ISSN 1725-2407 doi:10.3000/17252407.C_2011.107.deu |
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Amtsblatt der Europäischen Union |
C 107 |
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Ausgabe in deutscher Sprache |
Mitteilungen und Bekanntmachungen |
54. Jahrgang |
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I Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen |
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STELLUNGNAHMEN |
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Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss |
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469. Plenartagung am 16. und 17. Februar 2011 |
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2011/C 107/01 |
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III Vorbereitende Rechtsakte |
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EUROPÄISCHER WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS |
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469. Plenartagung am 16. und 17. Februar 2011 |
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2011/C 107/02 |
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2011/C 107/03 |
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2011/C 107/08 |
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2011/C 107/13 |
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2011/C 107/17 |
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2011/C 107/19 |
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2011/C 107/20 |
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I Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen
STELLUNGNAHMEN
Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss
469. Plenartagung am 16. und 17. Februar 2011
6.4.2011 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 107/1 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Zugang zu Sekundärrohstoffen (Schrott, Recyclingpapier usw.)“ (Initiativstellungnahme)
2011/C 107/01
Berichterstatter: Josef ZBOŘIL
Ko-Berichterstatter: Enrico GIBELLIERI
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 15. Juli 2010 gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung, eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:
„Zugang zu Sekundärrohstoffen (Schrott, Recyclingpapier usw.)“.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Beratende Kommission für den industriellen Wandel nahm ihre Stellungnahme am 13. Januar 2011 an.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 469. Plenartagung am 16./17. Februar 2011 (Sitzung vom 16. Februar) mit 88 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 Der Ausschuss begrüßt nachdrücklich die Analysen der verschiedenen Industrieverbände, in denen die derzeitige Sachlage sowie mögliche künftige Szenarien beschrieben werden, die zu gravierenden Ungleichgewichten zwischen Angebot und Nachfrage auf den Sekundärrohstoffmärkten führen könnten.
1.2 Der Ausschuss weist außerdem darauf hin, dass die Verfügbarkeit von Rohstoffen an sich in einigen Ländern (USA, China) als strategische Frage betrachtet und behandelt wird. In diesen Ländern unterliegen natürlich auch die Sekundärrohstoffe einer vergleichsweise strikteren Regelung. Der EWSA begrüßt daher, dass die Materialeffizienz zur maßgeblichen Priorität der GD Umwelt geworden ist.
1.3 Der Zugang zu ihren jeweiligen Rohstoffen ist in den einzelnen Industriezweigen sehr unterschiedlich, ebenso wie die Materialströme selbst, die von der Art und der traditionellen Nutzung der benötigten Rohstoffe abhängen. In einigen Fällen wie z.B. in der Glas- und Stahlindustrie könnte die Materialeffizienz schlicht und einfach durch die Feinabstimmung und Austarierung der bestehenden Systeme und Produktionsverfahren mittels genau definierter Anreize verbessert werden. Der EWSA mahnt, dass aufgrund dieser Anreize weder die Zahl noch die Qualität der Arbeitsplätze in der Verwertungs- und Verarbeitungsindustrie in Frage gestellt werden darf.
1.4 Sekundärrohstoffe werden derzeit in großen Mengen ausgeführt, obwohl sie in den Grund- und Verarbeitungsindustrien dringend benötigt werden. Dies ist eine ernste Gefahr für die Beschäftigung in sämtlichen Verarbeitungsindustrien.
1.5 Der durch die überschüssigen Abfallmengen aus den bestehenden Getrenntsammlungssystemen erzeugte Druck wird häufig einfach dadurch verringert, dass die verschiedenen Sorten von gesammelten Abfällen wahllos verkauft werden, ohne dass eine Weiterverarbeitung stattfindet und ohne dass ihre Endnutzung innerhalb der EU sichergestellt wird.
1.6 Leider werden häufig illegale Handelspraktiken angewandt, um erhebliche Sekundärrohstoffströme der direkten Kontrolle zu entziehen. So wird beispielsweise die Abfallverbringungsverordnung für bestimmte Sekundärrohstoffe durch falsche Zollanmeldungen umgangen, in denen Abfälle als Gebrauchtgegenstände ausgewiesen werden.
1.7 Auf diese Weise wird mit den im Interesse der EU-Steuerzahler gesammelten Abfällen nicht der beabsichtigte Nutzen erzielt, sondern die Wettbewerbsfähigkeit der betreffenden Wirtschaftszweige durch die Verknappung und/oder unnötige Verteuerung von Sekundärrohstoffen verringert.
1.8 Darüber hinaus gibt es offenkundig keinen kohärenten Rahmen für die zahlreichen spezifischen Vorschriften über die stoffliche Verwertung. Meist werden isolierte Einzelaspekte der Sammlung und stofflichen Verwertung von Abfällen behandelt, während die in den Systemen und Prozessen wirkenden Marktkräfte unberücksichtigt bleiben.
1.9 Auch die REACH-Verordnung führt in einigen Verwertungsindustrien zu Problemen, da keine klare Unterscheidung zwischen Produkten am Ende ihres Lebenszyklus (Abfall) und Gebrauchtgegenständen vorgenommen wird. Ungeachtet der dahinterstehenden guten Absicht verfehlt dieses Konzept daher leider seinen Zweck. Einige der betroffenen Industrien wie z.B. die Papierindustrie haben einen Ausweg aus der Sackgasse gefunden, während andere noch nach gangbaren Lösungen suchen. Dies ist ein schwerwiegender Fall von Inkohärenz des Rechtsrahmens, wovor die Industrie von vornherein gewarnt hatte!
1.10 Die Unverträglichkeit zwischen den Marktkräften und dem bestehenden Rechtsrahmen sollte eingehend analysiert werden, um ausgewogenere Ergebnisse zu erzielen. Eine mögliche Lösung könnte darin bestehen, zum Schutz gegen den Verlust von wertvollem Material Ausfuhrzölle zu erheben. Solche Maßnahmen müssen natürlich im Einklang mit den WTO-Vorschriften stehen. Die EU sollte eventuell mit der WTO Notfallbestimmungen aushandeln, in denen klare und transparente Bedingungen für Ausfuhrbeschränkungen und Ausfuhrzölle für strategisch wichtige Abfälle festgelegt werden.
1.11 Eine andere Lösung wäre die Vereinbarung von flexiblen Zielen für die stoffliche Verwertung in Abhängigkeit von den aktuellen Marktentwicklungen, d.h. bei nachlassender Nachfrage könnten die Verwertungsziele gesenkt, in einer Boom-Phase mit starker Nachfrage hingegen höher gesteckt werden. Gleichzeitig muss über intelligente Maßnahmen nachgedacht werden, mit denen sichergestellt werden kann, dass in den betreffenden Branchen wie z.B. Verpackungsabfälle, Papier usw. ein Mindestbeschäftigungsniveau über den gesamten Konjunkturzyklus und die gesamte Wertschöpfungskette hinweg gehalten werden kann.
1.12 Eine weitere Möglichkeit wäre es, Recycling-Ziele/Quoten lediglich bis zur Höhe derjenigen Abfallmengen festzusetzen, die in der EU wiederverwertet werden können, und die Abfälle, die nicht in EU-Anlagen wiederverwertet werden können und ins Ausland verkauft werden, dabei auszuklammern. Eine derartige Maßnahme sollte jedoch mit einer Neufestsetzung der Ziele/Quoten in Übereinstimmung mit den tatsächlichen EU-Recycling-Kapazitäten einhergehen.
1.13 Der EWSA unterstützt nachdrücklich die Forderung der Industrie, dass die EU eine umfassende und kohärente Politik entwickeln soll, um den Zugang zu Rohstoffen und die Nutzung der Ressourcen langfristig nachhaltig zu gestalten. Diese Politik sollte die europäische Industrie bei ihren Bemühungen unterstützen, die Ressourcen ökoeffektiv („cradle-to-cradle“) zu nutzen. Die stoffliche Verwertung sollte durch die Verbesserung der Sammelinfrastruktur, die Schaffung von Rechtssicherheit und gleichen Wettbewerbsbedingungen sowie durch die Beseitigung unnötiger administrativer Hürden gefördert werden. Um diese grundlegende Voraussetzung zu schaffen, sind ein ausgewogenes Verhältnis sowie Kohärenz zwischen sämtlichen Verordnungen, Richtlinien und Beschlüssen erforderlich.
1.14 In den EU-Abfallvorschriften sind für alle an den Abfallströmen beteiligten Akteure rechtliche Verpflichtungen festgelegt; die zuständigen Behörden sollten die Einhaltung der jeweiligen Verpflichtungen streng überprüfen und einfordern. Die entsprechende Ausbildung und Schulung ihrer Mitarbeiter ist eine maßgebliche Voraussetzung für die Bekämpfung der illegalen Praktiken einiger skrupelloser Akteure, hauptsächlich im internationalen Handel.
1.15 In sämtlichen Teilbereichen der EU-Klimaschutzpolitik (ECCP – Europäisches Programm zur Klimaänderung) sollte der ökologische Nutzen von Sekundärrohstoffen berücksichtigt und auf Kohärenz geachtet werden: Im Emissionshandelssystem der EU beispielsweise bleiben die Energie- und CO2-Einsparungen unberücksichtigt, die aus der Verwendung zurückgewonnener Rohstoffe in anderen Branchen sowie im Baugewerbe resultieren, und den betreffenden Branchen werden unnötigerweise zusätzliche Kosten aufgebürdet.
1.16 Im Zuge der Umsetzung eines so komplexen Regelungsrahmens sollte außerdem ein ernsthafter und kontinuierlicher sozialer Dialog stattfinden, um die Schaffung neuer, hochwertiger Arbeitsplätze über die gesamte Länge der betreffenden Wertschöpfungsketten zu fördern.
2. Einleitung
2.1 Der nachhaltige Zugang zu Rohstoffen und ihre nachhaltige Nutzung sind Schlüsselelemente der EU-Nachhaltigkeitspolitik. Sie sind die Grundlage für die gegenwärtige und künftige Wettbewerbsfähigkeit der Verarbeitungsindustrien in der EU (1). Die Versorgungsketten für Primär- und Sekundärrohstoffe sind echte Wirtschaftssektoren, die in Europa Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen. Die Verwertung trägt als Wirtschaftstätigkeit erheblich zum BIP der EU bei. An der Sammlung von Altmaterialien und -produkten sind Bürger, Kommunen und Behörden beteiligt, die in effiziente Systeme investieren, um der steigenden Nachfrage nach langfristiger Nachhaltigkeit gerecht zu werden.
2.2 Dabei muss allerdings die Komplementarität von Primär- und Sekundärrohstoffen berücksichtigt werden: Sekundärrohstoffe sind zwar eine ökoeffiziente Möglichkeit, um wertvolle Ressourcen wieder dem Wirtschaftskreislauf zuzuführen, aber sie reichen generell (noch) nicht aus, um den steigenden Materialbedarf (Papier, Metalle und Mineralien) zu decken. Beide Arten von Rohstoffen werden benötigt und ergänzen einander. In der EU kann durch die Verbesserung der Sammelsysteme und die Nutzung von Sekundärrohstoffen zur Verwirklichung der Ziele der EU-2020-Strategie beigetragen werden.
2.3 Die Industrie fordert, dass die EU eine umfassende und kohärente Politik entwickelt, um den Zugang zu Rohstoffen und die Nutzung der Ressourcen langfristig nachhaltig zu gestalten. Diese Politik sollte die europäische Industrie bei ihren Bemühungen unterstützen, die Ressourcen ökoeffektiv („cradle-to-cradle“) zu nutzen. Die Rohstoffinitiative, die thematische Strategie zur Vermeidung und Wiederverwendung von Abfällen, die thematische Strategie für eine nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen wie auch die Leitinitiative „Ressourcenschonendes Europa“ stehen miteinander im Zusammenhang und sollten auf kohärente Weise ineinandergreifen. Andere Initiativen wie Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch, die Abfallrahmenrichtlinie und andere recycling- und ressourcenbezogene politische Maßnahmen sollten ebenfalls berücksichtigt werden.
3. Die wichtigsten Materialströme bei Sekundärrohstoffen (2)
3.1 Bei den klassischen Recyclinggrundstoffen wie Eisen- und Nichteisenschrott, Papier und Karton oder Glas kann auf eine langjährige Tradition der stofflichen Verwertung in einem mehr oder weniger geschlossenen Kreislauf zurückgeblickt werden. Ohne einen kontinuierlichen Nachschub an rückgewonnenen Materialien und Alterzeugnissen können diese Industrien nicht überleben. Andere Materialien wie Kunststoffe sind relativ neu im Recyclingmarkt, und im Gegensatz zu den klassischen Grundstoffen mündet der stoffliche Wiedereinsatz nicht unbedingt in einen geschlossenen Kreislauf.
3.2 Die Recyclingmerkmale der wichtigsten Sekundärrohstoffe sind maßgeblich für die spezifischen Stoffströme und die Akteure in der jeweiligen Wertschöpfungskette.
3.2.1 Eisen- und Stahlschrott: Die stoffliche Verwertung von Eisen- und Stahlschrott umfasst generell das Sammeln, Sortieren, Pressen, Paketieren, Schneiden, Scheren, Shreddern und/oder die Größensortierung sowie schließlich das Schmelzen im Stahlwerk. Eisenschrott wird getrennt oder als unsortiertes Gemisch gesammelt; er wird anschließend auf dem Schrottplatz sortiert und an Schrottaufbereitungsanlagen verkauft oder geht direkt ins Stahlwerk. Bei der Ankunft in der Schrottaufbereitungsanlage werden die verschiedenen Metalle getrennt und für das Shreddern/die Größensortierung vorbereitet. Shreddern und Größensortierung sind häufig für eine weitere Trennstufe erforderlich. Bei Edelstahl werden größere Teile gesondert gesammelt oder vor dem Shreddern auf dem Schrottplatz sortiert. Kleinere Edelstahlteile werden in mehrstufigen Trennverfahren getrennt. Im Stahlwerk werden Eisen- und Stahlschrott normalerweise direkt in die Schmelzöfen eingebracht.
3.2.1.1 Die europäische Stahlverwertungsindustrie ist (was die Aufbereitungsstufe angeht) stark konzentriert: Sieben Unternehmen liefern ca. 40 % des gesamten Stahlschrotts, der in die Stahlwerke geht. Nach Auskunft des Weltdachverbandes der Recyclingindustrien BIR (Bureau of International Recycling) und des EFR (Europäischer Recycling-Verband für Eisen und Stahl) gibt es in der EU-27 rund 42 000 Schrottplätze. Nach Schätzungen der Schrottbranche sind davon ca. 250 Großunternehmen, 9 000 mittlere und große Unternehmen, die mehr als 120 000 Tonnen pro Jahr verarbeiten, und bei den restlichen ca. 36 000 handelt es sich um kleine und mittlere Unternehmen.
3.2.1.2 Die Erfassungssysteme können je nach Art des Produkts und je nach Land sehr unterschiedlich sein. Große Altmetallteile und in großen Mengen hergestellte Teile wie z.B. diejenigen, die bei Bau- und Abbrucharbeiten anfallen, werden normalerweise direkt zum Schrottplatz oder zur Schrottaufbereitungsanlage transportiert. Gemäß der Altfahrzeugrichtlinie und der Richtlinie über Elektro- und Elektronikaltgeräte liegt die Zuständigkeit für die Abfallerfassung und somit die Schrottsammlung bei den Herstellern. Kleinteile wie z.B. Verpackungsmaterialien werden von den Kommunalbehörden gesammelt, was in diesem Fall bedeutet, dass nicht die Metallschrottbranche die Sammlung durchführt, obgleich sie bei Getränkedosen verschiedene Initiativen ergriffen hat wie z.B. Sammel-/Recyclingstellen, an denen Getränkedosen aus Stahl und Aluminium getrennt und für den Abtransport in Aufbereitungsanlagen oder Schmelzwerke gepresst werden.
3.2.1.3 Schrott zählt zu den wenigen Sekundärrohstoffen, bei denen Europa eine kontinuierliche Verfügbarkeit und sogar einen kleinen Überschuss erwarten kann; sowohl der Handel innerhalb der EU als auch die Einfuhren aus und Ausfuhren in Drittstaaten sind seit Jahrzehnten etabliert. Die innerhalb der EU verbrachte Gesamtschrottmenge lässt sich nur schwer schätzen. Für 2008 werden die Einfuhren auf 5,3 Mio. Tonnen pro Jahr und die Ausfuhren auf 12,9 Tonnen pro Jahr geschätzt, und der Schrottverbrauch erreichte im gleichen Jahr insgesamt 112 Mio. Tonnen.
3.2.2 Nichteisenschrott und andere Nichteisenmetalle enthaltende Abfallströme: Beim Vergleich dieser Kategorie mit Eisen und Stahl ist eine viel größere Bandbreite in Bezug auf (a) die beteiligten Metalle, (b) die verfügbaren Ressourcen sowie (c) die für die Abtrennung und Gewinnung bestimmter Metalle aus den Abfallströmen notwendigen Verfahren festzustellen. Die wichtigsten und mengenmäßig am stärksten vertretenen Metalle sind Aluminium, Zink, Blei und Kupfer; die Abfallströme enthalten auch weitere Metalle wie Zinn und Edelmetalle, die mittels geeigneter Verfahren abgetrennt werden können.
3.2.2.1 Das Erfassungssystem ist mit dem für Eisenschrott identisch bzw. diesem ähnlich. Um aus Altprodukten (Altfahrzeugen, Elektro- und Elektronik-Altgeräten) hochwertigen Metallschrott zurückzugewinnen, werden hoch entwickelte Technologien eingesetzt. Die wichtigsten Nichteisenmetalle hingegen werden mit einer hohen Verwertungsrate und einer ebenfalls sehr hohen Wiederverwendungsrate aus Abfallströmen gewonnen.
3.2.2.2 Bei der Verwertung von Nichteisenmetallen, die spezielle Techniken erfordert, sind auch Asche und Schlacke von Bedeutung. Weitgehend ungenutzte Ressourcen an Nichteisenmetallen finden sich in den alten Abraumhalden in den Eisenerzrevieren der EU. Dieser Bergbauabfall (3) ist zwar von den allgemeinen EU-Abfallvorschriften ausgenommen, aber auch diesen Rohstoffen sollte Aufmerksamkeit geschenkt werden, sofern dies wirtschaftlich machbar ist.
3.2.3 Recyclingpapier: Die Papierindustrie basiert von Anfang an auf erneuerbaren Ressourcen und stofflicher Verwertung - gesammelte Lumpen waren der erste Rohstoff für die Papierherstellung. Die stoffliche Verwertung von Papier ist relativ unkompliziert, und Recyclingpapier wird viel verwendet. Es gibt (ebenso wie bei den Eisenmetallen) zwei Hauptressourcen – Papierabfälle aus der Industrie (u.a. aus der Verpackungs- und Druckindustrie) und Hausmüll (Siedlungsabfälle). Da sortiertes Material bevorzugt wird, muss bei Siedlungsmüll eine Altpapiertrennung und Vorsortierung vorgenommen werden.
3.2.3.1 Die Materialströme wurden durch die jüngste Rezession stark beeinträchtigt; die Verwendung von Recyclingpapier ist 2009 um 7,6 % auf 44,9 Mio. Tonnen zurückgegangen. Erstmals sank die Altpapiererfassung, und zwar um 3,6 % auf 56,6 Mio. Tonnen, während sich der Papierverbrauch während des gleichen Zeitraums um 10,1 % verringerte. Die Ausfuhren in Drittländer (ohne Norwegen und Schweiz) nahmen weiter zu und erreichten 12,8 Mio. Tonnen, wovon 96,3 % von den asiatischen Märkten nachgefragt wurden. Innerhalb Asiens ging der größte Teil des Materials nach China (71,4 % der europäischen Exporte). Aufgrund der Entwicklungen, die während dieses außergewöhnlichen Jahres zu beobachten waren, stieg die Recyclingquote 2009 auf ein Rekordhoch von 72,2 %, nachdem sie im Vorjahr 66,7 % erreicht hatte. Wenn sich die Wirtschaft erholt, kann das Pendel vorübergehend in die entgegengesetzte Richtung ausschlagen, da die stoffliche Verwertung möglicherweise nicht sofort an den sich wieder belebenden Papierverbrauch angepasst werden kann. Aufgrund der jüngsten Entwicklungen in der Branchenstruktur wird in den im Verband der Europäischen Papierindustrie (CEPI) vertretenen Ländern bei der Papierherstellung zu 44,2 % Altpapier und zu 40,4 % Zellstoff als Faserrohstoff eingesetzt.
3.2.4 Glas: Glas kann mehrfach vollständig und ohne Qualitätsverlust stofflich verwertet und zur Herstellung neuer Glasbehälter verwendet werden. Das heißt, aus gesammeltem Glas lässt sich neues Glas derselben Qualität herstellen. Dieser Rohstoff kann also ökoeffektiv (nach dem „cradle-to-cradle-Prinzip“) vollständig wiederverwertet werden. Bis zu 90 % des Altglases kann zur Herstellung neuer Glasbehälter verwendet werden. Der Nutzung von Altglas werden derzeit lediglich durch die Menge des gesammelten Glases sowie die Verfügbarkeit von Altglas in Europa Grenzen gesetzt.
3.2.4.1 Das System zur Rückgewinnung von Glas ist recht einfach: Der Großteil des betreffenden Glases ist Verpackungsabfall (benutzte Glasbehälter), ein kleiner Teil Bauschutt (Flachglas). Im Durchschnitt wird in den 27 EU-Staaten eine Erfassungsquote von 65 % für Behälterglas erreicht und in ganz Europa (einschließlich Norwegen, der Schweiz und der Türkei) wurden 2008 fast 11,5 Mio. Tonnen Glasverpackungen gesammelt.
3.2.4.2 Künftig wird es im Hinblick auf die stoffliche Verwertung von Glas darum gehen, die übrigen 7 Mio. Tonnen Glas zu erfassen, die 2008 in Verkehr gebracht, aber nicht wiederverwertet wurden. Von entscheidender Bedeutung ist, dass die stoffliche Verwertung verbessert wird und dass vernünftige Recycling-Systeme in der Europäischen Union gefördert werden.
3.2.4.3 Die Erfassung und Verwertung von Flachglas und Glas von Altfahrzeugen ist noch nicht ausreichend entwickelt, weshalb diese wertvolle Ressource nach wie vor eher eine Umweltbelastung ist.
3.2.5 Kunststoffabfall macht ca. 25 % aller festen Abfälle auf Abfalldeponien aus. Auf Grund der Abbaubeständigkeit von Kunststoffen nimmt die Zersetzung auf den Deponien einen langen Zeitraum in Anspruch. Die Verbrennung von Kunststoffen zur Energiegewinnung muss wegen der erheblichen Schadstoffemissionen in speziellen Anlagen erfolgen.
3.2.5.1 Diejenigen Bereiche, die die größten Mengen an Kunststoffen verbrauchen und bei denen entsprechend die meisten Kunststoffabfälle anfallen, sind Verpackungen (38,1 %), Haushalte (22,3 %) sowie die Bauindustrie (17,6 %). Verpackungsabfälle aus dem Groß- und Einzelhandel stellen mehr als 80 % der (potenziell) erfassbaren Kunststoffabfälle dar. Die Sammlung und Verarbeitung von in gemischten Haushaltsabfällen enthaltenen Kunststoffabfällen ist wahrscheinlich eine der schwierigsten Aufgaben bei der Abfalltrennung. Die meisten der in der Bauindustrie eingesetzten Kunststoffe sind für langfristige Anwendungen bestimmt.
3.2.5.2 Einige Arten von Kunststoffabfällen, z.B. Lebensmittelverpackungen oder mit anderen Materialien gemischte Kunststoffe, sind nicht für die stoffliche Verwertung geeignet, da die Kosten für die Reinigung der verunreinigten Kunststoffe wegen des hohen Energiebedarfs den Wert des Produkts übersteigen würden. Allerdings kann diese Art von Kunststoffabfällen thermisch verwertet werden.
3.2.5.3 Die EU-27 ist Nettoexporteur von Kunststoffabfällen, -schnitzeln und –bruch. Seit 1999 ist die Differenz zwischen Importen und Exporten ständig gewachsen. Nach einem leichten Anstieg zwischen 1999 und 2002 ist das Exportvolumen zwischen 2002 und 2006 auf 2,1 Mio. Tonnen nach oben geschnellt. Von 1999 bis 2006 sind die Importe von 55 000 auf 256 000 Tonnen gestiegen.
3.2.5.4 Bei Polyesterstapelfaser macht wiederverwertetes PET 70 % des in der EU verarbeiteten Rohmaterials aus. Die Verfügbarkeit von PET-Flaschen ist daher von entscheidender Bedeutung. Die europäischen Hersteller haben mittlerweile aber ernsthafte Probleme, weil die Händler zunehmend PET in Form von Flakes (zerkleinerten Flaschenstückchen) oder gepressten Flaschen nach Fernost – vor allem nach China – verbringen. Dieses Land hebt derzeit die Einfuhrbeschränkungen für PET-Abfall auf, damit noch größere Mengen dieses wichtigen Sekundärrohstoffes aus der EU nach China fließen können.
4. Rechtsvorschriften für die Verwertung
4.1 Unmittelbar geltende Vorschriften in der EU
4.1.1 Die Verwertung sollte durch die Verbesserung der Sammelinfrastruktur, die Schaffung von Rechtssicherheit und gleichen Wettbewerbsbedingungen sowie durch die Beseitigung unnötiger administrativer Hürden gefördert werden. Um diese grundlegende Voraussetzung zu schaffen, sind ein ausgewogenes Verhältnis sowie Kohärenz zwischen sämtlichen Verordnungen, Richtlinien und Beschlüssen erforderlich. Zwar ist mit der Abfallrahmenrichtlinie (2008/98/EC) ein Schritt in die richtige Richtung getan, doch ist sie erst ein Anfang und muss regelmäßig auf Praxistauglichkeit überprüft und dann einer Feinabstimmung unterzogen werden.
4.1.2 Andere wichtige Rechtsvorschriften sind die Richtlinie 94/62/EG über Verpackungen und Verpackungsabfälle in ihrer derzeit geltenden Fassung, die Richtlinie 2000/53/EG über Altfahrzeuge, die Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 über die Verbringung von Abfällen und die Richtlinie 2002/96/EG über Elektro- und Elektronik-Altgeräte (WEEE-Richtlinie). In den genannten Richtlinien werden willkürliche Zielvorgaben für die Verwertung festgelegt, was den freien Markt für Sekundärrohstoffe verzerrt. Angesichts der ständigen Veränderungen und Neuerungen müssen die Auswirkungen der rechtlichen Rahmenbedingungen stets bedacht werden.
4.2 Mittelbar geltende Vorschriften: Die Verfahren der Rückgewinnung und Verwertung werden nicht nur durch die breitgefächerten einschlägigen Vorschriften geregelt. Weitere Restriktionen und Kontrollen ergeben sich aus den Rechtsvorschriften für bestimmte Branchen oder die Industrie als solche. An erster Stelle wären hier die Auswirkungen der REACH-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1907/2006) sowie der Klimaschutzmaßnahmen der EU zu nennen.
4.2.1 Im Fall von REACH fallen Abfälle zwar nicht n den Anwendungsbereich der Verordnung, der zurückgewonnene Stoff oder das zurückgewonnene Gemisch könnten jedoch Gegenstand der REACH-Vorschriften werden, sobald sie nicht mehr als Abfall angesehen werden. Die Kommission hat sich mit diesem Problem beschäftigt, und die einschlägigen technischen Arbeitsgruppen haben mehr oder minder zufriedenstellende Vorschläge zur Lösung dieses Problems vorgelegt. Einige Punkte sind allerdings nach wie vor unklar. Es laufen jedoch sehr nützliche Untersuchungen beim Institut für technologische Zukunftsforschung (GFS-IPTS) der Kommission in Sevilla und es liegen Informationen der ECHA vor, die dazu beitragen könnten, die Probleme zu lösen. Allerdings ist die Gefahr, dass eine Registrierung erfolgen muss, noch nicht gänzlich behoben, sogar in den Fällen, in denen eine Registrierung keinerlei Nutzen bringt.
4.2.2 Die EU-Klimaschutzmaßnahmen sollten eine Reihe von Anreizen mit sich bringen, die weltweit zu einer kohärenten und nachhaltigen Verlagerung von primären fossilen Energieträgern auf alternative Energiequellen führen. Das Europäische Programm zur Klimaänderung (ECCP) besteht aus einzelnen Elementen, die angeblich ineinandergreifen, was aber eher Wunschdenken ist. Einige dieser Elemente haben beträchtliche Auswirkungen auf die Rückgewinnung und Verwertung: Das aktualisierte Emissionshandelssystem der EU für den Zeitraum nach Kyoto behindert die Betreiber von Produktionsstätten durch seinen bürokratischen Ansatz bei der Festlegung der Quoten für den Zeitraum 2013–2020. Außerdem würde ein schrittweise eingeführtes Versteigerungssystem den Betreibern Finanzmittel entziehen, so dass diese noch weniger Geld für künftige Verfahren zur Reduzierung der Kohlendioxidemissionen zur Verfügung hätten. Andererseits wird im Emissionshandelssystem der EU die Reduzierung des Energieverbrauchs und der Kohlendioxidemissionen nicht berücksichtigt, die aus der Verwendung zurückgewonnener Rohstoffe in anderen Branchen und im Baugewerbe resultiert.
4.2.3 Weitere Probleme ergeben sich aus der Richtlinie über erneuerbare Energie. Angesichts des ambitionierten Ausbaus der erneuerbaren Energieträger und ihrer massiven und unausgewogenen Unterstützung besteht die erhebliche Gefahr, dass große Mengen erfasster Sekundärrohstoffe (alle Arten von Biomasse, Altpapier) nicht stofflich, sondern energetisch zur Erzeugung von Strom und Wärme genutzt werden. Alle diese Risiken sollten gründlich geprüft und in angemessener Weise auf ein Mindestmaß reduziert werden, um den Zugang zu Sekundärrohstoffen zu erhalten und soweit möglich sogar zu verbessern. Die Definition von „Biomasse“ muss beachtet und gegebenenfalls präzisiert werden, um zu verhindern, dass Sekundärrohstoffe missbräuchlich als Biomasse definiert und für die Energieerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern eingesetzt werden. In einigen Fällen werden aufgrund marktverzerrender Subventionen sogar Primärrohstoffe (Holz) einfach verbrannt!
4.2.4 In den EU-Abfallvorschriften sind für alle an den Abfallströmen beteiligten Akteure rechtliche Verpflichtungen festgelegt; die zuständigen Behörden sollten die Einhaltung der jeweiligen Verpflichtungen streng überprüfen und einfordern. Die entsprechende Ausbildung und Schulung ihrer Mitarbeiter ist eine maßgebliche Voraussetzung für die Bekämpfung der illegalen Praktiken einiger skrupelloser Akteure, hauptsächlich im internationalen Handel.
5. Wertschöpfungsketten und Beteiligte an den wichtigsten Sekundärrohstoffströmen
Aus der Übersicht in Ziffer 3 geht eindeutig hervor, dass erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Sekundärrohstoffströmen bestehen. Einige von ihnen funktionieren fast von selbst auf der natürlichen Grundlage historisch gewachsener Systeme, bestehend aus Sammlung, Vorbehandlung und Behandlung (einschließlich Sortieren) des Abfalls, bevor der zurückgewonnene Stoff in eine größere Verarbeitungsanlage geht. Anhand verschiedener Merkmale können eventuelle Risiken bei der Rückgewinnung/stofflichen Verwertung erkannt und vermieden werden.
5.1 Der kommerzielle Wert von Sekundärrohstoffen ist einer der Schlüsselfaktoren, der letztlich ausschlaggebend für die Verfügbarkeit des Stoffs ist. Die Sammlung und Vorbehandlung des Abfallaufkommens sind bei konzentrierten Abfallströmen (Eisen, Glas und Papier) relativ preiswert, und die gewonnenen Sekundärrohstoffe sind relativ gut verfügbar und durchaus erschwinglich. In dem gesamten Stoffkreislauf gelten Marktbedingungen. Dagegen orientiert sich ein ständig wachsender Anteil der Sekundärrohstoffwirtschaft nicht an den Marktpreisen für bestimmte Stoffe, sondern an den EU-Abfallvorschriften. Ein Großteil der Verpackungsabfälle, Elektro- und Elektronikaltgeräte und der biologisch abbaubare Abfall werden verarbeitet, um den Zielvorgaben verschiedener Richtlinien zu genügen.
5.1.1 Die Gewinnung von Sekundärrohstoffen aus dieser Art von Abfallströmen ist auf dem Weltmarkt wirtschaftlich nicht nachhaltig. Die Sammlung, Sortierung und Verarbeitung von Abfall erfolgt entweder, um die erweiterten Regeln für die Herstellerverantwortung einzuhalten, oder weil eine direkte öffentliche Finanzierung erfolgt. In beiden Fällen zahlen die europäischen Bürger für die Umwandlung von Abfällen, sei es als Steuerzahler oder als Verbraucher.
5.1.2 Europa erzeugt Sekundärrohstoffvorräte, auf die jeder weltweit agierende Akteur jederzeit problemlos zugreifen kann, wenn die Nachfrage nach einem Stoff auf dem Weltmarkt zunimmt. Erhebliche Mengen von gesammelten, unverarbeiteten Abfällen werden exportiert, vor allem nach Asien. Auf Grund der Instabilität des Weltmarkts schwanken auch die Preise ganz erheblich. In Zeiten einer weltweiten Rezession häufen sich die zurückgewonnenen Sekundärrohstoffe an, da die Zielvorgaben für die Verwertung erfüllt werden müssen. Dies führt zu äußerst problematischen Verzerrungen des Marktes in der EU.
5.1.3 Die EU-Abfallverwertungsunternehmen müssen weitaus höhere Investitionen in Recyclinganlagen als ihre asiatischen Konkurrenten tätigen, weil sie sowohl Überkapazitäten aufrechterhalten als auch höhere technische Standards einhalten müssen. Wenn die weltweiten Märkte für Rohstoffe wieder anziehen, werden ihre teuren Kapazitäten nicht genutzt, weil der gesammelte Abfall in unverarbeiteter Form aus Europa exportiert wird. Es ist daher dringend nötig, den ordnungspolitischen Rahmen für Abfall auf das Spiel der Marktkräfte auf dem Weltrohstoffmarkt abzustimmen, um Marktverzerrungen zu vermeiden und den Zugang zu Sekundärrohstoffen für EU-Unternehmen zu erleichtern.
5.1.4 Der illegale oder halblegale Handel mit Sekundärrohstoffen könnte eingeschränkt werden, indem für die Empfänger von Sekundärrohstoffen in Drittländern international anerkannte Qualitätszertifikate wie z.B. Zertifikate nach ISO-Normen zwingend zur Auflage gemacht werden. Die Mitgliedstaaten sollten auch alle gebotenen rechtlichen Maßnahmen ergreifen, um die Herkunft des gesammelten Mülls zu überprüfen, wenn es Probleme geben könnte.
5.1.5 Da die Rohstoffpolitik in vielen Teilen der Welt eine Frage der strategischen Sicherheit ist, ließen sich durch eine Unterstützung der Gemeinschaft für alle Glieder der Wertschöpfungsketten, vor allem mit Blick auf hochwertige Sekundärrohstoffe, viele Probleme im Zusammenhang mit dem Zugang zu Sekundärrohstoffen lösen. Es ist also notwendig, die europäische Spezifikation für Sekundärrohstoffe zu überprüfen, um zu definieren, was „hochwertige“ Sekundärrohstoffe sind.
5.2 Die Umweltauswirkungen einer vernünftigen Verwertung müssen allen wichtigen Industriezweigen zugute kommen, die größere Mengen/Anteile an Sekundärrohstoffen einsetzen. Diese allgemeine Feststellung gilt auch dann, wenn hochentwickelte Technologien für die Verarbeitung von Abfallströmen, die kompliziertere Verfahren erfordern, genutzt werden. Im Falle der Verwendung von Sekundärrohstoffen reduziert sich der Gesamtenergieverbrauch in der Regel, bisweilen auf einen Bruchteil des üblichen Verbrauchs für die Verarbeitung von abgebautem oder auf andere Weise gewonnenem Rohstoff. Dies bedeutet auch eine Senkung der Kohlendioxidemissionen bzw. der Gasemissionen im Allgemeinen usw. Auf Grund von Verunreinigungen in den Abfallströmen müssen neue Abfallarten berücksichtigt werden, und in einigen Fällen müssen auch effiziente Abwasseraufbereitungsanlagen eingesetzt werden. Solche problematischen Abfallströme bringen auch erhöhte Kosten für die Vorbehandlung und Behandlung der Abfälle mit sich, die die Verfahren insgesamt kostspieliger machen.
5.3 Eine konkurrierende Verwendung von Sekundärrohstoffen außerhalb des jeweiligen Industriezweigs stellt ein erhebliches Risiko für die betreffenden Unternehmen dar (siehe 4.2.3.). Der Wettbewerb wird erheblich verzerrt, wenn andere Verwendungszwecke finanziell gefördert werden. Zudem kann es zu beträchtlichen Verzerrungen des Rohstoffmarktes kommen. Die Papierindustrie kann nicht sowohl bei Zellstoff (als wichtigster Rohstoff) als auch bei Altpapier (als zweitwichtigster Rohstoff) mit Anlagen zur Energie- und Wärmegewinnung konkurrieren, die auf Grund des Einsatzes erneuerbarer Energieträger finanziell gefördert werden. Um den Zugang zu Grundstoffen zu gewährleisten, müssen angemessene Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Wenn diese Maßnahmen nicht greifen, ist eine der Schlüsselindustrien der EU ernsthaft gefährdet. Die Förderung der Erzeugung von hochwertigen Sekundärrohstoffen wird die Nachfrage nach Arbeitskräften steigern, was bei einem Rückgang der Nachfrage nach Sekundärrohstoffen positive soziale Auswirkungen haben wird.
Brüssel, den 16. Februar 2011
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Staffan NILSSON
(1) EWSA-Stellungnahme „Die Rohstoffinitiative - Sicherung der Versorgung Europas mit den für Wachstum und Beschäftigung notwendigen Gütern“, ABl. C 277, 17.11.2009, S. 92.
(2) Die Daten stammen größtenteils aus Abfallstudien der GFS (http://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/) sowie aus Branchenstatistiken.
(3) Bergbauabfall unterliegt der Richtlinie 2006/21/EG.
III Vorbereitende Rechtsakte
EUROPÄISCHER WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS
469. Plenartagung am 16. und 17. Februar 2011
6.4.2011 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 107/7 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Stärkung der wirtschaftspolitischen Koordinierung für Stabilität, Wachstum und Beschäftigung — Instrumente für bessere wirtschaftspolitische Steuerung der EU“
(KOM(2010) 367 endg.)
2011/C 107/02
Berichterstatter: Stefano PALMIERI
Die Europäische Kommission beschloss am 30. Juni 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Stärkung der wirtschaftspolitischen Koordinierung für Stabilität, Wachstum und Beschäftigung — Instrumente für bessere wirtschaftspolitische Steuerung der EU“
KOM(2010) 367 endg.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 7. Februar 2011 an.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 469. Plenartagung am 16./17. Februar 2011 (Sitzung vom 17. Februar) mit 240 gegen 2 Stimmen bei 14 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 Der EWSA begrüßt es, dass die Europäische Kommission das Erfordernis einer stärker integrierten Koordinierung der Wirtschaftspolitik in Europa erkannt und die Notwendigkeit einer besseren wirtschaftspolitischen Steuerung in der EU auf die Tagesordnung gesetzt hat.
1.2 Der EWSA erkennt an, dass die derzeitige Wirtschaftskrise in der Tat die wirtschaftliche, soziale und auch politische Verfassung der Europäischen Union (EU) im Allgemeinen und der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) im Besonderen auf eine harte Probe gestellt hat. Dabei ist die geringe Fähigkeit zur Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten zutage getreten. Dies hat sich sowohl in den Notfallmaßnahmen zur Eindämmung der finanziellen und realen Auswirkungen der Krise gezeigt als auch in den Maßnahmen für eine weltweite strukturelle Umgestaltung – insbesondere in der Eurozone –, um eine Wiederholung solcher Situationen in naher Zukunft zu vermeiden. Darüber hinaus liegt auf der Hand, dass die hohe Staatsverschuldung einiger Mitgliedstaaten, die zumindest zum Teil auf die umfassenden Bankenrettungsmaßnahmen zurückzuführen ist, ein Hemmnis für die öffentlichen Investitionen und die Tragfähigkeit der Sozialausgaben darstellt.
1.3 Der EWSA fordert, bei der Verbesserung der wirtschaftspolitischen Steuerung den Erfordernissen der Stabilität und eines neue Arbeitsplätze schaffenden Wachstums gleichermaßen Beachtung zu schenken.
1.4 Der EWSA will dazu beitragen, den für eine stärkere wirtschaftspolitische Steuerung erforderlichen breiten Konsens zu erzielen, indem er einerseits einige dem Ansatz der Kommission innewohnende Nachteile und Risiken und andererseits die sich daraus ergebenden bedeutenden Möglichkeiten hervorhebt.
1.5 Zu allererst muss die EU aus der Sackgasse herausfinden, in die sie infolge des Auf und Ab im Zusammenhang mit der europäischen Verfassung und der Erweiterung auf 27 Mitgliedstaaten mit einer stark unterschiedlichen politischen Geschichte und Vision geraten ist und die die Festlegung der gemeinsamen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Ziele, die der wirtschaftspolitischen Steuerung zugrunde liegen müssen, schwierig gestaltet.
1.6 Gleichzeitig müssen sich die Regeln für die Zukunft auf eine gemeinsame Analyse der Vergangenheit stützen. Insbesondere sind die Nachteile der bereits existierenden Koordinierungsinstrumente zu analysieren, die dazu geführt haben, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht wirksam angewendet wurde und die in Lissabon festgelegten Ziele nur unzureichend verwirklicht wurden.
1.7 Zweitens wurde hinsichtlich des Zeitplans beschlossen, das Europäische Semester einzuleiten (ab dem 1. Januar 2011), ohne vorher Regeln und Inhalt dieses Prozesses festzulegen. Dies geschieht überdies ohne eine effektive Abstimmung der Vorschläge zwischen den verschiedenen betroffenen Institutionen.
1.8 Aufgrund der nur begrenzten Einbeziehung der die europäischen Bürger vertretenden EU-Institutionen (Parlament und Ausschüsse) sowohl in die Diskussionen über die neue Ordnungspolitik als auch in deren Umsetzung besteht neben dem durch die Daten der Eurobarometer-Umfrage aufgezeigten Verlust an Vertrauen in die EU auch die Gefahr, dass die Verschärfung der Regeln – aufgrund des geringeren politischen Ermessensspielraums und der vorgesehenen zahlreicheren Automatismen – in der Öffentlichkeit als ein „Legitimitätsdefizit“ bei den Entscheidungen der Union empfunden wird.
1.9 Nach Ansicht des EWSA kann die Koordinierung der europäischen Wirtschaftspolitik nur über das Europäische Parlament demokratische Legitimität erlangen. In dieser Hinsicht hofft der EWSA, dass das Europäische Parlament eine Schlüsselrolle bei dem durch das Europäische Semester eingeleiteten Prozess wird spielen können, sowohl im Hinblick auf die Überwachung als auch die Bewertung der in der Kommissionsmitteilung vorgesehenen korrektiven Maßnahmen.
1.10 Die Haushaltszwänge werden nur dann für die Öffentlichkeit annehmbar, wenn auf Dauer die Kohärenz zwischen den in der Europa-2020-Strategie aufgestellten Zielen Wachstum und wirtschaftliche und soziale Entwicklung – für die möglicherweise mit den Haushaltszwängen unvereinbare Investitionsniveaus erforderlich sind – und dem Erfordernis der währungspolitischen und finanziellen Stabilität gewährleistet wird.
1.11 Hierzu müssen außerdem geeignete Indikatoren ausgearbeitet werden, die über das BIP hinausgehen und mit denen sich soziale und ökologische Fortschritte und Fehlentwicklungen einbeziehen und somit die wahren Anliegen der Bürger widerspiegeln lassen. Mit Blick hierauf müssen die fünf in der Mitteilung „Das BIP und mehr“ vorgesehenen Maßnahmen umgesetzt werden: Heranziehung ökologischer und sozialer Indikatoren, Bereitstellung von Informationen in Beinahe-Echtzeit und genaue Berichterstattung über Verteilung und Ungleichheiten, Entwicklung eines europäischen „Anzeigers“ für nachhaltige Entwicklung und Einbeziehung von ökologischen und sozialen Aspekten in die volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.
1.12 Der EWSA könnte entsprechend seiner Rolle als beratendes Organ einen Beitrag zu einem besseren Funktionieren des Europäischen Semesters leisten, indem er eine jährliche Sondersitzung abhält, um die Empfehlungen und die Möglichkeiten für einen Konsens über die Reformen auf nationaler Ebene unter Berücksichtigung der sozialen Auswirkungen dieser Maßnahmen zu erörtern. Diese Debatte könnte jeweils im Herbst nach der formellen Entscheidung über die Empfehlungen an die Mitgliedstaaten stattfinden. Die Schlussfolgerungen der Debatte könnten die Grundlage für entsprechende Diskussionen mit den nationalen Wirtschafts- und Sozialräten, den nationalen Parlamenten und dem Europäischen Parlament bilden.
1.13 Insbesondere die zunehmende Aufmerksamkeit, die den Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern geschenkt wird, vor allem in der Eurozone, in der die Mitgliedstaaten nicht mehr über das Instrument der Abwertung verfügen, machen die Beziehungen zwischen Gewerkschaften und Unternehmerverbänden zu einem festen Bestandteil der von der Kommission vorgeschlagenen Strategie. Eine Lösung könnte darin bestehen, verstärkt und zielgerichteter auf den makroökonomischen Dialog zurückzugreifen, der in eine gemeinsame Einschätzung der Wirtschaftslage auf EU-Ebene und der zu ergreifenden Maßnahmen durch die Regierungen und die Sozialpartner münden würde, was in enger Abstimmung mit dem sozialen Dialog auf nationaler Ebene erfolgen sollte.
1.14 Eine wirksame Koordinierung der Wirtschaftspolitik in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten setzt einen Konsens hinsichtlich des makroökonomischen Bezugsrahmens und des makroökonomischen Rahmens für die Vorausschau voraus. Mit Blick hierauf sollten nach Ansicht des EWSA die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass Eurostat über die entsprechenden Daten verfügt, damit die Europäische Kommission korrekte vorausschauende Vorschläge formulieren kann, und dass die anderen beteiligten Institutionen – Europäische Zentralbank, Europäischer Rat, Europäisches Parlament und nationale Parlamente – aktive Unterstützung leisten.
1.15 Der EWSA hofft, dass die Koordinierung der europäischen Wirtschaftspolitik zumindest für die Länder der Eurozone einen ersten Schritt hin zu einer wahrhaft gemeinsamen Wirtschaftspolitik und einer Koordinierung der Haushaltspolitik sein wird.
