URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

4. Oktober 2024 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – Verordnung (EG) Nr. 44/2001 – Art. 34 und 45 – Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen – Aufhebung einer Vollstreckbarerklärung von Entscheidungen – Versagensgründe – Öffentliche Ordnung (ordre public) des Vollstreckungsmitgliedstaats – Verurteilung einer Zeitung und eines ihrer Journalisten wegen Schädigung des Rufs eines Sportvereins – Schadensersatz – Art. 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Pressefreiheit“

In der Rechtssache C‑633/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) mit Entscheidung vom 28. September 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Oktober 2022, in dem Verfahren

Real Madrid Club de Fútbol,

AE

gegen

EE,

Société Éditrice du Monde SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, der Richterinnen A. Prechal und K. Jürimäe, der Richter C. Lycourgos, T. von Danwitz (Berichterstatter), F. Biltgen und N. Piçarra (Kammerpräsidenten), der Richter S. Rodin und P. G. Xuereb, der Richterin L. S. Rossi, des Richters N. Wahl, der Richterin I. Ziemele sowie der Richter J. Passer und D. Gratsias,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Oktober 2023,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

von Real Madrid Club de Fútbol und AE, vertreten durch C. Angulo Delgado und J. M. Villar Uríbarri, Abogados,

von EE und der Société Éditrice du Monde SA, vertreten durch P. Spinosi, Avocat,

der französischen Regierung, vertreten durch B. Fodda und E. Timmermans als Bevollmächtigte,

der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, M. Hellmann und J. Simon als Bevollmächtigte,

der spanischen Regierung, vertreten durch A. Gavela Llopis und A. Pérez-Zurita Gutiérrez als Bevollmächtigte,

der maltesischen Regierung, vertreten durch A. Grech, Advocate, und D. Sarmiento Ramírez-Escudero, Abogado,

der Europäischen Kommission, vertreten durch S. Noë, P. J. O. Van Nuffel und W. Wils als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Februar 2024

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 34 und 36 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) im Licht von Art. 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem sich der Real Madrid Club de Fútbol (im Folgenden: Real Madrid) und AE auf der einen und EE und die Société Éditrice du Monde SA auf der anderen Seite gegenüberstehen. Dieser Rechtsstreit betrifft die Vollstreckung eines in Spanien ergangenen Urteils in Frankreich, mit dem EE und die Société Éditrice du Monde SA verurteilt wurden, an Real Madrid und AE Schadensersatz für den immateriellen Schaden infolge der Veröffentlichung eines sie betreffenden Artikels in der Zeitung Le Monde zu leisten.

Rechtsrahmen

Unionsrecht

Verordnung Nr. 44/2001

3

Die Erwägungsgründe 16 bis 18 der Verordnung Nr. 44/2001 lauteten:

„(16)

Das gegenseitige Vertrauen in die Justiz im Rahmen der Gemeinschaft rechtfertigt, dass die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen, außer im Falle der Anfechtung, von Rechts wegen, ohne ein besonderes Verfahren, anerkannt werden.

(17)

Aufgrund dieses gegenseitigen Vertrauens ist es auch gerechtfertigt, dass das Verfahren, mit dem eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidung für vollstreckbar erklärt wird, rasch und effizient [vonstattengeht]. Die Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung muss daher fast automatisch nach einer einfachen formalen Prüfung der vorgelegten Schriftstücke erfolgen, ohne dass das Gericht die Möglichkeit hat, von Amts wegen eines der in dieser Verordnung vorgesehenen Vollstreckungshindernisse aufzugreifen.

(18)

Zur Wahrung seiner Verteidigungsrechte muss der Schuldner jedoch gegen die Vollstreckbarerklärung einen Rechtsbehelf im Wege eines Verfahrens mit beiderseitigem rechtlichen Gehör einlegen können, wenn er der Ansicht ist, dass einer der Gründe für die Versagung der Vollstreckung vorliegt. Die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs muss auch für den Antragsteller gegeben sein, falls sein Antrag auf Vollstreckbarerklärung abgelehnt worden ist.“

4

Kapitel III der Verordnung Nr. 44/2001 mit den Art. 32 bis 56 dieser Verordnung legte die Regeln für die Anerkennung und Vollstreckung von in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in den Mitgliedstaaten fest.

5

Art. 33 Abs. 1 dieser Verordnung sah vor:

„Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen werden in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf.“

6

Art. 34 Nr. 1 dieser Verordnung bestimmte:

„Eine Entscheidung wird nicht anerkannt, wenn

(1)

die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Mitgliedstaats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen würde“.

7

Art. 36 der Verordnung Nr. 44/2001 hatte folgenden Wortlaut:

„Die ausländische Entscheidung darf keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden.“

8

Die Art. 38 bis 52 der Verordnung Nr. 44/2001 in Kapitel III Abschnitt 2 dieser Verordnung regelten das Verfahren der Vollstreckbarerklärung.

9

Art. 38 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 lautete wie folgt:

„Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen, die in diesem Staat vollstreckbar sind, werden in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden sind.“

10

Art. 43 Abs. 1 dieser Verordnung sah vor:

„Gegen die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung kann jede Partei einen Rechtsbehelf einlegen.“

11

Art. 44 dieser Verordnung bestimmte:

„Gegen die Entscheidung, die über den Rechtsbehelf ergangen ist, kann nur ein Rechtsbehelf nach Anhang IV eingelegt werden.“

12

Art. 45 dieser Verordnung sah vor:

„(1)   Die Vollstreckbarerklärung darf von dem mit einem Rechtsbehelf nach Artikel 43 oder Artikel 44 befassten Gericht nur aus einem der in den Artikeln 34 und 35 aufgeführten Gründe versagt oder aufgehoben werden. Das Gericht erlässt seine Entscheidung unverzüglich.

(2)   Die ausländische Entscheidung darf keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden.“

13

Anhang IV der Verordnung Nr. 44/2001 lautete:

„Nach Art. 44 können folgende Rechtsbehelfe eingelegt werden:

in Belgien, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden: die Kassationsbeschwerde,

…“

Verordnung (EU) Nr. 1215/2012

14

Die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1) hat die Verordnung Nr. 44/2001 aufgehoben und ersetzt.

