URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

17. Mai 2022 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 93/13/EWG – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Äquivalenzgrundsatz – Effektivitätsgrundsatz – Verfahren zur Zwangsvollstreckung aus einem Leasingvertrag, der einen vollstreckbaren Titel darstellt – Vollstreckungsbeschwerde – Nationale Regelung, die es dem mit dieser Beschwerde befassten Gericht nicht gestattet, die Missbräuchlichkeit der Klauseln eines Vollstreckungstitels zu prüfen – Befugnis des Vollstreckungsgerichts, die etwaige Missbräuchlichkeit einer Klausel von Amts wegen zu prüfen – Bestehen eines ordentlichen Rechtsbehelfs, der die Kontrolle der Missbräuchlichkeit dieser Klauseln ermöglicht – Erfordernis einer Sicherheitsleistung für die Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens“

In der Rechtssache C‑725/19

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Judecătoria Sectorului 2 Bucureşti (Amtsgericht Sektor 2 Bukarest, Rumänien) mit Entscheidung vom 18. September 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 1. Oktober 2019, in dem Verfahren

IO

gegen

Impuls Leasing România IFN SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin K. Jürimäe, der Kammerpräsidenten C. Lycourgos, E. Regan, S. Rodin (Berichterstatter) und I. Jarukaitis sowie der Richter M. Ilešič, J.‑C. Bonichot, M. Safjan, F. Biltgen, P. G. Xuereb, N. Piçarra, der Richterin L. S. Rossi und des Richters A. Kumin,

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: R. Șereș, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 2021,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Impuls Leasing România IFN SA, vertreten durch N. M. Ionescu, Avocată,

der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch N. Ruiz García, C. Gheorghiu und M. Carpus Carcea als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Juli 2021

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen IO und der Impuls Leasing România IFN SA (im Folgenden: ILR) über eine Beschwerde der Beschwerdeführerin des Ausgangsverfahrens gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in Bezug auf einen Leasingvertrag.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Dem 24. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 zufolge „[müssen d]ie Gerichte oder Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten … über angemessene und wirksame Mittel verfügen, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Verbraucherverträgen ein Ende gesetzt wird“.

4

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 lautet:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.“

5

Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.“

Rumänisches Recht

6

Die Zivilprozessordnung wurde durch die am 21. Dezember 2018 in Kraft getretene Legea nr. 310/2018 pentru modificarea și completarea Legii nr. 134/2010 privind Codul de procedură civilă, precum și pentru modificarea și completarea altor acte normative (Gesetz Nr. 310/2018 zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes Nr. 134/2010 über die Zivilprozessordnung und weiterer Rechtsakte) (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 1074) vom 18. Dezember 2018 geändert. Da der im Ausgangsverfahren fragliche Vollstreckungsantrag am 26. März 2019 gestellt wurde, unterliegt er den Bestimmungen der Zivilprozessordnung in der durch dieses Gesetz geänderten Fassung (im Folgenden: geänderte Zivilprozessordnung).

7

Art. 24 der geänderten Zivilprozessordnung lautet:

„Die Bestimmungen des neuen Verfahrensgesetzes finden nur auf Verfahren und Zwangsvollstreckungen Anwendung, die nach seinem Inkrafttreten eingeleitet werden.“

8

Art. 632 Abs. 1 der geänderten Zivilprozessordnung bestimmt:

„Die Zwangsvollstreckung darf nur aus einem Vollstreckungstitel betrieben werden.“

9

Art. 638 Abs. 1 der geänderten Zivilprozessordnung lautet:

„Schuldtitel oder andere Dokumente, denen das Gesetz vollstreckbare Wirkung verleiht, sind ebenfalls im Wege der Zwangsvollstreckung vollstreckbare Titel.“

10

Art. 638 Abs. 2 der geänderten Zivilprozessordnung sieht vor:

„Die Aussetzung der Vollstreckung der in Abs. 1 Nr. 2 und 4 genannten Titel kann auch im Rahmen eines Rechtsbehelfs im Erkenntnisverfahren beantragt werden, der die Aufhebung dieser Titel zum Gegenstand hat. Die Bestimmungen von Art. 719 gelten entsprechend.“

11

Art. 713 Abs. 2 der geänderten Zivilprozessordnung bestimmt:

„Wird die Vollstreckung aus einem Vollstreckungstitel betrieben, bei dem es sich nicht um eine gerichtliche Entscheidung handelt, können tatsächliche oder rechtliche Gründe, die sich auf die Grundlage des im Vollstreckungstitel enthaltenen Anspruchs beziehen, im Rahmen der Vollstreckungsbeschwerde nur geltend gemacht werden, wenn das Gesetz keinen Rechtsbehelf, einschließlich einer ordentlichen Klage, für die Aufhebung dieses Titels vorsieht.“