1.16 Wenn es im Rahmen einer engeren wirtschaftpolitischen Koordinierung neben der Fiskal- und Geldpolitik zu einer Verstärkung der lohnpolitischen Koordinierung in der Eurozone kommt, muss die Tarifautonomie geachtet werden – staatliche Zielvorgaben für die Tarifverhandlungen oder gar staatlich verordnete Lohnkürzungen sind in diesem Zusammenhang abzulehnen und inakzeptabel.
2. Die Verbesserung der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU in der Mitteilung der Kommission (1)
2.1 In der Mitteilung der Kommission werden die in der Mitteilung „Verstärkung der wirtschaftspolitischen Koordinierung“ (2) formulierten Ideen und die vom Europäischen Rat im Dokument EUCO 13/10 festgelegten Leitlinien weiterentwickelt, die an die bislang von der Arbeitsgruppe „Wirtschaftspolitische Steuerung“ (VAN ROMPUY-Taskforce) erzielten Ergebnisse anknüpfen.
2.2 In dem von der Kommission erarbeiteten Dokument wird implizit anerkannt, dass die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise eine Reihe von Belastungen für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der EU im Allgemeinen und der WWU im Besonderen mit sich gebracht haben, was eine geringe Fähigkeit zur Koordinierung der europäischen Wirtschaftspolitik zutage gefördert hat.
2.3 In diesem Zusammenhang soll mit der Mitteilung ein Maßnahmenrahmen konzipiert werden, durch den eine bessere Koordinierung der europäischen Wirtschaftspolitik zwischen den 27 EU-Mitgliedstaaten, insbesondere den 16 der WWU angehörenden, für die spezifische Vorschriften vorgesehen sind, sichergestellt werden kann. Die festgelegte Architektur zielt auf eine Zusammenführung des Stabilitäts- und Wachstumspakts mit der Europa-2020-Strategie ab.
2.4 Im Bereich der Verbesserung der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU verfolgt die Kommission in erster Linie drei Ziele.
2.4.1 Das erste Ziel besteht in der Stärkung der Koordinierung und Überwachung der Wirtschaftspolitik, um Folgendes zu erreichen:
— |
Abbau nationaler Ungleichgewichte mit Hilfe einer stärkeren makroökonomischen Überwachung durch einen Warn- und einen Sanktionsmechanismus; |
— |
stärkere Harmonisierung des fiskalpolitischen Rahmens in den Mitgliedstaaten durch Festlegung von einheitlichen Mindestanforderungen für die Mitgliedstaaten und Ersetzung der jährlichen durch eine mehrjährige Haushaltsplanung; |
— |
effizientere Gestaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts, insbesondere unter den Aspekten Schuldendynamik und Defizite. |
2.4.2 Das zweite Ziel besteht darin, korrektive und präventive Maßnahmen und Sanktionen für Verstöße durch die EU-Mitgliedstaaten vorzusehen.
2.4.3 Das dritte und letzte Ziel ist die Einführung eines „Europäischen Semesters“ für die vorausschauende wirtschaftspolitische Koordinierung, wobei dies auch die Strukturreformen und wachstumsfördernden Maßnahmen der Europa-2020-Strategie betrifft.
2.5 Diese Ziele werden von der Kommission mit dem am 29. September 2010 vorgelegten Paket in Sekundärrecht umgesetzt, konkret in sechs Mitteilungen (3), in denen ausführlich die konkreten Modalitäten für die Verwirklichung der Ziele behandelt werden. Diese Mitteilungen werden Gegenstand von zwei spezifischen Stellungnahmen des EWSA sein, nämlich einer zur Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts und einer weiteren zu den makroökonomischen Ungleichgewichten. Daher beschränkt sich der Ausschuss in der vorliegenden Stellungnahme auf allgemeine Überlegungen zu dem von der Kommission vorgeschlagenen Steuerungssystem insgesamt, ohne im Einzelnen auf das Legislativpaket einzugehen, das in den beiden vorgenannten Stellungnahmen gesondert behandelt wird.
3. Allgemeine Erwägungen
3.1 Die Entscheidung der Kommission, einen Prozess zur tatsächlichen Stärkung der europäischen Wirtschaftspolitik einzuleiten, ist zu begrüßen. Viele europäische Institutionen (darunter das Europäische Parlament) machen bereits seit langem auf diese Notwendigkeit aufmerksam. Insbesondere hat der EWSA in früheren einschlägigen Stellungnahmen mehrfach darauf hingewiesen (4), wie wichtig eine stärkere Integration der Steuerung der Europäischen Union ist.
3.2 Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat die Produktion und die soziale und politische Verfassung der EU im Allgemeinen und der WWU im Besonderen auf eine harte Probe gestellt (5).
3.3 Der soziale und wirtschaftliche Rahmen erscheint unbeständig und ungewiss und braucht deshalb eine effiziente Organisation und gut funktionierende Institutionen. Es wird immer deutlicher, dass es ohne eine Zusammenarbeit zwischen den Akteuren der nationalen Wirtschaftspolitik der einzelnen Staaten unmöglich ist, alle Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Herausforderungen der Globalisierung im Bereich Produktion und Finanzen und die sich gegenwärtig vollziehenden tiefgreifenden technischen Veränderungen in eine gemeinsame Richtung zu lenken.
3.4 Mangels einer Koordinierung der Wirtschaftspolitik hat die Krise bereits einige für die EU besonders schwerwiegende wirtschaftliche und soziale Folgen mit sich gebracht, insbesondere im Hinblick auf die Wachstumschancen und die Beschäftigung. Diese Auswirkungen werden in dem von der EP-Berichterstatterin Pervenche BERÈS dem Europäischen Parlament vorgelegten Entwurf eines Berichts über die Finanz-, Wirtschafts- und Sozialkrise deutlich hervorgehoben (6).
3.4.1 Nach einem mageren Wachstum 2008 (+ 0,5 %) ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der EU im Jahr 2009 stark gesunken (– 4,2 %) und dürfte 2010 und 2011 langsam wieder ansteigen (laut Prognosen um 1 bzw. 1,7 %). Besonders stark ist das BIP in den drei baltischen Staaten (in Lettland wird es Ende 2011 im Vergleich zu 2007 um 22 % des BIP gesunken sein) und in Irland eingebrochen sowie in geringerem Maße in Italien, Griechenland und Finnland. Gleichzeitig sind die Exporte der Mitgliedstaaten – sowohl in die anderen Mitgliedstaaten als auch in Drittstaaten – im Zeitraum von 2007 bis 2009 um 12 % zurückgegangen, mit Spitzen von über 15 % für Finnland, Malta, Bulgarien, Schweden, Estland und das Vereinigte Königreich (7).
3.4.2 In der Folge sind für die meisten Mitgliedstaaten die in der Lissabon-Strategie für den Arbeitsmarkt festgelegten Ziele in die Ferne gerückt: Die Beschäftigungsquote ist in der EU von 65,4 % im Jahr 2007 auf 64,6 % im Jahr 2009 gesunken, wobei in Estland, Irland, Spanien und Lettland ein Rückgang um mehr als 5 Prozentpunkte zu verzeichnen war. Im selben Zeitraum ist die Arbeitslosenquote in der EU von 7,1 auf 8,9 % gestiegen und hat in Spanien (mit einem Anstieg auf 18 %), in der Slowakei, in Irland und in den drei baltischen Staaten die Schwelle von 10 % überschritten.
3.5 Angesichts dieser äußerst kritischen Lage, die ebenso wirksame Lösungen erfordert, bleiben gewisse Zweifel an dem von der Kommission für die Verbesserung der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU gewählten Ansatz und dem von ihr aufgestellten Zeitplan bestehen. Diese Faktoren behindern nicht nur die Erzielung eines – möglichst breiten – Konsenses hinsichtlich des in den Gemeinschaftsinstitutionen und in der öffentlichen Meinung eingeleiteten Prozesses, sondern könnten auch dazu führen, dass der eigentliche Gegenstand der vorgeschlagenen Koordinierung nicht klar hervortritt.
3.6 Zunächst erfordern die Maßnahmen der EU zur Stärkung der Koordinierung der Wirtschaftspolitik eine – wirklich von den Mitgliedstaaten mitgetragene – Definition dessen, was effektiv unter „wirtschaftspolitischer Steuerung“ zu verstehen ist, was mit einer sorgfältigen Bewertung der Gründe dafür einhergehen muss, warum in den vergangenen zehn Jahren sowohl der Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht wirksam umgesetzt wurde als auch die in Lissabon gesetzten Ziele nicht voll erreicht wurden.
3.6.1 Einerseits lässt der Begriff „Steuerung“ an eine dezentrale institutionelle Architektur denken, in der nicht wie in den Nationalstaaten ein einziges Machtzentrum agiert, sondern eine Vielzahl von Akteuren, sowohl auf Regierungs- als auch Nichtregierungsebene, die zwecks Erreichung gemeinsamer Ziele zusammenarbeiten. Die EU befindet sich allerdings aufgrund des Auf und Ab im Zusammenhang mit der europäischen Verfassung und der Erweiterung auf 27 Mitgliedstaaten mit einer stark unterschiedlichen politischen Geschichte und Vision immer noch in einer Phase des Stillstands. Daher müssen sich die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten neue gemeinsame wirtschaftliche, soziale und ökologische Ziele setzen, die aber nach den großen Anstrengungen in den 80er und 90er Jahren zur Schaffung des Binnenmarkts und zur Einführung des Euro auf sich warten lassen.
3.6.2 Andererseits scheint sich die Festlegung der Regeln für die Zukunft nicht auf eine gemeinsame Analyse der Vergangenheit zu stützen. Es sollte durchaus ermittelt werden, ob die Schwächen des Stabilitäts- und Wachstumspakts auf anfängliche Fehler bei der Konzipierung der zwingenden Kriterien für die WWU mit Blick auf mögliche schwere Krisen zurückzuführen sind oder auf im Lauf seiner Umsetzung getroffene unpassende politische Entscheidungen, oder aber unterschiedliche Auffassungen von den Zielen und den entsprechenden Strategien (niedrige Inflation, Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum, Rolle des Euro als Reservewährung usw.) (8). Auch bei den bisherigen Versionen des Stabilitäts- und Wachstumspakts gab es seit mehr als einem Jahrzehnt Verhaltensregeln für die Mitgliedstaaten der WWU, die allerdings nicht ein häufiges und wiederholtes Entstehen kritischer Situationen verhindert haben.
3.6.3 Darüber hinaus wirft die Tatsache, dass die meisten der in der Lissabon-Strategie festgelegten quantitativen Ziele – auch unabhängig von der Wirtschaftskrise – nicht erreicht wurden, kritische Fragen über die Wahl der Indikatoren und ihr Vermögen, die Entwicklung hin zu mehr Wettbewerbsfähigkeit und Dynamik erfolgreich widerzuspiegeln, auf.
3.7 Zweitens wurde hinsichtlich des Zeitplans beschlossen, das Europäische Semester einzuleiten (ab dem 1. Januar 2011), ohne vorher Regeln und Inhalt dieses Prozesses festzulegen. Dies geschieht überdies ohne eine effektive Abstimmung der Vorschläge zwischen den verschiedenen betroffenen Institutionen: Europäische Kommission, Europäisches Parlament, Taskforce „Wirtschaftspolitische Steuerung“ unter der Leitung von Herman VAN ROMPUY, Europäische Zentralbank (EZB), EWSA und Ausschuss der Regionen. Der Erörterungsprozess dürfte mit der frühestens im Sommer 2011 anstehenden Verabschiedung durch das Parlament enden.
3.8 Angesichts einer äußerst kritischen Lage wie im Frühjahr 2010 ist der Kommission natürlich mehr daran gelegen, möglichst rasch aus der Krise herauszufinden – um den weltweiten Finanzmärkten und der Öffentlichkeit einen Erfolg vorzuweisen –, als an der voraussichtlichen Wirksamkeit dieser Lösung auf mittlere bis lange Sicht, nicht nur unter dem finanziellen Gesichtspunkt, sondern auch in Bezug auf die Produktion und in sozialer und politischer Hinsicht.
3.9 Für eine Bewältigung der Krise sind – gemäß der Kommission – strengere Regeln und durchgreifendere Sanktionen mit einem geringeren politischen Ermessensspielraum und mehr Automatismen erforderlich. Jedoch gibt es kein Regelwerk, mit dem schwere Krisen wirksam bekämpft werden könnten, da diese fast ausnahmslos durch außerordentliche und unvorhersehbare Ereignisse hervorgerufen werden, die sich sowohl den prognostischen Fähigkeiten der Fachleute als auch der Reaktionsfähigkeit zuvor festgelegter Regeln entziehen. Die Utopie einer „Regierung der Regeln“ – die die Politik von der Last befreit, Entscheidungen treffen zu müssen – lässt sich nur schwer verwirklichen, wenn sie nicht gar gefährlich ist, insofern als sie ein trügerisches Gefühl der Sicherheit gibt und fälschlicherweise den Eindruck vermittelt, vor allen Unwägbarkeiten geschützt zu sein (9). Ein derartiger Ansatz birgt ferner Probleme zweierlei Art in sich, die sorgfältig abgewogen werden müssen.
3.9.1 Das erste besteht in dem Risiko, die Vorteile des gemeinschaftlichen Ansatzes, bei dem die für die EU-Bürger am repräsentativsten Institutionen einbezogen werden, gegenüber der Logik der Regierungszusammenarbeit, bei der Entscheidungen im Wesentlichen vom Rat getroffen werden und das Parlament und die Ausschüsse nur eine begrenzte Rolle spielen, unterzubewerten. Die einzige Ausnahme bildet die Mitwirkung des Europäischen Parlaments am Europäischen Semester. Die Kommission wird dem Parlament im Januar einen Jahreswachstumsbericht vorlegen, um damit die Debatte über die Leitlinien für die Koordinierung einzuleiten.
3.9.1.1 Das Vorherrschen des Ansatzes der Regierungszusammenarbeit kann dazu führen, dass das Defizit bei der Einbeziehung der Unionsbürger genauso unterbewertet wird, wie dies bei der Lissabon-Strategie der Fall war. Dies stellt – genauso wie die weltweite Krise – die wirtschaftliche, soziale und politische Funktionsfähigkeit der EU auf die Probe und könnte der Illusion einer Rückkehr zur nationalen Souveränität durch den Verzicht auf den Euro (und sogar auf die Union selbst) neuen Raum geben, mit dem eher unrealistischen Ziel, frei von europäischen Zwängen und Technokraten wieder eine nationale Entwicklung anzukurbeln. Es ist kein Zufall, dass Charles KUPCHAN, ein aufmerksamer Beobachter der Europäischen Union, in einem am 29. August 2010 in der Washington Post veröffentlichten Artikel (10) vor der Gefahr einer „Renationalisierung“ des europäischen Projekts gewarnt hat: Europa erlebe derzeit eine Renationalisierung des politischen Lebens, wobei sich die Länder die Souveränität zurückholten, die sie einst bereitwillig geopfert hätten, um ein kollektives Ideal zu erreichen (11).
3.9.1.2 Dieser Verlust an Vertrauen, weniger in die gemeinschaftlichen Institutionen als solche, sondern vielmehr in den Nutzen der EU-Mitgliedschaft, scheint bei den EU-Bürgern vorhanden zu sein. Eurobarometer-Erhebungen (12) zufolge ist der Anteil der Europäer, die die Zugehörigkeit ihres Landes zur EU als positiv bewerten, im Zeitraum zwischen dem Frühjahr 2007 und 2010 von 57 % auf 49 % gesunken, während der der EU-Bürger, die sie negativ bewerten (heute 18 %) oder unentschlossen sind (29 %), im Gegenzug angestiegen ist. Zugleich ist der Prozentsatz der Bürger, die der Ansicht sind, dass ihr Land insgesamt gesehen von der EU-Mitgliedschaft profitiert hat, von 59 % auf 53 % gesunken, während der Prozentsatz derjenigen, die keine Vorteile erkennen konnten, auf 35 % gestiegen ist.
3.9.2 Das zweite Problem liegt in der Gefahr, einen traditionellen Lösungsansatz zu verfolgen, der auf dem Primat einer Sparpolitik gegenüber den Bereichen Wachstum, soziale Gerechtigkeit und Umwelt beruht, obwohl es heute diesbezüglich weit verbreitete und überzeugende innovative Argumente gibt (13).
3.9.2.1 Die Beziehungen zwischen öffentlichen Ausgaben, Wirtschaftsleistung und sozialen Zielen sind komplexer als die vereinfachende Hypothese eines Zielkonflikts zwischen Gerechtigkeit und Effizienz glauben macht. Mit gut konzipierten Sozial- und Umweltschutzsystemen lassen sich auch Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit so sehr steigern, dass sie als ein Produktionsfaktor angesehen werden können, der zur wirtschaftlichen Stabilität und Dynamik in den postindustriellen Volkswirtschaften beiträgt.
3.9.2.2 Dies gilt umso mehr in der Krise, die die europäischen Volkswirtschaften derzeit durchleben. Im Europäischen Konjunkturprogramm (14) hat die Kommission eingeräumt, dass ein „Abfedern der Auswirkungen des Konjunkturrückgangs auf die Menschen, insbesondere auf die wirtschaftlich Schwächsten“ erforderlich ist und dass die Krise als eine Gelegenheit für eine „beschleunigte Veränderung hin zu einer Wirtschaft mit geringem CO2-Ausstoß“ gesehen werden sollte, wobei es eine Strategie umzusetzen gilt, die „neue Technologien fördern, neue ‚grüne Jobs‘ schaffen [und] Geschäftsmöglichkeiten auf schnell wachsenden Weltmärkten eröffnen“ wird.
3.9.2.3 Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass die Krise nicht im öffentlichen Sektor entstanden ist, sondern im privaten Sektor aufgrund der Ungleichgewichte zwischen dem weltweit zunehmenden Angebot an Waren und Dienstleistungen und der langsamer steigenden Kaufkraft der Verbraucher (15). Die Verschlechterung der Haushaltslage in den Mitgliedstaaten im Verhältnis zum BIP kann zum großen Teil auf die Notfallmaßnahmen zurückgeführt werden, die aufgrund des Rückgangs des Nenners (Volkseinkommen) und des Anstiegs des Zählers (öffentliche Ausgaben zur Rettung des Finanz- und Produktionssystems sowie für die automatischen Stabilisierungsmechanismen zur Begrenzung der potenziell gravierenden Auswirkungen der Krise) ergriffen wurden (16). FITOUSSI schreibt zu Recht, dass die Haushaltsprobleme Europas weniger daraus resultieren, was die Regierungen im Rahmen ihres Ermessens tun, als vielmehr aus den sich zwangsläufig ergebenden Auswirkungen der Verarmung der Gesellschaft auf die öffentlichen Finanzen (17).
4. Besondere Bemerkungen
4.1 Aufgrund der Tatsache, dass die Bedeutung des Begriffs „wirtschaftspolitische Steuerung“ und die ihr zugrundeliegenden Ziele nicht ausreichend klar werden, und angesichts des schwach ausgebildeten Bewusstseins für die Grenzen des Stabilitäts- und Wachstumspakts und der Lissabon-Strategie muss eine gemeinsam von den Mitgliedstaaten und der EU getragene Strategie ausgearbeitet werden. In dieser Strategie darf man sich nicht darauf beschränken, Regeln aufzustellen und formelle Verfahren festzulegen, sondern es muss detailliert auf konkrete Maßnahmen eingegangen werden – was vor dem Hintergrund der schlechten Lage infolge der Wirtschaftskrise umso wichtiger ist –, um die Lebensqualität der EU-Bürger zu verbessern, die Beschäftigungsquote anzuheben (einschließlich benachteiligter Bevölkerungsgruppen wie Menschen mit Behinderungen und ethnische Minderheiten) und die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Produktionssystems (einschließlich der KMU und der Sozialwirtschaft) zu steigern.
4.2 Hierzu genügt es nicht, durch eine, wenngleich unverzichtbare, ordnungsgemäße Buchführung sicherzustellen, dass Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen sind. Zur Stärkung des Vertrauens der EU-Bürger in die EU und der an die EU gestellten Erwartungen sind mittel- bis langfristige Maßnahmen erforderlich, um die erforderliche strenge Haushaltsführung mit der ebenso wichtigen Fähigkeit zur Konzipierung und Umsetzung von Projekten der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung zu vereinbaren. Gebraucht wird also mehr europäisches Bewusstsein für die Rolle der Europäischen Union als politische Einheit, die zur Erreichung eines wahrhaft gemeinsamen Ziels danach strebt, die unterschiedlichen Politiken der einzelnen Mitgliedstaaten aufeinander abzustimmen und als aktiver Akteur in einer globalen Welt aufzutreten.
4.3 Voraussetzung für ein solches Europa ist eine stärkere Stellung sowie ein besseres Verständnis des derzeitigen Wandels seitens der die Bürger und die Sozialpartner vertretenden Institutionen – Parlament und Ausschüsse –, bei denen der von der Kommission vorgesehene Koordinierungsprozess eine größere demokratische Legitimität schöpfen und die breite Zustimmung finden kann, die für seine erfolgreiche Durchführung notwendig erscheint.
4.4 Zurzeit scheint das Parlament jedoch beim Europäischen Semester nur eine geringe Rolle in der Anfangsphase der Debatte und bei der ersten Ausrichtung des Koordinierungsprozesses zu spielen, es könnte jedoch eine größere und effizientere Rolle ausfüllen, wenn seine Tätigkeit mit der der nationalen Parlamente, die die Haushalte der einzelnen Mitgliedstaaten erörtern und verabschieden, abgestimmt würde. Das Europäische Parlament könnte eine grundlegende Rolle bei der Festlegung der wirtschaftspolitischen Steuerung der Union übernehmen und die demokratische Legitimität der präventiven und korrektiven Verfahren, einschließlich der gegen die Mitgliedstaaten verhängten Geldbußen, garantieren.
4.5 In diesem Zusammenhang kann der EWSA entsprechend seiner Rolle als die europäischen Institutionen beratendes Organ zur Verbesserung der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU beitragen, indem er eine jährliche Sondersitzung abhält, um die Empfehlungen und die Möglichkeiten für einen Konsens über die Reformen auf nationaler Ebene unter Berücksichtigung der sozialen Auswirkungen dieser Maßnahmen zu erörtern. Der Mehrwert, den der EWSA erbringt, liegt gerade darin, dass in ihm die Organisationen vertreten sind, die auf nationaler Ebene den sozialen Konsens über die Wirtschaftspolitik bestimmen. Deshalb könnte der EWSA hinsichtlich des Engagements und der Mitverantwortung nicht nur der politischen Entscheidungsträger, sondern auch und vor allem der in den Mitgliedstaaten lebenden Bürger einen wichtigen Beitrag leisten.
4.5.1 Diese Debatte könnte jeweils im Herbst nach der formellen Entscheidung über die Empfehlungen an die Mitgliedstaaten stattfinden. Die Schlussfolgerungen der Debatte könnten die Grundlage für entsprechende Diskussionen mit den nationalen Wirtschafts- und Sozialräten, den nationalen Parlamenten und dem Europäischen Parlament bilden. Die verabschiedeten Strategien könnten so einer angemessenen Bewertung unterzogen und auf nationaler Ebene entsprechend verbreitet und propagiert werden.
4.6 Durch die stärkere Einbindung von Parlament und Ausschüssen würde das Risiko vermindert, dass das Ziel des Wachstums und der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung im Verhältnis zum Erfordernis der währungspolitischen und finanziellen Stabilität zu wenig Gewicht erhält, und dadurch sichergestellt, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt und die Europa-2020-Strategie weiter miteinander im Einklang bleiben. Auch wenn die wirtschaftliche Stabilität – vor allem in Krisenzeiten – das Fundament für das Wachstum und die Wahrung des Lebensstandards der EU-Bürger bildet, darf das Streben nach mehr Stabilität nicht auf Kosten der Einkommen und der Rechte der Bürger gehen. Die Reform der wirtschaftspolitischen Steuerung und die Europa-2020-Strategie sollten gemeinsam umgesetzt werden, um die Haushaltszwänge für die Öffentlichkeit akzeptabler zu machen.
4.6.1 Derzeit scheint die Kommission zwar sehr darauf bedacht zu sein, beide Strategien auf die gleiche Stufe zu stellen, doch ergeben sich starke Zweifel dahingehend, ob sie tatsächlich eine wirkliche Zusammenführung der beiden Strategien beabsichtigt, die ja weiter klar voneinander getrennt sind. Derzeit ergibt sich eher ein unausgewogenes Bild zu Lasten der sozialen Dimension und zu Gunsten der Faktoren Produktivität und Arbeitsflexibilität, von denen es heißt, dass sie die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen steigern können.
4.6.2 Die Grundthese lautet, dass die makroökonomische Überwachung – ebenso wie die von der Kommission geforderte thematische Überwachung der Strukturreformen – ein einem nachhaltigen Wirtschaftswachstum auf jeden Fall förderliches Umfeld schafft, das sowohl der Europa-2020-Strategie als auch dem Stabilitäts- und Wachstumspakt zugute käme. Doch die Erfahrungen, die seit über zehn Jahren mit der Gemeinschaftswährung – und mit einer Eurozone, die ohne das Instrument der Abwertung auskommen muss – gesammelt wurden, lassen keine eindeutigen Anzeichen dafür erkennen, dass sich die innerhalb der EU und der WWU in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit bestehenden Unterschiede rasch wieder abbauen lassen.
4.7 Hinsichtlich der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit bei der Qualität scheint die Europa-2020-Strategie in die richtige Richtung zu gehen, denn darin sind Maßnahmen im Bereich Wissen, Innovation und ökologische Nachhaltigkeit vorgesehen. Doch gibt es einen Widerspruch zwischen den Zielen der Europa-2020-Strategie und der Stärkung des Stabilitäts- und Wachstumspakts, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Lage in einem Europa, das sich nur langsam von der Krise erholt.
4.7.1 Zur Verwirklichung der ehrgeizigen Ziele der Europa-2020-Strategie – ein Wachstum, das intelligent (auf Wissen und Innovation gestützt), nachhaltig (effizienter, ökologischer und wettbewerbsfähiger) und integrativ (sozialer und territorialer Zusammenhalt durch Beschäftigung mit besonderem Schwerpunkt auf benachteiligten Arbeitnehmern) ist – müssen die erforderlichen Mittel für angemessene Investitionen bereitgestellt werden. Zugleich könnten sich diese Maßnahmen, die höhere öffentliche Ausgaben in direkter Form oder als Anreize, einschließlich steuerlicher Art, für privatwirtschaftliche Initiativen erfordern, als mit der Haushaltsdisziplin unvereinbar erweisen, die die Kommission verstärken will, um den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu erfüllen und die wirtschaftspolitische Steuerung zu verbessern.
4.7.2 Zudem stimmt es zwar sicherlich - um weiter beim BIP zu bleiben -, dass solide öffentliche Finanzen und ein stabiler Euro das notwendige Fundament für eine langfristige Politik zur Förderung der Entwicklung bilden, doch können die Haushaltsregeln allein auf lange Sicht keine positive Entwicklung der Finanzen der Mitgliedstaaten garantieren. Gemäß dem von STIGLITZ, SEN und FITOUSSI (18) aufgestellten „Invarianzprinzip“ dürfen die volkswirtschaftlichen Gesamtgrößen der einzelnen Ländern nicht entsprechend den institutionellen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Unterschieden voneinander abweichen, sondern es müssen möglichst gleichartige Situationen miteinander verglichen werden. Mit anderen Worten reicht es für die langfristige Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen nicht aus, Jahr für Jahr das Haushaltsdefizit und die Staatsverschuldung zu überwachen, sondern es müssen auch die Zukunftsperspektiven berücksichtigt werden, auch die der privatwirtschaftlichen Märkte, in erster Linie die der Finanz- und Immobilienmärkte und der Märkte für Altersvorsorgeprodukte, die in Krisen- und Notfallsituationen die Solidität der öffentlichen Finanzen der Mitgliedstaaten erheblich beeinflussen können, beispielsweise durch Maßnahmen zur Rettung der Finanzinstitute und Großunternehmen.
4.7.3 Darüber hinaus erfordert die Fokussierung auf die Unterschiede bei der Wettbewerbsfähigkeit eine ständige Überwachung der Entwicklung der Lohnstückkosten, die ihrerseits bedingt, dass den Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern zunehmend Aufmerksamkeit geschenkt wird, insbesondere in der Eurozone, in der die Mitgliedstaaten nicht mehr über das Instrument der Abwertung verfügen. Daher sollten die Beziehungen zwischen Gewerkschaften und Unternehmerverbänden einen festen Bestandteil der von der Kommission skizzierten Strategie bilden, einen wichtigen Bestandteil, der in der Kommissionsmitteilung fehlt.
4.7.3.1 Eine Lösung könnte darin bestehen, verstärkt und zielgerichteter auf den makroökonomischen Dialog zurückzugreifen, der in eine gemeinsame Einschätzung der Wirtschaftslage auf EU-Ebene und der zu ergreifenden Maßnahmen durch die Regierungen und die Sozialpartner münden würde, was in enger Abstimmung mit dem sozialen Dialog auf nationaler Ebene erfolgen sollte. Durch einen Qualitätssprung könnte dieser Dialog zu einem Instrument werden, das neben der Europäischen Zentralbank, der Kommission und dem Rat auch die Sozialpartner wirksam einbindet und die gemeinschaftlichen und nationalen Entwicklungen in Einklang bringt (19).
4.8 Die Einführung einer wirksamen Koordinierung der Wirtschaftspolitik in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten setzt den Konsens der 27 Mitgliedstaaten hinsichtlich des makroökonomischen Bezugsrahmens und des makroökonomischen Rahmens für die Vorausschau voraus, denn sie werden die Grundlage für die wirtschafts- und fiskalpolitischen Maßnahmen bilden, die die Mitgliedstaaten im Verlauf des Europäischen Semesters konzipieren und bekannt geben werden. In diesem besonderen Zusammenhang sind die Analysen von Eurostat, die vorausschauenden Vorschläge der Europäischen Kommission, die unterstützende Rolle der Europäischen Zentralbank und die Reaktionen des Europäischen Rates und des Europäischen Parlaments von wesentlicher Bedeutung.
4.9 Aufgrund der engen Verknüpfung zwischen den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Zielen sind umfassendere Indikatoren erforderlich als die bloße Höhe des BIP-Wachstums. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in ihrer Mitteilung, die bezeichnenderweise den Titel „Das BIP und mehr – Die Messung des Fortschritts in einer Welt im Wandel“ (20) trägt, neue Indikatoren fordert, „die präzise soziale und ökologische Fortschritte (wie sozialer Zusammenhalt, Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit grundlegender Güter und Dienstleistungen, Bildung, öffentliche Gesundheit und Luftqualität) und Fehlentwicklungen (wie wachsende Armut, Anstieg der Kriminalität oder Erschöpfung natürlicher Ressourcen) einbeziehen“ und somit „Bürgeranliegen“ berücksichtigen.
4.10 Damit die Steuerung so verbessert werden kann, dass sie wirksam ist und ihre Ziele erreicht, müssen die fünf vorgesehenen Maßnahmen, um über das BIP hinauszugehen, auch tatsächlich umgesetzt werden: (i) Heranziehung ökologischer und sozialer Indikatoren, (ii) Bereitstellung von Informationen in Beinahe-Echtzeit für die Entscheidungsfindung, (iii) genauere Berichterstattung über Verteilung und Ungleichheiten, (iv) Entwicklung eines europäischen „Anzeigers“ für nachhaltige Entwicklung und (v) Einbeziehung von ökologischen und sozialen Anliegen in die volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.
4.11 Der laufende Prozess zur Verbesserung der wirtschaftspolitischen Steuerung in der EU wird sich wie andere Prozesse in der Geschichte der EU sicher als komplex erweisen. Diese Komplexität ist im Übrigen ein der EU innewohnendes Grundmerkmal. Es ist sicherlich richtig, dass Europa durch größere Unbestimmtheit gekennzeichnet ist als die USA, so dass das europäische Projekt von der Wiege an eine Reise auf der Suche nach einem Ziel war, wie ein italienischer Journalist erklärte (21). Heute sollte diese Reise jedoch ein genaues, klares Ziel haben, das von den EU-Bürgern, ihren Parlamenten und den nationalen und europäischen Institutionen mitgetragen wird. Nur so kann die Europäische Union das Ziel erreichen, das sie sich gleich zu Anfang gesteckt hat.
Brüssel, den 17. Februar 2011
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Staffan NILSSON
(1) KOM(2010) 367 endg.
(2) KOM(2010) 250 endg.
(3) KOM(2010) 522 bis 527; nähere Informationen siehe http://ec.europa.eu/economy_finance/articles/eu_economic_situation/2010-09-eu_economic_governance_proposals_en.htm.
(4) Stellungnahmen des EWSA zu folgenden Themen: „Die Auswirkungen der Staatsverschuldungskrise auf das europäische Regieren“, ABl. C 51 vom 17.2.2011, S. 15; „Neubelebung der Wirtschaft: aktueller Stand und konkrete Initiativen“, ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 57; „Die Finanzkrise und ihre Auswirkungen auf die Realwirtschaft“, ABl. C 255 vom 22.9.2010, S. 10; „Wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Unterstützung der europäischen industriepolitischen Strategie“, ABl. C 10 vom 15.01.2008, S. 106; „Die Grundzüge der Wirtschaftspolitik und die Economic Governance — Bedingungen für eine bessere Abstimmung der Wirtschaftspolitiken in Europa“, ABl. C 324 vom 30.12.2006, S. 49; „Die Stärkung der Economic Governance — die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts“, ABl. C 88 vom 11.4.2006, S. 68.
(5) Olli REHN, für Wirtschaft und Währung zuständiges Kommissionsmitglied, hat in der Anhörung am 5. Juli 2010 im Europäischen Parlament erklärt, dass die Krise große systemische Schwächen in der Wirtschafts- und Währungsunion in der jetzigen Form aufgezeigt hat. Einfach gesagt sei in der EU eine stärkere und bessere wirtschaftspolitische Koordinierung erforderlich. Außerdem sei eine strengere Einhaltung der WWU-Regeln vonnöten. Regeln hätten keinen Sinn, wenn sie nicht befolgt würden (REHN, O.: Reinforcing economic confidence in Europe (Stärkung des Vertrauens in die europäische Wirtschaft), Rede vor dem EP-Ausschuss für Wirtschaft und Währung, Straßburg, 5. Juli 2010).
(6) Europäisches Parlament, Entwurf eines Berichts über die Finanz, Wirtschafts- und Sozialkrise: Empfehlungen in Bezug auf zu ergreifende Maßnahmen und Initiativen (Zwischenbericht). Sonderausschuss zur Finanz-, Wirtschafts- und Sozialkrise. Berichterstatterin: Pervenche BERÈS, 6. Mai 2010.
(7) Siehe Tabelle 1 und 2 des Anhangs mit Daten aus der Eurostat-Datenbank (September 2010).
(8) Der Präsident des Europäischen Rates, Herman VAN ROMPUY, hat am 20. September 2010 dieses „institutionelle Handicap“ anerkannt, als er erklärte, dass „wir mit dem Dilemma einer Währungsunion ohne weitreichende Haushaltsunion leben müssen. Seit der Einführung des Euro sind die europäischen Organe für die Währungspolitik verantwortlich, während die Mitgliedstaaten weiterhin für ihre Haushaltspolitik verantwortlich sind und ihre Wirtschaftspolitik koordinieren. Dies schafft Spannungen. Deshalb die manchmal schwierigen und langsamen Beschlüsse, von denen ich sprach …! Man kann einen Konstruktionsfehler beklagen, einige sprechen von der ‚Erbsünde des Euro‘. Ich würde eher sagen: ein strukturelles Handicap. Doch damals – bei den Verhandlungen über den Vertrag von Maastricht, insbesondere zwischen Deutschland und Frankreich – musste man wählen. Ohne diese Erbsünde wäre der Euro nicht einmal geboren!“ VAN ROMPUY H., „Nicht die Renationalisierung der europäischen Politik, sondern die Europäisierung der nationalen Politik“, Rede auf Einladung von „Notre Europe“ in Paris, Sciences-Po, Auditorium maximum (http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/fr/ec/116622.pdf).
(9) VEROLA, N.: L’Europa e la crisi: squilibri finanziari ed equilibri costituzionali (Europa und die Krise: finanzielle Ungleichgewichte und verfassungsrechtliche Gleichgewichte), Beitrag für ASTRID, 2010, im Internet abrufbar unter www.astrid-online.it/Riforma-de/Studi-e-ri/VEROLA---L-Europa-e-la-crisi---squilibri-finanziari-ed-equilibri-costituzionali.pdf (nur auf Italienisch verfügbar).
(10) Direktor für Europastudien des Council on Foreign Relations und Professor an der Georgetown-Universität.
(11) KUPCHAN, C.: As nationalism rises, will the European Union fall (Der zunehmende Nationalismus wird der Untergang der Europäischen Union sein), Washington Post, 29. August 2010. Siehe auch die Bemerkungen über Besteuerung und Repräsentanz von DE GRAUWE P., Why a tougher Stability and Growth Pact is a bad idea (Warum ein strengerer Stabilitäts- und Wachstumspakt eine schlechte Idee ist), VoxEU.org, online verfügbar unter http://www.voxeu.com/index.php?q=node/5615.
(12) Daten der Eurobarometer-Erhebung 73 – Erste Ergebnisse („First results“) in den Abbildungen 1 und 2 des Anhangs wiedergegeben.
(13) Zur ökologischen Nachhaltigkeit siehe DALY, H.: Beyond Growth: The Economics of Sustainable Development (Über das Wachstum hinaus: Die wirtschaftlichen Aspekte der nachhaltigen Entwicklung), 1996. Zu Sozialschutz und Gleichheit siehe BEGG I., FERRERA M., HODSON D., MADSEN P., MATSAGANIS M., SACCHI S. und SCHELKE W., The Cost of Non Social Policy: Literature Review (Die Kosten einer unsozialen Politik: Literaturübersicht), Bericht an die Europäische Kommission, Brüssel 2003. Zum Paradigma der menschlichen Entwicklung siehe SEN, A.: Inequality Reexamined (Eine erneute Überprüfung der Ungleichheit), 1992, und SEN, A.: Development as Freedom (Entwicklung als Freiheit), 1999.
(14) Europäisches Konjunkturprogramm, KOM(2008) 800 endg., S. 5.
(15) Siehe ILO-IMF, The Challenges of Growth, Employment and Social Cohesion (Die Herausforderungen von Wachstum, Beschäftigung und sozialem Zusammenhalt), Diskussionspapier für die gemeinsame Konferenz von ILO und IWF, Oslo, 13. September 2010, S. 67-73.
(16) Die aggregierte Staatsverschuldung ist in der Eurozone von 72 % im Jahr 1999 auf 67 % im Jahr 2007 gesunken (Abbildung 3 des Anhangs). Im selben Zeitraum hat die Verschuldung der Privathaushalte und des Finanzsektors zugenommen (Abbildung 4 des Anhangs). Die Verschuldung des öffentlichen Sektors hat seit 2008 zugenommen (Abbildung 5 des Anhangs), als die Regierungen Maßnahmen zur Rettung des Bankensystems ergriffen und in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs die Wirtschaftstätigkeit angekurbelt haben (Rückgang des BIP und der Steuereinnahmen).
(17) FITOUSSI J.P., Crise et démocratie, le paradoxe européen (Krise und Demokratie, das europäische Paradox), Le Monde, 16. Oktober 2010. Siehe auch DE GRAUWE P., What kind of governance for the eurozone? (Welche Governance für die Eurozone?), CEPS Policy Brief, Nr. 214, September 2010.
(18) STIGLITZ J.E., SEN A. und FITOUSSI J.P., Report by the Commission on the Measurement of Economic Performance and Social Progress (Bericht der Kommission zur Messung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und des sozialen Fortschritts), Bericht an den Präsidenten der französischen Republik, Paris, 2009 (S. 22-23).
(19) WATT A., Economic Governance in Europe: A Change of Course only after Ramming the Ice (Wirtschaftspolitische Steuerung in Europa: Kurswechsel erst nach dem Rammen des Eisbergs, Social Europe Journal, 30. Juli 2010, im Internet abrufbar unter http://www.social-europe.eu/2010/07/economic-governance-in-europe-a-change-of-course-only-after-ramming-the-ice/.
(20) KOM(2009) 433 endg., S. 3-4.
(21) BASTASIN C., Questo secolo può essere ancora europeo (Dieses Jahrhundert kann noch ein europäisches werden), Il Sole 24 ore, 2. September 2010.
ANHANG
zu der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Folgender abgelehnter Änderungsantrag erhielt mindestens ein Viertel der Stimmen:
Ziffer 4.7.3.1 - Änderungsantrag von Herrn Páleník
Nach Ziffer 4.7.3.1 eine neue Ziffer 4.7.4 einfügen:
„“
Begründung
Im dritten Teil des Kommissionsvorschlags heißt es, dass implizite Verbindlichkeiten zu berücksichtigen sind, es werden jedoch keine Angaben darüber gemacht, wie dies inhaltlich und praktisch aussehen soll. Eine derartige Ergänzung wäre der Qualität des Vorschlags dienlich.
Abstimmungsergebnis
Ja-Stimmen |
: |
69 |
Nein-Stimmen |
: |
160 |
Stimmenthaltungen |
: |
19 |
6.4.2011 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 107/16 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und die Europäische Zentralbank: Bankensanierungsfonds“
(KOM(2010) 254 endg.)
2011/C 107/03
Berichterstatterin: Lena ROUSSENOVA
Die Europäische Kommission beschloss am 26. Mai 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und die Europäische Zentralbank:. Bankensanierungsfonds“
KOM(2010) 254 endg.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 1. Februar 2011 an.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 469. Plenartagung am 16./17. Februar 2011 (Sitzung vom 16. Februar) mit 193 Stimmen bei 4 Enthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 Der EWSA tritt ebenso wie die Kommission vor allem dafür ein, dass Steuergelder nicht erneut zur Deckung der Verluste von Banken aufgewendet werden, und befürwortet vom Grundsatz her die Schaffung eines harmonisierten Netzes nationaler Ex-ante-Bankensanierungsfonds (BSF), das seinerseits an koordinierte nationale Krisenmanagementvereinbarungen geknüpft ist. Damit eine praktikable Regelung für Bankensanierungsfonds zustande kommt, spricht sich der EWSA aber dafür aus, dass sich die Mitgliedstaaten im Vorfeld auf die Einführung einheitlicher Methoden und Regeln einigen, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Die derzeitige Entwicklung vermittelt eher einen gegenteiligen Eindruck. Eine ganze Reihe von Mitgliedstaaten hat bereits finanzpolitische Maßnahmen ergriffen oder geplant, um ihre angespannte Haushaltslage zu verbessern oder die Märkte zu stärken, so dass bereits ungleiche Ausgangsbedingungen herrschen. Wenn man die aktuelle Situation realistisch betrachtet und die bisherigen Erfahrungen berücksichtigt, bestehen nur geringe Aussichten auf eine rasche Lösung. Bei einem schrittweisen Vorgehen könnte es vielleicht gelingen, einige dieser Unterschiede im Laufe der Zeit abzubauen.
1.2 Im Hinblick auf den Wettbewerb sollte es immer ein vorrangiges Anliegen bleiben, auf nationaler, europäischer und weltweiter Ebene für Chancengleichheit zu sorgen. Die BSF-Regelung in ihrer jetzigen Form birgt die Gefahr, dass es zu Störungen kommt: auf nationaler Ebene, weil sie nur einen Teil des Finanzsektors betrifft, auf EU-Ebene, weil auf einige bereits schwache nationale Sektoren neue Belastungen zukommen, und weltweit, weil ein Konsens der G-20-Staaten eher unwahrscheinlich ist.
1.3 Ein wichtiger Punkt ist die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Sämtliche nationalen und internationalen Behörden drängen den Bankensektor, die Lage durch eine verstärkte Ausreichung von Krediten an die Realwirtschaft zu erleichtern. Neue aufsichtsrechtliche Vorschriften, neue Eigenkapitalanforderungen und neue Steuern sind voraussichtlich erforderlich, wobei die Behörden ein vernünftiges Verhältnis zwischen dem Bedarf an Kapital zur Stützung des Staatshaushalts auf der einen Seite und dem Bedarf der Realwirtschaft auf der anderen Seite anstreben sollten. Gegenwärtig ist die BSF-Regelung für genaue Berechnungen noch zu vage, um notwendige Investitionen in Produktion, Wachstum und Beschäftigung sicherzustellen. Es ist schwierig, beiden Erfordernissen gerecht zu werden, ohne für die Umsetzung der einzelnen Phasen der geplanten BSF-Regelung die richtigen Schwerpunkte zu setzen und den richtigen Zeitrahmen festzulegen.
1.4 Nach Ansicht des EWSA sollte die Kommission, bevor sie Schritte zur Einführung von Bankabgaben einleitet, eine sorgfältige Bewertung der kumulativen Auswirkungen der Abgaben und BSF vornehmen und unsere weiter oben, insbesondere in Ziffer 1.3, geäußerten Bedenken berücksichtigen. Eine Entscheidung zur Einführung des BSF setzt Überlegungen dazu voraus, wie viel die ganze Regelung kostet, inwieweit sie die Möglichkeiten des Bankensektors zur Kreditvergabe beeinträchtigt und wie lange es dauert, bis der BSF zum Tragen kommt oder seine geplante Größe erreicht. Der EWSA empfiehlt, bei diesen Überlegungen vom ungünstigsten Fall auszugehen, damit die Regelung den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht und in einer Krisenperiode greift, wenn es den Banken einerseits schwerfallen wird, ihren Beitrag zum BSF zu leisten, aber andererseits die Mittel aus dem Fonds dringend benötigt werden.
2. Einleitung
2.1 Die Europäische Kommission begrüßte die im September 2009 vom G-20-Gipfel in Pittsburgh getroffene Aussage, dass zur Deckung der Verluste von Banken nicht erneut Steuergelder verwendet werden sollten, und bemüht sich mindestens auf zwei sich gegenseitig ergänzende Weisen um das Erreichen dieses Ziels:
a) |
Verringerung der Wahrscheinlichkeit des Ausfalls von Banken durch eine strengere Beaufsichtigung auf makro- und mikroökonomischer Ebene, eine bessere Corporate Governance und striktere Regulierungsstandards; und |
b) |
Gewährleistung, dass ausreichende Instrumentarien einschließlich ausreichender Mittel für eine geordnete und fristgerechte Insolvenz zur Verfügung stehen, falls es trotz dieser Maßnahmen zu Insolvenzen kommt. |
2.2 In der Mitteilung KOM(2010) 254 endg. erläutert die Kommission ihre Vorstellungen dazu, wie sich der Finanzsektor im Rahmen des Gesamtinstrumentariums für Krisenprävention und -management an den Kosten der Sanierung insolventer Banken beteiligen könnte. Nach ihrer Ansicht sollten Ex-ante-Bankensanierungsfonds (BSF), die über Bankenabgaben finanziert werden, Teil eines Rahmens für die Finanzmarktstabilität und breiter angelegter Reformen des Finanzsystems mit dem Schwerpunkt Prävention sein. Sie gelten als probates Mittel, um bei Eingriffen in insolvente Banken und deren Sanierung die Kosten einer Insolvenz für die Öffentlichkeit möglichst gering zu halten. Die Mitteilung geht auf den Zweck, die potenzielle Größe und die Voraussetzungen für die Einrichtung von BSF ein.
