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Document 52012AE2118

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss: Eine Industriepolitik für die Sicherheitsbranche — Maßnahmenkatalog für eine innovative und wettbewerbsfähige Sicherheitsbranche“ COM(2012) 417 final

ABl. C 76 vom 14.3.2013, p. 37–42 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

14.3.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 76/37


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss: Eine Industriepolitik für die Sicherheitsbranche — Maßnahmenkatalog für eine innovative und wettbewerbsfähige Sicherheitsbranche“

COM(2012) 417 final

2013/C 76/07

Berichterstatter: Antonello PEZZINI

Die Europäische Kommission beschloss am 26. Juli 2012, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss: Eine Industriepolitik für die Sicherheitsbranche – Maßnahmenkatalog für eine innovative und wettbewerbsfähige Sicherheitsbranche“

COM(2012) 417 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 8. Januar 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 486. Plenartagung am 16./17. Januar 2013 (Sitzung vom 16. Januar) mit 128 gegen 2 Stimmen bei 5 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) hält eine integrierte europäische Politik für die Sicherheitsindustrie für unerlässlich, die durch ein koordiniertes Herangehen an die Probleme der Branche, eine gemeinsame Strategie und Vision für die Entwicklung ihrer Wettbewerbsfähigkeit in einem einheitlichen europäischen Markt gekennzeichnet ist.

1.2

Der EWSA hält Folgendes für unabdingbar, um die Voraussetzungen für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Branche zu gewährleisten, die über ein hohes und vielversprechendes Beschäftigungs- und Anwendungspotenzial verfügt und die die traditionelle Sicherheitsindustrie und die auf Sicherheit ausgerichtete Rüstungsindustrie umfasst. Dazu zählen jedoch auch neue Akteure, d.h. Unternehmen, die zu zivilen Zwecken entwickelte Technologien auf den Sicherheitsbereich anwenden sowie Anbieter von Sicherheitsdiensten:

eine interne Dimension völliger Interoperabilität auf dem Binnenmarkt entwickeln: Diese trägt durch einen rechtlichen und technischen Regelungs- und Verfahrensrahmen zu einer angemessenen Ressourcenausstattung, einer schlüssigen Entwicklungsstrategie und umfangreichen Investitionen in Forschung und Innovation bei;

vorrangige Maßnahmen für bestimmte Produktkategorien und Dienstleistungen konzipieren, in Abhängigkeit ihrer Fähigkeit, an Bestimmungen und harmonisierte Verfahren angepasst werden zu können;

einen verlässlichen Zugang zu internationalen Märkten schaffen, mit einem besseren internationalen Schutz der Rechte am gewerblichen Eigentum und Liberalisierung der Märkte – sowohl der Handelsmärkte als auch der Beschaffungsmärkte – im Verbund mit einer integrierten industriepolitischen Strategie;

einen gleichberechtigten Zugang aller europäischer Unternehmen zu den Seeverkehrswegen schaffen, damit sie ihre Güter auf die internationalen Märkte bringen können;

integrierte und gemeinsame Maßnahmen in den verschiedenen Sparten der Sicherheitstechnik und des Katastrophenschutzes voranbringen;

die soziale und ethische Dimension der sicherheitstechnischen Anwendungen schon bei ihrer Konzipierung aufgreifen, um die soziale Akzeptanz zu garantieren und die Privatsphäre der Bürger umfassend zu schützen;

Ausbildung und berufliche Tätigkeit der Arbeitskräfte sollen auf die Konzipierung, Einrichtung, Instandhaltung und Funktionstüchtigkeit der Sicherheitstechnologie ausgerichtet sein. Im Mittelpunkt müssen dabei die Achtung der Menschenwürde und der Grundfreiheiten des Menschen sowie das Recht auf Wahrung seiner Würde stehen.

