URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

12. Dezember 2024 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten – Richtlinie 2014/59/EU – Entscheidung zur Einleitung einer Krisenmanagementmaßnahme in Bezug auf ein Kreditinstitut – Art. 85 Abs. 3 – Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Recht aller von dieser Entscheidung betroffenen Personen auf einen wirksamen Rechtsbehelf – Einhaltung einer angemessenen Frist – Erfordernis einer beschleunigten gerichtlichen Prüfung – Bestimmung des nationalen Rechts, nach der sämtliche Klagen miteinander verbunden werden müssen – Art. 3 Abs. 3 – Kumulierung von Funktionen durch die Abwicklungsbehörde – Sicherstellung der operativen Unabhängigkeit“

In der Rechtssache C‑118/23

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von dem Wojewódzki Sąd Administracyjny w Warszawie (Woiwodschaftsverwaltungsgericht Warschau, Polen) mit Entscheidung vom 26. Januar 2023, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Februar 2023, in dem Verfahren

Rada Nadzorcza Getin Noble Bank S.A. u. a.

gegen

Bankowy Fundusz Gwarancyjny,

Beteiligte:

VELOBANK S.A.,

M. K. als Liquidator der Getin Noble Bank S.A., in Liquidation (vormals Getin Noble Bank S.A.),

TD,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, des Präsidenten der Dritten Kammer C. Lycourgos, der Richter S. Rodin und Z. Csehi sowie der Richterin O. Spineanu-Matei (Berichterstatterin),

Generalanwalt: J. Richard de la Tour,

Kanzler: N. Mundhenke, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 2024,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

des Rada Nadzorcza Getin Noble Bank S.A., der Getin Holding S.A., der LC Corp B.V., der Fundacja Jolanty i Leszka Czarneckich z siedzibą w Warszawie und von NM, vertreten durch M. Cecerko und P. Lewandowski, Radcowie prawni, sowie M. Orkusz, Adwokat,

von KA, WK, CK, LN, KM, GK, MG, MT, MM, KB, JS, WG, KG, JJ, IB, ZD, GW, MD, CP, MZ, MP, KP, AB, US, DL, SQ, QP und KM, vertreten durch J. K. Mikołajek-Furmańska und J. Trojacka, Radcowie prawni, sowie M. Szymański, Adwokat,

von ML und SJ, vertreten durch J. Czabański und A. N. Wolna-Sroka, Adwokaci,

von GM und DG, vertreten durch A. Citko, Radca prawny,

von TM und BI, vertreten durch W. Bochenek, P. Stalski und T. Zaremba, Radcowie prawni,

von OS und NS, vertreten durch W. Budzewski und M. Chęcińska, Adwokaci,

des Bankowy Fundusz Gwarancyjny, vertreten durch M. Malciak, A. Radwan, W. J. Wandzel und M. Wojtacha, Adwokaci, sowie M. Olszak, Radca prawny,

der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, R. Stańczyk und S. Żyrek als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Messina, A. Nijenhuis, B. Sasinowska und D. Triantafyllou als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Juni 2024

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und von Art. 3 Abs. 3 sowie Art. 85 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie die Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2014, L 173, S. 190) in der durch die Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 (ABl. 2019, L 150, S. 296) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2014/59).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem sich der Rada Nadzorcza Getin Noble Bank S.A. (im Folgenden: Aufsichtsrat der GN Bank) sowie eine große Zahl natürlicher und juristischer Personen auf der einen Seite und der Bankowy Fundusz Gwarancyjny (Bankgarantiefonds, Polen) (im Folgenden: BFG) auf der anderen Seite einander gegenüberstehen und der die Entscheidung des BFG zur Einleitung eines Abwicklungsverfahrens in Bezug auf die Getin Noble Bank (im Folgenden: GN Bank) betrifft.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Charta

3

Art. 47 (Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht) der Charta sieht vor:

„Jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.

Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

…“

Verordnung Nr. 575/2013

4

In Art. 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. 2013, L 176, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 (ABl. 2019, L 150, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 575/2013) heißt es:

„Diese Verordnung legt einheitliche Regeln für allgemeine Aufsichtsanforderungen fest, die im Rahmen der Richtlinie 2013/36/EU [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. 2013, L 176, S. 338)] beaufsichtigte Institute, Finanzholdinggesellschaften und gemischte Finanzholdinggesellschaften im Hinblick auf folgende Punkte erfüllen müssen:

a)

Eigenmittelanforderungen im Hinblick auf vollständig quantifizierbare, einheitliche und standardisierte Komponenten von Kredit‑, Markt‑, operationellem und Abwicklungsrisiko sowie Verschuldung,

b)

Vorschriften zur Begrenzung von Großkrediten,

c)

Liquiditätsanforderungen im Hinblick auf vollständig quantifizierbare, einheitliche und standardisierte Komponenten des Liquiditätsrisikos,

d)

Berichtspflichten hinsichtlich der Buchstaben a, b und c,

e)

Offenlegungspflichten.

…“

5

Art. 2 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 575/2013 sieht vor:

„(1)   Um die Einhaltung der Bestimmungen dieser Verordnung zu gewährleisten, werden die zuständigen Behörden mit den in der Richtlinie 2013/36/EU und in dieser Verordnung genannten Befugnissen ausgestattet und wenden die darin beschriebenen Verfahren an.

„(2)   Um die Einhaltung der Bestimmungen dieser Verordnung zu gewährleisten, werden die Abwicklungsbehörden mit den in der Richtlinie 2014/59/EU … und in dieser Verordnung genannten Befugnissen ausgestattet und wenden die darin beschriebenen Verfahren an.“

6

Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt:

„Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

40.

‚zuständige Behörde‘ eine nach einzelstaatlichem Recht offiziell anerkannte öffentliche Behörde oder Einrichtung, die nach diesem Recht zur Beaufsichtigung von Instituten als Teil des in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden Aufsichtssystems befugt ist;

…“

Richtlinie 2014/49/EU

7

Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme (ABl. 2014, L 173, S. 149) sieht vor:

„Diese Richtlinie regelt die Errichtung und die Funktionsweise von Einlagensicherungssystemen und legt die Verfahren dafür fest.“

8

Nach Art. 11 Abs. 2 dieser Richtlinie werden die Finanzmittel eines Einlagensicherungssystems zur Finanzierung der Abwicklung von Kreditinstituten gemäß Art. 109 der Richtlinie 2014/59 verwendet.

Richtlinie 2014/59

9

In den Erwägungsgründen 15, 40, 88, 90 bis 92, 110 und 130 der Richtlinie 2014/59 heißt es:

„(15)

Um eine rasche Intervention und die Unabhängigkeit von Wirtschaftsakteuren zu garantieren sowie Interessenkonflikte zu vermeiden, sollten die Mitgliedstaaten öffentliche Verwaltungsbehörden oder mit öffentlichen Verwaltungsbefugnissen ausgestattete Behörden bestellen, die die im Rahmen einer Abwicklung im Sinne dieser Richtlinie anfallenden Funktionen und Aufgaben wahrnehmen. … Wenn ein Mitgliedstaat die für die Beaufsichtigung von Instituten verantwortliche Behörde (im Folgenden ‚zuständige Behörde‘) als Abwicklungsbehörde benennt, sollten angemessene strukturbezogene Regelungen getroffen werden, um die Funktionen Aufsicht und Abwicklung zu trennen. Diese Trennung sollte nicht dazu führen, dass für die Abwicklungsfunktion kein Zugriff auf sämtliche Informationen besteht, die für die Aufsichtsfunktion zur Verfügung stehen.

(40)

Zur Wahrung der Finanzstabilität ist es von großer Bedeutung, dass die zuständigen Behörden Abhilfe im Fall der Verschlechterung der Wirtschafts- und Finanzlage eines Instituts schaffen können, bevor das Institut an einen Punkt gelangt, an dem es die Behörden nur noch abwickeln können. Daher sollten die zuständigen Behörden Befugnisse für ein frühzeitiges Eingreifen erhalten, einschließlich der Befugnis, einen vorläufigen Verwalter zu bestellen, der das Leitungsorgan und die Geschäftsleitung eines Instituts entweder ablöst oder vorübergehend mit ihnen zusammenarbeitet. Aufgabe des vorläufigen Verwalters sollte es sein, alle ihm übertragenen Befugnisse auszuüben, um Lösungen zur Stabilisierung der Finanzlage des Instituts voranzubringen. Die Bestellung des vorläufigen Verwalters sollte jedoch nicht ungebührlich in die Rechte der Anteilseigner oder Eigentümer oder nach dem Gesellschaftsrecht der Union oder der Mitgliedstaaten festgelegten Verfahrenspflichten eingreifen und den internationalen Verpflichtungen der Union bzw. der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Investitionsschutzes Rechnung tragen. Die Befugnisse für das frühzeitige Eingreifen sollten die bereits in der Richtlinie 2013/36/EU festgelegten Befugnisse für jene Fälle einschließen, bei denen es sich nicht um ein frühzeitiges Eingreifen handelt, sowie für andere Situationen, die als für die Wiederherstellung der finanziellen Solidität eines Instituts erforderlich angesehen werden.

(88)

Nach Artikel 47 der Charta haben die betroffenen Parteien das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren und einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Maßnahmen, die sie betreffen. Deshalb sollten die von den Abwicklungsbehörden gefassten Beschlüsse rechtsmittelfähig sein.

(90)

Da mit dieser Richtlinie äußerst dringliche Situationen abgedeckt werden sollen und durch eine Aussetzung von Entscheidungen der Abwicklungsbehörden die Kontinuität kritischer Funktionen beeinträchtigt werden könnte, ist vorzusehen, dass das Einreichen eines Rechtsmittels nicht die automatische Aussetzung der Wirkung der angefochtenen Entscheidung bewirken sollte und dass die Entscheidung der Abwicklungsbehörde sofort vollstreckbar sein sollte, wenn zu vermuten ist, dass ihre Aussetzung dem öffentlichen Interesse zuwiderliefe.

(91)

Wenn dies erforderlich ist, um Dritte zu schützen, die im Zuge der Ausübung von Abwicklungsbefugnissen durch die Behörden in gutem Glauben Vermögenswerte, Rechte und Verbindlichkeiten von dem in Abwicklung befindlichen Institut erworben haben, und um die Stabilität der Finanzmärkte zu sichern, sollte die Einlegung eines Rechtsmittels außerdem nachfolgende Verwaltungsakte oder Transaktionen, die aufgrund einer aufgehobenen Entscheidung abgeschlossen wurden, unberührt lassen. In diesen Fällen sollten die Rechtsbehelfe gegen unrechtmäßige Entscheidungen daher auf die Entschädigung der betroffenen Personen beschränkt werden.

(92)

Da Krisenbewältigungsmaßnahmen aufgrund schwerwiegender Risiken für die Finanzstabilität in dem jeweiligen Mitgliedstaat und in der Union möglicherweise dringend zu treffen sind, sollten nach nationalem Recht vorgesehene Verfahren für den Antrag auf vorab erteilte gerichtliche Zustimmung zu einer Krisenmanagementmaßnahme sowie für die gerichtliche Prüfung dieses Antrags rasch verlaufen. Da Krisenbewältigungsmaßnahmen dringend zu treffen sind, sollte das Gericht seinen Beschluss innerhalb von 24 Stunden fassen, und die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass die relevante Behörde ihre Entscheidung unmittelbar nach der Genehmigung durch das Gericht fassen kann. Dies gilt unbeschadet des interessierten Parteien gegebenenfalls zustehenden Rechts, beim Gericht zu beantragen, den Beschluss für einen begrenzten Zeitraum außer Kraft zu setzen, nachdem die Abwicklungsbehörde die Krisenbewältigungsmaßnahme ergriffen hat.

(110)

… Einlagen, die durch Einlagensicherungssysteme gesichert sind, sollten beim Abwicklungsprozess keine Verluste tragen. Wird durch eine Abwicklungsmaßnahme sichergestellt, dass Einleger weiterhin auf ihre Einlagen zugreifen können, sollten die Einlagensicherungssysteme, denen ein in Abwicklung befindliches Institut angehört, verpflichtet sein, einen Beitrag zu leisten, der nicht größer ist als der Betrag der Verluste, die sie erlitten hätten, wenn das Institut nach dem regulären Insolvenzverfahren liquidiert worden wäre.

(130)

Diese Richtlinie steht im Einklang mit den Grundrechten sowie den Rechten, Grundfreiheiten und Grundsätzen, die unter anderem mit der Charta anerkannt wurden, insbesondere mit dem Eigentumsrecht, dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht und den Verteidigungsrechten.“

10

Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

40.

‚Abwicklungsmaßnahme‘: die Entscheidung über die Abwicklung eines Instituts oder eines Unternehmens nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b, c oder d gemäß Artikel 32 oder Artikel 33, die Anwendung eines Abwicklungsinstruments oder die Ausübung einer oder mehrerer Abwicklungsbefugnisse;

60.

