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Document 52013DC0138

    MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT UND DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS über die Anwendung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken Stärkung des Verbraucherschutzes Vertrauensbildung im Binnenmarkt

    /* COM/2013/0138 final */

    52013DC0138

    MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT UND DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS über die Anwendung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken Stärkung des Verbraucherschutzes Vertrauensbildung im Binnenmarkt /* COM/2013/0138 final */


    MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT UND DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS

    über die Anwendung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken Stärkung des Verbraucherschutzes  Vertrauensbildung im Binnenmarkt

    1.           EINLEITUNG

    Die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken[1] („Richtlinie“) wurde am 11. Mai 2005 angenommen mit dem Ziel, dem Verbraucher bei der Nutzung der Vorteile des Binnenmarktes durch Beseitigung regulatorischer Hemmnisse zu helfen, die aus unterschiedlichen einzelstaatlichen Vorschriften resultierten, Unternehmen vom Verkauf abhielten und das Vertrauen der Verbraucher in EU-weite Einkäufe untergruben.

    Die Richtlinie ist der wichtigste allgemeine EU-Rechtsakt über irreführende Werbung und sonstige unlautere Praktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern. Sie hat einen breiten Geltungsbereich und findet auf sämtliche Geschäfte zwischen Unternehmen und Verbrauchern („B2C“) in allen Sektoren Anwendung. Sie gilt nicht nur in der Werbe- oder Vermarktungsphase eines Geschäfts, sondern auch „…während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts“[2].

    Die Richtlinie sieht ein hohes Verbraucherschutzniveau in allen Sektoren vor. Sie fungiert als Sicherheitsnetz in Fällen, die durch andere sektorspezifische Vorschriften nicht oder unzureichend geregelt sind. Sie soll gewährleisten, dass Verbraucher nicht irregeführt oder aggressivem Marketing ausgesetzt werden und jede Behauptung eines Gewerbetreibenden in der EU eindeutig, korrekt und begründet ist, so dass Verbraucher ihre Entscheidungen in Kenntnis der Sache treffen können.

    Zusammen mit anderen Rechtsvorschriften für den Binnenmarkt[3] und der Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz, in der die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung des Verbraucherschutzrechts zuständigen nationalen Behörden geregelt ist[4], trägt die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken zur Verwirklichung von Markttransparenz und zur Verhinderung von unlauterem Wettbewerb in der gesamten EU bei. Alle Mitgliedstaaten haben ihre Vorschriften in nationales Recht umgesetzt.

    Diese Mitteilung beschreibt die wichtigsten Schlussfolgerungen aufgrund der ersten Erfahrungen mit der Durchsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken gemäß Artikel 18 der Richtlinie und legt dar, welche Maßnahmen erforderlich sind, um die Vorteile der Richtlinie für die Integration des Binnenmarkts und den Verbraucherschutz zu maximieren.

    Ein ausführlicher Bericht[5] über die Anwendung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten wird zusammen mit dieser Mitteilung veröffentlicht. Dies erfolgt im Rahmen der Europäischen Verbraucheragenda[6], mit der die Teilhabe der Verbraucher am und ihr Vertrauen in den Markt erhöht werden soll, um für mehr Zuversicht und Wachstum zu sorgen.

    Die Verbraucherausgaben machen 56 % des Bruttoinlandsprodukts der Europäischen Union aus und sind von zentraler Bedeutung für das Erreichen des Ziels eines intelligenten, integrativen und nachhaltigen Wachstums. Gemäß der Europäischen Verbraucheragenda kann die Ankurbelung der Nachfrage wesentlich dazu beitragen, dass die EU die Krise überwindet.

    Hierzu gilt es, das Potenzial des Binnenmarkts auszuschöpfen.

    Aus Untersuchungen geht hervor, dass das EU-weite Online-Shopping eine bis zu 16-mal größere Produktauswahl bietet, 60 % der Verbraucher davon aber bisher nicht Gebrauch machen. Sie profitieren somit nicht in vollem Umfang von der Angebots- und Preisvielfalt im Binnenmarkt.

    Politische Maßnahmen zur Steigerung des Vertrauens der Verbraucher in grenzüberschreitendes Online-Shopping können das Wirtschaftswachstum in Europa erheblich ankurbeln.