15

Art. 66 der Verordnung Nr. 1215/2012 bestimmt:

„(1)   Diese Verordnung ist nur auf Verfahren, öffentliche Urkunden oder gerichtliche Vergleiche anzuwenden, die am 10. Januar 2015 oder danach eingeleitet, förmlich errichtet oder eingetragen bzw. gebilligt oder geschlossen worden sind.

(2)   Ungeachtet des Artikels 80 gilt die Verordnung … Nr. 44/2001 weiterhin für Entscheidungen, die in vor dem 10. Januar 2015 eingeleiteten gerichtlichen Verfahren ergangen sind, für vor diesem Zeitpunkt förmlich errichtete oder eingetragene öffentliche Urkunden sowie für vor diesem Zeitpunkt gebilligte oder geschlossene gerichtliche Vergleiche, sofern sie in den Anwendungsbereich der genannten Verordnung fallen.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

16

Am 7. Dezember 2006 veröffentlichte die Zeitung Le Monde einen Artikel, den EE, ein bei dieser Zeitung angestellter Journalist, verfasst hatte und in dem behauptet wurde, dass Real Madrid und der Fútbol Club Barcelona die Dienste einer Person in Anspruch genommen hätten, die der Drahtzieher eines Dopingnetzwerks im Bereich des Radsports gewesen sei. Diese Veröffentlichung wurde von zahlreichen, insbesondere von spanischen, Medien aufgegriffen. Am 23. Dezember 2006 veröffentlichte die Zeitung Le Monde kommentarlos die ihr von Real Madrid übersandte schriftliche Gegendarstellung.

17

Am 25. Mai 2007 reichten Real Madrid und AE, ein Mitglied des medizinischen Teams von Real Madrid, beim Juzgado de Primera Instancia de Madrid (Gericht erster Instanz Madrid, Spanien) eine auf die Verletzung ihrer Ehre gestützte Haftungsklage gegen die Société éditrice du Monde und EE ein. Mit Urteil vom 27. Februar 2009 verurteilte dieses Gericht die Beklagten zum einen zu einer Zahlung von 300000 Euro an Real Madrid und von 30000 Euro an AE als Entschädigung für den erlittenen immateriellen Schaden, zum anderen ordnete es die Veröffentlichung dieses Urteils in der Zeitung Le Monde und in einer spanischen Zeitung an. Dieses Urteil wurde im Wesentlichen durch ein Urteil der Audiencia Provincial de Madrid (Provinzgericht Madrid, Spanien) bestätigt. Das gegen dieses Urteil eingelegte Rechtsmittel wurde durch ein Urteil des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) vom 24. Februar 2014 zurückgewiesen.

18

Mit Beschluss vom 11. Juli 2014 ordnete der Juzgado de Primera Instancia de Madrid (Gericht erster Instanz Madrid) die Vollstreckung dieses Urteils des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) sowie die Zahlung von 300000 Euro als Hauptforderung und 90000 Euro an Zinsen und Kosten durch die Société éditrice du Monde und EE an Real Madrid an. Mit Beschluss vom 9. Oktober 2014 ordnete dieses erstinstanzliche Gericht außerdem die Vollstreckung dieses Urteils sowie die Zahlung von 30000 Euro als Hauptforderung und 3000 Euro an Zinsen und Kosten an AE an.

19

Am 15. Februar 2018 erließ das Tribunal de grande instance de Paris (Regionalgericht Paris, Frankreich) zwei Vollstreckbarerklärungen für das Urteil des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) vom 24. Februar 2014 sowie für die genannten Beschlüsse.

20

Mit Urteilen vom 15. September 2020 hob die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich) diese Vollstreckbarerklärungen mit der Begründung auf, dass dieses Urteil und die genannten Beschlüsse in Frankreich nicht vollstreckt werden könnten, da sie offensichtlich gegen den französischen internationalen Ordre public verstießen. Insoweit stellte die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) erstens fest, dass die spanischen Gerichte die Beschwerdegegner des Ausgangsverfahrens zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt hätten, ohne dass Real Madrid einen Vermögensschaden geltend gemacht hätte. Zweitens sei vor dem spanischen Gericht nur die mediale Resonanz des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Artikels erörtert worden, der von spanischen Medien aber dementiert worden sei, so dass der erlittene Schaden durch dieses Dementi abgeschwächt worden sei. Die Verurteilungen zur Zahlung von 300000 Euro als Hauptforderung und von 90000 Euro an Zinsen und Kosten träfen drittens eine natürliche Person sowie die Gesellschaft, die eine Zeitung herausgebe, und machten 50 % des Nettoverlusts dieser Gesellschaft und 6 % der Mittel aus, über die die Gesellschaft zum 31. Dezember 2017 habe verfügen können. Viertens kämen zu den vorstehend genannten Verurteilungen noch die Verurteilungen zur Zahlung von 30000 Euro als Hauptforderung und 3000 Euro an Zinsen und Kosten zugunsten von AE hinzu. Schließlich komme es nur äußerst selten vor, dass in Frankreich der Schadensersatz für Verletzungen der Ehre oder des Ansehens einer Person den Betrag von 30000 Euro übersteige, da nach französischem Recht für Diffamierungen von Einzelnen eine Höchststrafe von 12000 Euro vorgesehen sei.

21

Dieses Gericht kam zu dem Schluss, dass die genannten Verurteilungen eine abschreckende Wirkung in Bezug auf die Beteiligung eines Journalisten und eines Presseorgans an der öffentlichen Erörterung für die Allgemeinheit interessanter Themen entfalteten, was die Medien an der Erfüllung ihrer Informations- und Kontrollaufgabe hindern könne, so dass die Anerkennung oder die Vollstreckung der Entscheidungen, in denen diese Verurteilungen ausgesprochen worden seien, insofern in nicht hinnehmbarer Weise gegen den französischen internationalen Ordre public verstoße, als sie die Freiheit der Meinungsäußerung beeinträchtige.

22

Real Madrid und AE legten bei der Cour de Cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) – dem vorlegenden Gericht – ein Rechtsmittel gegen die Urteile der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) vom 15. September 2020 ein und machten dabei geltend, dass eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Schadensersatzes nur vorgenommen werden dürfe, wenn ihm strafender und nicht wiedergutmachender Charakter zukomme. Darüber hinaus habe die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris), indem sie die vom Ursprungsgericht vorgenommene Würdigung des Schadens durch ihre eigene ersetzt habe, die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Entscheidungen der spanischen Gerichte entgegen Art. 34 Nr. 1 und Art. 36 der Verordnung Nr. 44/2001 einer Nachprüfung unterzogen. Schließlich habe die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) weder die Schwere des von den spanischen Gerichten festgestellten Fehlverhaltens noch die Tatsache berücksichtigt, dass die wirtschaftliche Situation der verurteilten Personen für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit des zugesprochenen Schadensersatzes nicht relevant sei, die jedenfalls nicht anhand der nationalen Rechtsvorschriften beurteilt werden dürfe.

