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INT/1007

Förderung der Konvergenz der Insolvenzverfahren

STELLUNGNAHME

Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates
zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts

[COM(2022) 702 final – 2022/0408(COD)]

Kontakt

int@eesc.europa.eu

Verwaltungsrätin

Dalila BERNARD

Datum des Dokuments

14/03/2023

Berichterstatterin: Sandra PARTHIE

Ko-Berichterstatter: Philip VON BROCKDORFF

Befassung

Europäisches Parlament, 26/01/2023

Rat der Europäischen Union, 30/01/2023

Rechtsgrundlage

Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Annahme in der Fachgruppe

10/03/2023

Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

43/0/0

Verabschiedung im Plenum

DD/MM/YYYY

Plenartagung Nr.

Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

…/…/…



1.Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) betont, dass eine gut konzipierte Insolvenzregelung rentablen Unternehmen helfen sollte, ihre Geschäftstätigkeit aufrechtzuerhalten und eine vorzeitige Liquidation abzuwenden. Das Ziel sollte darin bestehen, ein Gleichgewicht zwischen vorzeitigen Insolvenzen und zu spät eingeleiteten Verfahren zu finden. Die Transparenz der Verfahren sowie der einfache Zugang zu Informationen über die Leistung eines Unternehmens sind dabei Schlüsselfaktoren. Außerdem sollte eine gut konzipierte Insolvenzregelung Kreditgeber von der Vergabe mit hohem Risiko behafteter Kredite sowie Führungskräfte und Anteilseigner von der Inanspruchnahme solcher Kredite und von anderen leichtfertigen Finanzentscheidungen abhalten 1 .

1.2Der EWSA ist der Ansicht, dass Reformen des Insolvenzrechts, die eine Umschuldung und interne Umstrukturierung fördern, dazu beitragen, Arbeitsplätze zu erhalten und zugleich die Zahl der Insolvenzen kleiner und mittlerer Unternehmen sowie der Liquidationen rentabler Unternehmen zu verringern. Allerdings würde er es begrüßen, wenn auch Vorschläge zur Lösung der noch offenen Frage der Insolvenz natürlicher Personen vorgelegt würden.

1.3Der EWSA hegt Zweifel, dass der Vorschlag, der als wichtiger Schritt zur Schließung relevanter Lücken bei der Verbesserung der Kapitalmarktunion der EU präsentiert wird, dieser Erwartung tatsächlich gerecht werden kann. Der Vorschlag liefert keine harmonisierte Definition der Insolvenzgründe und der Rangfolge der Forderungen – beides maßgebliche Faktoren bei den Bemühungen um mehr Effizienz und um Eindämmung der Fragmentierung der nationalen Insolvenzvorschriften.

1.4Der EWSA fordert daher die Kommission, das Europäische Parlament und den Rat nachdrücklich auf, die in Artikel 27 vorgeschlagene Bestimmung zu überprüfen, wonach Gegenparteien, z. B. Lieferanten eines Unternehmens, das sich in einem Insolvenzverfahren befindet, noch zu erfüllende Verträge unterzeichnen müssen, die dann ohne Zustimmung der Gegenpartei dem Käufer des Unternehmens abgetreten werden. Dies bindet sie nämlich künstlich an einen Vertragspartner, den sie nie gewählt oder geprüft haben, und schränkt ihre unternehmerische Freiheit ein. Die Einschränkung vertraglicher Kündigungsrechte bei Insolvenz verringert die Bereitschaft wichtiger Lieferanten, Kredit zu gewähren, insbesondere im Falle von KKMU in finanziellen Schwierigkeiten.

1.5Der EWSA begrüßt jedoch, dass ein besonderes Verfahren eingeführt wird, um die Abwicklung von Kleinstunternehmen zu erleichtern und zu beschleunigen, wodurch ein kostenwirksameres Insolvenzverfahren für diese Unternehmen ermöglicht wird. Diese Regelungen unterstützen auch die geordnete Abwicklung von „vermögenslosen“ Kleinstunternehmen und gehen das Problem an, dass einige Mitgliedstaaten den Zugang zu einem Insolvenzverfahren verweigern, wenn der prognostizierte Verwertungswert unter den Gerichtskosten liegt. Der EWSA betont, dass dies etwa 90 % der Insolvenzen in der EU betrifft, weshalb er dieses Verfahren für äußerst wichtig hält.