‚Instrument des Brückeninstituts‘: der Mechanismus für die Übertragung von Anteilen oder anderen Eigentumstiteln, die von einem in Abwicklung befindlichen Institut ausgegeben wurden, oder von Vermögenswerten, Rechten oder Verbindlichkeiten eines in Abwicklung befindlichen Instituts gemäß Artikel 40 auf ein Brückeninstitut;

101.

‚Krisenpräventionsmaßnahme‘: die Ausübung von Befugnissen zur Anweisung der Beseitigung von Unzulänglichkeiten oder Hindernissen für die Sanierungsfähigkeit nach Artikel 6 Absatz 6, die Ausübung von Befugnissen zum Abbau oder zur Beseitigung von Hindernissen für die Abwicklungsfähigkeit nach Artikel 17 oder 18, die Anwendung von Frühinterventionsmaßnahmen nach Artikel 27, die Bestellung eines vorläufigen Verwalters nach Artikel 29 oder die Ausübung der Herabschreibungs- oder Umwandlungsbefugnisse nach Artikel 59;

102.

‚Krisenmanagementmaßnahme‘: eine Abwicklungsmaßnahme oder die Bestellung eines Sonderverwalters nach Artikel 35 oder einer Person nach Artikel 51 Absatz 2 oder Artikel 72 Absatz 1;

…“

11

Art. 3 („Benennung der für die Abwicklung zuständigen Behörden“) Abs. 3 und 4 der Richtlinie lautet:

„(3)   Bei den Abwicklungsbehörden kann es sich um die nationalen Zentralbanken, die zuständigen Ministerien oder andere öffentliche Verwaltungsbehörden oder um Behörden handeln, denen Befugnisse der öffentlichen Verwaltung übertragen wurden. In Ausnahmefällen können die Mitgliedstaaten festlegen, dass es sich bei den Abwicklungsbehörden um die für die Zwecke der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 und der Richtlinie 2013/36/EU für die Aufsicht zuständigen Behörden handeln kann. Es müssen angemessene strukturbezogene Regelungen bestehen, mit denen die operative Unabhängigkeit sichergestellt und Interessenkonflikte zwischen den Aufsichtsfunktionen nach der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 und der Richtlinie 2013/36/EU oder anderen Funktionen der jeweiligen Behörde und den Funktionen von Abwicklungsbehörden aufgrund dieser Richtlinie vermieden werden, unbeschadet der Verpflichtungen zum Informationsaustausch und zur Zusammenarbeit nach Maßgabe des Absatzes 4. Insbesondere stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass innerhalb der zuständigen Behörden, nationalen Zentralbanken, zuständigen Ministerien oder anderen Behörden operative Unabhängigkeit zwischen den Abwicklungsfunktionen und den Aufsichtsfunktionen oder sonstigen Funktionen der jeweiligen Behörde besteht.

Das mit den Funktionen einer Abwicklungsbehörde gemäß dieser Richtlinie betraute Personal muss strukturell getrennt sein von dem Personal, das die Aufgaben aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 und der Richtlinie 2013/36/EU wahrnimmt, bzw. von dem Personal, das die sonstigen Funktionen der jeweiligen Behörde ausübt, und muss getrennte Berichtswege haben.

Für die Zwecke dieses Absatzes haben die Mitgliedstaaten oder die Abwicklungsbehörde alle erforderlichen einschlägigen internen Vorschriften auf diesem Gebiet festzulegen und zu veröffentlichen, einschließlich Vorschriften über das Berufsgeheimnis und den Informationsaustausch zwischen den einzelnen Funktionsbereichen.

(4)   Sowohl für den Fall, dass es sich bei der Abwicklungsbehörde und der zuständigen Behörde um getrennte Stellen handelt, als auch für den Fall, dass die Funktionen innerhalb derselben Stelle ausgeübt werden, verlangen die Mitgliedstaaten, dass die Behörden, die die Aufsichts- und Abwicklungsfunktionen ausüben, und die Personen, die diese Funktionen in ihrem Namen ausüben, bei der Vorbereitung, Planung und Anwendung von Abwicklungsentscheidungen eng zusammenarbeiten.“

12

In Titel III („Frühzeitiges Eingreifen“) der Richtlinie ist u. a. Art. 29 enthalten, der bestimmt:

„(1)   In Fällen, in denen nach Meinung der zuständigen Behörde die Neubesetzung der Geschäftsleitung bzw. des Leitungsorgans nach Artikel 28 nicht ausreicht, um Abhilfe zu schaffen, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die zuständigen Behörden einen oder mehrere vorläufige Verwalter für das Institut bestellen können. Die zuständigen Behörden können – auf der Grundlage dessen, was unter den jeweiligen Umständen verhältnismäßig ist – vorläufige Verwalter bestellen, die das Leitungsorgan des Instituts vorübergehend ablösen oder mit ihm zusammenarbeiten; die zuständige Behörde gibt ihre Entscheidung zum Zeitpunkt der Bestellung bekannt. Bestellt die zuständige Behörde einen vorläufigen Verwalter, der mit dem Leitungsorgan des Instituts zusammenarbeiten soll, gibt sie zum Zeitpunkt der Bestellung außerdem die Funktion, die Aufgaben und die Befugnisse dieses Verwalters bekannt sowie etwaige Verpflichtungen des Leitungsorgans des Instituts, ihn anzuhören oder seine Einwilligung einzuholen, bevor es bestimmte Beschlüsse fasst oder Maßnahmen ergreift. Die zuständige Behörde hat die Bestellung eines vorläufigen Verwalters öffentlich bekanntzugeben, es sei denn, dieser ist nicht befugt, das Institut zu vertreten. Die Mitgliedstaaten stellen ferner sicher, dass der vorläufige Verwalter über die für die Ausübung seiner Funktionen erforderlichen Qualifikationen, Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt und dass bei ihm keine Interessenkonflikte gegeben sind.

(3)   Die zuständige Behörde gibt die Rolle und Funktionen des vorläufigen Verwalters zum Zeitpunkt der Bestellung bekannt, wozu gehören kann, dass er die Finanzlage des Instituts ermittelt, die Geschäfte oder einen Teil der Geschäfte des Instituts mit dem Ziel führt, die finanzielle Stabilität des Instituts zu erhalten oder wiederherzustellen, und Maßnahmen ergreift, mit denen eine solide, umsichtige Leitung der Geschäfte des Instituts wiederhergestellt werden soll. Die zuständige Behörde gibt zum Zeitpunkt der Bestellung etwaige Beschränkungen der Rolle und Funktionen des vorläufigen Verwalters bekannt.

(6)   Die zuständige Behörde kann verlangen, dass ein vorläufiger Verwalter in von der zuständigen Behörde festzulegenden Abständen sowie zum Ende seines Mandats über die Finanzlage des Instituts sowie über die im Zuge seiner Bestellung unternommenen Handlungen Bericht erstattet.

…“

13

In Titel IV („Abwicklung“) der Richtlinie 2014/59 finden sich unter anderem deren Art. 31 und 32. In Art. 31 („Abwicklungsziele“) heißt es:

„(1)   Bei der Anwendung der Abwicklungsinstrumente und der Ausübung der Abwicklungsbefugnisse tragen die Abwicklungsbehörden den Abwicklungszielen Rechnung und wählen diejenigen Instrumente und Befugnisse aus, mit denen sich die unter den Umständen des Einzelfalls relevanten Ziele am besten erreichen lassen.

„(2)   Abwicklungsziele im Sinne von Absatz 1 sind

a)

die Sicherstellung der Kontinuität kritischer Funktionen;

b)

die Vermeidung erheblicher negativer Auswirkungen auf die Finanzstabilität, vor allem durch die Verhinderung einer Ansteckung, beispielsweise von Marktinfrastrukturen, und durch die Erhaltung der Marktdisziplin;

c)

der Schutz öffentlicher Mittel durch geringere Inanspruchnahme außerordentlicher finanzieller Unterstützung aus öffentlichen Mitteln;

d)

der Schutz der unter die Richtlinie 2014/49/EU fallenden Einleger und der unter die Richtlinie 97/9/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. März 1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger (ABl. 1997, L 84, S. 22)] fallenden Anleger;

e)

der Schutz der Gelder und Vermögenswerte der Kunden.

(3)   Vorbehaltlich anderweitiger Bestimmungen dieser Richtlinie sind die Abwicklungsziele gleichrangig; es obliegt den Abwicklungsbehörden, entsprechend der Art und den Umständen des jeweiligen Falls eine angemessene Abwägung vorzunehmen.“

14

Art. 32 („Voraussetzungen für eine Abwicklung“) dieser Richtlinie bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Abwicklungsbehörden nur dann eine Abwicklungsmaßnahme in Bezug auf ein Institut im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a treffen, wenn die Abwicklungsbehörde der Ansicht ist, dass alle im Folgenden genannten Voraussetzungen erfüllt sind:

a)

Die zuständige Behörde hat nach Anhörung der Abwicklungsbehörde bzw. – unter den Voraussetzungen nach Absatz 2 – die Abwicklungsbehörde hat nach Anhörung der zuständigen Behörde festgestellt, dass das Institut ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt.

b)

Bei Berücksichtigung zeitlicher Zwänge und anderer relevanter Umstände besteht nach vernünftigem Ermessen keine Aussicht, dass der Ausfall des Instituts innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens durch alternative Maßnahmen der Privatwirtschaft, darunter Maßnahmen im Rahmen von institutsbezogenen Sicherungssystemen, oder der Aufsichtsbehörden, darunter Frühinterventionsmaßnahmen oder die Herabschreibung oder Umwandlung von relevanten Kapitalinstrumenten gemäß Artikel 59 Absatz 2, die in Bezug auf das Institut getroffen werden, abgewendet werden kann.

c)

Eine Abwicklungsmaßnahme ist gemäß Absatz 5 im öffentlichen Interesse erforderlich.

(5)   Für die Zwecke von Absatz 1 Buchstabe c dieses Artikels ist eine Abwicklungsmaßnahme als im öffentlichen Interesse liegend zu betrachten, wenn sie für die Erreichung eines oder mehrerer der in Artikel 31 genannten Abwicklungsziele erforderlich und mit Blick auf diese Ziele verhältnismäßig ist und wenn dies bei einer Liquidation des Instituts im Wege eines regulären Insolvenzverfahrens nicht im selben Umfang der Fall wäre.

…“

15

Art. 85 („Vorab erteilte gerichtliche Zustimmung und Anfechtungsrechte“) Abs. 2 bis 4 der Richtlinie sieht vor:

„(2)   Die Mitgliedstaaten sehen im innerstaatlichen Recht das Recht auf Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung zur Einleitung einer Krisenpräventionsmaßnahme oder einer Entscheidung zur Ausübung einer Befugnis gemäß dieser Richtlinie, bei der es sich nicht um eine Krisenmanagementmaßnahme handelt, vor.

(3)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass jede von der Entscheidung zur Einleitung einer Krisenmanagementmaßnahme betroffene Person das Recht hat, diese Entscheidung mit einem Rechtsmittel anzufechten. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Prüfung beschleunigt erfolgt und die nationalen Gerichte sich bei der eigenen Bewertung auf die komplexen wirtschaftlichen Tatsachenbewertungen der Abwicklungsbehörde stützen.

(4)   Das Recht auf Einlegung eines Rechtsmittels im Sinne von Absatz 3 unterliegt folgenden Bestimmungen:

a)

Die Einlegung eines Rechtsmittels bewirkt nicht die automatische Aussetzung der Wirkung der angefochtenen Entscheidung.

b)

Die Entscheidung der Abwicklungsbehörde ist sofort vollstreckbar und gibt Anlass zu der widerlegbaren Vermutung, dass eine Aussetzung ihrer Vollstreckung dem öffentlichen Interesse zuwiderliefe.

Wenn dies erforderlich ist, um die Interessen Dritter zu schützen, die im Zuge der Anwendung von Abwicklungsinstrumenten oder der Ausübung von Abwicklungsbefugnissen durch eine Abwicklungsbehörde in gutem Glauben Anteile, andere Eigentumstitel, Vermögenswerte, Rechte oder Verbindlichkeiten eines in Abwicklung befindlichen Instituts erworben haben, berührt die Nichtigerklärung der Entscheidung einer Abwicklungsbehörde nicht nachfolgende Verwaltungsakte oder Transaktionen der betreffenden Abwicklungsbehörde, die aufgrund der aufgehobenen Entscheidung der Abwicklungsbehörde erfolgten. In diesem Fall ist rechtliche Abhilfe für den Fall einer unrechtmäßigen Entscheidung oder Maßnahme der Abwicklungsbehörden auf eine Entschädigung des vom Antragsteller infolge der Entscheidung oder Maßnahme erlittenen Verlusts beschränkt.“

16

Art. 109 („Inanspruchnahme von Einlagensicherungssystemen im Rahmen einer Abwicklung“) Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass[,] falls die Abwicklungsbehörden eine Abwicklungsmaßnahme ergreifen und vorausgesetzt, dass durch diese Maßnahme sichergestellt ist, dass Einleger weiterhin auf ihre Einlagen zugreifen können, das Einlagensicherungssystem, dem das Institut angehört, für Folgendes haftet:

b)

für den Fall, dass ein oder mehrere andere Abwicklungsinstrumente als das Bail-in‑Instrument angewendet werden, für den Betrag der Verluste, den gedeckte Einleger erlitten hätten, wenn die gedeckten Einleger in dem Verhältnis Verluste erlitten hätten, in dem nach dem allgemeinen nationalen Insolvenzrecht gleichrangige Gläubiger Verluste erlitten haben.