2.3 Die Europäische Kommission strebt einen EU-Ansatz zur Schaffung von BSF und letztendlich einen europaweiten Sanierungsfonds als optimale Lösung an. Allerdings ist sie der Ansicht, dass es sehr schwierig sein dürfte, gleich mit der Auflegung eines europaweiten Sanierungsfonds zu beginnen, solange kein integrierter EU-Rahmen für die Beaufsichtigung und das Krisenmanagement besteht. Aus diesem Grunde könnte ein erster angemessener Schritt in einem System bestehen, das sich auf die Schaffung eines harmonisierten Netzes nationaler Ex-ante-Sanierungsfonds stützt, welches seinerseits an koordinierte nationale Krisenmanagementvereinbarungen geknüpft ist.
2.4 Der EWSA begrüßt alle Vorschläge, die darauf gerichtet sind, den Finanzsektor zu stärken und künftige Krisen zu verhindern, und billigt in diesem Zusammenhang vom Grundsatz her die Initiativen und Empfehlungen der Kommission für einen EU-Ansatz zur Schaffung von BSF, wie er in KOM(2010) 254 endg. zum Ausdruck kommt, äußert aber zugleich einige Bedenken. Der EWSA ist sich darüber im Klaren, dass einige der Initiativen im gegenwärtigen Stadium möglicherweise für manche Mitgliedstaaten nicht realisierbar und annehmbar sind, während andere noch eine weitere Prüfung, Analyse und Klarstellung erfordern.
2.5 Der neue Rahmen für das Krisenmanagement und die Krisenprävention hat zum Ziel, dass die Mitgliedstaaten im Falle von Bankinsolvenzen über ein gemeinsames Instrumentarium verfügen, das koordiniert zur Anwendung gebracht werden kann, um das Finanzsystem insgesamt zu schützen, dem Steuerzahler Kosten zu ersparen und gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten. Dieses einheitliche Sanierungsinstrumentarium soll sicherstellen, dass eine geordnete Insolvenz für jede Bank unabhängig von ihrer Größe oder Komplexität eine glaubwürdige Lösung darstellt. Dabei ist der Faktor Größenordnung von Bedeutung. Zwar sollten im Prinzip Garantien für „alle“ geordneten Insolvenzen abgegeben werden, doch gilt es zu definieren, was unter einer„größeren Bankeninsolvenz“zu verstehen ist. Sehr große und komplexe Finanzinstitute (d.h. internationale Konzerne, die nicht unbedingt europaweit oder von Europa aus agieren) können besondere Herausforderungen mit sich bringen. Größere Insolvenzen erfordern womöglich eine andere Vorgehensweise, wozu gegebenenfalls die Gewährleistung des Fortbestands durch Umstrukturierung, die Abschreibung von Schulden und die Verwässerung/vollständige Entwertung von Aktienkapital gehört. Das Maßnahmenpaket könnte in gewissem Umfang auch zusätzliche Mittel aus einem Fonds erfordern.
2.6 Am 20. Oktober 2010 beschloss die Kommission eine „Roadmap“, die den Zeitplan, konkrete Maßnahmen, Instrumentarien und Pläne für einen kompletten EU-Krisenmanagementrahmen enthielt. Im Frühjahr 2011 sollen die einschlägigen Legislativvorschläge zum Krisenmanagement und zu den Sanierungsfonds vorgelegt werden. Im gegenwärtigen Stadium können wir lediglich einige vorläufige Erwartungen äußern und Vorüberlegungen anstellen. Der Starttermin soll per Richtlinie festgelegt werden, sofern diese die notwendige Zustimmung findet. Berücksichtigt man die Umstände und die Zusage der Kommission, die einschlägigen Legislativvorschläge bis zum Frühjahr 2011 zu verabschieden, spricht einiges dafür, dass es frühestens 2013-2014 soweit sein wird. Zwar benötigt jeder Fonds einige Zeit, um seine geplante Größe zu erreichen, doch da in diesem Falle sowohl eine Ex-post- als auch eine Ex-ante-Finanzierung erfolgt, wäre der Fonds theoretisch schon verfügbar, sobald die entsprechenden Rechtsvorschriften im Mitgliedstaat in Kraft treten. Allerdings haben einige Mitgliedstaaten bekanntgegeben, dass sie vorerst nicht die Einführung von Bankenabgaben planen, weil ihr Bankensektor von der Krise weitgehend verschont geblieben und nach wie vor stabil sei. Demzufolge wäre der BSF als Instrument zur mittel- bis langfristigen Bewältigung der Finanzkrise anzusehen.
3. Spezifische Anmerkungen
3.1 Das BSF-Konzept
3.1.1 Der EWSA befürwortet das Konzept der Kommission, das als ersten Schritt die Schaffung eines harmonisierten Netzes nationaler BSF vorschlägt, welches seinerseits an koordinierte nationale Krisenmanagementvereinbarungen geknüpft ist. Zugleich empfiehlt er aber, das Netz der Fonds schrittweise aufzubauen und sorgfältig die Besonderheiten der einzelnen Mitgliedstaaten zu beachten. Deutschland und Schweden haben mit der Einrichtung eigener Fonds begonnen, die über Abgaben/Beiträge finanziert werden. Jeder Staat setzt bei der Schaffung des Fonds auf eigene Methoden und Regeln, so dass der EWSA im gegenwärtigen Stadium keine Regeln favorisieren kann.
3.1.2 Da einige Länder bereits dabei sind, länderspezifische Bankenabgaben, Steuern und Regelungen einzuführen, vertritt der EWSA die Ansicht, dass zuallererst einige gemeinsame Grundsätze und Parameter für die Abgaben erörtert und vereinbart werden sollten, um innerhalb des EU-Finanzsektors Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Der EWSA ist für ein schrittweises Vorgehen, bei dem zwischen kurzfristigen und mittelfristigen Zielen differenziert wird (1). Auf kurze Sicht sollte man von den Mitgliedstaaten erwarten, dass sie sich auf die Bemessungsgrundlage der Abgabe, den Beitragssatz und den Anwendungsbereich einigen, zugleich aber mit Blick auf die laufenden Änderungen im Regelungsbereich und die Entwicklungen hin zu einer stärkeren Harmonisierung ein gewisses Maß an Flexibilität zulassen. Danach könnte ein Konzept für die schrittweise Einführung einer einfachen und angemessenen Abgabe in Betracht gezogen werden, die dann später von einem stärker harmonisierten System von Bankenabgaben und BSF abgelöst wird.
3.1.3 Der EWSA erachtet ein schrittweises Vorgehen für sinnvoller und realistischer, denn es eröffnet die Möglichkeit, sowohl die unterschiedlichen Auswirkungen der Finanzkrise auf die einzelnen Mitgliedstaaten als auch den jeweiligen Umgang mit der Krise zu berücksichtigen:
— |
Die verschiedenen Mitgliedstaaten wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten, auf unterschiedliche Weise und in unterschiedlichem Grade von der Krise erfasst. Es differiert aber auch der Zeitpunkt, an dem die einzelnen Länder die Krise überwinden und in der Lage sind, eigene BSZ einzurichten. |
— |
Die Finanzsektoren einiger Mitgliedstaaten wurden von der Finanzkrise nicht ernsthaft in Mitleidenschaft gezogen und haben auch nicht um Hilfe nachgesucht. Stattdessen bekam die dortige Realwirtschaft mit einiger Verspätung die globale Finanz- und Wirtschaftskrise zu spüren. Der Bankensektor ist dort zwar in guter Verfassung, muss aber noch einiges tun, um krisenhafte Entwicklungen zu vermeiden, und soll gleichzeitig den Aufschwung befördern. Die betreffenden Länder werden sich schwertun, nationale BSF zu einem Zeitpunkt aufzulegen, an dem die meisten Mitgliedstaaten dazu bereit wären, weil sie zum Teil über Einlagensicherungsfonds (ESF) verfügen, die über Einlagensicherungssysteme (ESS) hinausgehen und bestimmte Bankensanierungsfunktionen einschließen. |
3.1.4 Der EWSA begrüßt die Absicht der Kommission, die „potenziellen Synergien zwischen Einlagensicherungs- und Abwicklungsfonds“ weiter zu untersuchen, wie dies in KOM(2010) 579 endg. zum Ausdruck kommt. Nach Ansicht des Ausschusses könnten bei einer Verbreiterung der derzeitigen Finanzierungsgrundlage die Einlagensicherungs- und Bankensanierungsaufgaben von einem Fonds wahrgenommen werden, ohne die Fähigkeit der ESS und ihrer Fonds zur Erfüllung des Einlagenschutzauftrags zu gefährden. Diese Untersuchung ist besonders für jene Mitgliedstaaten sinnvoll, deren ESF bereits gewisse Präventions- und Sanierungsfunktionen erfüllen, weil in einem einzigen erweiterten Fonds beide Bereiche zusammengelegt werden.
3.1.5 Der EWSA kann die Argumente der Kommission für einen europaweiten Sanierungsfonds ebenso nachvollziehen wie ihre Besorgnis über die mit seiner Einrichtung verbundenen Schwierigkeiten und hält die Auflegung eines solchen Fonds im derzeitigen Stadium für verfrüht und nicht realisierbar. Unter Berücksichtigung der bisherigen Erfahrungen hegt der EWSA Zweifel am effektiven Funktionieren eines einheitlichen EU-Sanierungsfonds.
3.2 Die Finanzierung von BSF: die Abgabe
3.2.1 Die Kommission spricht sich dafür aus, dass die BSF über von den Banken zu zahlende Beiträge oder Abgaben finanziert werden. Am 17. Juni 2010 einigte sich der Europäische Rat darauf, dass Bankenabgaben Bestandteil eines glaubhaften Sanierungsrahmens (2) sein sollten und dass dieser Grundsatz bei ihrer Einführung Pate stehen sollte.
3.2.1.1 Den Darlegungen der Kommission zufolge sollte die Abgabe vor allem dazu dienen, die Banken an den Kosten der Krise zu beteiligen, das Systemrisiko einzudämmen, die Wettbewerbsverzerrungen zu begrenzen und Mittel für einen glaubwürdigen Sanierungsrahmen zu beschaffen, doch fehlt es an einer exakten Begriffsbestimmung. In einem Dokument (3) des Wirtschafts- und Finanzausschusses heißt es, eine „Abgabe“ sei eine „von Finanzinstituten zu leistende Zahlung (entweder Gebühr oder Steuer), um sie an den Kosten der Finanzkrise zu beteiligen“. Eine Abgabe wird als Gebühr angesehen, wenn sie für einen vom Staatshaushalt getrennten Fonds bestimmt ist, und als Steuer, wenn sie im Rahmen des Staatshaushalts erhoben wird. Der EWSA erwartet von der Kommission, dass sie den Begriff „Abgabe“ eindeutig definiert.
3.2.2 Der EWSA betrachtet die Kriterien für die Bemessungsgrundlage sowie für den Beitragssatz als eines der wichtigsten Hindernisse für eine allgemeine Einigung und ist davon überzeugt, dass zunächst einmal eine Reihe von Grundsätzen vereinbart werden sollte. Er teilt die Auffassung der Kommission, dass die Bemessungsgrundlage den Grundsätzen entsprechen sollte, die in der Mitteilung auf Seite 8 dargelegt werden. Es gilt anzuerkennen, dass der Finanzsektor von Land zu Land differiert, was die Größe, die Governance-Systeme, die Effizienz der Beaufsichtigung und das Risikoprofil anbelangt. Aufgrund dieser Unterschiede könnte man den Mitgliedstaaten anfangs genügend Spielraum für verschiedene Bemessungsgrundlagen belassen, doch später sollte die Bemessungsgrundlage harmonisiert werden.
3.2.3 Der Mitteilung zufolge könnten die Beiträge/Abgaben auf drei Parametern beruhen: den Vermögenswerten, den Verbindlichkeiten oder den Gewinnen/Boni einer Bank. Da die Aktiva und Passiva der Bilanz die Risikoverhältnisse besser erfassen als andere Indikatoren, hält der EWSA die Gewinne und Boni einer Bank als Bemessungsgrundlage der Bankenabgabe für weniger geeignet. Jede der beiden erstgenannten Bemessungsgrundlagen hat ihre Vor- und Nachteile, so dass einiges für eine Kombination dieser beiden Parameter spricht.
3.2.3.1 Die Vermögenswerte einer Bank sind ein guter Indikator ihrer Risiken. Sie widerspiegeln die potenzielle Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz des Instituts und geben Auskunft über den Betrag, der bei einer Sanierung anfallen könnte. Risikogewichtete Aktiva, wie vom IWF vorgeschlagen (4), könnten ebenfalls eine geeignete Bemessungsgrundlage für die Bankenabgabe darstellen, da sie angesichts der breiten Akzeptanz der Basler Eigenkapitalstandards den Vorzug der internationalen Vergleichbarkeit aufweisen. Da aber die Vermögenswerte einer Bank bereits risikogewichteten Eigenkapitalanforderungen unterliegen, würde eine darauf basierende Abgabe lediglich den Effekt der Basler Eigenkapitalstandards verstärken.
3.2.3.2 Der EWSA ist der Ansicht, dass die Verbindlichkeiten einer Bank mit Ausnahme der gesicherten Einlagen und des Eigenkapitals (z.B. des Kernkapitals bei Banken), aber unter Einbeziehung bestimmter außerbilanzieller Positionen, vermutlich als Bemessungsgrundlage für die Beiträge/Abgaben der Banken am sinnvollsten sind (5). Sie sind ein guter Indikator für die Kosten, die bei der notwendigen Sanierung einer Bank anfallen könnten, sie sind eine einfache Größe, und es käme nicht im gleichen Umfang zu Überschneidungen wie bei dem auf den Vermögenswerten basierenden Ansatz (6). Es könnten auch weitere Verbindlichkeiten ausgeklammert werden: nachrangige Verbindlichkeiten, durch staatliche Bürgschaften unterlegte Verbindlichkeiten und konzerninterne Kredittransaktionen. In Anbetracht der Tatsache, dass einige Mitgliedstaaten bereits länderspezifische Abgabensysteme mit sehr unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen eingeführt haben, wäre jedoch zunächst ein harmonisierter Ansatz auf der Grundlage aller Verbindlichkeiten und ihrer vorherigen qualitativen Analyse eher annehmbar.
3.2.4 Der EWSA unterstützt die in KOM(2010) 579 endg. dargelegte Auffassung der Kommission, wonach jeder BSF Beiträge von den in seinem Mitgliedstaat zugelassenen Instituten erhält, die deren Zweigniederlassungen in anderen Mitgliedstaaten mit abdecken. Damit müssten Tochtergesellschaften Abgaben im Aufnahmeland entrichten, Zweigniederlassungen hingegen im Herkunftsland. Wenn alle Mitgliedstaaten bei den Finanzinstituten Abgaben nach diesen Grundsätzen erheben, lässt sich die Gefahr von Doppelbelastungen und Wettbewerbsverzerrungen vermeiden.
3.2.5 Angesichts der Herausforderungen, denen sich sowohl die Banken als auch die Volkswirtschaften derzeit gegenübersehen, spricht sich der EWSA mit Nachdruck dafür aus, den Zeitpunkt der Einführung der Abgabe sorgfältig abzuwägen. Nach einer langen und schweren Finanzkrise scheuen die Banken trotz der Bemühungen aller nationalen und internationalen Behörden, sie zur Unterstützung des wirtschaftlichen Aufschwungs zu bewegen, im Allgemeinen das Risiko und vergeben über längere Zeit nur zögerlich Kredite. Zugleich müssen sie die Kosten tragen, die sich aus neuen Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen ergeben. Den Finanzinstituten könnte nach Maßgabe der in Punkt 1.4 vom EWSA empfohlenen Bewertung eine angemessene Übergangsperiode eingeräumt werden, um ihre Eigenkapitalbasis zu stärken, sich auf den neuen Ordnungsrahmen einzustellen und die Realwirtschaft zu finanzieren. Mittelfristig könnten sich bestimmte Korrekturen des Beitragssatzes als sinnvoll erweisen, um der weiteren Ausgestaltung des Aufsichtsrechts und des EU-Sanierungsrahmens Rechnung zu tragen.
3.3 Anwendungsbereich und Größe des BSF
3.3.1 Der Anwendungsbereich und die Größe des BSF hängen davon ab, wie die Kommission die Aufgabe des Fonds zur Finanzierung der geordneten Sanierung notleidender Finanzinstitute, darunter Banken, konkret ausgestaltet. Der EWSA ist ebenso wie die Kommission der Auffassung, dass Sanierungsfonds für die Abwicklung, nicht aber für das völlige Auffangen von Banken bereitstehen sollten. Allerdings hält es der EWSA nicht für vertretbar, dass der von der Kommission erarbeitete Krisenbewältigungsrahmen hauptsächlich den Bankensektor zum Gegenstand hat, da sämtliche Finanzinstitute den Anlegern Verluste bescheren können, wenn sie hohe Risiken eingehen. Der EWSA empfiehlt, alle Banken und alle beaufsichtigten Finanzinstitute (mit Ausnahme von Versicherungsunternehmen, für die derzeit ein eigenes System vorbereitet wird) in den Sanierungsrahmen einzubeziehen (7). Auf diese Weise werden gleiche Wettbewerbsbedingungen gewährleistet und wird gegenüber der Öffentlichkeit der falsche Eindruck vermieden, dass nur ein Segment des Finanzsektors für die Krise verantwortlich ist.
3.3.2 Aus der Mitteilung ist noch nicht ersichtlich, welchen Umfang die Fondsmittel haben sollten, doch heißt es dort, dass der Finanzsektor für sämtliche Sanierungskosten aufkommen soll, gegebenenfalls durch Ex-post-Finanzvereinbarungen. Die Schwierigkeit wird darin bestehen, Land für Land das richtige Zielvolumen zu errechnen. Der Ausschuss sieht hier zwei Probleme: Zum einen müssten die schwächsten Systeme anteilmäßig die höchsten Beiträge aufbringen, so dass Zweifel an der Chancengleichheit angebracht sind. Zum anderen geht es um den zeitlichen Rahmen der Berechnungen, denn das Zielvolumen wird auf der Grundlage heutiger und künftiger Gegebenheiten bestimmt. Noch vor Erreichen des Zielvolumens können sich die Verhältnisse grundlegend geändert haben, was bedeutet, dass sowohl das Zielvolumen als auch die Beiträge angepasst werden müssen. Die Regeln sollten mögliche Änderungen der Ausgangsbedingungen und der Berechnungen berücksichtigen. Da die Risiken im Laufe des Zyklus differieren, müsste der Beitragssatz angepasst werden, damit sich das Finanzsystem weniger prozyklisch verhält.
3.4 Unabhängigkeit und Governance der BSF
3.4.1 Der EWSA pflichtet der Kommission darin bei, dass die BSF vom Staatshaushalt getrennt bleiben sollten. Er teilt die Auffassung, dass ihre funktionale Unabhängigkeit vom Staat sicherstellen würde, dass sie nur für Sanierungsmaßnahmen verwendet werden und für keine anderen Zwecke. Allerdings verfolgen die Mitgliedstaaten gegenwärtig zwei unterschiedliche Ansätze für die Zuordnung der aus dem Finanzsektor zufließenden Mittel. Länder wie Deutschland, Belgien und Schweden halten sich an den Grundsatz, dass zwischen der Einzahlungs- und Auszahlungsseite des Sanierungsmechanismus ein klarer Zusammenhang herzustellen ist. Andere Staaten lassen es zu, dass die Beiträge in den allgemeinen Haushalt eingehen, da kein ausdrücklicher Zusammenhang mit dem Sanierungsrahmen für den Finanzsektor beabsichtigt ist. Regelungen, die Erwartungen wecken, dass die Finanzinstitute gegebenenfalls Finanzhilfen vom Staat erhalten, könnten das Ziel des vorgeschlagenen Regelungsrahmens, nämlich die Einführung eines Verfahrens zur ordnungsgemäßen Rettung bzw. Abwicklung notleidender Finanzinstitute ohne eine Beteiligung der Steuerzahler, gefährden. Der ESWA teilt die Ansicht der Kommission, dass die Schaffung spezieller Sanierungsfonds dazu führen könnte, die Abhängigkeit des Finanzsektors von öffentlichen Mitteln zu verringern und den Moral Hazard bei Finanzinstituten, die „für einen Konkurs zu groß sind“, zu mindern. Nach Ansicht des ESWA sollte sich wie bei den Einlagensicherungsfonds das Beitragsaufkommen unter der Kontrolle und in der Regie von Behörden befinden, die nicht für Haushaltsfragen zuständig sind, sondern für die Governance des Finanzstabilitätsrahmens.
3.4.2 Bevor eine abschließende Entscheidung zur Governance der BSF getroffen wird, bedarf es einer eindeutigen Antwort auf die folgenden Fragen:
— |
Unterliegt der Fonds der aufsichtsrechtlichen Kontrolle? oder |
— |
Ist er als fiskalische Maßnahme gedacht, die den Finanzsektor dazu bewegen soll, sich an der Wiedererlangung aufgewendeter öffentlicher Gelder zu beteiligen? oder |
— |
Handelt es sich um eine rein finanzpolitische Initiative mit dem Ziel, den Markt durch die Bekämpfung der Finanzspekulation transparenter zu gestalten? |
Wenn die Kommission die BSF als parafiskalische Maßnahme und als Bestandteil des Finanzstabilitätsrahmens ansieht, sollte sie dies allen begreiflich machen, denn eine ordnungsgemäße Governance der BSF ist nur zu gewährleisten, wenn klare Vorstellungen über den Sinn und Zweck dieser Fonds bestehen.
Brüssel, den 16. Februar 2011
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Staffan NILSSON
(1) Siehe Wirtschafts- und Finanzausschuss, Ad-hoc-Arbeitsgruppe Krisenmanagement, 17. September 2010.
(2) Europäische Kommission, GD Binnenmarkt und Dienstleistungen, von den Kommissionsdienstellen erarbeitetes Non-Paper zur Bankabgabe als Diskussionsgrundlage für die Sitzung des Wirtschafts- und Finanzausschusses am 31. August 2010, S. 4.
(3) Wirtschafts- und Finanzausschuss, Ad-hoc-Arbeitsgruppe Krisenmanagement.
(4) IWF-Bericht an die G-20: „Ein fairer und spürbarer Beitrag des Finanzsektors“ (A Fair and Substantial Contribution by the Financial Sector), Juni 2010, S. 17.
(5) Der IWF favorisiert ein breites Spektrum von Verbindlichkeiten, zu denen einige außerbilanzielle Positionen, aber weder Eigenkapital noch abgesicherte Verbindlichkeiten gehören. Auch in ihrem „Non-Paper“ vom 20. August spricht sich die Kommission für einen auf den Marktverbindlichkeiten beruhenden Ansatz aus. Vier Mitgliedstaaten haben bereits ein Konzept beschlossen, das auf differenziert behandelten Verbindlichkeiten basiert.
(6) Die Vorschläge des Basler Ausschusses betreffen die von den Banken eingegangenen Liquiditäts- und Transformationsrisiken.
(7) In der Mitteillung KOM(2010) 579 endg. verspricht die Kommission, dass der EU-Rechtsrahmen für alle Kreditinstitute und bestimmte, allerdings nicht näher definierte Wertpapierfirmen gelten soll. Nach Ansicht des EWSA sollte der Krisenbewältigungsrahmen aber für alle beaufsichtigten Finanzinstitute gelten.
6.4.2011 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 107/21 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und die Europäische Zentralbank — Regulierung der Finanzdienstleistungen für nachhaltiges Wachstum“
(KOM(2010) 301 endg.)
2011/C 107/04
Berichterstatter: Edgardo Maria IOZIA
Die Europäische Kommission beschloss am 2. Juni 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und die Europäische Zentralbank — Regulierung der Finanzdienstleistungen für nachhaltiges Wachstum“
KOM(2010) 301 endg.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 1. Februar 2011 an.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 469. Plenartagung am 16./17. Februar 2011 (Sitzung vom 16. Februar) mit 164 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme.
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 „Es muss wesentlich mehr für die Beaufsichtigung des Banksektors getan werden. Die besten Regeln der Welt nützen gar nichts, wenn ihre Umsetzung nicht überwacht wird.“ (1)
1.2 Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Mitteilung der Kommission und betrachtet die Neuregulierung der Finanzmärkte als unverzichtbares Instrument, um der nachhaltigen Wirtschaft neue Dynamik zu verleihen.
1.3 Der EWSA ist der Auffassung, dass diesen Problemen immer weniger Aufmerksamkeit gewidmet wird und dass die Notwendigkeit der umgehenden Verabschiedung der vorgeschlagenen Maßnahmen in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich wahrgenommen und offenbar nicht mehr als gemeinsame Priorität betrachtet wird.
1.4 Der EWSA betont und bekräftigt, wie wichtig es ist, zu einer internationalen Einigung zu gelangen und die Bemühungen hierfür zu verstärken. Er sieht es jedoch auf jeden Fall als wesentlich und unabdingbar an, dass der von den EU-Organen eingeschlagene Weg zügig und erfolgreich vollendet und nicht von einem Rahmen internationaler Abkommen abhängig gemacht wird, dessen Abschluss, wie leider auch in jüngster Zeit festzustellen war, noch in weiter Ferne liegt.
1.5 Der EWSA wertet die vorgeschlagenen Maßnahmen positiv und sieht den anstehenden Initiativen erwartungsvoll entgegen, zu denen er eine Stellungnahme abzugeben haben wird - wie z.B. zur geplanten Überarbeitung der Richtlinie über Märkte in Finanzinstrumenten (MiFID), die zur Gewährleistung von Stabilität und Transparenz der Märkte sowie zur Sicherung des Vertrauens der Anleger notwendig ist.
1.6 Der EWSA unterstützt die Bemühungen der Kommission um einen raschen Abschluss des Rechtsetzungsverfahrens. Die Kommission könnte den EWSA damit betrauen, die betreffenden Vorschläge und die Entwürfe neuer Rechtsvorschriften bei den sozialen und wirtschaftlichen Organisationen und den Verbraucherorganisationen für Finanzdienstleistungen auf nationaler Ebene zu verbreiten.
1.7 Die USA haben mit der Verabschiedung des Dodd-Frank Act, des Gesetzes zur Regulierung der US-Finanzmärkte, einen wichtigen Impuls gesetzt und die Voraussetzungen für eine stärkere globale Konvergenz geschaffen. Für viele Fragen wird nur der Regulierungsrahmen vorgegeben und die endgültige Aufstellung der Regeln den zuständigen Behörden oder späteren Durchführungsbestimmungen überlassen, während die Europäische Kommission einzelne Rechtsetzungsmaßnahmen bereits im Detail vorschlägt. Am Ende sollten die Ziele auf beiden Wegen erreicht werden.
1.8 Der EWSA begrüßt einige innovative Weichenstellungen in der US-amerikanischen Regelung und empfiehlt der Kommission die eingehende Prüfung des Vorschlags, eine Verbraucherschutzbehörde für Finanzdienstleistungen einzurichten. Nach Auffassung des EWSA sollte indes geprüft werden, ob eine solche Behörde nicht vielmehr eine unabhängigere Stellung erhalten sollte.
1.9 Interessant und prüfenswert sind auch die Beschlüsse der USA zum Umgang mit systemrelevanten Finanzinstituten, die als zu groß gelten, um zu scheitern (too big to fail), was dazu führen kann, dass sie beim Risikomanagement ein moralisches Wagnis (moral hazard) eingehen. Der EWSA fordert die Kommission auf, die mögliche Anwendung ähnlicher Maßnahmen, die durchgreifende und abschreckende Wirkungen auf unvorsichtige und besonders risikobehaftete Verhaltensweisen mancher Manager von Finanzinstituten zu haben scheinen und die für die Durchsetzung eines besseren Risikomanagements in den Finanzinstituten zweckmäßig sein können, genau abzuwägen.
1.10 Der gesamte Prozess der Aktualisierung der Rechtsvorschriften sollte bis Ende 2011 abgeschlossen sein, damit sie ab 2013 ihre volle Wirkung entfalten kann. Das kann gelingen, wenn keine Probleme auftreten und der Fahrplan von allen eingehalten wird. Der EWSA vermutet und befürchtet allerdings, dass das nicht der Fall sein könnte. Die Kommission sollte das Europäische Parlament und den Rat auffordern, alle Rechtsakte zur Regulierung der Finanzmärkte so zügig wie möglich zu behandeln. Bereits bei Ausbruch der Finanzkrise 2007 offenbarte sich die Notwendigkeit, sich ernsthaft mit der Reglementierung der Märkte zu befassen. Der Strudel, in den viele Unternehmen hineingezogen und durch den sie in den Ruin getrieben wurden, verschlang über 2 000 Mrd. Dollar und mindestens 30 Mio. Arbeitsplätze, zu denen laut Prognose des IWF-Direktors weitere 400 Mio. hinzukommen dürften. Allein in der Finanzbranche haben weltweit mindestens 500 000 Menschen ihre Arbeit verloren, und andere verlieren sie jetzt noch oder werden sie verlieren.
1.11 Der EWSA fordert eine starke, umfassende, effiziente und ausgewogene Regulierung. Zur Vermeidung negativer Auswirkungen empfiehlt der EWSA, die Regulierungsmaßnahmen in ihrer Gesamtheit in Bezug auf die notwendigen Maßnahmen für das Finanzsystem und den Kapitalmarkt genau zu untersuchen. Ein stabiles und effizientes System sollte für Finanzstabilität und Liquidität für die Realwirtschaft sorgen.
1.12 Die Zivilgesellschaft muss auf europäischer und nationaler Ebene bei den Behörden und öffentlichen Instanzen weiterhin darauf dringen, die Annahme der neuen Rechtsvorschriften im Finanzbereich zügig zum Abschluss zu bringen. Die Kommission könnte den EWSA beauftragen, mittels öffentlicher Maßnahmen vor Ort und unter Einbeziehung der Sozialpartner, der Wirtschaft und der Organisationen von Verbrauchern und Finanzdienstleistungsnutzern in den Mitgliedstaaten allgemein publik zu machen, dass zügige und umfassende Entscheidungen zur Finanzmarktordnung getroffen werden müssen.
2. Wesentlicher Inhalt des Kommissionsdokuments
2.1 In ihrer Mitteilung „Regulierung der Finanzdienstleistungen für nachhaltiges Wachstum“ erläutert die Kommission die erreichten Ziele sowie den Fahrplan für künftige Rechtsetzungsmaßnahmen und legt die vier Hauptgrundsätze ihres Vorgehens dar: Transparenz, wirksame Aufsicht, größere Krisenfestigkeit und Finanzmarktstabilität sowie Verbraucherschutz.
2.2 „Ein sichereres, solideres, transparenteres und verantwortlicheres Finanzsystem, das für die Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt arbeitet und in der Lage ist, die Realwirtschaft zu finanzieren, ist eine Voraussetzung für nachhaltiges Wachstum. Es bildet die wesentliche Ergänzung zu den Anstrengungen, die Europa zur Konsolidierung der öffentlichen Finanzen und Durchführung von Strukturreformen unternimmt und die zur Entstehung einer kraftvollen, dynamischen Wirtschaft beitragen werden.“ Dies sind die Leitlinien, denen die Kommission bei ihrer Rechtsetzung folgt.
2.3 In diesem Dokument lässt die Kommission die Etappen Revue passieren, die seit der großen Krise vom September 2008 zur Schaffung eines neuen, strukturierten Regulierungsrahmens geführt haben.
2.4 Bereits im November 2008 wurde eine Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz von Jacques DE LAROSIÈRE eingesetzt und es wurden einige Dringlichkeitsmaßnahmen wie die Überarbeitung der Eigenkapitalrichtlinie und der Richtlinie über Einlagensicherungssysteme ergriffen. Außerdem wurde eine Verordnung über Ratingagenturen angenommen und es wurden zwei Empfehlungen zu Grundsätzen der Vergütungspolitik vorgelegt.
2.5 Die Kommission nahm auf der Grundlage des von der Arbeitsgruppe vorgelegten Berichts eine Reihe von Vorschlägen an, von denen zurzeit noch viele in den politischen Organen der Union - Rat und Parlament - verhandelt werden.
2.6 Die Kommission wünscht sich ein koordiniertes Engagement bei der Rechtsetzung um sicherzustellen, dass alle vorgeschlagenen Rechtsvorschriften bis Ende 2012 fertiggestellt und in nationales Recht umgesetzt werden.
3. Bemerkungen des EWSA
3.1 Der EWSA hat seine Auffassung zu den von der Kommission geplanten Maßnahmen, beginnend mit dem von der de-Larosière-Gruppe empfohlenen Paket und später zu einzelnen Rechtsvorschriften, in mehreren Stellungnahmen dargelegt.
3.2 Die Empfehlungen und Bemerkungen des Ausschusses wurden in vielen Fällen übernommen, und das Endergebnis, das daraus hervorging, erscheint angemessen und ausreichend: Doch genügt das alles, um das Vertrauen in die Märkte und Aufsichtsorgane - aber ebenso in die Behörden, die, in der Überzeugung, der Markt werde sich schon selbst regulieren, in der Vergangenheit gewissermaßen ein ultraliberales Modell unterstützt haben - wiederherzustellen? Dieser Illusion fielen nicht nur die meisten Mitgliedstaaten, sondern auch hochrangige Persönlichkeiten der Europäischen Kommission zum Opfer. Die Märkte sind anfällig für irrationale Schwankungen zwischen Risikoscheu und Risikobereitschaft. Die schwierige Aufgabe besteht darin, diese Schwankungen zu dämpfen, ohne die Märkte abzuwürgen.
3.3 Mit dieser Mitteilung bekennt sich die Kommission indirekt zu den Fehlern der Vergangenheit - Fehler, die der EWSA prompt aufgezeigt hatte - und entwirft einen vorbildlichen und im Wesentlichen vollständigen Fahrplan für die Neugestaltung der Regulierungsarchitektur zur Beaufsichtigung, Stabilität und Transparenz der Märkte. Das sind wichtige Arbeiten, deren hohe Qualität der Ausschuss gern anerkennt.
3.4 Das Europäische Parlament hat viel für die Verschärfung und Verbesserung der vorgeschlagenen Rechtsvorschriften getan, wobei es in einigen Fällen dieselben Änderungen wie der Ausschuss unterstützte. Dies führte zu Verordnungen und Richtlinien, die wirksam und kohärent erscheinen.
3.5 In der Anwendungsphase treten jedoch einige Probleme auf. So kommt es z.B. bei der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) darauf an, die Besonderheiten beider Bereiche anzuerkennen und zu schützen. Insbesondere müssen der Bereich der zusätzlichen Altersversorgung und die Versicherungsbranche unbedingt auf eine Stufe gestellt werden.
3.6 Der Rat hat wider Erwarten eine weniger positive Rolle gespielt, sodass die Kommission gezwungen war, einige gute Vorschläge wie z.B. bezüglich der Aufsichtsbehörden zu revidieren. Dank der Arbeit von Parlament und Kommission wurde letzten Endes ein tragfähiger Kompromiss erzielt, doch hätte ohne das wechselseitige Einlegen von Vetos gegen die einzelnen Maßnahmen die Möglichkeit bestanden, bessere Ergebnisse zu erreichen und früher zum Ziel zu gelangen.
3.7 Wurde aber wirklich alles Notwendige getan, und wurde es rechtzeitig getan?
3.8 Die USA haben mit dem am 21. Juli 2010 erlassenen Dodd-Frank Act (2) umfassender und schneller auf die Regulierungs- und Schutzbedürfnisse der schwächsten Marktakteure, nämlich der Verbraucher, reagiert. Offensichtlich müssen der schwerfälligere Beschlussfassungsprozess in Europa und auch die Tatsache berücksichtigt werden, dass die europäischen Rechtsvorschriften mehr ins Detail gehen, während in dem US-amerikanischen Gesetz diesbezüglich auf spätere Maßnahmen und Regelungen verwiesen wird. Wichtig ist, dass die Verfahren in ausgewogener Weise und in einem ähnlichen Zeitrahmen vorankommen, um eine in sich schlüssige Antwort auf die Finanzmarktreform geben zu können.
3.9 Bei der Betrachtung der Kommissionsvorschläge wird der EWSA die beiden Regelwerke miteinander vergleichen, die unterschiedlichen Antworten, die auf die einzelnen Fragen gegeben werden, bewerten und die Möglichkeit prüfen, ob einige Aspekte des US-Ansatzes nutzbringend in unsere Regelung übernommen werden können.
3.10 Ein Beispiel, das genauer untersucht werden muss, ist die Einrichtung einer zentralen Verbraucherschutzbehörde (Bureau of Consumer Financial Protection) auf Bundesebene. Der EWSA fordert die Kommission auf, eingehend zu prüfen, ob eine ähnliche Behörde in der europäischen Rechtsordnung geschaffen werden kann.
3.10.1 In den USA wird die vorgesehene Behörde unter dem Dach der Federal Reserve geschaffen und mit umfangreichen Befugnissen ausgestattet, die einen Großteil der bislang von anderen Regulierungsbehörden erfüllten Aufgaben gemäß den Verbraucherschutzvorschriften zusammenfassen werden. Bei Intermediären mit Vermögenswerten von über 10 Mrd. US-Dollar wird die Behörde die Einhaltung der Regeln allein überwachen, während sie ihre Aufsichtsbefugnisse bei Intermediären, deren Vermögenswerte unter 10 Mrd. US-Dollar betragen, mit den anderen Behörden gemeinsam wahrnehmen wird.
3.10.2 Nach Ansicht des EWSA sollten hauptsächlich folgende Fragen geprüft werden:
— |
In den USA ist die Verbraucherschutzbehörde innerhalb der Federal Reserve angesiedelt. Das kann zwar durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sein, die Verwaltungskosten der Behörde niedrig zu halten, könnte jedoch deren Eigenständigkeit und Unabhängigkeit beeinträchtigen. Nach Auffassung des EWSA sollte deshalb geprüft werden, ob eine solche Behörde nicht eine unabhängigere Position haben sollte. |
— |
Die Befugnisse der Behörde könnten unter gewissen Umständen mit denen der Aufsichtsbehörde für Finanzintermediäre kollidieren. Es muss bereits im Vorfeld eine Prioritätenhierarchie festgelegt werden, die dazu beiträgt, etwaige Kontroversen einzudämmen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Stabilität der Intermediäre und der Märkte zwar ein ganz wichtiges Thema ist, dies aber ebenso für den Schutz der Kleinanleger gilt. Das Erfordernis des Anlegerschutzes darf keinem anderen Grundsatz untergeordnet werden. Wachstum kann nämlich nur dann als nachhaltig bezeichnet werden, wenn die Bedürfnisse und der Schutz der schwächsten Individuen in den Mittelpunkt gestellt werden. |
— |
Der Schwerpunkt muss eher auf den Finanzdienstleistungen und -produkten als nur auf den Finanzinstituten liegen. Die Behörde muss ihren eigenen gerichtlichen Zuständigkeitsbereich haben und immer einschreiten dürfen, wenn Finanzdienstleistungen oder -produkte der Öffentlichkeit angeboten werden - auch wenn dabei nicht vornehmlich Finanzintermediäre, die bereits anderen Aufsichtsformen unterliegen, beteiligt sind. |
3.11 Ein weiterer wichtiger Punkt, auf den näher eingegangen werden muss, ist das Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des moralische Risikos im Zusammenhang mit Finanzinstituten, die zum Scheitern zu groß sind (too big to fail). Der US-amerikanische Gesetzgeber hat in diesem Bereich einschneidende und tiefgreifende Entscheidungen getroffen: Eingeführt wurden die Möglichkeit, vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen und den Verkauf von Unternehmensteilen anzuordnen, um systemische Risiken zu vermeiden, sowie die Pflicht zur Aufstellung von Abwicklungsplänen für Mischkonzerne mit vielfältigen Tätigkeiten oder mit Dimensionen, die jedes Eingreifen erschweren. Beteiligungen in anderen Ländern sollen ebenfalls diesen Regelungen unterworfen sein, weshalb die Aktivitäten einiger wichtiger Unternehmen mit Sitz in der EU betroffen sein werden.
3.11.1 Die Einrichtung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB) geht in dieselbe Richtung. Es ist in vielerlei Hinsicht zu begrüßen, dass die Macht der Konzerne eingeschränkt werden soll. Eine solche Einschränkung verringert nicht nur das systemische Risiko, indem sie strauchelnden Banken die Möglichkeit gibt, in Konkurs zu gehen, sondern würde außerdem den Wettbewerb fördern, mit dem wiederum die Zinssätze unter Kontrolle gehalten und den Kunden der Zugang zu Krediten erleichtert würden. Diese Überlegungen waren schon früher bekannt und hätten wahrscheinlich von den Regulierungsbehörden vertieft werden müssen, vor allem unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Finanzgeschäfts, das nicht einmal den physischen Sachzwängen unterliegt, wie sie in der Produktion bestehen.
3.11.2 Obwohl die Größe einen äußerst wichtigen Aspekt darstellt, ist zu berücksichtigten, dass die Systemrelevanz eines Intermediäres nicht nur von seiner Größe abhängt, sondern auch von seinen Funktionen innerhalb des Systems, von seiner Unersetzlichkeit sowie vom Verflechtungsgrad des Konzerns auf nationaler und internationaler Ebene. Einige Intermediäre könnten trotzt ihrer übermäßigen Größe gemeinsam Bankrott gehen, weil sie denselben Risiken ausgesetzt sind.
3.11.3 Der EWSA betont, dass ein ausgewogener Ansatz für die Finanzmarktregulierung erforderlich ist. Er unterstreicht, dass eine strengere Regulierung der Finanzinstitute auf lange Sicht erhebliche Vorteile in Form von Finanzmarktstabilität, Wirtschaftswachstum und Effizienz der Realwirtschaft bietet.
3.12 Zu den in der neuen US-Finanzmarktregelung enthaltenen Maßnahmen gehören: ein hochentwickeltes Frühwarnsystem für große systemische Risiken, die Regulierung des Nicht-Banken-Sektors, die Einrichtung eines Rates zur Beaufsichtigung der Finanzstabilität, wirksame gesetzliche Regelungen für Kreditratingagenturen (CRA), Transparenzanforderungen und Zuverlässigkeitsgarantien für unkonventionelle Instrumente, einschließlich der OTC-Märkte (Over the Counter Markets), sowie Verbriefungen mittels Asset-Backed Securities (ABS) und Hedgefonds.
Der erste Schritt der Europäischen Union in Reaktion auf die Krise war es, die Notwendigkeit einer internationalen Koordinierung zu betonen - einer wesentlichen Voraussetzung für die Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen auf internationaler Ebene.
3.13 Es stellt sich die Frage, ob die Behörden der einzelnen Staaten insgesamt homogene und kohärente Antworten bereithalten, wo doch eines der größten Probleme durch die Regulierungsunterschiede zwischen den verschiedenen Finanzmärkten verursacht wurde.
3.14 Die Europäische Union sollte jedwede weitere Verzögerung bei der Vollendung der Reformen vermeiden, die ab 2013 in nationales Recht umgesetzt sein sollen, um die Unternehmen und das europäische Finanzsystem nicht zu benachteiligen. Dieses erweckt wegen der unterschiedlichen Regelungen in den Mitgliedstaaten und der Ineffizienz des Gesetzgebungsmodells bei ausländischen Investoren den Eindruck, es werde nicht wirksam gesteuert.
3.15 Trotz aller Bemühungen der Kommission um eine einheitliche Regelung für den Binnenmarkt wird die Verwirklichung eines effektiven und weitreichenden europäischen Aufsichtssystems durch starke wirtschaftliche und politische Interessen zunehmend erschwert.
3.16 Der EWSA hat erst vor Kurzem wieder darauf hingewiesen, dass der Rechts- und Regulierungsrahmen rasch verbessert werden muss, und er unterstützt die entsprechenden Bemühungen der Kommission. Die Zivilgesellschaft muss auf europäischer und nationaler Ebene bei den Behörden und öffentlichen Instanzen weiterhin darauf dringen, die Annahme der neuen Rechtsvorschriften im Finanzbereich zügig zum Abschluss zu bringen. Der EWSA hat sowohl unmittelbar als auch über die Organisationen, denen seine Mitglieder angehören und die eine umsichtige und bewusste Debatte in den Mitgliedstaaten anstoßen sollten, eine wichtige Rolle wahrzunehmen. Die Zukunft einer neuen nachhaltigen Wirtschaft und von Finanzmärkten, die auf eine ausgewogene Entwicklung und nachhaltiges Wachstum ausgerichtet sind, wird weitgehend von der Qualität der Vorschriften für den Finanzsektor abhängen. Es bedarf besserer und strengerer Vorschriften für einen Markt, der wieder zur Geschäftsethik als Leitstern seines Handelns zurückfinden muss.
4. Besondere Bemerkungen
4.1 Die Mitteilung trifft keine Aussage zur Einbeziehung der Beteiligten in das Folgenabschätzungsverfahren oder zu den ergriffenen Maßnahmen, sofern überhaupt geschehen. Doch wer sind die Beteiligten? Wird dabei auf die übliche, auf elektronischem Wege durchgeführte Konsultation Bezug genommen, an der sich sicherlich die Unternehmen und einige Sachverständigengruppen (die ausnahmslos von der Finanzwirtschaft ernannt werden), jedoch nur am Rande Arbeitnehmer und Verbraucher beteiligt haben? Falls dem so ist, besteht noch keine richtige Balance zwischen den unterschiedlichen Interessen, die von Anfang an in den Reformprozess einbezogen werden müssen.
4.2 Der EWSA legt der Kommission nahe, den Anliegen der Zivilgesellschaft und ihrer wirklichen Beteiligung mehr Beachtung zu widmen. Der EWSA fordert die Kommission auf, ihre Ressourcen wirksamer dafür einzusetzen, um eine bessere internationale Abstimmung zwischen den demokratischen Einrichtungen in allen Mitgliedstaaten der zu erreichen. Es bedarf eines soliden, angemessen finanzierten Programms, damit die Unionsbürger einbezogen und über einige schwierige, gleichwohl notwendige Veränderungen informiert werden können.
4.3 Die kumulativen Auswirkungen der verschiedenen Rechtsetzungsinitiativen werden nicht klar aufgezeigt, nicht zuletzt, weil die Maßnahmen nicht im Zusammenhang erörtert werden und einige (Basel III, künftige internationale Rechnungslegungsstandards) von Dritten wie dem Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht und dem IASB (3) angenommen werden.
