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Document 52010DC0605

BERICHT DER KOMMISSION Bericht über die Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments (Akt von 1976 in der durch den Beschluss 2002/772/EG, Euratom geänderten Fassung) und über die Teilnahme von Bürgern der Europäischen Union an den Wahlen zum Europäischen Parlament im Wohnsitzmitgliedstaat (Richtlinie 93/109/EG)

/* KOM/2010/0605 endg. */

52010DC0605

BERICHT DER KOMMISSION Bericht über die Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments (Akt von 1976 in der durch den Beschluss 2002/772/EG, Euratom geänderten Fassung) und über die Teilnahme von Bürgern der Europäischen Union an den Wahlen zum Europäischen Parlament im Wohnsitzmitgliedstaat (Richtlinie 93/109/EG) /* KOM/2010/0605 endg. */


[pic] | EUROPÄISCHE KOMMISSION |

Brüssel, den 27.10.2010

KOM(2010) 605 endgültig

BERICHT DER KOMMISSION

Bericht über die Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments (Akt von 1976 in der durch den Beschluss 2002/772/EG, Euratom geänderten Fassung) und über die Teilnahme von Bürgern der Europäischen Union an den Wahlen zum Europäischen Parlament im Wohnsitzmitgliedstaat (Richtlinie 93/109/EG)

{KOM(2010) 603 endgültig}

BERICHT DER KOMMISSION

Bericht über die Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments (Akt von 1976 in der durch den Beschluss 2002/772/EG, Euratom geänderten Fassung) und über die Teilnahme von Bürgern der Europäischen Union an den Wahlen zum Europäischen Parlament im Wohnsitzmitgliedstaat (Richtlinie 93/109/EG)

1. EINLEITUNG

Die politischen Rechte, die EU-Bürgern gewährt werden, festigen ihre Identität als Europäer. Das Recht der EU-Bürger, in dem Mitgliedstaat, in dem sie wohnen, an den Kommunal- und Europawahlen teilzunehmen, ist für ihre Beteiligung am demokratischen Leben der Union von grundlegender Bedeutung.

Die Wahlen zum Europäischen Parlament sind in dem Akt von 1976[1] zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments in der durch Ratsbeschluss 2002/772/EG, Euratom[2] geänderten Fassung geregelt. Darin sind für alle Mitgliedstaaten gemeinsame Grundsätze festgelegt wie die Pflicht, das Verhältniswahlsystem zu verwenden und sicherzustellen, dass die Wahlen überall in demselben Zeitraum stattfinden, der an einem Donnerstag beginnt und an dem darauffolgenden Sonntag endet. Die Teilnahme von EU-Bürgern an Europawahlen in einem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Wohnsitz haben, aber dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen[3], ist im Einzelnen in der Richtlinie 93/109/EG[4] geregelt. Neben den Vorschriften für die Eintragung in das Wählerverzeichnis und die Kontrollen zur Verhinderung einer mehrfachen Stimmabgabe oder Kandidatur enthält die Richtlinie eine Ausnahmeregelung für Mitgliedstaaten, in denen die Anzahl der Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten 20 % der gesamten Wählerschaft überschreitet[5]. Achtzehn Monate vor einer Europawahl berichtet die Kommission über etwaige Ausnahmeregelungen. Der letzte Kommissionsbericht wurde am 20. Dezember 2007 angenommen[6].

Die letzten Europawahlen fanden im Juni 2009 statt. Das Europäische Parlament verfügte zu diesem Zeitpunkt laut Vertrag von Nizza über 736 Sitze. Dementsprechend wurden 736 Mitglieder des Europäischen Parlaments gewählt. Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 stieg die Anzahl der Sitze auf 751. Am 23. Juni 2010[7] traf der Rat die notwendigen Vorkehrungen, um den Vertragsbestimmungen nachzukommen. Darüber hinaus wurde in den Vertrag von Lissabon auch eine neue Formulierung für die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments aufgenommen. Danach setzt sich das Parlament jetzt aus „Vertretern der Unionsbürgerinnen und Bürger“[8] zusammen statt aus „Vertretern der Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten“[9].

Dieser Bericht über die Europawahlen 2009 begleitet und ergänzt den „Bericht über die Unionsbürgerschaft 2010: Weniger Hindernisse für die Ausübung von Unionsbürgerrechten“, der sich mit den Problemen auseinander setzt, mit denen die Bürger vor allem bei dem Versuch, Waren und Dienstleistungen aus anderen Mitgliedstaaten zu beziehen, nach wie vor konfrontiert sind, und in dem Lösungswege aufgezeigt werden.

In dem vorliegenden Bericht wird untersucht, wie das Wahlrecht der EU-Bürger bei den Wahlen zum Europäischen Parlament 2009 konkret umgesetzt wurde. Untersucht werden zunächst der Informationsstand der Bürger in Bezug auf die Wahlen und die damit verbundenen Rechte, die diesbezüglichen Maßnahmen der Mitgliedstaaten und der EU-Organe sowie die tatsächliche Wahlbeteiligung. Anschließend befasst sich der Bericht mit der Umsetzung und Anwendung des einschlägigen EU-Rechts in den Mitgliedstaaten. Abschließend werden Vorschläge umrissen, wie die Wahlbeteiligung verbessert und die Ausübung des Wahlrechts garantiert werden kann.

Der Bericht fußt auf neueren Eurobarometer-Umfragen, den Ergebnissen einer öffentlichen Konsultation, die am 15. Juni 2010 zu Ende ging, einer Konferenz über die Zukunft der EU-Bürgerrechte, die am 1./2. Juli 2010 stattfand, auf Informationen von Wahlexperten in den Mitgliedstaaten sowie auf der von der Kommission vorgenommenen Bewertung der Umsetzung und Anwendung des Akts von 1976 und der Richtlinie 93/109/EG durch die Mitgliedstaaten.