23

Das vorlegende Gericht führt insbesondere aus, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Art. 10 Abs. 2 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) in zwei Bereichen wenig Raum für Beschränkungen der Meinungsfreiheit lasse, nämlich in Bezug auf die politische Auseinandersetzung und auf Fragen von allgemeinem Interesse (EGMR, 23. April 2015, Morice/Frankreich, CE:ECHR:2015:0423JUD002936910, § 125). In diese letztgenannte Kategorie falle eine Veröffentlichung, die sich mit Fragen des Sports befasse (EGMR, 26. April 2007, Colaço Mestre und SCI – Sociedade Independente de Comunicação, S.A./Portugal, CE:ECHR:2007:0426JUD001118203, § 28). Im Übrigen sei die abschreckende Wirkung einer Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz ein Maßstab für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme zur Wiedergutmachung des durch diffamierende Äußerungen erlittenen Schadens. Insbesondere in Bezug auf die Meinungsfreiheit von Journalisten müsse darauf geachtet werden, dass von Presseunternehmen zu leistende Schadensersatzzahlungen deren wirtschaftliche Grundlagen nicht gefährden könnten (EGMR, 26. November 2013, Błaja News Sp. z o.o./Polen, CE:ECHR:2013:1126JUD005954510, § 71).

24

Unter diesen Umständen hat die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Sind die Art. 34 und 36 der Verordnung Nr. 44/2001 und Art. 11 der Charta dahin auszulegen, dass eine Verurteilung wegen einer Schädigung des Rufs eines Sportvereins durch eine in einer Zeitung veröffentlichte Information eine offensichtliche Beeinträchtigung der Freiheit der Meinungsäußerung und damit einen Grund für die Ablehnung der Anerkennung und Vollstreckung darstellen kann?

2.

Falls dies zu bejahen ist, sind diese Bestimmungen dann dahin auszulegen, dass die Unverhältnismäßigkeit der Verurteilung vom ersuchten Gericht nur dann festgestellt werden kann, wenn der Schadensersatz vom Ursprungsgericht oder vom ersuchten Gericht als Strafschadensersatz eingestuft wurde, nicht aber dann, wenn er zur Wiedergutmachung eines immateriellen Schadens dient?

3.

Sind die fraglichen Bestimmungen dahin auszulegen, dass sich das ersuchte Gericht lediglich auf die abschreckende Wirkung im Hinblick auf die Mittel der verurteilten Person stützen darf, oder kann es auch weitere Gesichtspunkte wie die Schwere des Verschuldens oder das Ausmaß des Schadens heranziehen?

4.

Kann die abschreckende Wirkung im Hinblick auf die Mittel der Zeitung für sich genommen wegen eines offensichtlichen Verstoßes gegen den tragenden Grundsatz der Pressefreiheit einen Grund für die Ablehnung der Anerkennung oder Vollstreckung darstellen?

5.

Ist unter der abschreckenden Wirkung eine Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts der Zeitung zu verstehen, oder kann sie in einem bloßen Einschüchterungseffekt bestehen?

6.

Ist die abschreckende Wirkung bei einem Unternehmen, das eine Zeitung herausgibt, und einem Journalisten – einer natürlichen Person – in gleicher Weise zu beurteilen?

7.

Ist die allgemeine wirtschaftliche Lage der Printmedien ein relevanter Umstand bei der Beurteilung, ob die Verurteilung über das Schicksal der betreffenden Zeitung hinaus einen Einschüchterungseffekt für sämtliche Medien haben kann?

Zu den Vorlagefragen

25

Zunächst ist festzustellen, dass das Ausgangsverfahren eine Kassationsbeschwerde zum Gegenstand hat, die sich darauf bezieht, dass gemäß Art. 45 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 eine Vollstreckbarerklärung in Frankreich eines in Spanien ergangenen Urteils und zweier in Spanien erlassener Beschlüsse mit der Begründung aufgehoben wurde, dass deren Vollstreckung eine offensichtliche Verletzung der in Art. 11 der Charta verankerten Freiheit der Meinungsäußerung bewirken würde.

26

Was die zeitliche Anwendbarkeit der Verordnung Nr. 44/2001 betrifft, so bestimmt die Verordnung Nr. 1215/2012 in ihrem Art. 66 Abs. 2, dass die Verordnung Nr. 44/2001 weiterhin auf vor dem 10. Januar 2015 eingeleitete gerichtliche Verfahren und damit auf Entscheidungen, die in solchen Verfahren ergangen sind, Anwendung findet. Im Ausgangsverfahren wurden das Urteil und die Beschlüsse, deren Vollstreckung in Rede steht, auf eine vor diesem Zeitpunkt in Spanien erhobene Klage hin erlassen. Daher ist die Verordnung Nr. 44/2001, wie auch die Europäische Kommission festgestellt hat, in zeitlicher Hinsicht im Rahmen des Ausgangsverfahrens anwendbar.

27

Zu den bei der Prüfung der vorgelegten Fragen relevanten Bestimmungen dieser Verordnung ist festzustellen, dass die beim vorlegenden Gericht anhängige Kassationsbeschwerde einen Rechtsbehelf nach Art. 44 der Verordnung Nr. 44/2001 in Verbindung mit deren Anhang IV darstellt. Die Gründe für die Nichtvollstreckung, auf die ein nationales Gericht, das mit einem Rechtsbehelf nach diesem Art. 44 befasst ist, seine Entscheidung stützen kann, sind in Art. 45 dieser Verordnung geregelt, dessen Abs. 1 auf die in den Art. 34 und 35 dieser Verordnung genannten Gründe für die Versagung der Anerkennung verweist und dessen Abs. 2 ebenso wie Art. 36 dieser Verordnung ein Verbot der Nachprüfung der ausländischen Entscheidung, deren Vollstreckung in Frage steht, in der Sache selbst enthält.