1.3

Der EWSA begrüßt die im Maßnahmenkatalog enthaltenen Initiativen, spricht sich jedoch für eine stärkere, auch auf die Produktkategorie ausgerichtete Zusammenarbeit und Koordinierung aus, und zwar auf Grundlage einschlägiger, detaillierter und zuverlässiger Statistiken sowie mit Blick auf das Produktions- und Beschäftigungsniveau und Größe der Unternehmen dieser Branche.

1.4

Der EWSA empfiehlt die Koordinierung und Konvergenz der Informationsmanagementsysteme und Garantien für die Interoperabilität.

1.5

Der EWSA befürwortet nachdrücklich den Ausbau der Möglichkeiten zur Steuerung und Vorwegnahme neuer Wettbewerbsszenarien und den Zugang zu institutionellen Finanzierungsmöglichkeiten, auch über partizipative Zukunftsforschung auf europäischer Ebene.

1.6

Die Berücksichtigung sozialer und ethischer Belange muss transparent und in allen Phasen - von der Planung bis hin zur Standardisierung und praktischen Anwendung der Technologie vor Ort - garantiert sein. Bei neuen Technologien und Normen muss bereits von Anfang an auf den Schutz der Grundrechte der Bürger geachtet werden, insbesondere, um die Privatsphäre und personenbezogene Daten zu schützen.

1.7

Es ist ein Einsatz der EU und die Koordinierung entsprechender nationaler Bemühungen erforderlich, um die Ausbildung und Einstellung der Arbeitskräfte zu gewährleisten, damit professionelle, hochwertige und menschengerechte Dienstleistungen erbracht werden können - unter Anwendung anspruchsvoller Technologien und unter Gewährleistung völliger Interoperabilität.

2.   Einleitung

2.1

Die strategisch bedeutungsvolle Sicherheitsindustrie ist mit ihren verwandten und eng miteinander verwobenen zivilen und militärischen Anwendungen die ideale Schnittstelle zwischen wissenschaftlicher Forschung, technologischer Innovation und anspruchsvollen Anwendungen.

2.2

Diese Branche ist aufgrund ihrer Charakteristika technologieorientiert und zeichnet sich durch einen ständigen Fluss neuer Technologien aus. Die Produkte und Dienstleistungen dieser Branche sind überaus vielfältig, veralten sehr rasch und erfordern technische und wissenschaftliche Spitzenleistungen.

2.3

Der Markt der Sicherheitsindustrie in der EU hat einen geschätzten Marktwert von 36,5 Mrd. EUR und gibt 180 000 Menschen in der Europäischen Union Arbeit. Weltweit ist er im vergangenen Jahrzehnt von 10 auf 100 Mrd. EUR (2011) angewachsen. Die Sicherheitsindustrie umfasst folgende Branchen: Luftsicherheit, Sicherheit des Seeverkehrs und des Verkehrs im Allgemeinen, Grenzschutz, Schutz kritischer Infrastrukturen, Informationsgewinnung zur Terrorismusbekämpfung (einschließlich Sicherheit von Information und Kommunikation und Cybersicherheit), physische Sicherheit, Krisenmanagement und Schutzbekleidung.

2.4

Neben diesen Branchen ist auch die sicherheitsbezogene Raumfahrtindustrie mit ihren zahlreichen Anwendungen zu nennen.

2.5

In Europa ist der Markt für sicherheitsbezogene Raumfahrtprodukte in der Hand großer multinationaler Konzerne, die auf europäischer Ebene und in den Mitgliedstaaten im zivilen und kommerziellen Bereich tätig sind, wobei die Nachfrage zu 40 % aus dem kommerziellen Bereich kommt und zu 60 % auf öffentliche Auftraggeber zurückgeht.

2.6

Obwohl sich der Markt stetig entwickelt und keine Anzeichen für einen Konjunkturrückgang infolge der internationalen Krise auszumachen sind, ist die Sicherheitsindustrie in der Europäischen Union durch einen stark zersplitterten Binnenmarkt und eine industriellen Basis gekennzeichnet, die durch stark voneinander abweichende einzelstaatliche Rechtsnormen sowie unterschiedliche technische Normen geschwächt ist. Dabei finden auch die Anstrengungen im Bereich der Forschung und des öffentlichen Beschaffungswesens trotz der Bemühungen der EU, beispielsweise mit dem RP7, nach wie vor größtenteils in einzelstaatlicher Regie statt.