2. EUROPAWAHLEN – INFORMATIONSSTAND UND WAHLBETEILIGUNG

2.1. Allgemeine Wahlbeteiligung und Maßnahmen zu ihrer Förderung

Die Wahlbeteiligung hat seit den ersten Direktwahlen zum Europa-Parlament 1979 stetig abgenommen. Bei einer Eurobarometer-Umfrage Anfang 2009 gaben nur 34 % der EU-Bürger an, dass sie ganz sicher an den Europawahlen teilnehmen werden.

Angesichts dieses Ergebnisses bestimmten das Europäische Parlament, der Europäische Rat und die Kommission die Wahlen zum wichtigsten interinstitutionellen Thema 2009 und beschlossen, im Geiste der politischen Vereinbarung „Partnerschaft für die Kommunikation über Europa“[10] die Bürger stärker für die Europawahlen zu sensibilisieren. Die Kommission war aktiv an der Sensibilisierungskampagne für die Europawahlen 2009 beteiligt[11]. Sie ergänzte die Informationskampagne des Europäischen Parlaments mit über tausend Aktivitäten und Veranstaltungen, die alle möglichen Kommunikationsplattformen mobilisierten. Frauen, junge Leute und Erstwähler wurden gezielt angesprochen, da diese Gruppen den während der Kampagne durchgeführten Meinungsumfragen zufolge den Wahlen am ehesten fernbleiben würden. Die Kommission griff dabei mit einer MTV-Kampagne und dem Blog ‚TH!NK ABOUT IT’ auch auf audiovisuelle und neue Medien zurück . Es wurden mehrere Broschüren aufgelegt wie „Europa für Frauen“, die zeigen, in welcher Weise die EU im Alltag der Bürger präsent ist, sowie eine Sonderausgabe mit dem Titel „Warum Sie sich an der Europawahl beteiligen sollten“. Die Kommission nutzte für ihre Aktivitäten vorhandene Veranstaltungsforen und Netzwerke wie das Frauennetzwerk der Europäischen Handelskammer. Diese Aktionen und die von den Vertretungen der Kommission organisierten Diskussionen und Veranstaltungen verbesserten die Wahrnehmung der EU in der Öffentlichkeit.

Obwohl die Kampagne der EU für die Wahlen zum Europaparlament 67 % der Wahlberechtigten erreichte, hat sie die Wahlbeteiligung selbst nicht wesentlich beeinflusst. Die Wahlbeteiligung betrug 43 % gegenüber 45 % im Jahr 2004, was den Abwärtstrend bestätigt. Allerdings war der Rückgang bei der Wahlbeteiligung 2009 relativ gering.

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Quelle: www.europarl.europa.eu.

Nach den Wahlen führte die Kommission eine neue Umfrage durch, um mögliche Variablen für eine höhere Wahlbeteiligung zu ermitteln[12]. Dabei stellte sich heraus, dass sich die Wahlbereitschaft der Bürger unter Umständen mit folgenden drei Maßnahmen steigern ließe: Mehr Information über den Einfluss der Europäischen Union auf den Alltag der EU-Bürger (84 %), mehr Information über die Programme und Ziele der Kandidaten und Parteien im Europäischen Parlament (83 %) und mehr Information über die Europawahlen selbst (80 %). Diese drei Vorschläge fanden in allen Mitgliedstaaten die Zustimmung der meisten Befragten. 61 % gaben an, dass sie sich eher an den Wahlen beteiligen würden, wenn sie überall in der Union am selben Tag stattfänden.

2.2. Europawahlen – Informationsstand und Wahlbeteiligung im Wohnsitzmitgliedstaat

Den Statistiken zufolge wächst die Zahl der EU-Bürger im Wahlalter, die in anderen Mitgliedstaaten als ihrem Herkunftsmitgliedstaat leben. So stieg in Spanien die Anzahl der EU-Ausländer im Wahlalter von 700 000 im Jahr 2004 auf annähernd 2 Millionen im Jahr 2009 und in Zypern von 45 000 auf 77 000 . Hieraus lässt sich schließen, dass die politischen Rechte der EU-Bürger mit der zunehmenden Inanspruchnahme des Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts an Bedeutung gewinnen.

Dass die Anzahl der Wahlberechtigten wächst, bestätigt sich auch, wenn man sich das Wählerverzeichnis der Wohnsitzmitgliedstaaten anschaut. 2009 waren fast überall mehr EU-Ausländer im Wählerverzeichnis ihres Wohnsitzmitgliedstaats eingetragen als bei früheren Europawahlen. In Frankreich stieg die Anzahl dieser Bürger von 145 000 im Jahr 2004 auf über 200 000 im Jahr 2009, in Spanien von 130 000 auf 284 000 und in der Tschechischen Republik von 99 auf 703 . Wie die von den Mitgliedstaaten gelieferten Daten erkennen lassen, stieg der Anteil der Bürger, die in einem anderen Mitgliedstaat leben und dort 2009 im Wählerverzeichnis eingetragen waren, EU-weit auf 11,6 %[13] gegenüber 5,9 % im Jahr 1994, als die Richtlinie zum ersten Mal angewendet wurde.