28

Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, im Wesentlichen wissen möchte, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung, mit der eine Gesellschaft, die eine Zeitung herausgibt, und einer ihrer Journalisten zur Zahlung von Schadensersatz als Wiedergutmachung des immateriellen Schadens verurteilt werden, den ein Sportverein und eines der Mitglieder seines Ärzteteams aufgrund einer Schädigung ihres Rufs durch eine sie betreffende, von dieser Zeitung veröffentlichte Information erlitten haben, gemäß Art. 34 Nr. 1 in Verbindung mit Art. 45 der Verordnung Nr. 44/2001 mit der Begründung zu versagen ist, dass diese Vollstreckung geeignet ist, eine offensichtliche Verletzung der Pressefreiheit, wie sie in Art. 11 der Charta verankert ist, und somit eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Vollstreckungsmitgliedstaats darzustellen.

Zu Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 in Verbindung mit deren Art. 45

29

Die in der Verordnung Nr. 44/2001 vorgesehene Regelung der Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen beruht, wie aus den Erwägungsgründen 16 und 17 dieser Verordnung hervorgeht, auf dem gegenseitigen Vertrauen in die Justiz im Rahmen der Europäischen Union. Ein solches Vertrauen erfordert, dass die in einem Mitgliedstaat ergangenen gerichtlichen Entscheidungen nicht nur von Rechts wegen in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt werden, sondern auch, dass das Verfahren, mit dem diese Entscheidungen in dem anderen Mitgliedstaat für vollstreckbar erklärt werden, rasch und effizient vonstattengeht. Ein solches Verfahren darf nach dem 17. Erwägungsgrund dieser Verordnung nur eine einfache formale Prüfung der Schriftstücke umfassen, die für die Erteilung der Vollstreckbarerklärung im Vollstreckungsmitgliedstaat erforderlich sind, und die Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung muss fast automatisch erfolgen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Dezember 2019, Aktiva Finants, C‑433/18, EU:C:2019:1074, Rn. 23).

30

Daher werden die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen nach Art. 33 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf, und nach Art. 38 Abs. 1 dieser Verordnung in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden sind.

31

Das System der Rechtsbehelfe, das diese Verordnung gegen die Anerkennung oder die Vollstreckung einer Entscheidung vorsieht, soll, wie aus ihren Erwägungsgründen 16 bis 18 hervorgeht, ein angemessenes Gleichgewicht schaffen zwischen einerseits dem gegenseitigen Vertrauen in die Justiz im Rahmen der Union, das es rechtfertigt, dass die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in einem anderen Mitgliedstaat grundsätzlich von Rechts wegen anerkannt und vollstreckt werden, und andererseits der Wahrung der Verteidigungsrechte, die gebietet, dass der Schuldner gegebenenfalls gegen die Vollstreckbarerklärung einen in einem streitigen Verfahren zu prüfenden Rechtsbehelf einlegen kann, wenn er der Ansicht ist, dass einer der Gründe für die Versagung der Vollstreckung vorliegt (Urteile vom 28. April 2009, Apostolides, C‑420/07, EU:C:2009:271, Rn. 73, und vom 7. Juli 2016, Lebek, C‑70/15, EU:C:2016:524, Rn. 36).

32

In dieser Hinsicht beschränkt Art. 45 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 die Möglichkeit, die Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung zu versagen oder aufzuheben, auf einen der in den Art. 34 und 35 der Verordnung aufgeführten Gründe.

33

Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 sieht vor, dass eine Entscheidung nicht anerkannt wird, wenn ihre Anerkennung der öffentlichen Ordnung des Mitgliedstaats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen würde.

34

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist Art. 34 der Verordnung Nr. 44/2001 eng auszulegen, da er ein Hindernis für die Verwirklichung eines der grundlegenden Ziele dieser Verordnung bildet. Er kann daher nur in Ausnahmefällen eine Rolle spielen (Urteile vom 28. April 2009, Apostolides, C‑420/07, EU:C:2009:271, Rn. 55, und vom 20. Juni 2022, London Steam-Ship Owners’ Mutual Insurance Association, C‑700/20, EU:C:2022:488, Rn. 77 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

35

Was insbesondere Nr. 1 dieses Art. 34 anbelangt, so können die Mitgliedstaaten aufgrund des dort festgelegten Vorbehalts zwar grundsätzlich selbst bestimmen, welche Anforderungen sich nach ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften und Praktiken aus ihrer öffentlichen Ordnung ergeben, doch gehört die Abgrenzung dieses Begriffs zur Auslegung dieser Verordnung. Es ist demnach zwar nicht Sache des Gerichtshofs, den Inhalt der öffentlichen Ordnung eines Mitgliedstaats festzulegen, doch hat er über die Grenzen zu wachen, innerhalb deren sich das Gericht eines Mitgliedstaats auf diesen Begriff stützen darf, um einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung die Anerkennung zu versagen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. April 2009, Apostolides, C‑420/07, EU:C:2009:271, Rn. 56 und 57, sowie vom 16. Juli 2015, Diageo Brands, C‑681/13, EU:C:2015:471, Rn. 42).

36

Insoweit ist daran zu erinnern, dass mit dem Verbot, die ausländische Entscheidung in der Sache selbst nachzuprüfen, Art. 36 und Art. 45 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 es dem Gericht des Staates, in dem die Anerkennung oder Vollstreckung der entsprechenden Entscheidung geltend gemacht wird, untersagen, diese nur deshalb zu versagen, weil die vom Gericht des Ursprungsmitgliedstaats angewandten Rechtsvorschriften von denen abweichen, die das Gericht des Vollstreckungsmitgliedstaats im Fall seiner eigenen Befassung mit dem Rechtsstreit angewandt hätte. Ebenso wenig darf das Gericht des Vollstreckungsmitgliedstaats nachprüfen, ob das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats den Fall rechtlich und tatsächlich fehlerfrei gewürdigt hat (Urteile vom 28. April 2009, Apostolides, C‑420/07, EU:C:2009:271, Rn. 58, und vom 25. Mai 2016, Meroni, C‑559/14, EU:C:2016:349, Rn. 41).

