertungskriterien, insbesondere auch diejenigen des Gemeinschaftsrahmens für die Kfz-Industrie - einschließlich sektoraler Überlegungen und das Kriterium eines möglichen Risikos von Überkapazitäten -, nicht auf diese Fälle anzuwenden.

2. Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a)

Hinsichtlich der zulässigen Beihilfehöhe geben die deutschen Behörden an, daß die neuen Bundesländer unter Zugrundelegung der neuesten Statistiken als am wenigsten entwickelte Gebiete anzusehen sind. Sie beziehen sich auf das Delors-II-Paket, in dem diese Gebiete als Ziel-1-Gebiete vorgeschlagen würden, wodurch dort Regionalbeihilfen bis zu 75 % Nettosubventionsäquivalent gewährt werden können.

3. Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe b)

Die deutschen Behörden argumentieren, daß dies eine weitere Rechtsgrundlage für die Beihilfegewährung in diesen Fällen sei. Ihrer Auffassung nach bewirken die Probleme der Integration und Überführung der ehemaligen Planwirtschaft in eine Marktwirtschaft eine beträchtliche Störung des Wirtschaftslebens Deutschlands.

Bezüglich der Investitionsbeihilfen für das neue Fahrzeugwerk in Mosel (Mosel II) und das neue Motorenwerk in Chemnitz (Chemnitz II) haben die Bundesregierung und VW folgende Argumente vorgebracht:

1. VW habe große Teile seiner Investitionen in die neuen Werke um bis zu drei Jahre verschoben und den Umfang des Projekts erheblich gekürzt. Dies habe eine Verringerung der Gesamtinvestitionen im Vergleich zur ursprünglich notifizierten Höhe zur Folge gehabt (Gründe siehe unten). Die Verringerung der Investitionen habe auch zu einer Senkung der von den deutschen Behörden vorgesehenen Regionalbeihilfebeträge geführt.

2. Der hohe Beihilfebetrag sei gerechtfertigt, weil VW in den neuen Bundesländern, verglichen mit einer Investition auf der grünen Wiese (einem "greenfield"-Projekt) in einem zentralen, nicht geförderten Gebiet wie beispielsweise Metz (Frankreich), erhebliche Kostennachteile zu tragen habe. Die Investitionskostennachteile resultierten aus Infrastrukturproblemen des Gebiets, ungünstigen geologischen Bedingungen am Standort, strengeren Umweltschutzauflagen und allgemein höheren Baukosten als in Frankreich. Außerdem sei ein Umweltrisiko durch Deponien des früheren Wismuter Uran- und Silbererzbergbaus in der Nähe des Standorts Mosel gegeben. VW habe wegen der höheren Arbeitskosten in den neuen Bundesländern ab 1995 sowie wegen der höheren Material-, Transport- und Energiekosten in den ersten Produktionsjahren der neuen Werke erheblich höhere Betriebskosten als am Vergleichsstandort zu tragen. Der Arbeitskostennachteil habe sich wegen der Verschiebung der Investitionen vergrößert, weil die Produktion der neuen Werke jetzt zu einem Zeitpunkt aufgenommen werde, zu dem die ostdeutschen Löhne vollständig dem westdeutschen Niveau angeglichen sein dürften.

3. Die in den neuen Werken geschaffene Neukapazität würde die Überkapazität in der Gemeinschaft nicht erhöhen, da sie eine gleichwertige Kapazität in der ehemaligen DDR ersetze, die geschlossen worden war, während gleichzeitig neue Märkte in Osteuropa bedient würden, wo die Fahrzeugdichte vergleichsweise gering sei und die Kapazitäten zur Befriedigung der Nachfrage nicht ausreichten.

4. Im Rahmen seines Investitionsvorhabens beabsichtige VW, in den neuen Bundesländern eine solide Zuliefererbasis vor Ort zu schaffen, was erhebliche zusätzliche Vorteile für die Region mit sich brächte.

Die Bundesregierung betonte außerdem, daß die Kosten-Nutzen-Analyse beim Vergleich mit einem nicht geförderten Gebiet in der Gemeinschaft (wie dem von VW gewählten Standort Metz) rein hypothetischer Natur sei, da der einzig realistische Alternativstandort für jedes neue Werk entweder ein anderes gefördertes Gebiet innerhalb oder außerhalb der Gemeinschaft (z. B. die Tschechische Republik) sei, wo erhebliche Vorteile gegenüber Ostdeutschland bestuenden; ohne politische Zusage der höchstmöglichen Regionalbeihilfen hätte das Unternehmen keinen Standort in den neuen Bundesländern gewählt. Darüber hinaus lasse die Analyse die nicht quantifizierbaren Risiken außer acht, die VW bei der Investition in diesen strukturell unterentwickelten Gebieten übernehme.

VI

Die einzige Bemerkung, die der Kommission von einem anderen Mitgliedstaat nach Veröffentlichung der Mitteilung über die Eröffnung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag (6) zugegangen ist, war eine Note der französischen Regierung vom 7. Januar 1993, in der diese darauf hinwies, daß sie angesichts der durch die Investitionen von VW und andere Förderprojekte in den neuen Bundesländern geschaffenen Zusatzkapazitäten im Fahrzeugbau der Behandlung dieser Sache durch die Kommission besondere Beachtung schenke. Die französische Regierung betonte außerdem:

1. Die neuen Bundesländer sollten nicht von der Gemeinschaftsdisziplin in bezug auf staatliche Beihilfen nach Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c) des Vertrages ausgenommen werden.

2. Die Genehmigung von Beihilfen durch die Kommission sollte auf der Grundlage einer detaillierten Analyse der Zusatzkosten beruhen, die auf die Strukturnachteile der neuen Bundesländer zurückzuführen sind, sowie jegliche mittelbare Unterstützung durch die THA berücksichtigen.

Die Bundesregierung antwortete auf die Bemerkungen der französischen Regierung mit Telefax an die Kommission vom 15. Oktober 1993, in dem sie noch einmal ihren Standpunkt hinsichtlich der Anwendbarkeit von Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c) und Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a) des Vertrages ausführte.

VII

Wie bei der Eröffnung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 bereits erklärt wurde, haben die Investitionspläne von VW in den neuen Bundesländern die Entscheidung des Unternehmens als Hintergrund, die zusätzliche Nachfrage nach Kraftfahrzeugen in Ostdeutschland und Osteuropa, die seit den politischen und wirtschaftlichen Veränderungen in der Region zu verzeichnen ist, durch die Aufnahme der Produktion innerhalb dieses neuen Markts zu bedienen.

