URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

25. Oktober 2017 ( *1 )

„Nichtigkeitsklage – Schlussfolgerungen des Rates der Europäischen Union zur Weltfunkkonferenz 2015 der Internationalen Fernmeldeunion – Art. 218 Abs. 9 AEUV – Abweichung von der vorgesehenen Rechtsform – Fehlende Angabe der Rechtsgrundlage“

In der Rechtssache C‑687/15

betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV, eingereicht am 17. Dezember 2015,

Europäische Kommission, vertreten durch L. Nicolae und F. Erlbacher als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch I. Šulce, J.‑P. Hix und O. Segnana als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Tschechische Republik, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und M. Hedvábná als Bevollmächtigte,

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch T. Henze und K. Stranz als Bevollmächtigte,

Französische Republik, vertreten durch F. Fize, G. de Bergues, B. Fodda und D. Colas als Bevollmächtigte,

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch C. Brodie, M. Holt und D. Robertson als Bevollmächtigte im Beistand von J. Holmes, Barrister,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, J. L. da Cruz Vilaça, J. Malenovský, E. Levits und C. Vajda, der Richter J.‑C. Bonichot und A. Arabadjiev, der Richterinnen C. Toader und A. Prechal (Berichterstatterin) sowie der Richter S. Rodin und F. Biltgen,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Mai 2017,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. September 2017

folgendes

Urteil

1

Mit ihrer Klage begehrt die Europäische Kommission die Nichtigerklärung der vom Rat der Europäischen Union am 26. Oktober 2015 auf seiner 3419. Tagung in Luxemburg angenommenen Schlussfolgerungen zur Weltfunkkonferenz 2015 (WRC‑15) der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) (im Folgenden: angefochtene Handlung).

Rechtlicher Rahmen

Völkerrecht

2

Die ITU ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, die mit den Informations- und Kommunikationstechnologien betraut ist. Wie sich u. a. aus Art. 1 ihrer Konstitution ergibt, werden im Rahmen der ITU die Funkfrequenzen und die Satellitenumlaufbahnen weltweit verteilt und technische Normen erarbeitet, um die Verbindung der Netze und der Technologien zu gewährleisten.

3

Nach Art. 2 der Konstitution der ITU setzt sie sich aus Mitgliedstaaten und Sektormitgliedern zusammen. Gegenwärtig gehören ihr 193 Staaten an, darunter alle Mitgliedstaaten der Union, die ihrerseits ein „Sektormitglied“ ist.

4

Art. 3 („Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten und der Sektormitglieder“) der Konstitution der ITU sieht vor:

„(1)   Die Mitgliedstaaten und die Sektormitglieder haben die Rechte und Pflichten, die in dieser Konstitution und in der Konvention vorgesehen sind.

(3)   Hinsichtlich der Teilnahme an der Tätigkeit der [ITU] sind die Sektormitglieder berechtigt, ohne Einschränkung an der Tätigkeit des Sektors teilzunehmen, in dem sie Mitglied sind, vorbehaltlich der einschlägigen Bestimmungen dieser Konstitution und der Konvention:

b)

[S]ie sind, vorbehaltlich der einschlägigen Bestimmungen der Konvention und der diesbezüglich von der Konferenz der Regierungsbevollmächtigten angenommenen einschlägigen Beschlüsse, berechtigt, bei der Annahme von Fragen und Empfehlungen sowie bei Beschlüssen bezüglich der Arbeitsweise und der Verfahren des betreffenden Sektors mitzuwirken.“

5

Art. 4 („Grundsatzdokumente der [ITU]“) lautet:

„(1)   Die Grundsatzdokumente der [ITU] sind:

diese Konstitution der [ITU],

die Konvention der [ITU],

die Vollzugsordnungen.

(3)   Die Bestimmungen dieser Konstitution und der Konvention werden außerdem durch diejenigen der nachstehend aufgeführten Vollzugsordnungen ergänzt, die den Fernmeldeverkehr regeln; sie sind für alle Mitglieder verbindlich:

die Vollzugsordnung für den Funkdienst.

…“

6

Art. 13 („Funkkonferenzen und Funkversammlungen“) der Konstitution der ITU bestimmt:

„(1)   Eine weltweite Funkkonferenz kann eine teilweise oder, im Ausnahmefall, eine vollständige Revision der Vollzugsordnung für den Funkdienst vornehmen und jede andere Frage von weltweitem Interesse behandeln, für die sie zuständig ist und die sich auf ihre Tagesordnung bezieht. Die anderen Aufgaben dieser Konferenz sind in der Konvention enthalten.

(2)   Weltweite Funkkonferenzen werden normalerweise alle drei bis vier Jahre einberufen; nach den einschlägigen Bestimmungen der Konvention braucht eine solche Konferenz jedoch nicht einberufen zu werden, oder es kann eine zusätzliche Konferenz einberufen werden.

…“

Unionsrecht

7

Die Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. 2002, L 108, S. 33) in der durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (ABl. 2009, L 337, S. 37) geänderten Fassung (im Folgenden: Rahmenrichtlinie) wurde auf der Grundlage von Art. 95 EG erlassen.

