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Amtsblatt
der Europäischen Union

DE

Reihe C


C/2025/1187

21.3.2025

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Die Zukunft der Stromversorgung und Strombepreisung in der EU

(Initiativstellungnahme)

(C/2025/1187)

Berichterstatter:

Jan DIRX

Ko-Berichterstatter:

Thomas KATTNIG

Berater

Peter Gijsbert BOERMA (für den Berichterstatter)

René MONO (für den Ko-Berichterstatter)

Beschluss des Plenums

15.2.2024

Rechtsgrundlage

Artikel 52 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Initiativstellungnahme

Zuständiges Arbeitsorgan

Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme im Arbeitsorgan

11.12.2024

Verabschiedung im Plenum

22.1.2025

Plenartagung Nr.

593

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

185/3/3

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) ist überzeugt, dass eine Reform des Strommarkts nicht nur dem Ziel der Klimaneutralität bis spätestens 2050, sondern auch den Zielen der Versorgungssicherheit und stabiler und erschwinglicher Preise dienen sollte. Gerade zum Schutz gefährdeter Gruppen ist es notwendig, das Recht auf Energie zu verankern.

Diese kombinierten Ziele, mit den erforderlichen Großinvestitionen, lassen sich nur durch eine Kombination aus staatlichen Eingriffen und Marktmechanismen verwirklichen.

1.2.

Zu diesem Zweck fordert der EWSA ein Modell aus staatlicher Regulierung (wenn erforderlich) und privatem Unternehmertum (wenn möglich). Konkret strebt er die Einrichtung einer E-Agentur an. Diese könnte die Form eines von der Regierung gegründeten Unternehmens annehmen, das im Hinblick auf Klimaneutralität, Versorgungssicherheit und stabile und erschwingliche Preise im Laufe der Zeit auf dem Strommarkt die Rolle eines Market-Makers übernimmt.

1.3.

Die erforderlichen Änderungen des Strommarkts können in drei Phasen unterteilt werden:

1.

In Phase 1 (bis 2030) wird die E-Agentur ihr Portfolio mit dem gewünschten Mix aus (CO2- freier) Stromerzeugung erweitern. In diesem Zeitraum wird der Stromhandel auf der Day-ahead-Handelsbasis erfolgen, aber der Einfluss der E-Agentur auf den Markt wird zunehmen.

2.

In Phase 2 (2030 bis 2040) wird die E-Agentur ihre Position als Market-Maker erreichen und einen angemessenen Teil der Angebotsseite des Marktes durch Lieferverträge kontrollieren. Die Rolle des Day-ahead-Handels wird sich in diesem Zeitraum aufgrund der Position der E-Agentur als Market-Maker entsprechend verändern.

3.

In Phase 3 (2040 bis 2050) wird die E-Agentur die Stromversorgungsseite optimieren, um ab 2050 eine nachhaltige langfristige treibhausgasneutrale Stromversorgung zu stabilen und vorhersehbaren Preisen zu gewährleisten.

1.4.

Der EWSA plädiert wie schon oft zuvor dafür, die Stromerzeugung in kleinem Maßstab zu fördern, um den Strompreis für die Verbraucher erschwinglich zu halten und die Flexibilitätsoptionen der Netze zu erhöhen.

1.5.

So werden die Regierungen angesichts der erwarteten Verdoppelung sowohl der Energiepreise als auch der Übertragungs- und Verteilungstarife aufgrund der Stromkosten bis 2030 und darüber hinaus ihre Politik in Bezug auf die Besteuerung des an die Verbraucher gelieferten Stroms überdenken müssen.

2.   Einleitung

2.1.

Die EU erklärt, bis 2050 eine treibhausgasneutrale Wirtschaft erreichen zu wollen. Dem Strom kommt dabei zentrale Bedeutung zu. Zum einen, weil die Stromerzeugung ebenfalls klimaneutral erfolgen muss. Dabei kommt erneuerbaren Energien (wie Wind- und Solarenergie) eine dominierende Rolle zu. Ergänzt werden sie u. a. durch Kraftwerke, die mit grünem Wasserstoff betrieben werden, oder andere (CO2-arme) Kraftwerke mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) und/oder CO2-Ausgleich. Zum anderen wird die Nachfrage nach Strom stark steigen, da diese Energie einen großen Teil der verwendeten fossilen Brennstoffe wie Erdgas sowohl in Haushalten als auch in Unternehmen ersetzen muss.