Das Investitionsvorhaben wird in mehreren Stufen verwirklicht. Die erste Stufe war die im Dezember 1990 erfolgte Gründung des Joint-ventures Sächsische Automobilbau GmbH (SAB) mit der THA, an dem VW anfänglich zu 12,5 % beteiligt war und das es zum 1. Januar 1994 vollständig von der THA erwarb. Das Joint-venture begann im Mai 1990 mit der in geringem Umfang erfolgenden Montage des VW Polo (aus Karosserien und Teilen-SKD) im ehemaligen Trabant-Werk in Mosel (Mosel I) und im Jahr 1991 mit der Fertigung des VW Golf (ursprünglich als Bausatzmontage - CKD, später unter Einbeziehung der Presse und des Rohbaus von Mosel II, siehe unten). Eine zweite, ursprünglich für 1994 geplante Phase umfaßt den Bau eines benachbarten neuen Werks in Mosel (Mosel II) in alleiniger Verantwortung von VW Sachsen GmbH (VWS), einem im Dezember 1990 gegründeten 100 %igen VW-Tocherunternehmen. Von den Automobilwerken Eisenach übernahm VWS Mitte 1991 die Zylinderkopfproduktion in Eisenach, wo es die Fertigung bis Ende 1996 weiterführen wird. Am 1. Januar 1992 übernahm VWS die Motorenwerke Chemnitz GmbH, den Eigentümer eines bestehenden Motorenwerks (Chemnitz I), von der THA. An diesem Standort soll im Rahmen der zweiten Phase ein benachbartes neues Motorenwerk (Chemnitz II) errichtet werden, das ursprünglich ebenfalls für 1994 geplant war.

Nach den Informationen, die von Deutschland im Laufe des Verfahrens übermittelt wurden, stellt sich die Situation wie folgt dar:

1. Der Zeitplan für das gesamte Investitionsprojekt hat sich seit der Eröffnung des Verfahrens erheblich geändert. Am 13. Januar 1993 entschied VW, einen Großteil der Investitionen für die neuen Werke aufzuschieben. 1995 beschloß das Unternehmen darüber hinaus, die Investitionen für die Werke zu verringern, so daß sich eine geplante Kapazität von nur 750 Einheiten/Tag statt der ursprünglich geplanten 1 200 Einheiten/Tag ergibt. Dies hat zur Folge, daß die letzten Werksbereiche (Lackiererei und Endmontage) des neuen Fahrzeugwerks Mosel II, die ursprünglich 1994 in Betrieb genommen werden sollten, die Produktion erst 1997 aufnehmen werden.

2. Das Fahrzeugwerk Mosel II wird folgende Werksbereiche umfassen: eine Presse, die - wie ursprünglich geplant - 1994 den Betrieb aufnahm (zum Teil zur Versorgung von Mosel I), einen Rohbau, der mit verringerter Kapazität bereits seit Ende 1992 zur Belieferung von Mosel I in Betrieb ist und der bis 1997 zu voller Kapazität erweitert wird, eine Lackiererei und eine Innenausstattungs- und Endmontage, die noch fertigzustellen sind. Im ersten Produktionsjahr wird die Kapazität der Lackiererei auf 432 Einheiten/Tag begrenzt sein, was der Lackierereikapazität von Mosel I entspricht, die im Sommer 1997 geschlossen wird. Ab 1998 wird das Werk nach VW-Angaben eine Gesamtkapazität von 172 000 Einheiten/Jahr (750 Fahrzeuge/Tag) haben und Fahrzeuge der nächsten Golf-Generation sowie der nächsten Passat-Generation fertigen und rund 3 000 Mitarbeiter beschäftigen.

3. Das neue Motorenwerk Chemnitz II, das ursprünglich ebenfalls für 1994 geplant war, wird die Produktion im Juli 1996 aufnehmen und das Werk Chemnitz I nach und nach ersetzen. Es wird nach der Inbetriebnahme 1996 zuerst Zylinderköpfe für den jetzigen Motortyp EA 111 (1,4/1,6 l) fertigen; Mitte 1996 wird es mit der Produktion von Zylinderblöcken für einen neuen Aluminiummotor EA 111 (1,0/1,4/1,6 l) beginnen und bis 1998 nach und nach die Fertigung anderer Komponenten für diesen neuen Motor aufnehmen. Das Werk wird eine Gesamtkapazität von 376 000 Motoren/Jahr haben und über eine Montagelinie für 202 000 Rumpfmotoren verfügen, die von anderen Werken für den Einbau im Fahrzeugwerk Mosel angeliefert werden. Insgesamt werden in Chemnitz rund 650 Mitarbeiter beschäftigt werden.

4. Die Gesamtinvestitionen in die neuen Werke Mosel II und Chemnitz II werden sich auf 2 940,5 Mio DM belaufen, von denen 2 654,1 Mio. DM von der Kommission gemäß den in Deutschland angewendeten und von der Kommission genehmigten Förderkriterien als regionalbeihilfefähig anzusehen sind. Wegen des geänderten Zeitplans und Umfangs des Projekts ist die Gesamtinvestitionssumme gegenüber den zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung geplanten 4 090,9 Mio. DM erheblich gesunken. Dies ist hauptsächlich wegen der geringeren Kapazität und der erhöhten Effizienz sowie dem generellen Preisrückgang bei Investitionsgütern der Fall.

In der folgenden Tabelle sind die von der Kommission als förderfähig angesehenen Investitionen für die neuen Werke aufgeführt.

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5. Für Mosel II und Chemnitz II schlugen die deutschen Behörden die Gewährung von Regionalbeihilfen für Investitionen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, des Investitionszulagengesetzes und des Fördergebietsgesetzes vor. Die Beihilfevorhaben für die neuen Anlagen und die Beihilfeintensität in bezug auf die förderfähigen Investitionen nach Definition der Kommission und unter Berücksichtigung der Abzinsung sind in der folgenden Tabelle aufgeführt.

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Anhand abgezinster statt nomineller Werte ermittelte Beihilfeintensitäten sind wegen der großen Zeitabstände zwischen dem Erhalt der Beihilfe und dem tatsächlichen Eintreten von Investitions- und Betriebskostennachteilen, die von der Kommission bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der Beihilfemaßnahmen mit dem Gemeinschaftsrahmen berücksichtigt wurden, aussagekräftiger.