1.6Er befürwortet dieses besondere Verfahren durchaus, warnt jedoch, dass es die nationalen Justizsysteme überlasten könnte, wenn es Aufgabe der nationalen Gerichte ist, zu beurteilen, ob ein Kleinstunternehmen tatsächlich zahlungsunfähig ist, und die erforderlichen langwierigen Verfahren, einschließlich der Verwertung der Vermögenswerte und der Verteilung des Erlöses, durchzuführen. Daher empfiehlt der EWSA, auf andere kompetente Akteure wie Insolvenzverwalter zurückzugreifen, um die Belastung der Justiz zu verringern. 2

1.7Schließlich weist der EWSA darauf hin, dass ineffiziente Insolvenzverfahren zu einem höheren Niveau notleidender Kredite führen können, was die Finanzstabilität gefährdet und sich zudem auf die Kreditvergabe, die Inflation und das reale BIP auswirkt. Nach Ansicht des EWSA gehören Insolvenz- und Gläubiger-/Schuldnerrechteregelungen zu den ergänzenden Instrumenten im Arsenal der Maßnahmen, mit denen die Politik den Anstieg notleidender Kredite eindämmen kann, indem die Wahrscheinlichkeit ihrer Rückzahlung erhöht und das Niveau notleidender Kredite schneller korrigiert wird.

2.Wesentlicher Inhalt des Vorschlags der Kommission

2.1Ziel des Vorschlags ist es, die Unterschiede zwischen den nationalen Insolvenzvorschriften zu verringern und somit das Problem potenziell ineffizienter Insolvenzvorschriften in einigen Mitgliedstaaten anzugehen, die Transparenz von Insolvenzverfahren im Allgemeinen zu erhöhen und Hindernisse für den freien Kapitalverkehr abzubauen. Mit diesem Vorschlag sollen insbesondere durch die Harmonisierung bestimmter Aspekte der Insolvenzvorschriften die mit der Informationsbeschaffung und dem Lernprozess verbundenen Kosten für grenzübergreifende Anleger gesenkt werden. Von einheitlicheren Insolvenzvorschriften erwartet man sich, dass die Unternehmen in der Union künftig aus einer größeren Palette von Finanzierungsmöglichkeiten wählen können.

2.2Mit dem Vorschlag sollen bestimmte Lücken in früheren EU-Rechtsvorschriften (Richtlinie (EU) 2019/1023 und Verordnung (EU) 2015/848) geschlossen werden, die insbesondere die Verwertung der Vermögenswerte bei Liquidierung der Insolvenzmasse, die Effizienz der Verfahren und die Berechenbarkeit und gerechte Verteilung des zurückerlangten Werts unter den Gläubigern betreffen. Die Regelung betrifft insbesondere Fragen im Zusammenhang mit Anfechtungsmaßnahmen, dem Aufspüren von Vermögenswerten, den Pflichten und der Haftung der Unternehmensleitung, dem Verkauf eines Unternehmens als fortgeführtes Unternehmen im Wege eines Pre-pack-Verfahrens, dem Insolvenzauslöser, einer besonderen Insolvenzregelung für Kleinst- und Kleinunternehmen, der Rangfolge der Forderungen sowie Gläubigerausschüssen.

2.3Es wurden erhebliche Unterschiede zwischen den Insolvenzvorschriften der Mitgliedstaaten in Bezug auf die zur Liquidation eines Unternehmens erforderliche Zeit und den Wert, der schließlich zurückerlangt werden kann, festgestellt. Im Ergebnis sind die Insolvenzverfahren in einigen Mitgliedstaaten langwierig und die durchschnittlichen Verwertungswerte im Falle einer Liquidation niedrig. Nach Auffassung der Europäischen Kommission bildet dies ein Hindernis für die Kapitalmarktunion und für grenzübergreifende Investitionen innerhalb der EU.