2.2.

Dieser Übergang erfordert Großinvestitionen, die in der derzeitigen Strommarktstruktur nicht einfach vom Markt bereitgestellt werden wird, da die Rendite, insbesondere in der Übergangsphase, ungewiss ist. Es stellt sich außerdem die große Frage, wer die erforderlichen neuen regelbaren Kraftwerke finanzieren wird. Dies liegt daran, dass erneuerbare Energiequellen eine ganze Zeit lang genügend Strom liefern, um die Nachfrage zu decken. Dies bedeutet wiederum, dass regelbare Kraftwerke bestenfalls nur zeitweise in Betrieb gehen, wodurch ihre Stromgestehungskosten (Levelised Costs of Electricity, LCOE) (1) erheblich steigen werden. Ohne Kostenausgleich wird es auf dem Markt keine Anreize geben, in solche Kraftwerke zu investieren. Aus diesem Grund bedarf es einer langfristigen Vision der EU mit einem realistischen Zeitrahmen, damit sich der Markt, die Regierungen, die Verbraucher und die Unternehmen auf kontrollierte Weise anpassen können. Außerdem sollten die Mitgliedstaaten zukunftsorientierte Umsetzungspläne als Richtschnur für die zweckdienlichsten Investitionsentscheidungen erstellen. In mehreren Mitgliedstaaten umfasst dies die Schaffung von Kapazitätsvergütungsmechanismen, die über wettbewerbsorientierte Auktionen bepreist werden.

2.3.

Dies betrifft nicht nur Investitionen in Produktionskapazitäten, sondern auch Investitionen in das Netz und in flexible Optionen wie Speicherkapazitäten auf lokaler/regionaler, nationaler und europäischer Ebene. Es liegt auch auf der Hand, dass auf dem Strommarkt die Rolle von Eigenerzeugern, Energiegenossenschaften und dergleichen zunehmen wird. Dazu zählen auch kleinere Speicherkapazitäten, z. B. bei Elektroautos.

Experten zufolge wird all dies in den kommenden Jahren zu einer potenziellen Verdopplung des Strompreises führen (2). Sowohl Unternehmen als auch Verbraucher, insbesondere schutzbedürftige Gruppen, werden mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben, wenn keine entsprechenden Maßnahmen entwickelt werden.

Im Rahmen der jetzigen Marktordnung, die durch das Merit-Order-Prinzip (3) gekennzeichnet ist, profitieren zudem beispielsweise Verbraucher und Unternehmen finanziell nicht in ausreichendem Maße von der Zunahme der erneuerbaren Energien.

2.4.

Der EWSA ist deshalb überzeugt, dass eine Reform des Strommarkts nicht nur dem Ziel der Klimaneutralität bis spätestens 2050, sondern auch den Zielen der Versorgungssicherheit und stabiler und erschwinglicher Preise dienen sollte. Gerade zum Schutz gefährdeter Gruppen ist es notwendig, das Recht auf Energie (4) zu gewährleisten.

Diese kombinierten Ziele, mit den erforderlichen Großinvestitionen, lassen sich nur durch eine Kombination aus staatlichen Eingriffen und Marktmechanismen verwirklichen. Dies hat der Ausschuss bereits in seiner Stellungnahme „Reform des Strommarkts“ (TEN/793) vom Juni 2023 (5) hervorgehoben. Diese Meinung vertritt auch die europäische Denkfabrik Bruegel in ihrer Studie über die Zukunft des Strommarkts vom Juli 2024 (6).

2.5.

Zu diesem Zweck fordert der EWSA ein Modell aus staatlicher Regulierung (wenn erforderlich) und privatem Unternehmertum (wenn möglich). Konkret strebt er die Einrichtung einer E-Agentur (siehe Anhang 1, vereinfachte Darstellung der Rolle der E-Agentur) an.

Die E-Agentur soll die Form eines von der Regierung gegründetes Unternehmens annehmen, das im Hinblick auf Klimaneutralität, Versorgungssicherheit und stabile und erschwingliche Preise auf dem Strommarkt die Rolle eines Market-Makers übernimmt. Zu diesem Zweck wird die E-Agentur im Rahmen von Ausschreibungsverfahren langfristige Verträge (zweiseitige Differenzverträge oder Strombezugsverträge (7)) mit den Stromerzeugern abschließen und den Strom dann an Verteilerunternehmen und gegebenenfalls direkt an Strom-Großverbraucher verkaufen.