2.7

Die EU muss die Sicherheit ihrer Bürger, ihrer Unternehmen und der Gesellschaft als Ganzes in vielen verschiedenen Zusammenhängen gewährleisten – vom Katastrophenschutz bis hin zum Schutz der Lebensmittelkette, von der Vorbeugung und Bekämpfung terroristischer Handlungen bis hin zum Schutz vor der Bedrohung durch chemische, biologische, radiologische, nukleare und explosive Gefahrenstoffe.

2.8

Die Sicherheitsindustrie ist für die Zukunft von ausschlaggebender Bedeutung und besonders repräsentativ für die Herausforderungen und Chancen, denen Europa gegenübersteht: Viele europäische Unternehmen sind dank ihres technischen Know-hows in unterschiedlichen Segmenten Weltmarktführer, riskieren jedoch, Marktanteile gegenüber ihren wichtigsten Handelspartnern zu verlieren.

2.8.1

Es sind einschlägige, detaillierte und zuverlässige Statistiken auch mit Blick auf das Produktions- und - und Beschäftigungsniveau und Größe der Unternehmen dieser Branche erforderlich.

2.9

Die Leitung von Unternehmen der Sicherheitsindustrie ist ein sehr komplexes Unterfangen, das durch viele Faktoren bestimmt wird:

Homogenität, Transparenz und Zugänglichkeit der Märkte;

Strategien und Visionen, Zugang zu Finanzmitteln;

rechtliche Rahmenbedingungen, technische Normen, harmonisierte Verfahren und Wahrung der gewerblichen Schutzrechte;

technologische und betriebliche Leistungsfähigkeit;

Möglichkeiten zum vorausschauenden Umgang mit neuen Wettbewerbsszenarien.

2.10

Um die Ausgangsbedingungen für eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit dieser Branche in Europa zu sichern, müssen auf dem Binnenmarkt nach Auffassung des EWSA folgende Aspekte gewährleistet sein:

Interne Dimension: Es muss umfassende Interoperabilität auf dem Binnenmarkt hergestellt und die Zersplitterung der einzelstaatlichen Märkte, aber auch der Investitionen in Forschung und Innovation, müssen abgebaut werden;

Externe Dimension: Zugang zu internationalen Märkten unter Verbesserung des unzureichenden internationalen Schutzes der gewerblichen Eigentumsrechte und verbesserter Zugang zu den Handels- und Beschaffungsmärkten. Es geht darum, auch in diesem Sektor, eine aggressivere „integrierte industriepolitische Strategie mit einer auswärtigen Dimension zu ergreifen, die der EU eine Führungsrolle im Handelssystem garantiert und eine einheitliche Ausrichtung der multilateralen und bilateralen Handelsabkommen gewährleistet“ (1);

Gleiche Rechte für die europäischen Unternehmen in Bezug auf die Ausfuhr von Militärgütern in Drittländer: Auf dem Binnenmarkt darf es nicht zu Diskriminierungen von Unternehmen aus Mitgliedstaaten ohne direkten Meereszugang kommen, indem sie gezwungen werden, so genannte Transitgenehmigungen einzuholen, um ihre Güter zu einem Seehafen eines anderen Mitgliedstaates zu transportieren;

Schon in der Planungsphase muss an die soziale und ethische Dimension der sicherheitstechnischen Anwendungen gedacht werden, um ihre soziale Akzeptanz zu garantieren, indem die Privatsphäre und die Grundrechte der Bürger in vollem Umfang gewahrt und der Schutz der personenbezogenen Daten gewährleistet werden;

Produkte und Dienstleistungen, die nicht in das Privatleben eingreifen, sondern erfolgreiche Ansätze sowohl bei der Entwicklung der Humanressourcen als auch bei den internationalen Aktivitäten ermöglichen. Großunternehmen, Unternehmensgründungen und KMU werden dabei unterstützt, auch durch vernetzte Konsortien und die Nutzung von Clustern die für den Wettbewerb erforderliche kritische Masse zu bilden.