    2.           PRÜFUNG DES NUTZENS DER RICHTLINIE

    2.1.        Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus sowie gleicher Wettbewerbsbedingungen für Gewerbetreibende

    Erste Erfahrungen mit der Umsetzung der Richtlinie zeigen, dass sie den Verbraucherschutz in und zwischen den Mitgliedstaaten erheblich verbessert hat, während sie zugleich rechtmäßig handelnde Unternehmen vor Mitbewerbern schützt, die sich nicht an die Regeln halten.

    Die Vorteile der Richtlinie ergeben sich vor allem aus zwei ihrer Besonderheiten, nämlich ihres horizontalen „Sicherheitsnetz“-Charakters und ihrer Kombination von Grundsatzbestimmungen mit einer „schwarzen Liste“ bestimmter unlauterer Geschäftspraktiken, die verboten sind.

    Dank der Grundsatzbestimmungen der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken konnten sich die nationalen Behörden an den raschen Wandel bei Produkten, Dienstleistungen und Verkaufsmethoden anpassen. Als „Auffangbestimmungen“ geben sie Kriterien an die Hand, um mit einer gewissen Flexibilität unlauteres Verhalten zu verhindern, das nicht unter spezifische Verbote fällt.

    Die „schwarze Liste“ der unter allen Umständen untersagten Praktiken wiederum bietet den nationalen Behörden ein wirksames Instrument, um gängige unlautere Praktiken wie Lockangebote, falsche Gratisangebote, versteckte Werbung und direkt auf Kinder abzielende Werbung abzuwehren.

    Nachstehend finden sich einige Beispiele für gemäß Richtlinie verbotene Praktiken.

    Anlocken von Verbrauchern in die Geschäftsräume oder auf die Website des Gewerbetreibenden durch das Anbieten von Waren oder Dienstleistungen, die nicht geliefert bzw. erbracht werden können („Lockangebote“)

    Sabine aus Deutschland wurde in einer Zeitschrift auf eine Anzeige aufmerksam, die mit einem Sonderangebot warb: „Nach Barcelona fliegen für nur 1 Euro!” Als sie jedoch den Flug buchen wollte, waren die Preise deutlich höher. Ihre Nachfrage beim zentralen Kundendienst des Unternehmens ergab, dass nur eine geringe Anzahl von Sitzen zum reduzierten Tarif angeboten worden war. Die Mehrheit der Kunden konnte das günstige Angebot gar nicht nutzen.

    Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken verbietet das Anbieten eines Produkts zu einem bestimmten Preis, wenn nicht klar darauf hingewiesen wird, dass seine Verfügbarkeit im Hinblick auf den Umfang der Werbemaßnahme und den angebotenen Preis eingeschränkt sein kann.

    Falsche Gratisangebote

    Marit aus Estland erhielt folgende E-Mail von einem Online-Händler für Körperpflegeprodukte: "Jetzt anrufen und eine Designer-Sonnenbrille als GRATIS-Geschenk erhalten!“ Als sie anrief, wurde ihr mitgeteilt, dass das Angebot nur in Verbindung mit einer Bestellung von Waren im Wert von mindestens 2 000 Euro gilt.

    Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken untersagt es Gewerbetreibenden, ein Produkt fälschlicherweise als gratis erhältlich darzustellen, wenn der Verbraucher in Wirklichkeit zusätzlich zu den Kosten für die Reaktion auf das Angebot oder für die Lieferung der Ware weitere Kosten zu tragen hat.

    Hindernisse für einen Anbieterwechsel

    Filip beschließt, zu einem anderen Anbieter einer Immobilienversicherung zu wechseln und mit diesem einen günstigeren Vertrag zu schließen. Als er seine Versicherungsgesellschaft anruft, wird ihm mitgeteilt, dass er verschiedene Formulare ausfüllen muss, um seinen laufenden Vertrag zu kündigen. Außerdem könnten die erforderlichen Formulare leider frühestens in zwei Wochen bereitgestellt werden, und es sei mit drei Monaten Bearbeitungszeit zu rechnen. Filip gibt entnervt auf - soviel zu guten Vorsätzen.