Die E-Agentur wird nicht als Drehscheibe für den gesamten erzeugten Strom dienen. So werden beispielsweise Prosumenten, Energiegenossenschaften und andere kleine Erzeuger ihren Strom häufig selbst nutzen, speichern oder an ihre Stromversorger zurückleiten. Auch werden Groß-Stromverbraucher möglicherweise langfristige Verträge direkt mit einem Stromerzeuger abschließen.

2.6.

In der vorliegenden Initiativstellungnahme wird die Idee der E-Agentur näher erläutert, und zwar in groben Zügen und nicht in allen (technischen) Details, da eine konkretere Ausgestaltung durch die Weiterentwicklung des Strommarkts in den kommenden Jahren bedingt wird.

3.   Die Funktionen der Strommärkte

3.1.

In Bezug auf die Strompreise auf dem Großhandelsmarkt muss der Marktpreis verschiedene Funktionen erfüllen:

1.

kurzfristige Allokation zwischen Angebot und Nachfrage – dies ist die wichtigste Funktion der Preise für Stromgroßhandelsprodukte (Futures, Day-Ahead, Intraday-Produkte usw.), die alle in erster Linie auf die Spotmärkte ausgerichtet sind;

2.

Signalfunktion, d. h. die Fähigkeit des Marktpreises, die Investitionen anzuziehen, die für eine künftige (dekarbonisierte) Versorgung erforderlich sind;

3.

Refinanzierung von Investitionen sowohl in erneuerbare Energien und regelbare Kapazitäten als auch in Flexibilitätsoptionen wie nachfrageseitige Steuerung der Speicheranlagen und flexibler Verbrauch (Wärmepumpen, E-Fahrzeuge).

3.2.

Der derzeitige Großhandelsmarkt ist eindeutig auf die in Ziffer 3.1 genannte erste Funktion ausgerichtet, d. h. die Organisation (über den Merit-Order-Effekt) der effizientesten kurzfristigen Allokation bestehender Erzeugungskapazitäten und der effizienten Nutzung der grenzüberschreitenden Übertragungskapazität durch regionale Strombörsen. Inwieweit die derzeitige Marktgestaltung die zweite Funktion erfüllen kann, ist unklar, da solche Investitionen langfristige Einnahmensicherheit erfordern, um bankfähig zu sein. Aus demselben Grund ist es nahezu sicher, dass sie die dritte Funktion nicht erfüllt. Angesichts dieser Mängel auf dem bestehenden Markt wird über ein neues Marktdesign diskutiert.

3.3.

Die in TEN/793 vorgeschlagene E-Agentur sollte als Lösung gesehen werden, um die dritte in Ziffer 3.1 genannte Funktion besser zu erfüllen. Außerdem verspricht sie mehrere Vorteile, in erster Linie ein hohes Maß an Versorgungssicherheit (für risikoscheue Staaten, die fundierte Entscheidungen treffen möchten) zu minimalen Kosten für die Verbraucher.

3.4.

Die E-Agentur, auf die im nächsten Abschnitt näher eingegangen wird, ist daher ein grundlegend wichtiges Instrument, mit dem die Mängel auf dem bestehenden Strommarkt durch nationale politische Maßnahmen behoben werden können, die den bestehenden Rahmen der EU entsprechen.

4.   E-Agentur

4.1.

Um sich einen Eindruck von den Herausforderungen des Stromerzeugungsmarkts zu verschaffen, sei auf die von Eurelectric (im März 2024) (8) festgelegten Ziele für die EU verwiesen:

a)

Bis spätestens 2030 müssen 35 % und

b)

bis 2050 50-70 % der Endenergie elektrifiziert werden;

c)

bis 2040 muss die Stromerzeugung vollständig dekarbonisiert werden;

d)

in den letzten zehn Jahren lag die Elektrifizierungsrate bei rund 22 %;

e)

bis spätestens 2030 muss diese auf 35 % und bis 2050 auf 61 % steigen, um die vorgenannten Ziele zu erreichen.

4.2.