3.Allgemeine Bemerkungen

3.1Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission, der auf mehr Transparenz und eine bessere Verfügbarkeit von Informationen über grenzüberschreitende Insolvenzvorschriften und ‑verfahren abzielt. Nach Ansicht des EWSA ist dieser Vorschlag jedoch nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer Annäherung der Insolvenzregelungen der einzelnen EU‑Mitgliedstaaten. Zudem würde er es begrüßen, wenn auch Vorschläge zur Lösung der noch offenen Frage der Insolvenz natürlicher Personen vorgelegt würden.

3.2Der EWSA betont, dass eine gut konzipierte Insolvenzregelung rentablen Unternehmen helfen sollte, ihre Geschäftstätigkeit aufrechtzuerhalten und eine vorzeitige Liquidation abzuwenden. Außerdem sollte die Regelung Kreditgeber von der Vergabe mit hohem Risiko behafteter Kredite und Führungskräfte und Anteilseigner von der Inanspruchnahme solcher Kredite und von anderen leichtfertigen Finanzentscheidungen abhalten 3 . Ein Unternehmen, das durch einen vorübergehenden Konjunkturabschwung oder eine falsche Entscheidung in Schwierigkeiten gerät, kann noch rechtzeitig auf Kurs gebracht werden, wenn sich die wirtschaftliche Lage verbessert oder das Unternehmen Korrekturmaßnahmen ergreift. Wenn dies gelingt, profitieren alle Interessenträger. In einem solchen Fall können die Gläubiger einen größeren Teil ihrer Investitionen zurückerlangen, behalten mehr Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz und bleibt der Lieferanten- und Kundenstamm erhalten.

3.3In diesem Zusammenhang verweist der EWSA auf Studien, aus denen hervorgeht, dass wirksame Reformen der Gläubigerrechte mit geringeren Kreditkosten, einem verbesserten Kreditzugang, einer besseren Beitreibung für die Gläubiger und einem wirksameren Erhalt von Arbeitsplätzen einhergehen 4 . Auch die Mitwirkungsrechte eines Gläubigerausschusses mit möglicher Beteiligung eines Arbeitnehmervertreters sollten gestärkt werden. Wenn Gläubiger nach Abschluss des Insolvenzverfahrens den Großteil ihrer Investitionen zurückerlangen, können sie die Mittel weiter in Unternehmen reinvestieren und deren Zugang zu Krediten verbessern. Ebenso können abgesicherte Gläubiger bei einem Insolvenzsystem, das den absoluten Vorrang der Forderungen wahrt, weiterhin Kredite vergeben, wobei das Vertrauen in das Insolvenzsystem erhalten bleibt 5 .

3.4Der EWSA ist der Auffassung, dass Reformen des Insolvenzrechts, die eine Umschuldung und interne Umstrukturierung fördern, dazu beitragen, Arbeitsplätze zu erhalten und die Zahl der Insolvenzen kleiner und mittlerer Unternehmen sowie der Liquidationen rentabler Unternehmen zu verringern.

3.5Als Hindernisse für grenzüberschreitende Investitionen werden neben Steuervorschriften häufig die großen Unterschiede zwischen den nationalen Insolvenzvorschriften genannt. Nach Auffassung des EWSA würde ein höheres Maß an Konvergenz der Insolvenzvorschriften zu besser funktionierenden Kapitalmärkten beitragen und so Investitionen EU-weit erleichtern. Allerdings fehlt in dem Vorschlag die Harmonisierung zentraler Aspekte des Insolvenzrechts wie eine harmonisierte Definition der Insolvenzgründe und der Rangfolge der Forderungen – beides maßgebliche Faktoren bei den Bemühungen um mehr Effizienz und weniger Fragmentierung der nationalen Insolvenzvorschriften. Das sind keine guten Voraussetzungen für die ebenso dringliche wie ambitionierte Kapitalmarktunion.