Auf jeden Fall geht die Haftung des Einlagensicherungssystems nicht über den Betrag der Verluste hinaus, die es hätte erleiden müssen, wenn das Institut nach dem regulären Insolvenzverfahren liquidiert worden wäre.

…“

Polnisches Recht

Verwaltungsgerichtsordnung

17

Art. 111 § 1 der Ustawa Prawo o postępowaniu przed sądami administracyjnymi (Verwaltungsgerichtsordnung) vom 30. August 2002 (Dz. U. 2002, Pos. 329) in ihrer auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Verwaltungsgerichtsordnung) sieht vor:

„Das Gericht ordnet die Verbindung mehrerer bei ihm anhängiger Rechtssachen zu gemeinsamer Verhandlung und gemeinsamer Entscheidung an, wenn sie Gegenstand einer einzigen Klage sein könnten.“

18

Art. 134 § 1 der Verwaltungsgerichtsordnung lautet:

„Vorbehaltlich von Art. 57a entscheidet das Gericht innerhalb der Grenzen des Streitgegenstands, ohne jedoch an die Klagegründe, die Klageanträge und die in der Klageschrift angeführte Rechtsgrundlage gebunden zu sein.“

19

In Art. 170 der Verwaltungsgerichtsordnung heißt es:

„Eine rechtskräftige Entscheidung ist nicht nur für die Parteien und das Gericht, das sie erlassen hat, sondern auch für andere Gerichte und staatliche Behörden sowie in den gesetzlich vorgesehenen Fällen für andere Personen ebenfalls verbindlich.“

Gesetz über den Aufbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit

20

Art. 1 der Ustawa Prawo o ustroju sądów administracyjnych (Gesetz über den Aufbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit) vom 25. Juli 2002 (Dz. U. 2022, Pos. 2492) in ihrer auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung bestimmt:

„§ 1   Die Verwaltungsgerichtsbarkeit wird durch Gerichte ausgeübt, die die Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung prüfen …“

§ 2   Sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt, handelt es sich bei der Prüfung nach § 1 um eine Rechtmäßigkeitsprüfung.“

Zivilgesetzbuch

21

In Art. 417 § 1 der Ustawa Kodeks cywilny (Zivilgesetzbuch) vom 23. April 1964 in ihrer auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (Dz. U. 2022, Pos. 1360) heißt es:

„Der Fiskus, eine Gebietskörperschaft oder eine andere juristische Person, die kraft Gesetzes hoheitliche Befugnisse ausübt, haftet für den Schaden, der durch eine rechtswidrige Handlung oder Unterlassung bei der Ausübung hoheitlicher Befugnisse verursacht wurde.“

22

Art. 4171 § 2 des Zivilgesetzbuchs sieht vor:

„Soweit nichts anderes bestimmt ist, kann Ersatz des Schadens verlangt werden, der durch eine rechtskräftige Gerichtsentscheidung oder eine bestandskräftige Entscheidung verursacht worden ist, nachdem deren Rechtswidrigkeit in einem entsprechenden Verfahren festgestellt wurde. …“

BFG-Gesetz

23

Art. 5 der Ustawa Bankowym Funduszu Gwarancyjnym, systemie gwarantowania depozytów oraz przymusowej restrukturyzacji (Gesetz über den Bankengarantiefonds, das Einlagensicherungssystem und die Abwicklung) vom 10. Juni 2016 in ihrer auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (Dz. U. 2022, Pos. 793) (im Folgenden: BFG-Gesetz) definiert die Aufgaben des BFG. In Art. 5 Abs. 1 bis 6 des BFG-Gesetzes heißt es:

„1.   Zu den Aufgaben des [BFG] gehören:

1)

die Erfüllung der sich aus der Einlagensicherung ergebenden Verpflichtungen, insbesondere die Auszahlung der garantierten Mittel an die Einleger;

4)

die Durchführung des Abwicklungsverfahrens;

7)

sonstige Maßnahmen im Interesse der Stabilität des nationalen Finanzsystems.

3.   Der [BFG] arbeitet mit anderen Stellen zusammen, die im Interesse der Stabilität des nationalen Finanzsystems tätig sind …

6.   Auf Vorschlag des [BFG] ernennt die Komisja Nadzoru Finansowego [(Finanzaufsichtskommission, Polen)] den [BFG] zum Kurator im Sinne von Art. 144 Abs. 1 der Ustawa prawo bankowe [(Gesetz über das Bankrecht) vom 29. August 1997 (Dz. U 1997, Nr. 140, Pos. 939)] …“

24

Gemäß Art. 6 Abs. 1 des BFG-Gesetzes sind die Organe des BFG der Vorstand und der Verwaltungsrat.

25

Nach Art. 7 Abs. 4 des BFG-Gesetzes setzt sich der Vorstand des BFG aus sechs Mitgliedern zusammen, nämlich aus drei Vertretern des für Finanzinstitutionen zuständigen Ministers, zwei Vertretern der polnischen Nationalbank und einem Vertreter der Finanzaufsichtskommission.

26

Nach Art. 11 des BFG-Gesetzes nimmt der Verwaltungsrat des BFG u. a. die Leitung der Geschäfte des BFG, die Verwaltung seiner Mittel vorbehaltlich der Befugnisse des Vorstands des BFG, die Vorlage regelmäßiger Berichte an den BFG und den Erlass von Entscheidungen zur Einleitung eines Abwicklungsverfahrens wahr. Diese Entscheidungen sind gemäß Art. 11 Abs. 8 des BFG-Gesetzes endgültig und sofort vollstreckbar.

27

Art. 66 des BFG-Gesetzes führt folgende Abwicklungsziele auf:

„1.

Wahrung der Finanzstabilität, insbesondere durch den Schutz des Vertrauens in den Finanzsektor und die Gewährleistung der Marktdisziplin;

2.

Begrenzung des Einsatzes öffentlicher Mittel oder der Wahrscheinlichkeit eines Einsatzes öffentlicher Mittel in Bezug auf den Finanzsektor oder die ihm zugehörigen einzelnen Unternehmen, um die in Nr. 1 und in den Nrn. 3 bis 5 genannten Ziele zu erreichen;

3.

die Gewährleistung der Aufrechterhaltung kritischer Funktionen durch ein Unternehmen;

4.

den Schutz der Einleger und Anleger, die von dem Entschädigungssystem erfasst werden;

5.

den Schutz der einem Unternehmen von den Kunden anvertrauten Mittel.“

28

Art. 101 des BFG-Gesetzes bestimmt:

„1.   Der Finanzaufsichtskommission informiert unverzüglich den [BFG]

1)

über das Ausfallrisiko eines Unternehmens;

2)

über fehlende Anzeichen dafür, dass durch etwaige Aufsichtsmaßnahmen oder Maßnahmen des betroffenen Unternehmens dieses Risiko rechtzeitig abgewendet werden kann …

7.   Liegen folgende kumulative Voraussetzungen vor, nämlich

1)

ein Ausfallrisiko des inländischen Instituts,

2)

keine hinreichenden Gründe dafür, dass Maßnahmen des inländischen Unternehmens oder des unternehmenseigenen Sicherungssystems und Aufsichtsmaßnahmen einschließlich Frühinterventionsmaßnahmen das Ausfallrisiko rechtzeitig abwenden können,

3)

die Erforderlichkeit von Maßnahmen in Bezug auf das inländische Unternehmen im öffentlichen Interesse,

erlässt der [BFG] eine Entscheidung zur Einleitung eines Abwicklungsverfahrens in Bezug auf das inländische Institut oder zur Herabschreibung oder Umwandlung von Kapitalinstrumenten oder berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten gemäß Art. 70 Abs. 1 Nr. 1.

10.   Abwicklungsmaßnahmen werden im öffentlichen Interesse getroffen, wenn sie erforderlich sind, um zu gewährleisten, dass zumindest eines der in Art. 66 genannten Ziele der Abwicklung erreicht wird, sie in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Zielen stehen und diese Ziele im Rahmen eines Insolvenzverfahrens nicht in gleichem Maße erreicht werden könnten.

11.   Vor der Entscheidung nach Abs. 7 berät sich der [BFG] mit der Finanzaufsichtskommission darüber, ob die in Abs. 7 Nrn. 1 und 2 genannten Voraussetzungen vorliegen. …

14.   Ein inländisches Unternehmen und Unternehmen im Sinne von Art. 64 Nr. 2 Buchst. a, c oder d werden nach den in gesonderten Bestimmungen festgelegten Modalitäten abgewickelt, wenn die in Abs. 7 Nrn. 1 und 2 genannten Voraussetzungen vorliegen, jedoch die in Abs. 7 Nr. 3 genannte Voraussetzung nicht erfüllt ist.“

29

Art. 103 Abs. 1, 3 und 5 des BFG-Gesetzes sieht vor:

„1.   Der [BFG] gibt dem [betroffenen] Unternehmen die in Art. 101 Abs. 7 bis 9 und Art. 102 Abs. 1 bis 4 genannte Entscheidung bekannt.

3.   Der [BFG] begründet die in Art. 101 Abs. 7 bis 9 und Art. 102 Abs. 1 und 4 genannte Entscheidung innerhalb von 14 Tagen nach ihrer Bekanntgabe gegenüber dem vom Abwicklungsverfahren betroffenen Unternehmen.

5.   Der Aufsichtsrat des vom Abwicklungsverfahren betroffenen Unternehmens kann innerhalb von sieben Tagen nach der gegenüber dem Unternehmen erfolgten Bekanntgabe der Begründung gegen die Entscheidung beim Verwaltungsgericht Klage erheben. Jede Person, deren rechtliches Interesse durch die Entscheidung beeinträchtigt wurde, ist ebenfalls befugt, beim Verwaltungsgericht Klage zu erheben.“

30

Art. 104 Abs. 2 bis 4 des BFG-Gesetzes bestimmt:

„2.   Das Verwaltungsgericht entscheidet innerhalb von 30 Tagen nach Eingang der Klage mit den Akten und der Klagebeantwortung über die Klage.

3.   Über die Kassationsbeschwerde entscheidet der Naczelny Sąd Administracyjny [(Oberstes Verwaltungsgericht, Polen)] innerhalb von zwei Monaten nach Eingang der Kassationsbeschwerde.

4.   Die in den Absätzen 2 und 3 genannten Fristen gelten unbeschadet der gesetzlich vorgesehenen Fristen für bestimmte Handlungen, der Fristen für die Aussetzung des Verfahrens und der Verzögerungen, die der Partei anzulasten sind, sowie der Gründe, die sich der Kontrolle des Gerichts entziehen.“

31

Art. 105 Abs. 2 bis 5 des BFG-Gesetzes bestimmt:

„2.   In den in Art. 145 der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehenen Fällen stellt das Gericht die Rechtswidrigkeit des Erlasses einer Entscheidung fest, indem es der gegen sie gerichteten Klage stattgibt.

3.   Ein rechtskräftiges Urteil eines Verwaltungsgerichts, mit dem die Rechtswidrigkeit einer Entscheidung des [BFG] festgestellt wird, berührt weder die Gültigkeit der auf dieser Entscheidung beruhenden Rechtsakte noch hindert sie den [BFG] daran, auf der Entscheidung beruhende Rechtsakte vorzunehmen, sofern die Aussetzung dieser Rechtsakte für den wirtschaftlichen Wert des Unternehmens, die Kontinuität der Erfüllung von Verpflichtungen, die durch die Abwicklung geschützt werden sollen, die finanzielle Stabilität oder in gutem Glauben erworbene Rechte Dritter, insbesondere derjenigen, die infolge der Entscheidung des [BFG], Abwicklungsinstrumente anzuwenden, Vermögensrechte erworben oder Verbindlichkeiten übernommen haben, mit Risiken einhergeht.

4.   Die Haftung für Schadensersatz für eine vom [BFG] erlassene rechtswidrige Entscheidung ist auf die Höhe des erlittenen Verlusts begrenzt.

5.   Die Entschädigung ist auf eine Geldleistung beschränkt.“

32

In Art. 242 Abs. 1 des BFG-Gesetzes heißt es:

„Gläubiger und Inhaber von Titeln, die im Rahmen der Abwicklung einen geringeren Betrag erhalten haben als den, den sie im Rahmen des in Art. 241 Abs. 1 genannten Verfahrens erhalten hätten,

2)

und bei denen im Anschluss an die Anwendung der Instrumente des Betriebsübergangs oder des Brückeninstituts keine Übertragung ihrer Verbindlichkeiten auf das in Abwicklung befindliche Unternehmen erfolgt,

können gegenüber dem [BFG] einen Anspruch auf eine zusätzliche Entschädigung geltend machen.“

Gesetz über die Aufsicht über den Finanzmarkt

33

Art. 1 der Ustawa o nadzorze nad rynkiem finansowym (Gesetz über die Aufsicht über den Finanzmarkt) vom 21. Juli 2006 in ihrer auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (Dz. U. 2022, Pos. 660) sieht in Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 vor, dass die Aufsicht über den Finanzmarkt die Bankenaufsicht umfasst, die im Einklang insbesondere mit den Bestimmungen der Verordnung Nr. 575/2013 ausgeübt wird.