4.4 Der EWSA fordert eine starke, umfassende, effiziente und ausgewogene Regulierung. Zur Vermeidung negativer Auswirkungen empfiehlt der EWSA, die Regulierungsmaßnahmen in ihrer Gesamtheit in Bezug auf die notwendigen Maßnahmen für das Finanzsystem und den Kapitalmarkt genau zu untersuchen. Ein stabiles und effizientes System sollte für Finanzstabilität und Liquidität für die Realwirtschaft sorgen. Die Kommission steht vor der schwierigen Aufgabe, vor dem Hintergrund der umfassenden Überarbeitung der Gesamtarchitektur der Marktregulierung nach dem optimalen Gleichgewicht zwischen aufsichtsrechtlichen Maßnahmen, höheren Kapitalanforderungen, besserer Risikodeckung und -einstufung und wirtschaftlicher Entwicklung zu suchen. Dies muss in einer Situation erfolgen, in der die Finanz- und Wirtschaftskrise durch die Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen erheblich verschärft wurde.
4.5 Der EWSA ersucht die Kommission, sich verstärkt um eine Abstimmung mit den Behörden der wichtigsten Staaten, insbesondere mit den G20-Ländern, zu bemühen.
4.6 Laut Kommission müssen bis Ende des Jahres noch 30 neue Legislativvorschläge erörtert und angenommen werden, obwohl sie noch nicht auf der Agenda des Europäischen Parlaments stehen. Der EWSA ist zutiefst besorgt und hegt ernste Bedenken, dass das Programm wirklich vollendet werden kann. Die nächsten beiden EU-Ratsvorsitze werden eine sehr komplizierte Aufgabe zu erfüllen haben, und die Rolle des Präsidenten der Union, der die Kontinuität und Effizienz der Maßnahmen sicherstellen sollte, muss erst noch an Gewicht gewinnen. Die Kommission sollte das Europäische Parlament und den Rat auffordern, die schon viel zu lange erwarteten Maßnahmen zur Regulierung der Märkte zügig anzugehen.
4.7 Der EWSA ist bereit, die Kommission bei diesem Prozess zu unterstützen und durch seine Stellungnahmen sowie eine kontinuierliche und direkte Konsultation zur besseren Rechtsetzung beizutragen. Die Kommission könnte den EWSA damit beauftragen, durch öffentliche Maßnahmen vor Ort und unter Einbeziehung der Sozialpartner, der Wirtschaft und der Organisationen von Verbrauchern und Finanzdienstleistungsnutzern in den Mitgliedstaaten allgemein publik zu machen, dass zügige und umfassende Entscheidungen zur Finanzmarktordnung getroffen werden müssen. Der EWSA kann zusammen mit dem Netz der nationalen und internationalen Wirtschafts- und Sozialausschüsse wesentlich zum positiven Verlauf des Prozesses beitragen, indem er sich gezielt bemüht,
— |
dass die Problematik im Brennpunkt des Interesses bleibt, |
— |
die europäische und internationale Koordinierung zu stärken, |
— |
die in der europäischen Debatte erörterten Vorschläge zu verbreiten, |
— |
seine Erfahrungen und Kompetenzen einzubringen. |
Brüssel, den 16. Februar 2011
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Staffan NILSSON
(1) Dominique Strauss-Kahn, Agadir, 1. November 2010.
(2) Pub.L. 111-203, H.R. 4173.
(3) International Accounting Standards Board.
6.4.2011 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 107/26 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2000/25/EG hinsichtlich der Vorschriften für gemäß dem Flexibilitätssystem in Verkehr gebrachte Motoren“
(KOM(2010) 607 endg. — 2010/0301 (COD))
2011/C 107/05
Alleinberichterstatter: Virgilio RANOCCHIARI
Das Europäische Parlament und der Rat beschlossen am 10. November 2010 bzw. am 24. November 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2000/25/EG hinsichtlich der Vorschriften für gemäß dem Flexibilitätssystem in Verkehr gebrachte Motoren“
KOM(2010) 607 endg. — 2010/0301 (COD).
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 1. Februar 2011 an.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 469. Plenartagung am 16./17. Februar 2011 (Sitzung vom 16. Februar) mit 144 Ja- Stimmen bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) ist davon überzeugt, dass die Reduzierung der schädlichen Kohlenmonoxid-, Stickstoffoxid-, Kohlenwasserstoff- und Partikelemissionen aus Motoren in land- und forstwirtschaftlichen Zugmaschinen als Beitrag zur Erreichung der von der EU festgelegten Luftqualitätsziele unerlässlich ist. |
1.2 |
Ebenso ist der EWSA überzeugt, dass - vor allem in einer Zeit der weltweiten Finanz-, Wirtschafts- und Beschäftigungskrise - in der europäischen Industrie, die land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen herstellt, die erforderliche Flexibilität gewährleistet werden muss, um die Entwicklung neuer Zugmaschinen ohne übermäßige finanzielle Belastungen zu ermöglichen, die bei der derzeitigen Konjunktur untragbar wären. |
1.3 |
Folglich befürwortet der EWSA den Vorschlag der Kommission, den prozentualen Anteil im Rahmen des Flexibilitätssystems von ursprünglich 20 % auf 50 % zu erhöhen und die speziell für kleine und mittlere Unternehmen festgelegte feste Anzahl proportional anzupassen. |
1.4 |
Der EWSA ist zwar der Auffassung, dass das Ausmaß der Umweltauswirkungen der erhöhten Flexibilität nicht von der Geltungsdauer des Flexibilitätssystems abhängt, empfiehlt aber dennoch, für bislang unbefristete Stufen eine feste Frist vorzusehen. Hält es aus diesem Grund für notwendig, für die Stufe III B und die darauf folgenden Stufen für alle Leistungskategorien eine einheitliche Geltungsdauer festzulegen, die entweder drei Jahre betragen oder der Geltungsdauer der jeweiligen Stufe entsprechen sollte - je nachdem, welcher Zeitraum kürzer ist. |
1.5 |
Nach Ansicht des Ausschusses sind die Anpassungsmechanismen und die Umsetzungsfristen für den Übergang von einer zur nächsten Stufe für die KMU besonders belastend und aufwändig, da die für die Umrüstung der land- und forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf die neuen Motoren voraussichtlich anfallenden Kosten und vor allem die FTE-Kosten sowie die für die Konformitätsbewertung anfallenden Kosten für kleinere Unternehmen natürlich eine deutlich größere Belastung darstellen als für große Industrieunternehmen. |
1.6 |
Folglich unterstützt der EWSA den Vorschlag, ausschließlich den KMU die Option vorzubehalten, eine feste Anzahl von Motoren in Verkehr zu bringen, die den Anforderungen der jeweiligen Stufe nicht genügen müssen. |
1.7 |
Nach Meinung des EWSA ist die Förderung gemeinsamer Bemühungen auf europäischer und internationaler Ebene zur Ausarbeitung einheitlicher und allgemein anerkannter technischer Standards wichtig, um weltweit den Handel in diesem Sektor voranzutreiben und die in der EU geltenden Emissionsgrenzwerte immer stärker mit den in Drittstaaten angewandten oder vorgesehenen Grenzwerten in Einklang zu bringen. |
1.8 |
Der EWSA ist davon überzeugt, dass die UN-Wirtschaftskommission für Europa insbesondere im Rahmen des globalen Übereinkommens von 1998 am besten in der Lage ist, diesen Bemühungen um eine Harmonisierung gerecht zu werden. |
1.9 |
Der EWSA bekräftigt die Notwendigkeit, die Emissionen von land- und forstwirtschaftlichen Zugmaschinen im Echtbetrieb zu überwachen, anstatt sie lediglich auf dem Prüfstand einer theoretischen Kontrolle zu unterziehen, und ruft die Europäische Kommission auf, so bald wie möglich Vorschläge für Prüfverfahren zur Kontrolle der Zugmaschinen „im Betrieb“ (in service conformity) zu unterbreiten. |
1.10 |
Nach Auffassung des EWSA spielen elektronische Systeme bei der Überwachung der Funktionsweise von Motoren und von Nachbehandlungssystemen, die für die Erreichung der festgelegten Umweltziele erforderlich sind, eine wesentliche Rolle. |
1.11 |
Folglich schlägt der EWSA vor, dass die Europäische Kommission Bestimmungen erlässt, in deren Rahmen zum einen jegliche Manipulation der Überwachungssoftware unterbunden wird, und zum anderen Mechanismen eingeführt werden, mit denen die Leistung der landwirtschaftlichen Zugmaschinen eingeschränkt wird, sollten die Nachbehandlungssysteme nicht ordnungsgemäß instand gehalten werden. |
2. Einleitung
2.1 |
Die Richtlinie 2000/25/EG gilt für Motoren mit Kompressionszündung und einer Leistung von 18 kW bis 560 kW, die für den Einbau in land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen bestimmt sind. Darin werden die Grenzwerte für Kohlenstoffmonoxid-, Stickstoffoxid-, Kohlenwasserstoff- und Partikelemissionen festgelegt. Es werden nach einem Stufenplan mit bestimmten Fristen immer strengere zulässige Höchstgrenzen für Abgas- und Partikelemissionen vorgesehen. Die nächsten bereits festgelegten Stufen sind die Stufe III B (Beginn: 1. Januar 2011) und die Stufe IV (Beginn: 1. Januar 2014). Für Motoren mit einer Leistung von 37 kW bis 56 kW wurden in Bezug auf die Stufe IV keine Anforderungen festgelegt. Für alle leistungsstärkeren Motoren sind nach der Stufe IV noch keine weiteren Stufen vorgesehen. Da davon ausgegangen wird, dass die Geltungsdauer einer Stufe von dem Zeitpunkt, ab dem die Erfüllung ihrer Anforderungen verbindlich wird, bis zum Inkrafttreten der nächsten Stufe reicht, kann behauptet werden, dass einige Stufen (in Bezug auf bestimmte Leistungskategorien) derzeit zeitlich unbefristet sind. |
2.2 |
Die Rechtsvorschriften bezüglich der Abgasemissionen aus Motoren in land- und forstwirtschaftlichen Zugmaschinen wurden 2005 geändert. In dieser Änderung wurde ein Flexibilitätssystem eingeführt, das die Annahme sehr ehrgeiziger und kurzfristig einzuführender Emissionsgrenzwerte ermöglichte, die den in den USA geltenden Werten entsprechen. Darüber hinaus wurden darin zumindest teilweise und in vereinfachter Form Flexibilitätsmechanismen eingeführt, die mit den Rechtsvorschriften zur Begrenzung der Belastung der Human- und Finanzressourcen der Hersteller im Einklang stehen. In anderen Vorschriften, wie den in China, Indien und Brasilien für den Sektor geltenden Vorschriften, sind keine derartigen Mechanismen vorgesehen, doch sind die Umsetzungsfristen bedeutend länger. |
2.3 |
Im Rahmen des von der EU festgelegten Systems darf ein Hersteller von land- und forstwirtschaftlichen Zugmaschinen während der Geltungsdauer einer Stufe bei seinen Motorenzulieferern eine begrenzte Anzahl an Motoren erwerben, die noch den Grenzwerten der vorhergehenden Stufe entsprechen. Die Zahl der Motoren wird zum Zeitpunkt der Beantragung auf der Grundlage der folgenden beiden Kriterien einmalig festgelegt:
Die Anzahl der Motoren, die unter das Flexibilitätssystem fallen werden, ist somit unabhängig von der Dauer des Flexibilitätssystems. |
2.4 |
Im Sinne einer durchaus sinnvollen Vereinfachung der Rechtsvorschriften wurden unlängst in der Richtlinie 2010/26/EU der Kommission vom 31. März 2010 zur Änderung der Richtlinie 97/68/EG betreffend die Emission aus Verbrennungsmotoren für mobile Maschinen und Geräte u.a. die administrativen Antrags- und Prüfverfahren im Rahmen des Flexibilitätssystems beschleunigt. |
2.5 |
In dem vorliegenden Vorschlag nimmt die Europäische Kommission den beträchtlichen Mehraufwand für die Hersteller zur Kenntnis, der sich vor allem aus der im Rahmen der Stufe III B vorgeschriebenen generellen Einführung von Systemen zur Nachbehandlung der Abgase aus Motoren ergibt. Diese Technologien sind in Bezug auf den Schwerverkehr zwar bereits bekannt und werden dementsprechend angewandt, müssen aber nunmehr umfassend angepasst werden, um den strengen Auflagen für den Betrieb von land- und forstwirtschaftlichen Zugmaschinen Rechnung zu tragen. Auch die Konstruktion der Zugmaschinen muss im Hinblick auf die Systeme zur Nachbehandlung vollständig überarbeitet werden. |
2.6 |
Andererseits wurde die Zugmaschinen herstellende europäische Industrie 2009 hart von den Folgen der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise getroffen, die zwar statistisch gesehen bereits die ersten Anzeichen eines Aufschwungs zeigt, auf die Gesellschaft und die Beschäftigung aber nach wie vor beträchtliche Auswirkungen hat. |
2.7 |
Der Vorschlag zur Lockerung des Flexibilitätssystems betrifft ausschließlich die Stufe III B, die zeitlich mit der schwierigsten Phase der weltweiten Krise zusammenfällt. |
2.8 |
In ihrem Vorschlag setzt die Kommission für das Flexibilitätssystem der Stufe III B eine feste Frist, was dem Grundsatz der gestaffelten Einführung der Stufen je nach Leistungskategorie der Motoren widerspricht. |
2.9 |
Obgleich es auf der einen Seite vernünftig ist, in Bezug auf die Leistungskategorien mit unbegrenzter Geltungsdauer (siehe Ziffer 2.1), also jene ohne ein festgelegtes Enddatum, das Flexibilitätssystem zu befristen, ist auf der anderen Seite eine uneinheitliche und zwischen drei Jahren und nur einem Jahr variierende Geltungsdauer bei den anderen Leistungskategorien nicht zweckmäßig. Begründet wird diese Entscheidung normalerweise mit der Reduzierung der Umweltauswirkungen. In Wirklichkeit wird aber die Gesamtzahl der unter das Flexibilitätssystem fallenden Motoren zu Beginn festgelegt, und zwar entweder in (prozentualer) Abhängigkeit vom Durchschnitt der durch den Hersteller in den Jahren vor der Antragstellung getätigten Verkäufe oder in Form einer festgelegten Höchstmenge, die ungeachtet der variierenden Dauer des Systems unverändert bleibt. In der Regel wird ein Hersteller diese Menge beantragen, wodurch eine Bewertung der Umweltauswirkungen der Maßnahme ermöglicht wird. Die Dauer des Flexibilitätssystems hat also keinerlei Auswirkungen auf die Umwelt, denn die Menge der Motoren, die nicht den Anforderungen der jeweiligen Stufe genügen müssen, steht bereits im Vorfeld fest. |
2.10 |
Um ungerechtfertigte Unterschiede zwischen den verschiedenen Leistungskategorien zu vermeiden, sollte eine einheitliche Geltungsdauer des Flexibilitätssystems für alle Motorenkategorien festgelegt und dieser Ansatz im Rahmen einer Änderung des Kommissionsvorschlags auf alle Stufen ausgedehnt werden, für die kein Zeitrahmen vorgeschrieben ist (z.B. Stufe IV). |
2.11 |
Um die Entwicklung der Industrie vor dem Hintergrund des Umweltschutzes zu sichern, muss Folgendes gewährleistet sein:
|
3. Der Vorschlag zur Änderung der Richtlinie
3.1 |
Folgende Änderungen an der Richtlinie 2000/25/EG werden vorgeschlagen: |
3.2 |
Bei Stufe III B wird eine Erhöhung der Zahl der gemäß dem Flexibilitätssystem in Verkehr gebrachten Motoren für land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen in allen Motorkategorien genehmigt. Der Prozentsatz der Motoren, die nicht den Anforderungen dieser Stufe genügen müssen, wird von 20 % auf 50 % des Jahresabsatzes an Zugmaschinen aus den Vorjahren erhöht. Als Alternative wird die feste Höchstzahl von Motoren, die im Rahmen des Flexibilitätssystems in Verkehr gebracht werden dürfen, proportional angepasst. Diese Maßnahmen laufen am 31. Dezember 2013 aus. |
3.3 |
Die vorgeschlagene Option sieht somit eine Stärkung des bestehenden Flexibilitätssystems vor. Dies wird als beste Lösung erachtet, denn dadurch wird ein Gleichgewicht zwischen den Umweltauswirkungen einerseits und dem wirtschaftlichen Nutzen durch die Einsparung von Konformitätskosten für die Anpassung des Marktes an die neuen Emissionsgrenzwerte andererseits erzielt. Es sei darauf hingewiesen, dass eine Erhöhung der Flexibilität allerdings bereits im Rahmen von Artikel 4 Absatz 8 der Richtlinie 2000/25/EG möglich war. |
4. Allgemeine Bemerkungen
4.1 |
Der EWSA stimmt dem Ansatz der Kommission zu, der auf eine größere Flexibilität bei der Einführung der verschiedenen höchstzulässigen Grenzwerte für Motoren in land- und forstwirtschaftlichen Zugmaschinen im Hinblick auf Kohlenmonoxid-, Stickstoffoxid-, Kohlenwasserstoff- und Partikelemissionen abzielt. |
4.2 |
Der EWSA befürwortet das Anliegen der Kommission, die Wettbewerbsfähigkeit und die Arbeitsplätze der land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen herstellenden europäischen Industrie vor dem Hintergrund der Folgen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise zu erhalten, zugleich aber ein hohes Umweltschutzniveau und eine hohe Lebensqualität der EU-Bürger anzustreben. |
4.3 |
Der EWSA befürwortet folglich den Vorschlag der Kommission, bei den Sektoren, die gemäß der Richtlinie über Abgasemissionen aus Motoren in land- und forstwirtschaftlichen Zugmaschinen aus dem Jahr 2000 und den anschließenden Änderungen bereits unter das Flexibilitätssystem fallen, den prozentualen Anteil der Motoren, die im Rahmen des Flexibilitätssystems in Verkehr gebracht werden dürfen, in Stufe III B auf 50 % zu erhöhen. |
4.4 |
Ganz allgemein hält der Ausschuss die Förderung gemeinsamer Bemühungen auf europäischer und internationaler Ebene zur Ausarbeitung einheitlicher und allgemein anerkannter technischer Standards für grundlegend wichtig, um den weltweiten Handel voranzutreiben und die in der EU geltenden Emissionsgrenzwerte mit den in Drittstaaten angewandten oder vorgesehenen Grenzwerten in Einklang zu bringen. In diesem Zusammenhang erscheint die UN-Wirtschaftskommission in Genf das ideale Forum. |
4.5 |
Besonderes Augenmerk sollte auf die in diesem Sektor tätigen KMU gerichtet werden. Der EWSA ist der Ansicht, dass aufgrund der Kosten für die Anpassung der Maschinen und der Motoren, die für kleinere Unternehmen immer eine deutlich größere Belastung darstellen als für große Industrieunternehmen, das Flexibilitätssystem, das die Anpassung erleichtern soll, sowie die Umsetzungsfristen und die für den Übergang von einer zur nächsten Stufe vorgesehenen Fristen für die KMU besonders belastend sind. Deshalb muss für die KMU die Option einer festgelegten Anzahl von Motoren, die nicht den Anforderungen der jeweiligen Stufe genügen müssen, vorgesehen werden. |
4.6 |
Nach Auffassung des EWSA müssen zur Verwirklichung der Ziele nicht nur strenge Grenzwerte festgelegt werden, sondern auch praxisnahe Prüfverfahren, in denen die Emissionen im Echtbetrieb ermittelt werden. Möglich wäre dies mithilfe von Verfahren zur Überwachung der Schadstoffemissionen von Motoren, die entweder von den Motorenherstellern oder von den Aufsichtsbehörden im Rahmen von Prüfverfahren zur Kontrolle der Zugmaschinen „im Betrieb“ (in service conformity) durchgeführt werden. |
4.7 |
Der EWSA ist sich bewusst, dass ehrgeizigere Grenzwerte für die Emissionsreduzierung die Einführung von Nachbehandlungssystemen voraussetzen. Diese Systeme dürfen keinesfalls manipuliert werden, und die Betreiber müssen eine entsprechende Instandhaltung sicherstellen, damit die Wirksamkeit während der gesamten vorgesehenen Betriebsdauer der Zugmaschinen gewährleistet werden kann. Andernfalls wäre der Schadstoffausstoß höher als bei Motoren, die den Grenzwerten der vorhergehenden Stufe entsprechen. Die Richtlinie sieht Mindestregeln für die Instandhaltung vor, geht jedoch in keiner Weise auf die Manipulation der Systeme und insbesondere der Betriebssoftware ein. Der EWSA empfiehlt, dass die Europäische Kommission schnellstmöglich entsprechende Bestimmungen erlässt, in deren Rahmen die Nutzung land- und forstwirtschaftlicher Zugmaschinen, deren Nachbehandlungssysteme nicht ordnungsgemäß instand gehalten werden, untersagt und verhindert wird, dass sich vom Hersteller nicht ausdrücklich ermächtigte Dritte Zugang zu Softwaresystemen verschaffen können, die das ordnungsgemäße Funktionieren des Fahrzeugs und eine angemessene Kontrolle der Emissionen gewährleisten. |
Brüssel, den 16. Februar 2011
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Staffan NILSSON
6.4.2011 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 107/30 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER)“
(KOM(2010) 537 endg. — 2010/0266 (COD))
und zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe“
(KOM(2010) 539 endg. — 2010/0267 (COD))
2011/C 107/06
Berichterstatter: Gilbert BROS
Das Europäische Parlament und der Rat beschlossen am 11. November beziehungsweise am 13. Oktober 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 42, Artikel 43 Absatz 2 und Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER)“
KOM(2010) 537 endg. — 2010/0266 (COD).
Das Europäische Parlament und der Rat beschlossen am 11. November beziehungsweise am 19. Oktober 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 42, Artikel 43 Absatz 2 und Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe“
KOM(2010) 539 endg. — 2010/0267 (COD).
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 3. Februar 2011 an.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 469. Plenartagung am 16./17. Februar 2011 (Sitzung vom 16. Februar) mit 96 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 |
Im Rahmen der Anpassung der Verordnungen Nr. 73/2009 (Direktzahlungen) und Nr. 1698/2005 (Entwicklung des ländlichen Raums) an den Vertrag von Lissabon ist geplant, das geltende Komitologieverfahren durch eine Unterscheidung zwischen delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten zu ersetzen. Der EWSA legt Wert auf Verfahren der Konsultation interessierter Kreise und Mitgliedstaaten bei der Erarbeitung gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften und spricht sich für ihre Beibehaltung aus. |
1.2 |
Die Trennlinie zwischen delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten wird vom Rat und von der Kommission unterschiedlich interpretiert. Diesbezüglich ist der EWSA der Auffassung, dass der Wahl des betreffenden Verfahrens klare Kriterien zugrunde gelegt werden müssen. |
1.3 |
Nach Ansicht des EWSA muss bei delegierten Rechtsakten die Übertragung unbedingt zeitlich genau festgelegt werden. Außerdem sollten sie auf Bereiche beschränkt bleiben, in denen rasche Entscheidungen nötig sind. |
1.4 |
Durchführungsrechtsakte sollten Fälle betreffen, in denen ein zwischen den Mitgliedstaaten abgestimmtes Vorgehen wünschenswert ist. In einigen Bereichen ist diese Harmonisierung besonders angebracht, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Der EWSA ist daher der Ansicht, dass Rechtsakte, die sich beispielsweise auf besondere Anwendungsbestimmungen für Rechtsakte der zweiten GAP-Säule beziehen oder mit der Umsetzung von Umweltmaßnahmen zusammenhängen, entgegen dem Vorschlag der Kommission als Durchführungsrechtsakte einzustufen sind. |
1.5 |
Der EWSA begrüßt es, dass die Kommission die Überarbeitung der Verordnungen für das Einfügen von Vereinfachungsmaßnahmen nutzt. Diese sind jedoch hauptsächlich administrativer Art, während sie eigentlich vor allem die Tätigkeit landwirtschaftlicher Erzeuger vereinfachen sollten. |
1.6 |
Der EWSA legt Wert darauf, dass die Mitgliedstaaten regelmäßig über Fortschritte bei der Entwicklung des ländlichen Raumes berichten. Er weist auf die Gefahr hin, dass aufgrund der reduzierten Anzahl von Berichten über die Umsetzung der Strategiepläne, die die Mitgliedstaaten der Kommission vorzulegen haben, zu diesem Thema weniger Informationen verfügbar sein werden. |
1.7 |
Der EWSA begrüßt, dass Kleinerzeuger von der Verpflichtung, sämtliche landwirtschaftlichen Betriebsflächen zu melden, befreit werden sollen. Die Schwelle von 1 Hektar könnte jedoch angehoben werden. |
1.8 |
Der EWSA unterstützt die von der Kommission vorgeschlagene Lockerung bei der landwirtschaftlichen Betriebsberatung. Durch sie wird den Mitgliedstaaten eine angemessenere Form der Beratung landwirtschaftlicher Erzeuger ermöglicht, die nicht auf den Aspekt der Auflagenbindung beschränkt bleibt. |
2. Hintergrund der Stellungnahme
2.1 |
Artikel 290 und 291 des Vertrags von Lissabon enthalten eine Neuregelung des Beschlussfassungsverfahrens zwischen der Europäischen Kommission, dem Rat und dem Europäischen Parlament hinsichtlich der Bestimmungen zur Durchführung von Rechtsakten der Union. |
2.2 |
In den Vorschlägen der Kommission zur Änderung der Verordnungen Nr. 73/2009 (Direktzahlungen) und Nr. 1698/2005 (Entwicklung des ländlichen Raums) werden zwei Arten von Änderungen zu folgenden Zwecken aufgeführt:
|
2.3 |
In den geltenden Bestimmungen gründet das Komitologieverfahren auf dem früheren Artikel 202 des EG-Vertrags: „Der Rat überträgt der Kommission in den von ihm angenommenen Rechtsakten die Befugnisse zur Durchführung der Vorschriften, die er erlässt. Der Rat kann bestimmte Modalitäten für die Ausübung dieser Befugnisse festlegen. Er kann sich in spezifischen Fällen außerdem vorbehalten, Durchführungsbefugnisse selbst auszuüben.“ |
2.4 |
Derzeit werden auf der Grundlage des sog. Komitologiebeschlusses des Rates (Nr. 1999/468) vier Arten von Ausschüssen damit befasst, zu Textentwürfen der Kommission Stellung zu nehmen:
|
2.5 |
Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon verliert der frühere Artikel 202 EGV seine Gültigkeit, und es werden zwei Arten von Rechtsakten unterschieden: delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte. |
2.6 |
Bei den delegierten Rechtsakten (Artikel 290) handelt es sich um eine neue Art von „quasi-legislativen“ Rechtsakten zur Ergänzung oder Änderung bestimmter „nicht wesentlicher“ Vorschriften des betreffenden Gesetzgebungsaktes. Die Befugnis hierfür wird der Kommission von dem für die Rechtsetzung zuständigen Organ übertragen. Ein Anwendungsakt für diesen Artikel ist nicht vorgesehen: Der Vertrag besagt lediglich, dass die Bedingungen, unter denen die Übertragung erfolgt, in den Gesetzgebungsakten ausdrücklich festgelegt werden. Erhebt das Europäische Parlament oder der Rat Einwände gegen den delegierten Rechtsakt, so tritt dieser nicht in Kraft. |
2.7 |
Bei Durchführungsrechtsakten (Artikel 291) handelt es sich um Rechtsakte, die dazu dienen, die Durchführung der verbindlichen Rechtsakte der Union zu vereinheitlichen. Sie werden von der Kommission oder - in entsprechend begründeten Sonderfällen sowie im Bereich der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) - vom Rat verabschiedet. |
2.8 |
Dies bedeutet, dass sich die Beteiligung der Mitgliedstaaten an Durchführungsbeschlüssen grundlegend ändern wird. Einerseits wird das klassische Komitologieverfahren, bei dem die Mitgliedstaaten eine Verhandlungsbefugnis haben, auf Fälle beschränkt, in denen das Bemühen um eine Angleichung der Durchführung eines Rechtsakts unter den Mitgliedstaaten unabdingbar ist. Andererseits werden andere Rechtsakte, mit denen sich derzeit die Ausschüsse (zumeist im Regelungsverfahren) befassen, zukünftig nur von der Kommission behandelt werden. |
3. Allgemeine Bemerkungen zu den Auswirkungen der Artikel 290 und 291 auf die beiden Verordnungen
3.1 |
Aufgrund der Kommissionsvorschläge ändert sich die Kompetenzverteilung zwischen Kommission, Mitgliedstaaten und Europäischem Parlament bei der Durchführung von EU-Rechtsakten maßgeblich. |
3.2 |
Dem EWSA liegt sehr daran, dass bei der Erarbeitung von EU-Gesetzestexten alle Beteiligten zurate gezogen werden. Deshalb ist es wichtig, Sachverständige aus den Mitgliedstaaten zu delegierten Rechtsakten zu konsultieren, selbst wenn sie über keine Entscheidungsbefugnis verfügen. Damit wird bereits im Vorfeld eine breitere Akzeptanz der Regelungen erreicht und dem Wiederauftreten bereits bekannter Probleme entgegengewirkt. |
3.3 |
Darüber hinaus weist der EWSA erneut auf die Bedeutung der Beratungsgremien hin, die im Dialog mit Akteuren der Zivilgesellschaft stehen, auch wenn dies nicht unter die Anpassung an den Vertrag von Lissabon fällt. Diese Gremien zum Meinungsaustausch dürfen unter keinen Umständen infrage gestellt werden, da sie wesentlich dazu beitragen, der Kommission Fachwissen und Standpunkte zu vermitteln, und bereits im Vorfeld für eine breitere Akzeptanz von in Erarbeitung befindlichen Gesetzestexten bei den Betroffenen sorgen. |
3.4 |
Hinsichtlich der Geltungsdauer einer Übertragung für delegierte Rechtsakte ist der EWSA der Ansicht, dass diese stets genau festgelegt werden sollte. |
3.5 |
Der EWSA stellt fest, dass die Trennlinie zwischen delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten vom Rat und von der Kommission unterschiedlich interpretiert wird. Diesbezüglich ist der EWSA der Auffassung, dass der Wahl des betreffenden Verfahrens klare Kriterien zugrunde gelegt werden müssen. Drei mögliche Kriterien finden sich hier unter den Ziffern 3.6, 3.7 und 3.8. |
3.6 |
Bei manchen Rechtsakten muss die Durchführung unter den Mitgliedstaaten abgestimmt werden, da eine unterschiedliche Anwendung zu Wettbewerbsverzerrungen mit äußerst schädlichen Folgen für den Binnenmarkt für landwirtschaftliche Erzeugnisse führen könnte. In einigen Bereichen ist diese Harmonisierung der Umsetzung besonders angebracht. Hier stellt sich die Frage, ob beispielsweise Rechtsakte, die sich auf besondere Bestimmungen für die Anwendung von Rechtsakten der zweiten GAP-Säule beziehen (Artikel 20 und 36 der Verordnung Nr. 1698/2005) oder mit der Umsetzung von Umweltmaßnahmen zusammenhängen (Beispiel: Artikel 38 der Verordnung Nr. 1698/2005 betreffend besondere Anwendungsbestimmungen für Zahlungen zum Ausgleich von Nachteilen, die aus der Anwendung der Rahmenrichtlinie Wasser entstehen), entgegen dem Vorschlag der Kommission nicht als Durchführungsrechtsakte eingestuft werden sollten. |
3.7 |
Bei anderen Beschlüssen könnte eine vorherige Konsultation der Mitgliedstaaten um des gegenseitigen Einvernehmens willen erforderlich sein, zumal die Kommission auf diese Weise vom Fachwissen der Mitgliedstaaten profitieren kann. Auch in diesen Fällen ist es angemessen, von Durchführungsrechtsakten zu sprechen. |
3.8 |
In manchen Bereichen hingegen ist eine rasche Beschlussfassung unverzichtbar, weil Reaktionsvermögen gefragt ist. In diesen Fällen ist die Einstufung als delegierter Rechtsakt angebracht. |
4. Besondere Bemerkungen zu den Vorschlägen für eine Vereinfachung der Verordnung Nr. 1698/2005 (Entwicklung des ländlichen Raums)
4.1 |
Die Kommission schlägt vor, die Anzahl der Berichte zu verringern, die ihr die Mitgliedstaaten bezüglich des Stands der Umsetzung der Strategiepläne vorzulegen haben. Dies könnte zwar die Verwaltungen der Mitgliedstaaten stark entlasten, doch weist der EWSA darauf hin, dass die Mitgliedstaaten weiterhin verpflichtet sein sollten, regelmäßig über den Fortgang der Umsetzung der Pläne zu berichten. |
4.2 |
Die von der Kommission vorgeschlagene erleichterte Inanspruchnahme maßgeschneiderter Beratungsdienste ist grundsätzlich eine sachdienliche Maßnahme, durch die der Zugang zu Fördermitteln vereinfacht und zugleich festgelegt wird, dass Beratungsdienste nicht unbedingt alle Aspekte der Auflagenbindung („Cross Compliance“) abdecken müssen. In der Tat ist eines der größten Hindernisse für die Entwicklung einer wirksamen Agrarberatung in der EU, dass man sich bei der Vergabe von Fördermitteln darauf beschränkt zu überprüfen, dass anderweitige Auflagen erfüllt werden. Als Folge hiervon werden Agrarberater von Landwirten oft als Kontrolleure wahrgenommen. |
4.3 |
Was die Erleichterung der Verwendung von Zahlungen der Mitgliedstaaten für die Ausweisung „ökologischer“ Verbindungsgebiete zwischen Natura-2000-Schutzgebieten betrifft, so ist der EWSA der Meinung, dass bei den konkreten vorgeschlagenen Maßnahmen auf nationaler und EU-Ebene ausdrücklich auf die Bedürfnisse prioritärer Arten und Lebensräume Bezug genommen werden sollte. |
5. Besondere Bemerkungen zu den Vorschlägen für eine Vereinfachung der Verordnung Nr. 73/2009 (Direktzahlungen)
5.1 |
Nach Ansicht des EWSA sollten die Anstrengungen zur Vereinfachung nicht nur administrative Aspekte betreffen, sondern auch auf eine Vereinfachung der Tätigkeit landwirtschaftlicher Erzeuger abzielen. |
5.2 |
In einem 2008 veröffentlichten Sonderbericht hat der Europäische Rechnungshof die Auflagenbindung von Beihilfen kritisiert und vor allem eine Vereinfachung des rechtlichen Rahmens empfohlen. Der EWSA schließt sich dieser Empfehlung ausdrücklich an. |
5.3 |
Die Kommission schlägt vor, von Betriebsinhabern mit einer Gesamtbetriebsfläche von weniger als einem Hektar keine Meldung sämtlicher landwirtschaftlichen Betriebsflächen zu verlangen. Der EWSA befürwortet diese sehr kleinen Erzeugern zugutekommende Vereinfachung, da für diese die Kontrollkosten unangemessen hoch sein können. Jedoch könnte ein höherer Schwellwert als ein Hektar angesetzt werden. |
5.4 |
Darüber hinaus ist der EWSA der Ansicht, dass die Kontrolle landwirtschaftlicher Betriebe möglichst flexibel gehandhabt werden sollte. Der Zeitpunkt einer Kontrolle und die Dauer des Aufenthalts des Kontrolleurs in dem Betrieb müssten in bestimmten Fällen der Disponibilität des Landwirts angepasst werden können. Nicht hinnehmbar ist vor allem, dass ein landwirtschaftlicher Erzeuger finanzielle Verluste erleidet, weil er wegen einer zu einem unpassenden Termin angesetzten Kontrolle zur Verfügung stehen muss. |
Brüssel, den 16. Februar 2011
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Staffan NILSSON
6.4.2011 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 107/33 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung (EU) Nr. …/… des Europäischen Parlaments und des Rates über Sondermaßnahmen im Bereich der Landwirtschaft zugunsten der Regionen in äußerster Randlage der Union“
(KOM(2010) 498 endg.)
2011/C 107/07
Berichterstatter: José María ESPUNY MOYANO
Das Europäische Parlament und der Rat beschlossen am 7. Oktober bzw. am 19. September 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 43 Absatz 2 und Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Vorschlag für eine Verordnung (EU) Nr. …/… des Europäischen Parlaments und des Rates über Sondermaßnahmen im Bereich der Landwirtschaft zugunsten der Regionen in äußerster Randlage der Union“
KOM(2010) 498 endg.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 3. Februar 2011 an.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 469. Plenartagung am 16./17. Februar 2011 (Sitzung vom 17. Februar) mit 182 gegen 9 Stimmen bei 11 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss schlägt vor, Artikel 349 AEUV in Verbindung mit Artikel 42 Absatz 1 und Artikel 43 Absatz 2 als Rechtsgrundlage zu nehmen, da die alleinige Bezugnahme auf die Artikel betreffend die GAP für den Erlass spezieller Maßnahmen für die Regionen in äußerster Randlage der Europäischen Union nicht ausreicht. |
1.2 |
Der Ausschuss spricht sich dafür aus, den Verweis auf „die Mengen“ aus Artikel 18 Absatz 2 Buchstabe e zu streichen und den Wortlaut dieser Bestimmung im Zusammenhang mit Absatz 4 dieses Artikels klarer zu fassen, um eine angemessene Flexibilität bei der Programmplanung der Maßnahmen und Aktionen zu erreichen, indem jeder Maßnahme anstelle der Mengen die entsprechende Mittelausstattung zugewiesen wird, und den Verweis auf die Höchstbeträge bei den Aktionen zu streichen, da diese auf Maßnahmenebene festgelegt werden. |
1.3 |
Der Ausschuss ist der Ansicht, dass die Flexibilität, die Madeira zur Erhaltung des Landschaftsbildes und der traditionellen Merkmale der Landbaugebiete und insbesondere zur Erhaltung der tragenden Steinmauern für den Terrassenanbau mit der Verdopplung der im Rahmen der Beihilfe der Union möglichen jährlichen Höchstbeträge im Sinne von Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1628/2005 eingeräumt wird, auf weitere Regionen in äußerster Randlage ausgeweitet werden sollte. |
1.4 |
Der Ausschuss ist der Meinung, dass unter Artikel 22 ein neuer Absatz eingefügt werden sollte, durch den Großunternehmen, die in Regionen in äußerster Randlage ansässig sind, von dem Verbot ausgenommen werden, staatliche Beihilfen für den Abschluss von Landwirtschaftsversicherungen zu beziehen. |
1.5 |
Der Ausschuss spricht sich für eine höhere Mittelzuweisung für die Bananenwirtschaft im Rahmen der POSEI-Programme (Programmes d'options spécifiques à l'éloignement et à l'insularité, Programme zur Lösung der spezifisch auf die Abgelegenheit und Insellage zurückzuführenden Probleme) aus, um die negative Wirkung der planmäßigen Senkung des Zolltarifs für die Einfuhr von Bananen in die EU auf die Einkommen der EU-Erzeuger abzufedern. |
1.6 |
Nach Auffassung des Ausschusses sollte die besondere Versorgungsregelung jeder Region auf die örtliche Agrarerzeugung abgestimmt sein, deren Entwicklung nicht durch ein zu hohes Niveau der Versorgungsbeihilfen für Produkte, die auch lokal erzeugt werden, gedämpft werden darf. |
2. Einleitung
2.1 |
Den Regionen in äußerster Randlage wird durch Artikel 349 AEUV eine Sonderbehandlung eingeräumt. Darin ist festgelegt, dass unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale und Erschwernisse dieser Regionen spezifische Maßnahmen ergriffen werden müssen, die insbesondere darauf abzielen, die Bedingungen für die Anwendung der Verträge auf diese Gebiete, einschließlich gemeinsamer Politiken, festzulegen. Gegenwärtig werden in Artikel 349 AEUV neun Regionen genannt, die zu drei Mitgliedstaaten gehören:
|
2.2 |
Im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) gibt es besondere Maßnahmen für die Regionen in äußerster Randlage, die in den POSEI-Programmen festgelegt sind. Die wichtigsten Instrumente dieser Programme sind:
|
2.3 |
Sondermaßnahmen für die Landwirtschaft der Regionen in äußerster Randlage wurden erstmals 1991 für die französischen überseeischen Departements (POSEIDOM) und 1992 für die Kanarischen Inseln (POSEICAN) sowie die Azoren und Madeira (POSEIMA) beschlossen. 2001 wurden die POSEI-Regeln überarbeitet. Im Zuge dieser Überarbeitung wurden die besondere Versorgungsregelung und insbesondere die Berechnung der entsprechenden Beihilfen verändert. Zudem wurden im Rahmen der Reform neue Maßnahmen zur Unterstützung der örtlichen Erzeugung und Änderungen an den bereits in Kraft gesetzten Maßnahmen beschlossen. |
2.4 |
2006 wurde das POSEI-System von Grund auf reformiert. Im Rahmen dieser Reform wurden die drei POSEI-Programme in einer einzigen Verordnung zusammengefasst, und zwar der Verordnung (EG) Nr. 247/2006 des Rates, in der eine neue Programmplanungsmethode festgelegt wird, bei der die Ausarbeitung und Änderung der POSEI-Programme sowie ihre Verwaltung und Überwachung dezentralisiert und den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten übertragen werden. Die neuen Regeln führten zu einer flexibleren und den örtlichen Bedürfnissen besser angepassten Verwaltung sowie zu einer Vereinfachung der Verfahren zur Änderung der Programme. In dieser Anpassung des POSEI-Systems schlug sich auch die GAP-Reform von 2003 mit Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe nieder, da bei dieser Reform die besonderen Merkmale der Landwirtschaft der Regionen in äußerster Randlage berücksichtigt wurden, indem diese von der Modulation und der Entkoppelung der Beihilfen ausgenommen wurden. |
2.5 |
Später wurde die Verordnung (EG) Nr. 247/2006 des Rates mehrfach geändert, um die Reformen des Zucker- und des Bananensektors von 2006 sowie den „Gesundheitscheck“ der GAP zu berücksichtigen, indem den POSEI-Programmen ein Finanzrahmen zugewiesen wurde, der den zuvor gemäß Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates verwalteten Direkthilfemaßnahmen entsprach. Außerdem wurden 2007 und 2008 noch andere Direktbeihilfen übertragen. |
2.6 |
Momentan kann bekräftigt werden, dass die POSEI-Programme für die Regionen in äußerster Randlage das Gegenstück der ersten Säule der GAP darstellen und ihre Mechanismen durch die Ausstattung mit angemessenen Finanzmitteln beibehalten werden müssen. |
3. Zusammenfassung des Kommissionsvorschlags
3.1 |
Die Änderung der Verordnung Nr. 247/2006 des Rates trägt in allererster Linie der Notwendigkeit Rechnung, diese Verordnung den neuesten Entwicklungen der Gesetzgebung, insbesondere an das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon und die damit verbundene Einführung des Mitentscheidungsverfahrens in der Gemeinsamen Agrarpolitik, anzupassen. Es muss daher unterschieden werden zwischen den Befugnissen, die der Kommission zum Erlassen von Rechtsakten ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung übertragen werden (delegierte Rechtsakte), die bestimmte nicht wesentliche Vorschriften des betreffenden Gesetzgebungsaktes ergänzen oder ändern (Artikel 290), und den Befugnissen, die der Kommission zum Erlass von Durchführungsrechtsakten übertragen werden (Artikel 291). |
3.2 |
Ferner soll mit der Änderung der Verordnung deren Struktur überarbeitet und neugefasst werden mit dem Ziel, für Klarheit und Transparenz zu sorgen und ihre Bestimmungen besser den praktischen Gegebenheiten der POSEI-Regeln für die Landwirtschaft anzupassen. |
3.3 |
In der vorliegenden neuen Verordnung werden die wichtigsten Ziele der POSEI-Regeln expliziter dargelegt und die zentrale Rolle der POSEI-Programme in den Vordergrund gerückt. Darüber hinaus wurden in den Text Bestimmungen zur Programmplanung eingefügt, durch die die Anpassung der Programme flexibler gestaltet werden soll, um sie so besser auf die Bedürfnisse der Regionen in äußerster Randlage abzustimmen. |
3.4 |
Außerdem wird eine Reihe sehr konkreter Änderungen vorgeschlagen:
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3.5 |
Ferner wird vorgesehen, dass die besondere Versorgungsregelung der lokalen landwirtschaftlichen Erzeugung jeder Region Rechnung tragen muss, deren Entwicklung nicht durch zu hohe Versorgungsbeihilfen zugunsten von Erzeugnissen gebremst werden darf, die auch vor Ort produziert werden. |
3.6 |
Der neue Vorschlag für eine Verordnung sieht keine Änderungen an den Finanzierungsquellen oder der Intensität der Finanzierung vor und führt keineswegs zu einer Reform in Kernfragen, wohl aber der Form. |
4. Allgemeine Bemerkungen
4.1 |
Die Landwirtschaft in den Regionen in äußerster Randlage ist ein wichtiger Teil der örtlichen Wirtschaft, insbesondere in Bezug auf die Beschäftigung, und eine wichtige Stütze der örtlichen Lebensmittelindustrie als wichtigstem Industriezweig dieser Regionen. |
4.2 |
Gleichwohl ist die landwirtschaftliche Erzeugung in den Regionen in äußerster Randlage außerordentlich anfällig. Das ist insbesondere auf die mit der Abgelegenheit verbundenen Schwierigkeiten, die Größenordnung der lokalen Märkte, deren Zerstückelung, die ungünstigen klimatischen Bedingungen, die geringen Betriebsgrößen und die begrenzte Vielfalt der Anbaukulturen zurückzuführen. All diese Faktoren tragen zur Verringerung der Wettbewerbsfähigkeit der Regionen im Vergleich zu den Erzeugern auf dem Festland bei. Darüber hinaus ist die örtliche Landwirtschaft stark vom Ausland abhängig. Dies gilt sowohl für die Lieferung von Grundstoffen als auch für die Vermarktung der Erzeugnisse in einem geografischen Umfeld, das sich in sehr weiter Ferne von den Bezugsquellen und Märkten befindet. |
4.3 |
In den meisten Regionen in äußerster Randlage zeichnet sich die landwirtschaftliche Erzeugung durch eine ausgeprägte Dualität zwischen der exportorientierten Landwirtschaft und der zur Versorgung der lokalen Märkte bestimmten Landwirtschaft aus. Gleichwohl muss sich die exportorientierte Produktion der Konkurrenz aus Ländern auf dem Weltmarkt (Mittelmeer, Lateinamerika usw.) stellen, die ihre Erzeugnisse ebenfalls auf dem europäischen Kontinent verkaufen und dabei von geringeren Kosten und zunehmend günstigen Zugangsbedingungen im Ergebnis der fortschreitenden Liberalisierung der Handelsregelung für Agrarerzeugnisse in der EU profitieren. |
4.4 |
EU-Bananen sind ein besorgniserregendes Beispiel für das schrittweise Fallenlassen des Schutzes für die wichtigsten Exportgüter der Regionen in äußerster Randlage. So hat die Europäische Union am 15. Dezember 2009 im Rahmen der WTO ein multilaterales Abkommen über den Handel mit Bananen geschlossen, das eine Senkung des Importzolls auf Bananen von derzeit 176 EUR je Tonne schrittweise auf 114 EUR je Tonne zwischen 2017 und 2019 vorsieht. Darüber hinaus wurden jeweils Assoziierungsabkommen mit Kolumbien, Peru und den mittelamerikanischen Ländern geschlossen, und in baldiger Zukunft voraussichtlich auch mit Ecuador, in denen ein noch drastischerer Zollabbau auf nur noch 75 EUR je Tonne ab 2020 festgelegt wird. |
4.5 |
Die Reform des POSEI-Systems von 2006 war für die bessere Anpassung des Systems an die besonderen Merkmale der Landwirtschaft in den Regionen in äußerster Randlage sehr gut, da festgelegt wurde, den nationalen und regionalen Behörden nunmehr zusätzliche Befugnisse bei der Erarbeitung der Programme einzuräumen, damit die Betroffenen noch direkter in die Festlegung der Beihilfemaßnahmen einbezogen werden können. |
4.6 |
Die vorgeschlagene Änderung führt zu einer besseren Anpassung der Bestimmungen der Verordnung an die gegenwärtige Funktionsweise des Systems und bietet mehr Flexibilität für die Anpassung der Programme an die Bedürfnisse der einzelnen Regionen. |
4.7 |
Bei der Ausrichtung auf den Vertrag von Lissabon war die Kommission sehr bestrebt, die Aufteilung zwischen delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten festzulegen. Dabei war es ihr Anliegen, nicht die geltenden Mechanismen zu ändern, um die Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Funktionsweise des Systems zu ermöglichen. Allerdings kommt ihr Vorschlag ein wenig früh, da noch nicht alle Informationen vorliegen, weil der Inhalt der Verordnung, in der neue Komitologieverfahren festgelegt werden, noch nicht bekannt ist. |
5. Besondere Bemerkungen
5.1 |
Für das POSEI-System gibt es derzeit eine doppelte Rechtsgrundlage: die beiden Artikel über die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ex-Artikel 36 und 37) und den spezifischen Artikel über die Regionen in äußerster Randlage (ex-Artikel 299 Absatz 2). In dem Vorschlag zur Reform der Verordnung wird die Rechtsgrundlage dagegen auf die neuen Artikel 42 und 43 Absatz 2 über die GAP beschränkt und der neue Artikel 349 über die Regionen in äußerster Randlage ausgeklammert. Der alleinige Bezug auf die Artikel über die GAP reicht zur Annahme einzelner Maßnahmen für die Regionen in äußerster Randlage nicht aus, da der spezifische Artikel die rechtliche Grundlage für sämtliche Bestimmungen im Zusammenhang mit den außergewöhnlichen Bedingungen der äußersten Randlage darstellt. |
5.2 |
In Artikel 18 werden neue Bestimmungen vorgeschlagen, die den verbindlichen Inhalt für die von den zuständigen nationalen Behörden vorgelegten POSEI-Programme regeln. Allerdings lassen einige dieser Bestimmungen Zweifel hinsichtlich ihrer Auslegung aufkommen. So müsste Artikel 18 Buchstabe e gestrichen werden, da diese Bestimmung nicht nur nicht eindeutig, sondern darüber hinaus überflüssig ist, da sie lediglich eine Wiederholung der Aussage des Absatzes 4 dieses Artikels darstellt, da ja für jede Aktion die Voraussetzungen für die Beihilfe und die Erzeugnisse bereits dort spezifiziert werden. Die Aufnahme der Mengen als verbindlicher Inhalt der Maßnahmen ist eher hinderlich denn hilfreich; zu jeder Maßnahme gehören mehrere Aktionen, und es bringt praktisch keinen Nutzen, dass bei der Beschreibung der Maßnahme auf die Mengen Bezug genommen wird. Die in Artikel 18 Absatz 4 vorgesehene Festlegung einer Obergrenze für jede Aktion ist unnötig und schränkt die Flexibilität der Verwaltung ein, da die einheitliche Beihilfe und die Empfänger der Aktion bereits festgelegt werden. |
5.3 |
Zur Erhaltung des Landschaftsbildes und der traditionellen Merkmale der Landbaugebiete und insbesondere zur Erhaltung der tragenden Steinmauern für den Terrassenanbau: In einigen weiteren Regionen in äußerster Randlage muss ebenfalls verstärkt auf die Erhaltung dieser Merkmale hingearbeitet werden, da sie aufgrund der schwierigen orografischen Bedingungen und der charakteristischen Merkmale der Böden für das traditionelle Landschaftsbild und die gute Erhaltung der Böden enorm wichtig sind. Deshalb sollte in Artikel 21 Absatz 1 die Flexibilität, die Madeira mit der Verdopplung der im Rahmen der Beihilfe der Union möglichen jährlichen Höchstbeträge im Sinne von Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1628/2005 eingeräumt wird, auf weitere Regionen in äußerster Randlage ausgedehnt werden. |
5.4 |
Gruppenversicherungen, deren Voraussetzung der Abschluss durch einen ganzen Sektor ist, sind für einige Regionen in äußerster Randlage sehr wichtig. Die Tatsache, dass große Unternehmen keine staatlichen Beihilfen für den Abschluss von Gruppenversicherungen beziehen können, verteuert die Prämien für kleine und mittlere Erzeugungsbetriebe und erschwert die Tragfähigkeit des Versicherungssystems. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Regionen in äußerster Randlage nur ein begrenztes geografisches Gebiet umfassen und in einigen von ihnen besondere Versicherungslinien für die jeweiligen Kulturen gelten. Daher wäre es angebracht, Schritte dahin gehend zu unternehmen, dass jeweils der gesamte Teilsektor Zugang zu der entsprechenden Gruppenversicherung hat. |
5.5 |
Die im multilateralen Abkommen über den Bananenhandel in Genf festgelegte Zollsenkung macht sich bereits nachteilig in den Bananenverkaufspreisen und damit auch in den Einkommen der EU-Erzeuger bemerkbar. Diese Verschlechterung wird durch die zusätzliche, in den bilateralen Abkommen mit den Andenstaaten und den mittelamerikanischen Ländern vereinbarte Zollsenkung noch verschärft werden. Zur Abfederung dieser starken Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit der EU-Bananenwirtschaft, die diese erhebliche Zollsenkung bedeutet, sind Ausgleichsmaßnahmen nötig, die deren negative Wirkung in Grenzen halten. Dazu sollte die Finanzausstattung der POSEI-Programme in einer Weise erhöht werden, dass die Einkommen der EU-Erzeuger gesichert sind. |
Brüssel, den 17. Februar 2011
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Staffan NILSSON
6.4.2011 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 107/37 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Fahrplan für ein kohlenstoffarmes Energiesystem bis 2050“ (Sondierungsstellungnahme)
2011/C 107/08
Berichterstatter: Antonello PEZZINI
Die Europäische Kommission beschloss am 12. Mai 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Fahrplan für ein kohlenstoffarmes Energiesystem bis 2050“
(Sondierungsstellungnahme).