Diese Ziele stellen eine große Herausforderung dar und für einen freien Markt bestehen zugegebenermaßen keine ausreichenden Anreize, diese Ziele zu erreichen und die erforderlichen Veränderungen auf dem Markt herbeizuführen. Deshalb ist der EWSA der Auffassung, dass diese Herausforderungen nur von den Regierungen wirksam bewältigt werden können.

4.3.

Dies erfordert eine ausgewogene Vision und Koordinierung, die auf europäischer Ebene unterstützt wird. Es gilt, einen Rechtsrahmen zu schaffen, der eine umweltfreundliche, erschwingliche und zuverlässige Energieversorgung und das Recht auf Energie gewährleistet. Gleichzeitig muss der Markt, wie bereits dargelegt, aufgrund eines derart umfassenden Übergangs staatliche Leitlinien und staatliche finanzielle Investitionsförderung erhalten.

4.4.

Aus diesem Grund schlug der Ausschuss in TEN/793 die Einrichtung staatseigener E-Agenturen vor, um diese Ziele auf eine kontrollierte Art und Weise zu erreichen. Die Koordinierung zwischen diesen staatlichen E-Agenturen könnte auf EU-Ebene erfolgen, um einen optimalen europäischen Energiemarkt mit der erforderlichen Interdependenz auf EU-Ebene zu gewährleisten. Die E-Agentur würde über die Möglichkeit verfügen, Angebote für spezifische Energiequellen abzugeben, um einen optimalen Energiemix zu erreichen – ausgehend von dem Ziel, die CO2-Reduktionsvorgaben für den Strommarkt rechtzeitig zu erfüllen.

4.5.

Die Energiebepreisung sollte auf der Grundlage der Stromgestehungskosten über die E-Agentur erfolgen, deren Hauptziel darin besteht, faire und stabile, gewichtete Durchschnittspreise auf der Grundlage einer ausgewogenen Kombination von Energiequellen mit ihren jeweiligen Stromgestehungskosten sicherzustellen. Die E-Agentur wird zwischen den kommerziellen Energielieferanten und den kommerziellen Energievertriebsunternehmen angesiedelt sein. Natürlich werden Groß-Stromverbraucher möglicherweise langfristige Verträge direkt mit einem Stromerzeuger abschließen.

Eine direkte staatliche Unterstützung würde den Energielieferanten eine ausreichende finanzielle Gewähr bieten, um langfristige Verträge (20 Jahre und mehr) wie Strombezugsverträge und zweiseitige Differenzverträge abzuschließen. Daher ist klar, dass die E-Agentur solche langfristigen Verträge nur mit staatlicher finanzieller Unterstützung oder über direktes staatliches Eigentum anbieten könnte.

4.6.

Der Markt gewährleistet ein kurzfristiges Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage (Day-ahead- und Intraday-Handel), während das Hauptziel der E-Agentur darin besteht, mittel- und langfristige Preisstabilität zu gewährleisten. Mit Blick auf das Gleichgewicht auf nationaler und EU-Ebene wäre der um neue KI-Fähigkeiten erweiterte EUPHEMIA (9)-Marktkopplungsalgorithmus sehr gut geeignet.

4.7.

Ein stabiler Preismechanismus, der über die E-Agentur bereitgestellt wird, wird auch den Verbrauchern zugutekommen und sie dazu anhalten, Initiativen für die gemeinsame genossenschaftliche Stromerzeugung und den gemeinsamen Verbrauch auf lokaler Ebene zu ergreifen, was unserer Ansicht nach eine der künftig erforderlichen Lösungen sein wird.

4.8.

Die Entscheidung über die mögliche Einrichtung einer E-Agentur bleibt den Mitgliedstaaten überlassen. Der EWSA spricht sich für eine EU-weite Abstimmung darüber aus, wie für geringstmögliche und möglichst stabile Energiepreise gesorgt werden kann. Auch die erforderliche Kapazität, die Netzinfrastruktur und der ergänzende Energiemix können dann unter den Mitgliedstaaten abgestimmt werden.

5.   Entwicklung bis 2050

5.1.

Es wird vorgeschlagen, die erforderlichen Änderungen des Strommarkts in drei Phasen zu unterteilen:

1.

bis 2030 (die Kohle- und fossilgasbetriebenen Kraftwerke sind noch in Betrieb);

2.