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Gleichzeitig ist in einigen Mitgliedstaaten festzustellen, dass dort zwar die Anzahl der EU-Ausländer im Wahlalter zugenommen hat, die Eintragungen im Wählerverzeichnis 2009 gegenüber 2004 aber nicht im selben Verhältnis gestiegen sind. So stieg die Anzahl der EU-Ausländer im Wahlalter, die in Dänemark wohnen, von 58 148 im Jahr 2004 auf 96 783 im Jahr 2009 (Anstieg um 66 %). Die Anzahl derjenigen aber, die sich in das Wählerverzeichnis haben eintragen lassen, stieg lediglich um 7 % von 15 572 auf 16 776. In Litauen nahm die Anzahl der dort ansässigen EU-Ausländer im Wahlalter von 2004 bis 2009 um fast 80 % zu, während sich die Zahl dieser Bürger, die sich in das Wählerverzeichnis haben eintragen lassen, nur um knapp 10 % erhöhte.

Es gibt mehrere Gründe, warum EU-Bürger mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat – von denen es immer mehr gibt – von ihrem Stimmrecht bei Europawahlen nicht mehr Gebrauch machen. Erstens nimmt die Wahlbeteiligung generell ab, d. h. auch bei EU-Bürgern, die in ihrem Herkunftsstaat wohnen. Dieser Trend hat eigene Gründe. Ein anderer Faktor ist das Wissen der Bürger um ihre politischen Rechte. Dies ist eine Voraussetzung, um am politischen Leben in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat teilnehmen zu können. Die 2010 durchgeführte Eurobarometer-Umfrage zeigt, dass dieses Wissen gegenüber den Vorjahren deutlich zugenommen hat[14], dass es aber immer noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt. 2007 wussten nur 54 % der Befragten, dass EU-Ausländer in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat an den Europawahlen teilnehmen dürfen, 2010 waren es bereits 69 %. Am höchsten war der Prozentsatz in Irland (79 %), Spanien (76 %) und Lettland (75 %).

Die Wahlbeteiligung im Wohnsitzmitgliedstaat wird möglicherweise auch dadurch beeinflusst, dass sich die EU-Bürger wegen des Verbots der doppelten Stimmabgabe entscheiden müssen, ob sie in ihrem Herkunftsmitgliedstaat oder in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat wählen, was gleichzeitig eine Wahl zwischen verschiedenen Kandidaten bedeutet. Der Eurobarometer-Umfrage zufolge gehen die Meinungen der Bürger über die Kandidaten und die Listen, für die sie bei den Europawahlen stimmen wollen, sehr auseinander. Etwa 44 % gaben an, dass sie, wenn sie nicht mehr in ihrem Herkunftsmitgliedstaat wohnen würden, für die Liste des Wohnsitzmitgliedstaats stimmen würden, während etwa gleich viele Bürger (46 %) erklärten, dass sie auch dann in ihrem Herkunftsmitgliedstaat wählen würden, wenn sie nicht mehr dort wohnten.

Die Ergebnisse dieser Umfrage scheinen durch die Statistiken über die Teilnahme an den Europawahlen 2009 – soweit verfügbar – bestätigt zu werden. In einigen Fällen zog es die Mehrzahl der Staatsangehörigen eines bestimmten Mitgliedstaats mit Wohnsitz im EU-Ausland vor, für die Listen ihres Herkunftsmitgliedstaats zu stimmen. So ließen sich 36 294 spanische Staatsangehörige in das Wählerverzeichnis anderer Mitgliedstaaten eintragen, während 68 008 Spanier mit Wohnsitz in anderen Mitgliedstaaten ihre Stimme in Spanien abgaben. In anderen Fällen hingegen zog es die Mehrzahl solcher EU-Bürger vor, sich in das Wählerverzeichnis ihres Wohnsitzmitgliedstaats eintragen zu lassen. 51 344 polnische Staatsangehörige entschieden sich beispielsweise für die Stimmabgabe in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat, und nur 10 093 wählten in Polen.

Nach dem EU-Recht steht den EU-Bürgern mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat nicht nur das aktive, sondern auch das passive Wahlrecht zu denselben Bedingungen wie für die Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats zu. Von diesem Recht scheinen nicht viele Bürger Gebrauch zu machen. Bei den Europawahlen 2009 stellten sich nur 81 EU-Ausländer in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat zur Wahl (gegenüber 62 im Jahr 1999 und 57 im Jahr 2004). In Kapitel 3.2 dieses Berichts wird auf einige Hindernisse eingegangen, die die Ausübung dieses Rechts erschweren.

2.3. Informationskampagnen für die Teilnahme an den Europawahlen im Wohnsitzmitgliedstaat

Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, die EU-Bürger aus anderen Mitgliedstaaten darüber zu informieren, wie sie ihr aktives und passives Wahlrecht bei den Europawahlen ausüben können.

Die Mitgliedstaaten kommen ihrer Informationspflicht auf unterschiedliche Art und Weise nach. In einigen Mitgliedstaaten richten sich die Informationen gezielt an EU-Bürger aus anderen Mitgliedstaaten mit ihrem besonderen Informationsbedarf, während in anderen lediglich allgemeine Informationen über die Europawahlen für die gesamte Wählerschaft verbreitet werden.

Die beste Vorgehensweise besteht darin, EU-Bürger aus anderen Mitgliedstaaten einzeln anzuschreiben und darüber zu informieren, wie sie ihr Wahlrecht ausüben können. Diese Praxis hat seit den letzten Wahlen Schule gemacht und ist nun in zehn Mitgliedstaaten zu beobachten[15].

Weite Verbreitung finden in den Mitgliedstaaten Werbung in der Presse, im Fernsehen und im Radio sowie Informationen auf den Websites der nationalen Behörden.