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 2. Februar 2011 an.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 469. Plenartagung am 16./17. Februar 2011 (Sitzung vom 17. Februar) mit 193 gegen 3 Stimmen bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 Der Ausschuss hält es für äußerst wichtig, eine echte integrierte europäische Energiepolitik festzulegen und darin eine mittel- und langfristige Gemeinschaftsstrategie einzubetten, in der ein Fahrplan bis 2050 aufgestellt wird, mit dem Ziel einer wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Reduzierung des CO2-Gehalts der erzeugten Energie, um den Herausforderungen des Klimawandels auf internationaler Ebene zu begegnen und den gesellschaftlichen und industriellen Bedürfnissen der EU gerecht zu werden.
1.2 Der Ausschuss ist der Auffassung, dass für eine gemeinsame Energiepolitik in einem globalen Kontext die Schaffung einer „integrierten Energiegemeinschaft“ entsprechend den Bestimmungen von Artikel 194 des Vertrags erforderlich ist.
1.3 Ein Fahrplan für ein kohlenstoffarmes Energiesystem bis 2050 sollte nach Auffassung des EWSA:
— |
eine Vielfalt denkbarer Entwicklungspfade für die Erzeugung und Nutzung von Energie in Europa aufzeigen; |
— |
konsensgestützte Wege für die wirtschaftlichen Umgestaltung ausloten; |
— |
die Modalitäten des ständigen Dialogs über den Fahrplan auf den verschiedenen Ebenen festlegen; |
— |
die für ein besseres Verständnis der strategischen Entscheidungen erforderlichen Maßnahmen ermitteln; |
— |
dem Wettbewerb Rechnung tragende, von der Gesellschaft mitgetragene Systeme der wirtschaftlichen Tragfähigkeit skizzieren; |
— |
die Elemente der Flexibilität hervorheben, die unerlässlich sind, um sich rasch an den Klimawandel, die neuen Technologien und an die weltweite wirtschaftliche Entwicklung anpassen zu können. |
1.4 Der EWSA hält einen Policy-Mix für notwendig, der Folgendes umfasst:
— |
Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz; |
— |
sichere Systeme zur CO2-Abscheidung und Speicherung; |
— |
solide Mechanismen für den Emissionshandel; |
— |
wettbewerbsfähige Entwicklung der erneuerbaren Energieträger; |
— |
Umstellung der Kraftwerke auf eine kohlenstoffarme Energieerzeugung; |
— |
Umstellung auf nachhaltige Verkehrsmittel; |
— |
angemessene internationale technische Normung, |
— |
Maßnahmen zum Ausbau der hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplung (Combined heat and power production (CHP)). |
1.5 Bei der Ausarbeitung des Fahrplans bis 2050 sollten nach Ansicht des Ausschusses folgende vier Schlüsselvariablen berücksichtigt werden:
— |
starke Beschleunigung des technischen, wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts; |
— |
Verpflichtung aller Länder und betroffenen Branchen, eine klare Verantwortung zu übernehmen; |
— |
Nachhaltigkeit eines auf Dauer stabilen Finanzrahmens und |
— |
Messbarkeit der Zwischenziele und deren Anpassbarkeit an die technische und wissenschaftliche Entwicklung. |
1.6 Was die Instrumente des integrierten europäischen Energiemarkts anbelangt, muss nach dem Dafürhalten des EWSA unverzüglich ein auf einem Konsens beruhendes Programm für Investitionen auf folgenden Gebieten aufgestellt werden:
— |
intelligente Netze und Verbesserung der Energieübertragungsnetze; |
— |
Forschung und Entwicklung gemeinsamer Programme in den Bereichen nachhaltige Energienutzung, Nanowissenschaften und Nanotechnologie, auf große Netzsysteme angewandte Informatik und Domotikmikrosysteme; |
— |
Fähigkeit zur Regulierung komplexer Systeme und Bereitstellung eines stabilen Bezugsrahmens für die Industrie und für die öffentlichen und privaten Akteure; |
— |
intensiverer strukturierter und interaktiver Dialog mit den Sozialpartnern, den Verbrauchern und der Öffentlichkeit; |
— |
solider Rahmen für die internationale Abstimmung und Zusammenarbeit, bei dem die alten und neuen Industrieländer auf der Grundlage vereinbarter, messbarer Ziele zusammengebracht werden. |
1.7 Im Hinblick auf bereits kurzfristig zu verwirklichende Ziele sollte nach Ansicht des EWSA schwerpunktmäßig umgehend Folgendes in Angriff genommen werden:
— |
Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz, insbesondere im Bau- und Verkehrswesen unter stärkerer Berücksichtigung der europäischen Richtlinien; |
— |
rasche und breit angelegte Verbesserung der Mechanismen des Emissionshandels; |
— |
konkrete Systeme zur zunehmenden Senkung der CO2-Emissionen im Stromerzeugungssektor und Beschleunigung und Verbreitung der laufenden Pilotprojekte; |
— |
starke Unterstützung von Pilotprojekten zur Entwicklung von Portfolios emissionsarmer, kostengünstiger Technologien; |
— |
breite Nutzung alternativer Energieträger dank steuerlicher und finanzieller Anreize; |
— |
Verbesserung der Ausbildung des Bildungsangebots und der Ausbildungsmöglichkeiten in wissenschaftlichen Disziplinen auf der Grundlage disziplinübergreifender integrierter Modelle; |
— |
Ausbau der Energieinfrastruktur und der transeuropäischen Netze und Verbreitung genormter intelligenter Netze über europäische Normierungssysteme; |
— |
wirksamer Rahmen für die internationale Zusammenarbeit. |
1.8 Mittelfristig muss nach Ansicht des Ausschusses Sorge getragen werden für:
— |
einen Weltmarkt für erschwingliche emissionsarme Technologien mit gemeinsamen internationalen technischen Normen; |
— |
eine genaue Überprüfung, inwieweit die Zwischenziele erreicht wurden, um dafür zu sorgen, dass in der EU und auf dem Weltmarkt Verantwortung übernommen wird; |
— |
eine Aktualisierung der Ziele entsprechend den zwischenzeitlich eingetretenen Veränderungen, den gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnissen und der veränderten weltweiten Wirtschafts- und Handelslandschaft; |
— |
gegebenenfalls eine Neuformulierung der für eine Senkung der Treibhausgasemissionen um 60-80 % erforderlichen Strategien; |
— |
eine konkrete Verbreitung gemeinsamer Instrumente zur Verwaltung der Versorgungsnetze und der Energiespeicherplattformen und -übertragungsknoten; |
— |
eine Verbesserung der Mechanismen für Governance, Konsensfindung und den interaktiven Dialog zwischen allen beteiligten Akteuren; |
— |
die Weiterentwicklung der Kernspaltung in denjenigen Mitgliedstaaten, die diese Technologie weiter nutzen wollen, von der dritten zur vierten Generation und der Techniken, die die Wiederverwendung der meisten Materialien ermöglichen; |
— |
die Förderung der Fusionsforschung auf der Grundlage des europäischen Übereinkommens zur Fusionsforschung (EFDA), insbesondere des von der Europäischen Kommission geförderten JET-Experiments (Joint European Torus), mit dem der Weg für die Lancierung des ITER-Projekts nach 2020 bereitet wird; |
— |
eine stärkere Bekämpfung der Energiearmut, die zu einer Ausgrenzung immer größerer Bevölkerungsteile und ganzer Länder zu führen droht. |
1.9 Der EWSA ist der Auffassung, dass zunächst einmal Folgendes angestrebt werden sollte:
— |
ein politisches Engagement für ein integriertes Energiesystem der EU mit gemeinsamen Regeln; |
— |
harmonisierte und stabile Rechtsrahmen; |
— |
die Festlegung gemeinschaftlicher technischer Normen; |
— |
europäische Kraftwerke mit kompatiblen Interoperabilitätsnormen; |
— |
Gemeinschaftsprogramme für eine einheitliche Personalausbildung; |
— |
effiziente Mechanismen für den Austausch bewährter Praktiken und der verfügbaren Technologien; |
— |
kompatible IT-Kontroll- und Sicherheitssysteme; |
— |
eine breit angelegte Politik zur Förderung der Kultur einer nachhaltigen Energienutzung. |
1.10 Der Ausschuss hält es für wesentlich, auf europäischer Ebene eine kohärente Kommunikationspolitik zu entwickeln und auszubauen, mit der wirksame, glaubwürdige und den verschiedenen betreffenden Zielgruppen, vor allem der allgemeinen Öffentlichkeit, zugängliche Botschaften ausgesandt werden können.
2. Einleitung
2.1 Der weltweite Klimawandel ist eine weithin anerkannte Tatsache, Wesenscharakteristik und Tragweite ihrer Folgen sind es jedoch weniger.
2.2 Die EU muss entscheiden, wie ihr Europa im Jahr 2020 und darüber hinaus aussehen soll. Die Kommission plädiert für ein nachhaltiges Wachstum im Wege einer von einem Fahrplan für ein kohlenstoffarmes Energiesystem bis 2050 flankierten Energiestrategie 2011-2020.
2.3 Die Kommission hat den EWSA um die Erarbeitung von zwei Sondierungsstellungnahmen zu den mittel- bis langfristigen Entwicklungsperspektiven ersucht - einer zu den Perspektiven bis 2020 und einer zu den Perspektiven bis 2050. In der vorliegenden Stellungnahme geht es um Letztere.
2.4 Der Fahrplan für ein kohlenstoffarmes Energiesystem sollte Folgendem dienen:
— |
Zusammenstellung einer Vielfalt von möglichen wettbewerbsfähigen Entwicklungspfaden für die Erzeugung und Nutzung der Energie in Europa entsprechend langfristigen weltweiten Klimazielen und den gesellschaftlichen und industriellen Bedürfnissen der EU; |
— |
Untersuchung konsensgestützter Möglichkeiten für den wirtschaftlichen Transformationsprozess auf der Grundlage der heutigen und künftigen energiepolitischen Entscheidungen, die von den Sozialpartnern und der Zivilgesellschaft im Wege eines ständigen interaktiven Dialogs akzeptiert werden; |
— |
Festlegung der Modalitäten des ständigen Dialogs über den Fahrplan auf mehreren Ebenen, zwischen politischen Entscheidungsträgern, Behörden, Energienetzbetreibern und -versorgern, Industrie, Gewerkschaften, Umweltverbänden, Handel und Dienstleistungen, Nutzern des Strom-, Wohn-, Tertiär- und Verkehrssektors, Wissenschaftlern und Technologieexperten und Bildungsinstituten, dem Finanz- und Kreditsystem, Landwirten, Verbrauchern und Bürgern; |
— |
Ermittlung der Maßnahmen, die erforderlich sind, um die strategischen Entscheidungen besser nachvollziehen zu können, die getroffen werden müssen, um das Ziel einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 60-80 % erreichen zu können, insbesondere mit Hilfe einer massiven Einführung neuer Energietechnologien, um langfristig die CO2-Konzentration in der Luft auf einem Niveau von 450 ppmv (parts per million by volume) zu stabilisieren; |
— |
Konzipierung von dem Wettbewerb Rechnung tragenden und von der Gesellschaft mitgetragenen Methoden für die wirtschaftliche Tragfähigkeit für die öffentliche und private Finanzierung, die Besteuerung sowie die Haushaltsplanung; |
— |
Hervorhebung der unerlässlichen Flexibilitätselemente, deren Notwendigkeit sich aus den zuweilen jähen Veränderungen, der wissenschaftlichen Forschung, der wirtschaftlichen Zukunft und der Entwicklung der Sozialkultur ergibt. |
2.5 Nach Ansicht des EWSA muss bei sämtlichen bislang vorliegenden Szenarien, die auf eine Emissionsreduktion um 80 % bis 2050 abzielen, ein Policy-Mix im Mittelpunkt stehen, der sich kennzeichnet durch:
— |
Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz; |
— |
ausgedehnte Systeme zur CO2-Abscheidung und -Speicherung und Verstärkung der Mechanismen zur Regulierung des Emissionshandels; |
— |
eine deutliche Steigerung des Anteils erneuerbarer Energieträger; |
— |
Weiterentwicklung der Kernspaltung von der dritten zur vierten Generation und Förderung der Fusionsforschung; |
— |
eine deutliche Erhöhung des Anteils an mit kohlenstoffarmen Anlagen erzeugtem Strom; |
— |
einen maßgeblichen Beitrag, um die Umstellung des Straßen-, Luft- und Schiffverkehrs voranzutreiben und den Energieverbrauch in Wohngebäuden und im Dienstleistungssektor zu reduzieren; |
— |
Investitionen in Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration (FTE&D) und in den Technologietransfer im Kontext der Marktinnovation; |
— |
Beschleunigung der Arbeiten zur technischen Normung auf EU- und internationaler Ebene; |
— |
Maßnahmen zum Ausbau der hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplung (Combined heat and power production (CHP)). |
2.6 Was die Instrumente des integrierten europäischen Energiemarkts betrifft, die unabhängig vom gewählten Policy-Mix und den gemachten Entdeckungen erforderlich sind, hält der EWSA Investitionen für erforderlich, um:
— |
intelligente Netze und Netzkonfigurationen mit fortgeschrittenen Techniken für die Strom- und Wärmespeicherung zu entwickeln; |
— |
die verschiedenen FTE&D-Programme und Programme für technische Innovation auf funktionelle Weise in den europäischen Energieraum für Forschung und Innovation zu integrieren; |
— |
ein solides und stabiles Umfeld zu schaffen, in dem alle beteiligten Akteure mit einem angemessenen Maß an Gewissheit agieren können; |
— |
angemessene Maßnahmen zum Aufbau von Kapazitäten zur Schaffung eines Systems effizienter und wirksamer Verwaltungsebenen zu ergreifen; |
— |
stabile und zuverlässige Kanäle für die internationale Zusammenarbeit zu ermitteln. |
2.7 Auf internationaler Ebene werden in dem Bericht der Internationalen Energieagentur und von einigen anderen internationalen Organisationen Szenarien aufgezeigt, bei denen sich das in die Zukunft projizierte derzeitige Energiemanagementkonzept unter mehreren Gesichtspunkten - aus ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Sicht - als unnachhaltig erweisen würde.
2.8 Auf internationaler Ebene müssten sich alle Länder dazu verpflichten, bis 2011 in den emissionsintensiven Bereichen Strategien für eine CO2-arme Entwicklung zu verabschieden. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass die energieintensiven Industriezweige in Europa ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt einbüßen und daher ihre Produktion in Länder außerhalb Europas verlagern (Verlagerung von CO2-Emissionsquellen), ohne ihre CO2-Emissionen zu reduzieren. Diese Strategien sollten beispielsweise auch eine rasche Reduzierung der Abholzung tropischer Wälder umfassen.
2.9 Die G20 ermittelte strategische Bereiche für internationale Maßnahmen, die sich in zwei Gruppen unterteilen lassen - eine mit lang- und eine mit mittelfristiger Ausrichtung.
2.9.1 Der ersten Gruppe gehören die Maßnahmen zur Nachfrageförderung und Einkommensstützung an, darunter:
— |
Verbesserung der Energieeffizienz; |
— |
Verbesserung der Infrastruktur zur Senkung der CO2-Emissionen; |
— |
Unterstützung der Märkte mit Hilfe sauberer Technologien. |
2.9.2 Auf mittlere bis lange Sicht zielen die Maßnahmen hingegen darauf ab, die Investoren und Privatunternehmer in den Sektoren, die voraussichtlich die Eckpfeiler einer wirtschaftlich tragfähigen Entwicklung bilden werden, zu „binden“. Hierzu gehören:
— |
Einleitung von Pilotprojekten, insbesondere im Bereich CO2-Abscheidung und -Speicherung; |
— |
Anreize für die Forschung auf internationaler Ebene; |
— |
Anreize für Investitionen in CO2-arme Technologien. |
2.10 Gemäß einigen Szenarien könnten die Emissionen bis 2050 weltweit um 50 % gesenkt werden, wozu in erster Linie vier Faktoren beitragen. Hierbei entfällt:
— |
mehr als die Hälfte auf die Energieeffizienz; |
— |
etwa ein Fünftel auf die erneuerbaren Energieträger; |
— |
ein weiteres Fünftel auf die Technologien zur CO2-Abscheidung und -Speicherung und |
— |
der Rest auf die Kernenergie. |
In Wirklichkeit sind einige der in diesem Szenario vorgesehenen Technologien noch nicht verfügbar oder müssen noch erheblich verbessert und kostengünstiger werden.
2.11 Zu den darin vorgeschlagenen Technologien, die genutzt werden sollten, gehören die CO2-Abscheidung und -Speicherung und die Weiterentwicklung der Elektroautos.
2.11.1 Bei Elektroautos werden beachtliche technische Fortschritte in folgenden Bereichen erwartet:
— |
Ladekapazität der Batterien; |
— |
Aufladen mit aus erneuerbaren Energieträgern gewonnenem Strom, der in intelligente Netze eingespeist wird; |
— |
Puffertechniken zur Lösung des Problems der Intermittenz einiger erneuerbarer Energieträger und der Speicherung und Erhaltung der Energie; |
— |
Normung für einen raschen Wechsel der Fahrzeugbatterien in dafür ausgerüsteten Versorgungszentren. |
2.12 Auch bei der Entwicklung der Fahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb werden erhebliche Fortschritte erwartet, voraussichtlich erst nach 2020.
2.13 Für Elektroautos gibt es bislang keinen angemessenen europäischen Rechtsrahmen. Die Kommission will hier in naher Zukunft Abhilfe schaffen (KOM(2010) 186 endg.).
2.14 Nach Auffassung des EWSA würde eine kohlenstoffarme Stromerzeugung erhebliche Möglichkeiten zur Senkung der Emissionen in den Endnutzersektoren bieten (zum Beispiel die Umstellung von mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizungsanlagen auf effiziente gasbetriebene Wärmepumpen).
2.15 Um das „positive“ Szenario einer deutlichen Emissionsreduzierung zu verwirklichen, sind verschiedene kombinierte Maßnahmen erforderlich (darunter ein Produktionsmix aus erneuerbaren Energieträgern und Kernenergie, Energieeffizienz, Investitionen in neue Technologien und CO2-Speicherung). Schätzungen zufolge müssen darüber hinaus zur Halbierung der Emissionen die staatlichen Mittel für Forschung, Entwicklung und Demonstration (FEuD) im Bereich CO2-armer Technologien im Vergleich zum heutigen Niveau um ein Zwei- bis Fünffaches erhöht werden und für die Konzipierung und Verbreitung bewährte Verfahren herangezogen werden (IAE-Bericht, Energietechnologische Perspektiven 2010 - Szenarien und Strategien bis 2050).
2.15.1 In dem Bericht der IAE über die energietechnologischen Perspektiven 2010 werden verschiedene Szenarien analysiert und miteinander verglichen und die wichtigsten Optionen für eine sicherere und nachhaltigere Energiezukunft aufgezeigt.
2.16 Der EWSA hält es für wesentlich zu bedenken, dass viele Herausforderungen im Energiebereich gewaltige Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung haben, die nach auf ihre besonderen Lebensumstände zugeschnittenen Lösungen sucht und befürchtet, dass ihr Lebens- und Entwicklungsstandard sinken oder eingeschränkt werden könnte.
2.17 Die im Fahrplan bis 2050 angestrebten und/oder geplanten Fortschritte in Richtung einer echten Energierevolution auf der Grundlage kohlenstoffarmer Technologien implizieren zahlreiche Optionen, die auf fünf Schlüsselvariablen beruhen:
— |
Beschleunigung des technischen, wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts; |
— |
Verpflichtung aller Länder und aller betroffenen Sektoren zur Übernahme einer klaren Verantwortung; |
— |
Nachhaltigkeit eines auf Dauer zuverlässigen Finanzrahmens; |
— |
Messbarkeit der Zwischenziele und deren Anpassbarkeit an die technische und wissenschaftliche Entwicklung und |
— |
Verhalten der verschiedenen Akteure hinsichtlich der „angekündigten Politik“ und des Risikos einer Fehlinformation, d.h. übermäßig optimistische oder zu negative Darstellung. |
3. Szenarien und Optionen
3.1 Von internationalen öffentlichen und privaten Körperschaften und gemeinnützigen Organisationen wurden bereits verschiedene Szenarien und Optionen aufgezeigt, die eine Grundlage für Strategien, Maßnahmen und operative Instrumente bieten sollen.
3.2 Hierbei wird beim Grundszenario nahezu immer davon ausgegangen, dass die Regierungen keine neuen energie- und klimapolitischen Maßnahmen ergreifen.
3.3 Der Hauptunterschied der zielgerichteten Szenarien liegt weniger in der letztlichen Größenordnung ihres Wirkungsgrads als in dem unterschiedlichen Zeitpunkt ihres Eintretens. Bei diesen Szenarien wird eine Senkung der durch den Energieverbrauch entstehenden CO2-Emissionen bis 2030 um 30 % und bis 2050 um 50 % - jeweils im Vergleich zu 2005 - angestrebt und die kostengünstigsten und schnellsten Mittel und Wege zur Erreichung dieses Ziels dank der Verbreitung erschwinglicher und kohlenstoffarmer Technologien untersucht:
— |
im Vergleich zum Grundszenario müssen 36 Billionen EUR (1 EUR = 1,28 USD) (+ 17 %) mehr investiert werden, bei den Brennstoffkosten können hingegen 87 Billionen EUR eingespart werden; |
— |
die Technologie der CO2-Abscheidung und -Speicherung wird eingesetzt, um 9,4 Gt CO2 aus Stromerzeugungsanlagen (55 %), der Industrie (21 %) und der Brennstoffumwandlung (24 %) abzuscheiden; |
— |
die CO2-Emissionen der Privathaushalte und des Tertiärsektors werden dank des Einsatzes von kohlenstoffarm erzeugtem Strom, der Energieeffizienz und der Umstellung von emissionsarmen auf emissionsfreie Technologien um zwei Drittel gesenkt; |
— |
nahezu 80 % der verkauften leichten Nutzfahrzeuge sind Hybridelektrofahrzeuge, Elektroautos oder Fahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb; |
— |
die durch die Stromerzeugung entstehenden CO2-Emissionen gehen um 76 % zurück; die Kohlenstoffintensität sinkt auf 67 g CO2/kWh; |
— |
die CO2-Emissionen der Industrie sinken um ein Viertel, in erster Linie dank einer besseren Energieeffizienz, der Umstellung auf alternative Brennstoffe, einer Wiederverwendung der eingesetzten Werkstoffe, der Systeme zur energetischen Verwertung und der CO2-Abscheidung und -Speicherung. |
3.3.1 Zur Erreichung dieser Ziele ist eine ganze Palette erschwinglicher CO2-armer Technologien erforderlich. Der Wandel lässt sich nicht mit einer einzigen Technologie oder einer begrenzten Zahl von Technologien in dem erforderlichen Umfang vollziehen.
3.4 Die Senkung der CO2-Emissionen im Stromsektor ist von zentraler Bedeutung und muss mit einer deutlichen Zunahme des Anteils der erneuerbaren Energieträger und in denjenigen Mitgliedstaaten, die sich für eine Nutzung der Kernenergie entschieden haben, auch der Kernenergie sowie dem Einsatz von Systemen zur CO2-Abscheidung und -Speicherung und dem Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung in den brennstoffbetriebenen Wärmekraftwerken einhergehen.
3.5 Die Anstrengungen im Bereich Forschung und Demonstration sowie die Einführung neuer Technologien auf dem Markt sind von grundlegender Bedeutung, wenn sie mit den vorgeschlagenen Zielen der CO2-Reduzierung Schritt halten sollen.
3.6 Szenario der Entwicklung der Kernfusion
Die Kernfusion ist die Energiequelle der Sonne und der Sterne. Auf der Erde bietet sie die Aussicht auf eine langfristige, sichere und umweltfreundliche Energieoption zur Deckung des Energiebedarfs einer ständig wachsenden Weltbevölkerung. Fusionswissenschaftler arbeiten derzeit im Rahmen des europäischen Übereinkommens zur Fusionsforschung (EFDA) mit Plasma mit Temperaturen von Hunderten Mio. Grad in Fusionsanlagen in industriellem Maßstab. Die größte dieser Anlagen ist JET (Joint European Torus). Auf der Grundlage dieser und anderer weltweiter Errungenschaften wird derzeit in Frankreich der Versuchsreaktor ITER gebaut - das größte Energieforschungsprojekt der Welt -, dessen Fusionsleistung der mit einem mittelgroßen Reaktor (500/700 MW) erzeugten Leistung entsprechen wird. ITER wird als Brücke zu einem ersten Demonstrationskraftwerk und später einem kommerziellen Reaktor mit einer mittleren Leistung von ca. 1,5 Gwel dienen (Ein Strom aus Fusionsenergie erzeugendes Kraftwerk hat einen niedrigen Brennstoffverbrauch. Für den Betrieb eines Kraftwerks mit einer Leistung von 1 Gwel werden etwa 100 kg Deuterium und 3 Tonnen Lithium pro Jahr benötigt und es erzeugt ca. 7 Mrd. KWh. Um dieselbe Energiemenge zu erzeugen, bräuchte ein Kohlekraftwerk ca. 1,5 Mio. Tonnen fossile Brennstoffe (Quelle: http://fusionforenergy.europa.eu)).
3.6.1 Bei der der Fusion zugrunde liegenden Primärreaktion entstehen weder Schadstoffe noch fallen nukleare Abfälle an. (Es ist darauf hinzuweisen, dass die Wände der Reaktionskammer zwar im Laufe der Zeit radioaktiv werden, bei einer entsprechenden Wahl des Materials der Verlust der Radioaktivität jedoch nur wenige Jahrzehnte dauert. Nach 100 Jahren können alle Materialen in einem neuen Reaktor wiederverwendet werden (Quelle: www.jet.efda.org).) Die Reaktion erfolgt in Form der Fusion von Atomen, die in der Natur, vor allem im Meerwasser, reichlich vorkommen. Der Prozess ist darüber hinaus eigensicher.
3.6.2 Die an der Primärreaktion beteiligten Atome sind Deuterium, Tritium, Lithium und Helium. Bei der Verschmelzung dieser Atome wird in einem Wärmetauscher eine große Energiemenge in Form von Wärme mit einer Temperatur von 550/650 °C freigesetzt (ein mittelgroßer Fusionsreaktor erzeugt eine durchschnittliche Temperatur von 700 °C). Die Entwicklung fortschrittlicher Materialen würde Temperaturen von 1 000 °C ermöglichen. Mit dem erzeugten Dampf wird die Turbine (Rotor) angetrieben, der Induktionsstrom erzeugt (Stator).
3.6.3 Ein Deuteriumkern (1 Proton + 1 Neutron) und ein Tritiumatom (1 Proton + 2 Neutron) verschmelzen unter Freisetzung eines Neutrons zu einem Heliumkern (2 Protonen + 2 Neutronen). Das freigesetzte Neutron verschmilzt mit einem Lithiumatom (3 Protonen + 3 Neutronen), wobei ein Heliumatom (2 Protonen + 2 Neutronen) und ein Tritiumatom (1 Proton + 2 Neutronen) entstehen. In der Reaktionskammer (Torus) nimmt der Stoff eine besondere Form an, die Plasmazustand genannt wird und eine durchschnittliche Temperatur von 200 Mio. °C aufweist.
3.6.3.1 Zur Erwärmung des Plasmas im ITER-Reaktor sind ca. 50 MW erforderlich. Mit dem Fusionsprozess wird also zehnmal mehr Energie erzeugt als zur Auslösung des Prozesses benötigt: Q > 10.
4. Allgemeine Bemerkungen
4.1 Der EWSA will hinsichtlich des Fahrplans 2050 folgende Fragenkomplexe hervorheben:
— |
Kosten und Rentabilität der Investitionen: Erhöhung von einem Jahresmittel von ca. 130 Mrd. EUR in den letzten drei Jahren auf durchschnittlich 600 Mrd. EUR pro Jahr; |
— |
Erschließung von Investitionsquellen: Bereitstellung eines stabilen Rahmens für die Investoren, angemessener Rentabilitätssysteme, finanzieller Unterstützung und Steuererleichterungen; |
— |
Senkung der CO2-Emissionen im Stromsektor: radikaler Wandel in der Energiepolitik in Verbindung mit umfangreichen Investitionen zur Beendung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen; |
— |
Konzipierung, Betrieb und Ausbau von Stromnetzen, wobei für flexible intelligente Netze und Umspannwerke gesorgt wird, um das Management der Spitzenlasten zu verbessern und die Zusammenführung und Weiterverteilung der verschiedenen Energieformen zu rationalisieren (durch die Einspeisung erneuerbarer Energien über intelligente Zähler wird das Energieübertragungssystem verändert); |
— |
Programme für Energieeffizienz, insbesondere zur Senkung der CO2-Emission der Industrie (22 % der Gesamtemissionen); |
— |
Reduzierung der weltweiten direkten und indirekten Emissionen der Gebäude (40 % der Gesamtemissionen), wobei auf alle Strukturelemente abgehoben wird; |
— |
im Verkehrssektor (38 % der Gesamtemissionen), zu dem der EWSA derzeit eine gesonderte Stellungnahme erarbeitet, wird die Voraussetzung für eine deutliche Verringerung der CO2-Emissionen bis 2050 ein geringerer Einsatz traditioneller Brennstoffe, ein Anstieg des Anteils von Ethanol und Biodiesel, eine bessere Qualität der gasförmigen Kraftstoffe (LPG, CNG [komprimiertes Erdgas], Biogas) und technologische Durchbrüche und Innovationen bilden; |
— |
internationale Abstimmung: Europa, die USA, Japan, China, Indien und Brasilien sollten unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale der einzelnen Regionen im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung und das Vorhandensein natürlicher Ressourcen gemeinsame Ziele für 2030-2050 festlegen. |
4.2 Es wurden bereits Ziele für eine Reduzierung der CO2-Emissionen um 20 % bis 2020 aufgestellt: Der EWSA erarbeitet derzeit eine Stellungnahme zu diesem Thema.
4.3 Im Hinblick auf die Perspektiven für den Fahrplan bis 2050 möchte der EWSA die folgenden wesentlichen Aspekte hervorheben:
— |
Beschleunigung des technischen, wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts: Mittelaufstockung und Steigerung der Zahl der Programme, nicht nur im Hinblick auf den Klimawandel und die Energiequellen, sondern auch und vor allem in Bezug auf die Nutzung und die Erhaltung der natürlichen und strategischen Ressourcen; |
— |
Verpflichtung aller betroffenen Länder, Branchen und Akteure zu einer eindeutigen Bestimmung der Verantwortlichkeiten in der EU und zur Übernahme von Verantwortung; |
— |
nachhaltiger, langfristig stabiler Finanzrahmen im Einklang mit dem EU-Haushalt, dem Stabilitäts- und Wachstumspakt und der Haushaltspolitik der einzelnen Mitgliedstaaten; |
— |
Messbarkeit der Zwischenziele und deren Anpassbarkeit an die technische und wissenschaftliche Entwicklung; |
— |
Verhalten der verschiedenen sozialen Akteure hinsichtlich der „vorgesehenen und angekündigten Politik“ und dem Risiko einer Fehlinformation; |
— |
Förderung der wissenschaftlichen und technischen Kultur und kulturelle und finanzielle Anreize zur Erhöhung der Schülerzahl in den Hochschulen mit technischer Ausrichtung; |
— |
aufmerksamere Beobachtung und sorgfältigere Umsetzung der europäischen Richtlinien über Energieeffizienz und -einsparung (beispielsweise Verzögerungen bei der Umsetzung der Richtlinie 2002/91/EG über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden) durch die Mitgliedstaaten; |
— |
mehr Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten in wissenschaftlichen Disziplinen - Ingenieurwesen, Physik, Grundchemie, Architektur, Städte- und Anlagenplanung - mit Schwerpunkt auf der Schaffung integrierter systemischer Modelle, insbesondere im Bereich Nanowissenschaften und auf Energiesysteme angewandte Nanotechnologie zur CO2-armen Erzeugung von Energie; |
— |
politisches Engagement für ein gemeinschaftliches integriertes Energiesystem mit gemeinsamen Regeln, einen harmonisierten und stabilen Rechtsrahmen, gemeinschaftliche technische Normen, standardisierte europäische Kraftwerke, Gemeinschaftspläne für eine homogene Mitarbeiterausbildung, den Austausch von bewährten Verfahren und Informationen über die besten verfügbaren Technologien sowie interoperative IT-Systeme für Kontrolle und Sicherheit. |
4.4 Zu den vier im Juni 2010 von der Industrie eingeleiteten Initiativen (Windkraft, Solarenergie, CO2-Abscheidung und -Speicherung, intelligente Netze) sollten die Bioenergie und die Kernspaltung hinzukommen sowie die gemeinsame technologische Brennstoff- und Wasserstoffinitiative FCH JTI und ITER im Bereich Kernfusion.
4.5 Der EWSA hält nicht nur bei der Energienutzung die Förderung einer größeren Effizienz für unabdingbar, sondern auch bei der Nutzung aller natürlichen Ressourcen, insbesondere der Wasserressourcen.
4.6 Der EWSA bekräftigt, wie wichtig es ist, „der Entwicklung von alternativen Kraftstoffen und Technologien für Verkehr, Wärme und Licht Vorrang“ einzuräumen. „Die beste Klimaschutzstrategie ist die Entwicklung neuer Energieoptionen“ anstelle der fossilen Brennstoffe (siehe CESE 766/2010).
4.7 Nach dem Dafürhalten des EWSA sind verstärkte Maßnahmen zur Bekämpfung der Energiearmut erforderlich, die einer Ausgrenzung immer größerer Bevölkerungsteile zu führen droht. (Die grünen Optionen können sich als kostspielig erweisen [erhöhte Tarife und/oder steuerliche Belastung], insbesondere für benachteiligte Bevölkerungsgruppen.) Außerdem muss der europäische Sachverstand gebündelt werden, um neue effiziente, nachhaltige und wettbewerbsfähige „grüne“ Arbeitsplätze zu schaffen und Unterschiede abzubauen (1) und somit dem „Bürger als Verbraucher“ den „Zugang zu Energiedienstleistungen und zur Beschäftigung in kohlenstoffarmen Wirtschaftssektoren“ (2) zu garantieren.
4.8 Die Erzeugung von elektrischer Energie stellt nach Ansicht des EWSA einen prioritären Maßnahmenbereich dar. Es gilt, den Anteil an erneuerbaren Energien und an durch Kernspaltungsverfahren erzeugtem Strom bei einer Umstellung von Typ III auf Typ IV (bei minimalem Abfallaufkommen) anzuheben. Hierbei sollten Investitionen in Abfallbehandlungstechnologien getätigt und die Möglichkeiten der Abfallwiederverwendung im Bereich der Nanowissenschaften untersucht werden.
4.9 Der EWSA hält zur Emissionsreduzierung die Systeme zur CO2-Abscheidung und -Speicherung für wesentlich. Bereits jetzt „sind eine beschleunigte - erschwingliche und wettbewerbsfähige - Entwicklung dieses Verfahrens und sein möglichst frühzeitiger Einsatz anzustreben“ (3), ohne sich auf die fünf Pilotprojekte zu beschränken.
4.10 Der EWSA ist der Auffassung, dass es unabdingbar ist, „alle Facetten der Funktionsweise des Energiebinnenmarkts wie Infrastruktur, öffentliches Beschaffungswesen, reibungsloses Funktionieren des Marktes und Verbraucherschutz“ zu stärken, und dass „die Energieinfrastruktur und die transeuropäischen Transportnetze zur Errichtung des Energiebinnenmarktes unbedingt ausgebaut werden müssen“ (4).
4.11 Der EWSA hält die Errichtung einer integrierten Energiegemeinschaft entsprechend den Bestimmungen von Artikel 1 AEUV (5), die sich in einen integrierten europäischen Bezugsrahmen mit Schwerpunkt auf Wettbewerbsfähigkeit, Wohlergehen und neue Arbeitsplätze für die EU-Bürger einfügt, für unerlässlich.
Brüssel, den 17. Februar 2011
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Staffan NILSSON
(1) ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 65.
(2) ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 81.
(3) ABl. C 27 vom 3.2.2009, S. 75.
(4) ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 81.
(5) ABl. C 83 vom 30.3.2010, S. 47.
6.4.2011 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 107/44 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Aktionsplan für Anwendungen des Globalen Satellitennavigationssystems (GNSS)“
(KOM(2010) 308 endg.)