6. VW gab an, daß es - gegenüber gleichwertigen Investitionen für Vergleichswerke in Frankreich - Kostennachteile bis zu 989,7 Mio. DM und weitere Risiken von 237,0 Mio. DM für die Investitionen in das neue Fahrzeugwerk in Mosel sowie Nachteile von 246,2 Mio. DM und weitere Risiken von 55,6 Mio. DM für die Investitionen in das Motorenwerk Chemnitz II tragen würde. Diese Kostennachteile ergeben sich durch infrastrukturelle und sonstige investitionsrelevante Benachteilungen der neuen Bundesländer und der Standorte Mosel und Chemnitz, durch höhere Betriebskosten in den ersten fünf Betriebsjahren der neuen Werke (einschließlich Arbeits-, Material-, Transport- und Gemeinkosten) sowie durch bestimmte Umwelt- und Arbeitskostenrisiken, die mit den Investitionen verbunden sind.

7. Im Zusammenhang mit der Entscheidung 96/257/EG der Kommission (7) über die Umstrukturierungsbeihilfe an SEAT verpflichtet sich VW, seine gesamte Fahrzeugkapazität in der Gemeinschaft bis Ende 1997 zu reduzieren. Dies umfaßte auch die Verpflichtung, die gegenwärtige Kapazität des Werks Mosel von 432 Fahrzeugen/Tag nicht zu erhöhen.

8. Aufgrund der Bemühungen von VW, eine lokale Zuliefererbasis in der Region zu schaffen, gab es Ende letzten Jahres bereits 129 neu gegründete Unternehmen in den neuen Bundesländern, die die Werke Mosel und Chemnitz mit Teilen und Komponenten belieferten.

9. Insgesamt sollen in Mosel II und im neuen Werk Chemnitz 3 600 Mitarbeiter (ohne Auszubildende) beschäftigt werden. Zusätzlich dürften die Ansiedlung von lokalen Zuliefern für die neuen Werke und weitere Multiplikatoreffekte zur Schaffung von rund 20 000 Arbeitsplätzen in den neuen Bundesländern führen.

VIII

Bei der Eröffnung des in Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages vorgesehenen Verfahrens konzentrierten sich die Fragen der Kommission zu den geplanten Beihilfemaßnahmen der deutschen Behörden zugunsten der neuen Werke Mosel II und Chemnitz II auf die folgenden Hauptpunkte:

Im Rahmen der zur Eröffnung des Verfahrens führenden Prüfung waren Informationen gesammelt worden, die zeigten, daß es sich um Regionalbeihilfen und andere Beihilfen handelte, deren genaue Beihilfeintensität noch zu berechnen war.

Die von den deutschen Behörden und VW im Laufe des Verfahrens eingeholten Informationen haben es der Kommission ermöglicht, sich ein genaueres Bild von allen Beihilfeelementen zu machen, um die es in dieser Sache geht, und diese Beihilfen und deren zeitlichen Rahmen eindeutig zu quantifizieren.

Die oben quantifizierten direkten Beihilfen für Investitionen in die neuen Werke Mosel II und Chemnitz II wurden von Deutschland im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, des Investitionszulagengesetzes und des Fördergebietsgesetzes, die zuvor von der Kommission genehmigt worden waren, gewährt.

Da die Beihilfemaßnahmen die Finanzbelastung von VW für Investitionen in die neuen Länder verringern, besteht die Gefahr, daß sie den Wettbewerb zwischen Fahrzeugherstellern innerhalb der Gemeinschaft verzerren. Wegen des intensiven innergemeinschaftlichen Handels im Kraftfahrzeugsektor beeinträchtigen die geplanten Maßnahmen auch den Handel zwischen Mitgliedstaaten. Daher fallen sie in den Anwendungsbereich von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages und Artikel 61 Absatz 1 EWR-Abkommen.

IX

Deutschland hat es unterlassen, die Zahlung von Teilen der Regionalbeihilfe im Zusammenhang mit Investitionen in die Werke Mosel II und Chemnitz II gemäß Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages im voraus zu notifizieren; darin liegt ein Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages. An VW wurden Investitionszuschüsse von 360,8 Mio. DM und Investitionszulagen von 10,6 Mio. DM gezahlt. Sonderabschreibungen für die Investitionen wurden von VW verbucht, von den Finanzbehörden jedoch noch nicht anerkannt. Da Deutschland die Beihilfemaßnahmen nicht im voraus notifiziert hat, war die Kommission nicht in der Lage, sich von deren Durchführung zu den Maßnahmen zu äußern. Da ein Teil der Beihilfe somit unter Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages gewährt wurde, ist sie unrechtmäßig.

Da die Verfahrensvorschriften von Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag, die auch für die öffentliche Ordnung von Bedeutung sind, zwingend einzuhalten sind und der Gerichtshof ihre unmittelbare Wirkung in seinem Urteil vom 19. Juni 1973 in der Rechtssache 77/72 Capolongo/Maya (8) bestätigt hat, kann die Unrechtmäßigkeit der Beihilfe nicht im nachhinein geheilt werden.

Nach Eröffnung des Verfahrens hat die Bundesregierung alle weiteren Beihilfezahlungen bis zum Abschluß des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages ausgesetzt.

X

Die Bundesregierung hat bezüglich der Rechtsgrundlagen, aufgrund deren die Kommission die Vereinbarkeit der Beihilfevorhaben beurteilen sollte, betont, daß die Ausnahmetatbestände und Freistellungsvoraussetzungen in Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c) (bestimmte durch die Teilung Deutschlands betroffene Gebiete der Bundesrepublik Deutschland), Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a) (Gebiete, in denen die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht) und Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe b) (beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats) für alle Maßnahmen gelten sollten, die die Kommission als Beihilfe ansehen konnte.

Die Freistellung nach Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe b) des Vertrages kann im Fall Deutschlands sicherlich keine Anwendung finden. Zwar hat die deutsche Vereinigung negative Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft gehabt, diese allein reichen aber für die Anwendung von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe b) auf eine Beihilferegelung nicht aus. Zuletzt kam die Kommission 1991 zu der Auffassung, daß eine Beihilferegelung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats abhalf, als sie eine Beihilfe für ein Privatisierungsprogramm in Griechenland genehmigte. In der betreffenden Entscheidung führte die Kommission aus, daß das Privatisierungsprogramm ein integraler Bestandteil der Verpflichtungen war, die gemäß der Entscheidung 91/306/EWG des Rates vom 4. März 1991 hinsichtlich der Sanierung der gesamten Volkswirtschaft übernommen worden waren. Der Fall Deutschlands liegt eindeutig anders.