2.11

Auf globaler Ebene sind die Vereinigten Staaten von Amerika der bei Weitem größte Wettbewerber. Ihre Stärke sind ein einheitlicher Rechtsrahmen, gemeinsame Normen, die starke Nachfrage der US-Bundesstaates (2) und der konsolidierte einheimische Markt, der mehr als 42 % des globalen Umsatzes ausmacht und Unternehmen vorweisen kann, die in Sachen Sicherheitstechnik eine Führungsposition einnehmen. In Japan und Israel gibt es Unternehmen, die in einigen Bereichen der Hightech-Industrie, etwa in der Informations- und Kommunikationstechnik, Spitzenpositionen innehaben, während Russland und China in der traditionellen Wehrtechnik eine hohe Entwicklungsstufe aufweisen.

2.12

Angesichts der globalen Lage unterstreicht der EWSA die Notwendigkeit einer vorausschauenden europäischen Industriepolitik für die Sicherheitsbranche, die auf ein besseres Gleichgewicht zwischen dem Potenzial der Branche, den technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen, den gewerblichen Schutzrechten und vor allem einer Kategorisierung von Produkten, Dienstleistungen und Systemen ausgerichtet ist, die gemeinsamen Standards, harmonisierten Bestimmungen und harmonisierten Verfahren entsprechen, unter anderem für:

Zugangskontrollsysteme;

Hardware und Software für Scanning;

Schutzsysteme und -instrumente;

Systeme und Instrumente zur Identifizierung und Auswertung;

Systeme und Instrumente zur Überwachung und Ortung;

Alarmanlagen.

Für „sensible“ Produkte hingegen sollen Regulierungs- und Zugangsbedingungen nach Bewertungen und Übereinkünften in einer Einzelfallbetrachtung festgelegt werden, um bestimmte Qualitäts- und Sicherheitsmaßstäbe zu gewährleisten.

2.13

Der EWSA hat mehrfach betont, dass sicherheitspolitische Konzepte für Netze und Datenbestände entwickelt werden müssen, handelt es sich dabei doch um wesentliche Elemente der digitalen Agenda für Europa.

2.14

Der EWSA hat sich bereits zu den wesentlichen Aspekten der Flug- und Luftsicherheit (3), der Meeresüberwachung (4), der Sicherheit der Verkehrsträger (5) sowie zur operativen Zusammenarbeit an den Außengrenzen der EU-Mitgliedstaaten (6) geäußert, wobei die Rolle der Agentur Frontex und die Notwendigkeit eines globalen Politikansatzes für den Grenzschutz und die Bekämpfung der illegalen Zuwanderung unterstrichen wurde.

2.15

Bezüglich der weltraumgestützten Umwelt- und Sicherheitsüberwachung hat der EWSA wiederholt auf die Bedeutung der Sentinel-Satelliten, des GMES-Programms und des Satellitennavigationssystems Galileo hingewiesen (7).

2.16

Verschiedene Untersuchungen haben deutlich gemacht, wie wichtig Demonstrationsprojekte im Bereich der Sicherheitstechnologien zum Schutz gegen chemische, biologische, radiologische, nukleare und explosive Gefahrenstoffe (CBRNE) sind.

2.17

Das 7. Forschungsrahmenprogramm (FRP) ist das erste, das ein besonderes, mit 1,4 Mrd. EUR ausgestattetes Forschungsprogramm für die Sicherheit enthält. Im Mittelpunkt stehen dabei ausschließlich Projekte für die zivile Anwendung sowie die Entwicklung von Technologien und Erkenntnissen, die auf den Schutz der EU-Bürger (8) ausgerichtet sind, wobei ihre Privatsphäre und Grundrechte zu wahren sind.