34

Nach Art. 3 Abs. 1 und 4 des Gesetzes über die Aufsicht über den Finanzmarkt ist die Finanzaufsichtskommission für die Aufsicht über den Finanzmarkt zuständig. Nach Art. 3a des Gesetzes über die Aufsicht über den Finanzmarkt ist diese Kommission, von Ausnahmen abgesehen, die zuständige Behörde im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Nr. 40 der Verordnung 575/2013.

Gesetz über das Bankrecht

35

Art. 144 Abs. 1, 1a, 3 und 4 der Ustawa Prawo bankowe (Gesetz über das Bankrecht) vom 29. August 1997 (Dz. U. 1997, Nr. 140, Pos. 939) in ihrer auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: Bankgesetz) bestimmt:

„1.   Zur Verbesserung der Lage der Bank oder zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Durchführung des Sanierungsplans kann die Finanzaufsichtskommission vorbehaltlich des Art. 5 Abs. 6 des [BFG-Gesetzes] in dem in Art. 138 Abs. 3 genannten Fall unter Berücksichtigung der in Art. 142 Abs. 1 genannten Umstände für die Bank einen Kurator bestellen.

1a.   In dem in Abs. 1 genannten Fall führt die Finanzaufsichtskommission in ihrer Entscheidung den Umfang der Aufgaben des Kurators aus.

3.   Der Kurator hat ein Widerspruchsrecht gegen die Beschlüsse und Entscheidungen des Verwaltungsrats und des Aufsichtsrats der Bank. Durch die auf einer Sitzung des Aufsichtsrats oder des Verwaltungsrats abgegebene Erklärung der Absicht, Widerspruch einzulegen, wird der Vollzug des Beschlusses oder der Entscheidung ausgesetzt.

4.   Der Kurator erhebt Klage gegen einen Beschluss der Hauptversammlung der Aktionäre oder einen Beschluss der Hauptversammlung der Genossenschaftsbank, der den Interessen der Bank schadet …“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

36

Da die GN Bank die in der Verordnung Nr. 575/2013 vorgesehenen Eigenmittelanforderungen nicht erfüllt hatte, bestellte die Finanzaufsichtskommission zur Verbesserung der Finanzlage dieses Instituts mit Entscheidung vom 22. Dezember 2021 für dieses Kreditinstitut einen „Kurator“ im Sinne von § 5 Abs. 6 des BFG-Gesetzes, dessen Funktion der eines „vorläufigen Verwalters“ im Sinne von Art. 29 der Richtlinie 2014/59 entspricht. Mit dieser Funktion wurde der BFG betraut. Mit dieser Entscheidung beauftragte die Finanzaufsichtskommission den BFG u. a. mit dem Berichtswesen, der Überwachung der Tätigkeiten der GN Bank und der Ausübung aller rechtlichen Befugnisse, die zu dieser Funktion gehörten.

37

Am 18. August 2022 informierte die Finanzaufsichtskommission den BFG über das Ausfallrisiko der GN Bank und das Fehlen von Anzeichen dafür, dass die getroffenen Maßnahmen dieses Risiko rechtzeitig abwenden könnten.

38

In diesem Zusammenhang erließ der BFG in seiner Eigenschaft als Abwicklungsbehörde am 29. September 2022 eine Entscheidung, mit der die GN Bank einem Abwicklungsverfahren unterworfen, ein Sonderverwalter ernannt, die von diesem Institut begebenen Kapitalinstrumente herabgeschrieben und das Abwicklungsinstrument des Brückeninstituts angewandt wurde (im Folgenden: im Ausgangsverfahren in Rede stehende Entscheidung). Hierdurch wurden die in dieser Entscheidung genannten Vermögenswerte der GN Bank am 3. Oktober 2022 auf ein Brückeninstitut übertragen, wobei die Ausnahmen von dieser Übertragung abschließend aufgezählt wurden. Diese Ausnahmen betrafen u. a. Vermögensrechte aus Realakten, Rechtsgeschäften oder Verstößen im Zusammenhang mit Kredit- und Darlehensverträgen, die auf eine Fremdwährung lauten oder an den Wechselkurs einer ausländischen Währung gebunden sind, sowie Ansprüche aus diesen Vermögensrechten einschließlich derjenigen, die Gegenstand von Zivil- und Verwaltungsverfahren sind, und zwar unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Geltendmachung. Adressaten dieser Entscheidung waren die GN Bank, das Brückeninstitut und der Sonderverwalter.

39

Der Aufsichtsrat der GN Bank erhob gegen die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Entscheidung Klage beim Wojewódzki Sąd Administracyjny w Warszawie (Woiwodschaftsverwaltungsgericht Warschau, Polen), dem vorlegenden Gericht. Gegen diese Entscheidung erhoben auch weitere natürliche und juristische Personen Klagen, u. a. Aktionäre der GN Bank, Inhaber von Anleihen der GN Bank, Gläubiger sowie Personen, die mit der GN Bank auf eine Fremdwährung lautende oder an eine solche Währung gebundene Kredit- und Darlehensverträge abgeschlossen haben.

40

Die Kläger begehren mit diesen unterschiedlichen Klagen beim vorlegenden Gericht die Feststellung, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Entscheidung rechtswidrig sei, was ihnen ermöglichen würde, vor den ordentlichen Gerichten Klagen auf Schadensersatz zu erheben. Mit den von ihnen vorgebrachten Klagegründen machen sie einen Verstoß gegen materielles Recht und gegen Verfahrensvorschriften geltend, die erhebliche Auswirkungen auf diese Entscheidung hätten. In diesem Zusammenhang wird insbesondere vorgetragen, dass sich der BFG in einem Interessenkonflikt befinde, der ihn in der Wahrnehmung der einer Abwicklungsbehörde übertragenen Funktionen hindere, da er zugleich Aufsichts‑, Einlagensicherungs- und Abwicklungsfunktionen ausübe. Dieser Interessenkonflikt werde durch das Fehlen angemessener Verfahrensgarantien, wie sie in der Richtlinie 2014/59 vorgesehen seien, noch verschärft.

41

Der BFG bestreitet das Vorliegen eines Interessenkonflikts. Unter anderem bringt er vor, dass er organisatorische und strukturelle Vorkehrungen getroffen habe, mit denen seine operative Unabhängigkeit als Abwicklungsbehörde sichergestellt werde und Interessenkonflikte zwischen der Ausübung der Abwicklungsfunktionen und seiner sonstigen Funktionen vermieden würden.

42

Als Erstes weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass zum Zeitpunkt der Vorlageentscheidung mehr als 7000 Klagen gegen die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Entscheidung erhoben worden seien, was der durchschnittlichen Zahl der bei diesem Gericht erhobenen Klagen während eines Zeitraums von mehr als zwei Jahren entspreche. Zu einem späteren Zeitpunkt hat es den Gerichtshof informiert, dass die Zahl der gegen diese Entscheidung erhobenen Klagen nunmehr bei über 8000 liege.

43

Das vorlegende Gericht hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass es nach Art. 111 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung verpflichtet sei, alle bei ihm erhobenen Klagen gegen die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Entscheidung zu verbinden, und dass es daher diese Verbindung am 26. Januar 2023 zu gemeinsamer Prüfung und zu gemeinsamer Entscheidung angeordnet habe. Es ist jedoch der Ansicht, dass die Anwendung dieser Bestimmung den Erlass eines Urteils innerhalb angemessener Frist übermäßig erschwere oder sogar unmöglich mache.

44

Vor diesem Hintergrund fragt sich das vorlegende Gericht, ob das Recht auf Beschreitung des Verwaltungsrechtswegs, das einer jeden Person zustehe, deren rechtliches Interesse durch die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Entscheidung verletzt worden sei, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Art. 85 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2014/59 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und Art. 47 der Charta darstelle. In Bezug auf Art. 47 der Charta werde im 88. Erwägungsgrund der Richtlinie hervorgehoben, dass es darum gehe, den betroffenen Personen gegen die sie betreffenden Maßnahmen das „Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf“ zu gewährleisten.

45

Auch wenn es grundsätzlich Sache des nationalen Rechts sei, zu bestimmen, welche Personen zur Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung der nationalen Abwicklungsbehörde befugt seien und wie der Schutz des rechtlichen Interesses dieser Personen gewährleistet werde, habe das vorlegende Gericht Zweifel, ob es eine unabdingbare Voraussetzung für den Schutz der aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte sei, dass diesen Personen die Möglichkeit eingeräumt werde, gegen diese Entscheidung beim Verwaltungsgericht eine eigene Klage zu erheben.

46

Nach Art. 11 Abs. 8 und Art. 105 Abs. 2 und 3 des BFG-Gesetzes sei die Entscheidung zur Einleitung des Abwicklungsverfahrens nämlich endgültig und sofort vollstreckbar, und das mit einer gegen diese Entscheidung erhobenen Klage befasste Verwaltungsgericht könne die Entscheidung nicht aufheben, sondern sei lediglich befugt, deren Rechtswidrigkeit feststellen oder die Klage abweisen. Mit diesen Bestimmungen werde Art. 85 Abs. 4 der Richtlinie 2014/59 umgesetzt.

47

Da die Klage keine aufschiebende Wirkung habe und nicht zur Aufhebung einer solchen Entscheidung führen könne, habe der nationale Gesetzgeber den betroffenen Personen die Möglichkeit einer Schadensersatzklage eröffnet. Ein rechtskräftiges Urteil, mit dem die Rechtswidrigkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Entscheidung festgestellt würde, würde somit die Erhebung einer solchen Klage ermöglichen, ohne eine Entscheidung über deren Begründetheit vorwegzunehmen.

48

Was die nationalen Verwaltungsverfahrensvorschriften anbelange, sprächen die Verwaltungsgerichte Recht, indem sie das Handeln der öffentlichen Verwaltung unter dem Gesichtspunkt der Rechtmäßigkeit prüften. Diese Gerichte entschieden innerhalb der Grenzen des Streitgegenstands, aber ohne an die in der Klageschrift angeführten Klagegründe, die Klageanträge und die Rechtsgrundlage gebunden zu sein, was im Wesentlichen bedeute, dass sie eine umfassende Rechtmäßigkeitsprüfung des angefochtenen Rechtsakts vornähmen. Die geltend gemachten Klagegründe hätten daher nur eine Indizwirkung, und das Urteil könne andere Unregelmäßigkeiten berücksichtigen als diejenigen, die der Kläger vorbringe.

49

Außerdem entfalte nach Art. 170 der Verwaltungsgerichtsordnung das rechtskräftige verwaltungsgerichtliche Urteil eine Wirkung erga omnes.

50

Folglich zeitige zum einen ein etwaiges rechtskräftiges verwaltungsgerichtliches Urteil, mit der die Rechtswidrigkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Entscheidung festgestellt werde, weder für die Adressaten dieser Entscheidung noch für die anderen aufgrund ihres rechtlichen Interesses von der Entscheidung betroffenen Personen eine Wirkung, die für sie unmittelbar Rechte und Pflichten begründe. Zum anderen könnten Personen, die nicht Partei des Verwaltungsverfahrens gewesen seien, das zu dieser Entscheidung geführt habe, und die selbst keine Klage gegen diese Entscheidung erhoben hätten, deren rechtliches Interesse aber durch die etwaige Rechtswidrigkeit der Entscheidung verletzt worden sei, vor den ordentlichen Gerichten unter Berufung auf dieses Urteil Schadensersatzklagen erheben.

51

Insoweit fragt sich das vorlegende Gericht, ob der polnische Gesetzgeber zu Recht davon ausgegangen sei, dass es zur Erfüllung der sich aus Art. 85 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59, Art. 47 der Charta und Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV ergebenden Anforderungen erforderlich sei, jeder Person, deren Rechtsschutzinteresse durch eine Entscheidung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende verletzt worden sei, eine Klagebefugnis vor den Verwaltungsgerichten zuzuerkennen.

52

Das vorlegende Gericht hält die Antwort auf die erste Vorlagefrage im Hinblick auf seine Pflicht zur Bestimmung der Prozessparteien des gerichtlichen Verfahrens und die Bearbeitung der bei ihm anhängigen Klagen für relevant, da die Klage vor den ordentlichen Gerichten, die die betroffenen Personen nach polnischem Recht erheben könnten, um ihre durch die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Entscheidung möglicherweise verletzten Rechte geltend zu machen, in Verbindung mit den Verfahrensvorschriften vor den Verwaltungsgerichten als geeignet und ausreichend angesehen werden könne, um einen wirksamen Schutz der Rechte dieser Personen zu gewährleisten.