Die Kommission hält es für sehr wichtig, dass die EU-Bürger über ihre Rechte informiert werden und dass die Wahlbeteiligung gefördert wird. Die EU-Organe haben – so das Stockholmer Programm[16] – sorgfältig zu prüfen, wie die Bürger davon überzeugt werden können, an den Europawahlen 2014 teilzunehmen. Vor diesem Hintergrund ist das spezifische Programm „Grundrechte und Unionsbürgerschaft“ der Kommission zu sehen, das NRO und anderen Organisationen die Möglichkeit gibt, Finanzmittel für einschlägige Sensibilisierungsprojekte zu erhalten. Die Kommission plant, diese Finanzierungsmöglichkeiten auszuweiten und Maßnahmen einzubeziehen, die die Wahlbeteiligung von Frauen als Wählerinnen und Bewerberinnen fördern sollen. Auch die Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2010-2015 sieht Maßnahmen zur Förderung der Kandidatur von Frauen für das Europäische Parlament vor, um eine ausgewogenere Vertretung von Frauen und Männern im Parlament zu erreichen.

3. UMSETZUNG UND ANWENDUNG DER EU-VORSCHRIFTEN ÜBER DIE EUROPAWAHLEN 2009 IN DEN MITGLIEDSTAATEN

3.1. Bestandsaufnahme der Rechte der EU-Bürger – Umsetzung der Richtlinie 93/109/EG

Um ihr aktives oder passives Wahlrecht bei den Europawahlen im Wohnsitzmitgliedstaat ausüben zu können, müssen EU-Bürger gemäß der Richtlinie 93/109/EG ihre Eintragung in das Wählerverzeichnis dieses Mitgliedstaats beantragen. Da eine doppelte Stimmabgabe oder Kandidatur im Herkunfts- und Wohnsitzmitgliedstaat nicht zulässig ist, müssen EU-Ausländer eine Erklärung abgeben, dass sie ihr aktives oder passives Wahlrecht nur im Wohnsitzmitgliedstaat ausüben werden. Um einer doppelten Stimmabgabe oder Kandidatur vorzubeugen, tauschen die Mitgliedstaaten Daten aus, um festzustellen, ob es Kandidaten oder Wähler gibt, die sowohl im Wohnsitzmitgliedstaat als auch im Herkunftsmitgliedstaat registriert sind. Kandidaten müssen darüber hinaus eine Bescheinigung der Behörden ihres Herkunftsmitgliedstaats vorlegen, aus der hervorgeht, dass ihnen das passive Wahlrecht zusteht. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen EU-Bürger aus anderen Mitgliedstaaten eingehend über die Bestimmungen für die Ausübung ihres aktiven und passiven Wahlrechts zu informieren und ihnen mitzuteilen, wie über ihren Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis oder ihre Kandidatur entschieden wurde.

Die Vereinbarkeit der einzelstaatlichen Vorschriften mit der Richtlinie in den Staaten, die am 1. Mai 2004 Mitglied der EU waren, ist von der Kommission bereits geprüft worden. Die notwendigen Maßnahmen wurden bereits ab Inkrafttreten der Richtlinie 1994 veranlasst. In den früheren Berichten über die Anwendung der Richtlinie von 1998[17] und 2000[18] wurden der Sachstand und die Vertragsverletzungsverfahren zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Umsetzung und Anwendung der Richtlinie erörtert. Diese Verfahren haben eine korrekte Umsetzung und Anwendung der Richtlinie in den betroffenen Mitgliedstaaten bewirkt[19].

Bei der letzten Überprüfung der Umsetzung der Richtlinie in den Staaten, die der EU nach dem 1. Mai 2004 beigetreten sind, hat sich gezeigt, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts im Wohnsitzmitgliedstaat insgesamt erfüllt sind. Bei den Europawahlen 2009 stieß die Teilnahme von EU-Ausländern an den Wahlen in zehn Mitgliedstaaten nicht auf unmittelbare Hindernisse. In Slowenien und Malta schienen die den EU-Bürgern auferlegten Bedingungen die Ausübung des Wahlrechts jedoch erheblich zu erschweren. In Slowenien wurde EU-Bürgern aus anderen Mitgliedstaaten das aktive und passive Wahlrecht erst nach einem Aufenthalt von mindestens fünf Jahren zuerkannt.

Malta verlangt für die Eintragung ins Wählerverzeichnis von EU-Bürgern aus anderen Mitgliedstaaten nach wie vor die Vorlage eines maltesischen Personalausweises[20]. Die Wahlbehörde kann überdies, „wann immer sie dies für nötig erachtet“, EU-Bürger auffordern, ihre Erklärung zu erneuern, die sie bei der Eintragung in das Wählerverzeichnis abgegeben haben. Infolgedessen könnten EU-Bürger aus anderen Mitgliedstaaten in Malta von der Teilnahme an den Wahlen ausgeschlossen werden, auch wenn sie bereits im Wählerverzeichnis eingetragen sind.

In einigen Mitgliedstaaten[21] werden an EU-Bürger, die sich in das Wählerverzeichnis eintragen lassen wollen oder die sich zur Wahl stellen wollen, zusätzliche Anforderungen gestellt wie z. B. die Vorlage eines Wohnsitznachweises oder die Pflicht, sich für jede Europawahl neu registrieren zu lassen. Auch solche Auflagen sind mit der Richtlinie nicht vereinbar.

Einige Mitgliedstaaten haben die Verpflichtung, EU-Bürger eingehend über die Bestimmungen für die Ausübung ihres aktiven und passiven Wahlrechts zu informieren, anscheinend nicht korrekt in innerstaatliches Recht umgesetzt[22]. Eine unzureichende Information der Bürger ist einer der Gründe für die niedrige Wahlbeteiligung.