2.18

Nach Ansicht des EWSA sollte die Nutzung von zivil-militärischen Hybridtechnologien erleichtert und dadurch in Zusammenarbeit mit der Europäischen Verteidigungsagentur geeignete Standards entwickelt werden. Des Weiteren sollte das Thema „Sicherheit“ – auch im Rahmen der Grundlagentechnologien des neuen Rahmenprogramms für Forschung und Innovation (9) – mit größerem Engagement und aufgestockten Ressourcen gefördert und dadurch Demonstrations- und Pilotprojekte angeregt werden.

2.19

Die Europäische Kommission reiht die Sicherheitsindustrie unter die wichtigsten Faktoren der Europa-2020-Leitinitiative „Eine integrierte Industriepolitik für das Zeitalter der Globalisierung“ ein, zu der der EWSA bereits Stellung genommen hat (10).

2.20

Der EWSA hält es für außerordentlich wichtig, eine einheitliche europäische Strategie für einen integrierten Ansatz zur Sicherheitsindustrie ins Leben zu rufen, denn die Sicherheit gehört zu den wichtigsten Anliegen der heutigen Gesellschaft. Sie ist eine grundlegende Voraussetzung für Wachstum und Beschäftigung und erfordert von allen Mitgliedstaaten vereinte Anstrengungen und geteilte Ansichten, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

3.   Wesentlicher Inhalt des Kommissionsdokuments

3.1

Die Mitteilung veranschaulicht die strategische Bedeutung der Sicherheitsindustrie und enthält eine Beschreibung der wichtigsten Maßnahmen, mit denen die Kommission diesen Prozess begleiten will und die zu einer innovativeren und wettbewerbsfähigeren Sicherheitsindustrie führen sollen.

3.2

Der vorgeschlagene Maßnahmenkatalog enthält folgende Leitlinien:

Überwindung der Zersplitterung des EU-Binnenmarktes durch harmonisierte Zertifizierungsverfahren und einheitliche technische Normen für Sicherheitstechnologien sowie gegenseitige Anerkennung der Zertifizierungssysteme;

mehr Effizienz und Unternehmensnähe im Bereich der Forschung und Innovationen durch technische Normungsaufträge (im Einklang mit der Europäischen Verteidigungsorganisation) für Hybridnormen, die für Forschung und Entwicklung sowohl im Bereich der Sicherheit als auch der Verteidigung gelten, durch Nutzung der neuen Regeln in Bezug auf die Rechte des geistigen Eigentums und der vorkommerziellen Auftragsvergabe gemäß „Horizont 2020“ sowie durch Finanzierung aus dem künftigen Fonds für die innere Sicherheit zur Erprobung und raschen Validierung von Sicherheitstechnologien;

Einbeziehung der gesellschaftlichen Dimension und des Schutzes der Privatsphäre;

Zugang zu den Märkten: Ausfuhrvorschriften zur Öffnung der öffentlichen Beschaffungsmärkte in Drittländern und Abbau technischer Barrieren sowie Prüfung eines europäischen Qualitätssiegels für die Produkte der Sicherheitsindustrie; Prüfung einer Haftungsbegrenzung, wie sie im US Safety Act vorgesehen ist (Umsetzung: 2012/2013).

3.3

Die Kommission plant, eine Sachverständigengruppe einzurichten, die nach klaren zeitlichen Vorgaben den Stand der Durchführung der vorgeschlagenen Maßnahmen überwachen soll.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1

Der EWSA ist der Auffassung, dass es für die Unionsbürger, die Unternehmen und ihre Beschäftigten, die europäische Gesellschaft insgesamt wie auch für die Entwicklung einer wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Wirtschaft von ausschlaggebender Bedeutung ist, auf EU-Ebene einen integrierten und koordinierten Ansatz zur Bewältigung der Herausforderungen auf dem Gebiet der Sicherheit und der Entwicklung einer entsprechenden europäischen Industriebranche zu schaffen. Zu diesem Zweck sollte sie eine komplexe EU-Strategie auf dem Gebiet der Sicherheitssysteme erarbeiten, in deren Mittelpunkt der Mensch und die menschliche Würde stehen und die darauf ausgerichtet ist, die grundlegenden Bedürfnisse im Bereich der Freiheit und der Sicherheit zu befriedigen.