8

Art. 8a („Strategische Planung und Koordinierung der Funkfrequenzpolitik“) der Rahmenrichtlinie bestimmt in Abs. 4:

„Wenn es zur Förderung der wirksamen Koordinierung der Interessen der Europäischen Gemeinschaft in internationalen Organisationen, die für Funkfrequenzangelegenheiten zuständig sind, erforderlich ist, kann die Kommission unter weitestgehender Berücksichtigung der Stellungnahme der [Gruppe für Funkfrequenzpolitik (RSPG)] dem Europäischen Parlament und dem Rat gemeinsame politische Ziele vorschlagen.“

9

Art. 9 („Verwaltung der Funkfrequenzen für die elektronischen Kommunikationsdienste“) dieser Richtlinie sieht in Abs. 1 Unterabs. 2 vor:

„Die Mitgliedstaaten halten bei der Anwendung dieses Artikels die einschlägigen internationalen Übereinkünfte, einschließlich der [Vollzugsordnung für den Funkdienst], ein und können öffentliche Belange berücksichtigen.“

10

Die Entscheidung Nr. 676/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen Rechtsrahmen für die Funkfrequenzpolitik in der Europäischen Gemeinschaft (Frequenzentscheidung) (ABl. 2002, L 108, S. 1) wurde ebenfalls auf der Grundlage von Art. 95 EG erlassen. Ihr Art. 1 Abs. 1 bestimmt:

„Diese Entscheidung zielt darauf ab, in der Gemeinschaft einen politischen und rechtlichen Rahmen zu schaffen, um die Koordinierung der politischen Ansätze und gegebenenfalls harmonisierte Bedingungen im Hinblick auf die Verfügbarkeit und die effiziente Nutzung des Funkfrequenzspektrums zu gewährleisten, die für die Verwirklichung und das Funktionieren des Binnenmarktes in Bereichen der Gemeinschaftspolitik wie elektronischer Kommunikation, Verkehr sowie Forschung und Entwicklung (FuE) erforderlich sind.“

11

Der Beschluss Nr. 243/2012/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 über ein Mehrjahresprogramm für die Funkfrequenzpolitik (ABl. 2012, L 81, S. 7) wurde auf der Grundlage von Art. 114 AEUV erlassen. Abs. 1 seines Art. 1 („Ziel und Geltungsbereich“) lautet:

„Zweck dieses Beschlusses ist die Festlegung eines Mehrjahresprogramms für die Funkfrequenzpolitik zur strategischen Planung und Harmonisierung der Frequenznutzung im Hinblick auf das Funktionieren des Binnenmarkts in den Bereichen der Unionspolitik, in denen die Nutzung des Funkfrequenzspektrums eine Rolle spielt, wie beispielsweise elektronische Kommunikation, Forschung, technologische Entwicklung sowie Raumfahrt, Verkehr, Energie und audiovisuelle Politiken.“

12

Art. 10 („Internationale Verhandlungen“) des Beschlusses Nr. 243/2012 sieht in Abs. 1 vor:

„In internationalen Verhandlungen über Frequenzangelegenheiten gelten die folgenden Grundsätze:

a)

Fällt der Gegenstand der internationalen Verhandlungen in die Zuständigkeit der Union, so wird der Standpunkt der Union gemäß dem Unionsrecht festgelegt;

b)

[f]ällt der Gegenstand der internationalen Verhandlungen teilweise in die Zuständigkeit der Union und teilweise in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, so sind die Union und die Mitgliedstaaten bestrebt, einen gemeinsamen Standpunkt gemäß dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit festzulegen.

Für die Zwecke der Anwendung des Unterabsatzes 1 Buchstabe b arbeiten die Union und die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Grundsatz einer geschlossenen völkerrechtlichen Vertretung der Union und ihrer Mitgliedstaaten zusammen.“

Vorgeschichte des Rechtsstreits und angefochtene Handlung

13

Die WRC‑15 fand vom 2. bis zum 27. November 2015 in Genf (Schweiz) statt. Dort wurde vereinbart, die Vollzugsordnung für den Funkdienst zu überarbeiten.

14

Am 29. Mai 2015 unterbreitete die Kommission dem Rat auf der Grundlage von Art. 114 in Verbindung mit Art. 218 Abs. 9 AEUV einen Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den auf der WRC‑15 zu vertretenden Standpunkt der Europäischen Union (COM[2015] 234 final), der in Art. 1 vorsah:

„Die Mitgliedstaaten, die gemeinsam im Interesse der Union handeln, beteiligen sich an den Verhandlungen der [WRC‑15] über die Revision der Vollzugsordnung für den Funkdienst.

Die im Namen der Union in den Verhandlungen und bei der Annahme der Revisionen der Vollzugsordnung für den Funkdienst zu vertretenden Standpunkte sind im Anhang dieses Beschlusses festgelegt.

Werden auf der [WRC‑15] neue Vorschläge zu im Anhang aufgeführten Themen unterbreitet, zu denen es noch keinen Standpunkt der Union gibt, wird der Standpunkt der Union an Ort und Stelle koordiniert, bevor Revisionen der Vollzugsordnung für den Funkdienst von der [WRC‑15] angenommen werden. In diesen Fällen steht der Standpunkt der Union mit den Grundsätzen gemäß dem Anhang dieses Beschlusses im Einklang.“

15

Der Anhang dieses Vorschlags für einen Beschluss des Rates lautet:

„Bei den Verhandlungen und bei der Annahme von Revisionen der ITU-Vollzugsordnung für den Funkdienst auf der WRC‑15 werden die folgenden Standpunkte im Namen der Union vertreten.

1.

Zu Tagesordnungspunkt 1.1:

Ausweisung des Bands 1452–1492 MHz sowie der benachbarten Bänder 1427–1452 MHz und 1492–1518 MHz für International Mobile Telecommunications (IMT) bei gleichzeitigem Schutz passiver Dienste unterhalb von 1427 MHz;

gemeinsame primäre Zuweisung des Bands 3400–3800 MHz für den Mobilfunk und Ausweisung dieses Bands für International Mobile Telecommunications;

Ablehnung einer gemeinsamen primären Zuweisung des Bands 470–694 MHz für den Mobilfunk in Europa;

keine zusätzliche gemeinsame primäre Zuweisung der Bänder 5350–5470 MHz und 5725–5850 MHz für den Mobilfunk und keine Ausweisung dieser Bänder und des Bands 5850–5925 MHz für IMT; stattdessen weitere Untersuchung dieser drei Bänder im Hinblick auf deren mögliche Nutzung für lokale Funknetze; Gewährleistung, dass die primäre Nutzung in allen Fällen geschützt bleibt.