Der Ausnahmetatbestand von Artikel 92 Absatz 2 Buchstabe c) des Vertrages ist eng auszulegen und sollte nicht für Regionalbeihilfen für neue Investitionsprojekte angewendet werden. Die Kommission vertritt die Auffassung, daß die Freistellungsvoraussetzungen von Artikel 92 Absatz 3 Buchstaben a) und c) sowie, angesichts des betroffenen Wirtschaftssektors, der Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen an die Kraftfahrzeugindustrie sie in die Lage versetzen, den Problemen der neuen Bundesländer entsprechend zu reagieren.

XI

Im folgenden wird ausgeführt, welche von der Bundesregierung zugunsten der Werke Mosel II und Chemnitz II geplanten Beihilfen die Kommission im Lichte der durchgeführten Prüfung gemäß dem auf Regionalbeihilfen anwendbaren Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen an die Kraftfahrzeugindustrie akzeptieren kann. Der Gemeinschaftsrahmen erkennt ausdrücklich den wertvollen Beitrag zur Regionalentwicklung an, der durch die Ansiedlung neuer Fertigungsstätten für Fahrzeuge und Komponenten in benachteiligten Gebieten geleistet werden kann. Dies entspricht der generell positiven Einstellung der Kommission zu Investitionsbeihilfen, die zur Beseitigung von Strukturschwächen in benachteiligten Gebieten der Gemeinschaft gewährt werden.

Bei der Beurteilung von Regionalbeihilfen an die Kraftfahrzeugindustrie ist es ständig geübte Praxis (9) der Kommission, stets in folgenden Schritten vorzugehen:

Zuerst ist zu prüfen, ob eine Regionalbeihilfe überhaupt gewährt werden darf. Es wird untersucht, ob die betreffende Region gemäß Gemeinschaftsrecht (in der Regel gemäß einer bestehenden Beihilferegelung) förderfähig ist und ob der Investor die Wahl eines anderen Standorts für das Projekt hat (Projektmobilität).

Als zweites wird geprüft, ob die geplante staatliche Beihilfemaßnahme den regionalen Problemen, denen sie abhelfen soll, angemessen ist. Dazu verwendet die Kommission die gängige ökonomische Methode einer Kosten-Nutzen-Analyse und vergleicht die Kosten, die dem Investor für die Durchführung des Projekts in dem betreffenden Fördergebiet entstehen, mit den Kosten in einem zentralen, nicht geförderten Gebiet, um dadurch die regional-spezifischen Nachteile zu ermitteln. Ein Ausgleich dieser Nachteile durch Regionalbeihilfen ist stets zulässig.

Drittens ist die Frage von Beihilfezuschlägen (sogenannter "top-up") zu untersuchen. Dabei handelt es sich um Erhöhungen der Beihilfeintensität, die als zusätzlicher Anreiz für den Investor dienen sollen, in das betreffende Fördergebiet zu investieren. Diese Zuschläge werden in der Regel genehmigt, es sei denn, die Investition trägt zur Schaffung von Kapazitätsproblemen im betreffenden Sektor bei. In einem solchen Fall wird die Beihilfe strikt auf den Nettoausgleich der regionalen Nachteile beschränkt.

Die Summe der in den letzten beiden Schritten ermittelten Beträge ergibt den Gesamtbetrag der Beihilfe, die die Kommission zulassen kann. Dieser Betrag wird in der Regel abgezinst und als Prozentanteil an den förderfähigen Investitionen ausgedrückt, um ihn mit dem Bruttosubventionsäquivalent vergleichen zu können.

XII

Die Kommission erkennt an, daß es sich bei den neuen Bundesländern um ein unterentwickeltes Gebiet mit niedrigem Lebensstandard handelt. Die Produktivität liegt dort weit unter dem Gemeinschaftsdurchschnitt, und es herrscht eine außerordentlich hohe und noch zunehmende Arbeitslosigkeit. Als Beitrag zur Entwicklung der Region wurden hohe Investitionsbeihilfen und Beihilfen anderer Art genehmigt. Die Regionen Mosel und Chemnitz, wo die neuen Werke angesiedelt werden, können (bis April 1991) mit Investitionsbeihilfen bis zu 33 % und (danach) bis 35 % Bruttobeihilfeintensität gefördert werden.

Angesichts der schwierigen sozioökonomischen Lage der Region stimmt die Kommission mit den deutschen Behörden überein, daß die geplanten Investitionen einen wichtigen Beitrag zur Wirtschaftsentwicklung der neuen Bundesländern leisten werden. Durch den Investitionsplan werden voraussichtlich 3 600 Arbeitsplätze unmittelbar neu geschaffen oder gesichert. Weitere 20 000 Arbeitsplätze sollen mittelbar durch die Ansiedlung örtlicher Zulieferer und durch andere Multiplikatoreffekte für die Wirtschaft der neuen Bundesländer geschaffen werden.

Wie jedoch bereits im Gemeinschaftsrahmen betont wird, hat die Kommission bei der Beurteilung von Regionalbeihilfevorhaben in diesem Sektor sicherzustellen, daß die Beihilfe den zu lösenden Problemen angemessen ist, und sie muß die Vorteile für die Regionalentwicklung gegen mögliche negative Auswirkungen auf den Sektor als Ganzes, beispielsweise die Schaffung bedeutender Überkapazitäten, abwägen.

Die Kommission kann zwar nachvollziehen, daß die realistischste Option für diesen Investor praktisch die Durchführung des Projekts in einem anderen Fördergebiet innerhalb der Gemeinschaft oder in Osteuropa gewesen wäre, vertritt aber dennoch die Auffassung, daß die Zusatzkosten, die sich aus den Strukturnachteilen der betreffenden Region ergeben, am sinnvollsten aus einem, Vergleich des Vorhabens mit einem hypothetischen Projekt auf der grünen Wiese in einem nicht geförderten Gebiet der Gemeinschaft abzuleiten sind.