4.2

Nach Ansicht des EWSA sollte eine größere Aufmerksamkeit darauf gelenkt werden, welchen Mehrwert die bereits bestehenden Agenturen – beispielsweise die Europäische Verteidigungsagentur (EDA), die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen (FRONTEX), das Europäische Polizeiamt (EUROPOL), die Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit (ENISA), die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA), die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA), die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und die Europäische Chemikalienagentur (ECHA – System für chemische Produkte/REACH) in Helsinki sowie die bestehenden Frühwarnsysteme wie das Schnellwarnsystem für Verbraucherprodukte im Nonfood-Bereich (RAPEX) bieten können.

4.3

Der EWSA teilt die Ansicht der Kommission, dass die Spitzenpositionen zahlreicher europäischer Unternehmen in diesem Sektor umfassend genutzt werden müssen, indem proaktiv ein echter gemeinsamer und funktionaler, nicht durch Hindernisse zersplitterter Binnenmarkt und eine Branche gefördert wird, die unter dem Aspekt der Beschäftigung ein umfangreiches und vielversprechendes Produktions- und Dienstleistungspotenzial aufweist.

4.4

Daher sollte man bei der Festlegung eines europäischen Aktionsplans nach Ansicht des EWSA einen Schritt weitergehen und eine echte gemeinsame europäische Strategie für die Sicherheitsindustrie ins Leben rufen, der eine gemeinsame Vision zugrunde liegt und die eine europäische Plattform, auf der die verschiedenen Aspekte der Sicherheit zusammenlaufen, sowie eine Verwaltung umfasst, die in der Lage ist, ein wirksames und koordiniertes Handeln zu gewährleisten.

4.5

Konkrete Formen könnte diese auf einem integrierten Ansatz beruhende Strategie in einer virtuellen Plattform annehmen, die ethische und administrative Themen, sektorübergreifende Aspekte sowie den Aspekt der Interoperabilität zusammenbringt.

4.6

Nach Ansicht des EWSA müssen die Verständigungsschwierigkeiten zwischen den Entscheidungsträgern in Politik und Industrie überwunden werden – auch durch eine Förderung von Initiativen wie dem Europäischen Sicherheitskongress und durch ein Forum des ständigen Dialogs wie das Sicherheitspolitische Forum.

4.7

Um die Zersplitterung des europäischen Binnenmarktes zu überwinden, müssen folgende Faktoren gegeben sein:

eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit und Koordinierung im Bereich der Sicherheit sowohl innerhalb der EU-Organe und -Einrichtungen als auch unter ihnen, um die volle Interoperabilität der Produkte und Verfahren zu gewährleisten, sowie eine vertikale Abstimmung zwischen den einzelnen Interventionsebenen;

eine untereinander abgestimmte Vorausschau, um zu einer gemeinsamen Vision zu gelangen;

ein Verwaltungssystem, in das sowohl der öffentliche wie auch der private Sektor eingebunden sind.

4.8

Nach Ansicht des EWSA sollten neben der Berücksichtigung sozialer Belange bereits in der Planungsphase der Produkte, Dienstleistungen und Systeme auch Mechanismen zur Beteiligung der Sozialpartner und der organisierten Zivilgesellschaft an den Überwachungsmaßnahmen eingeführt werden, damit die sozialen und ethischen Belange bei der Entwicklung der Sicherheitsindustrie und ihrer technischen Anwendungen und Produkte berücksichtigt werden.