    Gemäß der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken dürfen Gewerbetreibende Verbrauchern keine belastenden oder unverhältnismäßigen Hindernisse nichtvertraglicher Art auferlegen, wenn diese ihre vertraglichen Rechte wahrnehmen möchten, einschließlich des Rechts, einen Vertrag zu kündigen oder zu einem anderen Produkt oder anderen Gewerbetreibenden zu wechseln.

    Direkte Aufforderung an Kinder

    Alain war überrascht, als er von seiner Tochter plötzlich bedrängt wurde, die Verfilmung ihres Lieblingsbuchs zu kaufen. Er verstand sofort, was los war, als er im Fernsehen die Werbung für den Film sah, in der es hieß: „Dein Lieblingsbuch ist nun als DVD erhältlich – bitte deinen Vater, sie dir zu kaufen!“

    Eine unlautere Praxis liegt gemäß der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken vor, wenn Gewerbetreibende Kinder dazu auffordern, Erwachsene um den Kauf beworbener Produkte zu bitten. Dieses Verbot gilt für alle Medien, einschließlich Fernsehen und Internetwerbung.

    Dank der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken konnten nationale Verbraucherschutz-Überwachungsstellen ein breites Spektrum unlauterer Geschäftspraktiken eindämmen und sanktionieren, einschließlich irreführender Umweltaussagen und aggressiver Praktiken.[7] Dennoch gibt es noch weiteren Handlungsbedarf:

    – Interessenträgern zufolge werden Umweltaussagen (wie „umweltfreundlich“, „biologisch abbaubar“, „nachhaltig“, „natürlich“ usw.) trotz des derzeitigen Rechtsrahmens weiterhin nicht verantwortungsvoll verwendet und häufig sehr allgemein, vage und ungenau formuliert. Verbraucherschutzverbände weisen darauf hin, dass es zudem schwer ist, den Wahrheitsgehalt dieser Aussagen zu überprüfen, insbesondere im Energie-, Kosmetik-, Fahrzeug- und Waschmittelsektor.

    – Einige wenige Mitgliedstaaten melden aggressive Praktiken, die auf Kinder (im Bereich der Online-Spiele) sowie auf ältere Menschen abzielen. Es bedarf weiterer Anstrengungen, um die Durchsetzung der Richtlinie in Bezug auf diese Kategorien schutzbedürftiger und schwacher Verbraucher zu verstärken. Vor allem muss auch angesichts der fortschreitenden Alterung der Bevölkerung dafür gesorgt werden, dass gefährdete Verbraucher vor den Risiken geschützt werden, die sich aufgrund der Wirtschaftskrise und der Komplexität der digitalen Märkte ergeben.

    2.2.        Vertrauensbildung im Binnenmarkt

    Durch das Ersetzen der unterschiedlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken durch ein einziges Regelwerk hat die Richtlinie den Rechtsrahmen vereinfacht und dazu beigetragen, Hindernisse für den grenzüberschreitenden Handel zu beseitigen.

    Die Richtlinie hat auch breite Anwendung in grenzübergreifenden Fällen gefunden. Nahezu 50 % der vom Netz für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (CPC)[8] in den vergangenen fünf Jahren behandelten Amtshilfeersuchen (Auskunftsersuchen, Warnungen und Durchsetzungsersuchen) betrafen Verstöße gegen die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken. Zudem führte das CPC-Netz auf der Grundlage der Bestimmungen der Richtlinie verschiedene gemeinsame Überwachungsmaßnahmen („Sweeps“) durch; diese betrafen digitale Produkte / Dienstleistungen, Internet-Verkäufe von Flugtickets, Online-Mobiltelefondienste und Websites für den Verkauf von Unterhaltungselektronik.[9]

    Ein erheblicher Teil der Richtlinie soll gewährleisten, dass Informationen über die wesentlichen Merkmale eines Produkts oder einer Dienstleistung, den Preis und die wichtigsten Bedingungen Verbrauchern wahrheitsgemäß, vollständig und rechtzeitig bereitgestellt werden. Dies erleichtert es Verbrauchern, Angebote zu verstehen und zu vergleichen, und wirkt sich unmittelbar auf die Vermarktungs- und Werbetechniken von Gewerbetreibenden aus.

    Werbung spielt eine wichtige Rolle in einem störungsfreien Binnenmarkt und ist das wichtigste Instrument für Unternehmen, um ihre Produkte und Dienstleistungen grenzüberschreitend zu verkaufen. Werbung ermöglicht es den Unternehmen, sich offen zu unterscheiden: Sie fördert den Wettbewerb, lässt die Preise sinken und die Qualität steigen.