37

Eine Anwendung der Ordre-public-Klausel von Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung der in einem anderen Mitgliedstaat erlassenen Entscheidung gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstieße und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des Vollstreckungsmitgliedstaats stünde. Damit das Verbot, die ausländische Entscheidung in der Sache selbst nachzuprüfen, gewahrt bleibt, muss es sich bei diesem Verstoß um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des Vollstreckungsmitgliedstaats als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln (Urteile vom 28. April 2009, Apostolides, C‑420/07, EU:C:2009:271, Rn. 59, und vom 25. Mai 2016, Meroni, C‑559/14, EU:C:2016:349, Rn. 42).

38

Das Gericht des Vollstreckungsmitgliedstaats darf somit die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung aus einem anderen Mitgliedstaat nicht allein deshalb ablehnen, weil es der Ansicht ist, dass in dieser Entscheidung das nationale Recht oder das Unionsrecht falsch angewandt worden sei, da sonst die Zielsetzung der Verordnung Nr. 44/2001 in Frage gestellt würde. Vielmehr ist in solchen Fällen davon auszugehen, dass das in jedem Mitgliedstaat eingerichtete Rechtsbehelfssystem, ergänzt durch das in Art. 267 AEUV vorgesehene Vorabentscheidungsverfahren, den Betroffenen eine ausreichende Garantie bietet. Die Ordre-public-Klausel käme in solchen Fällen nur dann zum Tragen, wenn der entsprechende Rechtsfehler impliziert, dass die Anerkennung oder Vollstreckung der Entscheidung im Vollstreckungsmitgliedstaat als offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung dieses Mitgliedstaats wesentlichen Rechtsnorm angesehen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. April 2009, Apostolides, C‑420/07, EU:C:2009:271, Rn. 60).

39

Dass die betreffende offensichtliche Verletzung eine unionsrechtliche Bestimmung und nicht eine innerstaatliche Vorschrift des Vollstreckungsmitgliedstaats betrifft, ändert nichts an den Voraussetzungen für die Anwendung der Ordre-public-Klausel im Sinne von Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001, unabhängig davon, ob es sich dabei um eine materiell-rechtliche oder verfahrensrechtliche Vorschrift handelt. Das nationale Gericht hat nämlich nach ständiger Rechtsprechung den Schutz der durch die nationale Rechtsordnung verliehenen Rechte und der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte mit gleicher Effizienz zu gewährleisten. Die Ordre-public-Klausel muss daher in gleicher Weise zum Tragen kommen, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung der betreffenden Entscheidung in dem Mitgliedstaat, in dem sie geltend gemacht wird, eine offensichtliche Verletzung einer in der Unionsrechtsordnung – und somit in der Rechtsordnung dieses Mitgliedstaats – als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines in der Unionsrechtsordnung – und somit in der Rechtsordnung dieses Mitgliedstaats – als grundlegend anerkannten Rechts zur Folge haben würde (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Juli 2015, Diageo Brands, C‑681/13, EU:C:2015:471, Rn. 48, und vom 7. September 2023, Charles Taylor Adjusting, C‑590/21, EU:C:2023:633, Rn. 36 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

40

Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass dies insbesondere für die auf Unionsebene anerkannten Grundrechte gilt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. März 2000, Krombach, C‑7/98, EU:C:2000:164, Rn. 38).

41

Da die Anwendung der Verordnung Nr. 44/2001 durch ein nationales Gericht eine Durchführung des Unionsrechts im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta darstellt, muss dieses Gericht die Anforderungen beachten, die sich aus den in der Charta verankerten Grundrechten ergeben, insbesondere wenn es mit einem Rechtsbehelf nach Art. 43 oder Art. 44 der Verordnung Nr. 44/2001 befasst wird, der zum Gegenstand hat, ob ein Grund für die Versagung der Vollstreckung vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. Mai 2016, Meroni, C‑559/14, EU:C:2016:349, Rn. 44, und vom 7. Mai 2020, Rina, C‑641/18, EU:C:2020:349, Rn. 55).

42

Indessen ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten im Unionsrecht fundamentale Bedeutung hat, da er die Schaffung und Aufrechterhaltung eines Raums ohne Binnengrenzen ermöglicht. Dieser Grundsatz verlangt aber namentlich in Bezug auf den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts von jedem Mitgliedstaat, dass er, abgesehen von außergewöhnlichen Umständen, davon ausgeht, dass alle anderen Mitgliedstaaten das Unionsrecht und insbesondere die dort anerkannten Grundrechte beachten (Gutachten 2/13 [Beitritt der Union zur EMRK] vom 18. Dezember 2014, EU:C:2014:2454, Rn. 191).

43

Bei der Durchführung des Unionsrechts können die Mitgliedstaaten somit unionsrechtlich verpflichtet sein, die Beachtung der Grundrechte durch die übrigen Mitgliedstaaten zu unterstellen, so dass sie weder die Möglichkeit haben, von einem anderen Mitgliedstaat ein höheres nationales Schutzniveau der Grundrechte zu verlangen als das durch das Unionsrecht gewährleistete, noch – von Ausnahmefällen abgesehen – prüfen können, ob dieser andere Mitgliedstaat in einem konkreten Fall die durch die Union gewährleisteten Grundrechte tatsächlich beachtet hat (Gutachten 2/13 [Beitritt der Union zur EMRK] vom 18. Dezember 2014, EU:C:2014:2454, Rn. 192).

44

Nur wenn die Vollstreckung einer Entscheidung im Vollstreckungsmitgliedstaat eine offensichtliche Verletzung eines in der Charta verankerten Grundrechts zur Folge hätte, ist daher ein Gericht dieses Mitgliedstaats, wie der Generalanwalt in Nr. 189 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nach Art. 34 Nr. 1 und Art. 45 der Verordnung Nr. 44/2001 verpflichtet, die Vollstreckung dieser Entscheidung zu versagen oder gegebenenfalls die Vollstreckbarerklärung für diese Entscheidung aufzuheben.

Zu Art. 11 der Charta

45

Gemäß Art. 11 Abs. 1 der Charta hat jede Person das Recht auf freie Meinungsäußerung, das die Meinungsfreiheit und die Freiheit einschließt, Informationen oder Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen oder weiterzugeben.

46

Soweit Journalisten und/oder Verleger und Presseorgane wegen der Veröffentlichung eines Presseartikels betroffen sind, wird die Meinungs- und Informationsfreiheit durch Art. 11 Abs. 2 der Charta besonders geschützt, wonach die Freiheit der Medien und ihre Pluralität zu achten sind.