2.

Zu Tagesordnungspunkt 1.2:

Festsetzung des Schutzniveaus für den Rundfunk unterhalb von 694 MHz entsprechend den Ergebnissen der von der Europäischen Konferenz der Verwaltungen für Post und Telekommunikation (CEPT) durchgeführten Untersuchungen und Festsetzung des unteren Bandrands auf 694 MHz;

keine Festlegung zusätzlicher Einschränkungen für den Schutz des Rundfunks im Band 694–790 MHz, wenngleich Maßnahmen angenommen werden können, um ein ausgewogenes Nebeneinander drahtloser Breitbandsysteme und bestehender Flugnavigationsfunksysteme an den östlichen Außengrenzen der [Union] im Band 694–790 MHz zu gewährleisten.

3.

Zu Tagesordnungspunkt 1.18: Zuweisung des Bands 77,5–78 GHz für den Funkortungsdienst und Beibehaltung der Nutzung dieses Bands für Kfz-Radare, ohne zu strenge Beschränkungen einzuführen, aber in Anerkennung dessen, dass Radioastronomiestationen weiterhin Schutz genießen sollten.

4.

Zu Tagesordnungspunkt 10: Befürwortung eines Tagesordnungspunkts für die [Weltfunkkonferenz 2019 (WRC‑19)], der sich mit dem Frequenzbedarf für 5G-Mobilfunksysteme befasst, mit dem Schwerpunkt auf neuen Zuweisungen oberhalb von 6 GHz und einem gemeinsamen Herangehen an die Einleitung der damit verbundenen Kompatibilitätsuntersuchungen im Vorfeld der WRC‑19.

5.

Bei den Verhandlungen über relevante Änderungen der ITU-Vollzugsordnung für den Funkdienst auf der WRC‑15 sollte für die Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht gesorgt werden, insbesondere dafür, dass die Grundsätze eingehalten werden, die in Artikel 9 der [Rahmenrichtlinie] und im [Beschluss Nr. 243/2012] festgelegt sind, und dafür, dass dessen voraussichtliche Weiterentwicklung nicht beeinträchtigt wird.“

16

Im Anschluss an die Erörterungen im Rat nahm dieser die angefochtene Handlung an; diese lautet:

„DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION –

1.

UNTER HINWEIS AUF

a)

die [Entscheidung Nr. 676/2002];

b)

die Bestimmungen der [Rahmenrichtlinie], insbesondere deren Artikel 8a Absatz 4;

c)

den [Beschluss Nr. 243/2012];

d)

die Schlussfolgerungen des Rates zu den europäischen Positionen für die Weltfunkkonferenzen 1992, 1997, 2000, 2003, 2007 und 2012;

e)

die Bedeutung der frequenznutzenden Drahtlostechnik für das Erreichen der politischen Ziele, die sich die [Union] im Rahmen der Leitinitiative ‚Digitale Agenda für Europa‘ der Strategie Europa 2020 gesetzt hat, nämlich schnelle Breitband-Internetverbindungen bereitzustellen und aus einem digitalen Binnenmarkt einen nachhaltigen wirtschaftlichen und sozialen Nutzen zu ziehen;

f)

die Schlussfolgerungen des Rates vom 31. Mai 2010 über die Digitale Agenda für Europa;

2.

IN ANBETRACHT

der Stellungnahme der [RSPG] vom Februar 2015 zu den gemeinsamen politischen Zielen für die WRC‑15;

3.

BEKUNDET BREITE UNTERSTÜTZUNG FÜR die folgenden Ziele, die auf der WRC‑15 erreicht werden sollen, damit die einschlägigen politischen Strategien der Union erfolgreich umgesetzt werden können:

a)

Zu Tagesordnungspunkt 1.1:

i.

Ausweisung des Bands 1452–1492 MHz sowie der benachbarten Bänder 1427–1452 MHz und 1492–1518 MHz für [IMT] bei gleichzeitigem Schutz passiver Dienste unterhalb von 1427 MHz. Diese Ausweisung schließt weder die Nutzung dieser Bänder von jeglichen Anwendungen, einschließlich der Verteidigung, durch Dienste, denen sie zugewiesen sind, nicht aus, noch wird Priorität nach der Vollzugsordnung für den Funkdienst festgelegt;

ii.

gemeinsame primäre Zuweisung des Bands 3400–3800 MHz für den Mobilfunk und Ausweisung dieses Bands für IMT unter Berücksichtigung, dass das Band eine wichtige Rolle bei der Satellitenkommunikation spielt;

iii.

keine Unterstützung von Änderungen der Zuweisung des Bands 470–694 MHz in Europa;

iv.

keine zusätzliche gemeinsame primäre Zuweisung der Bänder 5350–5470 MHz und 5725–5850 MHz für den Mobilfunk und keine Ausweisung dieser Bänder und des Bands 5850–5925 MHz für IMT; stattdessen weitere Untersuchung dieser drei Bänder im Hinblick auf deren mögliche Nutzung für lokale Funknetze; Gewährleistung, dass die primäre Nutzung in allen Fällen geschützt bleibt.

b)

Zu Tagesordnungspunkt 1.2:

i.