2011/C 107/09
Berichterstatter: Thomas McDONOGH
Die Europäische Kommission beschloss am 14. Juni 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Aktionsplan für Anwendungen des Globalen Satellitennavigationssystems (GNSS)“
KOM(2010) 308 endg.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 2. Februar 2011 an.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 469. Plenartagung am 16./17. Februar 2011 (Sitzung vom 16. Februar) mit 112 Ja-Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 |
Der Ausschuss begrüßt die Mitteilung der Kommission zu dem „Aktionsplan für Anwendungen des Globalen Satellitennavigationssystems (GNSS)“. Seiner Ansicht nach ist ein Erfolg der europäischen GNSS-Programme wesentliche Voraussetzung für die künftige Gewährleistung von Wohlstand und Sicherheit in der EU. Er fordert den Rat, das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dem Potenzial dieser kritischen Infrastruktur angemessen Rechnung zu tragen und sie mit genügend Finanzmitteln und Ressourcen auszustatten, um sie zum Erfolg zu führen. |
1.2 |
Ohne das europäische GNSS kann die in der Europa-2020-Strategie festgeschriebene Vision eines intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums kaum verwirklicht werden (1). Ein Erfolg des GNSS-Programms wird Wachstum, Innovation und Wohlstandsschaffung in Europa zugute kommen. Neben den umfangreichen Vorteilen für Verkehrssysteme ist das GNSS auch im Zusammenhang mit der Digitalen Agenda (2) für Anwendungen wie kontextsensitive Informationsverarbeitung, intelligente Netze und das Internet der Dinge hochwichtig. |
1.3 |
Bedauerlicherweise hat Europa aufgrund der zeitlichen Verzögerung von Galileo die Chance verpasst, das europäische GNSS als führende Technologie in Europa und über Europa hinaus zu etablieren. Dadurch ist das US-amerikanische GPS nun weltweit die marktbeherrschende Technologie für GNSS-Anwendungen. Diese Verzögerung kommt Europa teuer zu stehen – zum einen aufgrund der entgangenen Einnahmen durch den Verkauf von Technologien und Diensten, zum anderen im Bereich der öffentlichen Versorgungsleistungen durch die Verspätung bei der Einführung intelligenter Verkehrs- und Energiesysteme und besserer Such- und Rettungsdienste. |
1.4 |
Europa benötigt eine eigene Infrastruktur für sein GNSS, deren Zuverlässigkeit nicht den militärischen Prioritäten der USA, Russlands oder Chinas untergeordnet ist. |
1.5 |
In Anbetracht der Verbreitung der GPS-Dienste fordert der Ausschuss die EU-Industrie auf, die Verbundfähigkeit der GPS- und Galileo-Systeme in den Brennpunkt zu rücken, da die Anwendungen, die die Satellitenkonstellationen beider Systeme nutzen können, von einer höheren Genauigkeit der Positionsbestimmung und einer besseren Verfügbarkeit von Signalen profitieren. |
1.6 |
EGNOS ist bereits seit über einem Jahr in Betrieb. Leider hat die EU den richtigen Augenblick verpasst, dieser Innovation auf dem Markt zum Durchbruch zu verhelfen. Die Kommission muss Marktentwicklung und Innovation beschleunigen, insbesondere angesichts der Verzögerungskosten bei Galileo (bis zu 3 Mrd. EUR jährlich) und des zunehmenden Wettbewerbs seitens der USA, Russlands, Chinas und Japans. |
1.7 |
Die langsame Entwicklung der nachgelagerten GNSS-Anwendungen führt zu Einbußen bei Innovation, Wohlstandsschaffung und Marktvorteilen. Ein blühender Markt für Anwendungen eines europäischen GNSS würde umfangreiche wirtschaftliche, soziale und ökologische Vorteile für die dem GNSS vor- und nachgelagerten Bereiche bringen. |
1.8 |
Der Ausschuss ist beeindruckt davon, was die Europäische Kommission und die Aufsichtsbehörde für das Europäische GNSS (GSA) trotz der begrenzten Ressourcen bisher geleistet haben. Aus diesen begrenzten Ressourcen ergibt sich logisch die in der Mitteilung aufgestellte Rangfolge der Prioritäten für GNSS-Bereiche; und auch die für jeden Bereich umrissenen Maßnahmen machen Sinn. |
1.9 |
Das europäische GNSS hat derzeit nur einen geringen Anteil am Weltmarkt für GNSS-Produkte und –Dienste. Der Ausschuss fordert die Vorlage eines detaillierten Geschäftsplans, der über eine aggressive Marketingstrategie auf eine Erhöhung des Marktanteils abhebt, sowie die Einsetzung eines erstklassigen Expertenteams für die Umsetzung der Zielvorgaben. Er empfiehlt, unter Aufsicht der Europäischen Kommission und der GSA ein spezialisiertes Unternehmen mit der Vermarktung des europäischen GNSS zu beauftragen. |
1.10 |
In der Mitteilung werden die hohe Genauigkeit und die Integrität von EGNOS/Galileo zu Recht als große differenzierende Wettbewerbsvorteile auf dem Markt für GNSS-Dienste genannt; allerdings schwinden diese Vorteile in dem Maße, in dem die Konkurrenz in die Aktualisierung ihrer Systeme investiert. Der Ausschuss hält es für notwendig, kontinuierlich in die Verbesserung von EGNOS und Galileo zu investieren, um die technische Überlegenheit zu wahren. Die Kommission sollte in diesem Zusammenhang gezielt nach weiteren Möglichkeiten der strategischen Differenzierung suchen und in die Entwicklung dauerhafter Wettbewerbsvorteile investieren. |
1.11 |
Überraschenderweise wurde Galileo aus der Digitalen Agenda ausgeklammert, was nach Meinung des Ausschusses auf einen Mangel an integrativem Denken auf strategischer Ebene in der Kommission zurückzuführen ist. Die Kommission sollte Synergien zwischen den europäischen GNSS-Programmen, der Digitalen Agenda und der Leitinitiative „Innovationsunion“ ausloten, insbesondere in Bezug auf Innovation, Interoperabilität von Anwendungen, Vermarktung und Finanzierung. Aus einer Zusammenarbeit mit dem Ziel, intelligente Anwendungen und Dienste zu entwickeln und gemeinsame Ziele mit möglichst geringem Mittelaufwand zu erreichen, könnten erhebliche Vorteile erwachsen. |
1.12 |
Der Ausschuss ersucht den Rat, sich dringend mit der Finanzierung von EGNOS/Galileo zu befassen. Unter den derzeitigen Voraussetzungen gehen die Bemühungen, eine starke europäische kommerzielle GNSS-Plattform aufzubauen, ins Leere. |
1.13 |
Nach Meinung des Ausschusses sollte Europa auf jeden Fall die Einzigartigkeit von Galileo als weltweit erstem nichtmilitärischem bzw. zivilem GNSS als Trumpf ausspielen, um seinen Marktanteil in blockfreien Staaten, vor allem in Afrika und Südamerika, auszubauen. Dies vor Augen sollte die Kommission im Rahmen des „International Committee on GNSS (ICG)“ der Vereinten Nationen (3) eine sehr aktive Führungsrolle übernehmen. |
1.14 |
Der Ausschuss betont die Bedeutung einer Markenstrategie und einer Qualitätsmarke (4) für EGNOS/Galileo-Technologie und –Dienste. Die Kommission sollte auf diese beiden wesentlichen Instrumente bauen, um Erfolg auf dem Markt zu erzielen. Ohne Untermauerung der Vermarktungsbemühungen durch eine klare Markenstrategie werden Ressourcen verschwendet und laufen Anstrengungen ins Leere. Und schlecht konzipierte, konstruierte oder funktionierende EGNOS/Galileo-Technologie wird das Markenimage unwiederbringlich schädigen. |
1.15 |
Der Ausschuss erinnert an seine früheren Stellungnahmen zu Galileo, EGNOS, der Europa-2020-Strategie und der Digitalen Agenda (5). |
2. Hintergrund
2.1 |
Wir sind in unserem Alltag mittlerweile so abhängig von Satellitennavigationsdiensten geworden, dass es bei Einschränkung oder Abschaltung eines solchen Dienstes zu äußerst kostspieligen Störungen in der Wirtschaft, im Bankwesen, im Verkehr und Luftverkehr, in der Kommunikation usw. – um nur ein paar betroffene Bereiche zu nennen – kommen könnte (Umsatzausfälle, Beeinträchtigungen der Straßenverkehrssicherheit usw.). |
2.2 |
Das US-amerikanische GPS-System, das russische GLONASS-System und die anderen, von Indien, China und Japan entwickelten Systeme sind ursprünglich für militärische Zwecke konzipiert und unterliegen einer militärischen Kontrolle – sie werden zwar auch im zivilen Bereich eingesetzt, doch können die verwendeten Signale beispielsweise im Konfliktfall nach Belieben abgeschaltet oder verschleiert werden. |
2.3 |
Die Programme EGNOS (Geostationärer Navigations-Ergänzungsdienst für Europa) und Galileo wurden Mitte der 90er Jahre mit dem Ziel aufgelegt, ein unabhängiges europäisches globales Satellitennavigationssystem (GNSS) zu errichten. EGNOS ist ein regionales satellitengestütztes Ergänzungssystem für Europa, das die Signale bestehender Satellitennavigationssysteme wie GPS verbessert. Galileo wird derzeit als eigenes europäisches globales Satellitennavigationssystem entwickelt. |
2.4 |
Das Gemeinsame Unternehmen Galileo (GJU) – eine 2003 eingerichtete und 2006 wieder aufgelöste öffentlich-private Partnerschaft – hatte den Auftrag, die Tätigkeiten im Bereich der technologischen Entwicklung zu überwachen, war dabei jedoch dem Europäischen Rechnungshof zufolge „durch unklare Zuständigkeiten, ein unvollständiges Budget, Verzögerungen und die industrielle Organisationsstruktur für die Entwicklungs- und Validierungsphase erheblich eingeschränkt“. |
2.5 |
Infolge des Scheiterns der ÖPP übernahm die EU 2008 im Wege einer Verordnung die Verwaltung der Programme EGNOS und Galileo und die Eigentumsrechte an den Systemen. Laut Verordnung ist die Europäische Kommission zuständig für die Verwaltung der Programme, alle Fragen in Verbindung mit der Sicherheit der Systeme und die Verwaltung der Mittel, die den Programmen zugewiesen werden. Die Aufsichtsbehörde für das Europäische GNSS (GSA) gewährleistet die Sicherheit der Programme, arbeitet an der Vorbereitung der kommerziellen Nutzung der Systeme mit und führt weitere programmbezogene Aufgaben durch, die ihr von der Kommission übertragen werden können. |
2.6 |
Für die Durchführung der Programme werden zwischen 1. Januar 2007 und 31. Dezember 2013 Haushaltsmittel in Höhe von 3,405 Mrd. EUR zur Verfügung gestellt. Allerdings haben sich diese Ad-hoc-Finanzmittel als unzureichend erwiesen, und es gibt keine detaillierten Mittelbindungen für die künftige Programmfinanzierung. Das Finanzierungsproblem hat die Entwicklung stark behindert. |
2.7 |
Der Aktionsplan für Anwendungen des Globalen Satellitennavigationssystems (GNSS) soll die europäische Industrie in die Lage versetzen, die weltweiten nachgelagerten Märkte, deren Potenzial sich auf ca. 100 Mrd. EUR beläuft, mit Galileo und EGNOS zu durchdringen. Die europäische Industrie sollte der Europäischen Kommission zufolge einen größtmöglichen Nutzen aus den Investitionen in die Programme ziehen. Über koordinierte Maßnahmen will die Kommission in den Mitgliedstaaten so weit wie möglich auf die notwendigen Forschungsinvestitionen aufmerksam machen, relevante Informationen verbreiten und Sensibilisierungsmaßnahmen verbessern. Das Risiko von unterschiedlichen Standards und Doppelarbeit durch Alleingänge der Mitgliedstaaten wird somit unterbunden. |
2.8 |
Der Aktionsplan für GNSS-Anwendungen ist auch wichtig, um den durch die Europa-2020-Leitinitiative „Eine Digitale Agenda für Europa“ bewirkten Nutzen weiter zu erhöhen. Beispielsweise könnte das europäische GNSS anstelle von US-amerikanischer, russischer oder chinesischer Technologie für das Internet der Dinge genutzt werden. |
2.9 |
Mit Hilfe von Galileo kann Europa das Potenzial der Satellitennavigation wesentlich besser ausschöpfen als sonst möglich. Über Galileo kann Europa sein Know-how im Weltraum, am Boden und in den Anwendungsbereichen aufrechterhalten und weiterentwickeln und so die wirtschaftlichen Einnahmen und Arbeitsplätze sichern. Unabhängigen Erhebungen und Prognosen zufolge können dadurch und bei Einrechnung der externen Effekte bei den öffentlichen Versorgungsleistungen (leistungsfähigeres Verkehrswesen aufgrund neuer Anwendungen, bessere Verwaltung der Straßeninfrastruktur, wirksamere Rettungseinsätze usw.) in den ersten 20 Jahren bis zu 90 Mrd. EUR erwirtschaftet werden. |
2.10 |
Allerdings versucht das europäische GNSS, in einem vom US-amerikanischen GPS beherrschten Markt Fuß zu fassen. Zudem werden die zivilen Anwendungen des russischen GLONASS beschleunigt ausgebaut und verbessert, und auch das chinesische COMPASS soll ab dem kommenden Jahr Dienste anbieten. |
2.11 |
China baut sein regionales Navigationssatellitensystem Beidou zum globalen Navigationssystem COMPASS auf, um weltweit wettbewerbsfähige zivile Anwendungen anzubieten. Dazu hat China sich einen Teil des für Galileo beantragten Frequenzspektrums angeeignet und argumentiert, dass es im Recht sei, da Europa die Frequenzen schließlich nicht nutze. Die EU bemüht sich auf höchster diplomatischer Ebene um eine Lösung des Konflikts. |
3. Allgemeine Bemerkungen
3.1 |
Um das wirtschaftliche Potenzial des europäischen GNSS zum Tragen zu bringen und eine hohe Dienstqualität zu gewährleisten, müssen GALILEO und EGNOS GNSS-Standard in Europa werden, mit GPS verbundfähig sein und der Konkurrenz (China, Russland usw.) das Wasser abgraben. |
3.2 |
Die Verbundfähigkeit von GALILEO und GPS muss von der europäischen Industrie als Vorteil begriffen werden, da die Anwendungen, die die Satellitenkonstellationen beider Systeme nutzen können, von einer höheren Genauigkeit der Positionsbestimmung und einer besseren Verfügbarkeit von Signalen profitieren. |
3.3 |
Die Programme EGNOS und Galileo brauchen eine klare Führung und eine vorbehaltlose und umfassende Unterstützung durch die EU, um das durch das Scheitern der ÖPP „Gemeinsames Unternehmen Galileo“ erschütterte Marktvertrauen wieder aufzubauen. |
3.4 |
Ein Erfolg hängt davon ab, dass Wettbewerbsvorteile des europäischen GNSS ausgebaut und genutzt werden. Dazu kann die EU auch Regulierungsmaßnahmen und andere Marktinstrumente einsetzen. |
3.5 |
Bei einer erfolgreichen Marktstrategie muss jeder Bereich der europäischen GNSS-Industrie – Elektronik, Software, Mobilfunk, Funk, Hardware, Satelliten und Anwendungen – unter dem Blickwinkel Produkt/Markt/Wertkette in die Betrachtung einbezogen werden. |
3.6 |
Unter Berücksichtigung des internationalen Wettbewerbsrechts sollte die EU erwägen, in bestimmten Bereichen neue Regulierungsmaßnahmen einzuführen, um die Vorteile von GNSS, insbesondere EGNOS und Galileo, zu nutzen: Vielleicht könnte die EU für spezifische Bereiche wie z.B. die Luftfahrtnavigation den Einsatz von Galileo-Empfängern in Anwendungen und Produkten vorschreiben (nach russischem Vorbild bezüglich GLONASS). Eventuell könnte die EU auch Mindeststandards für Genauigkeit und Integrität für bestimmte Anwendungen vorschreiben, um die Vorteile von Galileo zu nutzen und Wettbewerber abzudrängen. |
3.7 |
Für eine erfolgreiche Marktdurchdringungs- und Anwendungsentwicklungs-Strategie spielt der Empfänger-Chipsatz (6) eine wichtige Rolle, und deshalb ist die Entwicklung kostengünstiger „Dual-Mode“ Galileo-/GPS- Empfängerchips wesentlich. Dazu könnten gezielt F&E-Mittel eingesetzt werden. |
3.8 |
Erfahrungskurveneffekte einer hohen Produktionsmenge sind die Voraussetzung für die preisgünstige Herstellung der Empfängerchips. Es sollte gezielt untersucht werden, wie die EU sicherstellen kann, dass Galileo-Empfänger-Komponenten in ausreichend hoher Stückzahl hergestellt werden können, um im Wettbewerb mit reinen GPS-Empfängern zu bestehen. |
3.9 |
Bei Überlegungen zur Entwicklung der Anwendungsindustrie für das europäische GNSS sollte die Kommission die Gründung und Entwicklung von Innovationsclustern fördern. |
3.10 |
Die Kommission könnte durch die Einbindung großer Unternehmen als Projekt-Champions die Entwicklung von Anwendungen, Produkten und Diensten voranbringen. Diese Champions könnten womöglich eine führende Rolle bei der Entwicklung von KMU-Clustern in spezifischen Anwendungsbereichen oder Produkt-/Marktsegmenten übernehmen. |
3.11 |
Die Förderung und Unterstützung von Unternehmergeist und Innovation ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Einbindung der KMU in die Entwicklung des Marktes für GNSS-Anwendungen. Das Programm für unternehmerische Initiative und Innovation sollte zur Förderung der Mitwirkung von KMU genutzt werden. |
4. Besondere Bemerkungen
4.1 Strategie
4.1.1 |
Galileo und EGNOS müssen zum GNSS-Standard in Europa werden. |
4.1.2 |
Die EU sollte sich dringend darum kümmern, dass alle wichtigen Flughäfen in Afrika mit EGNOS-Technologie ausgestattet werden. Diese langfristig strategisch wichtige Aktion sollte eingeleitet werden, bevor andere Wettbewerber, insbesondere China, auf den Plan treten. |
4.1.3 |
EGNOS ist bereits seit über einem Jahr in Betrieb. Die Vermarktungs- und Innovationsprogramme sollten dringlicher vorangetrieben werden. |
4.1.4 |
Kommission und GSA haben eine schwierige Aufgabe mit sehr begrenzten Mitteln ausgezeichnet bewältigt. Möglicherweise wäre in Betracht zu ziehen, schon bald ein spezialisiertes Unternehmen mit der Vermarktung des europäischen GNSS zu beauftragen. Die kommerzielle Entwicklung von EGNOS und Galileo ist für einen langfristigen Erfolg unerlässlich, und bislang ist in dieser ungemein wichtigen und vielschichtigen Frage nicht genügend unternommen worden. |
4.1.5 |
Die EU benötigt eine aggressive Marketingstrategie, in deren Rahmen ein erstklassiges Expertenteam auf klare, messbare Ziele hinarbeitet. |
4.1.6 |
Eine klare Führung und eine umfassende Unterstützung durch die EU tun Not, um jedwede Unsicherheit im Zusammenhang mit dem GNSS auszuräumen. |
4.1.7 |
Vertrauen in die Leitung und Verwaltung der GNSS-Programme sind maßgeblich für die Unterstützung in der EU und auf dem Markt. Die derzeitigen Führungs- und Verwaltungsstrukturen sollten überprüft werden, um zu entscheiden, ob – und wenn ja, dann welche – Veränderungen erforderlich sind. |
4.1.8 |
Durch eine kreative und synergistische Zusammenarbeit mit anderen Initiativen wie der Digitalen Agenda oder der Innovationsunion sollte es möglich sein, weitere Mittel für die Vermarktungs- und Innovationsprogramme aufzutun. |
4.1.9 |
Für jeden Bereich der nachgelagerten Industrie – Elektronik, Software, Mobilfunk, Funk, Hardware, Satelliten und Anwendungen – muss eine Vermarktungs- und Innovationsstrategie unter den Gesichtspunkten Wertkette/Produkt-/Marktsegmente aufgestellt werden. |
4.1.10 |
Die Kommission sollte prüfen, in welchen Bereichen neue Regulierungsmaßnahmen eingeführt werden könnten, um die Vorteile von europäischen GNSS-Anwendungen und -Technologien zu nutzen. |
4.1.11 |
Es wäre festzustellen, über welche Art von Regulierungsmaßnahmen sichergestellt werden kann, dass EGNOS/Galileo-Technologien gegenüber weniger guten Technologien bevorzugt werden, insbesondere für Anwendungen, bei denen es auf die kontinuierliche Verfügbarkeit der Dienste oder hohe Genauigkeit und Integrität oder auf Sicherheit ankommt. |
4.1.12 |
Die EU sollte in den europäischen Foren für die Festlegung von Industriestandards (in den Bereichen Verkehr, Luftfahrt, Landwirtschaft) kämpferisch auftreten, um die EGNOS/Galileo-Technologie durchzusetzen, und sich für die bereits vorhandene Verbundfähigkeit von Galileo und GPS stark machen. |
4.1.13 |
Als vorrangige strategische Priorität sollte die Absenkung der Kosten für EGNOS/Galileo-Empfänger-Chipsätze unter die Kosten von reinen GPS-Chipsätzen anvisiert werden. Erfahrungskurveneffekte einer hohen Produktionsmenge sind die Voraussetzung für die preisgünstige Herstellung der Empfängerchips und ihren Einsatz in Anwendungen. |
4.1.14 |
Im Hinblick auf gemeinsame Innovations- und Vermarktungsprogramme sollten dringend Synergien mit den Initiativen „Digitale Agenda“ und „Innovationsunion“ ermittelt werden. |
4.1.15 |
Insbesondere sollte der Unternehmergeist der KMU im Hinblick auf ihre Mitwirkung an der Entwicklung von GNSS-Anwendungen gefördert und unterstützt werden. |
4.1.16 |
Über ein gezieltes Innovationscluster-Entwicklungsprogramm sollten alle Produkt-/Marktgelegenheiten für EGNOS und Galileo erfasst werden. |
4.1.17 |
Auf einer Value Map sollten alle Unternehmen und Organisationen dargestellt werden, die an der Entwicklung von Technologie, Anwendungen und Diensten für EGNOS/Galileo beteiligt sein könnten oder sollten. Die Value Map würde vorhandene und potenzielle Verbindungen zwischen den zahlreichen Akteuren verdeutlichen. Es würde sich um ein machtvolles strategisches Instrument zur Erkennung von Gelegenheiten, Analyse von Problemen und Entwicklung von Plänen handeln. |
4.1.18 |
Geeignete große Unternehmen sollten formell als Projekt-Champions eingebunden werden und eine Meinungsbildnerfunktion bei der Entwicklung von GNSS-Anwendungen in Europa übernehmen. |
4.2 Innovation
4.2.1 |
Nur EGNOS/Galileo-Technologie und Dienste, die höchsten Qualitätsansprüchen genügen, dürfen in Verkehr gebracht werden. Die Technologien müssen sowohl in der Entwicklungsphase als auch auf Endnutzerebene einer ständigen strengen Qualitätskontrolle unterzogen werden. |
4.2.2 |
Es sollten weitere differenzierende Merkmale über Genauigkeit und Integrität hinaus geschaffen werden, indem beispielsweise über innovative Geschäftsmodelle neue Angebote entwickelt werden, die den Verbund mit anderen Technologien und Diensten ermöglichen. |
4.2.3 |
Intelligente Produkte und Dienste, die auf integrierten Technologien und Dienstkomponenten fußen, sollten in Zusammenarbeit mit den Initiativen „Digitale Agenda“ und „Innovationsunion“ gefördert werden. |
4.2.4 |
An dem Anwender-Forum sollten auch Interessenträger teilnehmen, die nicht aus den gängigen Technologie- und Dienstebereichen stammen. Ihre Mitwirkung würde Innovation und kreatives Denken über die bisherigen Horizonte hinaus anregen. |
4.2.5 |
Die Entwicklung kostengünstiger „Dual-Mode“ GPS-EGNOS/Galileo-Empfängerchips sollte vorrangig betrieben werden. |
4.2.6 |
Über eine geeignete Strategie ist sicherzustellen, dass die Erfahrungskurveneffekte, die sich aus einer hohen Produktionsmenge und der daraus folgenden preisgünstigen Herstellung der Empfängerchips ergeben, auch dazu führen, dass EGNOS/Galileo-Chipsätze kostenmäßig im Wettbewerb mit reinen GPS-Empfängern bestehen können. |
4.3 Vermarktung
4.3.1 |
Die Entwicklung des Marktes für GNSS-Anwendungen sollte Marketingexperten anvertraut werden. Die aktuelle Organisations- und Personalstruktur sollte darauf hin überprüft werden. Eventuell wäre in Betracht zu ziehen, unter der Leitung der Europäischen Kommission und der GSA ein spezialisiertes Unternehmen mit der Vermarktung zu beauftragen. |
4.3.2 |
Ein umfassender, wohl durchdachter und solide finanzierter Marketingplan ist wesentlich für eine erfolgreiche Durchführung des Aktionsplans. |
4.3.3 |
Europa sollte über intelligente Zielsetzungen anstreben, seinen Anteil an den Einnahmen auf dem weltweiten nachgelagerten GNSS-Markt zu erhöhen. Die Ziele sollten unter den Gesichtspunkten Wertkette/Marktsegment aufgestellt werden. |
4.3.4 |
Für EGNOS/Galileo sollte eine globale Markenstrategie aufgestellt werden, um die Ziele abzustimmen, den Markenwert herauszustellen, die Marktkommunikation zu vereinfachen und die Marketingprioritäten zu klären. |
4.3.5 |
Über eine ausreichend finanzierte und zielorientierte öffentliche Kommunikations- und Sensibilisierungskampagne sollte EGNOS/Galileo den Bürgern vermittelt werden - allerdings nur im Rahmen einer geeigneten Markenstrategie. |
4.3.6 |
Jede zugelassene EGNOS/Galileo-Technologie sollte mit einem speziellen Gütezeichen versehen werden, um die EGNOS/Galileo-Marke vor Imageschäden zu schützen. |
4.3.7 |
Champions sollten hinzugezogen werden, um KMU zu überzeugen, sich in die Entwicklung einzubringen. |
4.3.8 |
Auf allen Zielmärkten sollten die Champions und Meinungsbildner, insbesondere unter den Großunternehmen, gesucht und umworben werden. |
Brüssel, den 16. Februar 2011
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Staffan NILSSON
(1) „EUROPA 2020: Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“, KOM(2010) 2020 endg.
(2) „Eine Digitale Agenda für Europa“, KOM(2010) 245 endg.
(3) http://www.oosa.unvienna.org/oosa/SAP/gnss/icg.html
(4) „Qualitätsmarke“ ist zu verstehen als ein Markensystem mit Lizenzvergabe an zugelassene EGNOS/Galileo-Technologieanbieter für den Vertrieb von Technik und Anwendungen, die strengen Qualitätsstandards genügen. Die Wi-Fi-Alliance beispielsweise hat ein solches Markensystem mit großem Erfolg eingesetzt, um die WLAN-Technologie auf dem Markt durchzusetzen. Siehe http://en.wikipedia.org/wiki/Wi-Fi_Alliance bzw. http://de.wikipedia.org/wiki/Wi-Fi.
(5) ABl. C 221 vom 8.9.2005, S. 28; ABl. C 317 vom 23.12.2009, S. 103-104; ABl. C 54 vom 19.02.2011, S. 58.
(6) Mit „Chipsatz“ bezeichnet man im Allgemeinen mehrere zusammengehörende integrierte Schaltkreise, die zusammen eine bestimmte Aufgabe erfüllen. Sie werden normalerweise als Einheit vertrieben. Ein Chipsatz wird im Allgemeinen auf eine bestimmte Mikroprozessorenfamilie zugeschnitten. Der Chipsatz hat großen Einfluss auf die gesamte Rechnerleistung. Er steuert das Zusammenspiel und den Datenfluss zwischen dem Prozessor, dem Arbeitsspeicher, den Bussystemen sowie den internen und externen Schnittstellen.
6.4.2011 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 107/49 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über den Einsatz von Sicherheitsscannern auf EU-Flughäfen“
(KOM(2010) 311 endg.)
2011/C 107/10
Berichterstatter: Bernardo HERNÁNDEZ BATALLER
Die Europäische Kommission beschloss am 15. Juni 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über den Einsatz von Sicherheitsscannern auf EU-Flughäfen“
KOM(2010) 311 endg.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 2. Februar 2011 an.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 469. Plenartagung am 16./17. Februar 2011 (Sitzung vom 16. Februar) mit 104 Ja-Stimmen bei 1 Gegenstimme und 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen
1.1 Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss teilt den Standpunkt, dass die Luftsicherheit als schützenswertes Rechtsgut anerkannt werden muss, ist allerdings der Auffassung, dass die Europäische Kommission einen ganzheitlicheren Ansatz wählen sollte, „bei dem ein besserer Austausch von Ermittlungserkenntnissen und die Humanfaktoranalyse“ künftig wesentliche Elemente sein werden und nicht nur die Nutzung von Technologien, die ernsthafte Zweifel hervorrufen und Gefahren beinhalten, die bislang nicht angemessen ausgeräumt bzw. abgewendet werden konnten.
1.2 So könnte insbesondere die Wahrung der Grundrechte durch den Einsatz dieser Art von Scanner in Bezug auf Menschenwürde, Privatsphäre und Datenschutz beeinträchtigt werden, wenn Bilder rechtswidrig gespeichert, gedruckt, weitergeleitet oder aufbewahrt und in der Folge verbreitet werden. Abgesehen davon sollte den Fluggästen nach Meinung des Ausschusses auch sonst das Recht eingeräumt werden, eine solche Kontrolle abzulehnen. Ganz gleich, ob sie sich dieser Kontrolle unterziehen oder nicht, darf ihnen das Besteigen des Flugzeugs nicht verweigert werden. Darüber hinaus müssen strikte Rechtsgarantien festgelegt werden, damit die Fluggäste, die diese Scanner-Kontrollen ablehnen, keine zusätzlichen Unannehmlichkeiten wie lange Warteschlangen bei den Kontrollen oder übergenaue Kontrollen mitmachen müssen.
1.3 In Bezug auf den Gesundheitsschutz fordert der Ausschuss die Europäische Kommission auf, fundierte Studien zu den möglichen Auswirkungen derartiger Vorschriften auf die Gesundheit der Fluggäste und der Flughafenmitarbeiter, die sich diesen Kontrollen aufgrund ihrer Arbeit häufig unterziehen, vorzulegen, da im Zweifelsfall die Nutzung anderer Geräte besser wäre.
1.4 Der Ausschuss weist die Europäische Kommission darauf hin, dass der wirkungsvolle Rechtsschutz in der Mitteilung ausgeklammert wird, der der schwächeren Partei, d.h. den Fluggästen als Kunden von Fluggesellschaften und Flughäfen, zuerkannt werden muss, da ohne ausreichende Verfahrensgarantien der Schutz der individuellen Rechte nicht gewährleistet ist.
1.5 Nach Ansicht des Ausschusses sollten Alternativen für den Einsatz von Sicherheitsscannern beziehungsweise Ganzkörperscannern ernsthaft erwogen werden. Als Alternative bietet sich der Einsatz technischer Systeme zur schematischen Lokalisierung und Erkennung von Bedrohungsquellen an, die durch eine händische Nachkontrolle genauer spezifiziert werden können.
2. Einleitung und Inhalt der Mitteilung
2.1 Gegenstand der Kommissionsmitteilung ist der zunehmende Einsatz von Sicherheitsscannern auf den Flughäfen der Europäischen Union, für den Regelungen auf nationaler Ebene gelten.
2.2 Laut Europäischer Kommission können nur die gemeinsamen europäischen Luftsicherheitsstandards den Rahmen für ein harmonisiertes Konzept für den Einsatz von Sicherheitsscannern auf Flughäfen bilden.
2.3 Die Europäische Kommission betont, dass die Luftsicherheit auf neuartige Weise bedroht ist. Die auf den Flughäfen eingesetzten herkömmlichen Sicherheitstechnologien stellen keine angemessene und effiziente Antwort auf diese neuen Bedrohungen dar. Folglich haben einige Mitgliedstaaten damit begonnen, Sicherheitsscanner auf ihren Flughäfen zu erproben und einzusetzen. Dies hat dazu geführt, dass innerhalb der EU unterschiedliche Regelungen angewendet werden.
2.3.1 Als Sicherheitsscanner werden Geräte bezeichnet, die in der Lage sind, unter der Kleidung mitgeführte Gegenstände zu erkennen. Dabei wird Strahlung unterschiedlicher Wellenlängen und emittierter Energie verwendet, um andere Materie als menschliche Haut zu identifizieren.
2.4 Gemäß EU-Recht können die Mitgliedstaaten Sicherheitsscanner auf ihren Flughäfen einsetzen entweder i) in Ausübung ihres Rechts zur Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen, die über geltende EU-Anforderungen hinausgehen, oder ii) vorübergehend in Ausübung ihres Rechts, neue technische Verfahren oder Methoden für einen Zeitraum von längstens 30 Monaten zu erproben.
2.5 Was den Gesundheitsschutz und im Besonderen die Verwendung ionisierender Strahlung angeht, werden in europäischen Rechtsvorschriften nach dem Euratom-Vertrag einmalige und jährliche Dosisgrenzwerte für die Strahlung festgelegt, ein legitimer Grund für die Strahlenexposition von Menschen gefordert und Schutzmaßnahmen verlangt, die die Strahlenbelastung auf das geringstmögliche Maß beschränken.
2.6 Die Europäische Kommission weist darauf hin, dass es Hauptgrundsatz der europäischen wie auch der internationalen Vorschriften ist, gefährliche Gegenstände wie Waffen, Messer oder Sprengstoffe („verbotene Gegenstände“) von Flugzeugen fern zu halten.
2.6.1 In dem gemeinsamen Rechtsrahmen ist das Konzept der einmaligen Sicherheitskontrolle („One-stop security“) vorgesehen, das bereits in einigen, aber nicht allen Mitgliedstaaten zur Anwendung kommt; dies wird in Zukunft sowohl für die Branche selbst als auch die Fluggäste das wichtigste Element bei der Vereinfachung der Reiseformalitäten sein.
2.7 Mit den Vorschriften des geltenden EU-Rechtsrahmens für die Luftsicherheit erhalten die Mitgliedstaaten und/oder Flughäfen eine Liste von Kontrollverfahren und -technologien, aus der sie die Elemente auszuwählen haben, die zur wirksamen und effizienten Wahrnehmung ihrer Luftsicherheitsaufgaben erforderlich sind.
2.7.1 Die derzeitigen Rechtsvorschriften erlauben es Flughäfen nach Meinung der Europäischen Kommission nicht, anerkannte Kontrollverfahren und -technologien systematisch durch Sicherheitsscanner zu ersetzen. Nur ein Beschluss der Europäischen Kommission nach dem Komitologieverfahren mit Unterstützung der Mitgliedstaaten und des Europäischen Parlaments kann Grundlage für den Einsatz von Sicherheitsscannern als weiteres zulässiges Verfahren zur Gewährleistung der Luftsicherheit sein.
3. Bemerkungen
3.1 Der Ausschuss hegt ernste und ausdrückliche Vorbehalte gegen das in der Kommissionsmitteilung dargelegte Konzept. Zunächst einmal lehnt er die hypothetische Annahme und Umsetzung einer künftigen Verordnung ab, die den Einzelnen in der Ausübung seiner Grundrechte beeinträchtigen kann. Wir haben es allerdings mit Technologien zu tun, die sich noch in einem starken Entwicklungsfluss befinden. Es muss erst ein absolut zuverlässiges System entwickelt werden, das weder die Grundrechte beeinträchtigt noch die menschliche Gesundheit gefährdet, ehe der Ausschuss einem Sicherheitskontrollmechanismus zustimmen kann, bei dem weniger aufdringliche Technologien zum Einsatz kommen.
3.1.1 Konkret weisen einige Aspekte der Kommissionsmitteilung erhebliche rechtliche Lücken auf.
3.1.2 Erstens herrschen Zweifel an der Angemessenheit des Hauptziels dieser Rechtsvorschrift, namentlich dem allgemeinen Einsatz von „Sicherheitsscannern“ auf EU-Flughäfen zur Erreichung der größtmöglichen Luftsicherheit. Auch wenn die Einführung dieser Scanner laut Europäischer Kommission optional ist, so können die Fluggäste sich dieser Kontrolle dann jedoch keinesfalls entziehen. Vor der Annahme einer derartigen Maßnahme muss geklärt werden, ob sie dem Kriterium der Verhältnismäßigkeit zwischen der Notwendigkeit ihrer Annahme und weiteren Aspekten entspricht, u.a. die Kosten für die Anwendung dieser Sicherheitsscanner. Die Einführung dieser Systeme (Anschaffungskosten für die Grundausstattung plus zusätzliche logistische Unterstützung) auf allen EU-Flughäfen ist für die öffentliche Hand angesichts der erheblichen Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit sowie einer möglichen Beeinträchtigung der Gesundheit und der Grundrechte zu aufwändig. Angesichts eines Marktes, der sich dermaßen rasant weiterentwickelt, ist es nach Ansicht des Ausschusses sinnvoller, die Marktreife anderer, ausgefeilterer Technologien abzuwarten, die weniger aufdringlich sind und dem gesetzten Ziel, namentlich der Luftsicherheit, besser gerecht werden. Nach Ansicht des Ausschusses sollten Alternativen für den Einsatz von Sicherheitsscannern beziehungsweise Ganzkörperscannern ernsthaft erwogen werden. Als Alternative bietet sich der Einsatz technischer Systeme zur schematischen Lokalisierung und Erkennung von Bedrohungsquellen an, die durch eine händische Nachkontrolle genauer spezifiziert werden können.
3.1.3 Zweitens wurde die ernsthafte Beschneidung der Grundrechte infolge der künftigen Anwendung der Verordnung nicht sorgfältig abgewogen. So haben Sicherheitskräfte in Florida in einem Gerichtsgebäude, in dem die Millimeterwellen-Technologie zum Einsatz kommt, 35 000 Bilder aufbewahrt, die dann im Internet verbreitet wurden, wodurch die Grundrechte von Abertausenden Bürgern verletzt wurden.
3.1.4 Drittens kann sowohl das von der Europäischen Kommission gewählte Rechtsinstrument selbst als auch das Verfahren für seine Annahme in Frage gestellt werden.
3.2 Vor dem Hintergrund der in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes seit langem festgelegten Kriterien wird den drei Kriterien Notwendigkeit, Verhältnismäßigkeit und Rechtmäßigkeit in der Kommissionsmitteilung offenbar nicht strikt Rechnung getragen; doch diese müssen für alle Maßnahmen, die von den Behörden eines Rechtstaates bzw. einer Rechtsunion angenommen werden, gelten, um die Ausübung der Rechte und Freiheiten der Bürger nicht zu beschneiden.
3.2.1 In Bezug auf den ersten Aspekt sind aufgrund der unausgegorenen Verbindung zwischen der vorgeschlagenen Maßnahme, namentlich der Einführung von „Sicherheitsscannern“, und dem Ziel höherer Luftsicherheitsstandards ernste Zweifel angebracht.
3.2.2 In Bezug auf die Bewertung der Hinzunahme neuer Verfahren und Technologien räumt die Europäische Kommission nach den verschiedenen Luftsicherheitsvorfällen in jüngster Vergangenheit in dieser Mitteilung selbst ausdrücklich ein, dass sich diese „mehr und mehr als ineffizient [erweist]“, und plädiert vielmehr für „einen eher ganzheitlichen Ansatz, bei dem ein besserer Austausch von Ermittlungserkenntnissen und die Humanfaktoranalyse künftig wesentliche Elemente sein werden“.
3.2.3 Es ist kein Zufall, dass diese Einschätzung mit dem Standpunkt des Europäischen Datenschutzbeauftragten (EDSB) übereinstimmt, der im Auftrag der Europäischen Kommission einen Ad-hoc-Bericht zu der umstrittenen Rechtsvorschrift erarbeitet hat und diesen Standpunkt auch in all seinen Stellungnahmen zur Anwendung der europäischen Antiterror-Sicherheitsmaßnahmen vertreten hat.
3.2.4 Es muss ein Gleichgewicht zwischen der Notwendigkeit, das Problem der Luftsicherheit in einem absolut diskriminierungsfreien europäischen Ansatz anzugehen, und der definitiven Einführung der einmaligen Sicherheitskontrolle („One-stop security“) gefunden werden, und zwar im Einklang mit den Grundrechten, insbesondere in Bezug auf die Einwilligung in eine freiwillige Kontrolle mit diesen Technologien.
3.2.5 Noch eindringlicher ist der Standpunkt der Arbeitsgruppe, die nach Artikel 29 der Richtlinie 95/46/EG eingesetzt wurde. Sie bekräftigt in ihrem Bericht vom 11. Februar 2009, dass diese Scanner keine Alternative zu den bereits angewendeten Methoden zur Erkennung von Elementen, die die Luftsicherheit bedrohen, sind, und kommt sogar zu dem Schluss, dass keinerlei Informationen vorliegen, die die Notwendigkeit der Ersetzung der geltenden Kontrollmaßnahmen in Flughäfen durch diese Scanner rechtfertigen.
3.3 Des Weiteren zeigt sich der Ausschuss in Bezug auf die gravierenden Auswirkungen besorgt, die die Umsetzung der auf dieser Mitteilung beruhenden Verordnung auf die Ausübung der Grundrechte haben könnte.
3.3.1 Die beeinträchtigten Grundrechte stehen in Kontrast zu der umfassenden Analyse der wirtschaftlichen Kosten der Einführung der Scanner auf den Flughäfen, mit der ihr Nutzen gerechtfertigt wird.
3.3.2 Es geht darum, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit zu finden; hierfür ist aus verschiedenen Gründen eine umsichtige Auslegung der Rechtsvorschriften erforderlich.
3.3.3 Einerseits entsprechen die am stärksten betroffenen Rechte und Freiheiten fast ausschließlich den Rechten und Freiheiten, die der Europäische Menschenrechtsgerichthof zum unantastbaren Kern der in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten öffentlichen Ordnung erklärt hat.
3.3.4 Daher darf jedwede Einschränkung dieser Rechte und Freiheiten lediglich die Ausnahme sein, wenn es tatsächlich keine Alternative gibt, die einen weniger gravierenden Eingriff in diese Rechte und Freiheiten darstellt; sie muss einer supranationalen Kontrolle unterliegen und im Einklang mit den Praktiken einer fortschrittlichen demokratischen Gesellschaft stehen. Um etwaige Verletzungen der Grundrechte anzugehen, muss die Europäische Kommission in der künftigen Verordnung auf alle Fälle vereinfachte und Dringlichkeitsverfahren vorsehen bzw. auf die in den Mitgliedstaaten bestehenden Verfahren verweisen.
3.3.5 Andererseits, wie auch von Generalanwältin Eleanor SHARPSTON in ihren Schlussanträgen betreffend die Rechtssache C-345/06 (Heinrich) zur Annahme eines Legislativvorschlags der Europäischen Kommission zur Luftsicherheit betont, gibt es in der EU keine zwingenden Argumente, die die Aussetzung oder Beschränkung von Grundrechtsgarantien rechtfertigen, um eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit auf Flughäfen zu verhindern, die in schwierigen Zeiten bzw. unter widrigen Umständen außerordentlich hoch sein kann.
3.4 Besondere Sorge hegt der Ausschuss im Hinblick auf die Gesundheit der Fluggäste und des Flughafenpersonals, das sich diesen Kontrollen aufgrund seiner Arbeit unterzieht. Der Ausschuss fordert in diesem Zusammenhang, dass der wiederholte Einsatz von High-Tech-Geräten durch entsprechend qualifiziertes Personal erfolgen muss. Dabei spielen entsprechend gute Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen eine wesentliche Rolle. Durch den Einsatz qualifizierten Personals würde ein Beitrag zur Reduzierung mehrmaliger und gesundheitsbelastender Kontrollen durch Metalldetektorschleusen geleistet werden.
3.5 Der Ausschuss hofft, dass mit dem Kommissionsvorschlag ein hohes Gesundheitsschutzniveau auf der Grundlage fundierter, schlüssiger und zuverlässiger wissenschaftlicher Untersuchungen und Studien, die den Bedürfnissen der Fluggäste gerecht werden, erreicht wird, um jedwede gesundheitsschädigende Exposition auf ein Minimum zu beschränken. Außerdem müssen Sonderregelungen für gesundheitlich besonders sensible und/oder gefährdete Fluggäste wie Schwangere, Kinder, Menschen mit Behinderungen und Menschen, die unter bestimmten Krankheiten leiden, bei denen von dieser Art Kontrolle abgeraten wird, festgelegt werden.
3.6 Es gibt darüber hinaus keinerlei schlüssigen Beweis dafür, dass die Nutzung von Scannern für die menschliche Gesundheit unschädlich ist. Außerdem wurde für den Falle einer Verallgemeinerung ihrer Nutzung keinerlei Verhaltenskodex ausgearbeitet, der den Ansprüchen der Bestimmungen für den Schutz personenbezogener Daten genügt. Diesbezüglich muss die Europäische Kommission die bestehenden Protokolle überarbeiten, damit den Bedenken in Bezug auf die Wahrung der Grundrechte angemessen Rechnung getragen wird. Des Weiteren müssen sie entsprechend verbreitet werden, damit die Fluggäste insbesondere darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass die Nutzung der Scanner auf rein freiwilliger Basis erfolgt und nicht verpflichtend ist.
3.6.1 Es muss auf jeden Fall die Möglichkeit bestehen, die Scanner-Kontrollen abzulehnen. Darüber hinaus müssen strikte Rechtsgarantien festgelegt werden, damit die Fluggäste, die diese Scanner-Kontrollen ablehnen, keine zusätzlichen Unannehmlichkeiten wie lange Warteschlangen bei den Kontrollen oder übergenaue Kontrollen mitmachen müssen. In der Kommissionsmitteilung wird auf diese beiden Aspekte nicht eingegangen.
3.7 Für Befremden sorgen ferner die im Kommissionsvorschlag gewählte Terminologie und die Präsentation des Themas.
3.7.1 Die Europäische Kommission verwendet ex novo den Begriff „Sicherheitsscanner“ anstelle von „Ganzkörperscannern“, von denen bislang in der öffentlichen Konsultation zu diesem Thema die Rede war, die sie auf Ersuchen des Europäischen Parlaments in seiner Entschließung vom 23. Oktober 2008 durchgeführt hat.
3.7.2 Diese begriffliche Änderung entspricht dem Versuch, diese Mitteilung im Hinblick auf ihre Akzeptanz politisch „attraktiver“ zu machen; dies zeigt auch die positive Haltung der Europäischen Kommission gegenüber der Einführung dieser Scanner als Teil der Sicherheitsmaßnahmen auf den Flughäfen der Mitgliedstaaten.
3.7.3 So bekräftigt die Europäische Kommission in Ziffer 34 ihrer Mitteilung, dass Sicherheitsscanner alle anderen Luftsicherheitsmaßnahmen weitgehend ersetzen können.
3.7.4 Gleichermaßen wird in Ziffer 45 der Kommissionsmitteilung betont, dass „Sicherheitsscanner bei der derzeit zur Verfügung stehenden Technologie die Wahrscheinlichkeit, Bedrohungen zu erkennen, [maximieren] und zu einer wesentlich besseren Prävention befähigen“.
3.7.5 In Ziffer 82 bekräftigt die Europäische Kommission, dass „der Einsatz von Sicherheitsscannern insbesondere auf Großflughäfen einen Zugewinn an Flexibilität und eine weitere Verbesserung der Luftsicherheit ermöglichen [könnte]“.
3.7.6 Angesichts der mannigfaltigen Unsicherheiten in Verbindung mit dem Einsatz dieser Scanner sowie ihren zweifellos negativen Auswirkungen auf die Rechte und Grundfreiheiten wäre es sinnvoll, einen vielschichtigeren Text vorzulegen, in dem der Stand der Entwicklungen und mögliche Alternativen auf objektivere Weise dargelegt werden.
3.7.7 Eigentümlich muten nicht nur die von der Europäischen Kommission in dieser Mitteilung gewählten Formulierungen an, sondern auch der letzte der oben genannten Aspekte, nämlich die Wahl des Rechtsinstruments (eine Verordnung) und die Angemessenheit des Verfahrens für seine Annahme (Komitologieverfahren).
3.8 Alles in allem ruft diese Mitteilung schwere Zweifel hervor, und zwar weniger an ihrer Legalität, als vielmehr an ihrer Legitimität.
3.8.1 Natürlich kann die Europäische Kommission in diesem Bereich auf der Grundlage der Befugnisse handeln, die ihr in Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates übertragen werden.
3.8.2 Bei der Ausarbeitung eines derart umstrittenen Vorschlags hätte sie jedoch vor allem vor dem Hintergrund der jüngsten Erfahrungen weit umsichtiger vorgehen müssen, nachdem sie aufgrund gerichtlicher Anfechtungen in eben diesem Bereich erlassene Rechtsakte ändern musste.
3.8.3 Unter diesen Umständen scheint es angemessener, einen an alle Mitgliedstaaten gerichteten Beschluss oder, um den zuständigen Behörden einen größeren Handlungsspielraum einzuräumen und eine längere (freiwillige) Testphase zu ermöglichen, eine Empfehlung zu wählen.
3.8.4 Außerdem sollte betont werden, dass das von der Europäischen Kommission für die Annahme dieses Legislativvorschlags verfolgte Komitologieverfahren trotz aller Rechtmäßigkeit für die Ausarbeitung eines so wichtigen Rechtsaktes zu unflexibel und undurchsichtig ist.
3.8.5 Dies trifft umso mehr zu, da mit dem Vertrag von Lissabon und dem neuen Artikel 290 AEUV die Grundlagen für einen neuen Mechanismus geschaffen werden, nach dem die Europäische Kommission die ihr seitens Rat und Europäischen Parlament übertragenen Befugnisse ausüben kann, wobei diese beschließen können, die Übertragung ohne weitere Rechtfertigungen zu widerrufen (Artikel 290 Absatz 2 Buchstabe a) AEUV). In diesem Zusammenhang sollte die Europäische Kommission abwägen, ob es aufgrund der erheblichen Auswirkungen, die das Inkrafttreten dieses Verordnungsvorschlags auf den Rechtsbesitzstand der Bürger haben könnte, nicht besser wäre, diesen Vorschlag in einen breiteren institutionellen Rahmen zu stellen, der für die öffentliche Debatte mit allen Interessenträgern und die ideologische Debatte zwischen den repräsentativen politischen Parteien offen ist, wie dies in einer parlamentarischen Demokratie üblich ist, und in dem das Europäische Parlament, da es um die Grundrechte geht, eine zentrale Rolle übernimmt - all dies ist im Komitologieverfahren nicht möglich.