Daher hat die Kommission unter Hinzuziehung eines externen Sachverständigen eine detaillierte Kosten-Nutzen-Analyse zur Bewertung der Nettozusatzkosten für die neuen Werke in Mosel und Chemnitz im Vergleich zu gleichwertigen Werken in Metz (Frankreich), dem von VW gewählten Alternativstandort, durchgeführt. Diese Zusatzkosten umfassen zusätzliche Investitionskosten ebenso wie zusätzliche Betriebskosten der neuen Werke in den ersten Betriebsjahren. Die Einbeziehung der Betriebskostennachteile während der Anlaufjahre in die Berechnung der Kostennachteile ist wegen der in den Anfangsjahren des Betriebs unvermeidlichen Probleme angezeigt, die sich aufgrund der Unterentwicklung, erst teilweise fertiggestellter Anlagen, längerer Lernprozesse, der räumlichen Entfernung, Transportmehrkosten, einer unzureichenden Präsenz von Zulieferern in dem Gebiet, eines Mangels an qualifizierten Arbeitskräften usw. ergeben und die auf die Ansiedlung des Projekts in einem Randgebiet zurückzuführen sind.

Die von der Kommission erarbeitete Schätzung der Kostennachteile, die sich zu großen Teilen auf Daten von VW und zum Teil auf unabhängige Quellen stützt, weicht erheblich von der ersten Schätzung ab, die von VW ausgearbeitet und von den deutschen Behörden Anfang 1996 vorgelegt wurde. Diese Abweichungen rühren daher, daß nicht alle von VW angeführten Kostennachteile nach Auffassung der Kommission zusätzlich entstehen.

Zu den von der Kommission als tatsächliche Investitionskostennachteile anerkannten Posten gehören einige Infrastrukturzusatzkosten und Aufwendungen, die mit den ungünstigen geologischen Gegebenheiten der Standorte in Mosel und Chemnitz sowie höheren Grundstückspreisen und Baukosten einhergehen. Hingegen wurden Aufwendungen, die von VW auf strengere Umweltschutzauflagen in Deutschland, insbesondere bei der Luftreinhaltung, zurückgeführt wurden, nur teilweise anerkannt, da erfahrungsgemäß alle Fahrzeughersteller in der Gemeinschaft, einschließlich VW, hohe Umweltschutzstandards in ihren neuen Werken in der gesamten Gemeinschaft anstreben, auch wenn es in einigen Mitgliedstaaten noch keine entsprechenden Vorschriften gibt.

Bei der Berechnung der Betriebskosten berücksichtigt die Kommission im allgemeinen Nachteile für Projekte auf der grünen Wiese ("greenfield"-Projekte: z. B. Sache Ford//VW und FIAT Mezzogiorno, siehe Fußnote 9) für einen Zeitraum von fünf Jahren und für Erweiterungen ("expansions": z. B. Sache SEVEL Val di Sangro (10), Jaguar und Ford Genk, siehe Fußnote 9) für einen Zeitraum von drei Jahren. Dabei ist mit dem Ausdruck "Projekt auf der grünen Wiese" nicht nur einfach gemeint, daß sich das Werk tatsächlich auf einer grünen Wiese befindet, sondern daß aus der Sicht des investierenden Unternehmens der Standort ein neuer, noch nicht entwickelter ist. Daher steht das Unternehmen vor den folgenden typischen außergewöhnlichen Problemen im Vergleich zu einer Erweiterung eines bestehenden Werkes: Fehlen einer adäquaten Infrastruktur, Fehlen einer organisierten Logistik, keine für die konkreten Zwecke des jeweiligen Unternehmens geschulte Arbeiterschaft und keine aufgebaute Zulieferstruktur. Sollten jedoch diese Dienste von einem Werk der gleichen Gruppe in der Nähe übernommen werden können, dann wird das Projekt als Erweiterung angesehen, sogar dann, wenn es tatsächlich auf der grünen Wiese steht. Diese Gemeinschaftsdefinition unterscheidet sich vom Konzept der Neuinvestitionen, welches durch nationales Recht bestimmt sein kann. Da bei einem so definierten Projekt auf der grünen Wiese größere Probleme entstehen und die Zeitspanne zur Erreichung der vollen Kapazität und somit der Rentabilität um einiges länger ist, kann es gerechtfertigt werden, daß die Betriebskostennachteile für eine längere Zeitspanne berechnet werden. Dieses Prinzip wurde auch im Fall Opel Eisenach von der Kommission anerkannt. In Eisenach gab es ein altes DDR-Automobilwerk. Aber aus der Sicht Opels war der Standort neu, da die typischen, oben beschriebenen Nachteile existierten. Daher wurde das Projekt als auf der grünen Wiese betrachtet.

Im vorliegenden Fall hatte die Kommission zu berücksichtigen, daß die verschiedenen Werksteile des Investitionsprojekts in Mosel zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Betrieb genommen werden. Die mit den verschiedenen Teilprojekten verbundenen Anlaufschwierigkeiten werden daher ebenfalls zu unterschiedlichen Zeiten auftreten. Außerdem berücksichtigte die Kommission, daß sich die Art des Projekts aufgrund der Verzögerung bei der Durchführung ebenfalls geändert hat. Mit Einrichtung der Presse und des Rohbaus und deren Anbindung an das alte Werk Mosel I war in Mosel bereits 1994 ein vollständig funktionsfähiges Fahrzeugwerk errichtet worden. Dies wird auch durch die Rentabilität der VW-Unternehmen in Sachsen seit 1994 deutlich.

Die zukünftigen Investitionen für eine neue Lackiererei und Endmontage in Mosel II stellen daher keine Investition auf der grünen Wiese dar, sondern die Erweiterung bestehender Kapazitäten. Da eine Zulieferstruktur bereits besteht (siehe oben), die Infrastruktur bereits geschaffen wurde und die Mehrzahl der Beschäftigten von Mosel I übernommen wird, ergeben sich die für ein Projekt auf der grünen Wiese typischen Nachteile nur in wesentlich geringerem Maß. Dies gilt auch für das Motorenwerk Chemnitz II. Wie in anderen Fällen einer Kapazitätserweiterung erfolgt die Produktionsausweitung in diesen Werken sehr schnell. Während die deutschen Behörden und VW ursprünglich eine Analyse des Zeitraums 1998-2002 für alle Projekte in Mosel und Chemnitz vorschlugen, hat die Kommission für die Projekte auf der grünen Wiese die Betriebsnachteile für die Zeiträume von fünf Jahren, 1993-1997 (Rohbau) und 1994-1998 (Presse), und für die Erweiterungen für die Zeiträume von drei Jahren, 1997-1999 (Lackiererei, Endmontage, Chemnitz II), untersucht. Dabei wurde auch berücksichtigt, daß die Presse und der Rohbau in der gleichen Zeit (1997-1999) von einer Kapazität von 432 Autos/Tag auf 750 Autos/Tag erweitert werden, um die neue Lackiererei und Endmontage in Mosel II vollwertig zu beliefern. Daher wurden zusätzliche, der Erweiterung zuzurechnende Betriebskostennachteile für diesen Zeitraum (1997-1999) in der Analyse berücksichtigt.