Festsetzung des unteren Bandrands auf 694 MHz und Unterstützung der ITU-R-Empfehlungen in Bezug auf die Schutzniveaus für den Rundfunk unterhalb von 694 MHz entsprechend den Ergebnissen der von der Europäischen Konferenz der Verwaltungen für Post und Telekommunikation durchgeführten Untersuchungen;

ii.

Gewährleistung eines ausgewogenen Nebeneinanders zwischen drahtlosen Breitbandsystemen und Rundfunk und keine Festlegung zusätzlicher Einschränkungen für den Schutz des Rundfunks im Band 694–790 MHz, die über die Bestimmungen des GE-06-Übereinkommens hinausgehen;

iii.

Gewährleistung eines ausgewogenen Nebeneinanders zwischen Mobilfunk und Flugnavigationsfunksystemen an den Grenzen der östlichen Mitgliedstaaten, um die Ausbreitung von Mobilfunkdiensten in allen [Ländern der Union] durch entsprechende Regulierungsvorschriften der Vollzugsordnung für den Funkdienst zu erleichtern und gleichzeitig die kleinsten wirksamen Schutzabstände zwischen dem Funknavigationsdienst für die Luftfahrt und IMT zu begünstigen und dabei die Rechte der östlichen [Mitgliedstaaten der Union] diesbezüglich zu unterstützen.

c)

Zu Tagesordnungspunkt 1.18: Zuweisung des Bands 77,5–78 GHz für den Funkortungsdienst und Förderung der Ausweitung von Kfz-Radaren, ohne zu strenge Beschränkungen einzuführen, und Anerkennung, dass Radioastronomiestationen weiterhin Schutz genießen sollten.

d)

Zu Tagesordnungspunkt 10: Befürwortung eines Tagesordnungspunkts für die WRC‑19, der sich mit dem Frequenzbedarf für 5G-Mobilfunksysteme befasst, mit dem Schwerpunkt auf neuen Zuweisungen oberhalb von 6 GHz und einem gemeinsamen Herangehen an die Einleitung der damit verbundenen Kompatibilitätsuntersuchungen im Vorfeld der WRC‑19;

4.

ERSUCHT DIE MITGLIEDSTAATEN,

die unter Nummer 3 genannten Ziele zu verfolgen und die Grundsätze des [Beschlusses Nr. 243/2012] bei den Verhandlungen über relevante Änderungen der ITU-Vollzugsordnung für den Funkdienst auf der WRC‑15 einzuhalten;

5.

ERSUCHT DIE KOMMISSION,

dem Europäischen Parlament und dem Rat zügig über die Ergebnisse der WRC‑15 und zugleich darüber Bericht zu erstatten, wie sichergestellt werden kann, dass die europäischen Vorbereitungen für die nächste Konferenz, die 2019 stattfinden soll (WRC‑19), den politischen Strategien und den Grundsätzen der Union uneingeschränkt förderlich sind.“

17

Bei der Annahme der angefochtenen Handlung gab die Kommission folgende, in das Protokoll der Ratstagung aufgenommene Erklärung ab:

„Die Kommission bedauert, dass der Rat zur Vorbereitung der [WRC‑15] Schlussfolgerungen anstelle eines Beschlusses gemäß Artikel 218 Absatz 9 AEUV angenommen hat. Nach Auffassung der Kommission widerspricht dieses Prozedere dem Vertrag und der Rechtsprechung des Gerichtshofs. Die Kommission behält sich diesbezüglich ihre Rechte vor.“

Anträge der Parteien und Verfahren vor dem Gerichtshof

18

Die Kommission beantragt,

die angefochtene Handlung für nichtig zu erklären und

dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

19

Der Rat beantragt,

die Klage insgesamt abzuweisen und

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

20

Die Tschechische Republik, die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland sind als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen worden.

Zur Klage

Zur Zulässigkeit des Vorbringens der als Streithelfer beigetretenen Mitgliedstaaten

21

Zur Stützung ihrer Klage macht die Kommission als einzigen Klagegrund geltend, der Rat habe, indem er die angefochtene Handlung angenommen und nicht, wie von ihr vorgeschlagen, einen Beschluss erlassen habe, gegen Art. 218 Abs. 9 AEUV verstoßen.

22

Die Tschechische Republik, die Bundesrepublik Deutschland und die Französische Republik stellen in ihren Streithilfeschriftsätzen die Anwendbarkeit von Art. 218 Abs. 9 AEUV im vorliegenden Fall in Abrede und führen dazu insbesondere aus, die Union verfüge nicht über die Außenkompetenz, die erforderlich wäre, damit der Rat gemäß dieser Vorschrift die im Namen der Union zu vertretenden Standpunkte zu den von der angefochtenen Handlung erfassten Tagesordnungspunkten der WRC‑15 festlegen könne.

23

Eine Partei, die gemäß Art. 40 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union in einem bei ihm anhängigen Rechtsstreit als Streithelfer zugelassen wird, kann jedoch den Streitgegenstand, wie er durch die Anträge sowie die Klage- und Verteidigungsgründe der Hauptparteien umschrieben wird, nicht ändern. Folglich ist nur das Vorbringen eines Streithelfers zulässig, das sich in dem durch diese Anträge und Gründe festgelegten Rahmen hält (vgl. u. a. Urteil vom 7. Oktober 2014, Deutschland/Rat, C‑399/12, EU:C:2014:2258, Rn. 27).