2030 bis 2040: Ersatz der mit fossilen Brennstoffen betriebenen regelbaren Kraftwerke durch CO2-freie regelbare Kraftwerke (z. B. grüner Wasserstoff, fossiles Gas mit CO2-Abscheidung) und Speicherkapazitäten;

3.

2040 bis 2050: Optimierung der gewählten Optionen für ein stabiles System ab 2050.

In Phase 1 wird die E-Agentur ihr Portfolio mit dem gewünschten Mix aus (CO2-freier) Stromerzeugung erweitern. Es braucht Zeit, um zu einem Market-Maker zu werden. In dieser Phase werden die Kohlekraftwerke stillgelegt und die Gaskraftwerke entweder in Wasserstoffkraftwerke umgewandelt oder mit CO2-Abscheidung kombiniert. In diesem Zeitraum (bis 2030) wird der Stromhandel auf der Day-ahead-Handelsbasis erfolgen, aber der Einfluss der E-Agentur auf den Markt wird zunehmen.

5.2.

In Phase 2 wird die E-Agentur ihre Position als Market-Maker erreichen und einen angemessenen Teil der Angebotsseite des Marktes durch Lieferverträge kontrollieren. Dabei könnte es sich um zweiseitige Differenzverträge oder Strombezugsverträge handeln. Gegen Ende dieser Phase wird die E-Agentur in ihrer Funktion als Market-Maker die Stromversorgung der Verbraucher (mittels der Energieversorgungsunternehmen) sicherstellen. Die Rolle des Day-ahead-Handels wird sich in diesem Zeitraum aufgrund der Position der E-Agentur als Market-Maker entsprechend verändern, aber Day-ahead- und Intraday-Handel werden weiterhin für das Gleichgewicht zwischen Angebot und Verbrauch wichtig sein.

5.3.

In Phase 3 wird die E-Agentur die Stromversorgungsseite optimieren, um ab 2050 eine nachhaltige langfristige Stromversorgung ohne CO2-Emissionen zu stabilen und vorhersehbaren Preisen zu gewährleisten. Auf der Grundlage der gewonnenen Erfahrungen lässt sich dies durch die Optimierung des Strommixes durch langfristige Lieferverträge (20-30 Jahre) erreichen.

5.4.

Darüber hinaus sind aus systemischer Sicht die gemeinsame Energienutzung und der Peer-to-Peer-Handel weitere wichtige Optionen zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Sie bieten den zusätzlichen Vorteil, Energiegemeinschaften wie Genossenschaften und einzelne Prosumenten aktiv in die Gestaltung der Energiewende einbeziehen zu können. Der EWSA plädiert daher wie schon oft zuvor dafür, die Stromerzeugung in kleinem Maßstab zu fördern, um den Strompreis für die Verbraucher erschwinglich zu halten und die Flexibilitätsoptionen der Netze zu erhöhen.

6.   Finanzierung und Besteuerung

6.1.

Die Strompreise werden bis 2035 voraussichtlich steigen und sich im schlimmsten Fall sogar verdoppeln. Durch die Zunahme der erneuerbaren Energiequellen wird dieser Preisanstieg glücklicherweise gedämpft (siehe Fußnote 2). Aus diesem Grund ist bei der Preisgestaltung eine weitere Modellierung erforderlich, um die Regierungen dabei zu unterstützen, kosteneffiziente Entscheidungen für den Stromerzeugungsmix zu treffen. Für diese Aufgabe würde sich die E-Agentur sehr gut eignen.

6.2.

Selbst jetzt geben einige Übertragungsnetzbetreiber (10) an, dass sie nach 2030 nicht in der Lage sein werden, einen ausreichenden Netzbetrieb zu gewährleisten, wenn in der Zwischenzeit keine größeren Investitionen in den Ausbau ihres Netzes getätigt werden, und in einigen Mitgliedstaaten werden die Prosumenten wegen unzureichender Verteilernetzkapazität vom Verteilernetz abgekoppelt. Um diese Modernisierungen rechtzeitig zu finanzieren, müssen die Regierungen als Regulierungsbehörden der Übertragungsnetzbetreiber und Verteilernetzbetreiber (11) ausreichende Mittel zur Verfügung stellen. Diese zusätzlichen Investitionen werden höhere Preise für die Nutzer nach sich ziehen. Angesichts des Umfangs der erforderlichen Investitionen könnten sich die derzeitigen Preise durchaus verdoppeln.

6.3.