12

Art. 8 der Ordonanța Guvernului nr. 51/1997 privind operațiunile de leasing și societățile de leasing (Regierungsverordnung Nr. 51/1997 über Leasinggeschäfte und ‑gesellschaften) lautet:

„Leasingverträge sowie dingliche und persönliche Sicherheiten, die zur Sicherung der Verbindlichkeiten aus dem Leasingvertrag gestellt wurden, sind vollstreckbare Titel.“

13

Art. 15 der Regierungsverordnung Nr. 51/1997 sieht vor:

„Sofern im Vertrag nichts anderes vorgesehen ist, ist der Leasinggeber/Geldgeber in dem Fall, dass der Leasingnehmer/Nutzer seiner Verpflichtung zur vollständigen Zahlung der Leasingrate für zwei aufeinanderfolgende Monate, gerechnet ab dem im Leasingvertrag vorgesehenen Fälligkeitsdatum, nicht nachkommt, berechtigt, den Leasingvertrag zu kündigen, und der Leasingnehmer/Nutzer ist dann verpflichtet, das Leasingobjekt zurückzugeben und bis zum Rückgabedatum gemäß dem Leasingvertrag alle geschuldeten Beträge zu zahlen.“

14

Art. 10 Buchst. d der Regierungsverordnung Nr. 51/1997 bestimmt:

„Der Leasingnehmer/Nutzer verpflichtet sich, alle nach dem Leasingvertrag geschuldeten Beträge – Miete, Versicherungen, Steuern, Gebühren – in der Höhe und innerhalb der Fristen zu zahlen, die im Vertrag festgelegt sind.“

15

Die Richtlinie 93/13 wurde mit der Legea nr. 193/2000 privind clauzele abuzive din contractele încheiate între profesioniști și consumatori (Gesetz Nr. 193/2000 über missbräuchliche Klauseln in zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern geschlossenen Verträgen) in rumänisches Recht umgesetzt.

16

Art. 1 des Gesetzes Nr. 193/2000 lautet:

„(1)   Zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern über den Verkauf von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen geschlossene Verträge müssen klare und unmissverständliche Vertragsklauseln enthalten, für deren Verständnis keine Spezialkenntnisse erforderlich sind.

(2)   Bei Zweifeln hinsichtlich der Auslegung einer Vertragsklausel ist diese zugunsten des Verbrauchers auszulegen.

(3)   Gewerbetreibenden ist es untersagt, in Verträge, die sie mit Verbrauchern abschließen, missbräuchliche Klauseln aufzunehmen.“

17

Art. 2 des Gesetzes Nr. 193/2000 sieht vor:

„(1)   Unter dem Begriff ‚Verbraucher‘ ist jede natürliche Person oder Vereinigung von natürlichen Personen zu verstehen, die bei einem in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallenden Vertrag zu einem Zweck handelt, der außerhalb ihrer gewerblichen, produzierenden oder freiberuflichen Tätigkeit liegt.

(2)   Unter dem Begriff ‚Gewerbetreibender‘ ist jede natürliche oder zugelassene juristische Person zu verstehen, die bei einem unter dieses Gesetz fallenden Vertrag für die Zwecke ihrer gewerblichen, produzierenden oder freiberuflichen Tätigkeit handelt, sowie jede Person, die zu einem ebensolchen Zweck im Namen einer solchen Person oder für deren Rechnung handelt.“

18

Art. 4 des Gesetzes 193/2000 sieht vor:

„(1)   Eine Vertragsklausel, die nicht unmittelbar mit dem Verbraucher ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich anzusehen, wenn sie allein oder in Verbindung mit anderen Vertragsbestimmungen zum Nachteil des Verbrauchers entgegen dem Gebot von Treu und Glauben ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den Rechten und Pflichten der Vertragspartner verursacht.

(2)   Eine Vertragsklausel ist dann als nicht unmittelbar mit dem Verbraucher ausgehandelt anzusehen, wenn sie festgelegt wurde, ohne dass der Verbraucher Einfluss auf ihre Gestaltung hätte nehmen können, wie bei vorformulierten Standardverträgen oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die von Unternehmern im entsprechenden Produkt- oder Dienstleistungsmarkt verwendet werden.

(3)   Der Umstand, dass bestimmte Aspekte der Vertragsklauseln oder eine einzelne Klausel unmittelbar mit dem Verbraucher ausgehandelt worden sind, schließt die Anwendung dieses Gesetzes auf den übrigen Vertrag nicht aus, sofern sich nach der Gesamtwertung des Vertrags ergibt, dass dieser vom Gewerbetreibenden einseitig im Voraus festgelegt wurde. Behauptet ein Gewerbetreibender, dass eine vorformulierte Standardklausel unmittelbar mit dem Verbraucher ausgehandelt wurde, hat er den Beweis dafür zu erbringen.