3.6Der EWSA bekräftigt dennoch seine rückhaltlose Unterstützung für einen offeneren EU-weiten Kapitalmarkt, der Unternehmen einen breiteren Zugang zu Investitionskapital bietet, und nimmt die Feststellungen der Kommission und der Weltbank 6 zur Kenntnis, wonach höhere Erlösquoten im Zusammenhang mit wirksameren Insolvenz- und Gläubigerrechten (ICR) den Zugang europäischer Unternehmen zu Kreditmöglichkeiten erweitern.

4.Besondere Bemerkungen

4.1Der EWSA stellt fest, dass sich die Insolvenzverfahren von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat erheblich unterscheiden, wobei die nationalen Rechtsvorschriften entweder vom Konzept „Schuldner in Eigenverwaltung“ oder von den „Rechten des Gläubigers“ oder von den Faktoren Beschäftigung und Arbeitsrecht maßgeblich bestimmt sind. Dies führt zu unterschiedlichen Präferenzen in Bezug auf die Liquidation von Unternehmen, die Rangfolge der Gläubigerforderungen und die Rollen von Unternehmensleitung, Insolvenzverwaltern und Gerichten. Bei der Konzipierung der Maßnahmen müssen überdies die Unterschiede zwischen Anteilseignern und Gläubigern berücksichtigt werden. Erstere reagieren meist auf Instrumente zur Prävention und Straffung, während für Gläubiger vor allem die Verfügbarkeit von Restrukturierungsinstrumenten relevant ist. Nach Ansicht des EWSA bilden die Vorschläge der Kommission einen ersten Schritt hin zu einer EU-weiten Annäherung der Vorschriften, bleiben aber hinter einer wirksamen Harmonisierung zurück und lassen die noch offene Frage der Insolvenz natürlicher Personen unbeantwortet.

4.2Der EWSA unterstützt die Auffassung der Kommission, dass die nationalen Insolvenzvorschriften für ausländische Investoren von zentraler Bedeutung sind. Der EWSA weist jedoch darauf hin, dass nur 20 % aller Insolvenzen Fälle mit grenzüberschreitender Kreditgewährung sind und dass ein wirksames Rechtsschutzsystem lediglich einen Anstieg der ausländischen Direktinvestitionen (ADI) von 2 % auf 3 % des BIP bewirkt, wie Daten für die G20-Länder belegen. Darüber hinaus ist ein erheblicher Teil der ausländischen Direktinvestitionen auf Unternehmensfusionen und Übernahmen bestehender Kapitalgesellschaften und nicht auf Investitionen in neue Unternehmen zurückzuführen.

4.3Der EWSA warnt daher vor zu hohen Erwartungen in Bezug auf die Auswirkungen einer Annäherung der Insolvenzvorschriften auf die Investitionstätigkeit. Der EWSA erkennt jedoch an, dass sich die Schaffung eines wirksamen Rechtsrahmens für Gläubiger und mehr Transparenz für alle potenziellen Investoren in Bezug auf die Insolvenzvorschriften sowie gleiche Informationen über die Rechtslage positiv auf ausländische Investitionen auswirken könnten. Die Rechtssicherheit in Bezug auf die Gläubiger- und Schuldnerrechte und eine stärkere Harmonisierung der Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Entfernung von Sicherheiten könnten auch Risiken verringern und weitere Impulse für grenzüberschreitende Investitionen und den Binnenhandel geben.

4.4Darüber hinaus hält es der EWSA für sehr wichtig, dass Investoren über Informationen und Transparenz in Bezug auf folgende Fragen verfügen: Anfechtungsmaßnahmen, Aufspüren von Vermögenswerten, Pflichten und der Haftung der Unternehmensleitung, Verkauf eines Unternehmens als fortgeführtes Unternehmen im Wege eines Pre-pack-Verfahrens, Insolvenzauslöser, besonderen Insolvenzregelung für Kleinst- und Kleinunternehmen, Rangfolge der Forderungen sowie Gläubigerausschüsse.