4.8.1

Die Erteilung von technischen Normungsaufträgen im Einklang mit der Europäischen Verteidigungsorganisation sollte gemäß den Grundsätzen der neuen Standardisierungspolitik erfolgen – mit einem öffentlichen und transparenten Jahresarbeitsprogramm, mit uneingeschränkter Beteiligung der Sozialpartner und der Vertreter der organisierten Zivilgesellschaft, mit Spezifizierungen für öffentliche Ausschreibungen, die nach einem grundsätzlich offenen, konsensorientierten, transparenten, relevanten, neutralen und qualitätsorientierten Verfahren ausgearbeitet werden (11).

4.8.2

Der EWSA befürwortet den vorgeschlagenen Ansatz zur gegenseitigen Anerkennung der Zertifizierungssysteme, insofern es gelingt, einheitliche Kompetenzniveaus für die akkreditierten Zertifizierungsstellen vorzugeben sowie strengere Auswahlkriterien und harmonisierte Auswahlverfahren für Konformitätsbewertungen zu realisieren (12).

4.9

Der EWSA hält die regulatorische Anerkennung der Technologien mit doppeltem Verwendungszweck für sehr wichtig, um die zivil-militärischen Hybridtechnologien zu fördern. Er spricht sich darüber hinaus für ein stärkeres – finanzielles oder inhaltliches – Engagement im Rahmen der Priorität Grundlagentechnologien gemäß „Horizont 2020“ sowie durch Finanzierung aus dem künftigen Fonds für die innere Sicherheit aus.

4.9.1

Was das gewerbliche und geistige Eigentum anbelangt, so sind zwar die innovativen Ansätze des Programms „Horizont 2020“ sicherlich von Bedeutung, doch sollten der Schutz des geistigen Eigentums innerhalb der WTO und im Rahmen der bilateralen und multilateralen Assoziierungsabkommen in Europa verstärkt werden, wobei die Klauseln über die Haftungsbeschränkung und den Zugang zu ausländischen Märkten mit besonderer Aufmerksamkeit betrachtet werden müssen.

4.9.2

Der EWSA stimmt mit der Kommission darin überein, dass die neuen Möglichkeiten des im Programm „Horizont 2020“ vorgesehenen Instruments der vorkommerziellen Auftragsvergabe umfassend genutzt werden müssen.

4.10

Der EWSA befürwortet uneingeschränkt den Ausbau der sozialen und ethischen Dimension in den Vorschriften für die Sicherheitsindustrie.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1

Überwindung der Zersplitterung des Marktes durch Produktkategorien. Der EWSA empfiehlt, die Maßnahmenschwerpunkte nicht nach Branche, sondern nach den Kategorien derjenigen Produkte festzulegen, die am ehesten in der Lage sind, den Erfordernissen des Binnenmarktes zu genügen. Zu diesem Zweck müssen Regelungen und Verfahren auf Grundlage ihres hohen Marktpotenzials und ihrer Auswirkungen auf zahlreiche Bürger und Beschäftigte harmonisiert werden. Die Förderung der Entwicklung von KMU muss dabei sowohl im Hinblick auf Finanzmittel und Forschungsressourcen, als auch in organisatorischer Hinsicht mit besonderer Aufmerksamkeit bedacht werden.

5.2

Forschung und Innovation, Rechte am geistigen Eigentum und Auftragsvergabe. Der EWSA fordert: eine Aufstockung der für den Bereich der Sicherheitstechnologie im Rahmen von „Horizont 2020“ vorgesehenen EU-Mittel und gleichzeitig eine starke Präsenz im Bereich der „Grundlagentechnologien“; im Rahmen des Programms ISA (13) den Ausbau der gemeinsamen Projekte zur Interoperabilität im Bereich der Sicherheit; im Hinblick auf staatliche Innovationsbeihilfen die Anwendung von Ausnahmeregelungen für den Sektor; eine Kontrolle der effizienten Umsetzung der Richtlinie EG/2004/18 und EG/2009/81 sowie der Instrumente der vorkommerziellen Auftragsvergabe für die Sicherheitsindustrie; eine intensivere öffentlich-private und zivil-militärische Zusammenarbeit sowie eine Erleichterung der Strategien zur grenzübergreifenden Fusion bzw. zum grenzübergreifenden Zusammenschluss von Unternehmen; die Harmonisierung der Vorschriften zur Haftungsbegrenzung und schließlich bessere interne Regelungen zum Schutz der Rechte des geistigen Eigentums.