24

Zwischen den Hauptparteien ist die Anwendbarkeit von Art. 218 Abs. 9 AEUV auf den vorliegenden Fall unstreitig. Der durch die Anträge sowie die Klage- und Verteidigungsgründe der Hauptparteien umschriebene Streitgegenstand betrifft nur die Frage, ob die angefochtene Handlung im Einklang mit den in dieser Vorschrift vorgesehenen Anforderungen an die Form und das Verfahren angenommen wurde. Daher ist das in Rn. 22 des vorliegenden Urteils angesprochene Vorbringen der als Streithelfer zugelassenen Mitgliedstaaten vorab als unzulässig zurückzuweisen.

Zum einzigen Klagegrund

Vorbringen der Parteien

25

Die Kommission trägt vor, der Rat habe dadurch, dass er Schlussfolgerungen angenommen und keinen Beschluss erlassen habe, gegen Art. 218 Abs. 9 AEUV verstoßen.

26

Die Kommission weist insoweit darauf hin, dass der Rat einen Beschluss nach Art. 218 Abs. 9 AEUV mit qualifizierter Mehrheit erlasse. Hinsichtlich der Abstimmungsregeln für die Annahme einer Handlung wie Schlussfolgerungen des Rates bestünden dagegen in der Praxis Meinungsunterschiede zwischen den Unionsorganen. Der Rat habe wiederholt die Ansicht vertreten, dass solche Handlungen einstimmig angenommen würden, so dass sie nicht ergehen könnten, wenn ein Mitgliedstaat widerspreche. Die Kommission halte diese Abstimmungsregeln nicht für mit den Verträgen vereinbar. Gemäß Art. 16 Abs. 3 EUV, wonach der Rat, „[s]oweit in den Verträgen nichts anderes festgelegt ist, … mit qualifizierter Mehrheit [beschließt]“, müssten diese Handlungen nämlich mit qualifizierter Mehrheit angenommen werden. Die vorliegende Rechtssache zeige, dass das Bemühen um einen Konsens anstelle einer qualifizierten Mehrheit zu einem anderen Ergebnis führen könne, das die Unionspolitik negativ beeinflusse.

27

Die Bestimmungen der angefochtenen Handlung wichen von dem Vorschlag vom 29. Mai 2015 ab. Die meisten Änderungen seien gerade deshalb vorgenommen worden, damit die angefochtene Handlung inhaltlich der Form entspreche, für die sich der Rat entschieden habe. So enthalte die angefochtene Handlung erstens keine Angabe zu ihrer Rechtsgrundlage. Dies sei – anders als der Rat meine – kein reiner Formfehler. Zweitens habe sich der Rat, statt zur Erläuterung der Gründe für die anzunehmende Handlung auf ausführliche Erwägungsgründe zurückzugreifen, darauf beschränkt, auf eine Reihe von Rechtsakten der Union „hinzuweisen“, die in dem betreffenden Politikbereich erlassen worden seien. Drittens habe der Rat – wie sich aus der angefochtenen Handlung ergebe – nicht beschlossen, dass die gemeinsam im Interesse der Union handelnden Mitgliedstaaten bei der WRC‑15 bestimmte Standpunkte „vertreten“, sondern für die Ziele, die bei den Verhandlungen im Rahmen der WRC‑15 erreicht werden sollten, „breite Unterstützung bekundet“ und „die Mitgliedstaaten ersucht“, bei diesen Verhandlungen bestimmte Ziele zu verfolgen.

28

Durch diese Vorgehensweise sei es dem Rat nicht gelungen, klare und verbindliche, von den Mitgliedstaaten, die gemeinsam im Interesse der Union handelten, bei ihrer Teilnahme an der WRC‑15 zu beachtende Standpunkte festzulegen, sondern er habe sie verpflichtet, ihr Bestes zu tun. Solche Verpflichtungen seien jedoch nicht geeignet, eine starke und einheitliche Außenvertretung der Union auf internationaler Ebene zu gewährleisten, und ermöglichten es daher nicht, die in den Verträgen festgelegten Ziele zu erreichen.

29

Der Rat macht geltend, er habe über einen auf Art. 218 Abs. 9 AEUV beruhenden Vorschlag der Kommission entschieden und im Einklang mit dieser Vorschrift einen verbindlichen Standpunkt der Union für die WRC‑15 festgelegt.

30

Zum einen treffe die angefochtene Handlung nämlich eine klare Aussage über die Prioritäten der Union für jeden der im Anhang des Vorschlags der Kommission vom 29. Mai 2015 aufgeführten Tagesordnungspunkte der WRC‑15. Zum anderen seien die in der angefochtenen Handlung festgelegten Standpunkte verbindlich.

31

Das gerügte Fehlen einer Rechtsgrundlage stelle allenfalls einen bloßen Formfehler dar, der nicht die Nichtigkeit der angefochtenen Handlung nach sich ziehen könne. Die Kommission stelle insoweit weder in Abrede, dass Art. 218 Abs. 9 AEUV die maßgebliche verfahrensrechtliche Grundlage sei, noch, dass Art. 114 AEUV die materiell-rechtliche Grundlage sei.

32

Was die Abstimmungsmodalitäten angehe, könne, auch wenn die angefochtene Handlung grundsätzlich mit qualifizierter Mehrheit hätte angenommen werden können, der Umstand, dass es im Rat gelungen sei, sie einstimmig anzunehmen, nicht bedeuten, dass der Rat außerhalb des in Art. 218 Abs. 9 AEUV vorgesehenen Verfahrens tätig geworden sei. Überdies folge, da die Kommission bei den Beratungen, die zur Annahme des Standpunkts der Union geführt hätten, ihren Vorschlag vom 29. Mai 2015 nicht geändert habe, um den Änderungen Rechnung zu tragen, über die im Rat weitgehende Einigkeit bestanden habe, aus Art. 293 Abs. 1 AEUV, dass der Rat einstimmig habe entscheiden müssen.