53

Als Zweites ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass, wenn dies nicht der Fall sein sollte, in Anbetracht der Vielzahl der gegen die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Entscheidung erhobenen Klagen die Folgen zu prüfen seien, die sich aus der Bestimmung des nationalen Verfahrensrechts ergäben, nach der es alle diese Klagen zu gemeinsamem Verfahren verbinden müsse. Es fragt sich, ob es diese Bestimmung unangewendet lassen dürfe, um anderen Personen als dem in Abwicklung befindlichen Unternehmen, aber auch diesem Unternehmen einen wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten.

54

Der Zweck dieser Bestimmung bestehe im Wesentlichen darin, ein Verwaltungsgericht, bei dem mehrere Klagen gegen ein und denselben Rechtsakt anhängig seien, am Erlass voneinander abweichender Urteile aufgrund einer getrennten Prüfung zu hindern.

55

Im vorliegenden Fall könne dieses Verfahrenserfordernis den Erlass des den Rechtszug beendenden Urteils erheblich verzögern. Es könne damit die Ausübung der diesen Personen durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren, was dem Effektivitätsgrundsatz zuwiderliefe.

56

Unter Berücksichtigung der Verfahrensvorschriften für die Prüfung von Klagen vor den Verwaltungsgerichten und der Wirkungen eines auf eine solche Klage hin ergangenen rechtskräftigen Urteils trage die Nichtanwendung dieses verfahrensrechtlichen Erfordernisses dadurch zur Durchsetzung der durch das Unionsrecht gewährleisteten Rechte bei, dass hierdurch dem Erfordernis einer beschleunigten Prüfung der Rechtmäßigkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Entscheidung gemäß Art. 85 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59 Genüge getan werden könne. Bei dieser Lesart würde das vorlegende Gericht über die erste vom Aufsichtsrat der GN Bank erhobene Klage entscheiden.

57

Als Drittes ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass bei der Überprüfung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Entscheidung zu prüfen sei, ob der BFG bei ihrem Erlass das Erfordernis der operativen Unabhängigkeit und der Vermeidung von Interessenkonflikten zwischen den verschiedenen Funktionen der nationalen Abwicklungsbehörde im Sinne von Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59 insbesondere im Hinblick darauf beachtet habe, dass die Abwicklungsfunktionen durch diese Behörde mit den Funktionen des vorläufigen Verwalters der GN Bank, die sie zuvor ausgeübt habe, und den Garantiefunktionen für Bankeinlagen kumuliert würden.

58

Insoweit ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass zwar die Aufsichtsfunktion im engeren Sinne von der Finanzaufsichtskommission wahrgenommen werde, ein vorübergehender Verwalter aber gleichwohl von dieser Aufsichtsbehörde bestellt werde und die ihm von der Aufsichtsbehörde übertragenen Funktionen ausübe. Aus diesen Gründen könne nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die Ausübung der Funktionen eines vorläufigen Verwalters durch den BFG den Erlass geeigneter Vorschriften erfordere, um seine operative Unabhängigkeit als nationale Abwicklungsbehörde zu gewährleisten und Interessenkonflikte zu vermeiden.

59

Außerdem berge die Kumulierung der Abwicklungs- und der Einlagensicherungsfunktion durch den BFG mangels struktureller Trennung und organisatorischer Unabhängigkeit die Gefahr, dass mit den von dieser Behörde getroffenen Maßnahmen in Bezug auf eine Bank, deren Lage ein Ausfallrisiko darstelle, darauf abgezielt werde, den Einsatz von Mitteln zu minimieren, die der Behörde im Rahmen ihrer Garantiefunktion für Bankeinlagen zur Verfügung stünden und bei einem Ausfall der betreffenden Bank wegen dieser Garantie freizugeben seien.

60

Im Übrigen stelle sich die Frage, ob trotz des Fehlens von Bestimmungen im BFG-Gesetz, die eine strukturelle Trennung zwischen der Abwicklungsfunktion und den sonstigen Funktionen des BFG gewährleisteten, davon ausgegangen werden könne, dass das Ziel der operativen Unabhängigkeit und der Vermeidung von Interessenkonflikten erreicht worden sei, wenn hierfür andere, als ausreichend angesehene Maßnahmen ergriffen worden seien.

61

Daher hat der Wojewódzki Sąd Administracyjny w Warszawie (Woiwodschaftsverwaltungsgericht Warschau) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Ist Art. 85 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2014/59 in Verbindung mit Art. 47 der Charta und Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV dahin auszulegen, dass dann, wenn der Aufsichtsrat eines Unternehmens in Abwicklung vor dem nationalen Verwaltungsgericht Klage gegen eine Entscheidung in einer Abwicklungssache erhoben hat, ein wirksames Rechtsmittel auch denjenigen Personen zur Verfügung steht, die mit der Anfechtung dieser Entscheidung ihr Rechtsschutzinteresse wahren möchten, wenn das Gericht bei der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung nicht an die Klagegründe und die Anträge der Klageschrift oder an die geltend gemachte Rechtsgrundlage gebunden ist und ein aufgrund der Prüfung dieser Klage ergangenes rechtskräftiges Urteil gegen alle (erga omnes) wirkt und wenn die Möglichkeit für diese Personen, den Schutz ihrer rechtlichen Interessen zu erlangen, nicht davon abhängt, dass sie gegen diese Entscheidung eine eigene Klage vor einem Verwaltungsgericht erheben?

2.

Sind Art. 85 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59, der das Erfordernis einer beschleunigten gerichtlichen Prüfung einführt, und Art. 47 der Charta sowie Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, die einen wirksamen Rechtsschutz vorsehen, dahin auszulegen, dass sie der Anwendung einer Verfahrensbestimmung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die ein nationales Verwaltungsgericht verpflichtet, alle bei ihm anhängigen Klagen gegen eine Entscheidung der Abwicklungsbehörde gemeinsam zu prüfen, wenn die Anwendung dieser Bestimmung zusammen mit anderen Erfordernissen des nationalen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die Entscheidung des Falles innerhalb einer angemessenen Frist wegen der beträchtlichen Anzahl solcher Rechtsbehelfe übermäßig erschwert, wenn nicht überhaupt unmöglich macht?

3.

Ist Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59 dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat erlaubt, keine – der Sicherstellung der operativen Unabhängigkeit und der Vermeidung von Interessenkonflikten dienende – strukturelle Trennung der Funktionen der Abwicklungsbehörde von den anderen Funktionen dieser Behörde als gesetzliche Bankeinlagensicherung oder als Kurator (vorläufiger Verwalter) der Bank, der auf der Grundlage einer Entscheidung der zuständigen nationalen Behörde für die Aufsicht im Sinne der Verordnung Nr. 575/2013 und der Richtlinie 2013/36 bestellt wurde, vorzunehmen?

4.

Ist Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59 dahin auszulegen, dass für den Fall, dass ein Mitgliedstaat keine geeigneten strukturellen Vorkehrungen getroffen hat, um eine operative Unabhängigkeit sicherzustellen und Interessenkonflikte zwischen den Aufsichtsfunktionen gemäß der Verordnung Nr. 575/2013 und der Richtlinie 2013/36 oder anderen Funktionen der zuständigen Behörde und den Funktionen der Abwicklungsbehörde zu vermeiden, die Bedingung der operativen Unabhängigkeit und der Vermeidung von Interessenkonflikten als erfüllt angesehen werden kann, wenn das nationale Verwaltungsgericht, das die Entscheidung über die Abwicklung überprüft, davon überzeugt ist, dass die anderen organisatorischen Vorkehrungen und faktischen Maßnahmen, die die Abwicklungsbehörde getroffen hat, ausreichend waren, um diese Wirkung zu erzielen?

Zu den Vorlagefragen

Zur zweiten Frage

62

Mit seiner zweiten Frage, die als Erstes zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 85 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59 in Verbindung mit Art. 47 der Charta und Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV dahin auszulegen ist, dass er der Anwendung einer nationalen Verfahrensbestimmung entgegensteht, nach der das Gericht, das für Klagen gegen eine Entscheidung der nationalen Abwicklungsbehörde zur Einleitung einer Krisenmanagementmaßnahme zuständig ist, alle bei ihm gegen diese Entscheidung erhobenen Klagen miteinander zu verbinden hat, wenn die Anwendung dieser Bestimmung angesichts der beträchtlichen Zahl an Klagen gegen diese Entscheidung die Verkündung eines Urteils innerhalb angemessener Frist übermäßig erschweren oder gar unmöglich machen könnte.

Zur Zulässigkeit

63

Die polnische Regierung hält die zweite Frage für unzulässig.

64

Eine Antwort auf diese Frage sei überflüssig, da das vorlegende Gericht die gegen die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Entscheidung erhobenen Klagen, die am 26. Januar 2023 bei ihm anhängig gewesen seien, bereits miteinander verbunden habe, so dass es nun nicht mehr in der Lage sei, gesondert nur über die Klage des Aufsichtsrats der GN Bank zu entscheiden.

65

Insoweit geht bereits aus dem Wortlaut der zweiten Frage hervor, dass das vorlegende Gericht bezweifelt, ob die durch das nationale Recht auferlegte Verpflichtung, die zahlreichen bei ihm anhängigen Klagen zu verbinden, mit dem Erfordernis in Einklang gebracht werden könne, beschleunigt oder zumindest innerhalb angemessener Frist zu entscheiden; dieses Erfordernis ergebe sich aus den Bestimmungen des Unionsrechts, um deren Auslegung es ersuche. Eine Beantwortung dieser Frage bleibt jedoch ungeachtet der Verbindung der meisten beim vorlegenden Gericht anhängigen Klagen zweckdienlich, da sie das vorlegende Gericht dazu veranlassen könnte, ihre Verbindung wegen Unvereinbarkeit mit dem Unionsrecht für ungültig zu erachten und demnach zu entscheiden, die Prozessverbindung dieser Klagen aufzulösen.

66

Die zweite Frage ist daher zulässig.

Zur Beantwortung der Vorlagefrage

67

Nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die erforderlichen Rechtsbehelfe zu schaffen, damit den Einzelnen die Wahrung ihres Anspruchs auf einen wirksamen Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet wird (Urteil vom 21. Dezember 2021, Randstad Italia, C‑497/20, EU:C:2021:1037, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dieses Erfordernis eines wirksamen Rechtsschutzes ist namentlich im Sinne von Art. 47 der Charta zu verstehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juli 2021, Kommission/Polen [Disziplinarordnung für Richter], C‑791/19, EU:C:2021:596, Rn. 57). Im Übrigen wird in den Erwägungsgründen 88 und 130 der Richtlinie 2014/59 hervorgehoben, dass diese im Einklang mit den Rechten, den Grundfreiheiten und den mit der Charta anerkannten Grundsätzen steht, vor allem dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, wobei die betroffenen Parteien u. a. das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Maßnahmen haben, die sie betreffen.

68

Nach Art. 47 Abs. 2 der Charta umfasst das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf u. a. das Recht jeder Person, dass ihre Sache innerhalb einer angemessenen Frist verhandelt wird. Die Angemessenheit der Entscheidungsfrist ist anhand der Umstände jedes Einzelfalls, insbesondere anhand der Interessen, die in dem Rechtsstreit für den Betroffenen auf dem Spiel stehen, der Komplexität des Falles sowie des Verhaltens der Parteien zu beurteilen, wobei die Aufzählung der relevanten Kriterien nicht abschließend ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. September 2008, FIAMM u. a./Rat und Kommission, C‑120/06 P und C‑121/06 P, EU:C:2008:476, Rn. 212, sowie vom 16. Juli 2009, Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland/Kommission, C‑385/07 P, EU:C:2009:456, Rn. 181 und 182 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

69

Was das Recht, Entscheidungen der nationalen Abwicklungsbehörden zur Einleitung von Krisenmanagementmaßnahmen anzufechten, anbelangt, so konkretisiert Art. 85 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59 das in Art. 47 der Charta verankerte Recht einer jeden Person, dass ihre Sache innerhalb angemessener Frist verhandelt wird, indem verlangt wird, dass die gerichtliche Prüfung, auf die jeder von einer Entscheidung zur Einleitung einer solchen Maßnahme betroffenen Person ein Recht zusteht, „beschleunigt erfolgt“.

70

Hinsichtlich des Kriteriums der Interessen, die in dem Rechtsstreit für die Personen auf dem Spiel stehen, die von den Entscheidungen der nationalen Abwicklungsbehörde zur Einleitung von Krisenmanagementmaßnahmen betroffen sind, d. h. die betroffenen Institute oder Unternehmen, ihre Anteilseigner, ihre Gläubiger und alle anderen potenziell beteiligten Dritten, hängt die Beurteilung der Angemessenheit der Entscheidungsfrist im Rahmen der Prüfung nach Art. 85 Abs. 3 insbesondere davon ab, das dem grundlegenden Erfordernis, Rechtssicherheit für alle diese Personen zu schaffen, so rasch wie möglich Genüge getan werden muss, da diese Maßnahmen außergewöhnliche Entscheidungen betreffen, die Ausnahmecharakter haben sowie beträchtliche Folgen zeitigen und die, wie u. a. im 92. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/59 hervorgehoben wird, angesichts des Ausmaßes der Risiken, denen sie entgegenwirken sollen, dringend zu treffen sind.