Die Investitionsnachteile wurden mit größter Genauigkeit berechnet und mit den Kosten, die für gleiche Projekte in dem möglichen Vergleichswerk in Metz entstehen würden, verglichen. Zusätzliche Kosten, die das Unternehmen geltend machen wollte für Infrastruktur, Land, Gebäude, Rückbau bestehender Anlagen, zusätzliche Umweltschutzmaßnahmen aufgrund strengerer deutscher Vorschriften und sonstige Nachteile wurden untersucht und entweder ganz oder teilweise oder überhaupt nicht in die Kosten-Nutzen-Analyse übernommen. Dabei wurde erklärt, daß ein Vergleichswerk einen realistischen, keinen idealen Standort darstellt. Viele Infrastrukturmaßnahmen, welche in Sachsen notwendig waren, wären auch in der Region von Metz nötig, aber teilweise nur zu einem geringeren Grad (z. B. Pfahlgründung, Baugrundbegradigung, Kosten für Straßenanschluß).

Bei der Berechnung der Betriebskostennachteile hat die Kommission die bis 1994 relativ niedrigen Arbeitskosten und die in Zukunft vergleichsweise höheren Arbeitskosten in Ostdeutschland, höhere Kosten für das von örtlichen Zulieferern bezogene Material, Transportmehrkosten und bestimmte Kostennachteile in bezug auf Gemeinkosten und ähnliche Aufwendungen im Vergleich zum Alternativstandort berücksichtigt. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, daß diese Analyse wesentlich auf nachvollziehbaren Annahmen zu zukünftigen Entwicklungen beruht, da mehr als 60 % der Kostennachteile mit Betriebskostennachteilen in Verbindung stehen, die während der ersten drei oder fünf Betriebsjahre auftreten.

Bei der Beurteilung der Arbeitskosten hat die Kommission berücksichtigt, daß VW den Kostenvorteil aus dem niedrigen Lohnniveau in den neuen Bundesländern zu Anfang der 90er Jahre wegen des Aufschubs der Investitionen, durch den ein Teil der neuen Werke erst 1997 in Betrieb genommen wird, nicht vollständig nutzen konnte. Die Stundenlöhne und sonstigen Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeit, Urlaubsanspruch und Bonuszahlungen in den neuen Bundesländern werden jedoch auch 1997 noch nicht ganz dem westdeutschen Niveau angepaßt sein. Daher wird VW auch nicht den vollen Arbeitskostennachteil der westdeutschen Werke im Vergleich zum Alternativstandort tragen müssen.

Bei Berücksichtigung einer wahrscheinlichen Verminderung der Nachteile durch solche Entwicklungen beläuft sich eine realistische Schätzung der gesamten Investitions- und Betriebskostennachteile auf 22,3 % der förderfähigen Investitionen nach Abzinsung im Fall von Mosel II und 20,8 % im Fall von Chemnitz II. Diese Berechnung wurde VW und den deutschen Behörden zur Beurteilung übergeben und - nach einigen Klarstellungen - im Prinzip als gerechte Einschätzung akzeptiert. Da die Intensität des Beihilfevorhabens von 30,5 % (nach Abzinsung) für Mosel II und 27,3 % für Chemnitz II die Nachteile eindeutig übersteigt, kann sie nicht mehr als den zu lösenden Problemen angemessen angesehen werden. Die Kommission kann die Regionalbeihilfen für beide Projekte daher nicht in voller Höhe akzeptieren, selbst wenn diese nicht zu negativen Auswirkungen auf den Sektor als Ganzes führen würden.

Hinsichtlich der wahrscheinlichen Auswirkungen der Beihilfen auf die Kraftfahrzeugindustrie der Gemeinschaft als Ganzes ist daran zu erinnern, daß es zum Zeitpunkt der Einführung des Gemeinschaftsrahmens keine Überkapazitäten in der Gemeinschaft gab. Dies änderte sich grundlegend 1993, als die Nachfrage um 15 % zurückging. Nach Feststellung der Kommission haben die meisten Kraftfahrzeughersteller in der Gemeinschaft kürzlich Investitionsprogramme verwirklicht, die in der Aufschwungphase (1989-1992) konzipiert worden waren und auf eine Erhöhung der Kapazitäten bis Mitte des Jahrzehnts ausgelegt waren, um das erwartete Wachstum der Neufahrzeugnachfrage in Europa zu bedienen. In einigen Fällen sind die Kapazitätserhöhungen von erheblichem Ausmaß. Wenngleich die Abschwächung der Kfz-Marktentwicklung seit 1993 in gewissem Umfang auch zu einer Neubewertung dieser Expansionspläne Anlaß gab, hat sie zu keiner grundlegenden Änderung der Kapazitätsprognosen für die Branche geführt. Zusätzliche Kapazitäten, die durch japanische Investitionen in Werken innerhalb der Gemeinschaft in den letzten Jahren geschaffen wurden, werden ebenfalls in diesem Zeitraum den Betrieb aufnehmen. Kapazitätsausweitungen maßgebender europäischer Hersteller in Osteuropa, wozu auch VW mit seiner Marke Skoda zählt, werden sich gleichfalls auf den Gemeinschaftsmarkt auswirken, zu dem diese Produkte verhältnismäßig ungehindert Zugang haben. Aufgrund neuester Schätzungen geht die Kommission von einer gemeinschaftlichen Fahrzeugproduktionskapazität von 18 Mio. Einheiten 1995 aus, die auf rund 20 Mio. Einheiten 1999 steigen wird. Wenn angenommen wird, daß die Nachfrage in der Gemeinschaft nach dem Einbruch weiter langsam wachsen wird und daß sich die Handelsbilanz für Autos in der Gemeinschaft nicht weiter verschlechtern wird, erwarten die neuesten Marktprognosen, daß die Nachfrage im Jahr 2000 etwa 13 bis 14 Millionen Autos erreichen wird. Daraus ist zu schließen, daß die jetzigen schwerwiegenden Überkapazitätsprobleme in der Gemeinschaft mit einer Durchschnittsauslastung im letzten Jahr von nur rund 70 % für den Großteil des Jahrzehnts andauern werden, sofern sich die Branche nicht zur Schließung von Überkapazitäten in den nächsten Jahren entschließt. Da die wettbewerbsverfälschende Wirkung von staatlichen Beihilfen an einzelne Hersteller in Sektoren, die unter erheblichen Überkapazitäten leiden, besonders groß ist, ist diese generelle Perspektive ein weiterer Grund für eine besondere Wachsamkeit der Kommission bei der Beurteilung von Beihilfevorhaben für Projekte, die zu neuen Kapazitäten in der Kraftfahrzeugproduktion führen.