33

Der Rat nehme bisweilen in Form von Schlussfolgerungen bestimmte Rechtsakte an, die rechtliche Wirkung erzeugten oder erzeugen sollten, wobei er in einem solchen Fall im Einklang mit der anwendbaren Rechtsgrundlage die in den Verträgen festgelegten Verfahrensanforderungen zu beachten habe.

34

Entgegen dem Vorbringen der Kommission zeige der Umstand, dass die angefochtene Handlung von ihrem am 29. Mai 2015 vorgelegten Vorschlag abweiche, keinesfalls, dass das Bemühen um einen Konsens statt einer qualifizierten Mehrheit zu einem anderen Ergebnis führen könne, das die Unionspolitik negativ beeinflusse.

35

Darüber hinaus stehe die von der Kommission erhobene Rüge hinsichtlich der Form der angefochtenen Handlung im Widerspruch zur ständigen Praxis des Rates bei der Festlegung des Standpunkts der Union für die früheren Weltfunkkonferenzen. Die von der Kommission befürwortete Lesart der Verträge würde die Vertretung der Interessen der Union auf internationaler Ebene erheblich erschweren und das in den Verträgen vorgesehene institutionelle Gleichgeweicht stören.

Würdigung durch den Gerichtshof

36

Mit ihrem einzigen Klagegrund macht die Kommission im Wesentlichen geltend, dass der Rat, indem er Schlussfolgerungen zur WRC‑15 angenommen habe, statt im Einklang mit ihrem Vorschlag vom 29. Mai 2015 einen Beschluss zu erlassen, gegen Art. 218 Abs. 9 AEUV verstoßen habe. Ferner habe der Rat die Rechtsgrundlage der angefochtenen Handlung nicht angegeben.

37

In Art. 218 Abs. 9 AEUV heißt es: „Der Rat erlässt auf Vorschlag der Kommission … einen Beschluss … zur Festlegung der Standpunkte, die im Namen der Union in einem durch eine Übereinkunft eingesetzten Gremium zu vertreten sind, sofern dieses Gremium rechtswirksame Akte, mit Ausnahme von Rechtsakten zur Ergänzung oder Änderung des institutionellen Rahmens der betreffenden Übereinkunft, zu erlassen hat.“

38

Der Rat hat daher, indem er die angefochtene Handlung in Form von Schlussfolgerungen angenommen hat, eine andere als die in dieser Bestimmung vorgesehene Handlungsform verwendet.

39

Der Rat macht jedoch geltend, der Vertrag stelle ihm die Form einer Entscheidung im Rahmen von Art. 218 Abs. 9 AEUV frei. Im vorliegenden Fall habe er in Form von Schlussfolgerungen der Sache nach einen Beschluss erlassen. Überdies stelle die fehlende Angabe der Rechtsgrundlage der angefochtenen Handlung keinen wesentlichen Mangel dar.

40

In Bezug auf die Form der angefochtenen Handlung ist darauf hinzuweisen, dass mit den Verträgen ein System der Zuständigkeitsverteilung zwischen den verschiedenen Unionsorganen geschaffen wurde, das jedem Organ seinen eigenen Auftrag innerhalb des organisatorischen Aufbaus der Union und bei der Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben zuweist. Dazu heißt es in Art. 13 Abs. 2 EUV, dass jedes Unionsorgan nach Maßgabe der ihm in den Verträgen zugewiesenen Befugnisse nach den Verfahren, Bedingungen und Zielen handelt, die in den Verträgen festgelegt sind. In dieser Bestimmung kommt der Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts zum Ausdruck, der für den organisatorischen Aufbau der Union kennzeichnend ist und gebietet, dass jedes Organ seine Befugnisse unter Beachtung der Befugnisse der anderen Organe ausübt (Urteil vom 28. Juli 2016, Rat/Kommission, C‑660/13, EU:C:2016:616, Rn. 31 und 32 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

41

Wie der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, können somit – da die Grundsätze über die Willensbildung der Unionsorgane in den Verträgen festgelegt sind und nicht zur Disposition der Mitgliedstaaten oder der Organe selbst stehen – allein die Verträge ein Organ in besonderen Fällen dazu ermächtigen, ein von ihnen geschaffenes Entscheidungsverfahren zu ändern (Urteil vom 6. September 2017, Slowakei und Ungarn/Rat, C‑643/15 und C‑647/15, EU:C:2017:631, Rn. 149).

42

Im vorliegenden Fall ist erstens hervorzuheben, dass entgegen dem Vorbringen des Rates die Praxis der Organe und insbesondere, was die vorliegende Rechtssache betrifft, eine angebliche ständige Praxis bei der Festlegung des Standpunkts der Union für die Weltfunkkonferenzen im Wege von Schlussfolgerungen, zu der der von der Kommission im Rahmen der vorliegenden Klage vertretene Standpunkt in Widerspruch stünde, die von den Organen zu beachtenden Regeln der Verträge nicht ändern kann. Nach ständiger Rechtsprechung vermag eine bloße Praxis des Rates nämlich Regeln des Vertrags nicht abzuändern und kann folglich kein die Unionsorgane bindendes Präjudiz schaffen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Mai 2008, Parlament/Rat, C‑133/06, EU:C:2008:257, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Gutachten 1/08 [Abkommen zur Änderung der Listen spezifischer Verpflichtungen nach dem GATS] vom 30. November 2009, EU:C:2009:739, Rn. 172 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43

Was zweitens das auf Rn. 9 des Urteils vom 11. November 1981, IBM/Kommission (60/81, EU:C:1981:264), gestützte Vorbringen des Rates betrifft, wonach die Form, in der Handlungen oder Entscheidungen ergingen, grundsätzlich ohne Einfluss darauf sei, ob sie Rechtswirkungen hervorrufen könnten, ist festzustellen, dass die sich aus diesem Urteil ergebende Rechtsprechung maßgebend ist, um zu bestimmen, ob eine Handlung mit einer Nichtigkeitsklage angefochten werden kann. Dagegen kann aus ihr keineswegs abgeleitet werden, dass die Unionsorgane von der in der einschlägigen Bestimmung des Vertrags vorgesehenen Form der Handlung abweichen dürfen.