71

Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich nämlich, dass Erwägungen im Zusammenhang mit dem Gebot der Rechtssicherheit, der Bedeutung der Fragen und der berührten finanziellen Interessen sowie der großen Zahl potenziell betroffener Personen im Rahmen der Beurteilung der Angemessenheit der Frist, innerhalb deren eine gerichtliche Prüfung zu erfolgen hat, zu berücksichtigen sind (vgl. entsprechend Urteil vom 26. November 2013, Groupe Gascogne/Kommission, C‑58/12 P, EU:C:2013:770, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72

Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass Art. 85 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59 gemäß Art. 51 Abs. 1 der Charta in der geltenden nationalen Regelung dadurch umgesetzt wurde, dass die verschiedenen Beteiligten verpflichtet sind, die in Art. 104 des BFG-Gesetzes vorgesehenen kurzen Fristen einzuhalten, d. h. Zeiträume, die in der Regel auf sieben Tage für die Übermittlung einer Klage an den BFG, 14 Tage für die Einreichung der Klage zusammen mit ihrer Klagebeantwortung durch den BFG, 30 Tage bis zur Verkündung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts und zwei Monate für die Entscheidung über eine etwaige Kassationsbeschwerde begrenzt sind. Daher ist davon auszugehen, dass die vorliegende Frage die Auslegung von Art. 47 der Charta betrifft.

73

Das vorlegende Gericht führt jedoch aus, dass eine allgemein anwendbare nationale Verfahrensbestimmung, nämlich Art. 111 § 1 der Verwaltungsgerichtsordnung, augenscheinlich ein Hindernis für das Recht eines Einzelnen zur Verhandlung seiner Sache vor dem angerufenen Gericht innerhalb angemessener Frist bereiten könne, da diese Bestimmung verlange, dass Rechtssachen, die Klagen gegen dieselbe Entscheidung beträfen, zu gemeinsamer Prüfung und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden würden. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die Zahl der gegen die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Entscheidung erhobenen Klagen der Zahl sämtlicher bei ihm üblicherweise innerhalb von zwei Jahren erhobenen Klagen entspreche und dass ihre gemeinsame Bearbeitung geeignet sei, die Verkündung eines Urteils über einen angemessenen Zeitraum hinaus zu verzögern.

74

Indessen gilt ungeachtet dessen, dass die Verbindung konnexer Rechtssachen im Allgemeinen zu einer geordneten Rechtspflege beitragen kann, für Klagen gegen Entscheidungen über den Erlass einer Krisenmanagementmaßnahme, die eine beträchtliche Zahl von Personen betreffen und daher zu zahlreichen Klagen führen können, etwas anderes: Eine derartige Verbindung kann in einem solchen Fall nämlich für mehrere Jahre einer gerichtlichen Prüfung entgegenstehen, was dem in Art. 47 der Charta verankerten Recht zuwiderläuft, dass die Sache jeder Person innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.

75

Unter diesen Umständen ist zum einen darauf hinzuweisen, dass nach dem Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts die nationalen Gerichte, um bei der Entscheidung über die bei ihnen anhängigen Rechtssachen im Rahmen ihrer Zuständigkeit die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten, bei der Anwendung des innerstaatlichen Rechts dieses so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der in Rede stehenden Richtlinie auslegen müssen, um das in ihr festgelegte Ziel zu erreichen und so Art. 288 Abs. 3 AEUV nachzukommen. Zwar findet diese Verpflichtung in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, insbesondere im Grundsatz der Rechtssicherheit und im Rückwirkungsverbot, ihre Schranken und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen, jedoch obliegt es den nationalen Gerichten, unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der danach anerkannten Auslegungsmethoden alles zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der Richtlinie zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel übereinstimmt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Februar 2021, M. V. u. a. [Aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor], C‑760/18, EU:C:2021:113, Rn. 65, 67 und 68 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

76

Zum anderen ist das nationale Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsrechts anzuwenden hat, als Organ eines Mitgliedstaats nach dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts verpflichtet, für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede Bestimmung des nationalen Rechts, die einer Bestimmung des Unionsrechts mit unmittelbarer Wirkung in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit entgegensteht, aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Juni 2019, Popławski, C‑573/17, EU:C:2019:530, Rn. 58 und 61 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

77

Im vorliegenden Fall haben die Bestimmungen von Art. 47 der Charta unmittelbare Wirkung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. April 2021, Braathens Regional Aviation, C‑30/19, EU:C:2021:269, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

78

Daher obliegt es insbesondere dem vorlegenden Gericht, erforderlichenfalls die Bestimmungen des nationalen Verfahrensrechts, die ihm verbieten, die Prozessverbindung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Klagen aufzuheben, unangewendet zu lassen, sofern diese Bestimmungen nicht so ausgelegt werden können, um das in Art. 47 der Charta verankerte Recht jeder Person darauf zu wahren, dass ihre Sache innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.

79

Außerdem hat die polnische Regierung in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof darauf hingewiesen, dass es das polnische Recht in Fällen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden zulasse, die Prozessverbindung dieser Rechtssachen aufzuheben, wenn diese Verbindung für ungültig erklärt werde. Allerdings würden diese Rechtssachen im Fall einer Trennung parallel von verschiedenen Richtern behandelt, was die Gefahr einander widersprechender Urteile mit sich bringe: Eine Verfahrensmodalität, anhand der sowohl das in Art. 47 der Charta verankerte Recht jeder Person gewahrt werden könne, dass die Sache innerhalb angemessener Frist verhandelt werde, als auch die Gefahr einander widersprechender Urteile vermieden werden könne, gebe es nicht.

80

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das in Art. 47 der Charta verankerte Erfordernis eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes u. a. für die Festlegung der Verfahrensmodalitäten für Klagen gilt, die auf die dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gestützt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Mai 2022, Ibercaja Banco, C‑600/19, EU:C:2022:394, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

81

Mangels einschlägiger unionsrechtlicher Vorschriften sind die Modalitäten der Umsetzung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf von Personen, die von einer Entscheidung einer nationalen Behörde zum Erlass eine Krisenmanagementmaßnahme betroffen sind, nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten, wobei jedoch die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität gewahrt sein müssen (vgl. entsprechend Urteil vom 24. Oktober 2018, XC u. a., C‑234/17, EU:C:2018:853, Rn. 21 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

82

Um den Anforderungen des in Art. 47 Abs. 1 der Charta verankerten Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes zu genügen, obliegt es dem nationalen Gericht, die erforderlichen verfahrensrechtlichen und organisatorischen Maßnahmen zu ergreifen, indem es die verschiedenen beteiligten Interessen gegeneinander abwägt und die Auswirkung dieser Maßnahmen auf jede Person beurteilt, die gemäß Art. 85 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59 wirksam Klage gegen die Entscheidung der nationalen Abwicklungsbehörde erhoben hat. Zur Gewährleistung der vollen Wirksamkeit der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte in der zu erlassenden gerichtlichen Entscheidung muss das nationale Gericht daher im Fall einer Aufhebung der Prozessverbindung die Möglichkeit haben, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sowohl die Wahrung des in Art. 47 der Charta verankerten Rechts jeder Person darauf zu gewährleisten, dass ihre Sache innerhalb angemessener Frist verhandelt wird, als auch die Gefahr einander widersprechender Urteile verschiedener Richter zu vermeiden.

83

Im vorliegenden Fall ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob es, um die volle Wirksamkeit der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte in der zu erlassenden gerichtlichen Entscheidung zu gewährleisten, erforderlich ist, zunächst eines oder mehrere Verfahren zu bearbeiten, die eine oder mehrere Klagen gegen eine Entscheidung der Abwicklungsbehörde wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende betreffen, und parallel hierzu die anderen diese Entscheidung betreffenden Verfahren auszusetzen.

84

Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass er der Anwendung einer nationalen Verfahrensbestimmung entgegensteht, nach der das Gericht, das für Klagen gegen eine Entscheidung der nationalen Abwicklungsbehörde zur Einleitung einer Krisenmanagementmaßnahme zuständig ist, alle bei ihm gegen diese Entscheidung erhobenen Klagen miteinander zu verbinden hat, wenn die Anwendung dieser Bestimmung gegen das Recht jeder Person verstößt, dass ihre Sache innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.

Zur ersten Frage

Zur Zulässigkeit

85

Der BFG und die polnische Regierung halten die erste Frage für unzulässig, bei der es darum geht, ob es einem mit zahlreichen Klagen gegen eine Entscheidung der nationalen Abwicklungsbehörde zur Einleitung einer Krisenmanagementmaßnahme befassten Gericht möglich ist, lediglich über eine dieser Klagen zu entscheiden, sofern es eine Rechtmäßigkeitsprüfung vornimmt und sein Urteil eine Wirkung erga omnes entfaltet.

86

Nach Ansicht des BFG ist deren Beantwortung für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht erforderlich. Es handele sich nämlich um technische Aspekte des Ablaufs des Gerichtsverfahrens, die keine Auslegung des Unionsrechts erforderten, da das vorlegende Gericht keine Zweifel an der Vereinbarkeit der dieses Verfahren regelnden nationalen Bestimmungen mit dem Unionsrecht geäußert habe.

87

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung allein Sache des nationalen Gerichts ist, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der Fragen zu beurteilen, die es dem Gerichtshof vorlegt, wobei für die Fragen eine Vermutung der Entscheidungserheblichkeit gilt. Der Gerichtshof ist folglich grundsätzlich gehalten, über die ihm vorgelegte Frage zu befinden, wenn sie die Auslegung oder die Gültigkeit einer Vorschrift des Unionsrechts betrifft, es sei denn, dass die erbetene Auslegung offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, dass das Problem hypothetischer Natur ist oder dass der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der Frage erforderlich sind (Urteil vom 21. Dezember 2021, Trapeza Peiraios, C‑243/20, EU:C:2021:1045, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

88

Im vorliegenden Fall kann sich die Auslegung des Unionsrechts, um die mit der vorliegenden Frage ersucht wird, auf die verfahrensrechtliche Behandlung des Ausgangsverfahren – vorbehaltlich der Antwort auf die zweite Frage – insofern auswirken, als dieses Verfahren aus der Gesamtheit der gegen die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Entscheidung erhobenen Rechtsbehelfe hervorgeht, die neben der vom Aufsichtsrat der GN Bank erhobenen Klage verhandelt werden. Außerdem zieht das vorlegende Gericht entgegen dem Vorbringen des BFG ausdrücklich die Möglichkeit in Betracht, dass die Verpflichtung, sämtliche bei ihm anhängigen Klagen zu prüfen, es dazu zwinge, gegen seine Verpflichtung zur beschleunigten Entscheidung zu verstoßen.

89

Die polnische Regierung hält dagegen eine Antwort auf die erste Frage aus den gleichen Gründen wie den in Rn. 64 des vorliegenden Urteils dargelegten für nicht zweckdienlich.

90

Ungeachtet der Verbindung der unterschiedlichen Klagen, mit denen das vorlegende Gericht befasst wurde, bleibt eine Beantwortung der Frage jedoch deshalb zweckdienlich, weil das vorlegende Gericht im Licht der Antwort auf die zweite Frage zu der Auffassung gelangen könnte, dass die Verbindung dem in Art. 47 der Charta verankerten Recht jeder Person auf Verhandlung ihrer Sache innerhalb angemessener Frist zuwiderlaufe, was es diesem Gericht ermöglichen würde, erstens die Prozessverbindung der Klagen aufzuheben und zweitens die in Rn. 83 des vorliegenden Urteils genannte Prüfung vorzunehmen.

91

Die erste Frage ist daher zulässig.

Zur Beantwortung der Vorlagefrage

92

Vorab ist festzustellen, dass Art. 85 Abs. 2 der Richtlinie 2014/59, auch wenn er in der ersten Frage erwähnt wird, im Hinblick auf die Umstände des Ausgangsverfahrens nicht relevant ist. Diese Bestimmung betrifft nämlich das Recht auf Einlegung eines Rechtsmittels gegen eine Entscheidung zur Einleitung einer Krisenpräventionsmaßnahme oder einer Entscheidung zur Ausübung irgendeiner anderen Befugnis gemäß dieser Richtlinie, während die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Entscheidung, die im Wesentlichen darauf abzielt, die GN Bank einer Abwicklung zu unterziehen, eine „Abwicklungsmaßnahme“ und damit eine „Krisenmanagementmaßnahme“ im Sinne von Art. 2 Nrn. 40 und 102 der Richtlinie darstellt.