3.2. Hindernisse für EU-Bürger, die in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat eine politische Partei gründen oder Mitglied einer politischen Partei werden wollen

Ein weiteres Hindernis, dass dem Recht der EU-Bürger auf Teilnahme an den Europawahlen entgegensteht, ist in den Beschränkungen zu sehen, die für die Mitgliedschaft in einer politischen Partei und die Gründung einer Partei gelten.

Die Ausübung des passiven Wahlrechts ist eng mit der Mitgliedschaft in einer politischen Partei verknüpft. Die Bewerber kandidieren in der Regel über Listen, die von den politischen Parteien aufgestellt werden und die mit Parteimitgliedern besetzt sind. Mitgliedstaatliche Vorschriften, die die Mitgliedschaft in einer politischen Partei ihren eigenen Staatsangehörigen vorbehalten, hindern EU-Bürger aus anderen Mitgliedstaaten daran, als Mitglied einer politischen Partei für die Europawahl zu kandidieren. EU-Ausländer können daher nur als unabhängige Bewerber an den Wahlen teilnehmen oder sich im Einklang mit dem jeweils geltenden Recht von anderen Organisationen als politischen Parteien aufstellen lassen. Für Inländer und EU-Ausländer gelten in diesem Fall nicht dieselben Bedingungen für die Ausübung des passiven Wahlrechts.

Wenn EU-Ausländer zudem nicht das Recht haben, politische Parteien zu gründen, sondern sich nur einer bestehenden Partei anschließen können, wird ihnen die Gelegenheit verwehrt, Standpunkte zu vertreten, die von den vorhandenen Parteien nicht abgedeckt werden.

Eine Gegenüberstellung der einzelstaatlichen Regelungen lässt erkennen, dass EU-Bürger aus anderen Mitgliedstaaten in Litauen, Polen und der Tschechischen Republik nicht das Recht haben, eine politische Partei zu gründen oder sich einer bestehenden Partei anzuschließen. Trotz dieser Beschränkung sind EU-Bürger aus anderen Mitgliedstaaten nicht völlig von einer Kandidatur ausgeschlossen. In Litauen und der Tschechischen Republik können die politischen Parteien auch unabhängige Kandidaten in ihre Listen aufnehmen. In Polen können nicht nur die Parteien, sondern auch Wählergruppen Kandidaten aufstellen. Nichtsdestotrotz gelten nach diesen Bestimmungen für EU-Bürger aus anderen Mitgliedstaaten nicht dieselben Bedingungen für die Ausübung des passiven Wahlrechts wie für Inländer.

In Bulgarien, Griechenland, Lettland, der Slowakei und Spanien dürfen EU-Ausländer zwar Mitglied einer politischen Partei werden, aber sie dürfen keine neue politische Partei gründen. In Deutschland und Finnland ist für die Gründung einer politischen Partei eine bestimmte Anzahl an inländischen Staatsbürgern erforderlich, so dass EU-Bürger aus anderen Mitgliedstaaten eine neue politische Partei nur zusammen mit Inländern gründen können.

3.3. Bekanntgabe der Wahlergebnisse – Umsetzung und Anwendung des Akts von 1976

Der Akt von 1976 über die Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments wurde zuletzt durch den Beschluss 2002/772/EG, Euratom geändert, mit dem die derzeit geltenden gemeinsamen Grundsätze für die Organisation der Wahlen eingeführt wurden. Seit der Änderung des Akts im Jahr 2002 ist kein Bericht über die Umsetzung dieses Akts vorgelegt worden.

Nachprüfungen der Kommission ergaben, dass der Akt in nahezu allen Mitgliedstaaten fast vollständig umgesetzt ist. Nur bei Artikel 10 Absatz 2, der eine vorzeitige Bekanntgabe der Wahlergebnisse, d. h. vor Schließung der Wahllokale in allen Mitgliedstaaten, untersagt, sind Umsetzungsmängel festzustellen. Zwölf Mitgliedstaaten[23] haben diese Bestimmung anscheinend nicht korrekt umgesetzt. Abgesehen von den Niederlanden hat keiner dieser Mitgliedstaaten das ihn betreffende Wahlergebnis vorzeitig bekannt gegeben. Allerdings gibt es keine rechtliche Garantie, dass dies auch bei künftigen Wahlen weiterhin so gehandhabt wird.

Artikel 10 Absatz 2 soll sicherstellen, dass die frühzeitige Bekanntgabe des Wahlergebnisses in einem Mitgliedstaat nicht den Ausgang der Wahlen in anderen Mitgliedstaaten, in denen die Wahlen noch nicht abgeschlossen sind, beeinflusst. Freie Wahlen sind ein Grundprinzip der Demokratie, das bei den Wahlen zum Europäischen Parlament gemäß Artikel 1 Absatz 3 des Aktes von 1976 geachtet werden muss.

3.4. Die Entwicklung der EU-Rechtsprechung

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in zwei Urteilen, die mit den Europawahlen im Zusammenhang standen, und zwar im Fall Gibraltar (C-145/04, Spanien/Vereinigtes Königreich ) und in der Sache Aruba (C-300/04, Eman und Sevinger ), darauf hingewiesen, dass es den Mitgliedstaaten zwar freisteht, die Aspekte der Wahlen zum Europäischen Parlament zu regeln, die auf EU-Ebene nicht harmonisiert sind, dass sie jedoch die allgemeinen Grundsätze des EU-Rechts beachten müssen, die der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegen. In seinem Urteil in der Gibraltar-Sache führte der Gerichtshof aus, dass das EU-Recht einen Mitgliedstaat nicht daran hindert, das aktive und passive Wahlrecht über die eigenen Staatsbürger und die in seinem Hoheitsgebiet ansässigen EU-Bürger hinaus bestimmten Personen zu zuerkennen, die eine enge Verbindung mit ihm aufweisen. Ähnlich argumentierte der Gerichtshof in der Sache Aruba, wonach das EU-Recht einen Mitgliedstaat nicht daran hindert, eigenen Staatsangehörigen, die ihren Wohnsitz nicht in seinem Hoheitsgebiet haben, das aktive Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament vorzuenthalten. Allerdings sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, das EU-Recht und seine allgemeinen Grundsätze zu beachten. Dies schließt insbesondere den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Diskriminierungsverbot ein.