44

Die Abweichung eines Unionsorgans von der in den Verträgen vorgesehenen Rechtsform stellt eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften dar, die zur Nichtigerklärung der fraglichen Handlung führen kann, wenn die Abweichung Unsicherheiten hinsichtlich der Natur dieses Rechtsakts oder des bei seinem Erlass zu befolgenden Verfahrens zu schaffen droht, so dass die Rechtssicherheit beeinträchtigt wird.

45

Im vorliegenden Fall führt die Annahme der angefochtenen Handlung in Form von Schlussfolgerungen zu Unsicherheit hinsichtlich der Natur und der rechtlichen Tragweite dieser Handlung. Wie auch der Generalanwalt in den Nrn. 69 bis 72 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, trägt nämlich der Rat vor, dass diese Handlung „der Sache nach“ einen Beschluss darstelle, mit dem er den im Namen der Union bei der WRC‑15 zu vertretenden Standpunkt festlege, während die Tschechische Republik und die Französische Republik sie als gemeinsamen Standpunkt der Union und der Mitgliedstaaten einstufen und die Bundesrepublik Deutschland in ihr einen zwischen allen Mitgliedstaaten abgestimmten Standpunkt in Form von Schlussfolgerungen des Rates sieht. Darüber hinaus macht der Rat geltend, die angefochtene Handlung sei verbindlich, während die Tschechische Republik der Ansicht ist, sie sei nur in bestimmten Teilen, die in die Zuständigkeit der Union fallende Aspekte erfassten, rechtlich bindend, und die Bundesrepublik Deutschland in ihr unverbindliche Schlussfolgerungen sieht. Die Kommission macht geltend, dass sich der Rat durch die Annahme der angefochtenen Handlung in Form von Schlussfolgerungen für eine Rechtsform entschieden habe, die im Allgemeinen unverbindlichen Rechtsakten vorbehalten sei.

46

Überdies tragen die in der angefochtenen Handlung verwendeten Begriffe zur Unsicherheit bei. Während nämlich der Vorschlag der Kommission vom 29. Mai 2015 einen „Beschluss des Rates“ über den auf der WRC‑15 „zu vertretenden Standpunkt der … Union“ betraf, besteht die angefochtene Handlung für den Rat nach ihrer Nr. 3 in der „Bekundung breiter Unterstützung“ für eine Reihe von Zielen, die auf der WRC‑15 erreicht werden sollen, damit die einschlägigen politischen Strategien der Union erfolgreich umgesetzt werden können, und in ihrer Nr. 4 werden „die Mitgliedstaaten ersucht“, diese Ziele zu verfolgen und die Grundsätze des Beschlusses Nr. 243/2012 bei den Verhandlungen über relevante Änderungen der ITU-Vollzugsordnung für den Funkdienst auf der WRC‑15 einzuhalten. Wie die Kommission hervorgehoben hat, ist die Verwendung dieser Begriffe nicht damit vereinbar, dass ein Beschluss eines Unionsorgans nach Art. 288 AEUV verbindlich sein muss. Ferner lässt sich der angefochtenen Handlung nicht entnehmen, dass die Mitgliedstaaten auf der WRC‑15 einen „Standpunkt der … Union“ zu vertreten hätten, was im Widerspruch zu Art. 218 Abs. 9 AEUV steht.

47

Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass der Rat dadurch, dass er Schlussfolgerungen über die WRC‑15 angenommen und nicht, wie in Art. 218 Abs. 9 AEUV vorgesehen, einen Beschluss erlassen hat, gegen die in dieser Bestimmung aufgestellten wesentlichen Formvorschriften verstoßen hat.

48

Hinsichtlich des Umstands, dass die angefochtene Handlung nicht die Rechtsgrundlage nennt, auf der sie beruht, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Angabe der Rechtsgrundlage im Hinblick auf den in Art. 5 Abs. 2 EUV verankerten Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung geboten ist, wonach die Union nur innerhalb der Grenzen der ihr von den Mitgliedstaaten in den Verträgen zur Verwirklichung der darin niedergelegten Ziele sowohl für internes als auch für völkerrechtliches Unionshandeln übertragenen Zuständigkeiten tätig wird (vgl. in diesem Sinne Gutachten 2/94 [Beitritt der Gemeinschaft zur EMRK] vom 28. März 1996, EU:C:1996:140, Rn. 24, und Urteil vom 1. Oktober 2009, Kommission/Rat, C‑370/07, EU:C:2009:590, Rn. 46).

49

Die Wahl der geeigneten Rechtsgrundlage hat nämlich verfassungsrechtliche Bedeutung, da die Union, die nur über begrenzte Ermächtigungen verfügt, die Rechtsakte, die sie erlässt, mit einer Bestimmung des AEU-Vertrags verknüpfen muss, die sie tatsächlich hierzu ermächtigt (Gutachten 1/15 [PNR-Abkommen EU-Kanada] vom 26. Juli 2017, EU:C:2017:592, Rn. 71).