(4)   Die im Anhang aufgeführte Liste, die Bestandteil dieses Gesetzes ist, enthält beispielhaft Klauseln, die als missbräuchlich anzusehen sind.

(5)   Unbeschadet der Vorschriften dieses Gesetzes beurteilt sich die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel nach

a)

der Art der Ware oder der Dienstleistung, die bei Abschluss des Vertrags dessen Gegenstand bildet;

b)

allen Faktoren, die für den Vertragsabschluss bestimmend waren;

c)

anderen Klauseln des Vertrags oder anderer Verträge, von denen Ersterer abhängt.

(6)   Die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Klauseln bezieht sich weder auf die Bestimmung des Hauptgegenstands des Vertrags noch auf die Erfüllung der Anforderungen an den Preis und die Zahlung einerseits, noch auf die als Gegenleistung angebotenen Waren und Dienstleistungen andererseits, sofern diese Klauseln in einer einfachen verständlichen Sprache abgefasst sind.“

19

Art. 6 des Gesetzes Nr. 193/2000 lautet:

„Missbräuchliche Klauseln in einem Vertrag, die als solche individuell oder durch die gesetzlich dazu befugten Organe festgestellt wurden, haben gegenüber dem Verbraucher keine Rechtswirkungen, und der Vertrag behält seine Wirksamkeit nur dann, wenn der Verbraucher dem zustimmt und dies nach der Streichung dieser Klauseln noch möglich ist.“

20

Der Anhang des Gesetzes Nr. 193/2000 bestimmt in seinem Abs. 1 Buchst. i:

„Als missbräuchliche Klauseln gelten Vertragsbestimmungen, die den Verbraucher, der seine Vertragspflichten nicht erfüllt, zur Zahlung einer Entschädigung verpflichten, deren Höhe im Missverhältnis zu dem Schaden steht, der dem Gewerbetreibenden entstanden ist.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

21

Am 20. August 2008 schloss IO mit ILR einen Leasingvertrag über einen Zeitraum von 48 Monaten für ein Kraftfahrzeug, das ohne Mehrwertsteuer einen Wert von 7810,94 Euro hatte. Aus den Vertragsbedingungen geht hervor, dass der finanzierte Wert 6248,75 Euro betrug, der Zinssatz auf 8,25 % festgesetzt worden war, die vierprozentige Kreditgebühr 312,44 Euro entsprach und die Bearbeitungsgebühr 5 Euro pro Monat betrug. Der Vertrag sah vor, dass der Leasinggeber im Fall der Nichterfüllung der Vertragspflichten entweder wegen der dem Leasingnehmer vertraglich auferlegten Verpflichtungen zuzüglich Schadensersatz die Zwangsvollstreckung betreiben, gleichzeitig bzw. alternativ jede von ihm für notwendig erachtete Maßnahme treffen oder den Vertrag ohne vorherige Mahnung oder zusätzliches Formerfordernis ohne Einschaltung eines Gerichts oder Schiedsgerichts zuzüglich Zahlung von Schadensersatz kündigen konnte.

22

Da IO am 7. Dezember 2009 nicht mehr in der Lage war, die festgesetzten Leasingraten zu zahlen, wurde der fragliche Leasingvertrag gekündigt. Am 19. März 2010 wurde das betreffende Kraftfahrzeug gemäß dem Vollstreckungstitel, den dieser Vertrag darstellte, an ILR zurückgegeben und am 29. Juni 2010 für einen Betrag in Höhe von 5294,12 Euro einschließlich Mehrwertsteuer verkauft.

23

Nach der Kündigung leitete ILR am 15. Oktober 2010 ein Zwangsvollstreckungsverfahren über 12592,32 rumänische Lei (RON) (etwa 2547 Euro) ein, um ihre Forderungen aus dem Vollstreckungstitel beizutreiben, nämlich unbezahlte Rechnungen in Bezug auf Leasingraten, Vollstreckungsgebühren, Vertragsstrafen, Wechselkursunterschiede, Versicherungen und Beitreibungskosten.

24

Am 28. März 2013 stellte ILR einen Antrag auf Fortsetzung der Vollstreckung gegenüber IO in Höhe von 70601,12 RON (etwa 14280 Euro). Mit Zivilurteil vom 13. November 2015, das von der Judecătoria Sectorului 1 București (Amtsgericht Sektor 1 Bukarest, Rumänien) erlassen wurde, wurde die Pfändung gegenüber einem Drittschuldner für gültig erklärt.