93

Folglich ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 85 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59 in Verbindung mit Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass, wenn ein nationales Gericht mit mehreren Klagen gegen eine Entscheidung der nationalen Abwicklungsbehörde zur Einleitung einer Krisenmanagementmaßnahme befasst ist, deren eine von einem Organ des in Abwicklung befindlichen Instituts erhoben wurde, die Prüfung der Begründetheit allein dieser Klage den Schluss zulässt, dass das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf im Hinblick auf jede weitere Person gewahrt wurde, die ebenfalls eine Klage gegen diese Entscheidung eingelegt hat, sofern dieses Gericht zum einen eine Rechtmäßigkeitsprüfung vornimmt, ohne an die Klagegründe, die Anträge und die Rechtsgrundlage der von ihm geprüften Klage gebunden zu sein, und zum anderen ein Urteil mit Wirkung erga omnes erlässt, auf das sich jede von der Entscheidung betroffene Person stützen kann, um Ersatz des Schadens zu erlangen, der ihr durch diese Entscheidung entstanden sein soll.

94

Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 85 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59 jede von einer Entscheidung zur Einleitung einer Krisenmanagementmaßnahme betroffene Person das Recht haben muss, diese Entscheidung gerichtlich anzufechten.

95

Zwar berührt nach Art. 85 Abs. 4 Unterabs. 2 dieser Richtlinie die Aufhebung einer Entscheidung einer Abwicklungsbehörde nicht die Verwaltungsakte oder Transaktionen, die aufgrund der aufgehobenen Entscheidung dieser Abwicklungsbehörde erfolgten, wenn dies zum Schutz der Interessen Dritter, die gutgläubig gehandelt haben, erforderlich ist, wobei die rechtliche Abhilfe für den Fall einer unrechtmäßigen Entscheidung oder Maßnahme der Abwicklungsbehörden auf eine Entschädigung des vom Antragsteller infolge der Entscheidung oder Maßnahme erlittenen Verlusts beschränkt ist.

96

Nach polnischem Recht wird nicht verlangt, dass die Person, die von einer vom BFG als Abwicklungsbehörde erlassenen Krisenmanagementmaßnahme betroffen ist, selbst die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme vor dem nationalen Verwaltungsgericht angefochten hat, damit sie einen Antrag auf Ersatz des Schadens stellen kann, der ihr durch diese Maßnahme entstanden sein soll, da sich diese Person zur Stützung dieses Antrags auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme berufen kann, die durch ein Urteil dieses Gerichts festgestellt wurde, das über die Klage eines anderen Betroffenen entschieden hat.

97

Sollte im vorliegenden Fall mit dem Urteil über die Klage des Aufsichtsrats der GN Bank diese Klage jedoch als unbegründet abgewiesen werden, könnten die anderen Kläger des Ausgangsverfahrens wegen der Wirkung erga omnes eines solchen Urteils keinen Antrag auf Ersatz ihres Schadens stellen. Diesen anderen Klägern würde damit das Recht genommen, ihre eigenen Klagegründe zur Stützung ihrer Klage gegen die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Entscheidung geltend zu machen, obwohl diese Klagegründe nicht Gegenstand einer kontradiktorischen Erörterung waren, mittels der gewährleistet wird, dass die Kläger sowohl von den tatsächlichen als auch den rechtlichen Gesichtspunkten, die für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sind, Kenntnis erlangen und diese erörtern können.

98

Grundrechte wie das durch Art. 47 der Charta garantierte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf werden nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs zwar nicht schrankenlos gewährleistet, sondern können Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen und keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. September 2013, Texdata Software, C‑418/11, EU:C:2013:588, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung).

99

Entzöge man indessen einem von einer Entscheidung der nationalen Abwicklungsbehörde zur Einleitung einer Krisenmanagementmaßnahme Betroffenen das Recht, nach Art. 85 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59 eine Entscheidung über einen von ihm ordnungsgemäß eingelegten Rechtsbehelf durch ein mit Gründen versehenes Urteil zu erwirken, wäre dessen Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf in seinem Wesensgehalt angetastet.

100

Daher kann sich das vorlegende Gericht hier in dem in Rn. 97 des vorliegenden Urteils genannten Fall nicht auf die Wirkung erga omnes eines Urteils über eine Klage wie die vom Aufsichtsrat der GN Bank erhobene berufen, um jeder anderen betroffenen Person eine angemessene Möglichkeit zu entziehen, ihren Standpunkt vorzutragen.

101

Im Übrigen bedeutet der Umstand, dass das nationale Verwaltungsgericht befugt ist, die Rechtmäßigkeit einer vor ihm angefochtenen Entscheidung unabhängig von den Klagegründen, den Anträgen und der Rechtsgrundlage einer gegen diese Entscheidung erhobenen Klage im Hinblick auf jedwede Rechtsgrundlage und jedweden Klagegrund zu prüfen, nicht, dass dieses Gericht diese Entscheidung notwendigerweise im Hinblick auf jeden relevanten Klagegrund geprüft hat. Es lässt sich nämlich nicht ausschließen, dass in einer der Klagen, die nicht geprüft worden sind, tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte angeführt werden, die im Rahmen dieser Prüfung nicht berücksichtigt worden sind.

102

Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 85 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59 in Verbindung mit Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass, wenn ein nationales Gericht mit mehreren Klagen gegen eine Entscheidung der nationalen Abwicklungsbehörde zur Einleitung einer Krisenmanagementmaßnahme befasst ist, deren eine von einem Organ des in Abwicklung befindlichen Instituts erhoben wurde, die Abweisung allein dieser Klage als unbegründet nicht den Schluss zulässt, dass das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf im Hinblick auf jede weitere von dieser Entscheidung betroffene Person gewahrt wurde, die ebenfalls eine Klage gegen diese Entscheidung erhoben hat und sich auf Klagegründe gestützt hat, die in dem ergangenen Urteil nicht berücksichtigt worden sind und jedenfalls nicht Gegenstand einer kontradiktorischen Erörterung waren, die es dieser Person ermöglicht hätte, ihren Standpunkt vorzutragen.

Zur dritten Frage

103

Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59 dahin auszulegen ist, dass diese Bestimmung in einer Situation nicht anwendbar ist, in der die nationale Abwicklungsbehörde auch Funktionen des vorläufigen Verwalters im Sinne von Art. 29 dieser Richtlinie und der Einlagensicherung im Sinne der Richtlinie 2014/49 ausübt, weswegen sie keine strukturellen Vorkehrungen zur Gewährleistung der operativen Unabhängigkeit dieser Behörde und zur Vermeidung von Interessenkonflikten in Bezug auf diese Funktionen vorschreibt.

Zur Zulässigkeit

104

Die polnische Regierung macht die Unzulässigkeit der dritten Frage geltend, die sie für hypothetisch hält, und begründet dies im Wesentlichen damit, dass das vorlegende Gericht den Zusammenhang zwischen Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59 und der Rechtmäßigkeitsprüfung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Entscheidung nicht erläutere.

105

Es ist jedoch festzustellen, dass die Antwort auf diese Frage im Zusammenhang mit bestimmten, im Vorabentscheidungsersuchen angeführten Gründen steht, die die Kläger des Ausgangsverfahrens vor dem vorlegenden Gericht geltend gemacht haben und die sich im Wesentlichen auf die vermeintliche Auswirkung der angeblich fehlenden Unabhängigkeit des als Abwicklungsbehörde fungierenden BFG auf die Rechtmäßigkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Entscheidung beziehen.

106

Diese Frage ist daher zulässig.

Zur Beantwortung der Vorlagefrage

107

Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2014/59 stellt den Grundsatz auf, dass Abwicklungsfunktionen von öffentlichen Verwaltungsbehörden oder mit den Befugnissen einer öffentlichen Verwaltungsbehörde ausgestatteten Behörden wahrgenommen werden müssen. Im Übrigen ergibt sich aus Art. 3 Abs. 3 dieser Richtlinie, dass diese Behörden andere Funktionen ausüben können, wobei es sich bei der Abwicklungsbehörde sogar um die für die Zwecke der Verordnung Nr. 575/2013 und der Richtlinie 2013/36 zuständige Aufsichtsbehörde handeln kann. Für den Fall, dass mehrere Funktionen ausgeübt werden, sieht Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie jedoch vor, dass angemessene strukturbezogene Regelungen zu erlassen sind, um die operative Unabhängigkeit sicherzustellen und Interessenkonflikte zu vermeiden.

108

Die in Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59 genannten Anforderungen an die operative Unabhängigkeit und die Prävention von Interessenkonflikten betreffen in einem solchen Kontext, wie der Generalanwalt in den Nrn. 34 und 36 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, das mit der Ausübung mehrerer Funktionen durch ein und dieselbe Stelle einhergehende Risiko, dass die Entscheidungsfindung der als Abwicklungsbehörde handelnden Stelle verzerrt wird, und sollen diese Entscheidungsfindung vor jeglicher Einflussnahme schützen, die außerhalb des Abwicklungsauftrags liegt, damit diese Stelle bei der Erfüllung dieses Auftrags ausschließlich die mit dem Abwicklungsmechanismus verbundenen Ziele verfolgt.

109

Insoweit ergibt sich aus der sehr weiten Formulierung in Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59, in der von „Aufsichtsfunktionen … oder anderen Funktionen der jeweiligen Behörde“ oder „Aufsichtsfunktionen oder sonstigen Funktionen“ dieser Behörde die Rede ist, sowie daraus, dass insbesondere die „mit den Befugnissen einer öffentlichen Verwaltungsbehörde ausgestatteten Behörden“ in Art. 3 Abs. 3 dieser Richtlinie Gegenstand einer allgemeinen Formulierung sind, dass der Unionsgesetzgeber diese Anforderungen im Hinblick auf alle sonstigen von der Abwicklungsbehörde ausgeübten Funktionen aufstellen wollte, sobald deren Eigenart ein solches objektives Risiko mit sich bringt.

110

Bei den Funktionen des vorläufigen Verwalters im Sinne von Art. 29 der Richtlinie 2014/59 oder der Einlagensicherung im Sinne der Richtlinie 2014/49 ist dies sicherlich der Fall.

111

Aus Art. 29 im Licht des 40. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2014/59 sowie aus Art. 109 dieser Richtlinie geht nämlich u. a. hervor, dass diese Funktionen einen Bezug zum Abwicklungsmechanismus aufweisen, da zum einen die Bestellung eines vorläufigen Verwalters im Rahmen von Frühinterventionsmaßnahmen erfolgt, mit denen die Einleitung einer Abwicklung vermieden werden soll, an die sich jedoch die Einleitung eines solchen Verfahrens anschließen kann, und zum anderen ein Einlagensicherungssystem im Rahmen der Abwicklung in Anspruch genommen werden und gegebenenfalls eine Forderung gegen den Abwicklungsfinanzierungsmechanismus geltend machen kann. Es lässt sich folglich nicht ausschließen, dass die Ausübung einer dieser Funktionen durch die Abwicklungsbehörde Einfluss auf die Entscheidungsfindung im Rahmen der Abwicklungsfunktionen hat.

112

Im Übrigen ist es unerheblich, dass mit all diesen Funktionen der gleiche Zweck, nämlich im Wesentlichen die Finanzstabilität zu wahren, mit unterschiedlichen Mitteln verfolgt wird. Dies gilt nämlich auch für die in der Verordnung Nr. 575/2013 und der Richtlinie 2013/36 vorgesehenen Aufsichtsfunktionen, die in Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59 ausdrücklich als Funktionen ausgewiesen werden, hinsichtlich deren die operative Unabhängigkeit der Abwicklungsbehörde und die Prävention von Interessenkonflikten gewährleistet werden müssen.

113

Da schließlich, wie der Generalanwalt in Nr. 47 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, die Erfordernisse der Unabhängigkeit und der Prävention von Interessenkonflikten in Bezug auf Aufsichtsfunktionen und die sonstigen von der Abwicklungsbehörde ausgeübten Funktionen dieselben sind, braucht nicht geprüft zu werden, ob es sich bei den Funktionen des vorläufigen Verwalters ihrer Natur nach um Aufsichts- oder sonstige Funktionen handelt.

114

Nach alledem ist Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59 dahin auszulegen, dass diese Bestimmung in einer Situation anwendbar ist, in der die nationale Abwicklungsbehörde auch Funktionen des vorläufigen Verwalters im Sinne von Art. 29 dieser Richtlinie oder der Einlagensicherung im Sinne der Richtlinie 2014/49 ausübt, weswegen sie strukturelle Vorkehrungen zur Gewährleistung der operativen Unabhängigkeit dieser Behörde und zur Vermeidung von Interessenkonflikten in Bezug auf diese Funktionen vorschreibt.

Zur vierten Frage

Zur Zulässigkeit

115

Die polnische Regierung bestreitet die Zulässigkeit der vierten Frage, wobei sie die gleiche Argumentation vorbringt wie die in Rn. 104 des vorliegenden Urteils dargelegte; diese ist bereits aus der in Rn. 105 dieses Urteils genannten Begründung zurückgewiesen worden, so dass ein Verweis hierauf genügt.