50

Ferner ist die Angabe der Rechtsgrundlage von besonderer Bedeutung für die Wahrung der Rechte der vom Verfahren für den Erlass eines Rechtsakts betroffenen Unionsorgane (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Oktober 2009, Kommission/Rat, C‑370/07, EU:C:2009:590, Rn. 48).

51

Daher kann sich in der vorliegenden Rechtssache eine solche Angabe auf die Zuständigkeiten der Kommission und des Rates sowie ihre jeweilige Rolle im Verfahren zur Annahme der angefochtenen Handlung auswirken. Die Angabe der Rechtsgrundlage ist außerdem erforderlich, um die Abstimmungsmodalitäten im Rat festzulegen (vgl. entsprechend Urteil vom 1. Oktober 2009, Kommission/Rat, C‑370/07, EU:C:2009:590, Rn. 48). Insbesondere musste der Rat die angefochtene Handlung, da sie keinem der in Art. 218 Abs. 8 Unterabs. 2 AEUV genannten Fälle entspricht, gemäß Abs. 8 Unterabs. 1 in Verbindung mit Abs. 9 von Art. 218 AEUV im Prinzip mit qualifizierter Mehrheit annehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2014, Vereinigtes Königreich/Rat, C‑81/13, EU:C:2014:2449, Rn. 66).

52

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Angabe der Rechtsgrundlage im Hinblick auf die Begründungspflicht nach Art. 296 AEUV erforderlich ist. Diese Pflicht, die insbesondere deshalb besteht, damit der Gerichtshof eine gerichtliche Kontrolle ausüben kann, muss grundsätzlich für jede Handlung der Union gelten, die Rechtswirkungen entfaltet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Oktober 2009, Kommission/Rat, C‑370/07, EU:C:2009:590, Rn. 42 und 45).

53

Schließlich verlangt das Gebot der Rechtssicherheit, dass jede Handlung, die rechtliche Wirkungen erzeugen soll, ihre Bindungswirkung einer Bestimmung des Unionsrechts entnimmt, die ausdrücklich als Rechtsgrundlage bezeichnet sein muss und die Rechtsform vorschreibt, in der die Handlung vorzunehmen ist (Urteil vom 14. Juni 2016, Kommission/McBride u. a., C‑361/14 P, EU:C:2016:434, Rn. 47).

54

Im vorliegenden Fall ist die angefochtene Handlung, da sie vom Rat angenommen wurde, eine Unionshandlung, und sie entfaltet Rechtswirkungen, da sie die Ziele festlegt, um deren Verfolgung bei der WRC‑15 die Mitgliedstaaten ersucht werden. Der Rat hätte daher in der angefochtenen Handlung die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Grundlage angeben müssen, auf der sie beruht.

55

Darüber hinaus muss zwar, wie der Rat vorträgt, das Versäumnis, auf eine bestimmte Vorschrift des Vertrags Bezug zu nehmen, kein wesentlicher Mangel sein, wenn die Rechtsgrundlage einer Handlung anhand anderer Bestandteile der Handlung ermittelt werden kann, doch ist eine solche ausdrückliche Bezugnahme unerlässlich, wenn die Betroffenen und der Gerichtshof ohne sie über die genaue Rechtsgrundlage im Unklaren gelassen würden (vgl. u. a. Urteil vom 14. Juni 2016, Kommission/McBride u. a., C‑361/14 P, EU:C:2016:434, Rn. 48).

56

Im vorliegenden Fall hat der Rat jedoch, statt die Rechtsgrundlage der angefochtenen Handlung anzugeben, lediglich in ihrer Nr. 1 auf den einschlägigen Rechtsrahmen und die institutionelle Praxis des Rates hingewiesen und in ihrer Nr. 2 die Stellungnahme des RSPG vom Februar 2015 zu den gemeinsamen politischen Zielen für die WRC‑15 angeführt. Aus dieser Feststellung in Verbindung mit den Ausführungen in Rn. 46 des vorliegenden Urteils ergibt sich, dass nichts in der angefochtenen Handlung die Bestimmung ihrer materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Grundlage zulässt.

57

Daraus folgt, dass die Rechtsgrundlage der angefochtenen Handlung nicht eindeutig bestimmt werden kann. Unter diesen Umständen kann entgegen dem Vorbringen des Rates die fehlende Angabe der Rechtsgrundlage in der angefochtenen Handlung nicht als reiner Formfehler betrachtet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Oktober 2009, Kommission/Rat, C‑370/07, EU:C:2009:590, Rn. 60 und 61).

58

Somit können die Abweichung von der in Art. 218 Abs. 9 AEUV vorgesehenen Rechtsform und die Nichtangabe der Rechtsgrundlage zu Unsicherheit über die Natur und die rechtliche Tragweite der angefochtenen Handlung sowie hinsichtlich des bei ihrer Annahme zu befolgenden Verfahrens führen, was geeignet war, die Union bei der Vertretung ihres Standpunks auf der WRC‑15 zu schwächen (vgl. entsprechend Urteil vom 1. Oktober 2009, Kommission/Rat, C‑370/07, EU:C:2009:590, Rn. 49).

59

Nach alledem ist die angefochtene Handlung für nichtig zu erklären.

Kosten

60

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Rat mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

61

Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Tschechische Republik, die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik und das Vereinigte Königreich ihre eigenen Kosten.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die vom Rat der Europäischen Union am 26. Oktober 2015 auf seiner 3419. Tagung in Luxemburg angenommenen Schlussfolgerungen zur Weltfunkkonferenz 2015 (WRC‑15) der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) werden für nichtig erklärt.

 

2.

Der Rat der Europäischen Union trägt die Kosten.

 

3.

Die Tschechische Republik, die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland tragen ihre eigenen Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.