25

Am 16. November 2016 wurde durch die Verfügung eines Gerichtsvollziehers die Zwangsvollstreckung mit der Begründung eingestellt, dass das Vermögen von IO keine pfändbaren Gegenstände aufweise.

26

Am 26. März 2019 stellte ILR einen neuerlichen Antrag auf Zwangsvollstreckung gegen IO, der darauf gerichtet war, die Begleichung einer Forderung in Höhe von 137502,84 RON (etwa 27900 Euro) zu erwirken. Dies entsprach dem Betrag der ausgestellten und nicht beglichenen Steuerrechnungen, der Säumniszuschläge, dem Restbetrag des finanzierten und nicht zurückgezahlten Kapitalbetrags, den Schulden aufgrund der Nichterfüllung der Vertragspflichten und den Beitreibungskosten.

27

Mit Beschluss vom 12. April 2019 genehmigte die Judecătoria Sectorului 2 București (Amtsgericht Sektor 2 Bukarest, Rumänien) die Zwangsvollstreckung in Höhe des beantragten Betrags nebst Vollstreckungskosten, die später durch die Verfügung eines Gerichtsvollziehers auf einen Betrag in Höhe von 8719,29 RON (etwa 1764 Euro) beziffert wurden.

28

Am 24. Mai 2019 legte IO eine Beschwerde gegen die Zwangsvollstreckung ein. Zur Stützung ihrer Beschwerde machte sie geltend, dass der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist, innerhalb deren ILR nach dem Vollstreckungstitel, den der Leasingvertrag darstelle, die Zwangsvollstreckung beantragen und betreiben könne, im Jahr 2010 begonnen habe, als sie die Zahlung der Leasingraten eingestellt habe, und dass schon vor dem Zeitpunkt, zu dem ILR den zweiten Antrag auf Zwangsvollstreckung gestellt habe, Verjährung eingetreten sei. Ferner habe ILR für eine anfängliche Finanzierung in Höhe von 6248,75 Euro, von der IO im Zeitraum von 2008 bis 2010 einen großen Teil zurückgezahlt habe, 2019 ein zweites Zwangsvollstreckungsverfahren über einen Betrag in Höhe von etwa 30000 Euro eingeleitet.

29

ILR wendet ein, sie habe gegen IO eine einredefreie, bezifferbare und fällige Forderung. Diese belaufe sich auf das zum Zeitpunkt der Kündigung des Leasingvertrags verbleibende finanzierte Kapital, die Zinsen, Vertragsstrafen wegen Verzugs, die an den Versicherer gezahlten Versicherungsprämien, die Beitreibungsprovision und den Betrag der nicht beglichenen Rechnungen, wobei von dieser Forderung der Kaufpreis des verkauften Fahrzeugs, das Gegenstand des Leasingvertrags gewesen sei, abgezogen worden sei.

30

Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass der Leasingvertrag, auf dessen Grundlage das Vollstreckungsverfahren gegenüber IO eingeleitet worden sei, bestimmte Klauseln enthalte, die gemäß dem Gesetz Nr. 193/2000, mit dem die Richtlinie 93/13 in das rumänische Recht umgesetzt worden sei, als missbräuchlich angesehen werden könnten. Es legt dar, dass ein nationales Gericht nach Art. 713 Abs. 2 der Zivilprozessordnung vor deren Änderung durch das Gesetz Nr. 310/2018 Vertragsklauseln in einem Leasingvertrag im Rahmen einer Vollstreckungsbeschwerde auf deren Missbräuchlichkeit hin habe überprüfen dürfen, wenn es für ihre Nichtigerklärung kein besonderes Verfahren gegeben habe. Nach Art. 713 Abs. 2 der geänderten und auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Zivilprozessordnung könne hingegen dieses Gericht die Missbräuchlichkeit solcher Vertragsklauseln nunmehr nur dann noch prüfen, wenn es überhaupt kein Verfahren zur Nichtigerklärung dieser Verträge und auch keine ordentliche Klagemöglichkeit gebe. Das Gesetz Nr. 193/2000 eröffne aber den Verbrauchern gegenwärtig eine Möglichkeit zur Klageerhebung nach allgemeinem Recht, in deren Rahmen ein nationales Gericht die etwaige Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln prüfen könne.

31

Das vorlegende Gericht weist jedoch darauf hin, dass nach dem Effektivitätsgrundsatz die nationalen Zwangsvollstreckungsmechanismen die Ausübung der den Verbrauchern durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürften. Ein wirksamer Schutz dieser Rechte sei aber nur dann zu gewährleisten, wenn das nationale Verfahrenssystem es ermögliche, dass im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens selbst von Amts wegen die etwaige Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln geprüft würden. Daher sei es zweifelhaft, ob Art. 713 Abs. 2 der geänderten Zivilprozessordnung mit der Richtlinie 93/13 vereinbar sei, da die Verbraucher nunmehr gezwungen seien, nach allgemeinem Recht Klage zu erheben, ohne die Möglichkeit zu haben, bei einer gegen die Zwangsvollstreckung gerichteten Beschwerde die ihnen durch diese Richtlinie verliehenen Rechte geltend zu machen.