5.3

Zugang zu internationalen Märkten. Der EWSA ist der Ansicht, dass die integrierten und gemeinsamen außenpolitischen Maßnahmen im Bereich der Sicherheitsindustrie verstärkt werden müssen, und zwar durch einen besseren Schutz des geistigen Eigentums innerhalb der WTO und im Rahmen der bilateralen und multilateralen Assoziierungsabkommen in Europa, durch die Gewährleistung des Zugangs zu internationalen Märkten und zu öffentlichen Aufträgen auf Grundlage der Gegenseitigkeit, eines verstärkten europäischen Engagements bei der internationalen Normung sowie durch die Schaffung eines europäischen Gütesiegels Euro Security Label.

5.4

Soziale und ethische Dimension. Alle sicherheitsbezogenen Systeme, Produkte und Dienstleistungen müssen mit den Grundfreiheiten und Grundrechten der Bürger, insbesondere mit dem Recht auf Schutz der Privatsphäre vereinbar sein und zum wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt, zu einem sicheren Handel sowie zum Wohlbefinden und zur Sicherheit der Menschen beitragen. Die technologischen Entwicklungen sollten dazu beitragen, den Schutz personengebundener Daten und der Privatsphäre von vornherein zu erhöhen und mit Unterstützung des öffentlich-privaten Dialogs die Instrumente für eine transparente und verantwortungsvolle Anwendung des Rechts zur Verfügung stellen, in dessen Mittelpunkt der Schutz des Menschen stehen muss.

5.5

Dimension der Ausbildung und Eingliederung qualifizierter Arbeitskräfte in den Arbeitsmarkt, die den Erfordernissen der Sicherheit und der Anwendung anspruchsvoller Sicherheitstechnologien Rechnung trägt, um zu gewährleisten, dass unter Achtung des Menschen und unter Gewährleistung völliger Interoperabilität hochwertige Dienstleistungen erbracht werden.

Brüssel, den 16. Januar 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  Vgl. ABl. C 218 vom 23.7.2011, S. 25.

(2)  Siehe Homeland Security Act of 2002 und US Safety Act of 2002.

(3)  Siehe ABl. C 100 vom 30.4.2009, S. 39, ABl. C 128 vom 18.5.2010, S. 142.

(4)  Siehe ABl. C 44 vom 11.2.2011, S. 173.

(5)  Siehe ABl. C 65 vom 17.3.2006, S. 30.

(6)  Siehe ABl. C 44 vom 11.2.2011, S. 162 und ABl. C 191 vom 29.6.2012, S. 134.

(7)  Siehe ABl. C 256 vom 27.10.2007, S. 47 und ABl. C 256 vom 27.10.2007, S. 73 und ABl. C 181 vom 12.6.2012, S. 175.

(8)  Nach der Hälfte seiner Laufzeit waren bereits mehr als 130 Forschungsprojekte im Bereich der Sicherheit vom 7. FRP finanziert worden. Die Europäische Kommission hat eine Liste der erfolgreich mit Mitteln aus dem 7. FRP finanzierten Projekte veröffentlicht.

(9)  Vgl. INT/651 „Schlüsseltechnologien“.

(10)  ABl. C 218 vom 23.7.2011, S. 38.

(11)  Siehe ABl. C 68 vom 6.3.2012, S. 35.

(12)  Siehe ABl. C 120 vom 16.5.2008, S. 1.

(13)  ISA – Interoperability Solutions for European Public Administrations 2010-2015 [Interoperabilitätslösungen für europäische öffentliche Verwaltungen].


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