116

Nach Ansicht des Aufsichtsrats der GN Bank befragt das vorlegende Gericht den Gerichtshof nicht zu der Auslegung des Unionsrechts, sondern zu der Würdigung des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens. Diese Frage sei außerdem hypothetisch, da davon ausgegangen werde, dass die Unvereinbarkeit der nationalen Regelung mit der Richtlinie 2014/59 durch nicht näher präzisierte Maßnahmen ausgeglichen werde.

117

Hierzu ist festzustellen, dass die Zulässigkeit dieser Frage nicht davon abhängig gemacht werden kann, dass das vorlegende Gericht konkrete Maßnahmen angibt, die der BFG ergriffen haben soll, um seine operative Unabhängigkeit zu gewährleisten und Interessenkonflikten im Rahmen seiner Tätigkeit als Abwicklungsbehörde für den Fall vorzubeugen, dass es möglich wäre, das Fehlen eines Regelungsrahmens durch solche Maßnahmen auszugleichen, da das vorlegende Gericht gerade prüfen möchte, ob eine solche Möglichkeit grundsätzlich mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

118

Im Übrigen steht es den nationalen Gerichten frei, den Gerichtshof in jedem Moment des Verfahrens, den sie für geeignet halten, zu befragen, wenn sie zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutern, auf denen die vorgelegten Fragen beruhen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 25. März 2022, IP u. a. [Feststellung des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens], C‑609/21, EU:C:2022:232, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

119

Außerdem ergibt sich aus den Erwägungen in Rn. 117 des vorliegenden Urteils, dass das vorlegende Gericht den Gerichtshof nicht um eine Würdigung von Tatsachen ersucht.

120

Die vorliegende Frage ist daher zulässig.

Zur Beantwortung der Vorlagefrage

121

Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59 dahin auszulegen ist, dass, wenn die nationale Abwicklungsbehörde auch „Aufsichtsfunktionen“ oder „sonstige Funktionen“ im Sinne dieser Bestimmung ausübt und interne schriftliche Vorschriften zur Gewährleistung der operativen Unabhängigkeit dieser Behörde sowie zur Prävention von Interessenkonflikten zwischen ihren Abwicklungsfunktionen und ihren übrigen Funktionen fehlen, sich die Einhaltung dieser Anforderungen gleichwohl aus der Einführung hierfür ausreichender organisatorischer und sonstiger Maßnahmen ergeben kann.

122

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass sich zum einen aus dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 3 der Richtlinie 2014/59 ergibt, dass die für die Zwecke dieser Bestimmung erforderlichen einschlägigen internen Vorschriften auf diesem Gebiet nicht nur von dem Mitgliedstaat selbst, sondern auch von der nationalen Abwicklungsbehörde erlassen werden können. Zum anderen verlangt diese Bestimmung auch, dass solche Vorschriften veröffentlicht werden.

123

Allerdings schreibt Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59 weder die Form vor, die diese Vorschriften im innerstaatlichen Recht aufweisen müssen, noch besondere Modalitäten für deren Veröffentlichung.

124

Folglich können organisatorische Maßnahmen und andere geeignete Maßnahmen dem Begriff „interne Vorschriften“ im Sinne dieser Bestimmung entsprechen, sofern sie hinreichend genau beschrieben werden. Im Übrigen kann die Veröffentlichung dieser internen Vorschriften mit allen zweckdienlichen Mitteln gewährleistet werden, sofern sie es allen Betroffenen ermöglicht, von diesen jederzeit Kenntnis zu nehmen.

125

Um dem vorlegenden Gericht eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zweckdienliche Antwort zu geben, sind in Anbetracht der Angaben im Vorabentscheidungsersuchen ferner folgende Erläuterungen angezeigt.

126

Was erstens den Inhalt der angemessenen strukturellen Vorkehrungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie 2014/59 betrifft, muss nach Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 dieser Richtlinie das Personal, das mit den Funktionen einer Abwicklungsbehörde betraut ist, strukturell getrennt von dem Personal sein, das die sonstigen Funktionen der jeweiligen Behörde ausübt, und von ihm getrennte Berichtswege haben.

127

Durch solche Anforderungen, die sich ausdrücklich auf das Personal beziehen, wird nicht vorgeschrieben, dass die Verwaltungsbehörde, die zusätzlich zu anderen Funktionen mit der Abwicklungsfunktion betraut wurde, über ein gesondertes Entscheidungsorgan verfügt, wenn sie als Abwicklungsbehörde handelt. Eine solche Verpflichtung würde nämlich dazu führen, dass die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, eine vorhandene Verwaltungsbehörde als Abwicklungsbehörde zu benennen, von keinem Nutzen wäre, da sie in der Praxis zwingend auf eine strukturelle Spaltung dieser Behörde hinausliefe.

128

Im Übrigen ist in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Generalanwalts in Nr. 49 seiner Schlussanträge festzustellen, dass in einem vergleichbaren Kontext die Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (ABl. 2013, L 287, S. 63) in ihrem Art. 25 Abs. 4 vorsieht, dass sowohl die Beschlüsse im Zusammenhang mit dem diesem Organ übertragenen aufsichtlichen Funktionen als auch diejenigen im Zusammenhang mit seinen geldpolitischen Funktionen in die Zuständigkeit des EZB-Rats fallen.

129

Ferner stellen diese Anforderungen kein Hindernis dafür dar, eine Verwaltungsbehörde, die zusätzlich zu anderen Funktionen Abwicklungsfunktionen ausübt, so zu organisieren, dass – unbeschadet der Vorschriften über das Berufsgeheimnis im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 3 der Richtlinie 2014/59, sofern sich solche Vorschriften als erforderlich erweisen, um die Vertraulichkeit von Informationen zu gewährleisten – bestimmte interne Abteilungen wie die Rechtsabteilung, die Personalabteilung oder technische Abteilungen sowohl für das Personal, das mit Abwicklungsfunktionen betraut ist, als auch für das Personal, das mit sonstigen Funktionen betraut ist, unterstützende Dienstleistungen erbringen.

130

Was zweitens die Folgen einer etwaigen Nichtveröffentlichung der in dieser Bestimmung vorgesehenen internen Vorschriften betrifft, so ist zum einen festzustellen, dass es sich um Vorschriften über die Arbeitsweise handelt, die als solche nicht bewirken, Einzelnen, die mit dem Entscheidungsverfahren innerhalb der Abwicklungsbehörde nichts zu tun haben, Rechte zu verleihen. Zum anderen hat die Veröffentlichung dieser Vorschriften im Wesentlichen eine Transparenzfunktion, mit der bezweckt wird, alle potenziell betroffenen Personen über Existenz und Inhalt dieser Vorschriften zu informieren, wobei insbesondere für die Anwendbarkeit dieser Vorschriften deren Veröffentlichung ohne Belang ist.

131

Aus diesen Erwägungen folgt, dass die Nichtveröffentlichung der in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 3 der Richtlinie 2014/59 genannten internen Vorschriften nicht automatisch zur Ungültigkeit der von der Abwicklungsbehörde getroffenen Entscheidungen führt. Wird jedoch bei der Prüfung eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung der Abwicklungsbehörde festgestellt, dass diese Vorschriften nicht veröffentlicht wurden, obliegt es dieser, nachzuweisen, dass diese Vorschriften trotz dieses Versäumnisses beachtet wurden und infolgedessen diese Entscheidung gemäß Art. 32 Abs. 5 der Richtlinie 2014/59 ausschließlich zur Erreichung eines oder mehrerer Abwicklungsziele gemäß Art. 31 dieser Richtlinie getroffen wurde.

132

Daher ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59 dahin auszulegen ist, dass, wenn die nationale Abwicklungsbehörde auch „Aufsichtsfunktionen“ oder „sonstige Funktionen“ im Sinne dieser Bestimmung ausübt und interne schriftliche Vorschriften zur Gewährleistung der operativen Unabhängigkeit dieser Behörde sowie zur Prävention von Interessenkonflikten zwischen ihren Abwicklungsfunktionen und ihren anderen Funktionen fehlen, sich die Einhaltung dieser Anforderungen gleichwohl aus der Einführung von für diesen Zweck hinreichenden organisatorischen und sonstigen Maßnahmen ergeben kann. Unbeschadet der Vorschriften über das Berufsgeheimnis impliziert die Bestimmung jedoch weder, dass Entscheidungen im Zusammenhang mit Abwicklungsfunktionen und Entscheidungen im Zusammenhang mit sonstigen Funktionen dieser Behörde von verschiedenen Entscheidungsgremien zu treffen sind, noch, dass interne Abteilungen der Behörde daran gehindert sind, sowohl für das Personal, das mit Abwicklungsfunktionen betraut ist, als auch für das Personal, das mit sonstigen Funktionen betraut ist, unterstützende Dienstleistungen zu erbringen. Sofern interne schriftliche Vorschriften gemäß Art. 3 Abs. 3 dieser Richtlinie vorhanden sind, führt das Fehlen ihrer Veröffentlichung nicht automatisch zur Ungültigkeit der von der Abwicklungsbehörde getroffenen Entscheidungen, sondern bedeutet gegebenenfalls im Fall eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung dieser Behörde, dass sie nachzuweisen hat, dass diese Vorschriften beachtet wurden und infolgedessen die Entscheidung ausschließlich zur Erreichung eines oder mehrerer Abwicklungsziele getroffen wurde.

Kosten

133

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union

ist dahin auszulegen, dass

er der Anwendung einer nationalen Verfahrensbestimmung entgegensteht, nach der das Gericht, das für Klagen gegen eine Entscheidung der nationalen Abwicklungsbehörde zur Einleitung einer Krisenmanagementmaßnahme zuständig ist, alle bei ihm gegen diese Entscheidung erhobenen Klagen miteinander zu verbinden hat, wenn die Anwendung dieser Bestimmung gegen das Recht jeder Person verstößt, dass ihre Sache innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.

 

2.

Art. 85 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates in der durch die Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union

ist dahin auszulegen, dass,

wenn ein nationales Gericht mit mehreren Klagen gegen eine Entscheidung der nationalen Abwicklungsbehörde zur Einleitung einer Krisenmanagementmaßnahme befasst ist, deren eine von einem Organ des in Abwicklung befindlichen Instituts erhoben wurde, die Abweisung allein dieser Klage als unbegründet nicht den Schluss zulässt, dass das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf im Hinblick auf jede weitere von dieser Entscheidung betroffene Person gewahrt wurde, die ebenfalls eine Klage gegen diese Entscheidung erhoben hat und sich auf Klagegründe gestützt hat, die in dem ergangenen Urteil nicht berücksichtigt worden sind und jedenfalls nicht Gegenstand einer kontradiktorischen Erörterung waren, die es dieser Person ermöglicht hätte, ihren Standpunkt vorzutragen.

 

3.

Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59 in der durch die Richtlinie 2019/879 geänderten Fassung

ist dahin auszulegen, dass

diese Bestimmung in einer Situation anwendbar ist, in der die nationale Abwicklungsbehörde auch Funktionen des vorläufigen Verwalters im Sinne von Art. 29 dieser Richtlinie in ihrer geänderten Fassung oder der Einlagensicherung im Sinne der Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme ausübt, weswegen sie strukturelle Vorkehrungen zur Gewährleistung der operativen Unabhängigkeit dieser Behörde und zur Vermeidung von Interessenkonflikten in Bezug auf diese Funktionen vorschreibt.

 

4.

Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59 in der durch die Richtlinie 2019/879 geänderten Fassung

ist dahin auszulegen, dass,

wenn die nationale Abwicklungsbehörde auch „Aufsichtsfunktionen“ oder „sonstige Funktionen“ im Sinne dieser Bestimmung ausübt und interne schriftliche Vorschriften zur Gewährleistung der operativen Unabhängigkeit dieser Behörde sowie zur Prävention von Interessenkonflikten zwischen ihren Abwicklungsfunktionen und ihren anderen Funktionen fehlen, sich die Einhaltung dieser Anforderungen gleichwohl aus der Einführung von für diesen Zweck hinreichenden organisatorischen und sonstigen Maßnahmen ergeben kann. Unbeschadet der Vorschriften über das Berufsgeheimnis impliziert die Bestimmung jedoch weder, dass Entscheidungen im Zusammenhang mit Abwicklungsfunktionen und Entscheidungen im Zusammenhang mit sonstigen Funktionen dieser Behörde von verschiedenen Entscheidungsgremien zu treffen sind, noch, dass interne Abteilungen der Behörde daran gehindert sind, sowohl für das Personal, das mit Abwicklungsfunktionen betraut ist, als auch für das Personal, das mit sonstigen Funktionen betraut ist, unterstützende Dienstleistungen zu erbringen. Sofern interne schriftliche Vorschriften gemäß Art. 3 Abs. 3 dieser Richtlinie vorhanden sind, führt das Fehlen ihrer Veröffentlichung nicht automatisch zur Ungültigkeit der von der Abwicklungsbehörde getroffenen Entscheidungen, sondern bedeutet gegebenenfalls im Fall eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung dieser Behörde, dass sie nachzuweisen hat, dass diese Vorschriften beachtet wurden und infolgedessen die Entscheidung ausschließlich zur Erreichung eines oder mehrerer Abwicklungsziele getroffen wurde.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Polnisch.