Was die Verwirklichung des Investitionsplans von VW in den neuen Bundesländern und dessen wahrscheinliche Auswirkungen auf die Kfz-Industrie auf Gemeinschaftsebene angeht, nimmt die Kommission zur Kenntnis, daß der VW-Konzern das Werk Mosel II in geringerer Größe als ursprünglich geplant erstellen will, so daß es nach Aufnahme des Betriebs eine Kapazität von 750 Fahrzeugen/Tag haben wird. Es ist jedoch auch zu berücksichtigen, daß das Unternehmen seine Kapazität zu einem späteren Zeitpunkt mit relativ geringen Investitionen verdoppeln kann, da die Gebäude und Infrastruktureinrichtungen wesentlich größer sind, als es für die jetzt geplante Kapazität erforderlich ist.

Um die Verpflichtungen aus der Entscheidung 96/257/EG über Umstrukturierungsbeihilfen an SEAT zu erfuellen, muß VW sicherstellen, daß die Kapazität der Werke in Mosel 432 Autos/Tag bis Ende 1997 nicht übersteigt. VW beabsichtigt, das Werk Mosel I im Sommer 1997 zu schließen, wenn die Lackiererei von Mosel II den Betrieb aufnimmt. Außerdem wird sie die Kapazität dieser neuen Lackiererei vorübergehend technisch auf 432 Autos/Tag begrenzen, indem sie vor Ende 1997 keine zweite ESTA-Anlage installiert. Dadurch wird ein vorübergehender Engpaß zur Begrenzung der VW-Kapazität in Mosel für den Zeitraum geschaffen, während dessen die Auflagen der Entscheidung 96/257/EG gelten. Die Einhaltung dieser Kapazitätsbegrenzung ist durch Stichproben vor Ort in unregelmäßigen Abständen zu überprüfen, wofür Deutschland die Einwilligung erteilt hat.

Bei Berücksichtigung der vorgehenden Schließung von Mosel I wird Mosel II zu einer Steigerung der Kapazität um 320 Autos/Tag im Jahr 1998 beitragen, das sind 2,6 % der VW-Gesamtkapazität. In Chemnitz wird das neue Motorenwerk mit einer Kapazität von 376 000 Einheiten das alte Werk mit einer Jahreskapazität von 280 000 Einheiten ersetzen, so daß sich eine Nettosteigerung um 96 000 Einheiten oder rund 3,1 % der gesamten westeuropäischen Motorkapazität des VW-Konzerns ergibt. In ihrer Entscheidung über den Mezzogiorno-Plan von Fiat (siehe Fußnote 9) hat die Kommission im November 1992 akzeptiert, daß eine Steigerung der Fahrzeugkapazität des Konzerns um 3 % als der Entwicklung des Fahrzeugmarkts in der Gemeinschaft angemessen anzusehen war und das Vorhaben somit keine negativen Auswirkungen auf den Sektor hatte.

Seit dieser Entscheidung der Kommission haben sich Lage und Aussichten der europäischen Kraftfahrzeugindustrie, wie bereits ausgeführt, jedoch verschlechtert. Daher ist festzustellen, daß die Kfz-Industrie in Westeuropa zur Zeit unter Unterkapazitäten leidet, die mittelfristig nicht abgebaut werden dürften. Die Kommission vertritt daher die Auffassung, daß das Vorhaben von VW Sachsen die sektoralen Probleme verschärft. In Fällen, in denen eine Investition negative Auswirkungen auf einen Sektor als Ganzes hat, war es jedoch bisher stets die Politik der Kommission bei der Anwendung des Gemeinschaftsrahmens, Beihilfen strikt auf die Nettozusatzkosten zu begrenzen, die ein Investor in der benachteiligten Region zu tragen hat (Sachen Opel Eisenach, SEAT Pamplona, Ford Genk). Daher kann die Kommission Regionalbeihilfen an VW Sachsen und VW Sachsen Immobilienverwaltung (die für die Verwaltung der Werksimmobilien verantwortliche Tochtergesellschaft von VW Sachsen) nur mit einer Intensität von 22,3 % für Mosel II und von 20,8 % für Chemnitz II genehmigen. Bei Zugrundelegung des notifizierten Zeitrahmens der Regionalbeihilfe und der geplanten Beihilfearten bedeutet dies die Genehmigung von 418,7 Mio. DM in Form von Investitionszuschüssen für Mosel II und Chemnitz II und von 120,4 Mio. DM in Form von Investitionszulagen für Mosel II und Chemnitz II.

Die Kommission hält es für erforderlich, daß die deutschen Behörden die tatsächliche Realisierung der förderfähigen Projektaufwendungen gemäß Definition der Kommission und die genaue Beihilfezahlung überwachen. Die Kommission fordert die deutschen Behörden auf, ihre Jahresberichte über das Ergebnis dieser Überwachung zu übermitteln und mit ihr zu erörtern, bevor die Beihilfezahlung erfolgen soll. Zweck dieser Überwachung ist es sicherzustellen, daß die als Bruttosubventionsäquivalent ausgedrückten Regionalbeihilfeintensitäten, wie in dieser Entscheidung definiert, von den deutschen Behörden eingehalten werden. Dem vorliegenden Zwischenbericht der Sächsischen Aufbaubank entsprechend wird diese Überwachung vorgenommen, um nicht nur die Einhaltung der genehmigten Beihilfeintensität, sondern auch die tatsächliche Realisierung der förderfähigen Aufwendungen zu überprüfen. In diesem Zusammenhang kann eine Übertragung von Gegenständen des Anlagevermögens von Mosel I auf Mosel II nicht durch Regionalbeihilfen gefördert werden. Außerdem ist durch die Überwachung die Einhaltung der Kapazitätsplanung für die Werke in Mosel bis Ende 1997 zu überprüfen.

XIII

Wie oben erläutert, hat die Kommission eine detaillierte Analyse durchgeführt, um die von VW durch seine Investitionen in Sachsen erlittenen Nettonachteile zu ermitteln. Angesichts der negativen Auswirkungen dieses Vorhabens auf den Sektor muß die zulässige Beihilfe auf den Ausgleich dieser Nachteile begrenzt werden. Eine darüber hinausgehende Beihilfe wäre den regionalen Problemen nicht angemessen.