Brüssel, den 16. Februar 2011
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Staffan NILSSON
6.4.2011 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 107/53 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über das erste Programm für die Funkfrequenzpolitik“
(KOM(2010) 471 endg. — 2010/0252 (COD))
und zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Europäische Breitbandnetze: Investition in ein internetgestütztes Wachstum“
(KOM(2010) 472 endg.)
2011/C 107/11
Berichterstatter: Thomas McDONOGH
Das Europäische Parlament und der Rat beschlossen am 7. Oktober 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 und Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über das erste Programm für die Funkfrequenzpolitik“
KOM(2010) 471 endg. — 2010/0252 (COD).
Die Europäische Kommission beschloss am 20. September 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Europäische Breitbandnetze: Investition in ein internetgestütztes Wachstum“
KOM(2010) 472 endg.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 2. Februar 2011 an.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 469. Plenartagung am 16./17. Februar 2011 (Sitzung vom 16. Februar) mit 108 Ja-Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen
1.1 Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beglückwünscht die Kommission zu allen drei Teilen dieses „Breitbandpakets“. Sie werden zum richtigen Zeitpunkt vorgelegt, sind gut durchdacht und haben einen umfassenden Anwendungsbereich.
1.2 Der Ausschuss unterstützt nachdrücklich das in der Digitalen Agenda formulierte Ziel, aus einem digitalen Binnenmarkt, der auf einem schnellen bis extrem schnellen Internet beruht, einen nachhaltigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen zu ziehen, und billigt uneingeschränkt das in diese Leitinitiative (1) aufgenommene ehrgeizige Breitbandziel. Der Ausschuss ist jedoch der Ansicht, dass in einigen Jahren noch ehrgeizigere Ziele für den Internetanschluss festgelegt werden müssen, damit Europa international auch weiterhin wettbewerbsfähig bleibt (2).
1.3 Der Ausschuss nimmt schockiert die steigende Arbeitslosigkeit, insbesondere bei jungen Menschen (unter 25-Jährige) (3), in Europa zur Kenntnis. Seiner Meinung nach ist die erfolgreiche Umsetzung des „Breitband-Pakets“ der Schlüssel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch die Schaffung eines intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums in Europa gemäß der Europa-2020-Strategie.
1.4 Der Ausschuss stellt zu seiner Zufriedenheit fest, dass die Regulierungsgrundsätze des Breitbandpakets mit dem überarbeiteten Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsdienste (4) im Einklang stehen.
1.5 Der Ausschuss erachtet den Grundsatz der Netzneutralität (5) als äußerst wichtig für die Zukunft von Internetdiensten in Europa. Er hat den Bericht der Kommission über die öffentliche Konsultation zum Thema „Offenes Internet und Netzneutralität“ (6) zur Kenntnis genommen und begrüßt, dass sich Vizepräsidentin Nelly Kroes für diesen Grundsatz ausspricht (7). Allerdings ist er besorgt, dass für Diensteanbieter mit erheblicher Marktmacht wirtschaftliche Anreize bestehen, gegen den Grundsatz der Netzneutralität und die Interessen der Mehrheit der Bürger zu handeln. Seiner Auffassung nach bedürfen die Bestimmungen des Rechtsrahmens für die Telekommunikation (8) möglicherweise weiterer Änderungen, um die Befugnisse der nationalen Regulierungsbehörden (NRB) zu stärken und auf diese Weise sicherzustellen, dass das Internet in ganz Europa offen bleibt und der Grundsatz der Netzneut ralität von den Diensteanbietern umfassend geachtet wird.
1.6 Der Ausschuss weist die Kommission auf zahlreiche frühere Stellungnahmen hin, in denen er seine Unterstützung für die Informationsgesellschaft die Europa-2020-Strategie und die Digitale Agenda betont hat, sowie auf die Stellungnahmen, in denen er darauf hingewiesen hat, dass hochwertige, schnelle Internetzugänge den Bürgern überall in der EU zur Verfügung stehen müssen und ein ausgewogenes Regulierungsumfeld für Kommunikationsdienste geschaffen werden muss, die Dienste in hoher Qualität zu erschwinglichen Preisen bereitstellen (9).
1.7 Breitbandstrategie
1.7.1 Der Ausschuss ist überzeugt, dass der wirksamen Umsetzung der EU-Breitbandstrategie für das künftige wirtschaftliche und soziale Wohlergehen aller Bürger eine sehr große Bedeutung zukommt. Da jedoch die Finanzlage noch auf Jahre hinaus schwierig sein wird, befürchtet der Ausschuss, dass das Erreichen der Breitbandziele Europa vor erhebliche Herausforderungen stellt. Der Ausschuss fordert den Rat, die Kommission, die Mitgliedstaaten und die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die Verwirklichung der in der Digitalen Agenda formulierten Breitbandziele zu fördern.
1.7.2 Der Ausschuss hält den universellen Zugang zum Hochgeschwindigkeitsbreitband-Internet für ein Schlüsselinstrument zur Förderung des sozialen und territorialen Zusammenhalts (10). Er begrüßt die Pläne, Mittel aus den Strukturfonds und dem Fonds für die Entwicklung des ländlichen Raums verstärkt für die Einführung einer wirtschaftlich tragfähigen Breitbandinfrastruktur einzusetzen. Ebenso wichtig ist es aber auch, dass die Bürger von diesen Investitionen profitieren, indem Dienste hoher Qualität erbracht und die Kosten für alle Endnutzer deutlich gesenkt werden. Der Ausschuss fordert die Mitgliedstaaten sowie die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften ferner auf, kostenlose WiFi-Hotspots in öffentlichen Bereichen zur Förderung der Digitalen Agenda zur Verfügung zu stellen.
1.7.3 Der Ausschuss lenkt die Aufmerksamkeit der Kommission auf den Multiplikatoreffekt, den sinkende Kosten der Breitbandinfrastruktur-Bereitstellung in Europa auf die Wirtschaft und die Lebensqualität haben. Er fordert die Kommission, die Mitgliedstaaten und die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf, alle erdenklichen Anstrengungen zur Senkung dieser Kosten zu unternehmen.
1.7.4 Wenngleich die Maßnahmen zur Anregung und Förderung von Investitionen in die Breitbandinfrastruktur begrüßt werden, sollten nach Ansicht des Ausschusses sämtliche Investitionen so angelegt sein, dass sie der Stärkung des Wettbewerbs dienen. Der Ausschuss hätte Bedenken, wenn Fördermaßnahmen und -mittel so eingesetzt würden, dass Diensteanbieter mit erheblicher Marktmacht unverhältnismäßig bevorteilt werden.
1.7.5 Allerdings ist der Ausschuss enttäuscht über die bislang schleppende Inanspruchnahme der Breitband-Förderung durch die Mitgliedstaaten (11). Die angekündigten Leitlinien für die Mitgliedstaaten zur schnelleren Programmumsetzung und zur Inanspruchnahme der verfügbaren Mittel werden befürwortet.
1.8 Funkfrequenzpolitik
1.8.1 Der Ausschuss nimmt erfreut zur Kenntnis, dass im Programm für die Funkfrequenzpolitik rechtliche Regelungen getroffen werden, um die Zuweisung und Bereitstellung ausreichender und geeigneter Frequenzen für Versorgungs- und Kapazitätszwecke zu gewährleisten, damit drahtlose Breitbandtechnologien einen Beitrag zur Verwirklichung des für 2020 gesteckten Ziels leisten können, und dass die Breitbandentwicklung durch die Einführung des Frequenzhandels und Maßnahmen zur Vermeidung potenzieller Verzerrungen bei der Änderung bestehender Genehmigungen weiter vorangetrieben wird.
1.8.2 Der Ausschuss nimmt außerdem mit Genugtuung zur Kenntnis, dass im Programm für die Funkfrequenzpolitik die Freimachung des zur digitalen Dividende gehörenden 800-MHz-Bands für die Breitbandversorgung insbesondere in ländlichen Gebieten bis 2013 ausdrücklich als Ziel festgelegt ist. Er fordert die Mitgliedstaaten auf, diese Bandbreite unverzüglich zur Verfügung zu stellen.
1.8.3 Der Ausschuss nimmt ferner die geplante Nutzung eines erschwinglichen satellitengestützten Breitbandzugangs zur Versorgung entlegener Gebiete zur Kenntnis, die terrestrisch nicht erreicht werden können.
1.8.4 Der Ausschuss richtet ebenso wie die Kommission die Forderung an die Mitgliedstaaten, durch unverzügliches Ergreifen folgender Maßnahmen einen Beitrag zur schnellen Erreichung des Breitbandversorgungsziels zu leisten:
— |
Bereitstellung genügend breiter Frequenzbänder (12); |
— |
rasche Gewährung von Nutzungsrechten; |
— |
Erhöhung der Flexibilität und Stärkung des Wettbewerbs; |
— |
Zulassung des Frequenzhandels zur Anpassung an Marktentwicklungen. |
1.9 Zugangsnetze der nächsten Generation (NGA)
1.9.1 Die Schaffung von NGA-Netzen verursacht enorme Kosten und ist mit erheblichen Risiken für die Investoren verbunden. Der Ausschuss stellt fest, dass diese Risiken in den Vorschlägen zur Kenntnis genommen werden und die Möglichkeit der Einrechnung eines Risikoaufschlags in die Kosten für den regulierten Zugang vorgesehen ist.
1.9.2 Der Ausschuss begrüßt das ideenreiche Konzept der Kommission zur massiven Förderung von Koinvestitionsvereinbarungen, wodurch das Risiko des einzelnen Unternehmens gesenkt werden kann.
1.9.3 Die erfolgreiche Durchsetzung der Rechtsvorschriften für den Zugang zu Netzen der nächsten Generation wird weitgehend von ihrer Anwendung durch die nationalen Regulierungsbehörden (NRB) in den einzelnen Mitgliedstaaten abhängen. Der Ausschuss fordert daher die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die NRB und das Gremium europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) in jeder Hinsicht zu unterstützen, damit sie ihre schwierige Aufgabe erfolgreich meistern können.
2. Empfehlungen
2.1 Um den Bestand des offenen Internets und den Schutz der Netzneutralität sicherzustellen, sollten die Kommission und die NRB die von den Betreibern für das Management von Datenflüssen in ihren Netzen eingesetzten Verfahren und die potenziellen Folgen für die Praxis der Internetnutzer aufmerksam beobachten.
2.2 Im Lichte bisheriger Erfahrungen sollte die Kommission prüfen, ob der Rechtsrahmen für die Telekommunikation ausreicht, um die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Bedrohung des offenen Internets und der Netzneutralität durch Diensteanbieter bewältigen zu können.
2.3 Die nationalen Breitbandpläne sollten alsbald durch die Aufnahme von Projektplänen für die Bereitstellung schneller und ultraschneller Breitbandzugänge aktualisiert werden.
2.4 Die nationalen Breitbandpläne sollten den üblichen bewährten Verfahren für Projektpläne entsprechen und genaue Angaben zu den erforderlichen Mitteln für die zu erreichenden Ziele und Etappen enthalten.
2.5 Die EU sollte die nationalen Breitbandpläne regelmäßig überprüfen, um Finanzierungslücken zu ermitteln und sonstige Planungsfragen zu erörtern.
2.6 Die nationalen Breitbandpläne sollten detaillierte Angaben zu sämtlichen direkten Regelungen öffentlicher Behörden sowie zu Investitionen in die Infrastruktur und zu Bauarbeiten enthalten, die die Verwirklichung der Ziele der Digitalen Agenda erleichtern würden.
2.7 Der Ausschuss fordert die Kommission auf, besonderes Augenmerk auf die Auswirkungen auf den Wettbewerb in den Mitgliedstaaten zu legen und zu kontrollieren, wie Senkungen der Breitbandnetzkosten vollzogen werden.
2.8 Mithilfe geeigneter Mechanismen sollte die Kommission dafür Sorge tragen, dass die Preisbildung im Bereich der Funkfrequenzen stets auf einem angemessenen Niveau erfolgt, sodass sich die Bereitstellung wettbewerbsfähiger Dienste wirtschaftlich rechnet.
2.9 Als Anreiz für die digitale Wirtschaft sollten die Mitgliedstaaten und die regionalen Gebietskörperschaften die Einrichtung kostenloser WiFi-Hotspots in öffentlichen Bereichen fördern.
2.10 Bei der Umsetzung von Infrastrukturprojekten im Wege von Koinvestitionsvereinbarungen und öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) müssen die Mitgliedstaaten und die regionalen Gebietskörperschaften sorgfältig darauf achten, dass ein gesunder Wettbewerb auf dem Markt nicht beeinträchtigt wird (13).
2.11 Angesichts der fortschreitenden Entwicklung von Funktechnik und -diensten haben Belange der öffentlichen Gesundheit in Bezug auf etwaige gefährliche Wirkungen elektromagnetischer Felder absoluten Vorrang, und der Öffentlichkeit muss durch Maßnahmen zur Überwachung dieser Auswirkungen ein Gefühl der Sicherheit vermittelt werden.
2.12 Der Ausschuss ist der Auffassung, dass lokale Gebietskörperschaften bei der Erteilung von Genehmigungen für die Einführung drahtloser Netze das einschlägige Umwelt- und Gesundheitsrecht durchsetzen müssen, damit Dienste, die diese Vorschriften erfüllen, schnell und kostenwirksam bereitgestellt werden können.
2.13 Um zu gewährleisten, dass die Rechtsvorschriften über NGA-Netze europaweit einheitlich angewendet werden, und um etwaige Finanzierungsprobleme zu ermitteln, sollte die Kommission vorschlagen, dass sich die NRB regelmäßigen Prüfungen unterziehen. Gegebenenfalls könnten diese Prüfungen in Peer-Review-Form unter Aufsicht des GEREK durchgeführt werden.
2.14 Die EU sollte die Bereitstellung von Mitteln für das GEREK für folgende Zwecke prüfen:
— |
Bildung eines Expertenpools, der fachliche Zuarbeit zur NRB auf Ad-hoc-Basis leistet; |
— |
Finanzierung eines Programms für die berufliche Weiterbildung der NRB-Mitarbeiter; |
— |
Finanzierung eines Referats für Prüfungen und bewährte Verfahren, das zur Gewährleistung einer europaweit einheitlichen und bestmöglichen Anwendung der Rechtsvorschriften beiträgt. |
3. Hintergrund
3.1 Die Entwicklung von Hochgeschwindigkeitskommunikationsnetzen hat heute die gleiche revolutionäre Wirkung wie vor einem Jahrhundert das Aufkommen der Stromversorgungs- und Verkehrsnetze. Obwohl Europa zu den Regionen mit der höchsten Vernetzung in der Welt gehört (14), werden viele Teile der Union noch nicht mit grundlegenden Internetdiensten versorgt, und selbst in Städten haben Hochgeschwindigkeitsverbindungen Seltenheitswert.
3.2 Privatpersonen und Unternehmen in aller Welt fragen aber in immer höherem Maß viel schnellere Zugangsnetze der nächsten Generation (NGA-Netze) nach. In dieser Hinsicht ist Europa gegenüber einigen seiner wichtigsten internationalen Partner noch im Rückstand: Noch immer haben 30 % der Europäer noch nie das Internet genutzt; Hochgeschwindigkeits-Glasfasernetze haben in Europa einen Verbreitungsgrad von 1 %, während es in Japan 12 % und in Südkorea 15 % sind.
3.3 In der Digitalen Agenda (15), einer der Leitinitiativen der Europa-2020-Strategie (16) für eine intelligente, nachhaltige und integrative Wirtschaft, werden für Europa im Bereich der Breitbandanschlüsse ehrgeizige Ziele festgelegt: Bis 2020 sollen alle Europäer über einen Internetzugang mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von mehr als 30 Megabits/Sekunde (Mbit/s) verfügen, und in mindestens 50 % der europäischen Haushalte soll die Übertragungsgeschwindigkeit über 100 Mbit/s liegen. In der Digitalen Agenda findet sich auch das Ziel des Europäischen Rates wieder, bis 2013 die Breitbandgrundversorgung aller europäischen Bürger zu gewährleisten. Um diese ehrgeizigen Ziele erreichen zu können, muss eine umfassende Strategie entwickelt werden, die sich auf einen Technologie-Mix stützt, und die Fortschritte sind anschließend aufmerksam zu verfolgen (17).
3.4 Das „Breitbandpaket“, das Gegenstand dieser Stellungnahme ist, umfasst Kommissionsdokumente, mit denen die in der Digitalen Agenda festgelegten Ziele für die Breitband-Anbindung verwirklicht werden sollen. Dazu gehören:
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Vorschläge zu den Planungs- und Finanzierungsanforderungen, die für die Umsetzung der Ziele für die Breitband-Anbindung erfüllt sein müssen – „Europäische Breitbandnetze: Investition in ein internetgestütztes Wachstum“ (KOM(2010) 472 endg.); |
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ein Legislativvorschlag zur Aufstellung des ersten frequenzpolitischen Programms zur Regulierung und Harmonisierung der Drahtlosinfrastruktur als Beitrag zur Umsetzung der Ziele der Europa-2020-Strategie – „Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über das erste Programm für die Funkfrequenzpolitik“ (KOM(2010) 471 endg.); |
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eine Empfehlung zu der Art und Weise, wie die NRB in der EU den Zugang zu den NGA-Netzen regeln sollten, ohne die die schnellen und ultraschnellen Breitbandverbindungen, wie sie in der Digitalen Agenda vorgesehen sind, nicht eingerichtet werden können - K(2010) 6223/3. |
4. Bemerkungen
4.1 Breitbandstrategie
4.1.1 Die in der Europa-2020-Strategie und in der Digitalen Agenda formulierten ehrgeizigen Ziele können nur verwirklicht werden, wenn die Mitgliedstaaten effektive nationale Breitbandpläne ausarbeiten und umsetzen. Obwohl inzwischen alle Mitgliedstaaten über Breitbandstrategien verfügen, müssen diese demnächst durch Aufnahme von Plänen für Ultrahochgeschwindigkeitsnetze mit konkreten Zielvorgaben und Umsetzungsmaßnahmen aktualisiert werden.
4.1.2 Das Gelingen hängt maßgeblich von der Planung und Ausführung der nationalen Breitbandstrategien ab. Ebenso wichtig ist es, dass die Mitgliedstaaten den Ausbau der NGA-Netze so gestalten, dass keine Region in der EU ins Hintertreffen gerät; anderenfalls beginnt sich die digitale Kluft erneut zu öffnen und die wirtschaftliche Entwicklung benachteiligter Gebiete, die dadurch von der aufkommenden digitalen Wirtschaft ausgeschlossen sind, gerät ins Stocken.
4.1.3 Zudem wäre es für die Bewertung der Durchführbarkeit der nationalen Breitbandpläne hilfreich, wenn darin die für die Ausführung erforderliche (personelle und sonstige) Ausstattung beziffert und die wichtigsten Zwischenziele für die Projekte genannt werden. Die Ausführung dieser Projektpläne muss anschließend überwacht werden, und die Pläne müssen ständig aktualisiert werden.
4.1.4 Die Netzqualität, die Kosten der Netzbereitstellung und wettbewerbsfähige Endnutzerpreise sind wichtige Managementkriterien gut durchdachter Programme. Da 80 % der Kosten für die Netzinfrastruktur auf Bauarbeiten entfallen, müssen sich die nationalen und lokalen Behörden bemühen, durch eine effiziente Koordinierung der Infrastrukturvorhaben für eine erhebliche Verminderung der Kosten zu sorgen.
4.1.5 Durch eine zuverlässige Informationspolitik werden gute Planung und gutes Management erleichtert. Die nationalen Breitbandpläne sollten Angaben zu sämtlichen direkten Regelungen öffentlicher Behörden und zu geplanten Investitionen, einschließlich Bauarbeiten, enthalten, was den Ausbau der Infrastruktur voranbringen würde.
4.1.6 Die NRB müssen das Problem geschickt angehen, damit die beherrschende Stellung von Diensteanbietern mit erheblicher Marktmacht nicht die Entwicklung des Wettbewerbs und die Einführung der Infrastruktur beeinträchtigt.
4.1.7 Zusammenarbeit und gemeinsame Nutzung durch private Infrastrukturanbieter haben wesentlichen Einfluss auf Aspekte wie Effizienz, Tempo der Umsetzung, Umweltverträglichkeit und Verfügbarkeit wettbewerbsfähiger Preise für Endnutzer.
4.1.8 Leider ist es so, dass Wettbewerber ungern zusammenarbeiten, es sei denn, sie werden dazu verpflichtet. Der Ausschuss stellt mit Befriedigung fest, dass das „Breitbandpaket“ für private Infrastrukturanbieter die Pflicht vorsieht, zuverlässige Informationen über bestehende und geplante Infrastruktureinrichtungen zu veröffentlichen, was eine gute Planung und den effizienten Mitteleinsatz begünstigt.
4.1.9 Die Kosten der Kommunikationsdienste und Preistransparenz spielen eine wichtige Rolle, wenn die Bürger von den Investitionen der EU, der Mitgliedstaaten und der regionalen Gebietskörperschaften in die Breitbandinfrastruktur profitieren sollen.
4.1.10 Der Ausschuss ist beeindruckt vom Umfang und der Vielfalt der Finanzhilfen, mit denen die Verwirklichung der in der Digitalen Agenda formulierten Ziele der universellen Breitbandversorgung unterstützt werden können. Des Weiteren begrüßt der Ausschuss die geplante Aufnahme neuer Finanzinstrumente in den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen.
4.2 Funkfrequenzpolitik
4.2.1 Die große Bedeutung des Programms für die Funkfrequenzpolitik ergibt sich aus dem hohen Stellenwert der drahtlosen Kommunikation für das in der Europa-2020-Strategie vorgestellte Konzept einer intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wirtschaft. Neben der Kommunikation zwischen den Menschen und der Internetnutzung ist die Drahtlostechnik eine der grundlegenden Technologien, die künftige Anwendungen in allen gesellschaftlichen Bereichen ermöglichen werden; dies reicht von der intelligenten Energieverbrauchsmessung über intelligente Verkehrssysteme bis hin zum Internet der Dinge.
4.2.2 Der Ausschuss verweist insbesondere auf die Bedeutung des frequenzpolitischen Programms für die Realisierung intelligenter europaweiter Netze, die eine wichtige Rolle bei der Erreichung nachhaltigen Wachstums spielen werden.
4.2.3 Der Ausschuss merkt an, dass die höchste Wachstumsrate im Breitbandmarkt der EU im Bereich der Mobilfunk-Breitbandanschlüsse zu verzeichnen ist, deren Zahl sich im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt hat. Drahtlostechnologien sind daher von immer größerer Bedeutung für die Deckung des Bedarfs an Breitbandkommunikationsdiensten.
4.2.4 Elektromagnetische Felder stellen eine potenzielle Gefahr für die Gesundheit der Bürger dar. Der Ausschuss nimmt erfreut zur Kenntnis, dass die Notwendigkeit einer fortlaufenden Überwachung der Auswirkungen der Frequenznutzung auf die Gesundheit in dem frequenzpolitischen Programm anerkannt wird.
4.3 Zugangsnetze der nächsten Generation (NGA)
4.3.1 In den Vorschlägen, die den regulierten Zugang zu den NGA-Netzen betreffen, zeigt sich der jahrelange Lernprozess der Kommission beim Austarieren zwischen Förderung von Netzinvestitionen und Schutz des durch Wettbewerb geprägten Umfelds. Zudem bieten die Vorschläge der Kommunikationsbranche die so dringend erforderliche Klarheit rund um die Rechtsvorschriften, die ihre Investitionsentscheidungen und Planungen im Bereich NGA-Netze beeinflussen werden.
4.3.2 Einige NRB verfügen möglicherweise nicht über die Fachkompetenz oder die Kapazitäten für die zu leistende Arbeit. Daher sollten sie bei der Erledigung ihrer komplizierten Aufgabe durch einen zentralen Expertenpool unterstützt werden, der vom GEREK eingerichtet und verwaltet wird.
4.3.3 Die Fachkompetenz und die Kapazitäten der NRB könnten durch das GEREK verbessert bzw. erweitert werden, indem für die Mitglieder des Gremiums ein Programm für berufliche Weiterbildung aufgelegt wird und diese in allen Belangen rund um das Thema „bewährte Verfahren“ unterstützt werden.
Brüssel, den 16. Februar 2011
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Staffan NILSSON
(1) KOM(2010) 245 endg./2: Bis 2020 sollen alle Europäer Zugang zu viel höheren Internetgeschwindigkeiten von über 30 Mbit/s haben; mindestens 50 % der europäischen Haushalte sollen über Internetzugänge mit über 100 Mbit/s verfügen. In der Digitalen Agenda wird auch das vom Europäischen Rat unterstützte Ziel aufgegriffen, bis 2013 die Breitbandgrundversorgung aller Europäer zu gewährleisten.
(2) Südkorea hat einen nationalen Plan für die flächendeckende Durchsetzung von 1,000 Mbps-Übertragungsraten bis 2012 aufgelegt. Die Regierung halt die Wirtschaft dazu an, 34 Mrd. Won (23 Mio. EUR) bereitzustellen, um den Plan zu verwirklichen. Zum Vergleich: Dieser Betrag entspricht ungefähr dem jährlichen Bildungshaushalt des Landes (siehe http://news.bbc.co.uk/2/hi/programmes/click_online/9093991.stm).
(3) Eurostat Pressemitteilung - EuroIndikatoren - 5/2011, 7. Januar 2011: Die Jugendarbeitslosenquote (unter 25-Jährige) lag im November 2010 im Euroraum bei 20,7 % und in der EU-27 bei 21,0 %. Im November 2009 hatte sie 20,1 % bzw. 20,5 % betragen.
(4) Richtlinie 2009/140/EG und Richtlinie 2009/136/EG.
(5) Netzneutralität steht für den Grundsatz, wonach es unzulässig ist, dass Internetdiensteanbieter und Staaten Einschränkungen mit Blick auf den Inhalt, die Internetseiten, Plattformen, die Art der gegebenenfalls zugehörigen technischen Ausrüstung und die Art und Weise der zulässigen Kommunikation vornehmen. Bezahlt ein Nutzer für ein bestimmtes Niveau des Internetzugangs und ein anderer Nutzer für dasselbe Zugangsniveau, muss es beiden Nutzern möglich sein, miteinander auf dem Zugangsniveau in Verbindung zu treten, für das sie angemeldet sind. Sorge bereitet die Möglichkeit, dass Breitbandanbieter ihre lokale Infrastruktur dazu nutzen, um Internetanwendungen und -inhalte zu sperren (z.B. Internetseiten, Dienste, Protokolle), insbesondere diejenigen von Wettbewerbern, oder ihr Geschäftsmodell zu ändern, um die Qualität und den Umfang des Zugangs verschiedener Nutzer einzuschränken. Derartige Änderungen in Geschäftsmodellen könnten zu unfairer Diskriminierung bei Preis und Dienstleistungsqualität führen. Die Möglichkeit, Rechtsvorschriften zu erlassen, die der Sicherstellung der Neutralität dienen, war Gegenstand heftiger Debatten.
(6) Siehe http://ec.europa.eu/information_society/policy/ecomm/doc/library/public_consult/net_neutrality/report.pdf.
(7) SPEECH/10/643 auf dem Gipfel der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments zum Thema „Das offene Internet und Netzneutralität in Europa“.
(8) Richtlinie 2009/140/EG und Richtlinie 2009/136/EG.
(9) Siehe ABl. C 120 vom 20.5.2005, S. 22; ABl. C 28 vom 3.2.2006, S. 88; ABl. C 318 vom 23.12.2006, S. 222; ABl. C 97 vom 28.4.2007, S. 27; ABl. C 324 vom 30.12.2006, S. 42; ABl. C 151 vom 17.6.2008, S. 25; ABl. C 44 vom 16.2.2008, S. 50; ABl. C 224 vom 30.8.2008, S. 50; ABl. C 77 vom 31.3.2009, S. 60; ABl. C 175 vom 28.7.2009, S. 87; ABl. C 175 vom 28.7.2009, S. 8; ABl. C 182 vom 4.8.2009, S. 56; ABl. C 218 vom 11.9.2009, S. 41; ABl. C 317 vom 23.12.2009, S. 103; ABl. C 255 vom 22.9.2010, S. 116; ABl. C 44 vom 11.2.2011, S. 178; ABl. C 54 vom 19.2.2011, S. 58.
(10) ABl. C 175 vom 28.7.2009, S. 8.
(11) Im September 2009 betrug die Mittelbindungsquote bei den für 2007-2013 geplanten Ausgaben gerade einmal 18 %.
(12) Zugewiesene Frequenzen müssen effektiv zur Verfügung stehen. Dies muss sowohl durch die Verfügbarmachung neuer Frequenzen (z.B. 2,6 GHz und 800 MHz) als auch durch die Freigabe der Nutzung bestehender Frequenzen (z.B. des 900-/1 800-MHz-Bandes - siehe überarbeitete GSM-Richtlinie und 900-/1 800-MHz-Beschluss) geschehen.
(13) ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 72.
(14) Weltwirtschaftsforum - Global Information Technology Report 2009-2010, http://www.networkedreadiness.com/gitr/.
(15) „Eine Digitale Agenda für Europa“, KOM(2010) 245 endg./2.
(16) „EUROPA 2020 - Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“, KOM(2010) 2020 endg.
(17) So wäre etwa zu erwarten, dass - wenn das Ziel für die 100-Mbit/s-Anschlüsse erreicht werden soll - 2015 etwa 15 % der europäischen Haushalte über einen Zugang mit dieser Datenübertragungsrate verfügen müssen.
6.4.2011 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 107/58 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit (ENISA)“
(KOM(2010) 521 endg.)
2011/C 107/12
Berichterstatter: Peter MORGAN
Der Rat beschloss am 19. Oktober 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit (ENISA)“
KOM(2010) 521 endg.
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen und Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 2. Februar 2011 an.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 469. Plenartagung am 16./17. Februar 2011 (Sitzung vom 17. Februar) mit 173 Stimmen bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 |
Dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss ist sehr stark bewusst, dass die heutige Zivilgesellschaft in hohem Maße von Internetdienstleistungen abhängt. Der Ausschuss ist ferner beunruhigt über die relative Unwissenheit der Zivilgesellschaft bezüglich ihrer Cybersicherheit. Nach Ansicht des EWSA ist die Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit (ENISA) als Einrichtung dafür zuständig, den Mitgliedstaaten und Dienstleistungsanbietern dabei behilflich zu sein, ihre allgemeinen Sicherheitsstandards zu verbessern, so dass alle Internetnutzer die notwendigen Vorkehrungen für ihre persönliche Internetsicherheit treffen. |
1.2 |
Deswegen unterstützt der EWSA denn auch den Vorschlag, die ENISA zu stärken, um zur Gewährleistung einer hohen Netz- und Informationssicherheit (NIS) innerhalb der Union beizutragen, um das Problembewusstsein zu heben und eine Kultur der Netz- und Informationssicherheit in der Gesellschaft zum Nutzen der Bürger, Verbraucher, Unternehmen und Organisationen des öffentlichen Sektors in der Union zu entwickeln und auf diese Weise zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes beizutragen. |
1.3 |
Der Auftrag von ENISA ist für die sichere Weiterentwicklung der Netzstruktur des Staatswesens, der Industrie, des Handels und der Zivilgesellschaft in der EU. Der EWSA erwartet, dass die Europäische Kommission für die ENISA die höchsten Leistungsstandards vorsieht und die Leistungsfähigkeit der ENISA im Kontext auftretender und sich abzeichnender Bedrohungen der Cybersicherheit beobachtet. |
1.4 |
Alle von NATO, Europol und der Europäischen Kommission entworfenen Strategien hängen von einer effizienten Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten ab, in denen sich wiederum eine ganze Palette interner Stellen mit Fragen der Cybersicherheit befasst. Die Strategien von NATO und Europol sind auf proaktives und operatives Handeln angelegt. In der Strategie der Europäischen Kommission ist die ENISA eindeutig eine wichtige Komponente des komplexen Gefüges an Einrichtungen, die für den Schutz kritischer Informationsinfrastrukturen (CIIP) zuständig sind. Auch wenn in der neuen Verordnung keine operative Rolle für die ENISA vorgesehen ist, so wertet der EWSA die ENISA gleichwohl als Einrichtung, die in erster Linie für CIIP in der Zivilgesellschaft der EU zuständig ist. |
1.5 |
Die operative Zuständigkeit für die Cybersicherheit auf nationaler Ebene liegt bei den Mitgliedstaaten. Die Standards für den Schutz kritischer Informationsinfrastrukturen sind in den 27 Mitgliedstaaten zweifelsohne sehr unterschiedlich. Die Rolle der ENISA besteht darin, die diesbezüglich weniger gut ausgestatteten Mitgliedstaaten auf ein akzeptables Niveau zu bringen. Sie muss für die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten Sorge tragen und den Mitgliedstaaten bei der Anwendung bewährter Verfahrensweisen behilflich sein. Was grenzübergreifende Bedrohungen angeht, muss die Rolle der ENISA in Warnungshinweisen und Vorbeugungsmaßnahmen liegen. |
1.6 |
Die ENISA wird auch in die internationale Zusammenarbeit mit Drittstaaten eingebunden werden müssen. Diese Zusammenarbeit wird hochpolitisch angelegt sein und zahlreiche Einrichtungen auf EU-Ebene einbinden, gleichwohl muss nach Ansicht des EWSA die ENISA auf der internationalen Bühne ihren Platz finden. |
1.7 |
Der Ausschuss ist der Auffassung, dass die ENISA eine wichtige Rolle dabei spielen kann, Forschungsprojekte im Sicherheitsbereich auf den Weg zu bringen und einen Beitrag zu ihnen zu leisten. |
1.8 |
Im Rahmen der Folgenabschätzung wird der EWSA die vollständige Umsetzung der Optionen 4 und 5, die die ENISA zu einer operativen Agentur werden ließe, aus heutiger Sicht nicht unterstützen. Da die Cybersicherheit ein großes Problem ist und sich die Bedrohungen dynamisch entwickeln, müssen die Mitgliedstaaten weiterhin in der Lage sein, die Bedrohungen vorausschauend zu bekämpfen. Die Entwicklung operativer Agenturen der EU führt in der Regel zu einer Entqualifizierung der Mitgliedstaaten. Im Bereich der Cybersicherheit ist aber gerade das Gegenteil erforderlich, die Qualifikation der Mitgliedstaaten muss gesteigert werden. |
1.9 |
Der EWSA kann den Standpunkt der Kommission nachvollziehen, dass die ENISA über einen genau umrissenen und sorgsam beobachteten Auftrag sowie eine angemessene Mittelausstattung verfügen sollte. Gleichwohl befürchtet der EWSA, dass das auf fünf Jahre begrenzte Mandat der ENISA langfristige Vorhaben ausschließen und die Entwicklung von Humankapital und eines Wissensfundus innerhalb der Agentur gefährden könnte. Diese Agentur wird eine ganz kleine Einrichtung sein, die sich mit einem großen und wachsenden Problem befasst. Wegen der Bandbreite und Größenordnung ihrer Aufgaben wird die ENISA Sachverständigenteams beschäftigen müssen. Die Arbeiten der ENISA werden unterschiedlich sein und sowohl kurzfristige Aufgaben als auch Langzeitprojekte umfassen. Daher würde der Ausschuss ein dynamisches und unbegrenztes Mandat der ENISA vorziehen, das kontinuierlich durch regelmäßige Prüfungen und Begutachtungen bestätigt würde. Die Mittel könnten dann je nach Bedarf stufenweise zugewiesen werden. |
2. Einführung
2.1 |
Diese Stellungnahme betrifft eine Verordnung zur Weiterentwicklung der ENISA. |
2.2 |
Die Kommission legte ihren ersten Vorschlag zu einem kooperativen Vorgehen im Bereich der Netz- und Informationssicherheit in einer Mitteilung aus dem Jahr 2001 dar (KOM(2001) 298 endg.). Als Reaktion auf die Mitteilung arbeitete Daniel Retureau seinerzeit eine umfassende Stellungnahme (1) aus. |
2.3 |
Die Kommission schlug danach eine Verordnung zur Gründung der ENISA vor (KOM(2003) 63 endg.). Die Stellungnahme des EWSA (2) zu diesem Vorschlag für eine Verordnung verfasste Göran Lagerholm. Die Agentur wurde mit der Verordnung (EG) Nr. 460/2004 errichtet. |
2.4 |
Mit der exponentiellen Zunahme der Nutzung des Internet ist die Informationssicherheit ein immer wichtigeres Anliegen geworden. 2006 veröffentlichte die Kommission daher eine Mitteilung, in der sie eine Strategie für eine sichere Informationsgesellschaft darlegte (KOM(2006) 251 endg.). Die Stellungnahme (3) des EWSA verfasste Antonello Pezzini. |
2.5 |
Da die Bedenken im Hinblick auf die Informationssicherheit zunahmen, legte die Kommission 2009 einen Vorschlag zum Schutz kritischer Informationsinfrastrukturen (KOM(2009) 149 endg.) vor. Thomas McDonogh verfasste die Stellungnahme (4), die im Dezember 2009 vom Plenum des EWSA verabschiedet wurde. |
2.6 |
Es wird nun vorgeschlagen, die ENISA zu stärken und besser zu gestalten, um zur Gewährleistung einer hohen Netz- und Informationssicherheit innerhalb der Union beizutragen, um das Problembewusstsein zu heben und eine Kultur der Netz- und Informationssicherheit in der Gesellschaft zum Nutzen der Bürger, Verbraucher, Unternehmen und Organisationen des öffentlichen Sektors in der Union zu entwickeln und auf diese Weise zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes beizutragen. |
2.7 |
Die ENISA ist jedoch nicht die einzige Sicherheitsagentur, die für den Cyberspace der EU geplant ist. Für die Reaktion auf Internetkrieg und Cyberterrorismus ist das Militär zuständig. Die NATO ist auf diesem Gebiet die wichtigste Einrichtung. Ihrem neuen strategischen Konzept zufolge, das im November 2010 in Lissabon veröffentlicht wurde (und unter der Adresse http://www.nato.int/lisbon2010/strategic-concept-2010-eng.pdf abgerufen werden kann), wird die NATO ihre Fähigkeit weiterentwickeln, Angriffe auf Computernetze zu verhindern, zu entdecken, sich dagegen zu verteidigen und sich davon zu erholen, auch indem sie den NATO-Planungsprozess dazu nutzt, nationale Fähigkeiten zur Bekämpfung von Computerkriminalität zu stärken und zu koordinieren, indem sie für alle NATO-Gremien einen zentralen Schutz vor Computerkriminalität gewährleistet und die Überwachungs-, Warn- und Reaktionsaufgaben der NATO im Bereich der Computerkriminalität besser mit denen der Mitgliedstaaten zusammenführt. |
2.8 |
Nach dem Cyberangriff auf Estland im Jahr 2007 wurde das Kompetenzzentrum für kooperativen Schutz vor Computerangriffen (CCD COE) am 14. Mai 2008 offiziell gegründet, um die Fähigkeiten der NATO bei der Abwehr von Cyberangriffen zu verbessern. Das Zentrum mit Sitz in Tallinn (Estland) ist ein internationales Gremium, das derzeit von Estland, Lettland, Litauen, Deutschland, Ungarn, Italien, der Slowakischen Republik und Spanien („sponsoring nations“) unterstützt wird. |
2.9 |
Für elektronische Verbrechen auf EU-Ebene ist Europol zuständig. Folgender Text ist ein Auszug aus einem Schriftstück, das Europol dem britischen Oberhaus vorgelegt hat (siehe http://www.publications.parliament.uk/pa/ld200910/ldselect/ldeucom/68/68we05.htm): Die Strafverfolgungsbehörden müssen mit der technischen Entwicklung von Straftätern Schritt halten, damit Verbrechen wirksam verhütet oder aufgedeckt werden können. Da die Hochtechnologie keine Grenzen kennt, müssen die Fähigkeiten in der gesamten EU den gleichen hohen Standard aufweisen, damit keine „Schwachstellen“ entstehen, an denen sich Hochtechnologie-Kriminalität straflos entfalten kann. Diese Fähigkeiten sind in der EU bei weitem nicht homogen. Die Entwicklung erfolgt sogar ausgesprochen asymmetrisch; einige Mitgliedstaaten haben in bestimmten Bereichen einen großen Vorsprung, andere dagegen sind technisch gesehen im Rückstand. Daher ist ein zentraler Dienst erforderlich, der alle Mitgliedstaaten bei der Koordinierung gemeinsamer Tätigkeiten unterstützt, die Vereinheitlichung der Ansätze und Qualitätsstandards fördert und bewährte Verfahrensweisen ermittelt und verbreitet; nur so kann eine einheitliche Strafverfolgung zur Bekämpfung von Hochtechnologie-Kriminalität innerhalb der EU sichergestellt werden. |
2.10 |
Bei Europol wurde 2002 das „High Tech Crime Centre“ (HTCC) eingerichtet. Die relativ kleine Einheit ist das Kernstück der Arbeit von Europol in diesem Bereich und wird in Zukunft voraussichtlich weiter wachsen. Das HTCC spielt bei der Koordinierung, der operativen Unterstützung, der strategischen Analyse und der Ausbildung eine bedeutende Rolle. Besonders wichtig ist die Aufgabe der Ausbildung. Darüber hinaus hat Europol die ECCP eingerichtet, die Europäische Plattform zur Bekämpfung von Cyberkriminalität, die sich hauptsächlich mit folgenden Fragen befasst:
|
2.11 |
Die EU-Strategie für die Cybersicherheit ist im Kapitel „Vertrauen und Sicherheit“ der Digitalen Agenda für Europa erläutert. Die Herausforderungen werden wie folgt beschrieben: Bislang hat sich das Internet als erstaunlich sicher, widerstandsfähig und stabil erwiesen, aber IT-Netze und die Endgeräte der Nutzer bleiben einer breiten Palette sich ständig verändernder Bedrohungen ausgesetzt: In den letzten Jahren hat die Menge unerwünscht zugesandter E-Mails („Spam“) solche Ausmaße angenommen, dass der E-Mail-Verkehr im Internet erheblich beeinträchtigt wird (nach verschiedenen Schätzungen entfallen auf Spam 80-98 % aller versandten E-Mails), und mit diesen Spam-Mails werden im großem Maßstab auch Computerviren und Schadsoftware verbreitet. Auch Identitätsdiebstahl und Online-Betrug nehmen rapide zu. Die Angriffe werden immer raffinierter (Trojaner, Botnets usw.) und sind häufig finanziell motiviert. Sie können aber auch politische Motive haben, wie die Cyberangriffe auf Estland, Litauen und Georgien in jüngster Zeit gezeigt haben. |
2.12 |
In der Agenda vorgesehene Maßnahmen sind: Schlüsselaktion 6: im Jahr 2010 Vorschläge für Maßnahmen vorlegen, die eine Politik zur Stärkung der Netz- und Informationssicherheit auf hohem Niveau zum Ziel haben, einschließlich Legislativinitiativen, u.a. für eine modernisierte Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit (ENISA), und Maßnahmen, die eine schnellere Reaktion auf Cyberangriffe ermöglichen, einschließlich eines IT-Notfallteams (Computer Emergency Response Team, CERT) für die EU-Organe; Schlüsselaktion 7: Vorschläge für Maßnahmen, einschließlich Legislativinitiativen, zur Bekämpfung von Cyberangriffen auf Informationssysteme bis 2010 sowie entsprechende Vorschriften zur Gerichtsbarkeit im virtuellen Raum auf europäischer und internationaler Ebene bis 2013. |
2.13 |
In einer Mitteilung von November 2010 (KOM(2010) 673 endg.) hat die Kommission die Agenda durch den Entwurf einer EU-Strategie der inneren Sicherheit weiterentwickelt. Die Strategie hat fünf Ziele; das dritte Ziel ist der bessere Schutz der Bürger und Unternehmen im Cyberspace. Drei Aktionsprogramme sind vorgesehen, die Maßnahmen im Einzelnen sind der nachstehenden (der Kommissionsmitteilung entnommenen und unter http://ec.europa.eu/commission_2010-2014/malmstrom/archive/internal_security_strategy_in_action_en.pdf abrufbaren) Tabelle zu entnehmen:
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2.14 |
Alle von NATO, Europol und der Europäischen Kommission entworfenen Strategien hängen von einer effizienten Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten ab, in denen sich eine Vielzahl an internen Stellen mit Fragen der Cybersicherheit befasst. Die Strategien von NATO und Europol sind auf aktives und operatives Handeln ausgelegt. In der Strategie der Europäischen Kommission ist die ENISA eindeutig eine wichtige Komponente des komplexen Gefüges an Einrichtungen, die für den Schutz kritischer Informationsinfrastrukturen (CIIP) zuständig sind. Auch wenn in der neuen Verordnung keine operative Rolle für die ENISA vorgesehen ist, so wertet der EWSA die ENISA gleichwohl als Einrichtung, die in erster Linie für CIIP in der Zivilgesellschaft der EU zuständig ist. |
3. Der ENISA-Vorschlag
3.1 |
Mit der ENISA müssen sieben Problempunkte gelöst werden:
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3.2 |
Im ENISA-Vorschlag sind die bestehenden Bestimmungen und die neuen, in der Digitalen Agenda der EU dargelegten Initiativen gebündelt: |
3.3 |
Von den bestehenden Maßnahmen soll die ENISA Folgendes unterstützen:
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3.4 |
Die ENISA unterstützt folgende neue Entwicklungen:
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3.5 |
Bevor dieser Vorschlag abgeschlossen wurde, sind fünf verschiedene Politikoptionen untersucht worden. Mit jeder Option wurden Aufgaben und Mittel verknüpft. Die Wahl fiel auf die dritte Option. Sie sieht eine Ausweitung der gegenwärtigen ENISA-Aufgaben und die Einbindung der Strafverfolgungs- und Datenschutzbehörden als Akteure vor. |
3.6 |
Bei Option 3 würde eine modernisierte NIS-Agentur zu Folgendem beitragen:
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3.7 |
Bei Option 3 würde die ENISA über alle notwendigen Ressourcen verfügen, damit sie ihre Aufgaben zufriedenstellend und gründlich wahrnehmen und dadurch eine tatsächliche Wirkung erzielen kann. Mit einer aufgestockten Mittelausstattung (5) könnte die ENISA deutlich proaktiver werden und mehr Initiativen zur Förderung der aktiven Mitarbeit der Akteure ergreifen. Außerdem würde diese neue Situation mehr Flexibilität ermöglichen, so dass schnell auf Änderungen im sich ständig weiterentwickelnden NIS-Umfeld reagiert werden könnte. |
3.8 |
Politikoption 4 umfasst operative Funktionen zur Bekämpfung von Cyberangriffen und zur Reaktion auf Netzstörungen. Zusätzlich zu den in Option 3 dargelegten Tätigkeiten würde die Agentur operative Funktionen übernehmen, z.B. eine aktivere Rolle beim Schutz kritischer Infrastrukturen in der EU, etwa bei der Verhütung und Bewältigung von Störungen, indem sie insbesondere als IT-Notfallteam (CERT) der EU im NIS-Bereich wirkt und als EU-NIS-Krisenzentrum die nationalen CERTs sowohl im Tagesgeschäft als auch bei Notfällen koordiniert. |
3.9 |
Option 4 würde eine größere Wirkung auf operativer Ebene zusätzlich zu der von Option 3 erzielen. Als EU-NIS-CERT und durch die Koordinierung der nationalen CERTs würde die Agentur zu höheren Größeneinsparungen bei der Bewältigung EU-weiter Störungen und zu geringeren operativen Risiken für Unternehmen beitragen, z. B. dank höherer Sicherheit und Widerstandsfähigkeit. Diese Option würde eine beträchtliche Aufstockung der finanziellen und personellen Mittel der Agentur erforderlich machen, was Bedenken bezüglich ihrer Aufnahmefähigkeit und der effektiven Mittelverwendung im Verhältnis zu den angestrebten Zielen hervorruft. |
3.10 |
Politikoption 5 sieht operative Funktionen zur Unterstützung der Strafverfolgungs- und der Justizbehörden bei der Bekämpfung von Cyberkriminalität vor. Zusätzlich zu den in Option 4 dargelegten Tätigkeiten würde diese Option für ENISA folgende Funktionen vorsehen:
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3.11 |
Option 5 würde durch zusätzliche operative Funktionen zur Unterstützung der Strafverfolgungs- und der Justizbehörden eine größere Wirkung bei der Bekämpfung der Cyberkriminalität erzielen als die Optionen 3 und 4. |
3.12 |
Option 5 würde eine beträchtliche Aufstockung der Haushaltsmittel der Agentur erforderlich machen, was auf ähnliche Bedenken bezüglich ihrer Aufnahmefähigkeit und der effektiven Mittelverwendung stößt. |
3.13 |
Die Optionen 4 und 5 hätten zwar eine größere positive Wirkung als Option 3, nach Ansicht der Kommission gibt es jedoch eine Reihe von Gründen, die gegen diese Optionen sprechen:
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4. Bestimmungen der Verordnung
4.1 |
Die Agentur unterstützt die Kommission und die Mitgliedstaaten dabei, die rechtlichen und regulatorischen Anforderungen der Netz- und Informationssicherheit zu erfüllen. |
4.2 |
Der Verwaltungsrat bestimmt die allgemeine Ausrichtung der Tätigkeit der Agentur. |
4.3 |
Dem Verwaltungsrat gehören je ein Vertreter jedes Mitgliedstaats, drei von der Kommission ernannte Vertreter und jeweils ein Vertreter der IKT-Branche, der Verbrauchergruppen und der wissenschaftlichen Sachverständigen für Informationstechnologie an. |
4.4 |
Die Agentur wird von einem unabhängigen Direktor geleitet, der für die Aufstellung des Arbeitsprogramms der Agentur verantwortlich ist, das dem Verwaltungsrat zur Genehmigung vorgelegt wird. |
4.5 |
Der Direktor ist ferner für die Erstellung eines jährlichen Haushaltsplans zur Unterstützung des Arbeitsprogramms verantwortlich. Der Verwaltungsrat muss der Kommission und den Mitgliedstaaten den Haushaltsplan und das Arbeitsprogramm zur Genehmigung vorlegen. |
4.6 |
Der Verwaltungsrat setzt auf Vorschlag des Direktors eine Ständige Gruppe der Interessenvertreter ein, die sich aus Sachverständigen der IKT-Branche, der Verbrauchergruppen, Wissenschaftlern sowie Strafverfolgungs- und Datenschutzbehörden zusammensetzt. |
4.7 |
Da die Verordnung noch in Vorbereitung ist, sind die Zahlen nicht sicher. Die Agentur hat derzeit 44-50 Mitarbeiter und einen Haushalt von 8 Mio. EUR. Entsprechend dem Konzept könnte Option 3 eine Erhöhung des Personals auf 99 Personen und des Haushalts auf 17 Mio. EUR mit sich bringen. |
4.8 |
Die Verordnung sieht eine feste Mandatszeit von fünf Jahren vor. |
Brüssel, den 17. Februar 2011
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Staffan NILSSON
(1) ABl. C 48 vom 21.2.2002, S. 33.