47

Die in Art. 11 der Charta verankerten Rechte und Freiheiten können keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen, sondern müssen im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Funktion gesehen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2020, La Quadrature du Net u. a., C‑511/18, C‑512/18 und C‑520/18, EU:C:2020:791, Rn. 120 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

48

Wie aus Art. 52 Abs. 1 der Charta hervorgeht, lässt die Charta nämlich Beschränkungen der Ausübung dieser Rechte und Freiheiten zu, sofern diese Beschränkungen gesetzlich vorgesehen sind, den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten, unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

49

Hierbei ist es wichtig, daran zu erinnern, dass Art. 11 der Charta eine der wesentlichen Grundlagen einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft darstellt, die zu den Werten gehört, auf die sich die Union gemäß Art. 2 EUV gründet (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Dezember 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a., C‑203/15 und C‑698/15, EU:C:2016:970, Rn. 93, sowie vom 23. April 2020, Associazione Avvocatura per i diritti LGBTI, C‑507/18, EU:C:2020:289, Rn. 48). Eingriffe in die durch diesen Art. 11 garantierten Rechte und Freiheiten müssen daher in einem solchen Kontext auf das absolut Notwendige beschränkt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. März 2001, Connolly/Kommission, C‑274/99 P, EU:C:2001:127, Rn. 41).

50

Dies gilt angesichts der Bedeutung der Presse in einer demokratischen Gesellschaft und in einem Rechtsstaat insbesondere für Eingriffe, die Journalisten sowie Herausgeber und Presseorgane betreffen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. Dezember 2011, Painer, C‑145/10, EU:C:2011:798, Rn. 113, und vom 29. Juli 2019, Spiegel Online, C‑516/17, EU:C:2019:625, Rn. 72).

51

Im Übrigen haben die in der Charta enthaltenen Rechte nach Art. 52 Abs. 3 der Charta die gleiche Bedeutung und Tragweite wie die entsprechenden durch die EMRK garantierten Rechte, was der Gewährung eines weiter gehenden Schutzes durch das Unionsrecht indessen nicht entgegensteht (Urteil vom 22. Juni 2023, K.B. und F.S. [Prüfung von Amts wegen in Strafverfahren], C‑660/21, EU:C:2023:498, Rn. 41).

52

Für die Auslegung von Art. 11 der Charta muss der Gerichtshof daher die entsprechenden durch Art. 10 EMRK garantierten Rechte in ihrer Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als Mindestschutzstandard berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. März 2022, Autorité des marchés financiers, C‑302/20, EU:C:2022:190, Rn. 67, und vom 12. Januar 2023, Migracijos departamentas [Auf der politischen Überzeugung beruhende Verfolgungsgründe], C‑280/21, EU:C:2023:13, Rn. 29 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

53

Aus der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte folgt, dass die Ausnahmen, denen das Recht auf freie Meinungsäußerung unterliegt, eng ausgelegt werden müssen und dass Art. 10 Abs. 2 EMRK kaum Raum für Einschränkungen der Meinungsfreiheit im Bereich der politischen Auseinandersetzung und bei Fragen von allgemeinem Interesse lässt (vgl. in diesem Sinne EGMR, 17. Dezember 2004, Pedersen und Baadsgaard/Dänemark, CE:ECHR:2004:1217JUD004901799, § 71, EGMR, 23. April 2015, Morice/Frankreich, CE:ECHR:2015:0423JUD002936910, §§ 124 und 125, sowie EGMR, 17. Januar 2017, Tavares de Almeida Fernandes und Almeida Fernandes/Portugal, CE:ECHR:2017:0117JUD003156613, § 55).

54

Von allgemeinem Interesse sind Fragen, die die Öffentlichkeit berechtigterweise interessieren können, sowie Fragen, die ihre Aufmerksamkeit wecken oder sie spürbar beunruhigen, insbesondere weil sie das Wohlergehen der Bürger oder das Leben der Gemeinschaft betreffen. In diese Kategorie fallen Fragen zum Berufssport (vgl. in diesem Sinne EGMR, 22. Februar 2007, Nikowitz und Verlagsgruppe News GmbH/Österreich, CE:ECHR:2007:0222JUD000526603, § 25, sowie EGMR, 27. Juni 2017, Satakunnan Markkinapörssi Oy und Satamedia Oy/Finnland, CE:ECHR:2017:0627JUD000093113, § 171), und somit auch solche, die sich auf Doping im Berufssport beziehen.

55

In diesem Zusammenhang betont der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die grundlegende Rolle, die die Presse in einer demokratischen Gesellschaft spielt, so dass die Garantien, die der Presse zu gewähren sind, von besonderer Bedeutung sind. Auch wenn die Presse bestimmte Grenzen nicht überschreiten darf, die insbesondere mit dem Schutz des guten Rufs oder der Rechte anderer zusammenhängen, ist es dennoch ihre Aufgabe, unter Beachtung ihrer Pflichten und Verantwortlichkeiten Informationen und Ideen zu allen Fragen von allgemeinem Interesse zu verbreiten. Andernfalls könnte die Presse ihre unverzichtbare Rolle als „public watchdog“ nicht wahrnehmen. Daher muss dem Interesse der demokratischen Gesellschaft an der Sicherung und Aufrechterhaltung der Pressefreiheit großes Gewicht beigemessen werden, wenn es darum geht, wie in Art. 10 Abs. 2 EMRK gefordert, zu bestimmen, ob der fragliche Eingriff in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Ziel steht (vgl. in diesem Sinne EGMR, 23. September 1994, Jersild/Dänemark, CE:ECHR:1994:0923JUD001589089, § 31, EGMR, 21. Januar 1999, Fressoz und Roire/Frankreich, CE:ECHR:1999:0121JUD002918395, § 45, sowie EGMR, 16. Juni 2015, Delfi AS/Estland, CE:ECHR:2015:0616JUD006456909, § 132).

56

Diese Grundsätze gelten nicht nur für Journalisten, sondern auch für Presseverleger, die in vollem Umfang an der Meinungsfreiheit teilhaben und die in Art. 10 Abs. 2 EMRK genannten Pflichten und Verantwortlichkeiten teilen (vgl. in diesem Sinne EGMR, 15. Januar 2009, Orban u. a./Frankreich, CE:ECHR:2009:0115JUD002098505, § 47).