4. BEMÜHUNGEN, DAS RECHT DER EU-BÜRGER AUF TEILNAHME AM DEMOKRATISCHEN LEBEN DER EU ZU GARANTIEREN

4.1. Umsetzung der Richtlinie 93/109/EG und des Akts von 1976

Die Kommission bemüht sich verstärkt um eine korrekte Umsetzung und Anwendung der Richtlinie 93/109/EG. Sie hat nach der Überprüfung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften die erforderlichen Maßnahmen getroffen, um die Hindernisse für die Ausübung des Wahlrechts zu beseitigen und sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten ihrer Informationspflicht gegenüber den Bürgern in vollem Umfang nachkommen. Sie hat sich des Weiteren vorrangig der Hindernisse angenommen, die Bürger von der uneingeschränkten Ausübung ihres passiven Wahlrechts bei den Europawahlen in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat abhalten, und die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass sich diese Bürger in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat einer politischen Partei ihrer Wahl anschließen können. Bezüglich der Umsetzung des Akts von 1976 trifft die Kommission die erforderlichen Maßnahmen, um die korrekte Anwendung des Artikels 10 Absatz 2 sicherzustellen.

4.2. Verhinderung der doppelten Stimmabgabe – Bemühungen um Verbesserung der geltenden Bestimmungen

Da das derzeitige Verfahren zur Verhinderung einer doppelten Stimmabgabe und Kandidatur[24] für unzureichend erachtet wurde, nahm die Kommission 2006 einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinie an. Der Vorschlag sollte das Verfahren vereinfachen und effizienter machen: Vorgesehen war unter anderem eine Ersetzung der bisherigen Ex-ante-Kontrolle durch eine Ex-post-Kontrolle der abgegebenen Stimmen mit härteren Sanktionen. Die Beratungen im Rat wurden 2008 ausgesetzt.

Deshalb wurde bei den Wahlen 2009 wieder auf das alte Verfahren zurückgegriffen. Trotz der ganzen Vorarbeiten ist keine nennenswerte Verbesserung festzustellen. Die Probleme waren dieselben wie bei den früheren Wahlen. Die Informationen, die dem Herkunftsmitgliedstaat vom Wohnsitzmitgliedstaat übermittelt werden, sind wegen nicht abgestimmter Wahltermine und wegen der unterschiedlichen Daten, die zur Identifizierung der Wähler verwendet werden, sehr häufig nicht verwertbar. Der Zweck des Verfahrens, d. h. die Streichung der im Wohnsitzmitgliedstaat eingetragenen Wähler aus dem Wählerverzeichnis im Herkunftsmitgliedstaat, lässt sich deshalb auf diese Weise nicht in vollem Umfang erreichen.

Ein Großteil der EU-Bürger mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat konnte wegen dieser Schwierigkeiten nicht mithilfe des Informationsaustauschs ermittelt werden. Die tschechischen Behörden konnten beispielsweise von den 3 800 tschechischen Staatsbürgern, die von anderen Mitgliedstaaten gemeldet wurden, nur 2 500 identifizieren, weil die verfügbaren Daten nicht ausreichten. In Irland konnten von 4 795 gemeldeten irischen Staatsangehörigen nur 208 ermittelt werden, in Portugal waren es 38 619 von 83 556.

Bei der Eintragung von EU-Ausländern in das Wählerverzeichnis brauchen nach der Richtlinie nur wenige Daten erfasst zu werden[25]. Die Angabe des Geburtsdatums, das in den meisten Mitgliedstaaten zur Feststellung der Identität ihrer im Wählerverzeichnis eingetragenen Staatsangehörigen erforderlich ist, ist in der Richtlinie nicht vorgesehen. Die derzeit in der Richtlinie vorgesehenen Daten, die von den Mitgliedstaaten erfasst werden müssen, sind somit für den Zweck des Verfahrens nicht ausreichend.

In Bezug auf die Fristen ist in der Richtlinie lediglich vorgesehen, dass die Daten „rechtzeitig vor jeder Wahl“ übermittelt werden. Wie sich gezeigt hat, treffen die Informationen jedoch vielfach so spät ein, dass der andere Mitgliedstaat sie nicht mehr verarbeiten kann[26]. So konnten die griechischen Behörden die Daten, die sie von anderen Mitgliedstaaten, in denen griechische Staatsbürger ansässig sind, erhielten, nicht verarbeiten, weil alle Daten erst nach dem 3. März 2009 eintrafen, als die Wählerverzeichnisse schon geschlossen waren. In Griechenland ist eine Änderung der Wählerverzeichnisse nach diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Das Fehlen eines einheitlichen Zeitrahmens für die Eintragung in das Wählerverzeichnis und die Übermittlung der Daten kann als Hindernis für das reibungslose Funktionieren des Verfahrens angesehen werden.