32

Unter diesen Umständen hat die Judecătoria Sectorului 2 București (Amtsgericht Sektor 2 Bukarest) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist die Richtlinie 93/13 unter Berücksichtigung des Effektivitätsgrundsatzes dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften wie der geltenden rumänischen Regelung der Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Vollstreckungsbeschwerde – Art. 713 Abs. 2 der geänderten Zivilprozessordnung – entgegensteht, die im Rahmen einer Vollstreckungsbeschwerde nicht die Möglichkeit einräumt, auf Antrag des Verbrauchers oder durch den Richter von Amts wegen zu prüfen, ob die Klauseln eines Leasingvertrags, der einen Vollstreckungstitel darstellt, missbräuchlich sind, und zwar aus dem Grund, dass es eine ordentliche Klage gibt, in deren Rahmen Verträge, die zwischen einem „Verbraucher“ und einem „Gewerbetreibenden“ („Unternehmer“) geschlossen werden, unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens missbräuchlicher Klauseln im Sinne dieser Richtlinie überprüft werden könnten?

Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs

33

ILR macht geltend, der Gerichtshof sei für die Entscheidung über das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen nicht zuständig, da es die Auslegung nationalen Rechts betreffe.

34

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung in dem Verfahren nach Art. 267 AEUV, das auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, allein das nationale Gericht für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits sowie die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts zuständig ist (Urteil vom 14. Juni 2012, Banco Español de Crédito, C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im Rahmen eines solchen Verfahrens beschränkt sich die Zuständigkeit des Gerichtshofs somit auf die Prüfung der Bestimmungen des Unionsrechts (Urteil vom 11. Juli 2018, Somoza Hermo und Ilunión Seguridad, C‑60/17, EU:C:2018:559, Rn. 44).

35

Dies ist vorliegend der Fall.

36

Es genügt nämlich die Feststellung, dass das vorlegende Gericht den Gerichtshof um die Auslegung der Richtlinie 93/13 ersucht, um einen Rechtsstreit entscheiden zu können, der einen Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher betrifft.

37

Folglich ist der Gerichtshof für die Entscheidung über das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen zuständig.

Zur Vorlagefrage

38

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, die es dem Vollstreckungsgericht, das mit einer Beschwerde gegen die Zwangsvollstreckung aus einem Leasingvertrag zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden befasst ist, der einen vollstreckbaren Titel darstellt, deswegen nicht gestatten, von Amts wegen oder auf Antrag des Verbrauchers die Missbräuchlichkeit der Klauseln dieses Vertrags zu prüfen, weil es einen ordentlichen Rechtsbehelf gibt, mit dem die Missbräuchlichkeit der Klauseln eines solchen Vertrags von dem Gericht, das mit diesem Rechtsbehelf befasst ist, überprüft werden kann.

39

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs beruht das mit der Richtlinie 93/13 geschaffene Schutzsystem auf dem Gedanken, dass sich der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt (vgl. u. a. Urteil vom 26. Januar 2017, Banco Primus, C‑421/14, EU:C:2017:60, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40

In Anbetracht dieser schwächeren Position sieht Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 vor, dass missbräuchliche Klauseln für den Verbraucher unverbindlich sind. Es handelt sich um eine zwingende Bestimmung, die darauf abzielt, die nach dem Vertrag bestehende formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und so ihre Gleichheit wiederherzustellen (vgl. u. a. Urteile vom 21. Dezember 2016, Gutiérrez Naranjo u. a., C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980, Rn. 53 und 55, und vom 26. Januar 2017, Banco Primus, C‑421/14, EU:C:2017:60, Rn. 41).

41

In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof bereits mehrfach festgestellt, dass das nationale Gericht von Amts wegen die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13 fällt, prüfen und damit dem Ungleichgewicht zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden abhelfen muss, sobald es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt (Urteile vom 14. März 2013,Aziz, C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 21. Dezember 2016, Gutiérrez Naranjo u. a., C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980, Rn. 58, und vom 26. Januar 2017, Banco Primus, C‑421/14, EU:C:2017:60, Rn. 43).