Für einen reibungslosen Übergang von fossilem zu erneuerbarem und kohlenstoffarmem Strom müssen EU-weit mehr Anstrengungen unternommen werden, um einheitliche, EU-weite Preismodelle auf der Grundlage der Stromgestehungskosten (LCOE) und der Gestehungs- und Systemkosten (Levelised Full System Cost of Electricity, LFSCOE) (12) zu schaffen. Dies würde den Regierungen helfen, während des Übergangszeitraums bis 2050 fundierte Entscheidungen zu treffen, um sicherzustellen, dass Strom sowohl für die Bürger als auch für Unternehmen erschwinglich bleibt.

6.4.

So werden die Regierungen angesichts der steigenden Energiepreise und Übertragungs- und Verteilungstarife aufgrund der Stromkosten bis 2030 und darüber hinaus ihre Politik in Bezug auf die Besteuerung der Lieferung von Strom an die Verbraucher überdenken müssen. Ohne einen Ausgleich durch Steuersenkungen könnte Strom für bestimmte Gruppen von EU-Bürgerinnen und Bürgern durchaus unbezahlbar und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, die im Wettbewerb mit Unternehmen aus Drittländern stehen, geschwächt werden.

Brüssel, den 22. Januar 2025

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Oliver RÖPKE


(1)  Stromgestehungskosten sind die durchschnittlichen aktuellen Nettokosten der Stromerzeugung für ein Kraftwerk über seine Lebenszeit. Sie dienen der Investitionsplanung und dem Vergleich verschiedener Stromerzeugungsmethoden auf einer einheitlichen Grundlage.

(2)   EU Energy Outlook 2060.

(3)  Merit-Order-Prinzip: Einsatzreihenfolge von Kraftwerken auf der Grundlage ihrer Grenzkosten, beginnend mit den niedrigsten und endend mit den höchsten Grenzkosten. Das heißt, es werden so lange Kraftwerke mit höheren Grenzkosten dazugeschaltet, bis die Nachfrage gedeckt ist. Die Reihenfolge lautet: Erneuerbare, Kernenergie, Kohle, Öl und Gas. So, wie der Strommarkt gegenwärtig gestaltet ist, wird der Preis von den Grenzkosten des gemäß dem Merit-Order-Prinzip zuletzt zugeschalteten Kraftwerks (zumeist Gaskraftwerk) bestimmt.

(4)   https://research.rug.nl/en/publications/the-right-to-energy-in-the-european-union.

(5)   ABl. C 293 vom 18.8.2023, S. 112.

(6)   https://www.bruegel.org/policy-brief/changing-dynamics-european-electricity-markets-and-supply-demand-mismatch-risk.

(7)  Zweiseitiger Differenzvertrag bezeichnet einen Vertrag zwischen einem Betreiber einer Stromerzeugungsanlage und einer öffentlichen Einrichtung, die den Ausübungspreis festlegt. In der Praxis gestaltet sich dies folgendermaßen: Liegt der Marktpreis unter dem Ausübungspreis, erhält der Erzeuger die Differenz. Liegt der Marktpreis über dem Ausübungspreis, muss der Erzeuger die Differenz zurückzahlen. Strombezugsverträge sind langfristige Verträge zwischen Stromlieferanten und Stromkäufern.

(8)   https://www.eurelectric.org/publications/eurelectric-electrification-action-plan.

(9)  EUPHEMIA steht für EU + Pan-european Hybrid Electricity Market Integration Algorithm.

(10)  Ein Übertragungsnetzbetreiber ist für den effizienten und zuverlässigen Transport von Strom aus Erzeugungsanlagen über das Stromnetz zu regionalen oder lokalen Stromverteilungsunternehmen zuständig.

(11)  Ein Verteilernetzbetreiber betreibt, verwaltet und besitzt manchmal die lokalen und regionalen Energieverteilungsnetze, die Strom zu den Endverbrauchern transportieren.

(12)  Bei den Gestehungs- und Systemkosten handelt es sich um die Gesamtkosten für die Bereitstellung von Strom auf dem gesamten Markt unter Einsatz einer einzigen Stromquelle plus Speicherung. https://drive.google.com/file/d/1JB-x88wPQuKwWoFnxvkDAzbJ7hnM1-sj/view.


ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2025/1187/oj

ISSN 1977-088X (electronic edition)