57

Zwar müssen Personen, die durch diffamierende Äußerungen oder andere Arten unzulässiger Inhalte geschädigt wurden, die Möglichkeit haben, eine Haftungsklage zu erheben, die einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Rufschädigungen bietet, doch muss jede Entscheidung, die Schadensersatz für eine Rufschädigung zuspricht, ein angemessenes Verhältnis zwischen dem zugesprochenen Betrag und der fraglichen Schädigung wahren (vgl. in diesem Sinne EGMR, 15. Februar 2005, Steel und Morris/Vereinigtes Königreich, CE:ECHR:2005:0215JUD006841601, § 96, EGMR, 16. Juni 2015, Delfi AS/Estland, CE:ECHR:2015:0616JUD006456909, §§ 110 und 131, sowie EGMR, 17. Januar 2017, Tavares de Almeida Fernandes und Almeida Fernandes/Portugal, CE:ECHR:2017:0117JUD003156613, § 77).

58

Insoweit ist zwischen der Verurteilung zugunsten einer juristischen Person und jener zugunsten einer natürlichen Person zu unterscheiden, da sich eine Rufschädigung bei einer natürlichen Person auf deren Würde auswirken kann, während der Ruf einer juristischen Person keine derartige immaterielle Dimension hat (vgl. in diesem Sinne EGMR, 15. Februar 2005, Steel und Morris/Vereinigtes Königreich, CE:ECHR:2005:0215JUD006841601, § 94, EGMR, 19. Juli 2011, UJ/Ungarn, CE:ECHR:2011:0719JUD002395410, § 22, und EGMR, 11. Januar 2022, Freitas Rangel/Portugal, CE:ECHR:2022:0111JUD007887313, §§ 48, 53 und 58).

59

Allerdings ist daran zu erinnern, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit von Eingriffen bei einer juristischen Person auf der Grundlage derselben Kriterien vornimmt wie bei einer natürlichen Person (vgl. in diesem Sinne EGMR, 5. Dezember 2017, Frisk und Jensen/Dänemark, CE:ECHR:2017:1205JUD001965712, § 55).

60

Zur Verhältnismäßigkeit einer Sanktion ist anzumerken, dass mit jeder unangemessenen Einschränkung der Meinungsfreiheit das Risiko verbunden ist, dass die Berichterstattung über ähnliche Themen in den Medien künftig behindert oder gelähmt wird. Von Bedeutung ist insoweit die Verurteilung als solche, selbst wenn diese lediglich zivilrechtlichen Charakter hat und die verhängte Sanktion geringfügig ist (vgl. in diesem Sinne EGMR, 10. November 2015, Couderc und Hachette Filipacchi associés/Frankreich, CE:ECHR:2015:1110JUD004045407, § 151, sowie EGMR, 25. Februar 2016, Société de conception de presse et d’édition/Frankreich, CE:ECHR:2016:0225JUD000468311, § 49).

61

Insbesondere ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte größte Vorsicht geboten, wenn die vorgenommenen Maßnahmen oder verhängten Sanktionen geeignet sind, die Presse davon abzuhalten, sich an der Erörterung von Fragen von legitimem allgemeinen Interesse zu beteiligen, und somit eine abschreckende Wirkung für die Wahrnehmung der Pressefreiheit in Bezug auf solche Fragen haben können (vgl. in diesem Sinne EGMR, 20. Mai 1999, Bladet Tromsø und Stensaas/Norwegen, CE:ECHR:1999:0520JUD002198093, § 64, sowie EGMR, 17. Dezember 2004, Cumpănă und Mazăre/Rumänien, CE:ECHR:2004:1217JUD003334896, § 111).

62

Insoweit ist davon auszugehen, dass ein Schadensersatzbetrag, der im Vergleich zu in vergleichbaren Diffamierungsfällen zugesprochenen Beträgen unvorhersehbar oder erhöht ist, eine abschreckende Wirkung auf die Wahrnehmung der Pressefreiheit haben kann (vgl. in diesem Sinne EGMR, 7. Dezember 2010, Público – Comunicação Social, S.A. u. a./Portugal, CE:ECHR:2010:1207JUD003932407, § 55, sowie EGMR, 15. Juni 2017, Independent Newspapers [Irland] Limited/Irland, CE:ECHR:2017:0615JUD002819915, §§ 84 und 85).

63

Außerdem ist dies angesichts der grundlegenden Rolle der Presse in einer demokratischen Gesellschaft und in Anbetracht der Garantien, über die sie gemäß der in Rn. 55 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung verfügen muss, in der Regel auch der Fall, wenn die Verurteilung darin besteht, der geschädigten Partei eine Entschädigung zuzuerkennen, die den tatsächlich erlittenen materiellen oder immateriellen Schaden übersteigt.

64

Eine solche abschreckende Wirkung kann sich sogar aus einer Verurteilung zur Zahlung von Beträgen ergeben, die gemessen an den Maßstäben, die in vergleichbaren Fällen von Diffamierung angewendet werden, verhältnismäßig gering sind. Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn sich die zuerkannten Beträge im Vergleich zu den Mitteln, die der verurteilten Person zur Verfügung stehen, als erheblich erweisen (vgl. in diesem Sinne EGMR, 15. Februar 2005, Steel und Morris/Vereinigtes Königreich, CE:ECHR:2005:0215JUD006841601, § 96), unabhängig davon, ob es sich um einen Journalisten oder einen Presseverleger handelt.

65

Im Übrigen müssen bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des zuerkannten Schadensersatzes auch andere verhängte Sanktionen wie die Veröffentlichung einer Gegendarstellung, eine Richtigstellung oder eine förmliche Entschuldigung sowie die der verurteilten Person auferlegten Gerichtskosten berücksichtigt werden (vgl. in diesem Sinne EGMR, 11. Dezember 2012, Ileana Constantinescu/Rumänien, CE:ECHR:2012:1211JUD003256304, § 49, EGMR, 10. November 2015, Couderc und Hachette Filipacchi associés/Frankreich, CE:ECHR:2015:1110JUD004045407, § 152, sowie EGMR, 27. Juni 2017, Ghiulfer Predescu/Rumänien, CE:ECHR:2017:0627JUD002975109, § 61).