Als weitere Hindernisse nannten die Mitgliedstaaten die Vielzahl dezentraler Stellen, die statt einer gemeinsamen Zentrale die Daten übermitteln, Zugriffsprobleme bei Daten, die elektronisch übermittelt und mit unterschiedlicher Sicherheitssoftware geschützt sind, sowie die Bearbeitung einer großen Anzahl von Meldungen, die auf Papier eingehen.

Angesichts der Schwierigkeiten mit dem Informationsaustausch, die sich auch bei den Europawahlen 2009 stellten, prüft die Kommission jetzt, wie das Verfahren verbessert werden kann. Erwogen wird auch die Rücknahme und Überarbeitung des Vorschlags von 2006. Zwei Anforderungen müssen erfüllt werden: Fälle von doppelter Stimmabgabe müssen zuverlässiger festgestellt werden, um die Legitimität der Wahlen zu gewährleisten. Gleichzeitig ist dafür zu sorgen, dass den Behörden dadurch kein im Vergleich zur Schwere des Problems und zum Ausmaß der doppelten Stimmabgabe unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand entsteht. Ein effizienteres Verfahren erfordert allem Anschein nach eine weitere Rechtsangleichung etwa bei den Wahlterminen und den zu erfassenden Daten. Bei allen weiteren Maßnahmen ist der Zeitplan für die Reform des Europäischen Parlaments zu berücksichtigen, die sich unter Umständen auf die Bestimmungen der Richtlinie 93/109/EG auswirkt.

4.3. Änderung des Akts von 1976 (auf Initiative des EP) – Beitrag der Kommission zu dieser Initiative

Das Europäische Parlament sucht seit 2007 aktiv nach Wegen, wie mehr EU-Bürger an die Wahlurnen gebracht werden können[27]. In den Beratungen ging es um die Einführung neuer gemeinsamer Grundsätze für das Wahlverfahren mit dem Ziel, die Bürger enger in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen und die europäische Dimension dieser Wahlen zu unterstreichen. Erreicht werden soll dies im Wege einer Neugestaltung der Europawahlen unter anderem durch Einführung einer EU-Liste für das gesamte Unionsgebiet, das als ein Wahlkreis gelten würde, der eine bestimmte Zahl von Mitgliedern des EP zusätzlich zu den im Vertrag derzeit festgelegten 751 Mitgliedern stellen würde. Länderübergreifende Listen sollen die Rolle der politischen Parteien auf europäischer Ebene stärken und Wahlkampfthemen fördern, in deren Mittelpunkt europabezogene Fragen und Diskussionen stehen, die über das nationale Interesse hinausgehen. Regionale Wahlkreise in Mitgliedstaaten mit über 20 Mio. Einwohnern würden dazu beitragen, die Arbeit der EP-Mitglieder besser zu vermitteln. Einige europäische politische Parteien, die auf europäischer Ebene über ein eigenes Programm verfügen, regten an, auf ihren Listen für die Europawahlen einen Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission aufzustellen. Das Europäische Parlament ist befugt, Änderungen an dem in allen Mitgliedstaaten geltenden Wahlverfahren vorzuschlagen[28]. Die Kommission ist zwar formal nicht daran beteiligt, beabsichtigt aber, durch Vorlage einer 2010 fertig gestellten Studie einen Beitrag dazu zu leisten. In der Studie werden bestimmte Verfahrensmodalitäten als mögliche gemeinsame Grundsätze vorgeschlagen. Hierzu zählt die Möglichkeit für im Ausland lebende Bürger, für die Liste ihres Herkunftsmitgliedstaats zu stimmen; die Verbesserung der Aussichten kleinerer Parteien, ins Parlament zu kommen, durch Beseitigung der derzeit noch bestehenden Möglichkeit, Schwellenwerte für den Stimmenanteil festzulegen; Beseitigung der in einigen Mitgliedstaaten bestehenden Bedingung, einen bestimmten Geldbetrag zu hinterlegen, bevor eine politische Partei oder ein unabhängiger Kandidat an den Wahlen teilnehmen darf; frühzeitige Registrierung der Wähler, um deren Überprüfung durch die Mitgliedstaaten zu erleichtern.

5. ZUSAMMENFASSUNG

Immer mehr EU-Bürger machen von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch und wollen unter Umständen ihr Wahlrecht in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat ausüben. Jedoch lassen sich nicht alle Bürger im Wahlalter, die im EU-Ausland wohnen, in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat in das Wählerverzeichnis eintragen. Dies deutet darauf hin, dass die Bürger über ihr Wahlrecht nicht ausreichend informiert sind und dass sie vielleicht durch eine bessere Information zur Teilnahme am demokratischen Leben der Union ermutigt würden.

Bei gut informierten EU-Bürgern ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass sie sich politisch engagieren. Nach den letzten Europawahlen legte die Kommission bewährte Praktiken vor, die bei den Wahlen 2014 befolgt werden sollen. Die Kommission wird vorschlagen, das Jahr 2013 zum Europäischen Jahr der Bürger zu erklären, um auch auf diesem Weg für die Wahlen zum Europäischen Parlament zu werben. Hiervon erhofft man sich 2014 eine bessere Mobilisierung der Wählerschaft.

Die Kommission wird die Arbeit von NRO und anderen Organisationen, die die Bürger über ihre Rechte als Wähler aufklären und zur Teilnahme an den Wahlen ermutigen, weiter finanziell unterstützen .

Für die Ausübung dieser Rechte kommt es nicht nur auf eine gute Information der Bürger, sondern auch auf eine korrekte Umsetzung der EU-Vorgaben in den Mitgliedstaaten an. Die Kommission achtet genau darauf, wie die Mitgliedstaaten die einschlägigen EU-Vorschriften umsetzen und anwenden, und wird erforderlichenfalls eingreifen, um Mängeln abzuhelfen.