(2) ABl. C 220 vom 16.9.2003, S. 33.
(3) ABl. C 97 vom 28.4.2007, S. 21.
(4) ABl. C 255 vom 22.9.2010, S. 98.
(5) Der Verweis auf höhere Ressourcen hängt von der Annahme des ENISA-Vorschlags in der derzeitigen Form ab.
6.4.2011 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 107/64 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Unterstützungsprogramm zur Weiterentwicklung der integrierten Meerespolitik“
(KOM(2010) 494 endg. — 2010/0257 (COD))
2011/C 107/13
Berichterstatter: Jan SIMONS
Der Rat beschloss am 20. Oktober 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Unterstützungsprogramm zur Weiterentwicklung der integrierten Meerespolitik“
KOM(2010) 494 endg. — 2010/0257 (COD).
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 2. Februar 2011 an.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 469. Plenartagung am 16./17. Februar 2011 (Sitzung vom 16. Februar) mit 111 Ja-Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss erachtet diesen Vorschlag als logischen nächsten Schritt zur letztendlichen Verwirklichung einer integrierten Meerespolitik und kann ihm im Allgemeinen zustimmen.
1.2 In Bezug auf die Aufteilung der Befugnisse stellt der Ausschuss zu seiner Zufriedenheit fest, dass die Kommission darauf hinweist, dass es sich um einen Vorschlag auf Grundlage der geteilten Zuständigkeit handelt mit Ausnahme der Maßnahmen, die die Erhaltung der biologischen Meeresschätze betreffen, die in die ausschließliche Zuständigkeit der Kommission fallen.
1.3 Der Ausschuss würde von der Kommission gerne Näheres über die Gründe für die von ihr getroffene Wahl der Rechtsgrundlagen erfahren. Er fragt sich, inwieweit die herangezogenen Artikel 74 und Artikel 77 AEUV, die nicht dem herkömmlichen Gesetzgebungsverfahren folgen, mit den sonstigen Rechtsgrundlagen vereinbar sind, bei denen sehr wohl das normale Gesetzgebungsverfahren Anwendung findet.
1.4 Nach Ansicht des Ausschuss rechtfertigen der sektor- und grenzübergreifende Charakter der maritimen Angelegenheiten und die Synergien zwischen sektorspezifischen Politiken hinlänglich die Durchführung von Maßnahmen für die integrierte Meerespolitik. Daher steht dieser Vorschlag seiner Meinung nach im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip.
1.5 Dies gilt auch für die Verhältnismäßigkeit dieses Vorschlags. Es stehen nämlich ausreichend Mittel zur Verfügung, um die geforderten Maßnahmen im verbleibenden Zeitraum 2011-2013 zu finanzieren.
1.6 Nach Meinung des Ausschusses ist die Ex-ante-Bewertung, die die Kommission in ihren Vorschlag aufgenommen hat, angesichts der schwierigen finanziellen Lage der EU wenig überzeugend. Die Kommission hätte eine fundiertere Begründung vorlegen sollen, insbesondere in Bezug auf die Wahl der konkreten Maßnahmen und Aktionen.
1.7 Der Ausschuss weist darauf hin, dass aus dem Vorschlag selbst nicht klar genug hervorgeht, welche Betriebskostenzuschüsse gemeint sind bzw. der Europäischen Kommission vorschweben (siehe Artikel 5 Absatz 2). Außerdem sollte in die Erwägungsgründe ein Verweis darauf aufgenommen werden, dass der Vorschlag nicht zur Finanzierung maritimer Infrastruktur einschl. Häfen dient.
1.8 Der Ausschuss ist bekanntermaßen ein Verfechter eines sektorübergreifenden Konzepts für die Meerespolitik. Auch wenn es in diesem Vorschlag nicht um den Inhalt von politischen Fragen geht, weist der Ausschuss, wie bereits in früheren Stellungnahmen, im Kapitel „Besondere Bemerkungen“ auf die Punkte hin, die in einer integrierten Meerespolitik berücksichtigt werden sollten.
2. Einleitung
2.1 Am 29. September 2010 hat die Kommission ihren „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Unterstützungsprogramm zur Weiterentwicklung der integrierten Meerespolitik“ (KOM(2010) 494 endg.) vorgelegt und den Ausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme ersucht.
2.2 Der Ausschuss kommt diesem Ersuchen gerne nach, da er diesen Vorschlag als logischen Schritt bei der Konzipierung einer integrierten Meerespolitik erachtet, die auf dem sogenannten „Blaubuch“, der einschlägigen Kommissionsmitteilung vom 10. Oktober 2007, beruht.
2.3 Diese Mitteilung ist ein Plädoyer für die Entwicklung und Umsetzung integrierter, kohärenter und gemeinsamer meerespolitischer Entscheidungsprozesse für Ozeane, Meere, Küstenregionen und die maritimen Wirtschaftszweige.
2.4 Der Grundgedanke der integrierten Meerespolitik ist ein sektorübergreifendes Konzept der meerespolitischen Entscheidungsfindung, wobei Synergien zwischen den Politikbereichen Umwelt, Seeverkehr, Energie, Forschung, Industrie, Fischerei und Regionalpolitik im Vordergrund stehen.
2.5 Dem „Blaubuch“ wurde ein Aktionsplan beigefügt, in dem die Europäische Kommission eine Reihe von Maßnahmen für die Gestaltung der integrierten Meerespolitik vorschlägt.
2.6 Der Europäische Rat befürwortete die Idee einer integrierten EU-Meerespolitik in seiner Tagung am 14. Dezember 2007; am 15. Oktober 2009 nahm die Europäische Kommission dann einen Fortschrittsbericht zu dieser Politik an.
2.7 In diesem Fortschrittsbericht wird der Stand der Umsetzung des 2007 aufgestellten Aktionsplans dargelegt und die Richtung für die nächste Umsetzungsphase vorgegeben.
2.8 In seinen Schlussfolgerungen vom 16. November 2009 unterstrich der Rat „Allgemeine Angelegenheiten“ die Bedeutung einer finanziellen Unterstützung für die weitere Entwicklung und Umsetzung der integrierten Meerespolitik, indem er die Kommission ersuchte, die erforderlichen Vorschläge für die Finanzierung der Maßnahmen der integrierten Meerespolitik im Rahmen der derzeitigen Finanziellen Vorausschau vorzulegen, damit sie bis 2011 in Kraft treten können.
2.9 Die Kommission kommt nun zu dem Schluss, dass die Weiterentwicklung und Umsetzung der integrierten Meerespolitik aufgrund unzureichender Mittel zur Finanzierung der notwendigen Maßnahmen im verbleibenden Zeitraum der aktuellen Finanziellen Vorausschau (2011-2013) gefährdet sind. Diese sind jedoch laut Kommission für die Verwirklichung der im „Blaubuch“ festgelegten Ziele, die in den Schlussfolgerungen des Rates „Allgemeine Angelegenheiten“ vom 16. November 2009 bekräftigt wurden, notwendig.
2.10 Da nicht alle Prioritäten und Ziele der integrierten Meerespolitik durch andere EU-Fonds abgedeckt werden können, muss zur Unterstützung der Weiterentwicklung dieser Politik ein eigenes Programm geschaffen werden.
2.11 Die Durchführung des Programms in Drittländern sollte laut Kommission auch zu den Entwicklungszielen des jeweils begünstigten Landes beitragen und mit anderen EU-Kooperationsinstrumenten wie auch den Zielen und Prioritäten der einschlägigen EU-Politiken vereinbar sein.
2.12 Die Ziele dieses Verordnungsvorschlags können nach Meinung der Kommission allein durch das Handeln der einzelnen Mitgliedstaaten nicht vollständig erreicht werden, namentlich aufgrund der Größenordnung und der Wirkung der im Rahmen des Programms zu finanzierenden Maßnahmen. Dies kann besser auf EU-Ebene verwirklicht werden, indem die Union Maßnahmen im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip gemäß Artikel 5 AEUV erlässt.
2.13 In Bezug auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vertritt die Kommission die Auffassung, dass dieser Verordnungsvorschlag nicht über das zur Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinausgeht.
2.14 Ziel dieses Verordnungsvorschlags ist die Festlegung eines Unterstützungsprogramms zur Weiterentwicklung der integrierten Meerespolitik.
3. Allgemeine Bemerkungen
3.1 Der Ausschuss hat bereits in früheren Stellungnahmen (1) die Maßnahmen der Europäischen Kommission zur Verwirklichung einer integrierten Meerespolitik befürwortet. Dieser Vorschlag ist ein logischer nächster Schritt in diesem Prozess.
3.2 In diesem Verordnungsvorschlag werden u.a. die allgemeinen und die spezifischen Ziele des Programms, die förderfähigen Maßnahmen und die Formen der finanziellen Unterstützung festgelegt. Außerdem sind eine Bewertung spätestens Ende 2014 sowie die Einrichtung eines Beratenden Ausschusses zur Unterstützung der Kommission bei der Erstellung der Jahresarbeitsprogramme vorgesehen. Für die Durchführung des Programms 2011-2013 sind nach Meinung der Kommission Mittel in Höhe von 50 Mio. EUR erforderlich. Diese Punkte werden auch vom Ausschuss allesamt als erforderlich angesehen.
3.3 Der Kommissionsvorschlag ist als Rahmenvorschlag zu verstehen, der zahlreiche technische Instrumente umfasst. Er ist ausdrücklich kein Vorschlag zur Einführung von Politikinstrumenten. Der Vorschlag dient außerdem nicht zur Finanzierung maritimer Infrastruktur einschl. Häfen. Nach Ansicht des Ausschusses sollte dies auch im Vorschlag selbst, z.B. in den Erwägungsgründen, deutlich gemacht werden.
3.3.1 Laut Artikel 5 Absatz 2 des Vorschlags können im Rahmen des Programms sowohl maßnahmenbezogene Finanzhilfen als auch Betriebskostenzuschüsse gewährt werden. Der Ausschuss weist darauf hin, dass aus dem Vorschlag selbst nicht klar genug hervorgeht, welche Betriebskostenzuschüsse gemeint sind bzw. der Europäischen Kommission vorschweben, auch wenn die Mittelausstattung den Rahmen des Programms vermuten lässt.
3.3.2 Der Ausschuss empfiehlt, dies in dem Vorschlag ausdrücklich anzuführen, um einen etwaigen Verstoß gegen den Geist der Wettbewerbsvorschriften des Vertrags durch die Europäische Kommission selbst vorzubeugen, da nunmehr in maritimen Angelegenheiten im weiteren Sinne fast immer grenzüberschreitender Wettbewerb stattfindet. Dabei sollte auch beachtet werden, dass die Schifffahrtsförderung der jeweiligen EU-Mitgliedstaaten weiterhin möglich bleiben sollte.
3.4 Der Ausschuss stellt zu seiner Zufriedenheit fest, dass es sich um einen Vorschlag auf Grundlage der geteilten Zuständigkeiten handelt mit Ausnahme der Maßnahmen, die die Erhaltung der biologischen Meeresschätze betreffen, die in die ausschließliche Zuständigkeit der Kommission fallen.
3.5 Der Ausschuss wüsste gerne Näheres über die Gründe für die von Kommission getroffene der Wahl der Rechtsgrundlagen. Artikel 74 und Artikel 188 Absatz 1 AEUV folgen nicht dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren. Der Ausschuss wirft die Frage auf, inwieweit diese von der Kommission herangezogenen Rechtsgrundlagen mit den sonstigen Rechtsgrundlagen vereinbar sind, bei denen sehr wohl das ordentliche Gesetzgebungsverfahren Anwendung findet. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass die Verfahren gemäß Artikel 74 und Artikel 77 AEUV keine Gesetzgebungsverfahren im Sinne von Artikel 289 AEUV sind.
3.6 Nach Ansicht des Ausschuss rechtfertigen der grenzübergreifende Charakter der maritimen Angelegenheiten und die Synergien zwischen sektorspezifischen Politiken die Durchführung von Maßnahmen für die integrierte Meerespolitik wie Forschung, Mitwirkung an Pilotvorhaben sowie Förderung und Erleichterung der Umsetzung einer integrierten Meerespolitik in den Mitgliedstaaten durch die EU.
3.7 Die Begründung der Ex-ante-Bewertung der Kommission ist nach Meinung des Ausschusses nicht gerade das stärkste Teilstück ihres Vorschlags. Die Argumente für die Wahl von Option 2, d.h. ein bescheidener Finanzbeitrag der EU, mit dem Ziel, die Optionen weiter zu sondieren und die integrierte Meerespolitik in ihrer jeweils nächsten Phase umzusetzen, sind angesichts der alternativen Optionen wenig überzeugend. Der Ausschuss empfiehlt der Kommission, eine fundiertere Begründung insbesondere in Bezug auf die Wahl der konkreten Maßnahmen und Aktionen vorzulegen.
3.8 Nach Ansicht des Ausschusses sind die von der Kommission in Artikel 4 vorgeschlagenen Maßnahmen zur Umsetzung der in den vorhergehenden Artikeln dargelegten Ziele zu unverbindlich. In den Bereichen, in denen mehr Koordinierung und Klarheit in Bezug auf Befugnisse und Zuständigkeiten geboten erscheint, könnte die Kommission unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips klarere Leitlinien vorgeben.
3.9 Die Kommission schlägt vor, dass sie dem Europäischen Parlament und dem Rat spätestens zum 31. Dezember 2014 einen Bericht über die Ex-post-Bewertung vorlegt. Der Ausschuss begrüßt dieses Vorhaben, weist aber auch hier darauf hin, dass es zunächst einer aussagekräftigeren Ex-ante-Bewertung bedarf, um schließlich ex post bewerten zu können, ob die gesetzten Ziele auch erreicht wurden.
4. Besondere Bemerkungen
4.1 Der Ausschuss ist bekanntermaßen ein Verfechter eines sektorübergreifenden Konzepts für die Meerespolitik. Vor diesem Hintergrund ist seiner Meinung nach die Beteiligung aller Interessenträger von großer Bedeutung. Nach Ansicht des Ausschuss ist die aktive Mitwirkung aller Interessenträger an den genannten Maßnahmen der Schlüssel zum Erfolg. Der Appell zur Teilnahme und die Information über die Ergebnisse einer integrierten Meerespolitik in und zwischen den Mitgliedstaaten sind von grundlegender Bedeutung, um die gesetzten Ziele zu erreichen.
4.2 Auch wenn es in diesem Vorschlag nicht um politische Inhalte geht, möchte der Ausschuss an dieser Stelle wie bereits in früheren Stellungnahmen auf die folgenden Punkte hinweisen, denen in einer integrierten Meerespolitik besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss.
4.2.1 Die Umweltbelange der Küstengebiete in der EU und der Bedarf an internationalem Handelsverkehr, der sich in der Zunahme des Seeverkehrs niederschlägt, müssen gleichermaßen berücksichtigt werden.
4.2.2 Nach zwei großen Schiffsunglücken, die für viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gesorgt haben, namentlich die Havarie der „Erika“ 1999 und das Schiffsunglück der „Prestige“ 2002, muss nach Meinung des Ausschusses ein „worst case scenario“ unter Annahme des ungünstigsten Falles ausgearbeitet werden. Trotz eines umfangreichen Legislativpakets mit rund 15 neuen Verordnungen und Richtlinien bleiben die Mitgliedstaaten in ihren Anstrengungen in zwei wichtigen Bereichen hinter dem Handlungsbedarf zurück, und zwar
— |
beim Bau ausreichend ausgerüsteter Hafenauffanganlagen für Ölrückstände von Schiffen, weshalb immer noch Öl auf See abgelassen wird; |
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bei der Einrichtung hinreichender Notliegeplätze für Schiffe in Seenot sowie der Klarstellung der Befugnisse und Zuständigkeiten im Katastrophenfall. |
Maßnahmen zur Behebung dieser Missstände sollten in die Liste der förderfähigen Ziele aufgenommen werden.
4.2.3 Abgesehen von der Ratifizierung des UNCLOS-Übereinkommens (United Nations Convention on the Law of the Sea – Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen) – durch mittlerweile alle EU-Mitgliedstaaten – muss auch seine Umsetzung überwacht werden. In Bezug auf die Meere, die in das Hoheitsgebiet von EU-Mitgliedstaaten und Drittländern fallen, sollten nach Auffassung des Ausschusses die betreffenden Drittländer, von denen einige Assoziierungsabkommen mit der EU abgeschlossen haben bzw. in Beitrittsverhandlungen mit der EU stehen, zur Ratifizierung und anschließenden Umsetzung des UNCLOS-Übereinkommens angehalten werden, da es Teil des Acquis communautaire ist.
4.2.4 Für die Gewährleistung der erforderlichen Fortschritte in diesem Prozess schlägt der Ausschuss vor, mindestens einmal pro Jahr ein Treffen zur integrierten Meerespolitik auf Ebene der für den Mittelmeerraum zuständigen EU-Minister abzuhalten. Der Ausschuss hofft, dass diese Vorgehensweise in Zukunft auch rasch auf andere Meere wie die Ostsee, die Nordsee, den Atlantischen Ozean und das Schwarze Meer Anwendung finden wird.
4.2.5 Für die Stärkung der internationalen Dimension der integrierten Meerespolitik sollte die Kommission nach Meinung des Ausschuss der Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf See, der Seeverkehrssicherheit und der Umweltleistung von Schiffen größeres Augenmerk schenken.
4.2.6 Der Ausschuss weist darauf hin, dass für die Schaffung eines echten integrierten Seeverkehrsbinnenmarkts eine bessere Zusammenarbeit der Inspektionsdienste, der Küstenwache und der Marine der Mitgliedstaaten erforderlich ist, am besten im Rahmen der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA).
4.2.7 Hierfür sind auch ein gemeinsamer Informationsraum für den maritimen Bereich und ein System für eine integrierte Meeresüberwachung notwendig. In seiner einschlägigen Stellungnahme (2) betonte der Ausschuss, dass ein derartiges System derart gestaltet sein sollte, dass es in nachhaltiger Art und Weise präzise, aktuelle, qualitativ hochwertige Daten zu erschwinglichen Kosten liefert.
4.2.8 Der Ausschuss verweist auf eine Aussage aus einer früheren Stellungnahme (3), dass er bei der Umsetzung der Meerespolitik einschl. der Raumplanung eine Rolle übernehmen kann. Dieses Angebot soll an dieser Stelle bekräftigt werden.
Brüssel, den 16. Februar 2011
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Staffan NILSSON
(1) ABl. C 44 vom 11.2.2011, S. 173;
ABl. C 255 vom 22.9.2010, S. 103;
ABl. C 306 vom 16.12.2009, S. 46;
ABl. C 277 vom 17.11.2009, S. 20;
ABl. C 211 vom 19.8.2008, S. 31;
ABl. C 168 vom 20.7.2007, S. 50.
(2) ABl. C 44 vom 11.2.2011, S. 173.
(3) ABl. C 211 vom 19.8.2008, S. 31.
6.4.2011 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 107/68 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung (EU) des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1406/2002 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs“
(KOM(2010) 611 endg. — 2010/0303 (COD))
2011/C 107/14
Berichterstatter: Jan SIMONS
Der Rat und das Europäische Parlament beschlossen am 22. bzw. 10. November 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 100 Absatz 2 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Vorschlag für eine Verordnung (EU) des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1406/2002 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs“
KOM(2010) 611 endg. — 2010/0303 (COD).
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 2. Februar 2011 an.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 469. Plenartagung am 16./17. Februar 2011 (Sitzung vom 16. Februar) mit 114 Ja-Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1 Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss befürwortet die Rolle der EMSA bei der Verbesserung der Seeverkehrssicherheit in den Mitgliedstaaten. Auch in Hinkunft wird es seiner Meinung nach sehr wichtig sein, dass die Aufgaben und Zuständigkeiten der EMSA verantwortungsvoll ausgedehnt werden.
1.2 Unter verantwortungsvoll versteht der Ausschuss, dass die Aufgaben, Zuständigkeiten und Befugnisse der EMSA klarer als bislang formuliert und festgelegt werden müssen, damit keinerlei Missverständnis über die Aufgabenteilung zwischen EMSA, Kommission und Mitgliedstaaten aufkommen kann.
1.3 In Bezug auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hält der Ausschuss fest, dass die Kommission in ihrem Vorschlag in einigen Ziffern die Rolle, die die EMSA in Zukunft spielen könnte, vorwegnimmt. In dieser Frage sollte allerdings zunächst auf EU-Ebene ein Beschluss gefasst werden.
1.4 Der Ausschuss nimmt mit Erstaunen zur Kenntnis, dass in Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe d) plötzlich von „Binnenwasserstraßen“ die Rede ist. Weder in den früheren, ausschließlich auf den Seeverkehr ausgerichteten Verordnungen (was auch schon aus deren Titeln klar hervorgeht) noch in der Begründung, der Folgenabschätzung oder den Erwägungsgründen dieses Verordnungsvorschlags wird auf die Binnenschifffahrt eingegangen. Es gibt keine Erklärung zu Beweggrund, Zweck, Umfang, technischer Umsetzung oder Behandlung der für See- und Binnenschifffahrt unterschiedlichen Politik und Verwaltungs- und Governance-Strukturen auf einzelstaatlicher und internationaler Ebene. Schon allein aus diesem Grund sollte dieser Verweis gestrichen werden. Außerdem gibt es auch noch das inhaltliche Argument, dass die sehr unterschiedlichen Wesensmerkmale dieser beiden Verkehrsträger bereits Anlass für den Aufbau unterschiedlicher Verkehrsmanagementsysteme waren.
1.5 Der Ausschuss kann sich aber durchaus vorstellen, dass so schnell wie möglich eine Rechtsgrundlage und somit auch ein finanzieller Rahmen geschaffen wird, so dass die EMSA auf der Grundlage ihres Know-hows im maritimen Bereich die Kommission mit relevanter und konkreter Sach- und Fachkenntnis unterstützen kann, und zwar nicht nur bezüglich sämtlicher Verkehrsträger, sondern auch in Politikbereichen außerhalb des Verkehrsbereichs.
1.6 Außerdem stimmt der Ausschuss dem Vorschlag zu, diese Verordnung besser mit den infolge des dritten Maßnahmenpakets zur Seeverkehrssicherheit erlassenen Rechtsvorschriften zu verknüpfen.
1.7 Der Ausschuss fordert, die Rolle der EMSA, der Kommission, der Mitgliedstaaten und des Verwaltungsrats der EMSA insbesondere bei der Durchführung von Inspektionen in dem Vorschlag zu präzisieren.
1.8 Daher befürwortet der Ausschuss den Vorschlag der Kommission, bei der Festlegung der operativen Arbeitsmethoden der EMSA für Inspektionen dem Beispiel der Europäischen Agentur für Flugsicherheit zu folgen.
1.9 Da die EMSA in der Vergangenheit bewiesen hat, dass sie einen zusätzlichen Nutzen bringen kann, müssen ihr nach Meinung des Ausschusses auch die personellen und finanziellen Möglichkeiten an die Hand gegeben werden, um ihre Funktion auch in Zukunft verantwortungsvoll erfüllen zu können. Dies impliziert nach Ansicht des Ausschusses auch die regelmäßige Vornahme einer unabhängigen externen Bewertung.
2. Einleitung
2.1 Am 28. Oktober 2010 hat die Europäische Kommission den „Vorschlag für eine Verordnung (EU) des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1406/2002 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs“ (KOM(2010) 611 endg.) vorgelegt und den Ausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme ersucht.
2.2 Der Ausschuss kommt diesem Ersuchen gerne nach, da er den Vorschlag zur Änderung von Verordnung (EG) Nr. 1406/2002 als wichtigen nächsten Schritt zur Verbesserung der Seeverkehrssicherheit erachtet.
2.3 Die politische Aufmerksamkeit für die Seeverkehrssicherheit ist erst nach dem Unfall des Öltankers „Erika“ und der dadurch verursachten riesigen Ölpest wirklich gestiegen.
2.4 Die Europäische Kommission schlug Ende 2000 eine Verordnung zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) als Fachinstanz vor, deren Ziel die Gewährleistung eines hohen, einheitlichen und effektiven Niveaus bei der Sicherheit und der Gefahrenabwehr im Seeverkehr sowie bei der Verhütung der Verschmutzung durch Schiffe in der EU ist.
2.5 Die Verordnung trat im August 2002 in Kraft; die EMSA nahm ihre Arbeit im März 2003 auf. Seitdem wurde die Verordnung dreimal geändert.
2.6 Die erste Änderung durch die Verordnung (EG) Nr. 1644/2003 betraf vor allem finanzielle und haushaltsbezogene Verfahren sowie die Transparenz.
2.7 Die zweite Änderung durch die Verordnung (EG) Nr. 724/2004 erfolgte vor dem Hintergrund des Unfalls der „Prestige“ im Jahr 2002 und verlieh der EMSA zahlreiche neue Befugnisse, insbesondere im Bereich der Verhütung von und das Eingreifen bei Verschmutzung. Bei dieser zweiten Überarbeitung wurde auch der Weiterentwicklung der Zuständigkeit der EU im Bereich der Gefahrenabwehr im Seeverkehr Rechnung getragen,
2.8 Die EMSA wurde ersucht, bei den Inspektionen der Kommission im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 725/2004 zur Erhöhung der Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen technische Unterstützung zu leisten.
2.9 Außerdem wurde die EMSA gebeten, die Kommission bei der Bewertung der Verfahren für die Erteilung von Befähigungszeugnissen und der Ausbildungseinrichtungen für Seeleute sowohl in EU-Ländern als auch in Drittländern zu unterstützen. Dies betrifft Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungsnachweisen und den Wachdienst von Seeleuten gemäß dem so genannten STCW-Übereinkommen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO).
2.10 Die dritte Änderung erfolgte 2006 durch die Verordnung (EG) Nr. 2038/2006. Die EMSA wurde mit einem mehrjährigen Finanzrahmen von 154 Mio. EUR für Maßnahmen zum Eingreifen bei Meeresverschmutzung im Zeitraum 2007-2013 ausgestattet.
2.11 Die Entwicklung macht jedoch nicht Halt. Um auch weiterhin Schlagkraft und Effizienz der EMSA zu gewährleisten, ist dieser Vorschlag für eine – vierte – Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1406/2002 erforderlich.
2.12 Ziel des Verordnungsvorschlags der Kommission ist es, die die bestehenden Aufgaben und die Rolle der EMSA zu präzisieren sowie ihre Aufgaben auf neue Gebiete, die sich international und/oder auf EU-Ebene entwickeln, auszudehnen.
2.13 In Bezug auf ihre derzeitigen Aufgaben leistet die EMSA den Mitgliedstaaten und der Kommission technische und wissenschaftliche Unterstützung, um für eine ordnungsgemäße Anwendung der Rechtsvorschriften der Gemeinschaft im Bereich der Sicherheit und der Gefahrenabwehr im Seeverkehr sowie der Verhütung der Verschmutzung durch Schiffe Sorge zu tragen, die Anwendung dieser Rechtsvorschriften zu überwachen, die Wirksamkeit der bestehenden Maßnahmen zu beurteilen und die Entwicklung neuer Maßnahmen zu unterstützen.
2.14 In ihrer Mitteilung „Strategische Ziele und Empfehlungen für die Seeverkehrspolitik der EU bis 2018“ bekundete die Kommission ihre Absicht, „das Mandat und die Arbeitsweise der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs so zu überarbeiten, dass diese den Mitgliedstaaten und der Kommission umfassendere technische und wissenschaftliche Unterstützung leisten kann“.
2.15 In seinen Schlussfolgerungen vom 30. März 2009 forderte der Rat die Kommission dazu auf, „in Anbetracht der künftigen Herausforderungen“ Maßnahmen zur „Verbesserung der Arbeit der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs im Hinblick auf die technische und wissenschaftliche Unterstützung der Mitgliedstaaten und der Kommission“ zu entwickeln.
2.16 Die Kommission hat auf Aufforderung des Europäischen Parlaments und des Rates eine Studie durchgeführt und ist zu dem Schluss gekommen, dass Synergien auf EU-Ebene hinsichtlich bestimmter Einsätze der Küstenwache durch die Tätigkeiten der EMSA verstärkt werden könnten. Diese ließen sich durch die Erweiterung der Aufgaben der EMSA in Bereichen wie etwa der Überwachung des Seeverkehrs und der Schifffahrtsrouten und der Unterstützung von Mitgliedstaaten bei der Verfolgung möglicher Verschmutzer verwirklichen.
2.17 Wie in der Verordnung (EG) Nr. 1406/2002 vorgesehen, hat der Verwaltungsrat der EMSA 2007 eine unabhängige externe Bewertung der Durchführung der Verordnung in Auftrag gegeben, in der festgehalten ist, dass in einigen Bereichen Verbesserungen und Präzisierungen möglich sind. Allgemein wurde der Schluss gezogen, dass die EMSA einen zusätzlichen Nutzen für den Sektor im Allgemeinen und für seine beiden Hauptakteure, die Mitgliedstaaten und die Kommission, im Besonderen geschaffen hat.
3. Allgemeine Bemerkungen
3.1 Der Ausschuss hat die wesentliche Rolle der EMSA für die Verbesserung der Seeverkehrssicherheit in den Mitgliedstaaten bereits in früheren Stellungnahmen (1) (2) anerkannt. Aufgrund der kontinuierlichen Weiterentwicklungen im Bereich der Seeverkehrssicherheit und der damit verbundenen Notwendigkeit, Inspektionen durchzuführen und bei Meeresverschmutzung einzugreifen, ist es nach Meinung des Ausschusses sehr wichtig, dass die Aufgaben und Befugnisse der EMSA ausgedehnt werden.
3.2 Die vorgeschlagene Ausdehnung betrifft u.a. folgende Aspekte: Unterstützung seitens der EMSA in internationalen Organisationen wie der IMO, die Bedeutung der operativen Dienstleistungen wie SafeSeaNet für die integrierte Meerespolitik und die Interoperabilität der Systeme, das Eingreifen bei durch Offshore-Tätigkeiten verursachter Meeresverschmutzung, die technische Zusammenarbeit mit Drittländern und die Unterstützung der Kommission bei Sicherheitsinspektionen.
3.3 Die Änderung der Verordnung ist insbesondere aufgrund des dritten Maßnahmenpakets zur Seeverkehrssicherheit, der neuen Themen, die in der Fünfjahresstrategie 2010-2014 der EMSA festgelegt wurden, und der Empfehlungen des Verwaltungsrats der EMSA, die dieser aufgrund der externen Bewertung der EMSA ausgesprochen hat, erforderlich.
3.4 Die Aufgaben der EMSA müssen präzisiert werden; außerdem muss die Unterstützung der EMSA für die Kommission und die Mitgliedstaaten vor dem Hintergrund neuer Entwicklungen wie u.a. dem dritten Maßnahmenpaket für die Seeverkehrssicherheit, der integrierten EU-Meerespolitik, der Seeverkehrsüberwachung und den Möglichkeiten für die Einrichtung einer europäischen Küstenwache genauer definiert werden.
3.4.1 Der Ausschuss nimmt mit Erstaunen zur Kenntnis, dass in Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe d) plötzlich von „Binnenwasserstraßen“ die Rede ist. Weder in den früheren, ausschließlich auf den Seeverkehr ausgerichteten Verordnungen (was auch schon aus deren Titeln klar hervorgeht) noch in der Begründung, der Folgenabschätzung oder den Erwägungsgründen dieses Verordnungsvorschlags wird auf die Binnenschifffahrt eingegangen. Es gibt keine Erklärung zu Beweggrund, Zweck, Umfang, technischer Umsetzung oder Behandlung der für See- und Binnenschifffahrt unterschiedlichen Politik und Verwaltungs- und Governance-Strukturen auf einzelstaatlicher und internationaler Ebene. Schon allein aus diesem Grund sollte dieser Verweis gestrichen werden. Außerdem gibt es auch noch das inhaltliche Argument, dass die sehr unterschiedlichen Wesensmerkmale dieser beiden Verkehrsträger bereits Anlass für den Aufbau unterschiedlicher Verkehrsmanagementsysteme waren.
3.4.2 Der Ausschuss kann sich aber durchaus vorstellen, dass so schnell wie möglich eine Rechtsgrundlage und somit auch ein finanzieller Rahmen geschaffen wird, so dass die EMSA auf der Grundlage ihres Know-hows im maritimen Bereich die Kommission mit relevanter und konkreter Sach- und Fachkenntnis unterstützen kann, und zwar nicht nur bezüglich sämtlicher Verkehrsträger, sondern auch in Politikbereichen außerhalb des Verkehrsbereichs.
3.4.3 In Artikel 2 Absatz 1 werden die Bereiche aufgelistet, in denen die EMSA die Kommission unterstützt. In Absatz 2 wird dann ausgeführt, dass diese Unterstützung im Rahmen der Befugnisse der EMSA stattfinden muss, allerdings wird dann oftmals ein unterschiedlicher Wortlaut für die Bereiche gewählt, oder sie werden gar nicht erwähnt; dies ist verwirrend und manchmal (siehe Buchstabe e) sogar unklar. Die Lösung wäre, die Ausführungen in Absatz 2 zu streichen, da sie bereits in Absatz 1 enthalten sind.
3.5 In Bezug auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stimmt der Ausschuss dem Vorschlag zu, diese Verordnung besser mit den infolge des dritten Maßnahmenpakets zur Seeverkehrssicherheit erlassenen Rechtsvorschriften zu verknüpfen. Er hält jedoch fest, dass in einigen Ziffern dieses Vorschlags die Rolle, die die EMSA in Zukunft u.a. bei der Einrichtung regionaler Zentren spielen könnte, vorweggenommen wird, obwohl noch keinerlei diesbezüglicher Beschluss gefasst wurde.
4. Besondere Bemerkungen
4.1 In Bezug auf die Governance-Aspekte hält der Ausschuss fest, dass die Rolle der EMSA, der Kommission, der Mitgliedstaaten und des Verwaltungsrats der EMSA insbesondere bei der Durchführung von Inspektionen in dem Vorschlag präzisiert werden muss.
4.2 Die Vertreter der Mitgliedstaaten im Verwaltungsrat der EMSA stehen nämlich vor einem potenziellen Interessenkonflikt: Einerseits entscheiden sie über die Tätigkeiten und Ressourcen der EMSA, vor allem über die Kontrollbesuchspolitik, andererseits vertreten sie nationale Verwaltungen, die ihrerseits Inspektionen der EMSA im Auftrag der Kommission unterliegen, bei denen die Konformität der nationalen Rechtsvorschriften und Praktiken mit geltendem EU-Recht kontrolliert wird.
4.3 Daher befürwortet der Ausschuss die Änderung von Artikel 3 in Bezug auf die Inspektionen der EMSA und den Vorschlag der Kommission, bei der Festlegung der operativen Arbeitsmethoden der EMSA für Inspektionen dem Beispiel der Europäischen Agentur für Flugsicherheit zu folgen (Komitologieverfahren).
4.4 Auf diese Weise würden alle Interessenträger, EMSA, Kommission und Mitgliedstaaten, einbezogen und gleichzeitig ihre Zuständigkeiten und Befugnisse gewahrt.
4.5 Der Ausschuss ist außerdem der Meinung, dass in diesem Zusammenhang, soweit es den Zuständigkeitsbereich der EMSA angeht, natürlich auch den Lebens- und Arbeitsbedingungen der Seeleute, insbesondere in Bezug auf die Umsetzung des internationalen Seearbeitsübereinkommens (Maritime Labour Convention (MLC) der IAO), Aufmerksamkeit gewidmet werden muss.
4.6 In Bezug auf die vorgeschlagene Änderung von Artikel 5 Absatz 3 weist der Ausschuss darauf hin, dass sie impliziert, dass die einzurichtenden regionalen Zentren sich nicht mehr ausschließlich auf Fragen der Seeverkehrsüberwachung konzentrieren. Er warnt, dass ein gutes Funktionieren von klaren Absprachen zwischen den Mitgliedstaaten und der EMSA darüber abhängt, wer wofür verantwortlich und zuständig ist.
4.7 Die weiteren Änderungen von Artikel 10 bis 19 betreffen in erster Linie die bestehenden oder neu einzurichtenden Gremien der EMSA, die Zuständigkeiten und Befugnisse der Mitarbeiter, die Personalaufstockung und Finanzierungsquellen.
4.8 Nach Ansicht des Ausschusses muss die EMSA in den Bereichen, in denen sie in der Vergangenheit bewiesen hat, dass sie einen wichtigen zusätzliche Nutzen bringen kann, auch die Möglichkeit bekommen, diese neuen Aufgaben in Zukunft verantwortungsvoll zu erfüllen. Einsparungen bei Human- und Finanzressourcen, die bedeuten, dass die EMSA weniger Aufgaben wahrnehmen kann, müssen immer gegen die negativen Auswirkungen abgewogen werden, die ihre Untätigkeit nach sich ziehen würde.
4.9 Abschließend stimmt der Ausschuss dem Vorschlag des Verwaltungsrats der EMSA zu, in Zukunft regelmäßig eine unabhängige externe Bewertung der Funktionsweise der EMSA in Auftrag zu geben.
Brüssel, den 16. Februar 2011
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Staffan NILSSON
(1) ABl. C 28 vom 3.2.2006, S. 16.
(2) ABl. C 108 vom 30.4.2004, S. 52.
6.4.2011 |
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C 107/72 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Aufhebung bestimmter überholter Rechtsakte des Rates im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik“
(KOM(2010) 764 endg. — 2010/0368 (COD))
2011/C 107/15
Das Europäische Parlament und der Rat beschlossen am 18. Januar bzw. am 27. Januar 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 42 Absatz 1, Artikel 43 Absatz 2 und Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Aufhebung bestimmter überholter Rechtsakte des Rates im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik“
KOM(2010) 764 endg. — 2010/0368 (COD).
Da der Ausschuss dem Vorschlag vorbehaltlos zustimmt und keine Bemerkungen zu dieser Thematik vorzubringen hat, beschloss er auf seiner 469. Plenartagung am 16./17. Februar 2011 (Sitzung vom 16. Februar) mit 128 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung, eine befürwortende Stellungnahme zu diesem Vorschlag abzugeben.
Brüssel, den 16. Februar 2011
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Staffan NILSSON
6.4.2011 |
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C 107/73 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten“ (Neufassung)
(KOM(2010) 784 endg. — 2010/0387 (CNS))
2011/C 107/16
Der Rat beschloss am 25. Januar 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 113 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten“ (Neufassung)
KOM(2010) 784 endg. — 2010/0387 (CNS).
Da der Ausschuss dem Vorschlag vorbehaltlos zustimmt und sich bereits in seiner am 14. Januar 2009 verabschiedeten Stellungnahme zum Thema „Steuersystem/Mutter- und Tochtergesellschaften“ (ABl. C 182 vom 4.8.2009, S. 77) zu dieser Thematik geäußert hat, beschloss er auf seiner 469. Plenartagung am 16./17. Februar 2011 (Sitzung vom 16. Februar) mit 115 Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen, eine befürwortende Stellungnahme abzugeben und auf den Standpunkt zu verweisen, den er in der oben genannten Stellungnahme vertreten hat.
Brüssel, den 16. Februar 2011
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Staffan NILSSON
6.4.2011 |
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C 107/74 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Einbau, Position, Funktionsweise und Kennzeichnung der Betätigungseinrichtungen von land- oder forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern“ (kodifizierter Text)
(KOM(2010) 717 endg. — 2010/0348 (COD))
2011/C 107/17
Der Rat und das Europäische Parlament beschlossen am 17. Januar 2011 bzw. am 16. Dezember 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Einbau, Position, Funktionsweise und Kennzeichnung der Betätigungseinrichtungen von land- oder forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern“
KOM(2010) 717 endg. — 2010/0348 (COD).
Da der Ausschuss dem Vorschlag vorbehaltlos zustimmt und keine Bemerkungen zu dieser Thematik vorzubringen hat, beschloss er auf seiner 469. Plenartagung am 16./17. Februar 2011 (Sitzung vom 16. Februar) mit 114 Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen, eine befürwortende Stellungnahme zu diesem Vorschlag abzugeben.
Brüssel, den 16. Februar 2011
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Staffan NILSSON
6.4.2011 |
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C 107/75 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bremsanlagen von land- und forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern“ (kodifizierter Text)
(KOM(2010) 729 endg. — 2010/0349 (COD))
2011/C 107/18
Der Rat beschloss am 17. Januar 2011 und das Parlament am 16. Dezember 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bremsanlagen von land- und forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern“
KOM(2010) 729 endg. — 2010/0349 (COD).
Da der Ausschuss dem Inhalt des Vorschlags vorbehaltlos zustimmt und keine Bemerkungen dazu vorzubringen hat, beschloss er auf seiner 469. Plenartagung am 16./17. Februar 2011 (Sitzung vom 16. Februar) mit 111 gegen 1 Stimme bei 5 Stimmenthaltungen, eine befürwortende Stellungnahme zu diesem Vorschlag abzugeben.
Brüssel, den 16. Februar 2011
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Staffan NILSSON
6.4.2011 |
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C 107/76 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Betätigungsraum, Zugänge zum Fahrersitz sowie Türen und Fenster von land- und forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern“ (kodifizierter Text)
(KOM(2010) 746 endg. — 2010/0358 (COD))
2011/C 107/19
Der Rat beschloss am 17. Januar 2011 und das Parlament am 16. Dezember 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Betätigungsraum, Zugänge zum Fahrersitz sowie Türen und Fenster von land- und forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern“
KOM(2010) 746 endg. — 2010/0358 (COD).
Da der Ausschuss dem Inhalt des Vorschlags vorbehaltlos zustimmt und keine Bemerkungen dazu vorzubringen hat, beschloss er auf seiner 469. Plenartagung am 16./17. Februar 2011 (Sitzung vom 16. Februar) mit 108 Stimmen bei 6 Stimmenthaltungen, eine befürwortende Stellungnahme zu diesem Vorschlag abzugeben.
Brüssel, den 16. Februar 2011
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Staffan NILSSON
6.4.2011 |
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C 107/77 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für einen Beschluss des Rates über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten“
(KOM(2011) 6 endg. — 2011/0007 (CNS))
2011/C 107/20
Der Rat beschloss am 26. Januar 2011, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 148 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
„Vorschlag für einen Beschluss des Rates über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten“
KOM(2011) 6 endg. — 2011/0007 (CNS).
Da der Ausschuss dem Vorschlag zustimmt und sich bereits in seiner Stellungnahme CESE 763/2010 vom 27. Mai 2010 (1) zu dieser Thematik geäußert hat, beschloss er auf seiner 469. Plenartagung am 16./17. Februar 2011 (Sitzung vom 16. Februar) mit 119 Ja-Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen, eine befürwortende Stellungnahme abzugeben und auf den Standpunkt zu verweisen, den er in der oben genannten Stellungnahme vertreten hat.
Brüssel, den 16. Februar 2011
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Staffan NILSSON
(1) Stellungnahme des EWSA zu dem „Vorschlag für einen Beschluss des Rates über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten – Teil II der integrierten Leitlinien zu Europa 2020“, ABl. C 21 vom 21.1.2011, S. 66.