Zur Auslegung von Art. 34 Nr. 1 und Art. 45 der Verordnung Nr. 44/2001 in Verbindung mit Art. 11 der Charta

66

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass nach Art. 34 Nr. 1 und Art. 45 der Verordnung Nr. 44/2001 die Vollstreckung eines Urteils versagt werden muss, mit dem eine Gesellschaft, die eine Zeitung herausgibt, und einer ihrer Journalisten zur Zahlung von Schadensersatz für den immateriellen Schaden verurteilt werden, den ein Sportverein und eines der Mitglieder seines Ärzteteams aufgrund einer Schädigung ihres Rufs durch die Veröffentlichung einer sie betreffenden Information in dieser Zeitung erlitten haben, wenn diese Vollstreckung eine offenkundige Verletzung der in Art. 11 der Charta verankerten Rechte und Freiheiten zur Folge hätte.

67

Ein solcher offensichtlicher Verstoß gegen Art. 11 der Charta betrifft nämlich die öffentliche Ordnung (ordre public) des Vollstreckungsmitgliedstaats und ist daher als Vollstreckungsversagungsgrund im Sinne von Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 in Verbindung mit deren Art. 45 anzusehen.

68

Das vorlegende Gericht hat daher unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, zu denen nicht nur die Mittel der verurteilten Personen, sondern auch die Schwere ihres Fehlverhaltens und das Ausmaß des Schadens gehören, wie sie in den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Entscheidungen festgestellt worden sind, zu beurteilen, ob die Vollstreckung dieser Entscheidungen im Hinblick auf die in den Rn. 53 bis 64 des vorliegenden Urteils genannten Kriterien zu einer offensichtlichen Verletzung der in Art. 11 der Charta niedergelegten Rechte und Freiheiten führen würde.

69

Hierfür hat dieses Gericht zu prüfen, ob der in den genannten Entscheidungen zuerkannte Schadensersatz sich gegenüber der in Rede stehenden Rufschädigung als offensichtlich unverhältnismäßig erweist und somit die Gefahr besteht, dass er im Vollstreckungsmitgliedstaat eine abschreckende Wirkung auf die künftige Berichterstattung über ähnliche Fragen in den Medien oder noch allgemeiner auf die Wahrnehmung der in Art. 11 der Charta verankerten Pressefreiheit hat.

70

In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass das vorlegende Gericht zwar die im Vollstreckungsmitgliedstaat für eine vergleichbare Schädigung zugesprochenen Beträge berücksichtigen kann, eine mögliche Divergenz zwischen diesen Beträgen und der Höhe des in den genannten Entscheidungen zugesprochenen Schadensersatzes für sich genommen aber nicht ausreicht, um automatisch und ohne weitere Nachprüfungen davon auszugehen, dass dieser Schadensersatz im Hinblick auf die fragliche Rufschädigung offensichtlich unverhältnismäßig wäre.

71

Da mit der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfung nur festgestellt werden soll, ob eine offensichtliche Beeinträchtigung der in Art. 11 der Charta verankerten Rechte und Freiheiten vorliegt, kann diese Prüfung keine Überprüfung der von den Gerichten des Ursprungsmitgliedstaats in der Sache vorgenommenen Beurteilungen beinhalten. In einer solchen Überprüfung läge eine Nachprüfung in der Sache, die nach Art. 36 und Art. 45 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 ausdrücklich untersagt ist. So darf das vorlegende Gericht im vorliegenden Fall insbesondere weder prüfen, ob EE und die Société Éditrice du Monde bei der Veröffentlichung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Artikels ihre Pflichten und Verantwortlichkeiten beachtet haben, noch die Feststellungen des Urteils des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) vom 24. Februar 2014 in Bezug auf die Schwere des Fehlverhaltens von EE oder der Société Éditrice du Monde oder das Ausmaß des Schadens, der Real Madrid und AE entstanden ist, in Frage stellen.

72

Im Hinblick auf die Fragen des vorlegenden Gerichts ist ferner darauf hinzuweisen, dass, wie aus den Rn. 58 und 63 des vorliegenden Urteils hervorgeht, nicht ausgeschlossen werden kann, dass dieses Gericht in Anbetracht der Gesamtheit der Umstände des vorliegenden Falles zu der Feststellung veranlasst wird, dass eine aus einer Vollstreckung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Entscheidungen folgende offensichtliche Verletzung der Pressefreiheit nur in Bezug auf eine der beiden Kläger oder eine der beiden Beklagten, die in diesen Entscheidungen genannt werden, vorliegt.

73

Falls dieses Gericht eine offensichtliche Verletzung der Pressefreiheit feststellt, sollte es die Versagung der Vollstreckung dieser Entscheidungen auf den im Vollstreckungsmitgliedstaat offensichtlich unverhältnismäßigen Teil des zuerkannten Schadensersatzes beschränken.

74

Nach alledem ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass Art. 34 Nr. 1 und Art. 45 der Verordnung Nr. 44/2001 in Verbindung mit Art. 11 der Charta dahin auszulegen sind, dass die Vollstreckung eines Urteils, mit dem eine Gesellschaft, die eine Zeitung herausgibt, und einer ihrer Journalisten zur Zahlung von Schadensersatz als Wiedergutmachung des immateriellen Schadens verurteilt werden, den ein Sportverein und eines der Mitglieder seines Ärzteteams aufgrund einer Schädigung ihres Rufs durch eine sie betreffende, von dieser Zeitung veröffentlichte Information erlitten haben, zu versagen ist, soweit diese Vollstreckung zu einer offensichtlichen Verletzung der Pressefreiheit, wie sie in Art. 11 der Charta verankert ist, und somit zu einer Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Vollstreckungsmitgliedstaats führen würde.

Kosten

75

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 34 Nr. 1 und Art. 45 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in Verbindung mit Art. 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union

 

sind dahin auszulegen, dass

 

die Vollstreckung eines Urteils, mit dem eine Gesellschaft, die eine Zeitung herausgibt, und einer ihrer Journalisten zur Zahlung von Schadensersatz als Wiedergutmachung des immateriellen Schadens verurteilt werden, den ein Sportverein und eines der Mitglieder seines Ärzteteams aufgrund einer Schädigung ihres Rufs durch eine sie betreffende, von dieser Zeitung veröffentlichte Information erlitten haben, zu versagen ist, soweit diese Vollstreckung zu einer offensichtlichen Verletzung der Pressefreiheit, wie sie in Art. 11 der Charta der Grundrechte verankert ist, und somit zu einer Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Vollstreckungsmitgliedstaats führen würde.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.