Die Kommission hatte schon bei früheren Wahlen festgestellt, dass es Schwierigkeiten mit dem gegenwärtigen Informationsaustausch gibt, der verhindern soll, dass ein Wähler bei einer Europawahl seine Stimme in zwei Mitgliedstaaten gleichzeitig abgibt. 2006 hatte sie deshalb einen Vorschlag zur Änderung der Verfahrensweise vorgelegt. Dieselben Probleme traten auch bei den Europawahlen 2009 auf. Die Kommission prüft zurzeit, ob der Vorschlag von 2006 ersetzt und eine weitergehende Änderung der Richtlinie 93/109/EG vorgeschlagen werden muss. Ein effizienteres Verfahren wäre wohl nur über eine weitere Rechtsangleichung zu erreichen. Eine neue Regelung sollte allerdings in einem angemessenen Verhältnis zu der Problematik der doppelten Stimmabgabe stehen.

Die Kommission verfolgt darüber hinaus die gegenwärtigen Überlegungen im Europäischen Parlament, wie bei den Bürgern ein größeres Interesse an den Europawahlen geweckt werden kann, und trägt im Rahmen ihrer Befugnisse zu diesen Überlegungen bei. Sie wird Bemühungen unterstützen, die darauf abzielen, die europäische Dimension der Wahlen stärker zur Geltung zu bringen und die Verfahren zu reformieren, nach denen die Mitglieder des Europäischen Parlaments gewählt werden, um die Bürger besser mit den politischen Parteien und Entscheidungsprozessen vertraut zu machen und die demokratische Basis der Parlamentsarbeit zu stärken.

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[1] Akt im Anhang zum Beschluss 76/787/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 20. September 1976 (ABl. L 278 vom 8.10.1976).

[2] ABl. L 283 vom 21.10.2002.

[3] EU-Bürger haben nach Artikel 22 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Wohnsitz haben, aber dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunal- und Europawahlen zu denselben Bedingungen wie die Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaats.

[4] Richtlinie 93/109/EG vom 6. Dezember 1993 (ABl. L 329 vom 30.12.1993, S. 34).

[5] Diese Mitgliedstaaten können von EU-Bürgern aus anderen Mitgliedstaaten eine Mindestwohnsitzdauer in ihrem Hoheitsgebiet verlangen, bevor sie ihnen das aktive oder passive Wahlrecht gewähren.

[6] Vgl. Bericht KOM(2007) 846.

[7] Vgl. Dok. 11192/10 des Rates der Europäischen Union.

[8] Artikel 14 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union.

[9] Artikel 189 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft.

[10] Die politische Vereinbarung „Partnerschaft für die Kommunikation über Europa“ wurde am 22. Oktober 2008 unterzeichnet.

[11] Bericht – Europawahlen 2009 Sensibilisierungsmaßnahmen der Europäischen Kommission:

http://www.cc.cec/home/dgserv/comm/european_elections/report_european_elections_2009.html.

[12] Flash Eurobarometer Nr. 292.

[13] Diesen Zahlen liegen die von der Mehrzahl der Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellten Daten zugrunde. Keine ausreichenden Informationen liegen der Kommission allerdings über die Anzahl der EU-Bürger vor, die in Bulgarien, Frankreich, Italien, Malta, den Niederlanden, Polen, Slowenien, der Slowakei und im Vereinigten Königreich leben.

[14] Eine ähnliche Umfrage wurde 2007 durchgeführt — Flash Eurobarometer 213.

[15] Österreich, Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Ungarn, Italien, Litauen, Lettland und Luxemburg.

[16] Dokument Nr. 17024/09 des Rates der Europäischen Union, 2. Dezember 2009.

[17] KOM(97) 731.

[18] KOM(2000) 843.

[19] Vertragsverletzungsverfahren richteten sich gegen Österreich, Belgien, Deutschland, Spanien, Italien, Luxemburg, die Niederlande und Schweden.

[20] Durch die Richtlinie 2004/38/EG wurden Aufenthaltstitel für EU-Bürger abgeschafft und durch Anmeldebescheinigungen ersetzt.

[21] Bulgarien, Estland, Lettland, Malta, Rumänien, Slowenien, Tschechische Republik und Zypern.

[22] Diese Verpflichtung haben von den EU-12 nur Estland, Litauen, die Tschechische Republik und Zypern korrekt umgesetzt.

[23] Bulgarien, Dänemark, Finnland, Griechenland, Italien, Niederlande, Polen, Rumänien, Schweden, Tschechische Republik, Vereinigtes Königreich und Zypern.

[24] Die Mitgliedstaaten tauschen untereinander Daten über die im Wohnsitzmitgliedstaat im Wählerverzeichnis eingetragenen EU-Bürger aus. Anhand der vom Wohnsitzmitgliedstaat übermittelten Daten muss der Herkunftsmitgliedstaat die betreffenden Bürger aus seinem Wählerverzeichnis streichen (oder die Stimmabgabe auf andere Weise unterbinden).

[25] Nach Artikel 9 handelt es sich dabei um folgende Daten: Name, Staatsangehörigkeit, Anschrift im Wohnsitzmitgliedstaat sowie letzte Anschrift im Herkunftsmitgliedstaat.

[26] Auf dieses Problem wiesen Dänemark, Estland, Frankreich, Griechenland, Irland, Litauen und die Tschechische Republik hin.

[27] Berichtsentwurf zu einem Vorschlag zur Änderung des Akts von 1976 (2007/2207(INI).

[28] Artikel 223 Absatz 1 AEUV.

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