4.5Der EWSA begrüßt zudem die Tatsache, dass mit dem Vorschlag ein besonderes Verfahren eingeführt wird, um die Abwicklung von Kleinstunternehmen zu erleichtern und zu beschleunigen, wodurch ein kostenwirksameres Insolvenzverfahren für diese Unternehmen ermöglicht wird. Diese Regelungen unterstützen auch die geordnete Abwicklung von „vermögenslosen“ Kleinstunternehmen und gehen das Problem an, dass einige Mitgliedstaaten den Zugang zu einem Insolvenzverfahren verweigern, wenn der prognostizierte Verwertungswert unter den Gerichtskosten liegt. Der EWSA betont, dass dies etwa 90 % der Insolvenzen in der EU betrifft, weshalb er dieses Verfahren für äußerst wichtig hält.

4.6Der EWSA befürwortet zwar dieses besondere Verfahren, warnt jedoch, dass es die nationalen Justizsysteme überlasten könnte, wenn es Aufgabe der nationalen Gerichte ist, gemäß Artikel 12 ff zu beurteilen, ob ein Kleinstunternehmen tatsächlich zahlungsunfähig ist, und die erforderlichen langwierigen Verfahren durchzuführen. Nach Ansicht des Ausschusses würde dies dem Zweck der vorgeschlagenen Rechtsvorschriften teilweise zuwiderlaufen. Der EWSA hat in früheren Stellungnahmen 7 darauf hingewiesen, dass die systematische Anrufung der Gerichte nicht der beste Lösungsweg ist, und empfohlen, über die Schaffung neuer Gremien für diese Aufgabe nachzudenken. Die wirksame Einbeziehung unabhängiger Insolvenzverwalter hat sich insbesondere für schlecht organisierte Kleinstunternehmer in vereinfachten Liquidationsverfahren als vorteilhaft erwiesen, und der EWSA ist der Ansicht, dass die Hinzuziehung von Insolvenzverwaltern ernsthaft in Erwägung gezogen werden sollte. 8

4.7Zudem empfiehlt der EWSA, dass Insolvenzverwalter unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sie bestellt wurden, bei berechtigtem Interesse rasch direkten Zugang zu den nationalen Vermögensregistern erhalten. Der EWSA weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass solche Register noch nicht in allen Mitgliedstaaten eingerichtet wurden, und fordert die zuständigen Behörden auf, dies rasch zu beheben.

4.8Im Interesse der Effizienz begrüßt der EWSA den Vorschlag für Pre-pack-Verfahren, bei denen der Verkauf des Unternehmens (oder eines Teils davon) des Schuldners vor der förmlichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorbereitet und ausgehandelt wird. So besteht die Möglichkeit, kurze Zeit nach Eröffnung des förmlichen Insolvenzverfahrens zur Liquidation eines Unternehmens den Verkauf durchzuführen und den Erlös zu erzielen. Der EWSA warnt jedoch davor, dass (wie in Artikel 27 vorgeschlagen) Gegenparteien, z. B. Lieferanten eines Unternehmens, das sich in einem Insolvenzverfahren befindet, noch zu erfüllende Verträge unterzeichnen müssen, die dann ohne ihre Zustimmung dem Käufer des Unternehmens abgetreten werden. Dies bindet sie nämlich künstlich an einen Vertragspartner, den sie nie gewählt oder geprüft haben, und schränkt ihre unternehmerische Freiheit ein. Das gilt erst recht für Arbeitnehmer, deren Berufsfreiheit nicht durch einen erzwungenen Arbeitgeberwechsel verletzt werden darf. Der EWSA fordert daher die Kommission, das Europäische Parlament und den Rat auf, diesen Vorschlag zu überprüfen. Außerdem sollte auch im Pre-Packverfahren die mögliche Mitwirkung und Kontrolle durch einen Gläubigerausschuss gestärkt werden.