    Genaue und transparentere Informationen für inländische und grenzüberschreitende Angebote wurden in der jüngsten Mitteilung über den elektronischen Handel als einer der wesentlichen Faktoren ausgemacht, die das Verbrauchervertrauen steigern und die Einzelhändler zum Online-Verkauf ermutigen.[10]

    Jüngsten Erkenntnissen zufolge tätigen Verbraucher jetzt mehr grenzübergreifende Einkäufe (52 %, + 19 Prozentpunkte) und sind bereit, mehr Geld grenzüberschreitend auszugeben (18 %, + 5 Prozentpunkte) als im Jahr 2006, als die Richtlinie in den Mitgliedstaaten noch nicht umgesetzt worden war.[11] Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken hat zu dieser offeneren Haltung der europäischen Verbraucher beigetragen, da sie eines der wichtigsten europäischen Rechtsinstrumente zur Steigerung des Verbrauchervertrauens und zur Ankurbelung des grenzüberschreitenden Handels darstellt. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Wachstum im grenzüberschreitenden Online-Shopping deutlich hinter dem Wachstum der innerstaatlichen Online-Märkte zurückbleibt. Es besteht also weiterer Handlungsbedarf.

    Finanzdienstleistungen und Immobilien sind aufgrund ihrer Komplexität und der ihnen innewohnenden erheblichen Risiken kritische Sektoren. Mehrere unlautere Praktiken wie der Mangel an grundlegenden Informationen in der Werbungsphase sowie irreführende Produktbeschreibungen wurden in diesen Bereichen mitgeteilt. Die meisten Mitgliedstaaten haben nationale Vorschriften zum Schutz der Verbraucher eingeführt, die die Vorschriften der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken ergänzen oder über diese hinausgehen. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass es derzeit nicht angebracht wäre, die in der Richtlinie für die Mitgliedstaaten vorgesehene Möglichkeit zu beseitigen, über das Harmonisierungsniveau der Richtlinie in diesen spezifischen Sektoren hinauszugehen.[12]

    2.3.        Angemessene und wirksame Durchsetzung der Richtlinie

    Insgesamt erweist sich der Rechtsrahmen der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken als gut geeignet, um die Lauterkeit neuer Online-Praktiken zu beurteilen, die sich parallel zu Werbetechniken wie Preisvergleichen und Websites für Sammelbuchungen oder beispielsweise im Hinblick auf die zunehmende Einbindung von Werbung in soziale Netzwerke entwickeln.

    Die Mitgliedstaaten und Interessenträger scheinen die nationale Durchsetzung der Richtlinie im Allgemeinen für angemessen und wirksam zu halten, signalisieren jedoch den Mangel an Ressourcen, die Komplexität oder Dauer von internen Verfahren und das Fehlen abschreckender Sanktionen, die die ordnungsgemäße Anwendung der Richtlinie zu untergraben drohen.

    In Fällen grenzüberschreitender unlauterer Geschäftspraktiken ist es für die Durchsetzungsstellen eine echte Herausforderung, rasch und wirksam zu reagieren. Dies wirkt sich auch auf die grenzübergreifende Durchsetzung der Rechtsvorschriften aus und ist – wie das Ergebnis der Konsultation zeigt – im Bereich der Verwaltungszusammenarbeit auf der Grundlage der CPC-Verordnung manifest geworden.

    Nach den Erfahrungen mit der Durchsetzung besteht eines der größten Probleme im Zusammenhang mit Onlinetools für Kundenbewertungen und insbesondere Preisvergleich-Websites darin, dass sie nicht eindeutig offenlegen, von wem die Website betrieben wird und/oder ob Einzelhändler dafür zahlen, dass ihre Produkte und Dienstleistungen angezeigt werden (d. h. ob die Website gesponsert wird oder nicht).

    Laut Rückmeldungen von Interessenträgern wird die Verpflichtung zur Bereitstellung eindeutiger und vollständiger Preisinformationen bei kommerziellen Angeboten häufig missachtet, insbesondere im Reise- und Verkehrssektor.

    In beiden Fällen plädieren die Interessenträger nicht für legislative Maßnahmen, sondern für strengere und kohärentere Durchsetzungsmaßnahmen.