42

Ferner verpflichtet die Richtlinie 93/13, wie sich aus ihrem Art. 7 Abs. 1 in Verbindung mit ihrem 24. Erwägungsgrund ergibt, die Mitgliedstaaten, angemessene und wirksame Mittel vorzusehen, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird (Urteil vom 26. Juni 2019, Addiko Bank, C‑407/18, EU:C:2019:537, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43

Zwar hat der Gerichtshof bereits in mehrfacher Hinsicht und unter Berücksichtigung der Anforderungen von Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dargelegt, wie das nationale Gericht den Schutz der den Verbrauchern nach dieser Richtlinie zustehenden Rechte sicherstellen muss, doch sind die Verfahren zur Prüfung, ob eine Vertragsklausel missbräuchlich ist, im Prinzip nicht unionsrechtlich harmonisiert und damit Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten, vorausgesetzt allerdings, dass sie nicht ungünstiger sind als diejenigen, die gleichartige, dem innerstaatlichen Recht unterliegende Sachverhalte regeln (Äquivalenzgrundsatz), und dass sie die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (vgl. u. a. Urteil vom 26. Juni 2019, Addiko Bank, C‑407/18, EU:C:2019:537, Rn. 45 und 46 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

44

Zum Äquivalenzgrundsatz ist festzustellen, dass der Gerichtshof über keinerlei Anhaltspunkte verfügt, die Zweifel an der Vereinbarkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung mit diesem Grundsatz hervorrufen könnten.

45

Was den Effektivitätsgrundsatz betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens sowie gegebenenfalls der Grundsätze, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie z. B. der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens, zu prüfen ist (Urteil vom 22. April 2021, Profi Credit Slovakia, C‑485/19, EU:C:2021:313, Rn. 53). Gleichwohl können die spezifischen Merkmale der Verfahren keinen Faktor darstellen, der den Rechtsschutz, der den Verbrauchern nach der Richtlinie 93/13 zu gewähren ist, beeinträchtigen könnte (Urteil vom 21. April 2016, Radlinger und Radlingerová, C‑377/14, EU:C:2016:283, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46

Außerdem hat der Gerichtshof präzisiert, dass die Pflicht der Mitgliedstaaten, die Effektivität der Rechte sicherzustellen, die dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsen, insbesondere für die Rechte aus der Richtlinie 93/13 das Erfordernis eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes impliziert, wie es in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie bekräftigt worden und auch in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist; dieser Schutz gilt u. a. für die Festlegung der Verfahrensmodalitäten für Klagen, die sich auf solche Rechte stützen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance, C‑776/19 bis C‑782/19, EU:C:2021:470, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47

Der Gerichtshof hat hierzu festgestellt, dass ohne eine wirksame Überprüfung der potenziellen Missbräuchlichkeit der in dem betreffenden Vertrag enthaltenen Klauseln die Einhaltung der durch die Richtlinie 93/13 verliehenen Rechte nicht garantiert werden kann (Urteil vom 4. Juni 2020, Kancelaria Medius, C‑495/19, EU:C:2020:431, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48

Folglich dürfen die von den nationalen Rechtsordnungen aufgestellten Voraussetzungen, auf die Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 verweist, das Recht, an eine missbräuchliche Klausel nicht gebunden zu sein, nicht in seinem Wesensgehalt beeinträchtigen (Urteile vom 21. Dezember 2016, Gutiérrez Naranjo u. a., C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980, Rn. 71, und vom 26. Januar 2017, Banco Primus, C‑421/14, EU:C:2017:60, Rn. 51).

49

So hat der Gerichtshof bereits darauf hingewiesen, dass ein wirksamer Schutz der Rechte, die dem Verbraucher durch diese Richtlinie verliehen werden, nur dann garantiert werden kann, wenn die nationalen Verfahrensregeln es ermöglichen, dass die im betreffenden Vertrag enthaltenen Klauseln im Rahmen des Mahn- bzw. Zahlungsbefehlsverfahrens oder im Rahmen des Verfahrens zur Vollstreckung des Mahnbescheids bzw. des Zahlungsbefehls von Amts wegen auf ihre Missbräuchlichkeit überprüft werden (vgl. u. a. Urteile vom 18. Februar 2016, Finanmadrid EFC, C‑49/14, EU:C:2016:98, Rn. 46, und vom 13. September 2018, Profi Credit Polska, C‑176/17, EU:C:2018:711, Rn. 44).