4.9Der EWSA weist ferner darauf hin, dass in der Richtlinie weder die Frage der Annäherung der Bestimmungen über die Rangfolge der Forderungen angegangen noch eine Definition der Insolvenzgründe geliefert wird. Dies ist aber eine zentrale Voraussetzung für harmonisierte Insolvenzverfahren, die die Kommission zum Bedauern des EWSA nicht weiter vertieft hat.

4.10Ebenso werden Insolvenzauslöser in dem Vorschlag nicht ausreichend behandelt – trotz gegenteiliger Behauptungen in der Mitteilung über die Richtlinie. In dem Vorschlag heißt es, dass der Solvenztest und der Bilanztest die beiden üblichen Auslöser für die Eröffnung eines regulären Insolvenzverfahrens in den Mitgliedstaaten sind.

4.11Im Hinblick auf eine Vereinfachung der Insolvenzverfahren, die der EWSA grundsätzlich unterstützt, wird in der Richtlinie vorgeschlagen, dass die Unfähigkeit, Schulden bei Fälligkeit zu begleichen, das Kriterium für die Eröffnung eines vereinfachten Liquidationsverfahrens sein sollte. Anstatt aber Orientierungshilfen für die Festlegung der spezifischen Bedingungen zu geben, unter denen dieses Kriterium erfüllt ist, werden die Mitgliedstaaten in dem Vorschlag aufgefordert, diese spezifischen Bedingungen selbst festzulegen, womit hier von vornherein darauf verzichtet wird, EU-weit Kohärenz herzustellen.

4.12Der EWSA stellt ferner fest, dass Banken als wichtigste Finanzintermediäre für ein stabiles Finanzsystem von grundlegender Bedeutung sind. Notleidende Kredite schwächen ihre Rentabilität und können ihre Zahlungsfähigkeit gefährden. Insolvenz- und Gläubiger-/Schuldnerrechteregelungen gehören zu den ergänzenden Instrumenten im Arsenal der Maßnahmen, mit denen die Politik das Wachstum notleidender Kredite eindämmen und ihre Abwicklung bei Erreichen eines problematischen Niveaus unterstützen kann. Eine Analyse auf Unternehmensebene zeigt, dass Reformen der Insolvenzregelungen zum Abbau der Hindernisse für Unternehmensumstrukturierungen und zur Reduzierung der persönlichen Kosten bei einem unternehmerischen Scheitern den verlorenen Kapitalanteil bei Investitionen in sogenannte Zombie-Unternehmen verringern können. Diese Gewinne werden zum Teil durch Umstrukturierung schwacher Unternehmen erzielt, was wiederum die Umlenkung von Kapital in produktivere Unternehmen anregt.

4.13Abschließend empfiehlt der EWSA, dass die Kommission regelmäßig Statistiken über Insolvenzfälle im Rahmen der einschlägigen Insolvenzverordnung veröffentlicht, damit die Wirksamkeit des eingerichteten Systems von Zeit zu Zeit bewertet werden kann.

Brüssel, den 10. März 2023

Alain COHEUR

Vorsitzender der Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

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(1)    Weltbank, Resolving Insolvency , abgerufen am 3. Januar 2023.
(2)    Weltbank, Principles for effective Insolvency and Creditor/Debtor Regimes, überarbeitete Ausgabe 2021, Grundsätze C6.1 und C19.6.
(3)    Weltbank, Resolving Insolvency , abgerufen am 3. Januar 2023.
(4)    Weltbank, Resolving Insolvency , abgerufen am 3. Januar 2023.
(5)    Weltbank, Resolving Insolvency , abgerufen am 3. Januar 2023.
(6)    Weltbankgruppe, How Insolvency and Creditor/Debtor Regimes Can Help Address Nonperforming Loans - EFI Note-Finance , Washington DC.
(7)    Siehe u. a. die Stellungnahme des EWSA „Unternehmensinsolvenzen“, ABl. C 209 vom 30.6.2017, S. 21 .
(8)    Weltbank, Principles for effective Insolvency and Creditor/Debtor Regimes, überarbeitete Ausgabe 2021, Grundsätze C6.1 und C19.6.