Daher können die geplanten Regionalbeihilfen an VW Sachsen und VW Sachsen Immobilienverwaltung für die Projekte Mosel II und Chemnitz II, die über die in Abschnitt XII als annehmbar genannten Beihilfeintensitäten hinausgehen, nicht zugelassen werden. Angesichts der Tatsache, daß es sich bei der Investitionszulage um eine Steuervergünstigung handelt, die quasi automatisch gewährt wird, wird sie in vollem Umfang genehmigt. Da die Beihilfe in Form von Sonderabschreibungen mit einem geschätzten nominellen Wert von 51,67 Mio. DM von dem Unternehmen und den deutschen Behörden als Beihilfeart genannt wurde, die einfacher zurückziehbar ist, ist die Kommission damit einverstanden, die zurückzuziehende Beihilfe auf die gesamten geplanten Sonderabschreibungen entfallen zu lassen. Da die geplante Beihilfe den genehmigungsfähigen Betrag um mehr als die Höhe der geplanten Sonderabschreibungen überschreitet, können weitere geplante Regionalbeihilfen an VW Sachsen und VW Sachsen Immobilienverwaltung für die Projekte Mosel II und Chemnitz II in Form von Investitionszuschüssen über 189,1 Mio. DM ebenfalls nicht gewährt werden -

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die folgenden, von Deutschland geplanten Beihilfen für die verschiedenen Investitionsvorhaben der Volkswagen AG in Sachsen sind mit Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c) des Vertrages und Artikel 61 Absatz 3 Buchstabe c) EWR-Abkommen vereinbar:

- die von Deutschland an Volkswagen Sachsen GmbH und Volkswagen Sachsen Immobilienverwaltung GmbH gewährte Beihilfe für deren Investitionsvorhaben in Mosel (Mosel II) und Chemnitz (Chemnitz II) in Form von Investitionszuschüssen bis zu 418,7 Mio. DM;

- die von Deutschland an Volkswagen Sachsen GmbH und Volkswagen Sachsen Immobilienverwaltung GmbH gewährte Beihilfe für deren Investitionsvorhaben in Mosel (Mosel II) und Chemnitz (Chemnitz II) in Form von Investitionszulagen bis zu 120,4 Mio. DM.

Artikel 2

Die folgenden, von Deutschland geplanten Beihilfen für die verschiedenen Investitionsvorhaben der Volkswagen AG in Sachsen sind mit Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c) des Vertrages und Artikel 61 Absatz 3 Buchstabe c) EWR-Abkommen unvereinbar und dürfen nicht gewährt werden:

- die geplante Investitionsbeihilfe an Volkswagen Sachsen GmbH und Volkswagen Sachsen Immobilienverwaltung GmbH für deren Investitionsvorhaben in Mosel II und Chemnitz II in Form von Sonderabschreibungen auf Investitionen im Rahmen des Fördergebietsgesetzes mit einem nominellen Wert von 51,67 Mio. DM;

- die geplante Investitionsbeihilfe an Volkswagen Sachsen GmbH und Volkswagen Sachsen Immobilienverwaltung GmbH für deren Investitionsvorhaben in Mosel II in Form von Investitionszuschüssen in Höhe von 189,1 Mio. DM, die über den in Artikel 1 erster Gedankenstrich genannten Betrag hinausgeht.

Artikel 3

Deutschland gewährleistet, daß die Kapazität der Werke in Mosel 1997 ein Niveau von 432 Einheiten/Tag nicht überschreitet. Dazu übermittelt es der Kommission Monatsberichte über Kapazität und Ausstoß der Werke, in denen diese Angaben für Mosel I und Mosel II getrennt aufzuführen sind. Deutschland erklärte sich außerdem bereit, in unregelmäßigen Abständen erfolgende Stichproben durch Beamte der Kommission und von der Kommission beauftragte Sachverständige zur Überprüfung dieser Angaben zuzulassen.

Darüber hinaus übermittelt und erklärt Deutschland der Kommission Jahresberichte über die Verwirklichung der förderfähigen Investitionen in Höhe von 2 654,1 Mio. DM in Mosel II und Chemnitz II und über die tatsächlich erfolgten Beihilfezahlungen, um sicherzustellen, daß die kombinierte effektive Beihilfeintensität, ausgedrückt als Bruttosubventionsäquivalent, 22,3 % für Mosel II und 20,8 % für Chemnitz II nicht überschreitet. Die Kommission erwartet, daß der Bericht für die Jahre 1994 und 1995 bis Ende 1996 und der Bericht für 1996 bis 1. Mai 1997 vorgelegt wird.

Artikel 4

Deutschland teilt der Kommission innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieser Entscheidung mit, welche Maßnahmen getroffen wurden, um dieser Entscheidung nachzukommen.

Artikel 5

Diese Entscheidung ist an die Bundesrepublik Deutschland gerichtet.

Brüssel, den 26. Juni 1996

Für die Kommission

Karel VAN MIERT

Mitglied der Kommission

(1) ABl. Nr. C 68 vom 17. 3. 1992, S. 14.

(2) ABl. Nr. C 123 vom 18. 5. 1989, S. 3.

(3) ABl. Nr. L 188 vom 20. 7. 1990, S. 55.

(4) ABl. Nr. L 385 vom 31. 12. 1994, S. 1.

(5) ABl. Nr. L 53 vom 2. 3. 1996, S. 50.

(6) ABl. Nr. C 68 vom 17. 3. 1992, S. 14.

(7) ABl. Nr. L 88 vom 5. 4. 1996, S. 7.

(8) Slg. 1973, S. 611.

(9) Siehe z. B. die Beihilfesachen Ford/VW (ABl. Nr. C 257 vom 3. 10. 1991, S. 5), Opel Eisenach (ABl. Nr. C 43 vom 16. 2. 1993, S. 14), FIAT Mezzogiorno (ABl. Nr. C 37 vom 11. 2. 1993, S. 15), Jaguar (ABl. Nr. C 201 vom 23. 7. 1994, S. 4), FASA Renault (ABl. Nr. C 267 vom 14. 10. 1995, S. 13), Ford Genk (ABl. Nr. C 5 vom 10. 1. 1996, S. 5).

(10) ABl. Nr. C 298 vom 11. 11. 1995, S. 9.

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