50

Insoweit hat der Gerichtshof die Auffassung vertreten, dass in dem Fall, dass keine Überprüfung der etwaigen Missbräuchlichkeit der in dem betreffenden Vertrag enthaltenen Klauseln von Amts wegen durch ein Gericht in dem Stadium der Vollstreckung des Mahnbescheids vorgesehen ist, davon auszugehen ist, dass eine nationale Regelung geeignet ist, die Wirksamkeit des von der Richtlinie 93/13 beabsichtigten Schutzes zu beeinträchtigen, sofern sie nicht im Stadium des Erlasses des Mahnbescheids eine solche Überprüfung vorsieht oder, wenn eine solche Überprüfung nur im Stadium des Einspruchs gegen den Mahnbescheid vorgesehen ist, sofern eine nicht zu vernachlässigende Gefahr besteht, dass der betroffene Verbraucher den erforderlichen Einspruch nicht einlegt, sei es wegen der besonders kurzen Frist, die hierfür vorgesehen ist, sei es im Hinblick auf die Kosten, die ein gerichtliches Verfahren im Vergleich zur Höhe der bestrittenen Forderung mit sich brächte, sei es, weil die nationale Regelung nicht die Pflicht vorsieht, ihm alle Informationen zu übermitteln, die erforderlich sind, damit er den Umfang seiner Rechte erfassen kann (Urteil vom 20. September 2018, EOS KSI Slovensko, C‑448/17, EU:C:2018:745, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51

Der Gerichtshof hat auch entschieden, dass die Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, die dem Vollstreckungsgericht im Rahmen eines Hypothekenvollstreckungsverfahrens nicht erlaubt, von Amts wegen oder auf Antrag des Verbrauchers die Missbräuchlichkeit einer Klausel des der Forderung und dem Vollstreckungstitel zugrunde liegenden Vertrags zu prüfen oder vorläufige Maßnahmen, insbesondere zur Aussetzung der Vollstreckung, zu treffen, wenn der Erlass dieser Maßnahmen erforderlich ist, um die volle Wirksamkeit der Endentscheidung des Gerichts des entsprechenden Erkenntnisverfahrens, das für die Prüfung der Missbräuchlichkeit dieser Klausel zuständig ist, zu gewährleisten (Beschluss vom 14. November 2013, Banco Popular Español und Banco de Valencia, C‑537/12 sowie C‑116/13, EU:C:2013:759, Rn. 60, und Urteil vom 17. Juli 2014, Sánchez Morcillo und Abril García, C‑169/14, EU:C:2014:2099, Rn. 28).

52

Im Ausgangsverfahren geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass das vorlegende Gericht mit Beschluss vom 12. April 2019 die Zwangsvollstreckung aus dem fraglichen Vertrag gebilligt hat. Außerdem scheint die etwaige Missbräuchlichkeit der Klauseln dieses Vertrags zuvor nicht gerichtlich geprüft worden zu sein.

53

Aus der Vorlageentscheidung geht jedoch hervor, dass Art. 713 Abs. 2 der geänderten Zivilprozessordnung es dem Vollstreckungsgericht nicht mehr gestattet, im Rahmen einer Vollstreckungsbeschwerde die Missbräuchlichkeit von Klauseln eines Leasingvertrags, der einen vollstreckbaren Titel darstellt, zu überprüfen, sei es von Amts wegen oder auf Antrag des Verbrauchers, da diese Prüfung vom Gericht des Erkenntnisverfahrens aus Anlass eines ordentlichen Rechtsbehelfs vorgenommen werden kann, der keiner Frist unterworfen ist, wobei dieses Gericht nach dem Gesetz Nr. 193/2000 über die Befugnis verfügt, das Vollstreckungsverfahren auszusetzen.

54

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in Rn. 61 des Urteils vom 26. Juni 2019, Addiko Bank (C‑407/18, EU:C:2019:537), die Auffassung vertreten hat, dass es für die Gewährleistung der vollen Wirksamkeit des mit der Richtlinie 93/13 angestrebten Verbraucherschutzes offensichtlich unzureichend ist, dass nach dem innerstaatlichen Recht die Prüfung der etwaigen Missbräuchlichkeit von Klauseln in einem zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Hypothekenkreditvertrag nicht von dem mit einem Antrag auf Zwangsvollstreckung eines solchen Vertrags befassten Gericht durchgeführt werden kann, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt gegebenenfalls vom Gericht des Erkenntnisverfahrens, bei dem der Verbraucher eine Klage auf Nichtigkeit solcher missbräuchlicher Klauseln erhebt.