    3.           PRIORITÄTEN FÜR WEITERE MASSNAHMEN

    Entsprechend den Ausführungen der Europäischen Verbraucheragenda und der Mitteilung der Kommission „Bessere Governance für den Binnenmarkt“[13] führt eine bessere Anwendung und Durchsetzung der bestehenden Vorschriften rasch zu mehr Wachstum und Beschäftigung.

    In diesem Zusammenhang spielt die Richtlinie eine entscheidende Rolle. Die Kommission hat den Einzelhandel (einschließlich elektronischer Handel), den Reise- und Verkehrssektor, Finanzdienstleistungen, digitale Wirtschaft, Energie und Nachhaltigkeit als prioritäre Bereiche für die Freisetzung des Wachstumspotenzials des Binnenmarkts identifiziert.[14]

    Um zu gewährleisten, dass die Richtlinie ein hohes Verbraucherschutzniveau wahrt und zu den damit verbundenen Binnenmarktvorteilen führt, bedarf es verstärkter nationaler Durchsetzungsmaßnahmen sowie einer verstärkten Zusammenarbeit bei der grenzüberschreitenden Durchsetzung. Dies gilt insbesondere im Falle unlauterer Praktiken, die gleichzeitig in verschiedenen Mitgliedstaaten auftreten. In solchen Fällen ist eine effiziente Koordinierung zwischen der Kommission, den nationalen Behörden, den Verbraucherschutzverbänden und den Unternehmen entscheidend für die Bekämpfung von Praktiken mit EU-weiten Auswirkungen.[15]

    Durch die Notwendigkeit einer verstärkten Rechtsdurchsetzung auf grenzüberschreitender und nationaler Ebene ist die Kommission stärker in der Pflicht, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten zu handeln und diese bei der EU-weiten Anwendung der Richtlinie zu unterstützen. In diesem Zusammenhang wird die Kommission prüfen, wie sie im Einklang mit den Verträgen aktiver die kohärente Anwendung der Richtlinie fördern kann, insbesondere im Hinblick auf unlautere Praktiken mit grenzüberschreitender Dimension (beispielsweise im Internetkontext), die die Durchsetzungsstellen vor gemeinsame Probleme stellen. Die Förderung von Konvergenzpraktiken bei der Umsetzung der Richtlinie ist entscheidend für die Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen für Gewerbetreibende, insbesondere bei grenzübergreifenden Tätigkeiten, und letztlich auch für die Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus in ganz Europa.

    3.1.        Gewährleistung der vollständigen Übereinstimmung der nationalen Rechtsvorschriften mit der Richtlinie

    Als Hüterin der Verträge wird die Kommission die korrekte Umsetzung und Anwendung der Richtlinie in allen Mitgliedstaaten weiterhin genau überwachen. Sie wird Konformitätsprüfungen durchführen und eingehend prüfen, wie sich Vorschriften in der Praxis bewähren, und bei Bedarf Korrekturmaßnahmen festlegen. Aus der aktuellen Analyse geht hervor, dass in mehreren Mitgliedstaaten nach wie vor Diskrepanzen zwischen den nationalen Rechtsvorschriften und der Richtlinie bestehen. Die Kommissionsdienststellen stehen daher in Kontakt mit den betreffenden Mitgliedstaaten. Die Kommission wird die notwendigen Maßnahmen gemäß Artikel 258 AEUV ergreifen, wenn ein Mitgliedstaat seinen Umsetzungs- und Durchsetzungsverpflichtungen nicht nachkommt.

    3.2.        Gewährleistung der einheitlichen und ordnungsgemäßen Anwendung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten

    Zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen und einheitlichen Anwendung der Richtlinie wird die Kommission

    · die Leitlinien unter Berücksichtigung der Beiträge der nationalen Durchsetzungsstellen und anderer Interessenträger, des Entstehens neuer Praktiken einschließlich Online-Praktiken sowie der Entwicklung der Rechtsprechung der EU und der Mitgliedstaaten weiterentwickeln[16];

    · die Datenbank[17] für die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken verbessern, ergänzen und aktualisieren.

    3.3.        Intensivere Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten in den Bereichen Durchsetzung und Verwaltung

    Unter Berücksichtigung der Rückmeldungen der Mitgliedstaaten und der Interessenträger sowie der verfügbaren Daten hat die Kommission Schlüsselbereiche identifiziert, in denen Nachteile und ungenutzte Chancen für die Verbraucher festgestellt wurden und in denen das Wachstumspotenzial des Binnenmarktes am größten ist.

    In diesen Bereichen wird die Kommission spezifische Initiativen auf den Weg bringen, die im Einklang mit den Zielen der Europäischen Verbraucheragenda auf eine verstärkte Durchsetzung abzielen.

    Die Kommission wird folgende Maßnahmen ergreifen: Ø Durchführung regelmäßiger thematischer Workshops für nationale Durchsetzungsstellen und Schulungsmaßnahmen für Durchsetzungsstellen und Justizbehörden Ø Stärkung der Effizienz des CPC-Netzes und fortgesetzte Förderung koordinierter Durchsetzungsmaßnahmen („Sweeps“) Ø Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Sicherstellung der wirksamen Anwendung der Richtlinie durch die Weiterentwicklung der Leitlinien und den Austausch bewährter Verfahren mit den Mitgliedstaaten Ø In Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten Entwicklung spezifischer Durchsetzungsindikatoren für die Anwendung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, die Unzulänglichkeiten und Mängel offenlegen, die weiterer Untersuchungen und/oder Korrekturmaßnahmen bedürfen. Diese Maßnahmen konzentrieren sich auf die folgenden Schlüsselbereiche/-sektoren: Ø Reise und Verkehr Ø Digitale bzw. Online-Märkte Ø Umweltaussagen Ø Finanzdienstleistungen Ø Immobilien In allen diesen Bereichen gilt besonderes Augenmerk den Praktiken, die auf schutzbedürftige Verbraucher wie insbesondere ältere Menschen und Minderjährige abzielen.

    3.4.        Beobachtung von Marktentwicklungen und Sensibilisierung

    Die Kommission wird die Marktentwicklungen genau beobachten, um sicherzustellen, dass der Rechtsrahmen nach wie vor ein hohes Verbraucherschutzniveau bei inländischen und grenzüberschreitenden Einkäufen bietet.

    Im Mittelpunkt steht dabei der Aspekt, ob der Rechtsrahmen geeignet ist, um mit der rasanten Entwicklung der Vermarktung- und Verkaufstechniken sowie der Produkte und Dienstleistungen im Internet Schritt zu halten.

    Neben einer verstärkten Durchsetzung sind Sensibilisierungsinitiativen wichtig, damit die Verbraucher in die Lage versetzt werden, ihre Rechte in geeigneter Weise wahrzunehmen. Im Jahr 2013 wird im Rahmen des Europäischen Jahres der Bürgerinnen und Bürger in enger Zusammenarbeit mit allen Interessenträgern, einschließlich Unternehmen und Verbraucherschutzverbänden, eine EU-weite Kampagne gestartet, die der Vertiefung der Kenntnisse über die unter anderem in der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken verankerten Verbraucherrechte dient.

    4.           SCHLUSSFOLGERUNGEN

    Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken erweist sich als wertvolles Instrument zur Verbesserung des Verbraucherwohls. Sie hat zur Vereinfachung des rechtlichen Umfelds und zur Beseitigung von Hindernissen für den grenzüberschreitenden Handel beigetragen. Die Erfahrung bezeugt die Zweckmäßigkeit und Flexibilität der darin enthaltenen Grundsatzbestimmungen und horizontalen Vorschriften. Das vereinfachte rechtliche Umfeld erleichtert es Unternehmen, grenzüberschreitend tätig zu werden, und versetzt Verbraucher und Unternehmen in die Lage, das ungenutzte Potenzial des Binnenmarktes zunehmend auszuschöpfen.

    Nach Ansicht der Kommission wäre es nicht angebracht, die Richtlinie zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu ändern, nicht zuletzt weil für dieses umfassende Regelwerk mehr Zeit für Erfahrungen mit der Durchsetzung in den Mitgliedstaaten benötigt wird. Die Kommission wird sich nunmehr auf die kohärente Anwendung der Richtlinie konzentrieren und konkrete Maßnahmen für eine bessere Durchsetzung in Schlüsselbereichen ergreifen, um das Verbrauchervertrauen zu stärken und Wachstum zu fördern.