55

Der Gerichtshof hat nämlich festgestellt, dass, wenn das Zwangsvollstreckungsverfahren abgeschlossen wurde, bevor die Entscheidung des Gerichts des Erkenntnisverfahrens verkündet wurde, mit der die Vertragsklausel, die dieser Zwangsvollstreckung zugrunde lag, für missbräuchlich und infolgedessen das Zwangsvollstreckungsverfahren für nichtig erklärt wird, diese Entscheidung dem betreffenden Verbraucher nur einen nachgelagerten, in Schadensersatz bestehenden Schutz gewähren würde, was sich als unvollständig und unzureichend erweisen würde und entgegen Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 weder ein angemessenes noch ein wirksames Mittel wäre, um der Verwendung dieser Klausel ein Ende zu setzen (Beschluss vom 6. November 2019, BNP Paribas Personal Finance SA Paris Sucursala Bucureşti und Secapital, C‑75/19, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:950, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56

Zwar verfügt im vorliegenden Fall das Gericht des Erkenntnisverfahrens, das mit einem Rechtsbehelf befasst ist, der sich vom dem unterscheidet, der das Vollstreckungsverfahren betrifft, über die Möglichkeit, dieses auszusetzen. Hierin besteht ein Unterschied zu den tatsächlichen und verfahrensrechtlichen Umständen in den Rechtssachen Banco Popular Español und Banco de Valencia sowie Sánchez Morcillo und Abril García, in denen der Beschluss vom 14. November 2013 (C‑537/12 und C‑116/13, EU:C:2013:759) bzw. das Urteil vom 17. Juli 2014 (C‑169/14, EU:C:2014:2099) ergangen ist und in deren Rahmen das innerstaatliche Recht dem Gericht nicht gestattete, vorläufige Maßnahmen bis zur Prüfung der Vertragsklauseln im Erkenntnisverfahren zu erlassen.

57

Aus den Erklärungen der Kommission, die die rumänische Regierung nicht beanstandet hat, geht jedoch hervor, dass der Verbraucher, der die Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens beantragt, bei diesem gesonderten Rechtsbehelf vor dem Gericht des Erkenntnisverfahrens verpflichtet ist, eine Sicherheitsleistung zu stellen, die auf der Grundlage des Gegenstandswerts des Rechtsbehelfs berechnet wird.

58

Insoweit ergibt sich aus der in Rn. 50 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung, dass die Kosten, die ein gerichtliches Verfahren im Verhältnis zur Höhe der bestrittenen Forderung mit sich brächte, den Verbraucher nicht davon abhalten dürfen, das Gericht anzurufen, um die etwaige Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln prüfen zu lassen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Juni 2012, Banco Español de Crédito, C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 54, vom 18. Februar 2016, Finanmadrid EFC, C‑49/14, EU:C:2016:98, Rn. 52 und 54, sowie vom 20. September 2018, EOS KSI Slovensko, C‑448/17, EU:C:2018:745, Rn. 46).

59

Jedoch ist es wahrscheinlich, dass ein in Zahlungsverzug geratener Schuldner nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen wird, um die erforderliche Sicherheitsleistung zu stellen (Urteil vom 26. Juni 2019, Addiko Bank, C‑407/18, EU:C:2019:537, Rn. 60). Dies gilt umso mehr, wenn, wie der Generalanwalt in Nr. 58 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, der Gegenstandswert der eingelegten Rechtsbehelfe den Gesamtwert des Vertrags merklich übersteigt, wie es in der vorliegenden Rechtssache der Fall zu sein scheint.

60

Nach alledem sind Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die es dem Vollstreckungsgericht, das mit einer Vollstreckungsbeschwerde befasst ist, nicht gestatten, von Amts wegen oder auf Antrag des Verbrauchers die Missbräuchlichkeit der Klauseln eines Vertrags zu prüfen, der zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden geschlossen wurde und einen vollstreckbaren Titel darstellt, sofern das Gericht des Erkenntnisverfahrens, bei dem gesondert eine ordentliche Klage auf Prüfung der Missbräuchlichkeit der Klauseln eines solchen Vertrags anhängig gemacht werden kann, das Vollstreckungsverfahren nur dann bis zu seiner Sachentscheidung aussetzen kann, wenn eine Sicherheit geleistet wird, deren Höhe geeignet ist, den Verbraucher davon abzuhalten, eine solche Klage zu erheben und aufrechtzuerhalten.

Kosten

61

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sind dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die es dem Vollstreckungsgericht, das mit einer Vollstreckungsbeschwerde befasst ist, nicht gestatten, von Amts wegen oder auf Antrag des Verbrauchers die Missbräuchlichkeit der Klauseln eines Vertrags zu prüfen, der zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden geschlossen wurde und einen vollstreckbaren Titel darstellt, sofern das Gericht des Erkenntnisverfahrens, bei dem gesondert eine ordentliche Klage auf Prüfung der Missbräuchlichkeit der Klauseln eines solchen Vertrags anhängig gemacht werden kann, das Vollstreckungsverfahren nur dann bis zu seiner Sachentscheidung aussetzen kann, wenn eine Sicherheit geleistet wird, deren Höhe geeignet ist, den Verbraucher davon abzuhalten, eine solche Klage zu erheben und aufrechtzuerhalten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Rumänisch.