    [1]               Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates.

    [2]               Siehe Art. 3 Absatz 1 der Richtlinie.

    [3]               Beispielsweise Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), und Richtlinie 2011/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher.

    [4]               Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden („Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz“).

    [5]               Siehe den dieser Mitteilung beiliegenden Bericht mit dem Titel „Erster Bericht über die Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern („Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken“)“.

    [6]               Siehe „Eine europäische Verbraucheragenda für mehr Vertrauen und mehr Wachstum“, COM(2012) 225 endg. vom 22.5.2012 - http://ec.europa.eu/justice/consumer-marketing/index_de.htm.

    [7]               Siehe Abschnitt 4 zur Durchsetzung des beiliegenden Berichts über die Anwendung der Richtlinie.

    [8]               Mit der CPC-Verordnung Nr. 2006/2004 wurde ein Rahmen geschaffen, der Durchsetzungsinstanzen eine enge Zusammenarbeit ermöglicht, um gegen Verbraucherschutzgesetze verstoßenden grenzüberschreitenden Handelspraktiken Einhalt zu gebieten. Seit 2007 befasst sich das CPC-Netz mit grenzüberschreitenden Fällen, in denen ein Verstoß gegen die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken vorliegt.

    [9]               http://ec.europa.eu/consumers/enforcement/index_en.htm

    [10]             Siehe Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen „Bringing e-commerce benefits to consumers“, Begleitdokument zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Ein kohärenter Rahmen zur Stärkung des Vertrauens in den digitalen Binnenmarkt für elektronischen Handel und Online-Dienste“, KOM(2011) 942 endg. vom 11.1.2012 - http://ec.europa.eu/internal_market/e‑commerce/communication_2012_de.htm.

    [11]             See Flash Eurobarometer 332 Consumers' attitudes towards cross-border trade and consumer protection, Mai 2012, S. 8, http://ec.europa.eu/public_opinion/flash/fl_332_en.pdf. Ein wachsender Anteil der Verbraucher (50 %) ist bereit, beim Erwerb von Waren oder Dienstleistungen eine andere EU-Sprache zu verwenden (+ 17 Prozentpunkte im Vergleich zu 2006). Der Prozentsatz derer, die unter keinen Umständen einen Einkauf in einer anderen Sprache tätigen wollen, ist von 42 % im Jahr 2008 auf 30 % im Jahr 2011 gesunken. Der Anteil der Europäer, die angeben zu wissen, wo sie sich über grenzüberschreitendes Einkaufen informieren können, ist erheblich gestiegen, und zwar von 24 % im Jahr 2006 auf 39 % im Jahr 2011.

    [12]             Siehe Artikel 3 Absatz 9 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken und die von Civic Consulting im Auftrag der Europäischen Kommission, GD Justiz, 2012 angefertigte Studie mit dem Titel “Study on the application of the Unfair Commercial Practices Directive to financial services and immovable property”, aufrufbar unter http://ec.europa.eu/justice/consumer-marketing/document.

    [13]             Siehe Mitteilung der Europäischen Kommission „Bessere Governance für den Binnenmarkt“, COM(2012) 259 endg., http://ec.europa.eu/internal_market/strategy/docs/governance/20120608-communication-2012-259-2_de.pdf.

    [14]             Siehe Europäische Verbraucheragenda.

    [15]             Siehe Abschnitt 3.3.3 des beiliegenden Berichts über die Anwendung der Richtlinie, beispielsweise im Zusammenhang mit der Entscheidung der italienischen Wettbewerbsbehörde (AGCM) PS7256 im Fall Comet-Apple Prodotti in Garanzia, Provvedimento n. 23193 vom 27. Dezember 2011.

    [16]             Unter anderem plant die Kommission die Weiterentwicklung ihrer Leitlinien in Bezug auf irreführende Umweltaussagen, ausgehend von den Ergebnissen einer spezifischen Studie, die im Laufe des Jahres 2013 durchgeführt werden soll, und den laufenden Arbeiten zum Aktionsplan für Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch.

    [17]             Siehe https://webgate.ec.europa.eu/ucp/. Diese Datenbank stützt sich auf den Beschluss Nr. 1926/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 über ein Aktionsprogramm der Gemeinschaft im Bereich Verbraucherpolitik (2007-2013).

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